Strukturfragen des Dienstvertrages: Leistungsstörungen im freien Dienstvertrag und im Arbeitsvertrag 9783161511981, 9783161487392

Obwohl freie Dienstverträge und Arbeitsverträge zu den in der Praxis wichtigsten Vertragstypen gehören, wurde die Frage

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Strukturfragen des Dienstvertrages: Leistungsstörungen im freien Dienstvertrag und im Arbeitsvertrag
 9783161511981, 9783161487392

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages
§ 1 Vorbemerkung: Die Begriffe „Nichterfüllung“,„Pflichtverletzung“ und ihre Unterfälle
§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung
I. Der nach § 362 BGB geschuldete „Leistungserfolg“
II. Die Bedeutung des „Erfolgs“ für den Schuldinhalt
1. Die Abgrenzung von Dienstvertrag und Werkvertrag
a) Die gesetzliche Ausgangslage
b) Das Kriterium des „Erfolgs“
(1) Vorschläge zur „Abstraktion“ des Erfolgs in der älteren Literatur
(2) Der „Erfolg“ und die Interessen der Vertragsparteien
(a) Die Interessen des Gläubigers
(aa) Erfolgsversprechen und Steuerungsrecht als alternative Mittel der Interessensicherung
(bb) Das Steuerungsrecht als Abgrenzungskriterium
(cc) Ergebnis zu (a)
(b) Die Interessen des Schuldners
(3) Tätigkeitsverträge der Freien Berufe
(4) Arbeitsverträge
c) Ergebnis zu 1.
2. Die Stärke des Erfolgsbezugs beim Dienstvertrag
a) Der Dienstvertrag als „erfolgsgerichteter“ Vertrag
b) Grundtypen des Dienstvertrages
(1) Zeitbezogene Dienstverträge
(2) Erfolgsbezogene Dienstverträge
c) Kombinationen von dienst- und werkvertragsähnlichen Elementen
(1) Einleitung
(2) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im Arbeitsvertrag
(a) Erfolgsabhängigkeit der gesamten Vergütung
(b) Erfolgsabhängigkeit von Teilen der Vergütung
(aa) Maßgeblichkeit des Gesamtlohns
(bb) Höhe und Steuerung des Erfolgsrisikos
(cc) Grenzen der Erfolgsabhängigkeit
(c) Rechtsfolgen bei Nichteintritt des Erfolgs
(aa) § 615 BGB als zentrale Gefahrtragungsregelung des Dienstvertragsrechts
(bb) Einschränkung der Gefahrtragungsregelung des § 615 BGB für erfolgsabhängige Vergütungsanteile?
(d) Ergebnis zu (2)
(3) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im selbständigen Dienstvertrag
d) Ergebnis zu 2.
III. Ergebnis zu § 2
§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste
I. Erfüllung durch nicht ordnungsgemäße Dienste?
1. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
2. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
3. Ergebnis zu I.
II. Die „Ordnungsgemäßheit“ der Dienste
1. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch die Vertragsparteien
a) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Dienstvertrag
(1) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch beide Vertragsparteien
(a) Festlegung des Leistungsrahmens
(b) Ist eine ausreichende Bestimmung des Leistungsinhalts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich?
(aa) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Vertragsschlusses
(bb) Das Bestimmtheitserfordernis des BGB
(2) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch eine Vertragspartei
(a) Die Leistungskonkretisierungsbefugnis des Dienstverpfl ichteten
(aa) Die Rechtsnatur der Leistungskonkretisierungsbefugnis
(bb) Die Bedeutung der Leistungskonkretisierungsbefugnis
(b) Das Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten
(3) Ergebnis zu a)
b) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Arbeitsvertrag
(1) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO, §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB
(2) Der „weisungsfreie Eigenbereich“ des Arbeitnehmers
(3) Ergebnis zu b)
c) Ergebnis zu 1.
2. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch das Gesetz
a) Allgemeine Einschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis durch das Gesetz
b) Zur Möglichkeit weiterer gesetzlicher Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis
(1) Verpfl ichtung zur Leistung von Diensten „mittlerer Art und Güte“ (§ 243 Abs. 1 BGB)?
(a) Entstehungsgeschichte des § 243 Abs. 1 BGB
(b) Der Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung
(c) Die Voraussetzungen der Analogie
(aa) Gesetzeslücke
(bb) Tatbestandliche Vergleichbarkeit
(cc) Vergleichbarkeit bei wertender Betrachtung
(d) Ergebnis zu (1)
(2) Gesetzliche Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis de lege ferenda?
(a) Verpfl ichtung zur „subjektiv-optimalen“ Leistung?
(b) Verpfl ichtung zur „objektiven Normalleistung“?
(c) Ergebnis zu (2)
c) Ergebnis zu 2.
3. Zur Ermittlung des Schuldinhalts durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung
a) Zur Methodik der Auslegung
b) Leistungsvermögen und Einsatz des Leistungsvermögens
(1) Leistungsversprechen und Leistungsvermögen
(a) Individuelles Leistungsvermögen und normative Auslegung
(aa) Faktoren
(bb) Dynamik
(b) Individuelles Leistungsvermögen als Teil des Schuldversprechens
(2) Leistungsversprechen und Einsatz des Leistungsvermögens
(a) Leistungsversprechen und Leistungswille
(b) Einsatz des Leistungsvermögens und normative Auslegung
(aa) Die Interessen des Dienstverpfl ichteten
(bb) Die Interessen des Dienstberechtigten
(cc) Kompetenzgefälle und Schutz der Interessen
(dd) Ergebnis zu (b)
(c) Die Üblichkeit als Auslegungskriterium
(aa) Anwendungsbereich
(bb) Gründe
c) Ergebnis zu 3.
4. Ergebnis zu II.
III. Ergebnis zu § 3
Zweiter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Dienstvertrages
§ 4 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Dienstvertrag
I. Einleitung
1. Kombinationsmöglichkeiten
2. Falschleistung
II. Vollständige Nichtleistung und vollständige Schlechtleistung
1. Einleitung
2. Unterscheidung durch Identifi kation
a) Identifi kationsmerkmale
(1) Leistungsort
(2) Leistungszeitraum
(3) Leistungsinhalt
b) Methode der Unterscheidung
(1) Die Funktion der Tätigkeit als Abgrenzungskriterium
(a) Notwendigkeit normativer Abgrenzung
(b) Abgrenzung bei anderen Vertragstypen
(c) Normative Abgrenzung beim Dienstvertrag
(2) Vertretenmüssen
(3) Bestimmung der Funktion der Tätigkeit
(a) Grundsätzliches
(b) Die Vereinbarung von bestimmten Eigenschaften der Tätigkeit
(aa) Falscher Leistungsort führt zu Nichtleistung
(bb) Falsche Leistungszeit führt zu Nichtleistung
(cc) Leistung mit falschem Inhalt
(dd) Kombinationsmöglichkeiten
3. Ergebnis zu II.
III. Teilweise Nichtleistung und teilweise Schlechtleistung
1. Die Teilbarkeit der Leistung
a) „Technische, natürliche oder tatsächliche Teilbarkeit“
b) Teilbarkeit „im Rechtssinne“ bzw. „nach dem Parteiwillen“
(1) Maßgeblichkeit des Vertragszwecks
(2) Unterschiedliche Konstellationen
(a) „Zufällige“ Verbindung unterschiedlicher Teile
(b) Inhaltliche Verbindung unterschiedlicher Teile
(c) „Zufällige“ Verbindung gleicher Teile
(d) Inhaltliche Verbindung gleicher Teile
(3) Eigenständiger Vertragszweck und Gläubigerinteresse
c) Ergebnis zu 1.
2. Die Teilbarkeit der Dienste
a) Maßgeblichkeit der Funktion der Tätigkeit
b) Teilbarkeit zeitbezogener und erfolgsbezogener Dienstverträge
(1) Teilbarkeit zeitbezogener Dienstverträge
(a) Teilbarkeit durch die Zeit
(aa) Unzureichende Leistungsdauer
(bb) Verfehlung des Leistungszeitraums
(b) Sonstige Teilbarkeit
(c) Ergebnis zu (1)
(2) Teilbarkeit erfolgsbezogener Dienstverträge
(a) Gleichrangige Erfolge
(b) Verschiedenrangige Erfolge
(c) Ergebnis zu (2)
c) Ergebnis zu 2.
3. Teilleistung und Teilschlechtleistung
a) Die Teilschlechtleistung
b) Erscheinungsformen der Teilschlechtleistung
(1) Die sog. isolierte Teilschlechtleistung
(2) Die sog. integrierte Teilschlechtleistung
c) Die Erscheinungsformen partiell schlecht erbrachter Leistung und ihre jeweiligen Rechtsfolgen
(1) Die „isolierte“ Teilschlechtleistung und ihre Rechtsfolgen
(2) Die sonstigen Fälle der partiell schlecht erbrachten Leistung und ihre Rechtsfolgen
(a) Teilschlechtleistung und Restleistung
(b) Teilschlechtleistung und ordnungsgemäße Teilleistung
(aa) Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB
(bb) Ordnungsgemäße Teilleistung und Teilschlechtleistung als Maßstab für das Gläubigerinteresse
(c) Ordnungsgemäße Teilleistung und Restleistung
(d) Ordnungsgemäße Restleistung und schlecht erbrachte Restleistung
(3) Exkurs: Die Ausübung der Totalrechte und der sog. kleine Schadensersatz
(a) Ordnungsgemäße Teilleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für das Gläubigerinteresse?
(b) Schlechtleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für die Unerheblichkeit?
d) Sog. Teil-Teilleistungen
(1) Teil-Teilleistungen im Dienstvertragsrecht
(2) Rechtsfolgen der Teil-Teilleistung
(3) Ergebnis zu d)
e) Ergebnis zu 3.
4. Ergebnis zu III.
IV. Vorzeitige und verzögerte Leistung
1. Die vorzeitige Leistung
2. Die verzögerte Leistung
a) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum keine Leistung (Nichtleistung)
b) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum eine defizitäre Leistung
(1) Der Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB
(a) Wortlaut
(b) Sinn und Zweck
(aa) Schlechtleistung als „Verzögerung der Leistung“?
(bb) Verzögerte Teilleistung als „Verzögerung der Leistung“?
(2) Ergebnis zu b)
c) Neben die Verzögerung tretende Leistungsdefizite
d) Ergebnis zu 2.
V. Ergebnis zu § 4
1. Beispielsfall zum zeitbezogenen Dienstvertrag: Der empfindliche Nachhilfelehrer
2. Beispielsfall zum erfolgsbezogenen Dienstvertrag: Der unerfahrene Unternehmensberater
3. Beispielsfall zur Kombination von verzögerter und in sonstiger Weise defizitärer Leistung: Der unzuverlässige Computerfachmann
§ 5 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Dienstvertrag
I. Nacherfüllung
1. Einleitung
2. Erlöschen der Nacherfüllungspfl icht
a) § 615 BGB
(1) Anwendung des § 615 BGB auf sog. absolute Fixschulden
(2) Anwendung des § 615 BGB auf nachholbare Dienste
(3) Anwendung des § 615 BGB auf die Nacherfüllungspfl icht bei nichtordnungsgemäß geleisteten Diensten
b) § 275 BGB
(1) § 275 Abs. 1 BGB
(a) „Unmöglichkeit für den Schuldner“
(b) Fälle der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB
(aa) Unmöglichkeit wegen endgültigen Wegfalls derLeistungsfähigkeit des Schuldners
(bb) Unmöglichkeit wegen fehlender Nachholbarkeit
(2) § 275 Abs. 2 BGB
(a) Anwendbarkeit der Norm auf die Verpfl ichtungzur Leistung von Diensten
(b) Verweigerung der Nachholung der Leistung wegen„groben Mißverhältnisses“
(aa) Die „eigentlichen Mehrkosten der Nachholung“
(bb) Grobes Mißverhältnis bei Nacherfüllungspfl icht nach nicht ordnungsgemäßgeleisteten Diensten
(c) Ergebnis zu (2)
(3) § 275 Abs. 3 BGB
(a) Vollständige und „teilweise“ Verweigerung der Leistung
(b) Endgültige oder „vorübergehende“ Verweigerung der Leistung
(c) Unzumutbarkeit
(d) Vorrang des § 616 BGB
(e) Vertretenmüssen
c) § 635 Abs. 3 BGB analog
II. Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung
1. Einleitung
2. Die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung und vonSchadensersatz statt der ganzen Leistung
3. Die Behandlung der Gegenleistung im Rahmen desSchadensersatzes statt der Leistung
4. Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution?
5. Schadensersatz in Geld für „entgangene Dienste“?
a) „Entgangene Dienste“ als ersatzfähiger Schaden?
b) Der „Minderwert der schlechten Arbeit“ als ersatzfähiger Schaden?
III. Minderung der Vergütung
1. Einleitung
2. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
3. Die Anwendung der §§ 326, 323 BGB auf Dienstverträge
a) Anwendungsvorrang der §§ 614 bis 616, 628 BGB
b) Zur ratio legis der §§ 326 Abs. 1 und 5, 323 BGB
c) Minderung bei nicht vertragsgemäßer Leistung der Dienstegem. §§ 326, 323 BGB?
(1) Minderung kraft Gesetzes gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB?
(2) Minderung durch Teilrücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB?
(a) Generelle Anwendbarkeit der Vorschriften
(b) Ausschluß des Minderungsrechts durch die §§ 611 ff. BGB?
(c) Dienstvertragsrecht und Teilrücktritt
(aa) (Teil-)Rücktritt zum Zwecke der Minderung bei defi zitären Diensten
(bb) Teilrücktritt zum Zwecke der Minderung bei schlechterbrachten Diensten
(d) Schwierigkeiten der Bemessung der Minderung
(aa) Die ursachenunabhängige Ermittlung der Höhe des Leistungsdefi zitsund der Gegenleistung
(bb) Das Leistungsdefi zit und seine Ursachen
(cc) Das Leistungsdefi zit und das Steuerungsrecht des Dienstberechtigten
(dd) Ergebnis zu (d)
(3) Ergebnis zu c)
d) Die Minderung bei nicht ordnungsgemäß erbrachten Diensten gem.§ 326 Abs. 1, 5 und § 323 BGB
(1) Die Minderung gem. § 326 Abs. 1, S. 1, 2. Halbs. BGB
(a) Zur Auslegung des § 326 Abs. 1 BGB nach Wortlaut undEntstehungsgeschichte
(b) Eigenes Lösungskonzept
(aa) Automatische Minderung, wenn mindestens eineTeilleistung unmöglich wird
(bb) Vorteile dieses Konzepts
(2) Die Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB
(3) Zur Berechnung der Minderung
4. Ergebnis zu III.
IV. Zurückbehaltung der Vergütung
Dritter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages
§ 6 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag
I. Einleitung
II. Vollständige Nichtleistung
1. Mögliche Fallgestaltungen
2. Das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft als Teilleistung
3. Ergebnis
III. Beschränkte Störungen
1. Bewertung der Gesamtleistung des Arbeitnehmers
2. Bewertung einzelner Störungstatbestände
a) Störungen hinsichtlich der Leistungsdauer
b) Störungen hinsichtlich des Inhalts der Arbeit
c) Störungen hinsichtlich der Relation von Zeit und Arbeit (sog. Langsamarbeit)
§ 7 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag
I. Nacherfüllung
1. Erlöschen der Nacherfüllungspfl icht
2. Nacherfüllungspflicht bei beschränkten Störungen
II. Schadensersatz statt der Leistung
III. Minderung der Vergütung
IV. Zurückbehaltung der Vergütung
Schluß
Literatur
Sachregister

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 121

Kerstin Tillmanns

Strukturfragen des Dienstvertrages Leistungsstörungen im freien Dienstvertrag und im Arbeitsvertrag

Mohr Siebeck

Kerstin Tillmanns, geboren 1968; 1987–1993 Studium der Rechtswissenschaft in Bonn und Genf; 1993–1998 Mitarbeiterin am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn; 1994–1996 Promotion in Freiburg i.Br.; 1995–1997 Referendariat beim Landgericht Koblenz; 1998–2001 wissenschaftliche Assistentin am Forschungsinstitut für Sozialrecht der Universität zu Köln; 2001–2004 Habilitationsstipendium; 2004–2007 wissenschaftliche Assistentin am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln; 2005 Habilitation; 2005–2006 Vertretung eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht, Handels- und Unternehmensrecht an der Technischen Universität Dresden; 2006–2007 Vertretung einer Professur für Bürgerliches Recht mit Schwerpunkt Arbeitsrecht an der Universität Konstanz; 2007 Ernennung zur Professorin an der Universität Konstanz.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151198-1 ISBN 978-3-16-148739-2 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Habilitationsschrift angenommen. Ihre Entstehung wurde durch ein Lise-Meitner-Habilitationsstipendium, ein Sachstipendium der Cornelia-Harte-Stiftung und durch einen Druckkostenzuschuss der VG-Wort großzügig gefördert. Dank gebührt in erster Linie meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Peter Hanau, der die Arbeit wohlwollend begleitet und durch wertvolle Anregungen bereichert hat. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Martin Henssler für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die Einräumung ausgezeichneter Arbeitsmöglichkeiten an seinem Institut. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Herbert Wiedemann, Herrn Christian Deckenbrock, Herrn Ulrich Sittard, Herrn Dr. Ralph Heiden und insbesondere Herrn Professor Dr. Thomas Ackermann, die mir durch Gespräch, Kritik und Zuspruch eine große Hilfe waren. Konstanz, im April 2007

Kerstin Tillmanns

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V IX 1

Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages. . . . . . . . . . . . . . .

5

§ 1 Vorbemerkung: Die Begriffe „Nichterfüllung“, „Pflichtverletzung“ und ihre Unterfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung . . . . . . . . . . . .

10

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Zweiter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Dienstvertrages

203

§ 4 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

204

§ 5 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

347

Dritter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

429

§ 6 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

430

§ 7 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

449

Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 493

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V VII 1

Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages § 1 Vorbemerkung: Die Begriffe „Nichterfüllung“, „Pflichtverletzung“ und ihre Unterfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung . . . . . . . . . . .

10

I. Der nach § 362 BGB geschuldete „Leistungserfolg“ . . . . . . .

10

II. Die Bedeutung des „Erfolgs“ für den Schuldinhalt . . . . . . . .

13

1. Die Abgrenzung von Dienstvertrag und Werkvertrag. . . . . a) Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Kriterium des „Erfolgs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorschläge zur „Abstraktion“ des Erfolgs in der älteren Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der „Erfolg“ und die Interessen der Vertragsparteien. (a) Die Interessen des Gläubigers . . . . . . . . . . . .

13 13 15

(aa) Erfolgsversprechen und Steuerungsrecht als alternative Mittel der Interessensicherung. . . . . . . . (bb) Das Steuerungsrecht als Abgrenzungskriterium . . (cc) Ergebnis zu (a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 19 23

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

23 29 35 35 37 40 43

2. Die Stärke des Erfolgsbezugs beim Dienstvertrag . . . a) Der Dienstvertrag als „erfolgsgerichteter“ Vertrag b) Grundtypen des Dienstvertrages . . . . . . . . . . (1) Zeitbezogene Dienstverträge. . . . . . . . . . . (2) Erfolgsbezogene Dienstverträge . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

43 44 46 47 49

(b) Die Interessen des Schuldners . . (3) Tätigkeitsverträge der Freien Berufe (4) Arbeitsverträge . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

X

Inhaltsverzeichnis

c) Kombinationen von dienst- und werkvertragsähnlichen Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erfolgsabhängigkeit der gesamten Vergütung . . (b) Erfolgsabhängigkeit von Teilen der Vergütung. . (aa) Maßgeblichkeit des Gesamtlohns . . . . . . . . . (bb) Höhe und Steuerung des Erfolgsrisikos . . . . . (cc) Grenzen der Erfolgsabhängigkeit. . . . . . . . . (c) Rechtsfolgen bei Nichteintritt des Erfolgs . . . .

. .

50 52

. . . . . . .

52 53 58 59 61 66 70

(aa) § 615 BGB als zentrale Gefahrtragungsregelung des Dienstvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Einschränkung der Gefahrtragungsregelung des § 615 BGB für erfolgsabhängige Vergütungsanteile? . . .

71

75 (d) Ergebnis zu (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im selbständigen Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Ergebnis zu § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I. Erfüllung durch nicht ordnungsgemäße Dienste? . . . . . . . .

85

1. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes . . . . . . . . . . . . .

86

2. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes . . . . . . . . . . . . .

92

3. Ergebnis zu I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

II. Die „Ordnungsgemäßheit“ der Dienste . . . . . . . . . . . . . .

95

1. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch beide Vertragsparteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Festlegung des Leistungsrahmens . . . . . . . . . . (b) Ist eine ausreichende Bestimmung des Leistungsinhalts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 96 96 96

99

Inhaltsverzeichnis

(aa) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Das Bestimmtheitserfordernis des BGB . . . . . .

(2) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch eine Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Leistungskonkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Rechtsnatur der Leistungskonkretisierungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Die Bedeutung der Leistungskonkretisierungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

(b) Das Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis zu a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO, §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . (2) Der „weisungsfreie Eigenbereich“ des Arbeitnehmers (3) Ergebnis zu b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch das Gesetz . . . a) Allgemeine Einschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis durch das Gesetz . . b) Zur Möglichkeit weiterer gesetzlicher Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtung zur Leistung von Diensten „mittlerer Art und Güte“ (§ 243 Abs. 1 BGB)? . . . . . . . . . . . (a) Entstehungsgeschichte des § 243 Abs. 1 BGB . . . . (b) Der Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Voraussetzungen der Analogie . . . . . . . . . (aa) Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Tatbestandliche Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . (cc) Vergleichbarkeit bei wertender Betrachtung . . . . (d) Ergebnis zu (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzliche Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis de lege ferenda? . (a) Verpflichtung zur „subjektiv-optimalen“ Leistung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verpflichtung zur „objektiven Normalleistung“? . (c) Ergebnis zu (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 100 106 110 111 111 114 117 121 122 123 127 131 132 132 133 134 134 134 137 139 139 139 143 148 148 149 150 156 157

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Zur Ermittlung des Schuldinhalts durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Methodik der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistungsvermögen und Einsatz des Leistungsvermögens (1) Leistungsversprechen und Leistungsvermögen . . . . (a) Individuelles Leistungsvermögen und normative Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Individuelles Leistungsvermögen als Teil des Schuldversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Leistungsversprechen und Einsatz des Leistungsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Leistungsversprechen und Leistungswille . . . . . (b) Einsatz des Leistungsvermögens und normative Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Interessen des Dienstverpfl ichteten . . . . . . (bb) Die Interessen des Dienstberechtigten . . . . . . . (cc) Kompetenzgefälle und Schutz der Interessen . . . . (dd) Ergebnis zu (b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Üblichkeit als Auslegungskriterium . . . . . . (aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 158 160 160 160 162 165 166 169 170 173 175 178 179 185 186 186 189 197

4. Ergebnis zu II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199

III. Ergebnis zu § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200

Zweiter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Dienstvertrages § 4 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

204

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

204

1. Kombinationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208

2. Falschleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210

II. Vollständige Nichtleistung und vollständige Schlechtleistung. .

215

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

2. Unterscheidung durch Identifikation a) Identifikationsmerkmale . . . . . (1) Leistungsort . . . . . . . . . . (2) Leistungszeitraum . . . . . .

217 218 218 220

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

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Inhaltsverzeichnis

XIII

(3) Leistungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Methode der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Funktion der Tätigkeit als Abgrenzungskriterium (a) Notwendigkeit normativer Abgrenzung . . . . . . (b) Abgrenzung bei anderen Vertragstypen . . . . . . (c) Normative Abgrenzung beim Dienstvertrag . . . . (2) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestimmung der Funktion der Tätigkeit . . . . . . . . (a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Vereinbarung von bestimmten Eigenschaften der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Falscher Leistungsort führt zu Nichtleistung . . . (bb) Falsche Leistungszeit führt zu Nichtleistung. . . . (cc) Leistung mit falschem Inhalt . . . . . . . . . . . . (dd) Kombinationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . .

220 222 222 222 223 226 227 228 228

3. Ergebnis zu II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

III. Teilweise Nichtleistung und teilweise Schlechtleistung . . . . .

241

1. Die Teilbarkeit der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Technische, natürliche oder tatsächliche Teilbarkeit“ . . b) Teilbarkeit „im Rechtssinne“ bzw. „nach dem Parteiwillen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßgeblichkeit des Vertragszwecks. . . . . . . . . . . (2) Unterschiedliche Konstellationen . . . . . . . . . . . . (a) „Zufällige“ Verbindung unterschiedlicher Teile . . (b) Inhaltliche Verbindung unterschiedlicher Teile . . (c) „Zufällige“ Verbindung gleicher Teile. . . . . . . . (d) Inhaltliche Verbindung gleicher Teile . . . . . . . . (3) Eigenständiger Vertragszweck und Gläubigerinteresse c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 243

2. Die Teilbarkeit der Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgeblichkeit der Funktion der Tätigkeit. . . . . . . . b) Teilbarkeit zeitbezogener und erfolgsbezogener Dienstverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Teilbarkeit zeitbezogener Dienstverträge . . . . . . . (a) Teilbarkeit durch die Zeit. . . . . . . . . . . . . . (aa) Unzureichende Leistungsdauer. . . . . . . . . . (bb) Verfehlung des Leistungszeitraums. . . . . . . . (b) Sonstige Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis zu (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teilbarkeit erfolgsbezogener Dienstverträge . . . . . (a) Gleichrangige Erfolge. . . . . . . . . . . . . . . .

230 231 232 237 239

246 246 252 252 252 253 255 255 258

. .

258 258

. . . . . . . . .

264 264 264 264 268 272 273 273 274

XIV

Inhaltsverzeichnis

(b) Verschiedenrangige Erfolge . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis zu (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilleistung und Teilschlechtleistung . . . . . . . . . . . . . a) Die Teilschlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erscheinungsformen der Teilschlechtleistung . . . . . . (1) Die sog. isolierte Teilschlechtleistung . . . . . . . . . (2) Die sog. integrierte Teilschlechtleistung . . . . . . . c) Die Erscheinungsformen partiell schlecht erbrachter Leistung und ihre jeweiligen Rechtsfolgen . . . . . . . . (1) Die „isolierte“ Teilschlechtleistung und ihre Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die sonstigen Fälle der partiell schlecht erbrachten Leistung und ihre Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . (a) Teilschlechtleistung und Restleistung. . . . . . . (b) Teilschlechtleistung und ordnungsgemäße Teilleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275 276 276

. . . . .

277 278 281 281 284

.

287

.

287

. .

288 288

.

291

(aa) Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ordnungsgemäße Teilleistung und Teilschlechtleistung als Maßstab für das Gläubigerinteresse . .

292

.

293 298

.

299

.

300

.

301

. . . . . .

305 307 307 308 312 312

4. Ergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315

IV. Vorzeitige und verzögerte Leistung . . . . . . . . . . . . . . . .

318

1. Die vorzeitige Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318

2. Die verzögerte Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

320

(c) Ordnungsgemäße Teilleistung und Restleistung. (d) Ordnungsgemäße Restleistung und schlecht erbrachte Restleistung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Die Ausübung der Totalrechte und der sog. kleine Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ordnungsgemäße Teilleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für das Gläubigerinteresse?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schlechtleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für die Unerheblichkeit? . . . . . . . d) Sog. Teil-Teilleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Teil-Teilleistungen im Dienstvertragsrecht . . . . . . (2) Rechtsfolgen der Teil-Teilleistung . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis zu d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis zu 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

a) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum keine Leistung (Nichtleistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum eine defizitäre Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB . . . . (a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schlechtleistung als „Verzögerung der Leistung“? . (bb) Verzögerte Teilleistung als „Verzögerung der Leistung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

323 324 326 326 328 328

(2) Ergebnis zu b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neben die Verzögerung tretende Leistungsdefizite . . . . d) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331 335 336 337

V. Ergebnis zu § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

338

1. Beispielsfall zum zeitbezogenen Dienstvertrag: Der empfindliche Nachhilfelehrer. . . . . . . . . . . . . . . .

344

2. Beispielsfall zum erfolgsbezogenen Dienstvertrag: Der unerfahrene Unternehmensberater . . . . . . . . . . . . .

345

3. Beispielsfall zur Kombination von verzögerter und in sonstiger Weise defizitärer Leistung: Der unzuverlässige Computerfachmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345

§ 5 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

347

I. Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348

2. Erlöschen der Nacherfüllungspflicht . . . . . . . . . . . . . . a) § 615 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendung des § 615 BGB auf sog. absolute Fixschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendung des § 615 BGB auf nachholbare Dienste . (3) Anwendung des § 615 BGB auf die Nacherfüllungspflicht bei nicht ordnungsgemäß geleisteten Diensten. b) § 275 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Unmöglichkeit für den Schuldner“. . . . . . . . . (b) Fälle der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB . .

349 350

(aa) Unmöglichkeit wegen endgültigen Wegfalls der Leistungsfähigkeit des Schuldners . . . . . . . . . (bb) Unmöglichkeit wegen fehlender Nachholbarkeit . .

(2) § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351 351 352 353 354 354 355 355 355 359

XVI

Inhaltsverzeichnis

(a) Anwendbarkeit der Norm auf die Verpflichtung zur Leistung von Diensten . . . . . . . . . . . . . . (b) Verweigerung der Nachholung der Leistung wegen „grobenMißverhältnisses“ . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die „eigentlichen Mehrkosten der Nachholung“ . . (bb) Grobes Mißverhältnis bei Nacherfüllungspfl icht nach nicht ordnungsgemäß geleisteten Diensten . .

359 360 360 362 363 363

(c) Ergebnis zu (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 275 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vollständige und „teilweise“ Verweigerung der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Endgültige oder „vorübergehende“ Verweigerung der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Unzumutbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vorrang des § 616 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 635 Abs. 3 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366 367 368 369 370

II. Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung . . . . . . . . . . . .

371

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

2. Die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung und von Schadensersatz statt der ganzen Leistung . . . . . .

371

3. Die Behandlung der Gegenleistung im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . .

373

4. Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution? . . . . . . .

377

5. Schadensersatz in Geld für „entgangene Dienste“? . . . . . . a) „Entgangene Dienste“ als ersatzfähiger Schaden? . . . . . b) Der „Minderwert der schlechten Arbeit“ als ersatzfähiger Schaden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

380 380

III. Minderung der Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383

2. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes . . . . . . . . . . . . .

384

3. Die Anwendung der §§ 326, 323 BGB auf Dienstverträge. . . a) Anwendungsvorrang der §§ 614 bis 616, 628 BGB . . . . . b) Zur ratio legis der §§ 326 Abs. 1 und 5, 323 BGB . . . . . . c) Minderung bei nicht vertragsgemäßer Leistung der Dienste gem. §§ 326, 323 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Minderung kraft Gesetzes gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

365

382

387 387 388 391 391

Inhaltsverzeichnis

XVII

(2) Minderung durch Teilrücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Generelle Anwendbarkeit der Vorschriften. . . . . (b) Ausschluß des Minderungsrechts durch die §§ 611 ff. BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Dienstvertragsrecht und Teilrücktritt. . . . . . . . (aa) (Teil-)Rücktritt zum Zwecke der Minderung bei defizitären Diensten . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Teilrücktritt zum Zwecke der Minderung bei schlecht erbrachten Diensten . . . . . . . . . . . .

(d) Schwierigkeiten der Bemessung der Minderung . . (aa) Die ursachenunabhängige Ermittlung der Höhe des Leistungsdefizits und der Gegenleistung . . . . . . (bb) Das Leistungsdefizit und seine Ursachen . . . . . . (cc) Das Leistungsdefizit und das Steuerungsrecht des Dienstberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis zu (d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

(3) Ergebnis zu c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Minderung bei nicht ordnungsgemäß erbrachten Diensten gem. § 326 Abs. 1, 5 und § 323 BGB. . . . . . . . (1) Die Minderung gem. § 326 Abs. 1, S. 1, 2. Halbs. BGB. (a) Zur Auslegung des § 326 Abs. 1 BGB nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . (b) Eigenes Lösungskonzept . . . . . . . . . . . . . . .

393 393 394 397 397 400 402 402 406 410 411 412 413 413 413 414

(aa) Automatische Minderung, wenn mindestens eine Teilleistung unmöglich wird . . . . . . . . . . . . (bb) Vorteile dieses Konzepts . . . . . . . . . . . . . .

414 416

(2) Die Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zur Berechnung der Minderung . . . . . . . . . . . . .

420 421

4. Ergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

IV. Zurückbehaltung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424

Dritter Teil: Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages § 6 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . .

430

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

430

II. Vollständige Nichtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431

1. Mögliche Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

432

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft als Teilleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

433

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

436

III. Beschränkte Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

436

1. Bewertung der Gesamtleistung des Arbeitnehmers . . . . . .

436

2. Bewertung einzelner Störungstatbestände . . . . . . . . . . . a) Störungen hinsichtlich der Leistungsdauer. . . . . . . . . b) Störungen hinsichtlich des Inhalts der Arbeit . . . . . . . c) Störungen hinsichtlich der Relation von Zeit und Arbeit (sog. Langsamarbeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

437 438 439 445

§ 7 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . .

449

I. Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449

1. Erlöschen der Nacherfüllungspflicht . . . . . . . . . . . . . .

449

2. Nacherfüllungspflicht bei beschränkten Störungen . . . . . .

450

II. Schadensersatz statt der Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . .

452

III. Minderung der Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

454

IV. Zurückbehaltung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

458

Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 469 493

Einleitung Zu Beginn der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts konstatierte ein Vertreter der deutschen Arbeitsrechtswissenschaft, daß dem „hochentwickelten Arbeitsrecht . . . erstaunlicherweise eine mangelnde Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundfragen des Arbeitsrechts, besonders des Arbeitsvertragsrechts“ gegenüberstehe.1 Ballerstedt spricht gar von „einer Haltung des dogmatischen Agnostizismus“2 zu dieser Frage, und selbst Nikisch meint zu den Wurzeln des Arbeitsrechts: „Fast möchte man glauben, daß es manchen Arbeitsrechtlern mit ihnen gehe wie dem Mephistopheles mit den Müttern: ‚Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.‘“3 Die Verlegenheit wurde in den folgenden Jahrzehnten überwunden – aber doch nur zu einem gewissen Teil. Zwar beschäftigen sich bis heute zahlreiche Autoren mit der Frage, worin die Besonderheiten des Arbeitsvertrages liegen. Dabei geht es in erster Linie um seine Abgrenzung zum selbständigen Dienstvertrag. Diese Grenzziehung ist von großer Wichtigkeit. Doch war seinerzeit mit den „Wurzeln“ oder dem „Wesen“ des Arbeitsvertrages wohl noch etwas anderes gemeint. Es geht um die Frage, was denn den Arbeitsvertrag überhaupt ausmacht. Hier wird offenbar, daß sich der Arbeitsvertrag eher durch eine Nähe zum Dienstvertrag auszeichnet, er also mindestens die Wurzeln mit diesem teilt. Man möchte denken, daß zum Dienstvertrag als einem zentralen Vertragstypus des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dessen praktische Bedeutung in der viel beschworenen „Dienstleistungsgesellschaft“ stetig zunimmt, einiges Grundsätzliche geschrieben wäre. Doch das Gegenteil ist der Fall. Selbst in Zeiten, in denen einem dem Wesen eines Vertrages nachgehenden Autor noch nicht ein „Hang zu müßigem theoretischem Gedankenspiel“4 nachgesagt worden wäre, mochte es niemand so recht mit dem Dienstvertrag aufnehmen. Dafür mag es viele Gründe geben. Der wichtigste ist wohl, daß der im Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffene Dienstvertrag nicht zu den über die Jahrhunderte gewachsenen und damit gereiften Vertragstypen gehört, sondern eine – politische – Kompromißlösung darstellt. Der in den §§ 611 ff. BGB geschaffene Vertragstypus existierte in dieser Form vor dem 1. 1. 1900 nicht. Man wartete in gewisser 1 2 3 4

Wlotzke, RdA 1965, 180 f. Ballerstedt, JZ 1963, 190, doch bewahre Nikischs Lehrbuch des Arbeitsrechts davor. Nikisch, RdA 1960, 1. Ballerstedt, JZ 1963, 190, der diesen Hang Nikisch freilich nicht nachsagt.

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Einleitung

Weise zu, bis sich der Vertrag über die Jahre mit Leben füllen würde. In den Dienstvertrag drängten vor allem die sog. Freien Berufe, aber auch die Arbeitsverhältnisse wurden ihm letztlich zugeschrieben. Es fanden sich unter dem Dach der §§ 611 ff. BGB mithin ganz unterschiedliche Berufsgruppen ein. Entsprechend unterschiedlich ist das Zusammenspiel der Interessen, das in diesen Verträgen zum Ausdruck kommt. Immer wieder wurde daher vorgeschlagen, entweder die Arbeitsverhältnisse oder aber die selbständigen Dienstverträge der Freien Berufe aus dem Dienstvertragsrecht auszunehmen. Daß beides bis heute nicht geschehen ist, sollte Anlaß genug sein, darüber nachzudenken, was es nun ist, das die beiden „im Innersten zusammenhält“. Der Mangel an Wissen um das Wesen, also das Synallagma, des Dienstvertrages wird in der juristischen Praxis offenbar, wenn eine Störung dieses Synallagmas behauptet wird. Die Störung des Synallagmas betrifft unmittelbar die Gegenleistung; sie kann aber auch zu Schäden führen, für die der Dienstberechtigte Ersatz verlangt. Das Hauptinteresse in Praxis und Literatur gilt hier seit jeher dem Schadensersatz. Dieser ist wirtschaftlich von wesentlichem Interesse für den Dienstberechtigten. Die Konzentration auf den Schadensersatz lenkt allerdings die Aufmerksamkeit weg von der grundlegenden Frage nach dem Zusammenhalt von Leistung und Gegenleistung. Und auch wenn bis heute erklärt wird, das dienst- und arbeitsvertragliche Synallagma sei „vernachlässigt“5 und „nicht ausreichend geklärt“6 , so bezieht sich dies stets auf die Auswirkungen einer Störung des Synallagmas. Um aber zu wissen, was eine Störung ist, bleibt es unabdingbar, zunächst den Blick auf das Gegenteil zu richten, das funktionierende Synallagma. Die erste Frage muß sein, was der Dienstverpflichete überhaupt schuldet. Dafür ist es sinnvoll und notwendig, den Dienstvertrag von seinem nächsten Nachbarn, dem Werkvertrag, zu scheiden. Auch hier herrscht eine – heute offen zugegebene – Unklarheit. Es verwundert, daß bei der Abgrenzung der Blick immer nur auf das Spezifikum des Werkvertrages, das Erfolgsversprechen, fällt. Demgegenüber soll hier versucht werden, die Besonderheiten des Dienstvertrages zu erarbeiten, um auf diesem Wege die Abgrenzung von beiden Seiten aus abzusichern. Hier erweist sich eine Rückschau auf Vergangenes als nützlich. Für die Frage nach der Ordnungsgemäßheit der Dienste kommt es aber nicht nur auf die Zielgerichtetheit der Tätigkeit, sondern auch – vergröbernd gesagt – auf die Art und Weise bzw. auf das Maß, also auf die Qualität und Quantität, an, in der die Dienste zu erbringen sind, um eine vollständige Erfüllungswirkung gem. § 362 BGB herbeiführen zu können. Daß in dieser Frage die Antwort nicht leicht fällt, ist gleich offenbar. Die Dienste existieren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht und sie werden meist nur mit 5 6

Hanau, AcP 189 (1989), 182. Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 190.

Einleitung

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wenigen Worten von den Vertragsparteien umrissen. Diese Unklarheit bei der Bestimmung des Schuldinhalts gilt es soweit wie möglich aufzuhellen; vor allem aber gilt es, das Risiko der Unbestimmtheit richtig zu verteilen. Danach ist der Weg frei für die Behandlung des gestörten Synallagmas. Die §§ 611 ff. BGB bieten hier – bis auf § 615 BGB – recht wenig Hilfestellung. Über die denkbaren, an die Leistungsstörung anknüpfenden Rechtsfolgen herrscht daher Uneinigkeit. Es muß auf die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts zurückgegriffen werden. Schon vor dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts war umstritten, wie dies zu geschehen habe. Auch entwickelten sich die allgemeine dienstvertragliche Lehre und die arbeitsrechtliche Literatur mehr und mehr auseinander, was zu einer weiteren Aufgliederung des Meinungsspektrums führte. Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts hat insoweit keine Erleichterung geschaffen. Es ließ das Dienstvertragsrecht in den entscheidenden Fragen unberührt, änderte aber die allgemeinen Vorschriften grundlegend. Für alle relevanten Rechtsfolgen, vom Nacherfüllungsanspruch über den Anspruch auf Zurückbehaltung der Vergütung und die Minderung bis zum Schadensersatz, ist die Rechtslage daher neu zu bestimmen. Daß dabei die Ergebnisse der Forschung zum alten Schuldrecht zu berücksichtigen sind, versteht sich von selbst. Durch die Neufassung des allgemeinen Schuldrechts sind auf der Seite des Tatbestandes neue Probleme entstanden, die den Dienstvertrag in ganz besonderer Weise betreffen. Für die wichtigen Rechtsfolgen der Minderung und des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung unterscheidet das Gesetz zwischen der nicht vertragsgemäßen, d. h. der schlechten Leistung und der Teilleistung. Auch vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde diese Differenzierung zwar von der herrschenden Meinung vorgenommen. Auf die Frage, wie genau sich schlecht erbrachte Dienste von teilweise erbrachten Diensten abgrenzen sollen, blieb man aber die Antwort schuldig. Man braucht sich jedoch nur einige typische Fälle nicht ordnungsgemäß erbrachter Dienste vor Augen zu führen um zu erkennen, wie schwer diese Antwort zu geben ist: Eine für ein Konzertprogramm engagierte Hornistin liest bei den Proben Zeitschriften und spielt beim Konzert mangelhaft; 7 ein Hausverwalter erstellt niemals Nebenkostenabrechnungen und kümmert sich auch sonst nicht um die Belange der Mieter; 8 ein Detektiv gibt sich durch unkluges, weisungswidriges Auftreten als solcher zu erkennen; 9 der Betreiber eines Internats sorgt nicht für die ausreichende Beaufsichtigung und Ernährung der Kinder;10 die Leiterin einer 7

Vortrag des Beklagten, in: AG Soest (Urt. v. 23. 6. 1995) NJW 1996, 1144. Vortrag der Klägerin, in: OLG Düsseldorf (Urt. v. 9. 10. 1997) GI 1999, 275, 278 f. 9 BGH (Urt. v. 22. 5. 1990) NJW 1990, 2549: Frage der Minderung offengelassen; LG Trier (Urt. v. 28. 1. 2003–1 S 134/02), n.v. 10 Vortrag des Beklagten, in: LG Köln (Urt. v. 20. 10. 1976) MDR 1977, 313 (gemischter Vertrag). 8

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Einleitung

Kindertagesstätte schikaniert Mitarbeiter, spaltet die Elternschaft und beaufsichtigt die Kinder unzureichend,11 der Arzt führt eine Sterilisation fehlerhaft aus und versäumt die notwendige Kontrolluntersuchung;12 der Zahnarzt überkront unnötigerweise und dazu fehlerhaft gesunde Zähne;13 der Rechtsanwalt bringt seinen Mandanten dazu, ein formnichtiges Geschäft abzuschließen, ohne ihn darauf hinzuweisen.14 Die Tatbestandsvoraussetzungen des neuen Schuldrechts zwingen dazu, die Grenze zwischen Schlechtleistung und Teilleistung offenzulegen. Im übrigen sei hier nur angedeutet, daß es neben der vollständigen Schlechtleistung und der Teilleistung zahlreiche andere Kategorien defizitär erbrachter Leistung, wie etwa die Teilschlechtleistung, gibt. Ziel der Untersuchung der Rechtsfolgenzuordnung muß es sein, an dieser Stelle möglichst angemessene und klare Regeln dafür zu finden, auf welche Leistungsstörung welche Rechtsfolge Anwendung findet. Im letzten Teil der Arbeit werden die zum Dienstvertrag gefundenen Ergebnisse auf den Arbeitsvertrag übertragen. Im Vordergrund steht das Ziel, den notwendigen Schutz der Arbeitnehmer nicht „von außen“, also durch eine Korrektur der Rechtsfolgen, vorzunehmen, sondern die Lösung aus der zutreffenden Interpretation des Leistungsversprechens eines Arbeitnehmers herzuleiten. Das Leistungsversprechen des Arbeitnehmers unterscheidet sich typischerweise von dem des freien Dienstverpflichteten; der Arbeitnehmer sorgt gewissermaßen selbst für seinen Schutz. Bei der Diskussion der Rechtsfolgen steht die Störung des Synallagmas, und zwar die Störung auf der Seite der Tätigkeitsschuld, ganz im Vordergrund. Neben der Nacherfüllung und der Zurückbehaltung bzw. Minderung der Vergütung wird hierzu auch der – an die Stelle der Leistung tretende – Schadensersatz statt der Leistung gezählt. Schließlich wird auf den Verzug eingegangen, denn mit der Änderung des Schuldrechts ist es notwendig geworden, die Verzögerung der Leistung im Rahmen der übrigen Fälle der Leistungsstörung neu zu positionieren. Keine Antwort will diese Arbeit auf die Fragen der allgemeinen Haftung für durch Pflichtverletzungen im Dienst- und Arbeitsvertrag entstandene Schäden bzw. zur Begrenzung dieser Haftung für Arbeitnehmer geben. Allerdings läßt sich die vorliegende Untersuchung als Basis für die Beurteilung der die Haftung begründende Pflichtverletzung verstehen, je nachdem wie sich der Leser zur Grundsatzfrage nach dem Zusammenhang von Schuld und Haftung stellt.

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LAG Frankfurt (Urt. v. 19. 10. 2004) AuA 2005, 311. OLG Düsseldorf (Urt. v. 31. 1. 1974) NJW 1975, 595. OLG Düsseldorf (Urt. v. 2. 2. 1984) VersR 1985, 456. BGH (Urt. v. 29. 4. 1963) NJW 1963, 1301.

Erster Teil:

Die Erfüllung des Dienstvertrages Das Interesse des Juristen gilt im allgemeinen weniger der Erfüllung als vielmehr den Fällen, in denen die Erfüllung gerade nicht gelingt. Vielfach ist jedoch die Grenze zwischen Erfüllung und Nichterfüllung (bzw. „Pflichtverletzung“) zweifelhaft. Das gilt für den Dienstvertrag in besonderer Weise. Der Dienstverpflichtete schuldet eine Tätigkeit und damit eine Leistung, die bei Vertragsschluß noch nicht existent ist und für die es auch selten ein „Vorstück“ gibt, welches beiden Parteien gleichermaßen vor Augen steht. Es kann damit unklar sein, ob die vom Dienstverpflichteten erbrachte Leistung tatsächlich die „geschuldete“ i. S. des § 362 Abs. 1 BGB ist. Bevor im Zweiten Teil dieser Arbeit auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Nichterfüllung und ihre Rechtsfolgen eingegangen werden kann, ist zunächst die grundsätzliche Frage zu klären, wie die vom Schuldner erbrachte Leistung beschaffen sein muß, um die Erfüllungswirkung des § 362 BGB herbeiführen zu können.

§ 1 Vorbemerkung: Die Begriffe „Nichterfüllung“, „Pflichtverletzung“ und ihre Unterfälle

Hilfreich ist es, im Vorfeld die Verwendung der begrifflichen Gegenstücke zum Ausdruck der „Erfüllung“ zu klären. Die Begriffe „Nichterfüllung“, „Pflichtverletzung“ und „Schlechterfüllung“ wurden und werden nicht einheitlich verwendet. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber versucht, die Terminologie festzuschreiben, indem er in der zentralen Vorschrift des § 280 BGB an den Begriff der „Pflichtverletzung“ anknüpft. Die Pflichtverletzung verlangt lediglich den objektiven Verstoß gegen eine Pflicht unabhängig davon, ob der Schuldner diesen Verstoß zu vertreten hat. Die Pflichtverletzung sei der einheitliche Grundtatbestand, auf dem die Rechte des Gläubigers wegen einer Leistungsstörung aufbauen. Es komme nicht darauf an, ob der Schuldner eine Haupt- oder Nebenpflicht, eine Leistungsoder eine Schutzpflicht verletze oder ob er zu spät leiste.1 Auch Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung lassen sich aus der Pflichtverletzung herleiten. 2 Die Verwendung des Ausdrucks „Pflichtverletzung“ in diesem weiten Sinne ist kritisiert worden: Nicht in jedem Falle der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung liege auch eine Pflichtverletzung vor. So sei beispielsweise in dem viel zitierten Fall des Verkäufers, dem die verkaufte Sache durch ein nicht zu vertretendes Ereignis, z. B. ein Erdbeben, zerstört wird, nicht einzusehen, welche vertragliche Pflicht der Verkäufer verletzt haben sollte. 3 Ähnlich ist der Fall der Arbeitnehmer, welche aufgrund von Hochwasser, Glatteis oder Schneeverwehungen nicht zu ihrer Arbeitsstelle gelangen können.4 Die Pfl icht, den Vertrag auch unter diesen konkreten Umständen noch zu erfüllen, besteht nach § 275 BGB gerade nicht. Sie kann daher auch nicht verletzt werden. Festgestellt werden kann allein die Nichterfüllung des Vertrages, nicht die Nichterfüllung ei1

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 133 f. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 92 f. 3 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 1 I 3.; ders., in: Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 31, 99 ff.; ders., ZIP 2000, 2273, 2276 ff. Dagegen Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 171 (und ff.) m.w.Nachw. Vgl. weiterhin Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 43, 59 ff. 4 BAG (Urt. v. 8. 12. 1982) AP Nr. 58 zu § 616 BGB. 2

§ 1 Vorbemerkung

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ner Vertragspfl icht. 5 Man muß den Begriff also dahin gehend verstehen, daß jede Verletzung der „abstrakten“ Verpflichtung, den Vertrag zu erfüllen, eine Pflichtverletzung darstellt. 6 Dazu kommen sämtliche Verletzungen sog. nicht leistungsbezogener Nebenpflichten aus dem Vertrag. Der so beschriebene Tatbestand der rein objektiven „Pfl ichtverletzung“ ist als Ansatzpunkt für die nachfolgenden Untersuchungen weniger gut geeignet. Im folgenden sollen maßgeblich die Fragen angesprochen werden, die sich stellen, wenn der Gläubiger die geschuldete Leistung nicht, teilweise nicht oder schlecht erbringt. Um in der Terminologie der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu bleiben: Es soll nur die Nichterbringung der sog. Hauptleistungspflicht, nicht die Verletzung sog. nicht leistungsbezogener Nebenpflichten im Zentrum der Betrachtung stehen. Einzuräumen ist allerdings, daß die in der Gesetzesbegründung aufgegriffene Terminologie selbst alles andere als eindeutig ist. Insbesondere sind die Fragen, ob und inwieweit Nebenleistungspflichten von der Hauptleistungspflicht abgrenzbar sind und inwieweit eine Abgrenzung überhaupt sinnvoll sein mag, nur schwer zu beantworten und können in diesem Rahmen nicht entschieden werden. Gerade für den Dienstvertrag ist die Abgrenzung besonders problematisch. Nebenpflichten bürden dem Schuldner ein „zusätzliches“ Verhalten auf. Wird aber ohnehin bereits ein Verhalten geschuldet, ist kaum zu entscheiden, ob das „zusätzliche“ Verhalten noch von dem „hauptsächlich“ geschuldeten umfaßt wird oder nicht. Das gilt allgemein, für bestimmte Fälle des Dienstvertrages freilich in besonderem Maße (z. B. Bewachungs- und Beratungsverträge). So schwer auch die Abgrenzung fallen mag: Es entspricht dem gängigen juristischen Denkmodell, daß zumindest die Pflichten am Ende der Skala reine „Nebenpflichtverletzungen“ sind. Diese Pflichten regelt das Gesetz in §§ 241 Abs. 2, 282, 324 BGB; sie werden als Schutz- oder Rücksichtnahmepflichten bezeichnet. Eben diese Pflichten, die neben der Hauptleistungspflicht oder am Rande der Hauptleistungspflicht einzuordnen sein mögen, sollen nicht im Vordergrund der Untersuchung stehen. Vielmehr geht es maßgeblich um die Schuld „an sich“, also um „die Erbringung“ bzw. „die Bewirkung der Leistung“, wie es im Gesetz u. a. in den §§ 281 Abs. 1 S. 1 und 3, 320 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 formuliert ist. Es soll der Konzentration auf das Wesentliche dienen, wenn als Ausgangspunkt für die nachfolgende Untersuchung die engeren Tatbestände der Nichterfüllung/Nichtleistung und der Schlechterfüllung/ Schlechtleistung gewählt werden. Diese Begriffe beschreiben auch ihrem einfachen Wortsinn nach den Gegenstand der Untersuchung plastischer und unmittelbarer als der Oberbegriff der Pflichtverletzung, in welchem gleichsam der den Schuldner (möglicherweise gar nicht) treffende Verschuldensvorwurf 5

Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 41 (Hervorhebung durch Verf.). Ähnlich Schultz, in: H. P. Westermann, Schuldrecht 2002, S. 22 „objektive Pfl ichtverletzung“; Magnus, in: Schulze/Schulte-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 67, 72. 6

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

bereits mitschwingt.7 Zudem wird der Begriff der „Pflichtverletzung“ – auch durch die zentrale Stellung des § 280 BGB – sehr leicht mit der Rechtsfolge Schadensersatz konnotiert. Diese Rechtsfolge ist aber nur eine von mehreren, die an die Tatbestände der Nichterfüllung bzw. der Schlechterfüllung anknüpfen. Unter Nichterfüllung ist nach der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz das ganze oder teilweise Ausbleiben der Leistung zu verstehen. 8 Über die Endgültigkeit des Ausbleibens der Leistung gibt der Begriff noch keine Auskunft. In § 281 Abs. 1 S. 1 BGB sind beide Tatbestände mit den Worten „soweit der Schuldner die . . . Leistung nicht . . . erbringt“ umschrieben. In § 323 Abs. 1 BGB verzichtet das Gesetz auf den Ausdruck „soweit“, doch soll die teilweise Nichterfüllung ebenfalls erfaßt sein, wie sich aus § 323 Abs. 5 S. 1 BGB ergibt. Die Nichterfüllung zerfällt also in die Tatbestände der vollständigen und der teilweisen Nichterfüllung. Unter der teilweisen Nichterfüllung wird das quantitative Zurückbleiben der Leistung hinter der geschuldeten verstanden. Das Gesetz bezeichnet die teilweise Nichterfüllung in § 320 Abs. 2 BGB auch als teilweise Leistung, in § 281 Abs. 1 S. 2, § 323 Abs. 5 S. 1 und § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB 9 als Teilleistung. Demgegenüber wird unter dem Begriff „Schlechtleistung“, dem gängigen Verständnis folgend, das qualitative Zurückbleiben der Leistung hinter der geschuldeten verstanden. Die Schlechtleistung wird in § 281 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB als „nicht wie geschuldet“ erbracht umschrieben10 und in § 323 Abs. 111 und Abs. 5 S. 2 sowie in § 326 Abs. 1 S. 2 BGB als „nicht vertragsgemäße“ Leistung bezeichnet.12 Allerdings verwendet das Gesetz in § 266 BGB den Begriff der Teilleistung auch für die Schlechtleistung.13 Auch in der Literatur wird die teilweise Nicht7 So auch die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 134; Heinrichs, FS Schlechtriem, S. 516: „Es mag sein, daß die Umgangssprache den Begriff ‚Pfl ichtverletzung‘ vielfach nur für ein Verhalten verwendet, das auch subjektiv vorwerfbar ist.“ 8 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 134. 9 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 188, zum inhaltlich entsprechenden § 326 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. RE BGB. 10 Ausdrücklich: Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 138, 184. Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 336. Nach Bamberger/H.Roth/Grüneberg § 281 Rn. 52, fällt unter den Begriff der „nicht wie geschuldet“ erbrachten Leistung in § 281 Abs. 1 S. 1 BGB auch die Teilleistung. Mit einer die Einheitlichkeit des Sprachgebrauchs begünstigenden Auslegung sollte die Teilleistung besser unter den Begriff der (eben teilweise) „nicht“ erbrachten Leistung subsumiert werden. 11 Ausdrücklich: Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 184. 12 Beschlußempfehlung, BT-Drucks. 14/7052, S. 185; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 144 und § 323 Rn. 240. 13 MünchKomm/Krüger, Bd. 2a, § 266 Rn. 4; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 144; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 437 f., 445 ff.; wohl auch Staudinger/Bittner (2004) § 266 Rn. 14. Vgl. schon RG (Urt.v. 5. 1. 1909) WarnR 1909 Nr. 196.

§ 1 Vorbemerkung

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erfüllung auch als „quantitative Teilleistung“ und die Schlechtleistung als „qualitative Teilleistung“ bezeichnet.14 Demgegenüber wird hier der Begriff der Teilleistung grundsätzlich nur im obigen Sinne, also im Sinne der quantitativen Teilleistung, verstanden. Als Oberbegriff, der die Fälle der teilweisen Nichterfüllung und der Schlechtleistung zusammenfaßt, wird im folgenden der Begriff der „nicht ordnungsgemäßen Leistung“ gewählt; es wird auch auf den in der Literatur vorgeschlagenen Begriff der „beschränkten Störung“15 zurückgegriffen. Es dient der Klarheit, wenn auch die jeweiligen Gegensätze möglichst eindeutig benannt werden können. Im Anschluß an diese Terminologie des Gesetzgebers soll im folgenden unter „vollständiger“ Leistung das Gegenteil einer Teilleistung verstanden werden. Das Gegenteil zur „nicht vertragsgemäßen“ Leistung wird als „vertragsgemäße“ Leistung bezeichnet. Eine Leistung, die weder quantitative noch qualitative Defizite aufweist, wird „ordnungsgemäß“ genannt. Mit sonstigen Begriffen wird indes keine besondere Beschränkung des Gegenstands verbunden. So werden die Begriffe „partielle Störung“, „Leistungsteil“, „teilweise Leistung“, „Teil der Leistung“ usw. verwendet, ohne daß damit etwa nur Teilleistungen oder sonstige Fallgruppen gemeint wären. Leider hält die deutsche Sprache neben dem Begriff „Teil“ (einer Leistung) keinen alternativen Begriff bereit; jedenfalls keinen, an dem sich das heutige Sprachempfi nden nicht sehr stören würde.16 Dies ist schon früh bedauert worden.17 Um Mißverständnissen vorzubeugen, d. h. um die Begriffe von dem Begriff der Teilleistung, den das Gesetz verwendet, abzugrenzen, werden die genannten Begriffe, soweit erforderlich, in Anführungszeichen gesetzt.

14 z. B. MünchKomm/Krüger, Bd. 2a, § 266 Rn. 4; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 137, 144. 15 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 123. 16 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 28 A. (S. 295), verwendete den Ausdruck „Stücke“ für die „Natur“, den „Ort“ und die „Zeit“ der Leistung. Der von Bamberger/H. Roth/ Grothe, § 326 Rn. 30, verwendete Begriff der „Teileinheit“ entspricht nicht der Sprache des Gesetzes und führt nicht weiter, solange nicht dargelegt wird, nach welchen Kriterien sich die Einheitlichkeit bemessen soll. 17 Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292: „Man kann sehr bezweifeln, ob der . . . Ausdruck ‚Teil‘ sehr glücklich gewählt ist. . . . Ein besserer ist auch bis jetzt nicht erfunden worden.“ Himmelschein verwendet den Begriff „Teil“ ähnlich wie Savigny, zur Benennung der unterschiedlichen Leistungsmodalitäten (gegenständliches, räumliches und zeitliches Element der Leistung).

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung Mit „Erfüllung“ wird einerseits der tatbestandliche Akt, andererseits seine Rechtsfolge bezeichnet.1 An dieser Stelle geht es allein um den Tatbestand: Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Die Frage ist, ob näher bestimmt werden kann, was beim Dienstvertrag unter dem „Bewirken der geschuldeten Leistung“ zu verstehen ist. Dabei soll zunächst kurz auf den Begriff des Leistungserfolgs für das „Bewirken“ der Leistung eingegangen werden (unter I.). Erst danach ist dem Problem nachzugehen, welche Rolle der „Erfolg“ inhaltlich für die Bestimmung der geschuldeten Dienste spielt (unter II.).

I. Der nach § 362 BGB geschuldete „Leistungserfolg“ Der „Erfolg“ der Leistung von Diensten wird im Rahmen des § 362 Abs. 1 BGB relevant, weil allgemein unter dem Bewirken der geschuldeten Leistung der Eintritt des Leistungserfolgs im Gegensatz zur Leistungshandlung verstanden wird. 2 Die Übertragung dieser Definition auf den Dienstvertrag bereitet eine gewisse Mühe, weil der Dienstverpflichtete im Gegensatz zum Werkunternehmer eben nur „Dienste“, also nur ein „Handeln“, eine Tätigkeit, nicht aber einen Erfolg i. S. von etwas „Bewirktem“, also von einem Werk, 3 schuldet. An dieser Stelle handelt es sich allerdings eher um ein terminologisches Problem. Der Begriff des Leistungserfolgs, der im Rahmen der Erfüllung herange1

Gernhuber, Erfüllung, § 5 I. 1. a). BGH (Urt. v. 6. 2. 1954) BGHZ 12, 267 (268);(Urt. v. 25. 3. 1983) 87, 156 (162) BGH (Urt. v. 28. 10. 1998) NJW 1999, 210; Lehmann, Unterlassungspfl icht, S. 56 ff.; Lesser, Inhalt der Leistungspfl icht, S. 75, 81 ff.; Planck/Siber § 362 Vorbem. III. B. 1., 2. und Anm. 1.a) und 2.a) Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), Vor §§ 611 ff. Rn. 141; Oertmann, ZHR 93 (1929), 356, 361 ff.; F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 141 4. c) und Fn. 41; Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, § 17, S. 42; Gernhuber, Erfüllung, § 5 I. 1. b); Wieacker, FS Nipperdey II, Bd. 1, S. 783, 790 f.; Wiese, FS Nipperdey II, Bd. 1, S. 837, 845; Beuthien, Zweckerreichung, S. 7; U. Huber, FS v. Caemmerer, S. 837, 844; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 18 I; Staudinger/Olzen (2000) § 362 Rn. 11. Das Verhalten des Schuldners ist jedoch nicht irrelevant: Soweit der Erfolg eintritt, ohne daß dieser auf eine Leistungshandlung zurückgeht, kann nicht von Erfüllung gesprochen werden. So Gernhuber, Erfüllung, § 5 I. 3. b); ähnlich bereits Oertmann, ZHR 93 (1929), 356, 371, 375 f. 3 Vgl. unten Erster Teil, § 2 II. 1. b) (1), S. 15ff. 2

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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zogen wird, ist mit dem Erfolgsbegriff, der nach gängiger Vorstellung den Dienst- vom Werkvertrag scheidet, keineswegs deckungsgleich.4 Dies erhellt ohne weiteres aus der Tatsache, daß beide Begriffe unterschiedliche Funktionen erfüllen sollen. Der Erfolgsbegriff, welcher den Dienst- vom Werkvertrag unterscheiden soll, hat in der Hauptsache die Funktion, bei Leistungsstörungen dem jeweiligen Vertrag bestimmte Rechtsnormen, nämlich die des Dienst- oder Werkvertrages, zuzuordnen. Der Erfolgsbegriff bei der Bestimmung der Erfüllung dient hingegen dazu festzulegen, ob überhaupt eine Leistungsstörung vorliegt. Hierbei geht es auf der einen Seite darum festzustellen, ob der Gläubiger befriedigt ist. Von daher ist die Begriffswahl „Leistungserfolg“ verständlich, denn die Leistungshandlung allein garantiert die Befriedigung des Gläubigers eben nicht. Auf der anderen Seite dient § 362 Abs. 1 BGB auch dem Schuldner, der von der Leistungspfl icht frei wird, sobald die Leistung bewirkt ist. 5 Verpflichtet sich der Schuldner nun lediglich zur Erbringung einer Tätigkeit, so ist der Gläubiger befriedigt und der Schuldner von seiner Leistungspflicht zu befreien, wenn diese Tätigkeit erbracht wird. Sind damit die Verwirklichung des Gläubigerinteresses und das Schuldnerverhalten identisch, fallen Leistungserfolg und Leistungshandlung also zusammen, ist eine Differenzierung nicht mehr möglich. 6 Anders gewendet erfassen die Begriffe Leistungserfolg und Leistungsverhalten beim Dienstvertrag ein und dasselbe Phänomen.7 Die erbrachte Tätigkeit als „Leistungserfolg“ i. S. des § 362 Abs. 1 BGB zu bezeichnen wäre möglich, würde aber dem allgemeinen Verständnis von „Leistungserfolg“ – verstanden als Gegensatz zum Begriff „Leistungshandlung“ – nicht gerecht. Für die Beschreibung der Erfüllung des Dienstvertrages sind diese Begriffe daher nicht zu verwenden. Die Erfüllung des Dienstvertrages nach § 362 Abs. 1 BGB kann daher nur als die „Leistung der versprochenen Dienste“ definiert werden. Es bleibt das Randproblem, ob und wie die Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erfolgt, wenn die Leistung von Diensten in einem Unterlassen besteht. Die Frage, ob jemand, der sich zu einem Unterlassen verpflichtet hat, diese Pfl icht i. S. des § 362 Abs. 1 BGB erfüllen kann, ist seit langem umstritten. 8 4 Ebenso bereits Wieacker, FS Nipperdey II, Bd. 1, S. 783, 788, 812; Hartung, Schlechtleistung, S. 28. 5 Auf diese beiden Seiten der Erfüllung verweist bereits Boehmer, Der Erfüllungswille, S. 24, 36; sich anschließend Beuthien, Zweckerreichung, S. 9. 6 Wieacker, FS Nipperdey II, Bd. 1, S. 783, 794.; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 41. Und bereits Lesser, Inhalt der Leistungspfl icht, S. 82 f. 7 Aus diesem Grund kann für den Dienstvertrag auch nicht zwischen Leistungsort und Erfolgsort differenziert werden. Der Leistungsort i. S. des § 269 Abs. 1 BGB ist stets auch der Erfolgsort. 8 Vgl. Gernhuber, Erfüllung, § 5 VI. 2.; Beuthien, Zweckerreichung, S. 12 ff.; Lehmann, Unterlassungspfl icht, S. 204 ff. – alle m.w.Nachw.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Für den Dienstvertrag fragt sich zunächst, ob eine Person sich überhaupt verpfl ichten kann, bestimmte Dienste, also eine bestimmte Tätigkeit, zu unterlassen. Im Ergebnis spricht vor allem die Norm des § 241 Abs. 1 S. 2 BGB dafür, die Fälle des Unterlassens einer Tätigkeit von denen des positiven Tuns zu unterscheiden. Wenn die Leistung auch in einem Unterlassen bestehen kann, müssen auch Dienste unterlassen werden können. Auch dem Wortlaut einer derartigen Vereinbarung nach ist das nicht zweifelhaft. So kann sich der weniger begabte Klavierspieler verpfl ichten, anläßlich einer bestimmten Festivität nicht zu spielen.9 Gleichwohl verpfl ichtet sich der Schuldner mit einem solchen Versprechen zu einem bestimmten Verhalten („Nicht-Spielen“). Dieses ist jedoch nicht, wie das positive Tun, zu dem sich jemand verpflichtet, genauer spezifiziert.10 Auf der anderen Seite kann nicht übersehen werden, daß unter den „Diensten jeder Art“, zu denen sich eine Person gem. § 611 Abs. 2 BGB verpflichten kann, auch solche gehören können, die relativ wenig spezifiziert sind. Wer sich z. B. verpfl ichtet, einen Tag lang ein Kind zu betreuen, dem stehen ebenfalls eine Fülle von Handlungsalternativen offen. Jedoch besteht das Unterlassen eben nur in der Ergreifung einer Handlungsalternative aus der unendlichen Vielfalt möglicher Handlungsalternativen – außer der zu unterlassenden. Deshalb kann bei der Verpfl ichtung zur Leistung von Diensten das Unterlassen nur beschrieben werden als die „Ergreifung sämtlicher Handlungsalternativen außer X“, es wird also nur die zu unterlassende Tätigkeit näher vereinbart. Bei Diensten, die in einem aktiven Tun bestehen, wird demgegenüber die Tätigkeit als solche konkretisiert. Erfüllt werden die zu unterlassenden Dienste wie diejenigen, die in einem positiven Tun bestehen.11 Abzulehnen ist die ältere Ansicht, nach der die Erfüllung einer Unterlassungsverpfl ichtung ausgeschlossen sein soll, weil eine Leistung i. S. des § 362 Abs. 1 BGB nur „ein kausales Wirken, eine Änderung in dem vorhandenen Zustand“ sein könne.12 Vielmehr besteht die Leistung im Nichttun der zu unterlassenden Tätigkeit und damit in der Ergreifung einer alternativen Handlungsoption.13 Die Erfüllung tritt durch die bloße Leistungshandlung in Form des Unterlassens ein. Wie bei der Erfüllung einer Dienstverpflichtung besteht auch hier Identität von Leistungshandlung und Leistungserfolg.14 9

Beispiel nach Staudinger/W. Weber, 11. Aufl., (1967), § 241 Rn. 47. Nach Rödig, Rechtstheorie, 1972, 1, 5 ff., gibt es rechtstheoretisch zwischen der Verpfl ichtung zu einem Tun und der zu einem Unterlassen keinen Unterschied. Dem folgend Soergel/Teichmann § 241 Rn. 5. Wie gering die Unterschiede zwischen Tun und Unterlassen sind, zeigt die Strafrechtswissenschaft, vgl. nur G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 30 ff. m.w.Nachw. Kritisch Hanau, Die Kausalität der Pfl ichtwidrigkeit, S. 9 ff. m. w.Nachw. Durch die mangelnde „Spezifikation“ unterscheidet sich das Unterlassen immerhin phänomenologisch von den „Tätigkeiten passiver Art“, zu denen nach Kress, Allgemeines Schuldrecht, 1929, S. 194, Fn. 27, das „Modellstehen“ oder „das Hungern eines einem Schaustellunternehmer verpfl ichteten Hungerkünstlers“ zählen. Ebenso Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 6 f. 11 Ebenso Staudinger/Olzen (2000) Vor § 362 ff. Rn. 16. 12 Kohler, AcP 91 (1901), 155, 179 f. Zustimmend Thomä, JZ 1962, 623, 626 m.w.Nachw. 13 Ähnlich Beuthien, Zweckerreichung, S. 13: Unterlassen sei kein Nichtstun, sondern ein „etwas nicht tun“. 14 Ebenso für Unterlassungspfl ichten im allgemeinen Gernhuber, Erfüllung, § 5 VI. 2. c).; H-H.Jakobs, Unmöglichkeit, S. 37 Fn. 64. 10

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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II. Die Bedeutung des „Erfolgs“ für den Schuldinhalt Von wesentlich größerer Tragweite ist demgegenüber die Frage nach der Bedeutung des „Erfolgs“ für den Inhalt der Schuld des Dienstverpflichteten. Jeder Gläubiger verfolgt mit der Leistung, die er sich hat versprechen lassen, irgendeinen Zweck; er will irgendeinen „Erfolg“ erreichen. Er kann sich den Eintritt dieses Erfolges versprechen lassen, oder er läßt es mit dem Versprechen einer Handlung, die zu diesem Erfolg hinführen soll, bewenden. Nur in diesem letzten Fall wird nach gängiger Vorstellung ein Dienstvertrag angenommen; im ersten Fall liegt ein Werkvertrag vor.15 Der „Erfolg“ hat also Bedeutung für die Qualifikation des Vertrages. Die Qualifikation des Vertrages entscheidet über den Anwendungsbereich der §§ 611 ff. BGB und §§ 631 ff. BGB sowie über die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften. Die Frage der Qualifikation ist damit vor allem eine Frage der Rechtsfolgen. Aber auch für den Tatbestand der Erfüllung kommt es darauf an, ob der Schuldner einen Erfolg im genannten Sinne verspricht oder nicht. Ginge es um die Erfüllung allein, könnten die nachfolgenden Ausführungen allerdings kürzer gehalten werden. Da die Abgrenzung von Dienstvertrag, Werkvertrag und Arbeitsvertrag jedoch für das Verständnis des Dienstvertrages an sich und für die unterschiedlichten Typen von Dienstverträgen von grundsätzlicher Bedeutung ist und in den nachfolgenden Kapiteln immer wieder auf diese Abgrenzungen Bezug genommen wird, ist ihrer Behandlung an dieser Stelle mehr Raum zu geben. 1. Die Abgrenzung von Dienstvertrag und Werkvertrag a) Die gesetzliche Ausgangslage Nach § 611 BGB schuldet der Dienstverpflichtete die „versprochenen Dienste“, wobei „Dienste jeder Art“ zum Gegenstand des Dienstvertrages gemacht werden können. § 631 BGB bestimmt, daß der Unternehmer das versprochene Werk herstellen muß; Gegenstand eines Werkvertrages kann aber „sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.“ Schon der Wortlaut der

15 RG (Urt. v. 16. 11. 1909) RGZ 72, 179, 180; RG (Urt. v. 14. 12. 1909) RGZ 72, 281, 282; RG (Urt. v. 22. 11. 1912) RGZ 81, 8, 9; RG (Urt. v. 1. 12. 1914) RGZ 86, 75, 77 f.; BGH (Urt. v. 26. 11. 1959) BGHZ 31, 224, 227. Aus der Literatur vgl. nur O. Jacobi, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 4, S. 137, 140; Planck/Gunkel, Vor § 611 Anm. 2; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. (S. 602); Nikisch, Grundformen, S. 41; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), Vor § 611 Rn. 141; Soergel/Teichmann Vor § 631 Rn. 2 ff.; RGRK/Glanzmann Vor § 631 Rn. 2; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 27. Ähnlich bereits Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 I. (S. 689 f.) Fn. 2.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

gesetzlichen Bestimmungen läßt vermuten, daß die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag mit Schwierigkeiten behaftet ist. Sucht man für die Abgrenzung nach Hinweisen aus der Gesetzgebungsgeschichte bzw. nach den Vorläufern der Kategorie „Dienst-“ und „Werkvertrag“, ist zu beachten, daß sich die gesetzliche Regelung, die insoweit durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz unverändert gelassen wurde, als das Resultat einer Debatte über eine ähnliche, aber eben doch andere Typologie von Tätigkeitsverträgen darstellt.16 Diese Typologie war selbst überaus umstritten. Das Pandektenrecht unterschied zwischen der locatio conductio operarum (Dienstmiete) und der locatio conductio operis (Werkmiete). Daneben trat die aus dem älteren römischen Recht stammende Unterscheidung zwischen den operae liberales (im wesentlichen die Freien Berufe) und den operae illiberales (den gemeinen oder banausen Diensten). Zur Frage der Abgrenzungen und Überlagerungen dieser Gruppen gab es unterschiedliche Standpunkte. Die Regelung des BGB stellt einen Kompromiß dieser unterschiedlichen Strömungen dar. Die Einzelheiten dieses Prozesses sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt worden;17 dies ist hier nicht zu wiederholen. Als Resultat dieser Debatte wurde die alte Typologie zwar mehr oder minder überwunden; über die Abgrenzung zwischen den neu geschaffenen §§ 611 ff. BGB und §§ 631 ff. BGB bestanden indes keine einheitlichen, klaren Vorstellungen. In den Motiven wird ausdrücklich eingeräumt, daß zwar „der begriffl iche Unterschied zwischen dem Dienstvertrage und dem Werkvertrage aus dem Gesetze mit genügender Deutlichkeit erhellt, trotzdem thatsächlich zweifelhaft bleiben“ könne, „wie der vorliegende Vertrag zu verstehen ist. Darin liegt ein erheblicher, aber nicht zu beseitigender Übelstand.“18 Es nimmt daher nicht wunder, daß in der Folgezeit eine Reihe von Werken mit dem Ziel verfaßt wurden, die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag auf eine „moderne“, klare Grundlage zu stellen.19 Doch konnte sich keiner die16 Diese Typologie entstammte im wesentlichem dem Pandektenrecht; dazu ausführlich W. Endemann, Die Behandlung der Arbeit, 1896, S. 2 ff., auch Kreller, AcP 122 (1924), 1, 31 f. m.w.Nachw. Zur deutsch-rechtlichen Tradition Rothenbücher, Geschichte des Werkvertrages nach deutschem Rechte, 1906, S. 5 ff., 15 ff. und zur Abgrenzung der Dienstmiete S. 24 f., dazu noch unten Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (bb) a), S. 29 ff. 17 Amann, Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1987; Hirte, Berufshaftung, S. 148 ff.; Lieb, Gutachten, S. 183, 214 f. Vgl. insbesondere auch die Vorarbeiten von Franz Philipp von Kübel und seinen Mitarbeitern, zit. nach: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 561 ff., sowie schon Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 316 ff., 343 ff. 18 Motive, Bd. 2, S. 471 f. Kritisch auch schon W. Endemann, Die Behandlung der Arbeit, 1896, S. 82 f. Ähnlich der Abschlußbericht der Komission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 245. 19 Vgl. O. Jacobi, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 4, S. 137 ff.; Hachenburg, Dienstver-

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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ser Abgrenzungsvorschläge im Ergebnis durchsetzen. 20 Mittlerweile wurde die Suche nach einem trennscharfen Abgrenzungskriterium weitgehend 21 aufgegeben. Ganz überwiegend wird die Abgrenzung heute als „Frage der schlichten Konvention“22 behandelt. Teilweise wird auch eine Korrektur der durch das Gesetz gezogenen Grenzlinie angeregt. 23 b) Das Kriterium des „Erfolgs“ (1) Vorschläge zur „Abstraktion“ des Erfolgs in der älteren Literatur Aus der gesetzlichen Formulierung in § 631 Abs. 2 BGB, nach der „sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg“24 Gegenstand des Werkvertrages sein könne, wird allgemein gefolgert, daß gerade das Versprechen eines Erfolges das maßgebliche Abgrenzungskriterium sein müsse. 25 Wie das Gesetz aber in derselben Bestimmung deutlich macht, liegt ein Erfolg nicht allein darin, daß ein körperlicher Gegenstand geschaffen oder verändert wird. Jede Wirkung einer menschlichen Handlung könnte daher als Erfolg definiert werden. Eine Leistung besteht jedoch stets (auch) in einer Handlung (bzw. ggf. in einem Unterlassen) des Schuldners. Diese Handlung wird immer irgendwelche Wirkungen haben. Der (theoretische) Ausgangspunkt ist der, daß ein Dienstvertrag vorliegt, wenn nur die Handlung „an sich“ unabhängig von ihren Wirkungen versprochen wird, während ein Werkvertrag vorliegt, wenn auch der Eintritt bestimmter Wirkungen geschuldet ist. trag und Werkvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1898; Riezler, Der Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich, 1900; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, 1905; Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, 1909; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, 1925; Nikisch, Die Grundformen des Arbeitsvertrages und der Anstellungsvertrag, 1926. Vgl. auch Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 820 ff. 20 v. Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 397 Fn. 76, spricht von einem „unendlichen Streit“. 21 Vgl. noch die beachtliche Untersuchung von G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, Diss. München 1977. 22 Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 22. Vgl. auch RGRK/Glanzmann Vor § 631 Rn. 6 „feste Rechtsprechung“. 23 Lieb, Gutachten, S. 183, 215 f.; Teichmann, Gutachten A. 55. DJT, S. 42; gegen beide Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 47 ff. Zudem G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 196 ff. Hirte, Berufshaftung, S. 339 ff., 490, tritt für eine Verschiebung innerhalb der lex lata ein. Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, 1905, S. 177 ff.; in der Hauptsache folgend Dernburg/Raape, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 2. Abteilung, § 304 I., § 317 V. Kreller, AcP 122 [1924], 1, 35, schlug vor, die Rechtsfolgen des einen Vertragstyps auch auf den anderen anzuwenden. Dieser Ansicht wurde zu Recht widersprochen Planck/Gunkel, Vor § 611 Anm. 2; Staudinger//Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., 1958, Vor § 611 Rn. 141; Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 12 ff. 24 Hervorhebung d. Verf. 25 Vgl. die in Fn. 2 Genannten.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Diese Trennung läßt sich freilich schon deshalb nicht durchhalten, weil Handlung und Wirkung oftmals zu nahe beieinander liegen, wie z. B. bei der Leistung eines Sängers. Hier ist „das Singen“ die Tätigkeit, „der Gesang“ ist die Wirkung. Für die menschliche Wahrnehmung handelt es sich jedoch um dasselbe Phänomen. Solche Verträge über Gesang oder Musizieren sind als „Sinneserscheinungen“ aufgefaßt worden, die sich „mit ihrer Vollbringung zugleich konsumieren.“26 Indes ist jede Tätigkeit „flüchtig“ und vergeht damit im Augenblick der Erbringung.

Da jede Handlung irgendwelche Wirkungen, also „Erfolge“, hervorbringt, bleibt immer die Frage, ob der Vertrag schon wegen dieser regelmäßig eintretenden und damit von den Parteien auch erwarteten Wirkungen als Werkvertrag einzuordnen ist oder nicht. Dieses Problem wurde schon früh erkannt 27 und von Nikisch prägnant auf den Punkt gebracht: „Alle Versuche, den Tätigkeitsvertrag vom Erfolgsvertrag oder, was auf dasselbe hinausläuft, den Dienstvertrag vom Werkvertrag . . . zu unterscheiden, mußten an der Tatsache scheitern, daß jede Tätigkeit in einer Veränderung besteht und nach dem Kausalgesetze ihrerseits wiederum eine Veränderung als Wirkung hervorbringen muß, diese Wirkung aber eben den Erfolg der Tätigkeit darstellt.“28 Die bekannte Formulierung von Gierkes, daß beim Werkvertrag ein „Werk“ und beim Dienstvertrag ein „Wirken“ geschuldet sei, 29 legt dies schon nahe: Jedes „Wirken“ hat „Wirkungen“ und ist damit ein „Werk“. Das Problem stellt sich aber auch von der umgekehrten Seite: Den auch für den Schuldner eines Kauf- oder Werkvertrages fragt sich, inwieweit er tatsächlich „den Erfolg“ schuldet. Dies hängt letztlich von der Frage ab, zu welchen Leistungsanstrengungen (also zu welchem Verhalten!) man den Schuldner für verpfl ichtet hält, d. h. ab welchem Punkt man die Leistungspfl icht untergehen läßt. Teile der jüngeren Literatur wenden sich gegen eine zu strikte Erfolgsbezogenheit rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten.30

Man sah sich also vor die Aufgabe gestellt, den „Erfolg“, der den Dienstvertrag vom Werkvertrag scheiden sollte, von den regelmäßig eintretenden Wirkungen 26

Riezler, Werkvertrag, 1900 , S. 123. Vgl. Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 90 ff., 336 und Bd. 2, S. 429 ff. jeweils mit anschaulichen Beispielen; Martius, Der Bergführervertrag, S. 7 unter Berufung auf Franz von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 12./13. Aufl., 1903, S. 124 ff.; Lesser, Inhalt der Leistungspfl icht, S. 80 ff.; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 29 ff.; auch Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 9 ff.; Siber, Schuldrecht, § 60 III. 2., und später zustimmend Leenen, Typus und Rechtsfi ndung, S. 147, sowie ausführlich G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 43 ff. Anders aber Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 18. Dagegen betont Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 241 f., der Erfolgsbezug sei ein „sehr wohl . . . brauchbares Kriterium“. 28 Nikisch, Grundformen, S. 52. 29 von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 591 f. 30 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 194 ff. m. zahlreichen Nachw. Lobinger geht allerdings auch davon aus, daß „der Werkvertrag den Unternehmer grundsätzlich unbedingt – und hier damit in der Tat bis an die Grenze der Unverhältnismäßigkeit – zur Herstellung des vereinbarten Erfolgs“ verpfl ichte (S. 196). 27

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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der Tätigkeit zu „abstrahieren“31. Die Vorschläge gingen in der Mehrzahl dahin, den Dienstvertrag als einen „erfolgsunabhängigen“ Vertrag zu defi nieren. Ein Vertrag, bei welchem der Schuldner keinen Erfolg hervorbringen müsse, sei ein solcher, bei dem sich der Schuldinhalt nur über den Faktor Zeit definieren lasse. 32 „Ob der Wille der Vertragsparteien auf die Tätigkeit oder den Erfolg gerichtet war, ist einfach daraus zu entnehmen, ob die Arbeitsleistung durch die versprochene Arbeitsaufgabe in sich selbst begrenzt ist oder ob sie als fortlaufende einer zeitlichen Begrenzung bedarf.“33 In der Tat war mit der „Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung“ ein relativ34 trennscharfes Kriterium für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag gefunden. Der Einwand, die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung könne sich z. B. auch bei Werkverträgen ergeben (z. B. Heizen oder Beleuchten eines Raumes), 35 verfängt nicht. Es geht um die Notwendigkeit der zeitlichen Begrenzung der Tätigkeit an sich, nicht um die zeitliche Begrenzung der Wirkungen, die diese Tätigkeit haben soll. 36 31 Nikisch, Grundformen, S. 52. Ähnlich schon Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 331 und Bd. 2, S. 430, damit sei aber nicht der „Erfolg des Erfolges“ gemeint (S. 432). Dahin gehend aber Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 30 ff. 32 Bereits O. Jacobi, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 4, S. 137, 141 f.; dahin gehend auch Riezler, Werkvertrag, S. 41 „meistens zeitlich“. Deutlich auch schon Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 430: Der Erfolg hänge der Arbeit an und könne nur künstlich, durch den Bezug auf die Zeit, von ihr getrennt, nämlich vom Entgeltverhältnis fern gehalten werden. Lotmar betont a.a.O. zutreffend den Entgeltbezug; bei der Auslegung des Leistungsversprechens ist stets danach zu fragen, wofür der Dienstberechtigte die Vergütung zahlen will. Die Kritik Nikischs (Grundformen, S. 50 ff.) erscheint daher überzogen. Ähnlich Siber, Schuldrecht, § 60 III. 2. 33 Nikisch, Grundformen, S. 53 sowie S. 14 ff., vgl. auch S. 76: „Das wesentliche Merkmal der zeitbestimmten Arbeitsverträge besteht darin, daß eine fortlaufende Leistung geschuldet wird, deren Inhalt keine natürliche Begrenzung in sich trägt und der deshalb ein Endpunkt durch besondere Bestimmung gesetzt werden muß, wobei diese Bestimmung nur eine zeitliche sein kann.“ In jüngerer Zeit hat Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 117 ff., Nikischs These hervorgehoben. 34 Kritisch G. Weber, Die Unterscheidung von Werkvertrag und Dienstvertrag, S. 68 ff.; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 32. Vgl. auch unten Erster Teil, § 2 II. 2. b), S. 46 ff. 35 G. Weber, Die Unterscheidung von Werkvertrag und Dienstvertrag, S. 68 f. Dem folgend Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 34. 36 Hinsichtlich des hier angeführten Beispiels der fortlaufenden Reinigung (Staudinger/ Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 34) ist sehr fraglich und umstritten, ob es sich tatsächlich um einen Werkvertrag handelt (anders Staudinger/Peters [2003] Vor §§ 631 ff. Rn. 20; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., [1958], Vor § 611 Rn. 147; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 42; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 1. I. 1. e); Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 5 bzgl. Arbeitsvertrag). Richtig ist eine differenzierende Lösung, G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 13. Auch die Rechtsprechung entscheidet daher uneinheitlich: für Dienstvertrag BGH (Urt. v. 1. 12. 1993) NJW 1994, 443 ff.; für Werkvertrag: OLG Hamburg (Urt. v. 22. 6. 1972) MDR 1972, 866 ff. (trotzdem Anwendung von Kündigungsvorschriften des Dienstvertragsrechts); für Werkvertrag bei Spezialreinigungen: OLG Nürnberg (Urt. v. 28. 11. 2002) NJW-RR 2003, 666 f. (Brand); LG Mosbach (Urt. v. 30. 10. 2002) RuS 2003, 262 f. (Endreinigung).

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Die Anwendung dieses Kriteriums hätte allerdings zur Folge gehabt, daß eine ganze Reihe von Verträgen, insbesondere aus dem Recht der Freien Berufe, nicht als Dienstverträge hätten qualifiziert werden können. 37 Typischerweise zeichnen sich diese Leistungen gerade dadurch aus, daß der Dienstverpflichtete, z. B. der Arzt oder Rechtsanwalt, keiner Verpflichtung unterliegt, während eines bestimmten Leistungszeitraums oder über eine bestimmte Leistungsdauer hinweg tätig zu sein. Möglicherweise wegen dieses unerwünschten Ergebnisses, 38 möglicherweise auch aus anderen Gründen konnte sich dieses Kriterium nicht durchsetzen. Die Tatsache, daß die Entwicklung mehr als hundert Jahre lang über das Kriterium der Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung hinweggegangen ist, läßt sich nun nicht mehr beiseite schieben. Die Unterordnung der im Recht der Freien Berufe typischen Verträge unter das Vertragsregime des Dienstvertrages hat ihrerseits zu Auslegungs- und Rechtsfolgenzuordnungen geführt, deren Korrektur nur als langwieriger Prozeß denkbar wäre. Wenn also auch de lege ferenda das Abgrenzungskriterium der Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung durchaus erwägenswert ist, kann für die vorliegende, an der lex lata orientierten Untersuchung nicht auf dieses Kriterium abgestellt werden. Das Kriterium wird jedoch an anderer Stelle wiederkehren, nämlich bei der Differenzierung der unterschiedlichen Typen von Dienstverträgen. 39 Vielfach wurde und wird für die Abgrenzung das Kriterium der Vergütungsart herangezogen. Es spreche für einen Werkvertrag, wenn eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart wurde. 40 Die Frage nach der Erfolgsabhängigkeit der Vergütung ist jedoch nichts anderes als die Frage nach dem Synallagma selbst. 41 Zudem kann auch für einen 37 Dies sehen auch Nikisch, Grundformen, S. 57, und Riezler, Werkvertrag, S. 46 Anm. 10 und 85 ff.: Arzt und Rechtsanwalt schließen in der Regel einen Werkvertrag ab, es sei denn, sie sind auf Dauer gegen ein Fixum für eine Anstalt bzw. eine Bank oder ein großes Unternehmen tätig. 38 Vgl. Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 14 f. zum Beitrag eines Mitglieds der 2. Kommission (Hermann Struckmann). Dieser hatte dasselbe Ergebnis als möglich vorgetragen, war dabei aber auf Widerspruch gestoßen, vgl. Protokolle II, Bd. 2, S. 276 f. Rümelin, a.a.O., meint, der Betreffende „dürfte den akademischen Kreisen wohl nicht nahe stehen.“ Zur vita Struckmanns vgl. Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, Biographien, Materialien, S. 107 f. Vgl. auch Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 31 „berufsideologisch motiviert“. 39 Unten Erster Teil, § 2 II. 2. b), S. 46 ff. 40 Vor allem Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 877 ff. (gegen ihn G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 61 f.; BGH (Urt. v. 16. 7. 2002) BGHZ 151, 330, 333 f.; Plander/Schiek, RdA 1990, 219, 226 f. 41 Treffend schon Planck/Gunkel, Vor § 611 Anm. 2. Ebenso Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 242. Wurde eine Vergütung nach Zeitabschnitten vereinbart, wird nur im Ausnahmefall kein Dienstvertrag vorliegen. Im Ergebnis ebenso Dernburg/Raape, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 2. Abteilung, § 304 Fn. 3; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. b); Staudinger/ Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), Vor § 611 Rn. 141, 143 m.w.Nachw.; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 41; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 40; Hirte, Berufshaftung, S. 171; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 243 f.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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Werkvertrag ein Zeitlohn verabredet werden. 42 Dasselbe gilt für die Abgrenzung anhand der Rechtsfolge der Gefahrtragung. 43

(2) Der „Erfolg“ und die Interessen der Vertragsparteien Nach dem Scheitern der Bemühungen, den Dienstvertrag vom Werkvertrag phänomenologisch anhand eines „Erfolgs des Erfolges“44 zu scheiden, besteht heute weitgehende Einigkeit darüber, daß die Zuordnung unter ein bestimmtes Vertragsregime nur im Wege der Auslegung des Vertrages im konkreten Einzelfall erfolgen kann.45 Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag sei der im Vertrag zum Ausdruck gebrachte Wille der Parteien maßgebend. Es komme darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder ob als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet werde. Dabei seien die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.46 Auch wenn die Suche nach dem einen trennscharfen Abgrenzungskriterium nicht erfolgversprechend sein mag, erscheint die Methode, die Abgrenzung 42 Unstreitig, vgl. schon Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 347. 43 Diese wurde maßgeblich von Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 26, 31, propagiert. Kritisch gegenüber einem solchen Vorgehen aber Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, 1908, S. 827 ff., vgl. auch S. 828 Fn. 1 „logische Anstößigkeit“. Sich anschließend Nikisch, Grundformen, S. 49 f., 60; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. a). Kritisch auch Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 14 f., (dann aber S. 22 ff.), und auch Riezler, Werkvertrag, S. 44 Fn. 7, der selbst diese Abgrenzung vertritt: „Ich verkenne nicht, daß in dieser Art Argumentation eine Art petitio principii steckt. Die juristische Logik muß natürlich sagen: Wenn ein Werkvertrag vorliegt, so tritt als Folge die Gefahrtragung gem. § 644 usw. ein, nicht umgekehrt.“ Zur Entwicklung auch Amann, Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 69 ff. Auf die Gefahrtragung abstellend auch Soergel/Teichmann Vor § 631 Rn. 12. Ähnlich Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 22; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 35 f., 39, 45; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 131 ff. Allgemein Leenen, Typus und Rechtsfi ndung, S. 150 f. 44 Ausdruck nach Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 433, und Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 46. 45 Vgl. bereits Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 I. (S. 689 f.) Fn. 2.; RG (Urt. v. 24. 10. 1883) RGZ 10, 204, 205; Riezler, Werkvertrag, S. 43; F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 175 1. c); Planck/Gunkel, Vor § 611 Anm. 2; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 32; Nikisch, Grundformen, S. 48; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. a) Anm. 3 § 370; Staudinger/Riedel, 11. Aufl., (1958) Vor § 631 Rn. 6; Staudinger/ Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) Vor § 611 Rn. 142; G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 55 ff.; RGRK/Glanzmann Vor § 631 Rn. 3; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 27 II. 3. c). 46 BGH (Urt. v. 16. 7. 2002) BGHZ 151, 330, 332 (betr. Forschungs- und Entwicklungsvertrag); BGH (Urt. v. 19. 6. 1984) NJW 1984, 2406 f. (betr. Vertrag über Aufhängung von Werbeplakaten); MünchKomm/Soergel, 3. Aufl., § 631 Rn. 15; MünchKomm/Busche § 631 Rn. 16 f. Einen ähnlichen Ansatz befürworten: Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 20 ff.; Soergel/Teichmann Vor § 631 Rn. 12; RGRK/Glanzmann Vor § 631 Rn. 3 ff. Zustimmend auch Larenz, Methodenlehre, Kapitel 3, 4. c), S. 303: „Gesamtbild“.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

„gefühlsmäßig“47 anhand eines „Indizienstraußes“48 vorzunehmen, dogmatisch wenig überzeugend. Dabei geht es nicht um eine grundsätzliche Kritik an der Methode der Differenzierung durch die Herausbildung von „Vertragstypen“.49 Es soll jedoch der Versuch unternommen werden, die Grenze zwischen Dienst- und Werkvertrag klarer hervortreten zu lassen, indem nicht nur nach dem Erfolgsversprechen gefragt, sondern auch beleuchtet wird, was bei einem Dienstvertrag aus Sicht des Gläubigers an die Stelle des Erfolgsversprechens gesetzt wird. Dabei ist dem Ausgangspunkt der herrschenden Meinung zuzustimmen: Die Abgrenzung ist anhand normativer Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmen. Die Erklärungen der Vertragsparteien sind aus Sicht eines objektiven Beobachters zu interpretieren. Maßgebend dafür sind die Interessen der Vertragsparteien, 50 die bei der Vornahme des Geschäfts sichtbar werden.51 Haben die Vertragsparteien ihren Willen, eine bestimmte Vertragsform zu wählen, ausdrücklich kundgetan, ist grundsätzlich für eine abweichende Auslegung kein Raum. Der Wille ist auch maßgebend, wenn die Parteien über eine Tätigkeit, die typischerweise im Rahmen eines Dienstvertrages erbracht wird, einen Werkvertrag schließen, denn die Parteien können auch die bloße Tätigkeit an sich als Erfolg definieren (z. B. Gesang, Unterricht, Bewachung). Umgekehrt können sie sich auch bei Verträgen, bei denen der Schuldner typischerweise einen Erfolg verspricht, darauf einigen, daß nur die auf diesen Erfolg abzielende Tätigkeit an sich geschuldet sein soll. Über den ausdrücklich erklärten Willen kann sich der Rechtsanwender nicht mit dem Argument hinwegsetzen, die Einordnung des Vertrages erscheine eindeutig.52 Eine ausdrückliche Bezeichnung ist nur dann nicht beachtlich, wenn sie den „wirklichen Willen“ (§ 133 BGB) nicht widerspiegelt, z. B. weil sich die Vertragsparteien über die Bedeutung dieser Bezeichnung nicht im klaren waren. Gegen die Maßgeblichkeit des Parteiwillens können auch die zum Arbeitsvertrag entwickelten Grundsätze nicht ins Feld geführt werden. 53 In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur wird weitgehend übereinstimmend die Ansicht vertreten, daß durch eine Vereinbarung der Parteien die 47

Larenz, Methodenlehre, Kapitel 3, 4. c), S. 304. Vgl. H. Roth, Anm. zu BGH (Urt. v. 16. 7. 2002), JZ 2003, 371. 49 Leenen, Typus und Rechtsfi ndung, S. 162 ff.; Larenz, Methodenlehre, Kapitel 3, 4. c), S. 301 ff.; G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 129 ff. Zur Kritik vgl. Wank, Begriffsbildung, S. 123 ff., sowie Dasser, Vertragstypenrecht im Wandel, S. 293 ff. 50 RG (Urt. v. 5. 5. 1942) RGZ 169, 122, 124 f.; BGH (Urt. v. 14. 7. 1956) BGHZ 21, 319, 328; Enneccerus/Nipperdey, BGB Allgemeiner Teil, 2. Halbbd., § 206 IV.; Soergel/Hefermehl § 133 BGB Rn. 25. 51 Flume, Rechtsgeschäft, § 16 3. e) (S. 316). 52 So aber Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 23. Die von Peters a.a.O. zitierten Autoren unterstützen diese Ansicht zumindest an den genannten Fundstellen nicht. 53 Dahin gehend aber Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 23. 48

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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Qualifikation eines bestimmten Vertrages als Arbeitsvertrag nicht geändert werden könne, da die Parteien den Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzes nicht einschränken könnten54 (sog. Rechtsformzwang55). Der ausdrücklich erklärte Wille der Vertragsparteien, der (zur Zeit) in der Regel dahin geht, den Schuldner als selbständig Tätigen zu verpflichten, müsse zurücktreten, wenn die sonstige Vertragsgestaltung, insbesondere aber wenn die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses für einen objektiven Beobachter deutlich werden lasse, daß der Schuldner die Stellung eines (weisungsunterworfenen) Arbeitnehmers habe (sog. Scheinselbständigkeit). Unter diesen Umständen geht der Wille der Vertragsparteien jedoch dahin, für ein Rechtsverhältnis, welches sie „tatbestandlich“ als Arbeitsverhältnis gestalten wollen, 56 die Rechtsfolgen eines selbständigen Dienstvertrages herbeizuführen. Ein wirklicher Wille der Vertragsparteien, einen selbständigen Dienstvertrag zu vereinbaren, kann nicht festgestellt werden. Die Arbeitsvertragsparteien wollen vielmehr ein Mischgebilde vereinbaren, welches die rechtliche Form eines Arbeitsverhältnisses, aber die Rechtsfolgen eines selbständigen Dienstvertrages haben soll. Die Vereinbarung eines solchen Vertragstyps kann die Rechtsordnung jedoch nicht gestatten, da das Arbeitsrecht (zugunsten des Arbeitnehmers) weitgehend zwingendes Recht ist. Ob es das widersprüchliche Verhalten der Vertragsparteien allerdings tatsächlich zuläßt, sie an einen Arbeitsvertrag zu binden, ist zumindest fraglich. Zwar wird grundsätzlich angenommen, daß die Einordnung der Rechtsgeschäfte unter die gesetzlichen Vertragstypen eine Sache rechtlicher Wertung auf Grund der Rechtsordnung und deshalb die unrichtige Einordnung durch die Geschäftspartner ohne Belang sei. 57 Hier geht es jedoch nicht nur um eine „versehentliche“ falsche Qualifikation, da es den Vertragsparteien auf die Herbeiführung der Rechtsfolgen des selbständigen Dienstvertrages gerade ankommt. 58 Eine falsa demonstratio oder ein Scheingeschäft 59 nach § 117 BGB liegen daher nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei der Bezeichnung als selbstän-

54 BAG (Urt. v. 9. 6. 1993) AP Nr. 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG (Beschl. v. 12. 9. 1996) AP Nr. 1 zu § 611 BGB Freier Mitarbeiter; BAG (Urt. v. 13. 3. 2003–6 AZR 564/01), n.v.; LAG Thüringen (Beschl. v. 6. 2. 1998) NZA-RR 1998, 296. 55 BAG (Urt. v. 13. 1. 1983) AP Nr. 43 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 9 m.w.Nachw.; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 102 ff.; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 220 ff. Vgl. bereits Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 73 ff. 56 Ist die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses nicht eindeutig, tendiert auch die Rechtsprechung dazu, den Willen der Vertragsparteien durchschlagen zu lassen, vgl. Hanau/ Strick, DB 1998, Beilage 14, S. 1, 6 m.w.Nachw. 57 Flume, Rechtsgeschäft, § 20 2. a) (S. 404); sich dem anschließend MünchKomm/Kramer § 117 Rn. 14 m.w.Nachw. Ausdrücklich für die Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag auch F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 175 1. c) Fn. 16. 58 Zu solchen Konstellationen Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 245 ff. 59 So auch schon Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 74.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

digen Dienstvertrag um eine protestatio facto contraria. 60 Die Vertragsparteien verhalten sich widersprüchlich, weil sie „im Innenverhältnis“ ein Arbeitsverhältnis, aber „im Außenverhältnis“ einen selbständigen Dienstvertrag vereinbaren wollen. Man wird diesen Fall mit denen für vergleichbar halten können, bei welchen die protestatio gleichzeitig mit dem konkludenten Verhalten erfolgt. 61 Im Ergebnis würde dies allerdings bedeuten, daß die Willenserklärungen der Parteien unwirksam wären. 62 Dies erscheint auch angemessen, da den Parteien der für den Abschluß des Arbeitsvertrages erforderliche Rechtsbindungswille fehlt. 63 Im Ergebnis führt dies zu einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis. 64 An dieser Stelle ist es allerdings in der Regel notwendig, dem Gläubiger die Berufung auf die Fehlerhaftigkeit mit dem Argument des Arbeitnehmerschutzes abzuschneiden, weil und wenn der Schuldner entsprechend schutzwürdig erscheint, insbesondere wenn er nur aufgrund seiner wirtschaftlichen Unterlegenheit den Abschluß eines Arbeitsvertrages nicht hatte durchsetzen können. 65 Hier liegt jedoch vor allem eine Aufgabe des Gesetzgebers.

Haben die Vertragsparteien sich nicht ausdrücklich für einen bestimmten Vertragstyp entschieden, sind ihre Willenserklärungen gem. §§ 133, 157 BGB anhand ihrer im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Interessen auszulegen. Je öfter allerdings für eine bestimmte Tätigkeit üblicherweise ein bestimmter Vertragstyp vereinbart wird, sich also eine entsprechende Verkehrssitte herausgebildet hat, desto mehr darf jede Vertragspartei darauf vertrauen, daß auch in ihrem Fall dieser Vertragstyp von der anderen Vertragspartei vorgeschlagen wurde. Will die andere Vertragspartei von dieser Verkehrssitte abweichen, muß sie dies entweder durch eine ausdrückliche Vereinbarung durchsetzen,

60 Vgl. schon Hanau, AcP 165 (1965), 220, 271 ff., der zutreffend bemerkt, daß die Tragweite der protestatio wohl noch unterschätzt wird (S. 273). Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben. 61 Vgl. MünchKomm/Kramer Vor § 116 Rn. 40. 62 MünchKomm/Kramer Vor § 116 Rn. 40 sowie Vor § 241 Rn. 6, jeweils m.w.Nachw. Dahin gehend auch schon Riezler, Werkvertrag, S. 43 mit Fn. 5. 63 Ähnlich Lieb, RdA 1975, 49, 50 ff.; ders., ZVersWiss 1976, 207, 220 ff. Es ist nicht zutreffend, wenn das BAG, (Urt. v. 19. 11. 1997) AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit, meint, daß sich „aus der praktischen Handhabung“ ergebe, von „welchen Rechten und Pfl ichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind“. Der „wirkliche Wille“ der Parteien ist auf die Schaffung einer von der Rechtsordnung nicht zugelassenen Rechtsgestaltung gerichtet. Dagegen Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 239 ff. m.w.Nachw. 64 Lieb, RdA 1975, 49, 53, macht darauf aufmerksam, daß man auch ein „fehlerhaftes Rechtsverhältnis freier Mitarbeit“ annehmen könnte. Wurde das Rechtsverhältnis in Gang gesetzt, spricht jedoch mehr dafür, auf die Fakten als auf die protestatio abzustellen. 65 Das BAG geht von seinem Standpunkt aus folgerichtig den umgekehrten Weg, indem es dem Schuldner die Berufung auf die Arbeitnehmerstellung als rechtsmißbräuchlich versagt, wenn er nicht schutzwürdig erscheint, z. B. weil es ihm schon bei Vertragsschluß auf die Vorteile der Selbständigkeit ankam und er diese Vorteile auch jahrelang entgegengenommen hat, vgl. BAG (Urteile v. 11. 12. 1996) AP Nr. 35 und 36 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung – Verwirkung; BAG (Urt. v. 12. 8. 1999) AP Nr. 41 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung – Verwirkung. Zu den Grenzen: BAG (Urt. v. 4. 12. 2002) AP Nr. 1 zu § 333 BGB. Weiterführend Hanau, ZfA 2003, 735, 740 f.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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oder sie muß zumindest ihre – vom Regelfall abweichenden – besonderen Interessen bei Abschluß des Vertrages deutlich machen. Die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag ist daher auch nicht in den Bereichen zweifelhaft, in denen eine Verkehrssitte besteht. Vielmehr sind es die atypischen Verträge, d. h. die atypischen Interessenkonstellationen, in denen die Zuordnung schwierig ist. Im folgenden wird daher das Zusammenspiel der Interessen dargestellt, wobei zunächst auf die Interessen des Gläubigers der Tätigkeitsverpflichtung einzugehen ist.66 (a) Die Interessen des Gläubigers (aa) Erfolgsversprechen und Steuerungsrecht als alternative Mittel der Interessensicherung Für die Vergütung, die der Gläubiger zahlt, will er eine Leistung erhalten, die der Erreichung eines bestimmten, von ihm verfolgten Zwecks 67 dient. Der Zweck oder das Ziel, das der Gläubiger zu erreichen sucht, ist freilich meist nur ein Zwischenziel zur Erreichung eines weiteren Ziels, das wiederum nur ein Zwischenziel ist, usf.68 Am Ende dieser Kette 69 steht (bei natürlichen Personen) stets das Ziel einer Verbesserung der eigenen psychischen Befindlichkeit. Diese „Ziel-Kette“ kann verhältnismäßig lang sein; so tritt beispielsweise die eigentliche „Befriedigung“ des Gläubigers, der sich durch einen Rechtsanwalt vertreten läßt, in der Regel erst nach einer guten Prozeßvertretung, die zu einem günstigen Urteil führt, welches schlußendlich eine bestimmten Handlung der Gegenpartei bewirkt, ein. Gerade bei Dienstverträgen kann die Kette jedoch auch denkbar kurz sein, etwa bei der Belustigung der eingeladenen Gäste und des Gastgebers durch einen sog. Alleinunterhalter. Dieses eigentliche Ziel kann der Gläubiger jedoch in der Regel nicht zum Inhalt des vertraglichen Versprechens machen. Er muß sich mit dem Versprechen eines bestimmten Zwischenziels zufrieden geben. Das „letzte“ Zwischenziel liegt stets in der Veränderung der Umwelt des Gläubigers (oder auch in der „Veränderung“ des Gläubigers selbst, z. B. Lernerfolg, Heilung) in einer bestimmten Art und Weise; das ist der in § 631 Abs. 1 BGB genannte „Erfolg“. Man kann im Grundsatz davon ausgehen, daß der Gläubiger stets an einem Erfolgsversprechen und damit an einem Werkvertrag interessiert ist.

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Diesen Ausgangspunkt wählt auch Heck, Schuldrecht, S. 334. Der Zweck ist „. . . die Vorstellung eines Zukünftigen . . ., welches der Wille zu realisiren gedenkt.“, von Jhering, Der Zweck im Recht, 1. Bd., 3. Aufl., Leipzig 1893, Kapitel I., S. 10. 68 Vgl. auch die Beispiele von Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 19 f.; weiterführend Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 7 ff. Zur Erfolgsgerichtetheit des Dienstvertrages unten Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 44 ff. 69 Der Gedanke einer solchen Zielkette fi ndet sich schon in RG (Urt. v. 1. 12. 1914) RGZ 86, 75, 77 f. 67

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Allerdings muß es der Gläubiger hinnehmen, daß auf dem Markt für Dienstleistungen keineswegs alle von ihm gewünschten „Erfolge“ angeboten werden. Dafür gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gründe, auf die zum Teil noch einzugehen ist (unter (b)). Auch ist möglich, daß es dem Gläubiger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht möglich ist, den Erfolg im einzelnen zu definieren. Das Interesse des Gläubigers ist dann darauf gerichtet, daß sich der Schuldner „jeweils anpaßt“.70 Verspricht der Schuldner den Eintritt des Erfolgs (z. B. den gewünschten Lernerfolg, die gesundheitsfördernde Wirkung einer medizinischen Behandlung), auf den das Interesse des Gläubigers gerichtet ist, nicht, muß der Gläubiger seine Interessen auf andere Weise sichern. Dies kann er nur, indem er sich eine Tätigkeit versprechen läßt, die auf die Erreichung des Erfolges zumindest ausgerichtet ist. Die Sicherung der „Zielgerichtetheit“ erreicht der Gläubiger durch eine entsprechende Steuerung der Leistungserbringung. Eine solche Steuerung ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und während der Leistungserbringung möglich. Bei einem Dienstvertrag läßt sich der Gläubiger beides versprechen: Der Schuldner muß die Tätigkeit auf eine bestimmte Art und Weise erbringen, 71 und er unterliegt bei der Leistungserbringung einem Kontroll-72 und Weisungsrecht73 des Gläubigers.74 Die Summe von Kontroll- und Weisungsrechten läßt sich als Steuerungsrecht bezeichnen.75 Das Steuerungsrecht ist das Mittel zur Sicherung der Gläubigerinteressen. Der Dienstvertrag ist ein Vertrag der gesteuerten Leistungserbringung. Die Konkretisierung des Schuldinhalts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist als Abgrenzungskriterium allerdings nicht tauglich, weil sie für den Werkvertrag in ähnlicher Weise vorzunehmen ist. Demgegenüber findet bei einem Werkvertrag grundsätzlich keine Kontrolle während der Leistungserbringung und keine Steuerung der Leistungserbringung durch Weisung statt. Für den Dienstvertrag ist es hingegen typisch, daß der Dienstberechtigte 70

Heck, Schuldrecht, S. 334. Dazu unten Erster Teil, § 3 II, S. 95 ff. 72 Neben dem Weisungsrecht wird das Kontrollrecht in der Literatur wenig behandelt; ohne Kontrolle jedoch keine Weisung. Das Kontrollrecht betont auch Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, S. 46. 73 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (b) und b) S. 117 ff. und S. 122 ff. 74 Dies gilt besonders bei den Dienstverträgen, die als Fixgeschäfte zu qualifizieren sind (dazu unten Zweiter Teil, § 5 I 2.b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. Hier hat der Gläubiger oft nur „eine Chance“, den von ihm angestrebten Zweck mit der Tätigkeit zu erreichen. 75 Plastischer ist der im älteren Schrifttum verwandte Begriff des „Leitungsrechts“, vgl. Dankwardt, Jher.Jb. 13 (1874), 299, 304 f.; Loewenfeld, Gutachten im Auftrage der deutschen Anwaltschaft, 1890, S. 858, 894; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 40 ff. Dieser Begriff mag jedoch sehr weit gehende Kontroll- und Weisungsbefugnisse suggerieren, etwa die des Arbeitgebers. In diesem Sinne wird der Begriff auch im jüngeren (Birk, Leitungsmacht, 1973) und jüngsten Schrifttum (Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 170 ff.) verwendet. Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 B. I. (S. 396), sprechen – wohl in einem ähnlichen Sinne – von einer im Verhältnis zum Werkvertrag stärkeren „Regulierung des Tätigkeitsmoments“. 71

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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den Vorgang der Leistungserbringung kontrollieren und durch Weisung auf ihn Einfluß nehmen kann. Dabei kann und wird die Vereinbarung eines Steuerungsrechts durchaus auch konkludent erfolgen. So ist dem Gläubiger die Kontrolle (und damit zumeist auch die Steuerung) der Tätigkeit in der Regel schon möglich und gestattet, wenn er persönlich bei der Erbringung der Tätigkeit anwesend ist. Dies ist für eine Vielzahl von Dienstverträgen typisch. Ist die persönliche Anwesenheit nicht gewünscht oder nicht möglich, findet die Kontrolle statt, indem der Schuldner verpflichtet wird, regelmäßig oder beim Eintritt wichtiger Ereignisse über die Tätigkeit zu berichten. Die persönliche Anwesenheit wird hier gewissermaßen durch die Information ersetzt. Die Unterwerfung unter Kontroll- und Weisungsrechte bedeutet für den Dienstverpflichteten die partielle Aufgabe eigener Souveränität. 76 Für den Dienstberechtigten bedeutet die teilweise und zeitweise „Steuerung“ einer anderen Person, daß er seine eigene Person „erweitert“ und gewissermaßen durch eine andere Person handelt. Der Dienstverpflichtete wird zum „verlängerten Arm“ des Dienstberechtigten; er macht sich dessen „Sache zu eigen“. Der Gedanke der „Steuerung“ eines menschlichen Tuns, also der „Steuerung“ eines Menschen, mag Ablehnung hervorrufen, weil er nahezulegen scheint, daß sich der Dienstverpfl ichtete zum Objekt des Dienstberechtigten macht. 77 So wird der Aspekt der „Kontroll- und Weisungsunterworfenheit“ in der Literatur bezeichnenderweise oft nur am Rande erwähnt: Es spreche für die Vereinbarung eines Dienstvertrages, wenn „die Arbeitsleistung unter den Augen und unter der Mitverantwortung“ oder „Mitwirkung“ des Gläubigers erfolge. 78 Hier wird das Wesentliche nur verbrämt, nämlich die Leitungs- und Kontrollbefugnisse des Gläubigers. Der für den Schuldner allerdings bestehenden Gefahr, durch zu weit gehende Leistungssteuerungsrechte des Gläubigers die Subjektstellung zu verlieren, 79 kann indessen nur durch eine Offenlegung des tatsächlichen Interessengefüges entgegengewirkt werden.

Es ist daher – zumindest in der Formulierung – zwar zutreffend, aber nicht weitgehend genug, wenn davon gesprochen wird, daß der Vertragstyp des Dienstvertrages dadurch geprägt sei, daß der Schuldner dem Gläubiger seine Dienste „für eine Zeit zur Disposition stellt.“80 Diese Meinung, die sich dem Wortlaut nach zutreffend auf Windscheid beruft, betont nicht ausreichend, daß der entscheidende Aspekt nicht der der „zeitlichen Überlassung“ ist. Windscheid, der seine Ausführungen auf die locatio conductio operarum, also 76

Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 115 ff. U.a. aus diesem Grund wurden auch die Begriffe „Dienstmiete“ und „Werkmiete“ fallengelassen, Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 9. 78 Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1.; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 42. 79 Vgl. insbesondere die Rechtsprechung zur Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers, unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 127 ff. 80 So Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 42 I. 2. Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 42, 44. Richardi beruft sich auf Windscheid, Kritische Zeitschrift für die gesammte Rechtswissenschaft, Bd. 2, 1855, S. 106, 138 f. (vgl. auch Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 10 V. 4. mit Fn. 119). In der Tendenz anders aber unter § 615 Rn. 3, 23. 77

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

auf die Dienstmiete, bezog, konnte an dieser Stelle den Schwerpunkt setzen; 81 freilich wurde ihm auch hier von Mommsen widersprochen. 82 Für den Dienstvertrag ist nicht das zeitliche Zur-Verfügung-Stellen entscheidend, sondern daß der Dienstberechtigte (innerhalb eines gewissen zeitlichen Rahmens) über den Dienstverpflichteten „disponieren“, ihn also steuern kann. So sah es auch die noch ältere pandektistische Literatur. Unterholzner83 formulierte vor84 1840 mit bestechend modernen Worten: „Die Vermiethung von Diensten (locatio operarum) findet nur statt, wenn jemand seine Kräfte zu fremder Verfügung stellt, um eine bestimmte Geldsumme dafür zu erhalten.“ Und dann: „Wer seine Dienste vermiethet muß bereit sein, die versprochenen Dienste zu leisten. 1. Er muß sie leisten so wie derjenige es verlangt, der sie gemiethet hat, der aber natürlich nichts Ungewöhnliches fordern kann, wenn irgend ein billiger Grund vorhanden ist, die Forderung zu verweigern.“85 Der Werkunternehmer unterliegt indessen bei der Leistungserbringung selbst grundsätzlich keiner Kontrolle und Weisungsbindung. Für den Besteller ist die Abnahme – also die Kontrolle der Leistung nach Erbringung der Tätigkeit – das wesentliche Instrument zur Sicherung seiner Interessen.86 Eine Ausnahmebestimmung enthält § 4 Nr. 1 Abs. 2 und 3 der VOB Teil B. 87 Nach Abs. 2 hat der Auftraggeber das Recht, „die vertragsgemäße Ausführung der Leistung zu überwachen. Hierzu hat er Zutritt zu den Arbeitsplätzen, Werkstätten und Lagerräumen, wo die vertragliche Leistung oder Teile von ihr hergestellt oder die hierfür bestimmten Stoffe und Bauteile gelagert werden. Auf Verlangen sind ihm die Werkzeichnungen oder andere Ausführungsunterlagen sowie die Ergebnisse von Güteprüfungen zur Einsicht vorzulegen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wenn hierdurch 81 Windscheid, ebenda, bezieht sich auf die Darlegungen von Mommsen (Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, § 30) zu den Wirkungen der „casuellen Unmöglichkeit“ bei der locatio conductio operarum. Er sucht eine Begründung dafür, daß in den Fällen des Gläubigerverzugs der Gläubiger zu Leistung verpflichtet bleibt, obwohl der Schuldner die Leistung nicht erbracht hat. Zu diesem Problem unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), und Zweiter Teil, § 5 I. 2. a), S. 71 ff. und S. 349 ff. 82 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 3, Berichtigungen und Zusätze, 1855, S. 423, ebenfalls zur Dienstmiete: „Dagegen kann ich [ihm, d. h. Windscheid, Anm. d. Verf.] nicht zugeben, daß darin, daß die Dienste zur Disposition gestellt werden, d. h. in dem Anbieten der Dienste schon eine Leistung derselben, eine Erfüllung der Verbindlichkeit liegen soll.“ Zur Frage der Erfüllung durch bloße Arbeitsbereitschaft auch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (cc), S. 181. 83 Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 343. 84 Sein Werk wurde post mortem veröffentlicht. 85 Unterholzner, ebenda, S. 344 f. 86 Auf diesen Zusammenhang weisen schon Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 118 B. b. (S. 680), und Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 386, Anm. 19, hin. Vgl. auch Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 44. 87 Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B, Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, i.d.F. vom 12. 9. 2002, zuletzt geändert durch VO vom 23. 10. 2006 (BGBl. I S. 2334 i. V. m. § 10 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A 2006).

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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keine Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden. Als Geschäftsgeheimnis bezeichnete Auskünfte und Unterlagen hat er vertraulich zu behandeln.“ Aus der Notwendigkeit einer solchen Sonderregelung ergibt sich bereits, daß im Grundsatz kein Recht des Bestellers besteht, die Tätigkeit zu überwachen; ein Überwachungsrecht müßte – wie die Norm zeigt – an ein Zutrittsrecht gekoppelt werden. Der „normale“ Werkunternehmer, der nicht in den Anwendungsbereich der VOB fällt, muß sich jedoch eine Überwachung des Bestellers nicht gefallen lassen. 88 Abs. 3 der Norm macht schließlich den Ausnahmecharakter des Anordnungsrechts des Auftraggebers deutlich: „Der Auftraggeber ist befugt, unter Wahrung der dem Auftragnehmer zustehenden Leitung (Nummer 2) Anordnungen zu treffen, die zur vertragsgemäßen Ausführung der Leistung notwendig sind. . . .“89 Insbesondere auf solche Fälle bezieht sich § 645 Abs. 1 S. 1 BGB, der von einer „von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung“ spricht. 90

Zwar mag der Besteller berechtigt sein, Weisungen zu erteilen, soweit diese auf den Schutz seines Integritätsinteresses gerichtet sind, etwa wenn der Unternehmer bei der Herstellung des Werks mit seinen Rechtsgütern (Leistungssubstraten) in Verbindung kommt. Die Befugnis, Weisungen zu erteilen, die auf den Schutz der Leistungssubstrate des Gläubigers gerichtet ist, besteht jedoch beim Dienstvertrag erst recht, denn der Dienstvertrag ist – anders als der Werkvertrag – in aller Regel ein (gläubiger)substratabhängiger Vertrag,91 weil der Dienstberechtigte in Person, „auf seiner Seite“ stehende Personen oder aber Teile des Vermögens des Dienstberechtigten92 das Substrat darstellen, an bzw. mit dem die Tätigkeit erbracht wird. Der Gläubiger eines Werkvertrages kann jedoch grundsätzlich nicht die Tätigkeit „an sich“ steuern; er kann keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit erteilen, die unmittelbar auf das Äquivalenzinteresse gerichtet sind. Unterwirft sich der Schuldner solchen Weisungen, wird gerade fraglich, ob noch ein Werkvertrag vorliegt. Beispiel: Der Hausherr mag berechtigt sein, den herbeigerufenen Handwerker anzuweisen, bei der Tätigkeit nicht zu rauchen, weil er eigene Gesundheitsschäden oder Brandgefahr befürchtet. Hingegen kann er den Handwerker nicht anweisen, die eine Aufgabe vor der anderen zu erledigen, bei der Tätigkeit kein Radio zu hören oder allgemein schneller zu arbeiten.

Dieses Beispiel zeigt allerdings bereits auf, daß das Kriterium der Leistungssteuerung nicht in jedem Falle eine auf den ersten Blick deutliche und eindeutige Trennung zwischen Dienst- und Werkvertrag erlaubt. Ein solches Abgren88 Anders offenbar Staudinger/Peters (2003) § 633 Rn. 38. Ob im Baugewerbe eine andere Gewichtung erforderlich ist, ist hier nicht weiter zu untersuchen. 89 Hervorhebung d. Verf. 90 Der Einwand von Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 27, diese Vorschrift stehe dem Gedanken der Weisungsfreiheit des Unternehmers „direkt entgegen“, überzeugt daher nicht. Vgl. auch unten Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (bb) b), S. 34 ff. 91 Unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. a), S. 218 ff. 92 So wird beispielsweise das Weisungsrecht des Versicherungsunternehmens gegenüber dem selbständigen Versicherungsvertreter begründet: BGH (Urt. v. 13. 1. 1966) BB 1966, 265.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

zungskriterium existiert nicht. Es ist auch nicht zu verkennen, daß es Werkveräge geben kann, in denen die Vertragsparteien ausdrücklich – gewisse – Weisungsrechte des Bestellers vereinbaren.93 Für solche Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt haben, ergibt sich im Umkehrschluß ein – gewisses –94 Weisungsrecht des Geschäftsherrn bereits aus §§ 675 Abs. 1, 665 BGB.95 Das Steuerungsrecht des Dienstberechtigten ist von Bedeutung, weil es für den Einzelfall der Vertragsauslegung die Interessen des Tätigkeitsgläubigers aufdecken mag, die dem Grundsatz nach entweder auf einen Erfolg oder auf Steuerung gerichtet sind, wohingegen die Interessen des Tätigkeitsschuldners dem Grundsatz nach darauf gerichtet sind, nicht beides zu versprechen. Deshalb ist das Verhältnis des Kriteriums „Steuerungsrecht“ zum Kriterium „Erfolgsversprechen“ ein alternatives. Auf die Durchsetzung von Kontroll- und Weisungsrechten, also von Rechten, die den Interessen des Schuldners zuwiderlaufen, wird der Gläubiger nur bestehen – d. h. er wird sie nur dann erkaufen –, wenn es ihm nicht gelungen ist, den Schuldner auf die Erreichung des von ihm gewünschten Erfolges zu verpflichten und er daher seine Interessen auf diese Weise sichern muß. Im Rahmen der normativen Vertragsauslegung ist also zu fragen, ob ein Erfolg versprochen wurde oder ob Kontroll- und Weisungsrechte des Gläubigers bestehen.96 Ein Vertrag, in welchem sich der Gläu-

93 BGH (Urt. v. 22. 10. 1981) BGHZ 82, 100 (106): „völlige Weisungsfreiheit gehört nicht zu den Wesensmerkmalen des Werkvertrages“; dem folgend Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 30. Ebenso Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 27 II. 3. b). Ausführlich zu den Weisungsrechten im Werkvertrag und deren Abgrenzung zum arbeitsvertraglichen Weisungsrecht Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 184 ff. 94 Zur Abgrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 189 ff. 95 So zutreffend Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 857; dem folgend Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 27. Freilich sind Geschäftsbesorgungsverträge werkvertraglichen Charakters eher selten: z. B. Annahme des Auftrags zur Eröffnung eines Akkreditivs durch eine Bank, BGH (Urt. v. 23. 6. 1998) NJW-RR 1998, 1511; (offengelassen) Erstellung einer Urkunde mit bestimmtem Vertragsinhalt durch Anwalt, BGH (Urt. v. 16. 11. 1995) NJW 1996, 661, 662; Bauleitplanung durch Architekten, wenn dieser zusätzlich noch Finanzierung beschaffen soll, BGH (Urt. v. 17. 4. 1991) NJW-RR 1991, 915, 915). Die Nähe dieser Verträge zum Dienstvertrag ist unübersehbar. 96 Ganz ähnlich Heck, Schuldrecht, S. 334, der (wie seiner Meinung nach die herrschende Ansicht) den Unterschied in der „abhängigen, leitungsbedürftigen und der selbständigen, erfolgsbestimmten Arbeit“ sieht. In diese Richtungen gehen schließlich auch die Überlegungen von Bruns, AcP 178 (1978), 34, 39 f.; G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 98 ff., deutlicher S. 137, und nunmehr MünchKomm/Busche § 631 Rn. 17. Prägnant (zur Unterscheidung von Werkvertrag und Arbeitsvertrag) Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 94: „Wer nach den Weisungen eines anderen zu arbeiten hat, kann keinen Erfolg garantieren.“

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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biger ein Recht zur Steuerung der Tätigkeit ausbedungen hat, ist typischerweise als Dienstvertrag zu qualifizieren.97 Beinhaltet umgekehrt die vertragliche Vereinbarung deutlich kein Erfolgsversprechen oder ist von den Parteien ausdrücklich ein Dienstvertrag vereinbart worden, kann dem Gläubiger grundsätzlich ein Steuerungsrecht nicht versagt werden. Dieses Ergebnis spiegeln in Einzelfällen auch Rechtsprechung und Literatur. So wird ein Weisungsrecht des Dienstberechtigten selbst dann angenommen, wenn der Dienstverpflichtete mit der Tätigkeit nur mittelbar die (wirtschaftlichen) Ziele des Dienstberechtigten verfolgt.98 Versuchen von wirtschaftlich überlegenen Dienstleistern, in einem Dienstvertrag das Steuerungsrecht vertraglich auszuschließen, ist die Rechtsprechung entgegengetreten.99 (bb) Das Steuerungsrecht als Abgrenzungskriterium a) Zum Fehlen einer Regelung im BGB. Der stärkste Einwand, der gegen das Recht zur Steuerung der Leistungserbringung als Abgrenzungskriterium vorgebracht werden kann, liegt darin, daß dieses Kriterium, anders als das des „herbeizuführenden Erfolges“ in § 631 Abs. 2 BGB, nicht im Gesetz verankert wurde.100 Zwar zielt auch diese Bestimmung nicht ausdrücklich auf die Abgrenzung beider Vertragstypen ab. Aber die §§ 611 ff. BGB enthalten eben auch keine Bestimmung, die ein Recht des Dienstberechtigten normiert, die Leistungserbringung zu kontrollieren und durch Weisung zu steuern. Die Einführung eines solchen Kriteriums war allerdings im Dresdner Entwurf von 1866101 vorgesehen.

97 Die Kritik Lotmars (Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 827 f.) sowie unabhängig von ihm später G. Weber (Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 85 f.) das Recht, „die Arbeit zu dirigieren“, sei nur eine Rechtsfolge, die keinen Schluß auf die tatbestandliche Abgrenzung zulasse, überzeugt nicht. Vielmehr ist die Frage, ob ein Recht zur Leistungssteuerung besteht, ebenso wie die Frage, ob ein Erfolg versprochen wurde, durch normative Auslegung zu ermitteln. Lotmar selbst sieht an gleicher Stelle (S. 828 Fn. 1), daß eine solche Abgrenzung anhand des Kriteriums der Leistungssteuerung doch möglich wäre: „Man würde dann sagen, wo eine solche Arbeit vereinbart wird (Tatbestand), liege Dienstvertrag vor.“ 98 So ist z. B. die Weisungsunterworfenheit des (selbständigen) Handelsvertreters unbestritten: BGH (Urt. v. 13. 1. 1966) BB 1966, 265; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, Rn. 561 ff.; Staub/Brüggemann, HGB, § 86 Rn. 19 ff.; Schlegelberger/Schröder, HGB, Bd. 2, § 86 Rn. 31 ff. 99 Keine Abbedingung des Weisungsrechts durch AGB bei Vermögensverwalterverträgen: OLG Köln (Urt. v. 20. 9. 1996) WM 1997, 570, 573 (zu § 9 AGBG). Demgegenüber scheint dem BGH das Recht des Kunden zur fristlosen Kündigung ohne Angaben von Gründen zu genügen, wenn dieser ausreichend über die Geschäfte informiert wird, ihm also die Kontrolle ermöglicht wird, BGH (Urt. v. 29. 3. 1994) WM 1994, 834, 836 ff. 100 So Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 856. 101 Dresdner Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse, Dresden 1866, Neudruck Scientia Aalen 1973.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Dieser enthielt in Art. 622 die Regelung: „Der Dienstverdinger hat die Dienste in vereinbarter Weise und, soweit letztere nicht besonders vereinbart worden ist, nach den Anweisungen des Dienstherrn, in Ermangelung einer solchen aber auf eine dem Gegenstand und dem Zwecke der Dienstleistung entsprechenden Weise nach bester Einsicht auszuführen.“

Mit dieser Regelung wurde an bestehende Rechtstraditionen angeknüpft. Schon für das mittelalterliche deutsche Recht wurde ausgeführt, daß sich die Dienstmiete von der Werkmiete dadurch unterscheide, daß „bei ihr der Herr die fremde Arbeit zu dem von ihm gewollten Erfolge lenkt, während bei der Werkmiete der Unternehmer selbst für den Erfolg verantwortlich ist.“102 Auch von Autoren des Pandektenrechts wurde vertreten, daß der Gegensatz zwischen der locatio conductio operis und der locatio conductio operarum im wesentlichen darauf beruhe, wer die Leitung der Arbeit habe.103 Entsprechend wird in Teilen des älteren Schrifttums zum BGB die Kontroll- und Weisungs-

102

Rothenbücher, Geschichte des Werkvertrages nach deutschem Rechte, 1906, S. 24 f. Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 347: „Der Unternehmer muß die Ausführung der Arbeit zu leiten haben: sonst ist eine Dienstvermiethung und kein Gedinge vorhanden.“; Dankwardt, Jher.Jb. 13 (1874), 299, 304 f.; Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, § 118 B. b. (S. 680); Brinz, Lehrbuch der Pandekten, Bd. 2, § 332 II. 1. (S. 762); Dernburg, Pandekten, Bd. 2, 2. Aufl., § 112, sowie ders./Biermann, ebenda, 6. Aufl., § 112 (S. 311) und § 113 (S. 313); Loewenfeld, Gutachten im Auftrage der deutschen Anwaltschaft, 1890, S. 858, 893 ff. Die Ansicht stützt sich auf Javolen, Digesten 19.2.51.1. „. . . poterit itaque ex locato cum eo agi, qui vitiosum opus fecerit. Nisi si ideo in operas singulas merces constituta erit, ut arbitrio domini opus efficeretur: tum enim nihil condutor praestare domino de bonitate operis videtur.“ In der Übersetzung durch Luig, in: Corpus Iuris Civilis, Bd. III., Hrsg. Okko Behrends u. a., S. 585: „Daher kann der Besteller aus Werkvertrag gegen denjenigen klagen, der ein fehlerhaftes Werk hergestellt hat, es sei denn daß die Vergütung für die einzelnen Tagesleistungen deshalb festgesetzt wurde, weil das Werk nach dem freien Ermessen des Eigentümers hergestellt werden wollte. Dann nämlich braucht der Unternehmer dem Eigentümer ersichtlich nicht für die Vertragsgemäßheit des Werkes einzustehen.“ Die Unterschiede der Interessensicherung des Gläubigers durch Steuerung oder Erfolgsversprechen treten hier schon zutage. So auch die Interpretation durch Dankwardt, ebenda, S. 304 Fn. 2: „Wenn ein Arbeiter zur Anfertigung eines Opus gedungen sei, aber rücksichtlich der Merces in Tagelohn stehe, so sei damit die loc. operis nicht ausgeschlossen, andrerseits stehe auch nicht fest, daß der Vertrag loc. operis sei; es frage sich vielmehr wer die Leitung der Arbeit habe; wenn sie der Arbeiter habe, so liege loc. operis vor und der Arbeiter hafte für das opus vitiosum, habe sich aber der Dominus die Leitung reservirt, und deshalb die Merces als Tagelohn verabredet, so sei der Arbeiter bloßer Operarius und hafte folglich nicht für das opus vitiosum.“ Dahin gehend wird die Stelle auch von Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 386, Anm. 19, verstanden. Eher auf die „Selbständigkeit“ abstellend: Reuling, ZHR 18 (1873), 291, 294 (zum Depechenbeförderungsvertrag); zurückhaltender („wichtiger Anhaltspunkt“) von Kübel, zit. nach: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 564. 103

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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unterworfenheit noch als zentrales Kriterium benannt.104 Ähnliche Regelungen enthielt das Preussische ALR von 1794 im Ersten Theil, Eilfter Titel.105 § 895 „Ein gedungener Handarbeiter ist schuldig, die Arbeit verabredetermaßen, unter der Aufsicht oder nach der Vorschrift dessen, der ihn gedungen hat, zu verrichten.“ Für die Werksmeister und Künstler galt: § 920 „Was vorstehend von gemeinen Handarbeitern verordnet ist, fi ndet in der Regel auch alsdann statt, wenn Werksmeister oder Künstler zur Verrichtung einer gewissen Arbeit gedungen werden“, § 921 „Doch sind diese die Arbeit nach den Regel ihrer Kunst zu verrichten, und haben auch für ein geringes Verstehen zu haften schuldig.“ § 922 „Hat aber der Dingende eine gewisse Art, wie die Arbeit verrichtet werden soll, ausdrücklich vorgeschrieben: so ist der Arbeiter, wofern nicht Polizeigesetze entgegen stehen, sich darnach zu richten verbunden.“

Auch der hessische Entwurf von 1842106 und der bayrische Entwurf von 1861 bis 1864107 sahen vergleichbare Vorschriften vor: Der hessische Entwurf traf in Art. 220 Abs. 2108 die Regelung „Auch ist er (der Dienstverdinger) die Dienste nach der ihm vom Dingenden ertheilten Vorschrift oder, in Ermangelung einer solchen, nach seiner besten Einsicht zu leisten schuldig.“ Ähnlich der bayrische Entwurf in Art. 492 Abs. 2109 : „Er (der Dienstverdinger) hat dieselben (die vesprochenen Dienste) nach der unter Berücksichtigung der Ortsübung auszulegenden Übereinkunft und, soweit nichts bedungen ist, nach Anweisung des Dingenden, in deren Ermangelung aber auf eine dem Gegenstande und Zwecke der Dienstleistung entsprechende Weise nach bester Einsicht zu leisten.“

Warum also wurde Art. 622 des Dresdner Entwurfs nicht Gesetz? Die Erste Kommission befand, daß die Vorschrift zum einen nur Selbstverständliches enthalte, zum anderen aber die Regelung, daß der Dienstverpfl ichtete nach den Anweisungen des Dienstberechtigten zu verfahren habe, in manchen Fällen ganz unpassend sei. Bei der Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit aller in Betracht kommenden Fälle und bei dem weiten Umfang des Begriffs „Dienstvertrag“ lasse sich ohne große Gefahr eine allgemeine Regel nicht aufstellen, für die auch kein nachweisbares Bedürfnis vorliege.110 104 Riezler, Werkvertrag, S. 45 f.; von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 609, 688 f.; Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 40 ff., kritisch aber S. 45. Weitere Nachweise bei Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 856 Fn. 1. 105 Die Normen sind auch abgedruckt bei Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 596 f. 106 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Großherzogtum Hessen nebst Motiven, 1. Teil, Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1842. 107 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern, mit Motiven, 1861 bis 1864, Neudruck Scientia Aalen 1973. 108 Abgedruckt auch bei Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 601. 109 Abgedruckt auch bei Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 601. 110 Protokolle I, S. 2258, zit. nach: Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 748. Ebenso Motive, Bd. 2, S. 458.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Es darf unterstellt werden, daß insbesondere die Vertreter der Freien Berufe111 eine „große Gefahr“ sahen.112 Diese mußten damit rechnen, daß auch ihre Vertragsverhältnisse als Dienstverträge qualifiziert werden würden. In der zweiten Kommission113 wurden ihre Befürchtungen deutlich: Es wurde betont, daß sich der Angehörige dieser Berufsgruppen nicht zu „jeder beliebigen Verwendung“ ihrer „Kunst und Wissenschaft, sondern nur dazu verpfl ichtet, dieselbe selbständig nach Ehre und Gewissen auszuüben.“ Es wird auf die Befürchtung, in der Anwendung des Dienstvertragsrechts könne eine „Herabwürdigung der freien Geistesarbeit“ zu sehen sein, eingegangen. Derjenige, der solche Arbeit leiste, solle sein Wissen und Können selbständig nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen ausüben. Es sei nicht nur seine Pfl icht, sondern auch sein Recht, in der Leistung seine geistige Individualität zu betätigen.114 Auch den Vertretern der Anwaltschaft war bewußt, daß durch die Nichtregelung des Leitungsrechts des Dienstberechtigten eine Regelung fallengelassen worden war, „. . . ohne Rücksicht darauf, daß hiermit ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Dienstvertrages gegenüber dem Werkvertrag fällt.“115 Die seinerzeit geäußerten Befürchtungen der Angehörigen der Freien Berufe sind vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und rechtlicher Traditionen und des damaligen Selbstverständnisses dieses Berufsstandes zu verstehen. Für die Gegenwart ist gleichwohl festzustellen, daß die Freiheit, die diese Berufsstände – zu Recht! – für sich in Anspruch nehmen, nicht mehr mit einem per se bestehenden Privileg gegenüber anderen Dienstleistungsgruppen gerechtfertigt werden kann. Die Verträge, die von Angehörigen der Freien Berufe geschlossen werden, weisen hinsichtlich der wirtschaftlichen und sonstigen In111 Zum Begriff der „Freien Berufe“ umfassend Taupitz, Standesordnungen, S. 11 ff.; Bomba, Verfassungsmäßigkeit, S. 45 ff. 112 Nach überkommenem Verständnis stand nämlich dem Ausübenden der artes liberales das Direktionsrecht zu, vgl. Loewenfeld, Gutachten im Auftrage des deutschen Anwaltsvereins, 1890, S. 858, 894 f.: „Der Arzt aber – und darin sind moderne und römische Medicin nicht verschieden – dirigirt den Kranken, und wird nicht von diesem dirigirt.“ Hintergrund dieser Auffassung ist die im 19. Jahrhundert – insbesondere für das Arzt-Patienten-Verhältnis – überwiegende Anschauung, dem „Experten“ komme die Befugnis zu, einseitig zum Wohle des Patienten Entscheidungen treffen zu können; vgl. umfassend Taupitz, Standesordnungen, S. 1298 f. So auch noch Kress, Allgemeines Schuldrecht, 1929, S. 195 f.: Dem Dienstverpfl ichteten stünde, wenn er die zur Verrichtung der Arbeit erforderlichen Fachkenntnisse hat (z. B. Arzt, Rechtsanwalt, Lehrer), die „Direktion der Arbeit“ gem. §§ 315, 316 BGB zu. 113 Zu diesem Zeitpunkt hatte man sich freilich schon gegen die Übernahme des Art. 622 Dresdner Entwurfs entschieden. 114 Protokolle II, Bd. 2, S. 277 115 Loewenfeld, Gutachten im Auftrage des deutschen Anwaltsvereins, 1890, S. 858, 928. Loewenfeld betont mit aller Deutlichkeit die Bedeutung des Leitungsrechts: „Wenn irgend eine Regel bei der Dienstmiethe Anspruch auf allgemeine Geltung hat, so ist es wohl die Regel, daß der Dienst nach dem Willen des Dienstberechtigten zu geschehen hat. . . . „ (S. 927).

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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teressen der Vertragsparteien keinen prinzipiellen Unterschied zu sonstigen Dienstleistungsverträgen auf. Tätigkeitsleistung und Entgelt stehen auch hier im synallagmatischen Zusammenhang; die Freien Berufe sind keine „Organisationen des Altruismus“ im Gegensatz zum Gewerbe als „Organisation des Egoismus“116 mehr, und vormals noch beschworene Parallelen zum „Priesterthum“117 verbieten sich endgültig. Die Kontroll- und Weisungsrechte des Gläubigers sind deshalb bei diesen Verträgen nicht aus rechtlichen Gründen zu reduzieren; sie sind allein faktisch reduziert.118 Daß auch das Gesetz letztlich zumindest für die Geschäftsbesorgungsverträge von einem Steuerungsrecht des Dienstberechtigten ausgeht, zeigen (im Umkehrschluß) die §§ 675 Abs. 1, 665, 666 BGB. Es ist daher heute nicht mehr „unpassend“, sondern es ist im Gegenteil angezeigt, ein Steuerungsrecht des Dienstberechtigten auch in diesem Bereich dem Grundsatz nach anzuerkennen. Auch die Rechtsprechung bejaht das Weisungsrecht des Dienstberechtigten im Einzelfall regelmäßig.119 Auf die Grenzen, die diesem Steuerungsrecht gesetzt sind, ist an späterer Stelle einzugehen.120 Die Gründe, die bei Schaffung des BGB dazu geführt haben mögen, das „Leitungsrecht“ des Dienstberechtigten nicht in die §§ 611 ff. aufzunehmen, schlagen mithin heute nicht mehr durch. Es sollte wieder an die Grundsätze angeknüpft werden, die vor der Schaffung des Gesetzes für die Abgrenzung von Dienst- und Werkverträge entwickelt wurden. Es besteht kein Grund (mehr), diese Erkenntnisse weiter ungenutzt zu lassen. Der Wille des historischen Gesetzgebers muß daher an dieser Stelle zurücktreten. b) Weitere Einwände. Nach Schaffung des BGB ist der Heranziehung des Rechts zur Steuerung der Tätigkeit als Abgrenzungskriterium vor allem Lotmar entgegengetreten. Die Vorschrift des § 618 Abs. 1 BGB, die für „Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind“, dem Dienstberechtigten Schutzmaßnahmen auferlege, zeige, daß es Dienstleistungen aus Dienstverträgen gebe, die nicht der Anordnung oder Lei116 So noch Loewenfeld, Gutachten im Auftrage des deutschen Anwaltsvereins, 1890, S. 858, 895 ff., 905. Weiterführend Hirte, Berufshaftung, S. 350 f. 117 Loewenfeld, Gutachten im Auftrage des deutschen Anwaltsvereins, 1890, S. 858, 892 ff., 899 ff. 118 Dazu unten Erster Teil, § 2 II. 1. b) (3), S. 37 ff. 119 Das Weisungsrecht des Mandanten gegenüber dem Rechtsanwalt betont BGH (Urt. v. 20. 2. 1968) VersR 1968, 792, 794; BGH (Urt. v. 7. 10. 1976) MDR 1977, 421; BGH (Urt. v. 20. 3. 1984) NJW 1984, 42, 43; vgl. weiter Zugehör, in: Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rn. 976 ff. Gegenüber dem Vermögensverwalter OLG Köln (Urt. v. 20. 9. 1996) WM 1997, 570 ff.; OLG Düsseldorf (Urt. v. 13. 6. 1990) NJW-RR 1991, 308. Gegenüber Steuerberater OLG Köln (Urt. v. 1. 6. 1994) GI 1995, 49 ff.; OLG München (Urt. v. 10. 9. 1991) OLGR München 1992, 82 (nur Leitsatz). Ebenso Hirte, Berufshaftung, S. 349 f. m.w.Nachw. 120 Unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb) und (b), S. 114 ff.

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tung des Dienstberechtigten unterlägen.121 Dieser Schluß ist nicht zulässig: Die an dieser Stelle ungelenk wirkende Sprache des Gesetzes wird durch die Gesetzgebungsgeschichte erklärt. Vorläufer der Bestimmung sind die §§ 120a, 121 GewO a. F.122 Es handelt sich um eine der Stellen, an der „ein Tropfen sozialistisches Öl“123 durchgesickert war. Der soziale Schutz, den die Norm für den Dienstverpflichteten bewirken sollte, war nur durch eine Haftung des Dienstberechtigten im Falle des Verstoßes gegen die Schutzpflichten zu erreichen; diesen Zusammenhang macht auch § 618 Abs. 3 BGB deutlich. Die genannte Formulierung des Abs. 1 der Norm dient dazu, die Haftung des Dienstberechtigten für Schäden, die auf seine Anordnung und aufgrund seiner Leitung entstanden sind, zu begrenzen. Deshalb bezieht sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf Dienstleistungen, die unter Anordnung und Leitung vorgenommen werden, möglicherweise auch auf solche, die – aus tatsächlichen Gründen – unter Anordnung und Leitung vorgenommen werden müssen. Es geht also nur um die Frage, ob es tatsächlich eine Anordnung und Leitung gab; über die Frage des Anordnungs- und Leitungsrechts ist nichts gesagt. Es ist nun nicht zu leugnen, daß es Dienste gibt, die ohne Anordnung und Leitung vorgenommen werden können und auch vorgenommen werden. Dies ändert jedoch an dem grundsätzlichen Bestehen des Steuerungsrechts des Dienstberechtigten nichts. Ähnliches gilt für den Hinweis Lotmars auf § 645 Abs. 1 S. 1 BGB.124 An dieser Stelle ist von der „erteilten Anweisung“ die Rede, nicht aber von dem Bestehen oder der Ausübung eines Anweisungsrechts.125 Zudem stellt § 645 BGB innerhalb des Werkvertragsrechts eine Durchbrechung des Erfolgsbezugs, gewissermaßen ein „dienstvertragliches Element im Werkvertragsrecht“ dar.126 Im

121 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 856 f.; dem folgend Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 27. 122 § 121 GewO a. F., geschaffen durch Gesetz v. 17. 7. 1978 (RGBl. S. 199) verpfl ichtete die „Gesellen und Gehülfen . . . den Anordnungen der Arbeitgeber . . . Folge zu leisten“. Zur Nachfolgeregelung in § 106 GewO unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (1), S. 123 ff. Durch § 618 BGB sollte insbesondere § 120a GewO a. F., geschaffen durch Gesetz v. 1. 6. 1891 (RGBl. S. 261), nachgebildet werden, vgl. 76. Sitzung der Vorkommission, bei Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 783 ff. 123 Nach von Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, S. 13: „Schroff ausgedrückt: in unserem öffentlichen Raum muß ein Hauch des naturrechtlichen Freiheitsraumes wehen und unser Privatrecht muß ein Tropfen sozialistisches Öl durchsickern.“ 124 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 857; dem folgend Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 27; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. d). In der Sache ähnlich G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 88 f. 125 Ebenso Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 185. 126 Picker, FS Honsell, S. 385, 390 ff. m.w.Nachw.; Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 37. Zur allgemeinen Gültigkeit der auch in § 645 BGB zum Ausdruck kommenden Substratsgefahrregel ausführlich unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (bb), S. 75 ff.

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übrigen wurde bereits dargelegt,127 daß auch bei einem Werkvertrag Weisungsrechte bestehen können, insbesondere solche, die auf den Schutz des Leistungssubstrats des Bestellers gerichtet sind. Aus heutiger Sicht lautet der naheliegende Einwand gegen die Heranziehung dieses Kriteriums, daß die Unterwerfung unter ein Steuerungsrecht, insbesondere die Weisungsunterworfenheit, doch gerade das Merkmal sei, welches den selbständigen Dienstvertrag vom Arbeitsvertrag unterscheide. Dies ist völlig richtig, doch ist der Unterschied zwischen der Weisungsbindung unselbständiger und selbständiger Dienstverpflichteter eben nur ein gradueller.128 (cc) Ergebnis zu (a) Der Gläubiger einer Tätigkeitsverpflichtung realisiert seine Interessen entweder durch ein Erfolgsversprechen oder indem er sich das Recht zur Steuerung der Tätigkeit ausbedingt. Beide Aspekte sind für die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag heranzuziehen. Das Recht zur Steuerung der Tätigkeit umfaßt das Recht, die Tätigkeit zu kontrollieren bzw. entsprechende Informationen vom Dienstverpflichteten zu verlangen, sowie das Recht, die Tätigkeit durch Weisungen zu lenken. Wenn heute im jüngeren Schrifttum das Steuerungsrecht nur noch am Rande – und zwar zumeist nur das Weisungsrecht – bei der Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag Erwähnung findet,129 ist dies zwar im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des BGB verständlich. Es besteht aber schon seit geraumer Zeit kein Grund mehr, sich den Erkenntnissen, die vor Schaffung des BGB zum gesicherten Bestand des Dienstvertragsrechts gehörten, zu verschließen. (b) Die Interessen des Schuldners Der Dienstverpflichtete hat in der Hauptsache zwei Interessen: Zum einen ist es für ihn grundsätzlich günstiger, das Risiko des Erfolgseintritts nicht zu tragen. Zum anderen will er jede Souveränitätseinbuße vermeiden; d. h. Kontrolle und Weisung während der Erbringung der Tätigkeit will er soweit wie möglich verhindern. Nur in Ausnahmefällen wird es dem Dienstverpfl ichteten möglich sein, beide Interessen durchzusetzen. Er muß also das eine oder das andere Opfer erbringen. 127

Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (aa), S 26 ff. Dazu sogleich unten Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 129 Vgl. Planck/Gunkel, Vor § 611 Anm. 2 „kein entscheidendes Merkmal“; Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1. d); F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 174 1. a); Soergel/Teichmann Vor § 631 Rn. 12; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 42; Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 22; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 140 f. Deutlicher allerdings Larenz, Methodenlehre, 2. Aufl., 1969, Kapitel 5, 2.c) (S. 443) (anders aber ab 3. Aufl.); Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 28 II. 1. b). Vgl. auch Staudinger/Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 30. 128

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Er wird das Risiko der Übernahme des Erfolgseintritts vermeiden, wenn es ihm zu groß erscheint. Für diese Bewertung sind die Wahrscheinlichkeit der Erfolgsherbeiführung130 in Relation zum erforderlichen wirtschaftlichen und persönlichen Einsatz und in Relation zur Höhe der zugesagten Vergütung131 zu betrachten. Möglich ist allerdings auch, daß die Rechtsordnung das Erfolgsversprechen verbietet (z. B. § 49b Abs. 2 BRAO132) oder daß die vertragliche Festlegung – also die „Definition“ – des Erfolgs zu aufwendig wäre. In aller Regel aber wird das Erfolgsversprechen auf dem Dienstleistungsmarkt nicht angeboten, weil die Dienstleistenden davon ausgehen, daß sie durch solche Rechtsgeschäfte keinen ökonomischen Vorteil erlangen. Dies liegt meist an der Ungewißheit, d. h. an der mangelnden Steuerbarkeit des Erfolgseintritts. Unter der Ungewißheit des Erfolgseintritts ist nicht allein das Fehlen letzter Sicherheit über den Eintritt des Erfolgs zu verstehen. Auch der Werkunternehmer kann bei Vertragsschluß nicht mit letzter Sicherheit davon ausgehen, daß er das Werk vollenden wird. Er entscheidet aber aufgrund der Überzeugung, daß bei normalen Verlauf der Dinge der Erfolg herbeigeführt werden kann. Der Dienstverpfl ichtete hat diese Überzeugung beim Vertragsschluß typischerweise nicht. Die Gründe für diese Ungewißheit sind vielfältig: So kann der Erfolgseintritt vom ungewissen Verhalten anderer Personen abhängen, beispielsweise im klassischen Fall des Rechtsanwalts, der das Obsiegen im Prozeß nicht versprechen will, da die Entscheidung des Richters (oder auch die Aussage von Zeugen, das Verhalten der Gegenpartei usw.) weder vorhergesagt noch beeinflußt werden kann bzw. darf. Zudem kann der Erfolgseintritt vom Verhalten des Dienstberechtigten, insbesondere von seiner Mitwirkung, abhängen, beispielsweise bei der Heilung eines Patienten. Schließlich kann der Weg, auf dem der Erfolg erreicht werden kann, unbekannt oder jedenfalls nicht vollständig bekannt sein. Das ist beispielsweise der Fall bei der Heilung von Krankheiten durch Medikamente oder Methoden, über deren Wirkungsweise und Wirksamkeit keine sicheren Erkenntnisse bestehen. Typischerweise treten die Gründe kumulativ auf: Bei Abschluß eines GmbH-Geschäftsführervertrages kann der Geschäftsführer einen (wirtschaftlichen) Erfolg nicht verspre130

BGH (Urt. v. 17. 6. 2002) BGHZ 115, 330, 333. H. Roth, Anm zu BGH (Urt. v. 16. 7. 2002), JZ 2003, 371, 372. Bei einer ungewöhnlich hohen Vergütung liegt trotz ungewissem Erfolgseintritts ein Werkvertrag nahe, wenn keine anderen Faktoren diese Höhe erklären (z. B. besondere Fähigkeiten oder Prominenz des Schuldners). Der Ansicht, nach der bei hohem Erfolgsrisiko ein Werkvertrag ausscheide (so Plander/Schiek, RdA 1990, 219, 223; RGRK/Glanzmann Vor § 631 Rn. 3 a. E.; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 42; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 1. I. 1. e); Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1.) ist nicht zuzustimmen; so auch BGH (Urt. v. 17. 6. 2002) BGHZ 115, 330, 333; G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 55 ff.; Staudinger/Peters (2003) Vor §§ 631 ff. Rn. 22, letzter Absatz; Ullrich, FS Fikentscher, S. 298, 309 f.; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 125. 132 Durch das Verbot, die Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache abhängig zu machen, soll verhindert werden, daß der Rechtsanwalt den Ausgang eines Mandats zu seiner eigenen „wirtschaftlichen“ Angelegenheit macht, so BT-Drucks. 12/4993, S. 31 sowie BGH (Urt. v. 18. 3. 2004) NJW-RR 1994, 1145, 1147; BGH (Urt. v. 29. 4. 2003) NJW-RR 2003, 911 f.; BGH (Urt. v. 13. 6. 1996), BGHZ 133, 90, 94 f.; BGH (Urt. v. 28. 2. 1963) BGHZ 39, 142, 146 ff. Dagegen umfassend Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts, S. 249 ff. und nunmehr BVerfG (Beschl. v. 12. 12. 2006) NJW 2007, 979 ff. 131

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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chen, weil erstens der Erfolg vom Verhalten anderer Personen (Nachfrage, Konkurrenten, eigene Arbeitnehmer) abhängt und zweitens keine sicheren Erkenntnisse darüber bestehen, wie der Erfolg herbeigeführt werden kann. Darüber hinaus können Schwierigkeiten bei der vertraglichen Festlegung des Erfolgs bestehen. Diese Schwierigkeiten liegen einerseits in den Grenzen der menschlichen Sprache begründet. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Dienstleistung auf eine Verbesserung des „geistigen“ Zustands gerichtet ist (Unterricht, Unterhaltung, Therapie). Viele dieser Schwierigkeiten ließen sich mit technischen Hilfsmitteln überwinden; der Einsatz dieser Mittel würde den Vertrag jedoch in der Regel unwirtschaftlich machen. Hinzu kommt, daß diese Schwierigkeiten mit dem Problem der mangelnden Beweisbarkeit des Erfolgseintritts einhergehen. Selbst wenn die Vertragsparteien z. B. einen bestimmten Erfolg zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses defi nieren könnten (z. B. Lernerfolg), ließe sich dieser Erfolgseintritt nur durch den Gläubiger beweisen.

Demgegenüber wird der Schuldner die mit dem Dienstvertrag einhergehenden Souveränitätseinbußen vermeiden, wenn das Risiko des Nichteintritts des Erfolges gering ist. Aber auch bei einem erhöhten Risiko können für ihn die Nachteile, die sich aus der Weisungs- und Kontrollunterworfenheit ergäben, überwiegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Schuldner für mehrere Auftraggeber tätig sein will und er daher zeitlich weisungsfrei bleiben möchte. Möglich ist aber z. B. auch, daß er die Art und Weise der Erbringung der Tätigkeit vor dem Gläubiger nicht aufdecken will oder daß er aus berufsethischen oder persönlichen Motiven eine Steuerung durch den Gläubiger ablehnt. Nimmt er lieber Souveränitätseinbußen hin, als das Erfolgsrisiko zu tragen,133 entspricht es seinem Interesse, die Souveränitätseinbuße durch möglichst eindeutige Regelungen zu begrenzen. Die effektivste und klarste Grenzziehung ist die zeitliche. Auch deshalb ist für den Dienstvertrag die Festlegung des Leistungszeitraums, insbesondere die Festlegung der Leistungsdauer, typisch. (3) Tätigkeitsverträge der Freien Berufe Diese verhältnismäßig klare Ausgangslage scheint durch zwei Phänomene verzerrt: Einmal kann zwischen den Vertragsparteien ein Kompetenzgefälle zu Lasten des Dienstberechtigten bestehen, das es diesem erschwert, die Leistungserbringung zu steuern. Zum anderen gibt es Verträge, bei denen der Dienstverpflichtete völlig unabhängig von der Höhe des Risikos des Erfolgseintritts den Eintritt dieses Erfolgs nicht versprechen will (dazu unter (4)). 133 Dies wird häufig der Fall sein. Entsprechend ist in der älteren Literatur gefordert worden, daß „im Zweifel“ ein Dienstvertrag anzunehmen sei, Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 675; Dernburg/Raape, Bürgerliches Recht, 2. Bd., 2. Abteilung, § 317 V.; Riezler, Werkvertrag, S. 44. Kritisch Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 895 f. in Fn. 2, der aber auch einräumt, daß der Arbeitnehmer primär ein Interesse an einem Zeitlohnvertrag habe, a.a.O. S. 805.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Der erste Fall betrifft den Bereich der sog. Freien Berufe. Die Interessen des Schuldners sprechen hier in der Regel für die Annahme eines Dienstvertrages, denn der „Erfolg“ der Tätigkeit erscheint vielfach so ungewiß, daß das Versprechen dieses Erfolgs für den Schuldner unwirtschaftlich wäre. Allerdings kommt es darauf an, was unter „Erfolg“ zu verstehen ist. Daß z. B. der Erfolg der Tätigkeit eines Arztes nicht in der Heilung des Patienten, sondern auch allein in der gelungenen Operation bestehen kann, war schon vor Schaffung des BGB deutlich geworden.134 Zudem ließen sich die in der Regel umfassenden Tätigkeitsverpflichtungen in diesem Bereich in einzelne „Zwischenschritte“ aufgliedern, deren Ergebnis jeweils als Erfolg definiert werden könnte.135 So könnte man die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in das gelungene Beratungsgespräch, die Übersendung eines bestimmten Schriftsatzes, die Einreichung der Klageschrift usw. untergliedern und für alle diese Tätigkeiten die Vereinbarung eines Werkvertrages annehmen. Die Schwierigkeit liegt jedoch in der vertraglichen Festlegung dieser Erfolge. Der Aufwand bei der Festlegung dieser Verpflichtungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wäre sehr hoch; das gilt selbst für einen verhältnismäßig begrenzten Vorgang wie die Durchführung einer Operation. Die „gelungene“ Operation besteht nicht allein z. B. in der Entfernung des Appendix. Den Arzt treffen eine Vielzahl von Einzelpflichten, z. B. bezüglich der Aufklärung des Patienten, der Vorbereitung der Operation, der abschließenden Wundbehandlung usw. Oft wird auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststehen, welche „Zwischenerfolge“ im einzelnen notwendig sind und auf welche verzichtet werden kann. Würde der Schuldner bei Vertragsschluß bestimmte „Zwischenerfolge“ versprechen, bestünde ein Anreiz, diese zu erreichen, gleichgültig, ob sie sich tatsächlich als erforderlich zur Erreichung des eigentlichen Ziels erweisen oder nicht. Der Weg der Vertragsänderung wird in vielen Fällen dem Schuldner zu aufwendig erscheinen. Es ist auch nicht möglich, auf die Definition der einzelnen „Zwischenerfolge“ zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu verzichten, denn dann bestünde die Gefahr, daß der Vertrag schon wegen der Unbestimmtheit der Willenserklärungen unwirksam wäre. Eine dienstvertragliche Verpflichtung kann zwar relativ unbestimmt und dennoch wirksam sein.136 Für einen Werkvertrag gilt dies nicht in gleicher Weise: Die Vereinbarung über die Erreichung eines „Erfolgs“ ist nur wirksam, wenn die Parteien darüber einig sind, worin der Erfolg bestehen soll. 134 Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 I. (S. 689 f.) Fn. 2 mit den auch heute noch gebräuchlichen Beispielen. Nach Schaffung des BGB Riezler, Werkvertrag, S. 92; Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, S. 29 f.; Nikisch, Grundformen, S. 45 f.; Staudinger/ Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 33; G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 49, vgl. zudem S. 168 ff. 135 Dafür spricht sich Hirte, Berufshaftung, S. 357 ff., aus. 136 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (bb), S. 106 ff.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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Die Vereinbarung von Erfolgen im Rahmen der Tätigkeitsverträge der Freien Berufe ist also mit Schwierigkeiten und mit einem verhältnismäßig großen Aufwand – also hohen Transaktionskosten – bei Vertragsschluß verbunden. Aus diesem Grund liegt das Vertragsregime des Dienstvertrages nahe. Der Dienstvertrag ist jedoch ein Vertrag der gesteuerten Leistungserbringung. Ohne diese Steuerung kann der Dienstberechtigte seine Interessen nicht durchsetzen. Die Dienstleistungen der Freien Berufe werden aber in der Regel in Anspruch genommen, weil der Gläubiger sich eine Kompetenz „zu eigen“ machen möchte, über die er in eigener Person nicht verfügt. Damit scheint zugleich eine Steuerung der Leistungserbringung durch den Dienstberechtigten auszuscheiden. In der Tat schließt das Kompetenzgefälle zwischen den Vertragsparteien in dieser Konstellation die Steuerung der Art und Weise der Leistungserbringung weitgehend aus; der Gläubiger der Tätigkeitsverpflichtung erscheint also nicht ausreichend geschützt. Man trifft auf die besondere Konstellation, daß die Vereinbarung eines Erfolgs mit hohen Transaktionskosten verbunden wäre, gleichzeitig aber der Verzicht auf die Vereinbarung eines Erfolgs die Interessen des Gläubigers nicht ausreichend schützt. In dieser Situation erscheint die Wahl des Dienstvertrages vorzugswürdig: Während nämlich bei der Wahl des Werkvertrages die Erhöhung der Transaktionskosten wohl nicht vermieden werden könnte, läßt sich der Schutz der Gläubigerinteressen bei der Wahl des Dienstvertrages auch auf zwei anderen Wegen erreichen. Die lex lata hat – im Grundsatz, wenn auch vielleicht nicht im ausreichenden Maße – beide Wege beschritten. Zum einen muß sie die Leistungssteuerung durch den Dienstberechtigten erlauben, soweit dies irgend möglich ist. Die Möglichkeit wird geschaffen, indem der Schuldner verpflichtet wird, das Kompetenzgefälle zwischen den Vertragsparteien im Einzelfall soweit wie möglich zu verringern. Dies geschieht durch umfassende Informations- und Aufklärungspflichten137 (vgl. auch §§ 675 Abs. 1, 666 BGB) sowie durch das Recht des Dienstberechtigten, das Vertragsverhältnis jederzeit zu beenden (§ 627 Abs. 1 BGB). Zum anderen kann die Rechtsordnung selbst die Aufgabe der Steuerung der Leistungserbringung übernehmen, und zwar indem an die Art und Weise der Tätigkeitserbringung bestimmte Anforderungen gestellt werden.138 Die Freien Berufe kommen dem 137 Vgl. nur beispielhaft die Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) i.d.F. vom 1. 7. 2006. § 11 BORA lautet: „Unterrichtung des Mandanten – (1) Der Mandant ist über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten. Ihm ist insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. (2) Anfragen des Mandanten sind unverzüglich zu beantworten.“ Zur Aufklärungspfl ichten im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrages (und auch zu deren Grenzen) umfassend Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311 ff., S. 323 ff. 138 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (cc), S. 179 ff. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 244 f., meint, dass sich das hier vorgeschlagene Kriterium des Steuerungsrechts in diesen

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

durch „Selbststeuerung“, d. h. durch die Herausbildung eines Berufs- und Standesrechts bzw. einer bestimmten Berufs- und Standesethik, entgegen. Diese Ethik – so begrüßenswert sie sein mag – ist für diese Berufsgruppen kein Selbstzweck, sondern dient der Vertrauensbildung und damit den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Gruppe.139 (4) Arbeitsverträge Die zweite, von der Grundkonstellation abweichende Interessenlage betrifft den Arbeitsvertrag. Die Frage, ob das Versprechen der Erfolgsherbeiführung für den Arbeitnehmer eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung sein könnte oder nicht, stellt sich hier gar nicht. Bei einem Arbeitsvertrag sind die Parteien stets einig, daß nur die Tätigkeit, nicht aber der mit dieser Tätigkeit bezweckte Erfolg geschuldet sein soll. Der Arbeitsvertrag ist daher Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB. Dies dürfte heute unstreitig sein.140 Auf – eher rechtspolitischer – Ebene wird diskutiert, ob die §§ 611 ff. BGB bzw. die Normen des BGB allgemein ohne weiteres auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind141 oder ob das Arbeitsrecht als eigenständiges Rechtsgebiet eine solche Anwendung nur nach vorangehender Prüfung der Geeignetheit dieser Normen zuläßt.142 Im Rahmen dieser Grundsatzdebatte ist man sich allerdings weitgehend einig, daß einerseits der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag ein Schuldverhältnis begründet, auf das die Normen des BGB anzuwenden sind, daß aber andererseits dem besonderen Machtungleichgewicht143 zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in angemessener Weise Rechnung zu tragen ist. An diesem Anspruch orientieren sich auch die folgenden Ausführungen. Dabei kann das Arbeitsrecht letztlich von dem „Rückgriff auf den Reichtum an gefestigten Rechtsgedanken, der die allgemeine Privatrechtsordnung auszeichnet,“144 nur profitieren. Daß die allgemeine Bedeutung und die BeFällen auf ein „Vetorecht“ des Dienstberechtigten reduziere. Es obliegt aber dem Dienstverpfl ichteten, den Gläubiger durch angemessene Aufklärung in den Stand zu versetzten, sämtliche relevanten Entscheidungen selbst zu treffen. 139 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (cc), S. 179 ff. Zu weiteren Hintergründen Hirte, Berufshaftung, S. 341 f. m.w.Nachw.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 71 ff. m. zahlreichen Nachw. 140 Dies konstatiert bereits Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 22, im Jahre 1938. Auch der Akkordvertrag wird heute einstimmig als Dienstvertrag beurteilt, vgl. bereits RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605 ff. Anders noch Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 76 ff., 86 ff. (eigener Vertragstyp, näher aber dem Dienstvertrag); Kreller, AcP 122 (1924), 1, 34; einschränkend aber ders., AcP 125 (1926), 1, 14 Fn. 31. 141 Dahin gehend Mayer-Maly, RdA 1964, 1, 5 f.; Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation, 1969, S. 20 ff., 32 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 23; Lieb, RdA 1975, 49, 51; umfassend Richardi, ZfA 1974, 3 ff.; E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 79 ff. Grundsätzlich auch Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 22 II. und III.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 19 I. 2. und 3. 142 Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 201 ff.; ders., FS W. Weber, S. 793, 796 ff.; und bereits ders., FS Molitor, 1962, S. 57, 78 f. 143 Kritisch freilich Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 16 ff.; ders., AcP 176 (1976), 221, 230 ff. 144 Richardi, ZfA 1974, 3, 27.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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sonderheiten der stetig anwachsenden Materie eine eigene Kodifikation des Arbeitsrechts mehr den je wünschenswert erscheinen lassen, steht auf einem anderen Blatt.145

Selbst wenn der Arbeitnehmer typisch werkvertragliche (z. B. handwerkliche) Tätigkeiten erbringt, schuldet er dem Arbeitgeber keinen Erfolg. Auf Art und Inhalt des Geschuldeten kommt es beim Arbeitsvertrag überhaupt nicht an. Der Arbeitnehmer will den Erfolg seiner Tätigkeit keinesfalls versprechen. Der als Arbeitnehmer beschäftigte Maurer verspricht die Fertigstellung der Mauer nicht, auch wenn er sein Handwerk meisterhaft beherrscht. Der Arbeitsvertrag ist gewissermaßen ein abstrahierter Dienstvertrag, bei welchem der Bezug zu der für den Dienstvertrag typischen Interessenlage der Vertragsparteien verlorengegangen ist. Die Interessen des Arbeitnehmers unterscheiden sich von denen selbständiger Dienstverpfl ichteter: Der Arbeitnehmer will die Risiken vermeiden, die mit dem Auftritt als Anbieter auf dem Markt für Dienste verbunden sind. Diese Entscheidung ist nur partiell eine ökonomische. Der Arbeitnehmer sucht eine – möglichst dauerhafte – wirtschaftliche Sicherheit unter Preisgabe der unternehmerischen Chancen, die ihm die Selbständigkeit eröffnen würde.146 An einem solchen Leistungsangebot hat der Dienstberechtigte nur ein Interesse, wenn es für ihn mit Vorteilen verknüpft ist, die über die Vorteile der Leistungsverpflichtung eines selbständigen Dienstverpflichteten hinausgehen. Der Vorteil liegt in einem im Verhältnis zum selbständigen Dienstvertrag wesentlich erweiterten Recht zur Steuerung der Tätigkeit; in der jüngeren Literatur wird auch von „Verfügbarkeit“147 gesprochen. In Rechtsprechung und Literatur ist daher auch vielfach beobachtet worden, daß sich die Weisungsunterworfenheit von selbständigem Dienstverpflichtetem und Arbeitnehmer nur graduell unterscheide.148 Nach wie vor zieht die herrschende Meinung die persönliche Abhängigkeit, d. h. die Weisungsunterworfenheit – besser: das Maß der Weisungsunterworfenheit –, als das zentrale Abgrenzungskriterium von selbständigem Dienstvertrag und Arbeitsvertrag heran.149 Alternative Konzepte, die dahin gehen, die Abgrenzung vorrangig anhand der

145

Dazu nur Hanau, NZA 2004, 625, 628. Ausführlicher Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 209 ff. Vgl. dazu aber unten Fn. 568. 147 Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 171. 148 Vgl. nur BGH (Urt. v. 14. 3. 1960) BB 1960, 574; BGH (Urt. v. 13. 1. 1966) BB 1966, 265; BAG (Urt. v. 21. 1. 1966) AP Nr. 2 zu § 92 HGB; BSG (Urt. v. 29. 1. 1981) SozR 2400 Nr. 16 zu § 2; BAG (Beschl. v. 30. 8. 1994) AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 72; BAG (Urt. v. 15. 12. 1999) AP Nr. 6 zu § 92 HGB; BAG (Urt. v. 20. 9. 2000) AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979. 149 Vgl. nur BAG (Urt. v. 4. 12. 2002, 12. 12. 2001) AP Nr. 115, 111 zu § 611 BGB Abhängigkeit sowie die hier zitierten früheren Urteile; BAG (Urt. v. 29. 5. 2002) AP Nr. 152 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG (Urt. v. 20. 9. 2000) AP Nr. 37 zu § 611 BGB Rundfunk. Zur Entstehung der Rechtsprechung ausführlich Hromadka, NZA 1997, 569, 573 ff. Zur herrschenden Ansicht sowie zu jüngeren Mindermeinungen umfassend MünchArb/Richardi, § 24 Rn. 12 ff. 146

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

vom Dienstverpfl ichteten übernommenen unternehmerischen Chancen und Risiken150 bzw. des Erhalts der Möglichkeit eigenverantwortlicher unternehmerischer Disposition151 vorzunehmen, konnten sich bislang nicht durchsetzen. Weisungsgebundenheit und der Erhalt eigener unternehmerischer Chancen und Risiken hängen freilich nach dem gerade Gesagten eng zusammen.152

Der Preis, den der Arbeitnehmer für die Vermeidung eigener unternehmerischer Risiken zahlt, ist eine verstärkte (vor allem zeitliche) Souveränitätseinbuße. Überspitzt gesagt verkauft der Arbeitnehmer in zeitlicher Begrenzung unter partieller Aufgabe seines Selbstbestimmungsrechts einen „Anteil“ seiner Person. Dies gilt zwar im Prinzip für jeden Dienstverpflichteten153 – geht aber beim Arbeitnehmer so weit, daß er u. a. seine eigene unternehmerische Dispositionsmöglichkeit verliert. Allerdings ist dieser Verlust nur Folge, und zwar nur eine Folge (wenn auch eine überaus wichtige) der Unterwerfung unter das weitgehende Steuerungsrecht des Arbeitgebers. Die – meist dauerhafte – partielle Aufgabe eigener Selbstbestimmungsrechte birgt für den Arbeitnehmer zahlreiche Risiken, die nicht nur, aber in erster Linie wirtschaftlicher Art sind. Der Schutz vor diesen Risiken ist die Aufgabe des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts. Die – hier nicht näher zu vertiefende – Frage ist, ob die Rechtsprechung und die ihr folgende herrschende Ansicht, indem sie in erster Linie auf die persönliche Abhängigkeit durch Weisungsunterworfenheit abstellt, nicht doch den Kern des Problems trifft.154 Für die Vertragsauslegung ergeben sich aus dem Voranstehenden unmittelbare Konsequenzen: Wenn dem Dienstverpflichteten unternehmerische Risiken durch den Vertrag übertragen werden, kann und darf er nicht gleichzeitig einem umfassenden Kontroll- und Steuerungsrecht des Dienstberechtigten unterworfen sein.155 Hat umgekehrt der Dienstberechtigte nach der Vereinbarung nur beschränkte Kontroll- und Weisungsbefugnisse, müssen für die Annahme eines Arbeitsvertrages besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Dienstberechtigte bereit war, die unternehmerischen Risiken für den Dienstverpflichteten zu übernehmen.

150 Wank, DB 1992, 90, 91 ff.; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122 ff. Ähnlich Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 14 ff. Kritisch dazu Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 205 ff. 151 Lieb, RdA 1977, 210, 215; ders., Arbeitsrecht, Rn. 11 ff. 152 So auch ausdrücklich Wank, DB 1992, 90, 91 f. Kritisch aber Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 1 ff. 153 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 114 ff. 154 Zu diesem Ergebnis kommt auch die Untersuchung von Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 170 ff. Vgl. aber auch unten § 3 Fn. 201. 155 Dazu unten Erster Teil, § 2 II. 2. a) und c), S. 44 ff. und S. 50 ff.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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c) Ergebnis zu 1. Aus § 631 Abs. 2 BGB ergibt sich, daß das Versprechen eines Erfolgs darüber entscheidet, ob ein Werkvertrag vorliegt oder nicht. Wurde ein Erfolg nicht vereinbart, bleibt als gesetzlich vorgegebener Vertragstyp regelmäßig nur der Dienstvertrag. Sucht man in Zweifelsfällen nach der Grenzlinie zwischen Werk- und Dienstverträgen, fällt der Blick oft nur auf die Seite des Werkvertrages, und es bleibt bei der Frage, ob der Schuldner das Risiko des Erfolgsversprechens eingegangen ist oder nicht. Demgegenüber sollte der Blick verstärkt auch auf die Seite des Dienstvertrages gelenkt werden. Wurde der Erfolg nicht versprochen, muß sich der Gläubiger Rechte hinsichtlich der Steuerung der Leistungserbringung vorbehalten. Bestehen solche Weisungs- und Kontrollrechte des Gläubigers, spricht viel dafür, daß der Gläubiger kein Erfolgsversprechen durchsetzen konnte. Die Frage lautet also: Erfolgsversprechen oder Steuerungsrecht? Beides wird der Schuldner nicht versprechen, und auf beides wird der Gläubiger nicht verzichten. Die typischen Tätigkeitsverträge der Freien Berufe und der Arbeitsvertrag sind Sonderfälle: Im ersten Fall ist das Recht zur Leistungssteuerung faktisch beschränkt; hier muß ersatzweise die Rechtsordnung oder das selbst gesetzte Recht der Freien Berufe eingreifen. Im zweiten Fall ist das Recht zur Leistungssteuerung erweitert, weil sich der Arbeitnehmer nicht nur die Freiheit vom Risiko des konkreten Erfolgseintritts, sondern eine Freiheit vom unternehmerischen Risiko überhaupt erkauft. 2. Die Stärke des Erfolgsbezugs beim Dienstvertrag Wie oben gesehen, verfolgt der Dienstberechtigte mit den Diensten, die er sich hat versprechen lassen, stets irgendeinen Zweck, er will irgendein Resultat erzielen. Auch wenn der Dienstverpflichtete die Verwirklichung dieses Resultats nicht schuldet, ist er doch verpflichtet, seine Tätigkeit auf diesen Erfolg hin auszurichten, sich also um die Erreichung dieses Zweck zu „bemühen“156. Allerdings kann die geschuldete Tätigkeit stärker oder weniger stark an diesen Zweck gekoppelt sein. Diese unterschiedliche Stärke des Erfolgsbezugs erlaubt eine Differenzierung zwischen zwei Gruppen von Dienstverträgen, also die 156 Häufig (z. B. Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1.; E.Wolf, Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 175 f., Allgemeiner Teil, S. 16) wird von dem „Bemühen“ gesprochen, welches der Dienstverpfl ichtete schulden soll. Dieser Begriff wird im folgenden nicht verwendet. Das „SichMühe-Geben“ suggeriert, daß der Dienstverpfl ichtete neben den äußeren Tatbeständen (seiner Handlung) auch innere Tatbestände, also z. B. eine bestimmte Einstellung zu der Tätigkeit, schulde. Dies ist jedoch nicht der Fall, vgl. dazu unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff. Der gern verwandte Begriff der „subjektiven Müheverwaltung“ stammt nicht von Esser, Schuldrecht, Bd. 2, 4. Aufl., § 76 II. 1. , wie in der Literatur angenommen wird (Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, § 18 I. 2.), sondern von Schroeder (Unmöglichkeit und Ungewißheit, 1905, S. 23 f.).

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Herausbildung zweier Dienstvertragstypen. Der unterschiedliche Schuldinhalt dieser Typen führt zu charakteristischen Unterschieden in den Fällen der Leistungsstörung und wird daher an späterer Stelle wieder bedeutsam.157 a) Der Dienstvertrag als „erfolgsgerichteter“ Vertrag Der Dienstverpflichtete schuldet immer eine Tätigkeit, die zu dem vom Gläubiger angestrebten, vertraglich manifestierten Zweck158 hinführt. So werden die Dienstverträge als „erfolgsgerichtet“ oder „erfolgsorientiert“ bezeichnet,159 teilweise wird auch der Terminus „final“ verwendet.160 Für Arbeitsverträge nimmt man ebenfalls an, daß der Schuldner eine erfolgsgerichtete Tätigkeit erbringen müsse.161 Die Erfolgsgerichtetheit ist freilich ein Charakteristikum jeder Verpflichtung, da letztlich jede Verpfl ichtung auf ein Verhalten des Schuldners hinausläuft, und dieses „Verhalten besteht in dem Bemühen um den nach dem Schuldverhältnisse bestimmten Erfolge, in der Tätigkeit des Herstellens des Erfolges.“162 Allerdings wird beim Dienstvertrag der „Erfolg“, auf den die Tätigkeit abzielen soll, von den Parteien vielfach nicht definiert – sei es, daß er sich sprachlich nicht fassen läßt, sei es, daß die Tätigkeit sich an einem „End157

Vgl. dazu insbesondere Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) und III. 2. b), S. 230 ff. und S. 264 ff. 158 Zur vertraglichen Einbeziehung des Zwecks unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 f. 159 von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 591; Siber, Schuldrecht, § 60 III. 2.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 145 I. 1.; Bruns, FS Nipperdey II, 1. Bd., S. 1, 14; Bruns, AcP 178 (1978) 34, 39; U. Huber, FS von Caemmerer, S. 837, 845; ders. JuS 1972, 57, 60 ff.; W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 600, 601; Lieb, Gutachten, S. 183, 212. Ähnlich RG (Urt. v. 1. 12. 1914) RGZ 86, 75, 77 f.; Esser, Schuldrecht, Bd. 2, 4. Aufl., § 76 II. 1.; Hartung, Schlechtleistung, S. 28 f. Kress, Allgemeines Schuldrecht, 1929, S. 196. Und bereits Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 I. (S. 689 f.) Fn. 2. „Streben nach dem Ziel“. 160 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 116; allgemein für Leistungspfl ichten auch U. Huber, FS von Caemmerer, S. 837, 845. Auch dieser Begriff wird im folgenden nicht herangezogen, da die Beschreibung, der Dienstverpfl ichtete sei zu einem „fi nalen Handeln“ verpfl ichtet, dahin gehend verstanden werden könnte, daß er ein „vorsätzliches Handeln“ schulde. (Dahin gehend dann auch Motzer, der von einem „subjektiven Gutwilligsein“ spricht.) Der Dienstverpfl ichtete schuldet indes keinen Willen zur Herbeiführung des vom Gläubiger angestrebten Erfolgs, unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff. Auch nach der fi nalen Handlungslehre des Strafrechts liegt freilich eine Handlung schon vor, wenn die Handlungsfolgen „notgedrungen in Kauf genommen werden“, weil ohne sie „das Ziel . . . nun einmal, so wie die Welt aussieht, . . . nicht zu haben ist.“ (G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 23). 161 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 72, 14, Bd. 2, S. 38 f.; Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 5 f., 19; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeitnehmers bei Schlechtleistung, S. 15 f.; Rabe, Lohnminderung, S. 19 ff.; Wlotzke, RdA 1965, 180, 182; E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 86; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 116 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 I. 2. 162 Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 284. Zu den Grenzen der Erfolgsbezogenheit rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten im allgemeinen vgl. auch oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (1), S. 15 ff.

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ziel“ ausrichtet, welches nur über verschiedene Zwischenziele erreicht werden kann, die bei Vertragsschluß noch nicht feststehen,163 o.ä. Diese Unklarheiten könnten zumindest im Einzelfall Zweifel daran wecken, ob sich der Schuldner tatsächlich an einem dieser vagen Zwischen- oder Endziele zu orientieren hat. Diese Zweifel sind indes unbegründet. Die vom Dienstverpflichteten geschuldete Tätigkeit läßt sich nur anhand des Zwecks definieren, der vertraglich vereinbart wurde. Welcher Zweck dies ist, muß durch die Auslegung des Vertrages ermittelt werden. Hat der Dienstberechtigte den Zweck nur rudimentär bestimmt, verbleibt dem Dienstverpflichteten ein weiter Spielraum bei der Leistungserbringung, doch kann der Dienstberechtigte diesen durch nachfolgende Leistungssteuerung (Weisung) wieder verengen. Der Umstand, daß der Dienstverpflichtete eine erfolgsgerichtete Tätigkeit schuldet, darf indessen nicht dazu verleiten, die Ordnungsgemäßheit von Diensten danach zu beurteilen, ob der anzustrebende Erfolg erreicht sei. Dahin gehende Tendenzen klingen jedoch in der Literatur immer wieder an.164 Hinter dieser Ansicht steht die Befürchtung, der Dienstberechtigte könnte auch für „rastlosen, erfolglosen Tätigkeitsaufwand“165 oder für „wildes Drauflosarbeiten“ und „unverantwortliche Gleichgültigkeit“166 lohnpflichtig werden. Dem Ansatz wurde zu Recht widersprochen.167 Es genügt, den Schuldner auf die Richtung des Erfolges zu verpfl ichten.

Auf diese Weise läßt sich dem Dienstverpflichteten jedoch allzu leicht das Erfolgsrisiko unterschieben, daß er eben nicht zu tragen versprochen hat.168 Hat der Dienstverpflichtete den Erfolg nicht oder nicht vollständig herbeigeführt 163

Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (b), S. 35 ff. Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 179: Gleichgültig, ob ein Dienst- oder ein Werkvertrag vereinbart worden sei, wäre bei der Anfertigung eines Kleides „die Leistungspfl icht in Bezug auf die Beschaffenheit des Kleides stets dieselbe und die Schneiderin kann nicht, wenn etwa das im Taglohn angefertigte Gesellschaftskleid an Stellen, die notwendig bedeckt sein müssen, zu tief ausgeschnitten und deshalb nicht zu brauchen ist, einwenden, daß sie . . . beim dem vorliegenden Dienstvertrag nicht dafür einzustehen habe, daß das Werk für den im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch tauglich sei.“ Ebenso Westhelle, Nichterfüllung und positive Vertragsverletzung, S. 49 f. Fn. 149; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 647; Palme, BlStSozArb 1957, 27; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 2. In diese Richtung auch Bruns, FS Nipperdey II, 1. Bd., S. 1, 14. Vorsichtiger Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 74; dem folgend Rabe, Lohnminderung, S. 40, vgl. aber auch S. 45. Offenbar auch Richardi, NZA 2002, 1004, 1011; Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. A 33. Deutlich Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 53 ff., 60. Mißverständlich auch die Formulierung des LAG Frankfurt, (Urt. v. 22. 4. 1997) LAGE Nr. 33 zu § 64 ArbGG 1979, der Arbeitnehmer schulde „einwandfreie Arbeit“. Umgekehrt will Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 408, das erfolgsreiche Arbeitsergebnis gelten lassen, auch wenn die Arbeitsleistung selber fehlerhaft war. Dem folgend Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 408. 165 Bruns, FS Nipperdey II, 1. Bd., S. 1, 14. 166 Vgl. W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 69 f. 167 Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 30 f.; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 25; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 115 m. Fn. 140; Kramer, MDR 1998, 324, 325. 168 So bereits Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 30 f. 164

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

– sind z. B. die Arbeitsergebnisse des Arbeitnehmers mangelhaft –, kann dies ein Indiz für eine nicht ordnungsgemäße Tätigkeit sein; mehr als ein Indiz ist es indessen nicht.169 b) Grundtypen des Dienstvertrages Der mit der Tätigkeit anzustrebende Erfolg definiert den Schuldinhalt, doch kann diese Definition wenig konkret sein, wenn sie nur über einen von der eigentlichen Handlung weit entfernten „Enderfolg“ oder einen nur vage formulierten Erfolg vorgenommen wird. Oder wenn beides zusammentrifft, z. B. wenn es um die Betreuung von Personen (Kindern, Senioren, Kranken) geht: „Ein typisches Beispiel . . . bietet sich in der Stellung eines Alleinmädchens in einem kinderreichen Haushalte. Der Versuch, ihre Leistungspfl icht nach den einzelnen Erfolgen (Kinderstrafen) . . . im voraus festzulegen und von den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen der Hausangehörigen unabhängig zu gestalten, würde nur einen Lacherfolg bewirken.“170

Eine Unterscheidung von Dienstvertragstypen anhand des Grades ihrer Konkretisierung durch den anzustrebenden Erfolg wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Vielmehr kann nur der umgekehrte Weg eingeschlagen werden, der schon in der älteren Literatur zur Trennung von Dienst- und Werkvertrag angeraten worden war, nämlich durch die Frage, „ob die Arbeitsleistung durch die versprochene Arbeitsaufgabe in sich selbst begrenzt ist oder ob sie als fortlaufende einer zeitlichen Begrenzung bedarf.“171 Diese Formulierung Nikischs ist allerdings nicht ganz eindeutig, vor allem ist nicht eindeutig zu sagen, in welcher Hinsicht (auch in zeitlicher?) im Falle der ersten Alternative die Arbeitsaufgabe „in sich selbst begrenzt“ sein kann. Griffiger und deutlicher ist die zweite Alternative: Es gibt Dienste, die einer zeitlichen Begrenzung bedürfen. Sie „bedürfen“ dieser Begrenzung, weil ohne sie der Umfang der vom Dienstverpflichteten zu erbringenden Leistung nicht feststünde. Kurz gesagt, zeichnet sich eine Gruppe von Dienstverträgen dadurch aus, daß sich der Leistungsumfang nur durch die Festlegung eines Leistungszeitraumes bestimmen läßt. Ein solcher Vertrag wird im folgenden als „zeitbezogener Dienstvertrag“ bezeichnet.172 Der Gruppe der zeitbezogenen Dienstverträge stehen die „er169 Dahin gehend auch Kauffmann, AuR 1963, 267 f.; Lieb, Gutachten, S. 183, 212 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 I. 2. Vgl. auch schon Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 654; Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 42. Aus der Rechtsprechung zum Dienstvertrag anschaulich OLG Karlsruhe (Urt. v. 15. 4. 1999) IBR 1999, 270 betr. Bewachungsvertrag. 170 Heck, Schuldrecht, S. 334. 171 Nikisch, Grundformen, S. 53. Zu der Nikisch vorangegangen Literatur oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (1), S. 16 ff. 172 Der Begriff der Zeitbezogenheit fi ndet sich z. B. auch bei Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 404 und Richardi, NZA 2002, 1004, 1005 f. Richardi verwendet den Begriff um Dienst- und Arbeitsverträge allgemein zu beschreiben und zum „erfolgsbezogenen“ Werk-

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folgsbezogenen“ gegenüber.173 Es ist nicht notwendig – wie dies Nikisch getan hat –, diese Gruppe selbst zu definieren; es genügt die negative Abgrenzung. Erfolgsbezogene Dienstverträge sind solche, bei denen sich der Leistungsumfang auch ohne Festlegung eines Leistungszeitraums bestimmen läßt. Auch die Zeit- und Erfolgsbezogenheit ermöglicht nicht in allen Fällen eine eindeutige Abgrenzung,174 doch dürften die Fälle, in denen ein Vertrag nicht eindeutig zugeordnet werden kann, selten sein. Beispiel: 175 Der Bergführer verspricht dem Touristen, während einer von 8:00 Uhr morgens bis 16:00 nachmittags dauernden Bergtour einen bestimmten Berggipfel „anzugehen“. Der Umfang der Leistung kann vom Erfolg (schnelle Erreichung des Gipfels, die zu frühzeitiger Rückkehr führt) oder von der Zeit (Gipfel kann gar nicht erreicht werden) abhängen. Über einen ähnlichen Fall hatte der BGH zu entscheiden.176

In diesen Fällen wird der Leistungsumfang einerseits durch den Leistungszeitraum bestimmt, andererseits setzt ihm auch die mögliche (vorzeitige) Erreichung des Leistungserfolgs eine Grenze. Diese Ambivalenz der Verträge führt bei Leistungsstörungen zu Irritationen. Es ist dann notwendig zu entscheiden, ob bei Vertragsschluß der Erfolgs- oder der Zeitbezug der Tätigkeit überwog.177 (1) Zeitbezogene Dienstverträge Bei einem zeitbezogenen Dienstvertrag schuldet der Dienstverpfl ichtete die Erbringung einer bestimmten Tätigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Auch bei diesen Verträgen schuldet der Dienstverpflichtete zwar eine Tätigkeit, die auf den vertraglich festgelegten Zweck der Tätigkeit ausgerichtet vertrag abzugrenzen. Nikisch, Grundformen, S. 14 ff. wählt die Begriffe „zeitbestimmter“ und „erfolgsbestimmter“ Arbeitsvertrag. Ebenso Siber, Schuldrecht, § 60 III. 2. Nikisch weitgehend folgend Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 118 ff. 173 Der Begriff der Erfolgsbezogenheit fi ndet sich z. B. auch bei Picker, FS Kissel, S. 813, 820; Spickhoff, NJW 2002, 2530, 2533; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 B. I. Zum Arbeitsrecht Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 80. Mit der Wahl dieses Begriffs soll zu der nunmehr wieder heftig diskutierten Frage der Erfolgsbezogenheit rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten im allgemeinen nicht Stellung genommen werden, vgl. dazu Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 194 ff., einerseits, Canaris, JZ 2004, 214, 223 f., andererseits. 174 Dies nimmt allerdings Nikisch für seine Differenzierung zwischen „zeitbestimmten“ und „erfolgsbestimmten“ Arbeitsverhältnissen für sich in Anspruch, vgl. Grundformen, S. 22 ff. Ihm folgend Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 118 f. 175 Der sog. Bergführervertrag ist an der Schnittstelle zwischen Werk- und Dienstvertrag anzusiedeln und hat daher trotz seiner relativ geringen Bedeutung eine gewisse Aufmerksamkeit in der Literatur erlangt, vgl. Martius, Der Bergführervertrag, 1906, und zum schweizerischen Recht: Ottmar Bloetzer, Der Bergführervertrag, Brig 1941. Auch nach hier vertretenem Verständnis ist es natürlich möglich, daß die Parteien einen Werkvertrag über eine Bergführung vereinbaren. 176 Unten 2. Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa) und 3. b) (1), S. 266 f. und S. 283, betr. Detektivvertrag. 177 Vgl. unten 2. Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 266 f.

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ist. Der Wert der Dienste wird aber maßgeblich durch ihre Dauer bestimmt; die Dauer entscheidet über den Leistungsumfang. Diese Definition wird in der Literatur auch für sog. Dauerschuldverträge vorgeschlagen.178 Man mag daher den zeitbezogenen Dienstvertrag in diesem Sinne als Dauerschuldvertrag bezeichnen. Der Leistungsumfang wird allerdings auch von anderen Faktoren bestimmt (Beschaffenheit des Leistungssubstrats, technische Ausstattung usw.).179 Beispiel Bewachungsvertrag: 180 Bei der Bewachung eines Objekts hängt der Leistungsumfang nicht nur vom Zeitraum der Bewachung ab, sondern auch von der Größe des Objekts, von Umfang und Ausbildung des Wachpersonals, von Umfang und Qualität der technischen Ausstattung usw.

Ein zeitbezogener Dienstvertrag definiert sich danach als ein Dienstvertrag, bei welchem die Festlegung der Leistungsdauer für die Bestimmung des Leistungsumfangs zwingend erforderlich ist. Ein zeitbezogener Dienstvertrag kann „kurzfristig“181 sein; gleichgültig ist auch, ob die Tätigkeit konstant über eine bestimmte Zeitdauer hinweg erbracht wird, ob sie unterbrochen wird, ob sie sich in periodischen Abständen wiederholt usw.182 Die Festlegung der Leistungsdauer ist nicht so eng zu verstehen, daß die Parteien bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses festlegen müßten, wie hoch die Gesamtleistungsdauer der Tätigkeit sein soll.183 Die Leistungsdauer legt den Leistungsumfang fest, d. h. sie muß lediglich im Verhältnis zur Gegen178 In der Abhängigkeit des Leistungsumfangs von der Zeitdauer werden Dauerschuldverträge defi niert von E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 97; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 135 ff. H. Weber, fehlerhafte Gesellschaft, S. 114; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 2 VI; H. Behrens, Wiederkehrschuldverhältnis, S. 43; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 6 III 1. Weitere Nachweise bei Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 84 ff. Vgl. auch bereits v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 28 IV. A. 2. (S. 302 f.); v. Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 357 ff. 179 Es ist daher mißverständlich, wenn in der Literatur das Vorliegen eines Dauerschuldvertrages davon abhängig gemacht wird, daß der Umfang der geschuldeten vertragstypischen Hauptleistung ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbar ist. So die Defi nition von Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 135, 137, Hervorhebung durch Verf., vgl. auch dort S. 24 f., 110 f. Oetker versteht aber wohl den Begriff „ausschließlich“ wie „nur“, vgl. S. 152 f.: „Die vom . . . Dienstverpfl ichteten geschuldete Dienstleistung und damit die für den . . . Dienstvertrag charakteristische vertragstypische Hauptleistung kann nicht ausschließlich mit Hilfe zeitunabhängiger Gattungsmerkmale quantifi ziert werden. . . . Sowohl beim befristeten wie auch beim unbefristeten . . . Dienstvertrag kann die Menge der geschuldeten . . . Dienstleistung nur mit Hilfe eines Zeitfaktors bestimmt werden.“ 180 Vgl. OLG Karlsruhe (Urt. v. 15. 4. 1999) IBR 1999, 270. 181 Vgl. Horn, Gutachten, S. 551, 561. 182 Ebenso Nikisch, Grundformen, S. 14. 183 Beispielhaft BGH (Urt. v. 2. 3. 1978) MDR 1978, 744: Detektiv wird im (Formular) Vertrag Ermessen hinsichtlich Zeitpunkt und Länge des Einsatzes eingeräumt; gleichzeitig wurden feste Stundensätze vereinbart. Vgl. auch hier bereits v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 28 IV. A. 2. (S. 302 f.);

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leistung bestimmt werden. Handelt es sich um eine Tätigkeit, die im Sinne eines typischen Dauerschuldverhältnisses mit zeitlicher Unterbrechung immer wieder erfolgt (z. B. Unterricht), ist es lediglich erforderlich, daß die Vertragsparteien die Dauer jedes „Leistungsabschnitts“ festlegen (also die Länge jeder Unterrichtseinheit). (2) Erfolgsbezogene Dienstverträge Bei einer großen Gruppe von Dienstverträgen, insbesondere im Recht der Freien Berufe, ist der Bezug zur Zeit weit schwächer ausgeprägt. Auch hier ist die Tätigkeit zwar möglicherweise innerhalb bestimmter Fristen zu erbringen. Während dieser Fristen kann der Dienstverpflichtete jedoch frei entscheiden, wann er die Dienste leistet und welche Dauer die Tätigkeit in Anspruch nehmen soll. Im Vordergrund steht das Ziel, also der Erfolg, den der Dienstberechtigte zu erreichen sucht (z. B. ärztliche Behandlung, Prozeßvertretung). Der Wert, den die Dienste für den Dienstberechtigten haben, bemißt sich allein an der Geeignetheit der Tätigkeit zur Erreichung dieses Zwecks. Die Dauer der Tätigkeit ist weitgehend irrelevant. Diese Irrelevanz ergibt sich häufig daraus, daß es sich in erster Linie um Tätigkeiten des Geistes handelt; der Wert dieser Tätigkeiten hängt jedoch weitaus weniger von der Zeitdauer ab, während derer der Dienstverpflichtete seinen „Geist bemüht“, als vielmehr von seiner Erfahrung, Auffassungsgabe, Intelligenz usw. Ein erfolgsbezogener Dienstvertrag ist demnach ein Dienstvertrag, bei welchem sich der Leistungsumfang unabhängig von der Leistungsdauer bestimmt.184 Damit sind alle Dienstverträge, die nicht zeitbezogen sind, erfolgsbezogene Dienstverträge. Unverkennbar besteht eine Überschneidung der erfolgsbezogenen Dienstverträge zu den Geschäftsbesorgungsverträgen nach § 675 Abs. 1 BGB. Das Verhältnis der Gruppe erfolgsbezogener Dienstverträge zur Gruppe der Dienstverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, hängt freilich von der Definition beider Gruppen ab. Mag man sich mit der obigen Beschreibung der erfolgsbezogenen Dienstverträge begnügen, bleibt die äußerst problematische Definition der Geschäftsbesorgungsverträge. Umstritten ist nicht nur die Definition des Begriffs der Geschäftsbesorgung.185 Unklar ist bereits, ob es überhaupt Dienstverträge gibt, welche keine Geschäftsbesor-

184 Ähnlich Nikisch, Grundformen, S. 20 ff., für den „erfolgsbestimmten Arbeitsvertrag“. Bei diesem sei die Tätigkeit „inhaltlich begrenzt“. Er schließt sich damit einem Ausdruck Lotmars, Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 525 f., 530 f., an, der von der „natürlichen Begrenzung“ spricht. 185 Vgl. nur Staudinger/Nipperdey, 11. Aufl., (1958), § 675 Rn. 4 ff.; Soergel-Häuser/Welter § 675 Rn. 2 ff.; Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 11 ff.; MünchKomm/Seiler, 3. Aufl., § 675 Rn. 2, § 662 Rn. 9 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

gung zum Gegenstand haben. Eine Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 675 Abs. 1 BGB wäre dann nur über die Rechtsfolgen möglich.186 Denkbar wäre der Ansatz, die erfolgsbezogenen Dienstverträge mit den Geschäftsbesorgungsverträgen gleich zu setzen. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag wäre dann ein Vertrag, bei welchem der Leistungsumfang unabhängig von der Zeitdauer der Tätigkeit festgesetzt werden kann. Die mit großer Einigkeit typischerweise der Geschäftsbesorgung zugerechneten Verträge (Verträge mit Rechtsanwalt, Steuerberater, Managementgeber, Wirtschaftsprüfer, Anlageberater, Vermögensverwalter, Geschäftsführer, Herausgeber, Handelsvertreter) 187 sind jedenfalls typische erfolgsbezogene Dienstverträge. Erfolgsbezogen sind aber auch Behandlungsverträge (Behandlungsvertrag mit Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Tierarzt), die bisher überwiegend nicht den Geschäftsbesorgungsverträgen zugerechnet werden.188 Auch atypische Verträge (z. B. Vertrag mit Coach, der auf bestimmte sportliche Leistung vorbereiten soll; 189 Vertrag mit Sprachlehrer, der auf die Absolvierung eines bestimmten Sprachtests vorbereiten soll) können erfolgsbezogen sein, ohne daß sie nach gängiger Vorstellung zu den Geschäftsbesorgungsverträgen des § 675 BGB gehören.

c) Kombinationen von dienst- und werkvertragsähnlichen Elementen Werkvertrag sowie zeitbezogener und erfolgsbezogener Dienstvertrag werden in der Praxis vielfach zu Mischformen verbunden. Zu den seit langer Zeit bestehenden, traditionellen Mischtypen, wie z. B. der klassischen Akkordentlohnung,190 ist in jüngerer Zeit eine Fülle neuer Vertragsformen hinzugetreten, deren rechtliche Einordnung und Behandlung noch in den Anfängen steckt. Der Akkord – als Einzel- oder Gruppenakkord – wurde vielfach abgelöst durch Systeme der Prämienentlohnung,191 die ebenfalls als Einzel- oder als Gruppenprämie ausgestaltet werden, oder durch unterschiedliche Formen sog. 186 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 95 ff.; Planck/Lobe, § 675 Anm. 2; Staudinger/Nipperdey, 11. Aufl., (1958), § 675 Rn. 4 ff. und (a. A.) Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 13 f., beide mit historischer Darstellung. 187 Vgl. Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. C 1 bis C 3 (Rechtsanwalt), C 38 (Steuerberater), C 87 (Managementgeber), D 1 (Handelsvertreter), E 2 (Anlageberater), E 18 (Geschäftsführer), E 21 (Herausgeber), E 49 (Wirtschaftsprüfer), jeweils m.w.Nachw.; Soergel/ Häuser/Welter § 675 Rn. 467 (Wirtschaftsprüfer), Rn. 476 (Anlageberater), Rn. 497 (Vermögensverwalter), Rn. 484 (Geschäftsführer), jeweils m.w.Nachw. 188 MünchKomm/Seiler, 3. Aufl., § 675 Rn. 95; Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. E 7 f. m.w.Nachw. 189 Vgl. OLG Frankfurt (Urt. v. 13. 6. 1991) MDR 1992, 347. 190 Dazu bereits umfassend Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 773 ff. und 912 ff. Aus der aktuellen Literatur MünchArb/Kreßel, § 67 Rn. 1 ff.; Schwab, AR-Blattei SD 40 Akkordarbeit, Rn. 16 ff.; ders., Arbeit im Leistungslohn, S. 23 ff.; Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 163 ff. 191 Jeweils mit weiteren Nachweisen Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 168 ff.; MünchArb/Kreßel, § 67 Rn. 76 ff.; Schang, Mitbestimmung, S. 19 ff.; Künzel, in: Hromadka, Mitarbeitervergütung, S. 39 ff.

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Pensumentgelte192. Daneben treten die Provisionssysteme193 sowie Erfolgsbeteiligungen in der Form von Leistungs-, Ertrags- oder Gewinnbeteiligungen194. In jüngerer Zeit werden verstärkt Zielvereinbarungen195 eingesetzt, die, soweit sie mit Vergütungsbestandteilen gekoppelt werden, der Prämienentlohnung nahestehen; außerdem sei auf das mit den Zielvereinbarungen verwandte System der „Balanced Scorecards“196 hingewiesen. Die Vielfalt der Systeme darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß das primäre Ziel stets dasselbe ist. Der Arbeitnehmer soll durch die Inaussichtstellung einer zum Zeitlohn hinzutretenden Vergütung im Falle der Erreichung eines bestimmten Erfolges zu einer höheren Leistung motiviert werden. Daß ein erfolgsbezogener Vergütungsanteil grundsätzlich zu einer Erhöhung der Arbeitsleistung beitragen kann, ist weitgehend anerkannt. Allerdings wird auch vor einem simplifizierenden, rein mechanistischen Verständnis der Motivationsthese gewarnt.197 Neben der Vergütung kann und wird der Arbeitnehmer durch eine Vielzahl von Faktoren zu einer guten Arbeitsleistung motiviert.198 Erfolgsbezogene Vergütungssysteme beziehen diese Faktoren vielfach nicht ausreichend ein; vor allem aber kann der Erfolgsbezug diese Motivationsfaktoren verdrängen. Die größte Gefahr besteht darin, daß das Interesse des Arbeitnehmers an der Arbeit selbst verloren geht und sich allein auf die Erreichung des Erfolgs und damit auf den Erhalt der Vergütung richtet. Dies ist aus Sicht des Arbeitgebers nur dann unschädlich, wenn der definierte Erfolg tatsächlich die vom Arbeitnehmer erwünschte Gesamtleistung exakt abbildet. Da eine Vielzahl von Teilen dieser Gesamtleistung jedoch nicht ohne weiteres vorherzusehen bzw. nur schwer sprachlich zu fassen und ggf. zu messen sind, drohen (u. a.) erhebliche Fehlsteuerungen.199 Erfolgsabhängige Vergütungssysteme können weiter dazu beitragen, ein angemesseneres Verhältnis zwischen Vergütung und Arbeitsleistung herzustellen. Eine so verstandene „Lohngerechtigkeit“200 steht und 192

Schang, Mitbestimmung, S. 194 ff. Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 178 ff.; MünchArb/Kreßel, § 68 Rn. 1 ff.; Schang, Mitbestimmung, S. 26. 194 MünchArb/Kreßel, § 68 Rn. 86 ff.; Schang, Mitbestimmung, S. 27 ff., 219 ff.; Ricken, NZA 1999, 236 ff.; Loritz, RdA 1998, 257 ff.; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 117 ff. (auch zu Aktienoptionssystemen); Scheuer, Aktienoptionen als Bestandteil der Arbeitsvertragsvergütung, S. 24 ff. Sowie bereits Kaskel, In welcher Form ist die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital und am Gewinn des Unternehmens möglich?, 32. DJT, 1922, S. 263 ff., und von Kübel und Mitarbeiter, zit. nach: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 572 f. m.w.Nachw. Vgl. auch unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (b) (cc) a), S. 66 ff. 195 Vgl. auch unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (b) (bb) a), S. 62 f., sowie Hergenröder, ARBlattei SD 1855 Zielvereinbarungen, Rn. 1 ff.; Eberhardt, in: Hromaka, Mitarbeitervergütung, S. 25 ff.; Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 206 ff.; Schang, Mitbestimmung, S. 99 ff.; Berwanger, BB 2003, 1499 ff.; Köppen, BB 2002, 374 ff.; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882 ff. 196 Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 223 ff. 197 Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 247 ff.; Tondorf, Leistung und Entgelt im öffentlichen Dienst, S. 60 ff. Differenzierend bereits Schnellinger, Leistungslohn im Handel, S. 23 ff. Zu Gewinnbeteiligungen kritisch Ricken, NZA 1999, 236, 242. 198 Dazu auch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb) d, S. 194 ff. 199 Ausführlich Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 262 ff. m.w.Nachw. 200 Dazu Tondorf, Leistung und Entgelt im öffentlichen Dienst, 1997, S. 30. 193

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

fällt freilich mit der „Gerechtigkeit“ der Leistungsbeurteilung. Auch diese hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, z. B. von der Vergleichbarkeit und Meßbarkeit der Leistung, von der Person oder Institution, die die Leistung beurteilt, von der Transparenz und mangelnden Manipulierbarkeit der Bemessungskriterien usf. 201

Eine umfassende Aufarbeitung der vielfältigen Problematik kann hier nicht erfolgen. Doch ist an dieser Stelle für die neuen Mischtypen die grundlegende Frage nach ihrer Einordnung in das Koordinatensystem von zeitbezogenem und erfolgsbezogenem Dienstvertrag und Werkvertrag zu stellen. (1) Einleitung Die Initiative zur Wahl eines Mischtyps wird im Regelfall vom Dienstberechtigten ausgehen. Den Interessen des Dienstberechtigten dient das Erfolgsversprechen und das Recht, die Leistungserbringung zu steuern. In optimaler Weise wäre seinen Interessen gedient, wenn er sich beides versprechen lassen könnte. Hingegen wird der Dienstverpflichtete bestrebt sein, beides zu vermeiden. Bei Vertragsparität werden sich die Parteien auf das eine oder das andere Modell der Interessensicherung einigen. Besteht ein Machtgefälle zwischen den Vertragsparteien, wird es der einen Partei gelingen, sowohl dienstwie auch werkvertragliche Elemente zur Sicherung ihrer Interessen durchzusetzen bzw. beides zu vermeiden. In der Praxis liegt ein Machtgefälle, d. h. zumindest ein Kompetenzgefälle, zugunsten des Dienstverpfl ichteten im Recht der Freien Berufe vor. Dazu wurde bereits oben Stellung genommen. 202 Praktisch und rechtlich relevanter sind die Fälle, in denen ein Machtgefälle zugunsten des Dienstberechtigten besteht, also insbesondere, aber nicht nur, der Bereich der Arbeitsverträge. Der Dienstberechtigte wird bestrebt sein, beide Mittel der Interessensicherung durchzusetzen. Die krasseste Form wäre die Unterwerfung des Dienstberechtigten unter ein weitgehendes Weisungsrecht unter gleichzeitiger Durchsetzung eines Erfolgsversprechens. Bei dieser Extremform ringt sich die Rechtsordnung aber zu einem Verbot durch: Die Lehre vom Rechtsformzwang verbietet es – wie oben beschrieben 203 –, in einem Vertrag ein weitgehendes Weisungsrecht (das zum Arbeitnehmerstatus führt) zu vereinbaren und gleichzeitig die Rechtsfolgen des Arbeitnehmerschutzes abzubedingen. (2) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im Arbeitsvertrag Damit ist zunächst eine wichtige Grenze der Vertragsfreiheit aufgezeigt. Ein weitgehendes Recht des Dienstberechtigten zur Leistungssteuerung führt stets zu einem Arbeitsvertrag. Die Lehre vom Rechtsformzwang setzt zwar an 201 202 203

Weiterführend Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 260 ff., 277 ff. m.w.Nachw. Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (3), S. 37 ff. Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff.

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einem späten Punkt an; sie greift dafür auf radikale Weise ein. Sie ignoriert die Parteivereinbarung weitgehend, indem sie ein gewolltes Nicht-Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis bestimmt. Diese Radikalität legitimiert sich durch den zwingenden Charakter arbeitsrechtlicher Vorschriften, letztlich also durch den Arbeitnehmerschutz. Die Parteien können beliebige Erfolgsbezüge oder Erfolgsversprechen in den Vertrag aufnehmen – wenn ein umfassendes Weisungsrecht des Dienstberechtigten besteht, setzt sich der Arbeitsvertrag immer durch. 204 Hinsichtlich der dogmatischen Begründung des Rechtsformzwangs durch die herrschende Meinung mögen Zweifel bestehen; 205 dem Ergebnis ist zuzustimmen. Die Vereinbarung der Parteien wird von der Rechtsordnung also zwingend als Arbeitsvertrag verstanden. Als Arbeitsvertrag ist die Vereinbarung ein Unterfall des Dienstvertrages. Bei einem Dienstvertrag können aber nicht die Vergütung und die Herbeiführung eines Erfolges in ein synallagmatisches Verhältnis gesetzt werden. (a) Erfolgsabhängigkeit der gesamten Vergütung Haben also die Parteien ein weitgehendes Weisungsrecht vereinbart und gleichzeitig die gesamte Vergütung von der Erreichung eines Erfolgs abhängig gemacht, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, die Vergütungsabrede ist hingegen unwirksam, ggf. muß die Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB ermittelt werden. 206 Zudem würde der Arbeitnehmer von der in der Vereinbarung übernommenen Verpflichtung, den Erfolg zu erreichen, „befreit“. Diesem Ergebnis wird allerdings in der Literatur unter Berufung auf § 65 HGB widersprochen. 207 Die Norm erklärt bestimmte Vorschriften aus dem Handelsvertreterrecht für anwendbar, wenn ein Handlungsgehilfe mit dem Prinzipal vereinbart hat, daß er „für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden, Provisionen erhalten solle“. Mit dieser Formulierung sei auch der Fall 204 Zu diesem Ergebnis kam – cum grano salis – schon Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 913. Vgl. auch Ricken, NZA 1999, 236, 238 f. 205 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 206 Allgemein Staudinger/Sack (2003) § 138 Rn. 394 f. m.w.Nachw. Zu entsprechenden Konstellationen vgl. BFH (Urt. v. 24. 7. 1992) AP Nr. 63 zu § 611 BGB Abhängigkeit (betr. Stromableser); BAG (Urt.v. 3. 5. 1989–5 AZR 158/88), n.v. (betr. Pressefotograf); BAG (Urt. v. 19. 1. 2000) AP Nr. 33 zu § 611 BGB Rundfunk (betr. Journalist); LAG Chemnitz (Urt. v. 29. 5. 2001–6 Sa 772/00), n.v. (betr. Fotoreporter) sowie aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts die Nachweise unten Fn. 219. Eine entsprechende Vergütungsklage hatte der Dienstverpfl ichtete – hier aber ein „managing partner“ einer GmbH – erhoben im Fall des LAG Köln (Beschl. v. 29. 9. 2003–13 Ta 77/03), n.v. 207 Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 43 ff. § 4 Abs. 1a S. 2 EFZG, der die Modalität der Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts für den Fall regelt, daß der „Arbeitnehmer eine auf das Ergebnis der Arbeit abgestellte Vergütung“ erhält, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Zweck dieser Vorschrift ist ausschließlich die Lohnsicherung im Krankheitsfalle; die Norm „akzeptiert“ nicht Vergütungen, die auf das individuelle Arbeitsergebnis abstellen. So aber Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 43.

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erfaßt, daß der Handlungsgehilfe ausschließlich Provisionen für seine Tätigkeit erhalte. Damit stehe gleichzeitig fest, daß es zulässig sei, einen Handlungsgehilfen ausschließlich auf Provisionsbasis zu entlohnen. Da der Handlungsgehilfe Arbeitnehmer sei, könne folglich auch ein Arbeitnehmer ausschließlich auf Provisionsbasis, also ausschließlich erfolgsabhängig, entlohnt werden. 208 Für diese Ansicht ließe sich auch der Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes von 1923209 anführen. Dieser übernahm in den §§ 54 ff. weitgehend § 65 HGB mit seinen Verweisungen. Außerdem enthielt er in § 58 unter der Überschrift „Gewinnanteil“ die Regelung: „Ist bedungen, daß Entgelt ganz oder teilweise in einem Anteile am Gewinn aus allen oder bestimmten Geschäften besteht oder der Gewinn in anderer Art für die Höhe des Entgelts maßgebend ist, . . .“. Für „Umsatzanteile“ verwies er auf die §§ 58 ff. Auch die Entwürfe von 1938 und 1942 enthalten Regelungen über Umsatz- und Gewinnanteile, allerdings wird hier nicht ausdrücklich gesagt, daß der gesamte Lohn umsatz- und gewinnabhängig ausgestaltet werden kann. 210 Eine solche Aussage findet sich dann aber für Provisionsansprüche in § 41 Abs. 1 S. 1 des Entwurfs von 1977 wieder. 211 Auch § 49 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992212 und § 35 Abs. 4 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes von 2006 213 wiederholen die Regelung des § 65 HGB.

Zutreffend ist, daß der historische Gesetzgeber bei Schaffung der Norm auch den Fall vor Augen hatte, daß der Handlungsgehilfe allein auf Provisionsbasis tätig ist. 214 Im übrigen kann der Argumentation jedoch nicht gefolgt werden. 208 Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 48 ff. Es komme nicht darauf an, „wie wenig der Arbeitnehmer in einem schlechten Monat verdient“, sondern auf den „ex ante zu prognostizierenden Durchschnitt“ (S. 48). Das hat mit dem Lohnausfallschutz, wie ihn z. B. das EFZG vorsieht, nicht mehr viel zu tun. Im Ergebnis ebenso Rieble, NZA 2000, Beilage 3, 34, 43, einschränkend aber S. 44. Ohne Bezugnahme auf § 65 HGB auch Mauer, NZA 2002, 540, 542, und offenbar auch Lindemann, Flexible Gestaltung, S. 323, vgl. aber S. 332 Fn. 298. Unklar Hergenröder, AR-Blattei SD 1855 Zielvereinbarungen, Rn. 57 ff., 76 f. 209 Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsarbeitsministeriums, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 125 ff. Zu den genannten Vorschriften Kreller, AcP 125 (1926), 1, 18 ff. m.w.Nachw. 210 Vgl. die §§ 45 des Entwurfs eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis von 1938, herausgegeben vom Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 243 ff., sowie die §§ 109 ff. des Entwurfs einer Regelung der Arbeit von 1942 des Arbeitsrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Rechts, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 345 ff. 211 Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, herausgegeben durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 401 ff. 212 Gutachten D zum 59. DJT 1992. 213 NZA 2006, Beilage Nr. 23. 214 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines HGB von 1897 und eines Einführungsgesetzes (zur Reichstagsvorlage), S. 59, Abdruck in Hahn/Mugdan dort S. 238 : „Das HGB enthält keine besondere Vorschriften für den Fall, daß der Handlungsgehilfe nicht oder nicht ausschließlich mit festem Gehalt, sondern gegen Provision angestellt ist.“ (Hervorheb. im Original). Auch das Reichsarbeitsgericht, (Urt. v. 2. 11. 1929) ARS 7, 319, 320, bezeichnet die Vergütung auf ausschließlicher Provisionsbasis als „durchaus handelsüblich“ und führt aus, daß

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§ 65 HGB enthält keine allgemein „für den Rechtsanwender verbindliche Wertung“. 215 Zur Zeit der Schaffung der Norm mag man die Stellung und Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers in dieser Frage anders beurteilt haben. So war auch die Vergütung z. B. von Kellnern, Bäckereiverkäufern, Angestellten in „Friseurwerkstätten“, Badeanstalten und Fuhrhaltereien ausschließlich durch Trinkgelder nicht unüblich; die Gewährung einer „Erwerbsgelegenheit“ durch den Arbeitgeber erschien ausreichend. 216 Im Jahre 1912 bestanden schon Zweifel. Man hielt solche Vereinbarungen „wohl nicht“ für unsittlich, wenn das Trinkgeld „mit Sicherheit erwartet werden kann.“217

Selbst wenn der Norm heute noch zu entnehmen sein sollte, daß ein Handlungsgehilfe ausschließlich auf Provisionsbasis entlohnt werden darf, können daraus keine Rückschlüsse auf das allgemeine Arbeitsrecht gezogen werden. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die sich durch die spezifische Nähe des Handlungsgehilfen zum Handelsvertreter (vgl. § 84 Abs. 2 HGB) erklärt. 218 Aber selbst für diese Ausnahmevorschrift nimmt die herrschende Meinung an, daß die Abhängigkeit der gesamten Vergütung von Provisionszahlungen nur zulässig ist, wenn die Provision so bemessen ist, daß sie dem Arbeitnehmer bei normaler Arbeitsleistung ein ausreichendes Einkommen garantiert; ansonsten sei die Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. 219

eine solche Vergütungsabrede keinen rechtlichen Bedenken unterliege, wenn die zugesicherte Provision eine angemessene sei. Zu dieser Entscheidung unten noch Fn. 224. 215 So aber Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 48. Wie hier im Ergebnis Niemann, Mischlohn, S. 89 f. 216 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 702 ff. m.zahlreichen Nachweisen.; ebenso von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 615 f. (vgl. aber auch unten Erster Teil, II. 2. c) (2) (b) (cc) a), S. 67). 217 Staudinger/Kober, 7./8. Aufl., § 611 (1912) Anm. V. d) (S. 1084). 218 Faktisch ist der angestellte Handelsreisende im Vergleich zu einem „normalen“ Arbeitnehmer, der in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist, eben noch verhältnismäßig weisungsfrei; die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zu den selbständigen Handelsvertretern belegen dies. 219 RG (Urt. v. 26. 11. 1909) JW 1910, 5 f.; BAG (Urt. v. 28. 6. 1965) AP Nr. 3 zu § 614 BGB Gehaltsvorschuß; LAG Stuttgart (Urt. v. 23. 1. 1952) DB 1952, 231; LAG Berlin (Urt. v. 3. 11. 1986) AP Nr. 14 zu § 65 HGB; LAG Hamm (Urt. v. 16. 10. 1989) LAGE Nr. 4 zu § 138 BGB; Trinkhaus, DB 1967, 859, 861 f.; Staub/Konzen/C. Weber, HGB, § 65 Rn. 9; GK/Etzel, HGB, § 65 Rn. 2; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1568; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 264 f.; Schlegelberger/Schröder, HGB, Bd. 2, § 65 Rn. 1; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 65 Rn. 11; HWK/Diller, § 65 HGB Rn. 5; Schiek, BB 1997, 310, 312 (betr. Verkaufsfahrer); ausführlich Lieb, ZVersWiss 1976, 207, 225 „wenigstens das Existenzminimum“. Im Grundsatz auch Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, HGB, Bd. 1, § 65 Rn. 9. Einschränkend zur Anwendbarkeit des § 138 BGB Niemann, Mischlohn, S. 10 ff. In Tarifverträgen wird häufig ein bestimmtes, fi xes Gehalt für den Fall garantiert, daß neben dem Grundgehalt hinzuverdiente Provisionen nicht die Tarifhöhe erreichen, vgl. BAG (Urt. v. 19. 1. 2000 und v. 29. 10. 1986) AP Nr. 73 und Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel.

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Die herrschende Ansicht trifft das Richtige. Die Verlagerung des Wirtschafts- und Erfolgsrisikos auf den Arbeitnehmer ist allerdings weniger unter dem abstrakten Topos der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB zu betrachten als vielmehr unter dem Aspekt des Rechtsformzwanges. Ob die Grundsätze des Rechtsformzwanges als „Verbotsgesetze“ i. S.des § 134 BGB anzusehen sind, hängt davon ab, ob man sie als Gewohnheitsrecht begreift oder als allgemeine Rechtsgrundsätze betrachtet. Das Gewohnheitsrecht kann Quelle eines Verbotsgesetzes sein; für einen Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze ist umstritten, ob § 134 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen. 220

Der gesamte Lohn kann – außerhalb von § 65 HGB – auch dann nicht von einem Erfolg abhängig gemacht werden, wenn dieser bei „normaler Arbeitsleistung“221 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erreichen ist. Eben dieses Erfolgsrisiko trägt der Arbeitnehmer nicht. Der Eintritt dieses Risikos würde bedeuten, daß der Arbeitnehmer seine gesamte Arbeitskraft vergeblich aufgewendet hätte. Trotz seines Tätigwerdens unter der Leistungssteuerung des Arbeitgebers erhielte er nichts. 222 Ein Arbeitnehmer unterwirft sich aber – wie oben dargestellt 223 – einem weitgehenden Weisungsrecht nur, weil er sich eine – relative – wirtschaftliche Sicherheit zu erkaufen sucht, d. h. weil er das mit dem selbständigen Auftreten am Markt verbundene unternehmerische Risiko nicht eingehen will. Daß der Arbeitnehmer dieses Interesse im Verhandlungsprozeß mit dem Arbeitgeber ohne Eingreifen der Rechtsordnung in der Regel nicht durchsetzen könnte, ist eine Binsenweisheit. 224 Sowenig wie der Arbeitgeber im Verhandlungsprozeß einzelne zwingende arbeitsrechtliche Rechtsfolgen abbedingen kann, sowenig kann die Rechtsordnung eine Vereinbarung zulassen, mit der die Grundlagen des Arbeitsvertrages pervertiert werden und in der der Arbeitnehmer auf die Durchsetzung seiner grundlegenden Vertragsinteressen weitestgehend verzichtet. Der Arbeitsvertrag ist kein Werkvertrag, sondern ein Vertrag, in dem der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko – d. h. auch das Risiko des „Erfolgs“ der Tätigkeit – trägt. 225 Aus diesem Grunde ist eine 220 Vgl. Staudinger/Sack (2003) § 134 BGB Rn. 18 ff. m.w.Nachw.; MünchKomm/MayerMaly/Armbrüster § 134 Rn. 32 m.w.Nachw. 221 Freilich schuldet der Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung (dazu unten Erster Teil, § 3 II., S. 95 ff.). 222 Auch Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 48 ff., steht die „abstrakte Gefahr einer ‚Nullrunde‘“ (S. 48) durchaus vor Augen. 223 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 224 Die hier für die Rechtsprechung liegende Aufgabe verkennt das RAG, (Urt. v. 2. 11. 1929) ARS 7, 319 ff., wenn es mit viel Aufwand die Interessen des Prinzipals erörtert, dem das Risiko nicht zuzumuten sei, einem unbekannten (älteren und offenbar recht erfolglosen) Handlungsreisenden eine Mindestprovision zuzusagen. Das Arbeitsrecht mutet das Risiko, daß der Arbeitnehmer nicht „erfolgreich“ ist, jedem Arbeitgeber zu. 225 RG (Urt. v. 26. 11. 1909) JW 1910, 5 f.; BAG (Urt. v. 10. 10. 1990) AP Nr. 47 zu § 138 BGB; BAG (Urt. v. 21. 3. 1981 – 5 AZR 462/82), n.v., betr. Verlustbeteiligungen des Arbeitnehmers; BAG (Urt. v. 17. 9. 1998) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung; BAG (Urt. v. 9. 9.

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Klausel, in der die gesamte Vergütung des Arbeitnehmers von der Herbeiführung eines Erfolgs durch ihn abhängig gemacht wird, als Verstoß gegen den Rechtsformzwang226 unwirksam; 227 im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB greift daneben § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB228 ein. Dies gilt auch für die Akkordentlohnung. Die ältere arbeitsgerichtliche Rechtsprechung scheint allerdings auf den ersten Blick ein anderes Bild zu zeichnen. Das RAG hat in seiner Entscheidung vom 17. 1. 1931 eine Klausel für zulässig gehalten, nach der der Lohnanspruch des Arbeitnehmers bei der Herstellung von Arbeitsprodukten einer gewissen Qualität entstehen sollte. 229 In den vom RAG zu entscheidenden Fällen war jedoch gleichermaßen vereinbart, daß bei der Leistung von Ausschuß 75% des vereinbarten Akkordlohns zu zahlen war. In seiner Entscheidung stellt das RAG zwar fest, daß „in der Akkordübung . . . die Abrede keineswegs selten“ ist, „daß der Arbeitnehmer den Lohn für die unbrauchbaren Stücke schlechthin einbüßt“. In diesem Fall griffen jedoch „regelmäßig“ Bestimmungen, die eine Mindestvergütung des Arbeitnehmers sicherten. Auch in seiner Entscheidung vom 14. 12. 1929 nimmt das RAG den in der Vorinstanz geprüften Aspekt, ob die Lohneinbuße „über das erträgliche Maß hinausgegangen ist,“ auf. 230 In dieser Folge steht das Urteil des BAG vom 15. 3. 1960. 231 Das BAG hat lediglich eine Übertragung der Vergütungsgefahr auf den Arbeitnehmer „in einem bestimmten Umfang“ und damit eine „geminderte Lohnzahlung“ für zulässig gehalten. 232 Allgemein sind in tarifl ichen Akkordlohnsystemen Mindestlohngarantien üblich. 233 Dies 2003) AP Nr. 19 zu § 611 BGB Sachbezüge. Allgemein MünchArb/Hanau, § 63 Rn. 7 m.w.Nachw.; MünchArb/Richardi, § 46 Rn. 18; Staudinger/Sack (2003) § 138 Rn. 390 ff. Für Zielvereinbarungen ähnlich Köppen, DB 2002, 374, 376; Schoof, AiB 2003, 591 f.; Trittin, NZA 2001, 1003, 1007. Für Gewinnbeteiligungen Ricken, NZA 1999, 236, 239 f. 226 Im Rahmen der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung hat das BAG (GS) festgestellt, daß die Berücksichtung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Betriebsrisikos unabdingbar sei, Urt. v. 27. 9. 1994, AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. Die Grundsätze über die Haftungsmilderung für Arbeitnehmer seien daher einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, vgl. unten Erster Teil, II. 2. c) (2) (b) cc) a), S. 67 f., sowie Krause, NZA 2003, 577, 585 m.w.Nachw.; Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 626. A. A. ErfK/Preis, § 619a BGB Rn. 11; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 195. 227 Für Gewinnbeteiligungen ebenso Ricken, NZA 1999, 236, 240 „fundamentaler Gegensatz zum eigentlichen Schutzzweck des Arbeitsrechts“. Im Ergebnis wohl auch Schiek, BB 1997, 310, 312. Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheitskontrolle auch Rieble, NZA 2000, Beilage 3, 34, 44: Die richtige Antwort liege in einer Begrenzung des erfolgsabhängigen Anteils, also in einem qua Klauselkontrolle garantierten Fixum. 228 Vgl. dazu bereits Preis, Grundfragen, S. 330 f. Niemann, Mischlohn, S. 17 ff., 45 ff., der über die Interessenabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 2 BGB zu ähnlichen Ergebnissen kommt, vgl. S. 96 ff.; Reichold, RdA 2002, 321, 331 f. 229 ARS 11, 312 ff. Eine solche Klausel könne auch konkludent vereinbart sein RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607 f. 230 ARS 7, 524, 529. 231 AP Nr. 13 zu § 611 BGB Akkordlohn. 232 Dem BAG folgen u. a.: Gaul, in: Dietz/Gaul/Hilger, Akkord und Prämie, B III Rn. 37. (Verlust des Leistungslohns); MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 72 (Lohnabschläge). Weiter gehend aber wohl Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II H 20 Rn. 34. 233 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 43 II. 1. a); Schwab, AR-Blattei SD 40 Akkordarbeit, Rn. 47 f. Vgl. auch Schwab, Arbeit im Leistungslohn, S. 40.

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mag u. a. 234 der Grund dafür sein, daß die Rechtsprechung über die Frage, ob durch ein Akkordlohnsystem der Arbeitnehmer der Gefahr eines völligen Lohnausfalls ausgesetzt werden kann, – soweit ersichtlich – nicht zu entscheiden hatte. 235

(b) Erfolgsabhängigkeit von Teilen der Vergütung Die Rigorosität, mit welcher der Erfolgsabhängigkeit der gesamten Vergütung im Arbeitsvertrag entgegenzutreten ist, wäre hinsichtlich der Erfolgsabhängigkeit von Teilen der Vergütung fehl am Platze. Bei der Betrachtung der teilweisen Erfolgsabhängigkeit ist zwischen den Fällen, in denen der Tätigkeitsschuldner aufgrund zweier getrennter Vertragsverhältnisse für den Gläubiger tätig ist (sog. Doppelstatus236), und den Fällen zu unterscheiden, in denen eine partielle Erfolgsabhängigkeit der Vergütung in den Arbeitsvertrag aufgenommen wird. Ein sog. Doppelstatus ist möglich, weil eine Person als Arbeitnehmer und als selbständiger Werkunternehmer tätig sein kann; dies gilt nicht nur für den Fall, daß er sich gegenüber zwei unterschiedlichen Tätigkeitsgläubigern verpfl ichtet. Er kann sich auch gegenüber ein und demselben Tätigkeitsgläubiger als Arbeitnehmer und Selbständiger verpfl ichten. Von diesem Grundsatz geht auch das BAG aus. Erforderlich sei allerdings, daß sich die jeweiligen Teiltätigkeiten des Schuldners im Hinblick auf die Arbeitsorganisation voneinander abgrenzen lassen. 237 Der Rechtsprechung ist im Grundsatz zuzustimmen. Für die Grenzziehung ist aber angesichts der offensichtlichen Gefahr der Umgehung zwingenden Arbeits- und Sozialversicherungsrechts238 das entscheidende Element der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers stärker zu berücksichtigen. Allein die „arbeitsorganisatorische“ Trennung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche sichert die grundsätzliche Weisungsfreiheit in dem Bereich, in dem der Schuldner als Werkunternehmer tätig wird, nicht. Das von Weisungsbindung geprägte Verhältnis zwischen der Person des Arbeitgebers bzw. zwischen einem Vorgesetzten und dem Tätigkeitsschuldner wird sich im Zweifel auch in dem Tätigkeitsbereich durchsetzen, in dem der Schuldner weisungsfrei bleiben soll. 239 Dies wird nur im Ausnahmefall anders zu beurteilen sein, etwa wenn sich die Tätigkeiten inhaltlich unterscheiden und sie zudem räumlich sowie personell in einem anderen Arbeitsumfeld erbracht werden.

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Schon 1927 wird für die Kargheit der Rechtsprechung zu den Fällen fehlerhafter Akkordarbeit als Grund ausgeführt, daß derartige Fragen „von der segensreichen Arbeit der Akkordkommissionen und Werkstattkommissionen“ entschieden würden, vgl. A.Schneider, in: Kaskel, Der Akkordlohn, S. 179, 187. 235 Für zulässig hielte eine solche Klausel aber offenbar Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 189, für den Fall der vom Arbeitnehmer verschuldeten Unbrauchbarkeit der Leistung. 236 Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 10. 237 BAG (Urt. v. 22. 2. 1995–5 AZR 234/04), n.v., und BAG (Urt. v. 22. 2. 1995) AfP 1995, 693 – beide Fälle betreffen Fernsehredakteure. Zurückhaltender BAG (Urt. v. 25. 10. 1967) AP Nr. 3 zu § 92 HGB betr. Tätigkeit als Kontoristin und Versicherungsvermittlerin. Ähnlich Rumpenhorst, NZA 1993, 1067, 1068 f. 238 Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 10; Rumpenhorst, NZA 1993, 1067, 1068 f. 239 Dieses Problem klingt an in BAG (Urt. v. 25. 10. 1967) AP Nr. 3 zu § 92 HGB.

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Von den Fällen des Doppelstatus sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine teilweise Erfolgsabhängigkeit in den Arbeitsvertrag integriert wird. In diesen Fällen wollen die Parteien an der Gesamtqualifikation ihres Rechtsverhältnisses als Arbeitsvertrag nichts ändern; die Gefahr der Umgehung sämtlicher arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften besteht also nicht. Es droht allein eine Störung des arbeitsvertraglichen Synallagmas. Danach ist es der Arbeitgeber, der das Risiko des Erfolgs der Tätigkeit übernimmt und dafür weitgehende Weisungsrechte erhält. Die Frage ist nun, wie weit sich dieses Synallagma vertraglich zu Lasten des Arbeitnehmers verschieben läßt. Die Grenze, die hier zu markieren ist, wird durch zwei Faktoren maßgeblich beeinflußt: Erstens ist zu prüfen, ob sich der Rechtsformzwang, der u. a. dem Arbeitgeber grundsätzlich das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit aufbürdet, auf die Gesamtvergütung oder nur auf einen Anteil erstreckt (unter (aa)). Zweitens ist die Höhe des Risikos an sich sowie die Frage entscheidend, wer die den Eintritt des Risikos maßgebenden Faktoren steuert (unter (bb)). Zu beidem ist Stellung zu nehmen: (aa) Maßgeblichkeit des Gesamtlohns Der Arbeitnehmer strebt durch den Abschluß des Arbeitsvertrages eine Befreiung von dem unternehmerischen Risiko an, welches ihn als selbständigen Anbieter auf dem (potentiellen) Markt der von ihm zu erbringenden Dienste träfe. Es geht ihm also um eine wirtschaftliche Absicherung. Dieses Interesse bemißt sich aber nicht für alle Fälle gleich, etwa im Sinne einer Sicherung des Existenzminimums (z. B. Pfändungsfreigrenze, Sozialhilferegelsatz). 240 Vielmehr geht es in jedem Einzelfall um die Verlagerung des unternehmerischen Risikos in bezug auf die konkret zu erbringenden Dienste. Der Arbeitnehmer „verkauft“ die jeweiligen Dienste. Der erfolgsunabhängige Vergütungsanteil ist daher eine Größe, die in Relation zum „Verkaufspreis“ dieser Dienste zu ermitteln ist. Entscheidend ist die Höhe der Relation. An dieser Stelle kann nicht ohne weiteres auf die Literatur und Rechtsprechung zum richterlichen Mindestlohn nach Prüfung gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB verwiesen werden. 241 Bei dieser Rechtsprechung geht es um die Feststellung eines (besonders groben) bzw. auffälligen Mißverhältnisses zwischen Diensten und Vergütung. Betroffen ist also die Relation von Leistung und Gegenleistung, während bei der Frage der Erfolgsabhängigkeit die Relation von erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen Anteilen innerhalb der Vergütung zu prüfen ist. Man kann daher nicht sagen, daß ein erfolgsunabhängiger 240

In diese Richtung aber Lieb, ZVersWiss 1976, 207, 225. Dahin gehend aber Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 47 ff. Soweit die Autoren auf die Ausführungen Hanaus (MünchArb § 63 Rn. 6) verweisen, ist dies mißverständlich, da sich Hanau a.a.O. nicht auf die Erfolgsabhängigkeit von Lohnbestandteilen bezieht; vgl. dazu a.a.O. Rn. 7. 241

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Vergütungsanteil in Höhe des Mindestlohnes stets ausreichend sei. Dies scheint zunächst nahezuliegen: Wenn es zulässig ist, für bestimmte Dienste einen bestimmten Mindestlohn zu vereinbaren, müßte es erst recht zulässig ein, für diese Dienste den Mindestlohn plus erfolgsabhängiger Vergütungsanteile zu verabreden. Es geht jedoch nicht um die Aufstockung von „Mindestpreisen“ für Arbeitsleistungen. Es geht um die Grenzen des Rechtsformzwanges, also um die Grenzen zwingenden Arbeitsrechts, die nicht mit dem Topos der Sittenwidrigkeit vermengt werden dürfen. Wenn im Rahmen der Vertragsverhandlungen der Arbeitgeber ein Angebot über eine Lohnzahlung von einem Fixgehalt plus erfolgsabhängigem Vergütungsbestandteil macht, wird er mit einer prognostizierten Lohnsumme von X, die er wahrscheinlich an den Arbeitnehmer wird auszahlen müssen, rechnen. M.a.W. ist es dem Bewerber gelungen, für die von ihm angebotene Arbeitsleistung einen Preis von X zu erzielen. 242 Der Bewerber ist regelmäßig nicht in der wirtschaftlich ungünstigen Position von Anbietern, für deren Arbeitsleistung keine genügende Nachfrage besteht und die sich daher mit Mindestlöhnen zufriedengeben müssen. Das Arbeitsverhältnis, für das der Arbeitnehmer einen Marktpreis i.H.v. X erwirtschaften kann, unterfällt grundsätzlich in toto zwingendem Arbeitsrecht. Der zwingende Charakter des Arbeitrechts ist unabhängig von der Höhe des Lohns, er läßt sich daher nicht auf den „Mindestlohnanteil“ beschränken. Die Frage, welcher Anteil von X erfolgsabhängig gestaltet werden kann, ist eine Frage des Rechtsformzwanges, keine Frage des Wuchers oder wucherähnlicher Sittenwidrigkeit. Der Rechtsformzwang ergreift auch hier das gesamte Arbeitsverhältnis, nicht nur den „Mindestlohnanteil“. Damit soll nicht gesagt sein, daß der erfolgsunabhängige Vergütungsanteil in jedem Fall über dem Mindestlohn liegen muß. Es geht nur darum, beide Problemkreise strikt zu trennen. Abzulehnen ist demnach eine Orientierung an festen Mindestgrößen und eine Orientierung an Mindestlöhnen. Maßgeblich ist das Verhältnis der Höhe des Gesamtlohns, von der der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgehen mußte, zur Höhe des erfolgsunabhängigen Anteils. Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, daß sich die Höhe des vom Arbeitgeber prognostizierten Gesamtlohns u. U. nur schwer ermitteln läßt. Praktikabler erscheint es, auf die Höhe des (erfolgsunabhängig gezahlten) Marktlohnes für die jeweilige Tätigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, 243 wobei allerdings die besonderen Umstände (z. B. besondere Qualifikation, mangelnde Berufserfahrung) des Einzelfalls zu berücksichtigen wären. Die konkret zulässige Relation des Marktgesamtlohns zum erfolgsunabhängigen 242 Dieser Aspekt wird auch übersehen, wenn erfolgsabhängige Vergütungssysteme für „unproblematisch“ gehalten werden, insoweit der erfolgsabhängige Vergütungsanteil nur „on top“ gezahlt werde, z. B. Schoof, AiB 2003, 591, 592. 243 Ähnlich Loritz, AuA 1997, 224, 227.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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Vergütungsanteil ist nun weiter davon abhängig, welche „Gegenleistung“ der Arbeitgeber dafür erbringt, daß der Arbeitnehmer das Erfolgsrisiko übernimmt. (bb) Höhe und Steuerung des Erfolgsrisikos In der Literatur wird die Zulässigkeit erfolgsabhängiger Vergütungsanteile – soweit ersichtlich – einstimmig von dem Maß abhängig gemacht, in welchem der Arbeitnehmer Einfluß auf den Eintritt des Erfolgs hat. 244 Es soll verhindert werden, daß der Erfolgseintritt maßgeblich vom Arbeitgeber oder anderen, für den Arbeitnehmer nicht steuerbaren Faktoren abhängt, so daß selbst besondere Anstrengungen des Arbeitnehmers ins Leere gehen könnten. Im Kern ist dieser Argumentation zuzustimmen. Entscheidend ist jedoch, daß der Arbeitgeber durch die Übertragung des Erfolgsrisikos ein Mittel zur Sicherung seiner Interessen gewählt hat, das dem Werkvertragsrecht entstammt. Daher muß er dem Arbeitnehmer insoweit auch die Position eines Werkunternehmers einräumen. Das bedeutet, daß der Arbeitnehmer – in diesem Rahmen – wie ein Werkunternehmer weisungsfrei sein muß, um die von ihm zu tragenden unternehmerischen Risiken und Chancen steuern zu können. Der Arbeitgeber muß insoweit auf sein Weisungsrecht verzichten. Es genügt nicht, daß der Arbeitgeber nur faktisch auf die Ausübung des Weisungsrechts verzichtet. Ist er weiterhin befugt, im kritischen Fall sein Weisungsrecht zu reaktivieren und damit die Erfolgsanstrengungen des Arbeitnehmers zunichte zu machen, ist der Arbeitnehmer eben nicht in einer einem Werkunternehmer vergleichbaren Lage. Dabei ist zu beachten, daß bei einer weitgehenden Eingliederung des Arbeitnehmers in die Organisationsstruktur des Arbeitgebers auch rein faktische Veränderungen wie Weisungen wirken können. Besonders problematisch ist in dieser Hinsicht die Gruppenarbeit. Wird der Erfolg von einer Arbeitsgruppe geschuldet, kann der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt nur sehr begrenzt steuern. 245

Der Verzicht auf die Weisungsunterworfenheit muß indessen nicht, auch nicht für den jeweiligen Tätigkeitsbereich, „vollkommen“ sein. Zum einen lassen sich die Tätigkeitsbereiche ohnehin nicht exakt in einen erfolgsgebundenen und einen nicht erfolgsgebundenen aufteilen, dafür sei nur das Beispiel der Leistungsprämie genannt. 246 244 Staudinger/Sack (2003) § 138 Rn. 392; Rieble/Gutzeit, JbArbR 37 (2000), 41, 49; Rieble, NZA 2000, Beilage 3, 34, 43; Lindemann, Flexible Gestaltung, S. 323, 331 ff., 205 f. Soweit MünchArb/Hanau, § 63 Rn. 7, und die von ihm zitierte Rechtsprechung auf hinreichende Verdienstchancen bzw. reale Verdienstmöglichkeiten abstellen, geht dies in ähnlich Richtung, doch beziehen sich die Ausführungen auf § 65 HGB. Den Zusammenhang stellt auch Köppen, DB 2002, 374, 377 ff. her. 245 So wird darauf hingewiesen, daß die einer Arbeitsgruppe „innewohnende gegenseitige Kontrollierung dem Arbeitgeber weitgehend den Einsatz von Aufsichtspersonen ersetzt“, Hoffmann, Die Gruppenakkordarbeit, S. 7; ähnlich Wüst, Probleme des Gruppenakkords, S. 7, und bereits Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 500, 510. 246 Ebenso Berwanger, BB 2003, 1499, 1500.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

a) Verpfl ichtung zur Erfolgserreichung? Zum anderen fällt ins Gewicht, daß der Arbeitnehmer zwar ein teilweises Erfolgsrisiko übernimmt, er aber – in aller Regel – kein Erfolgsversprechen abgibt. Ob und inwieweit ein Erfolgsversprechen vorliegt, kann freilich nur im Einzelfall durch (normative) Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ermittelt werden. Zu prüfen ist, ob der Arbeitnehmer sich aus Sicht eines objektiven Beobachters verpfl ichtet, den Erfolg zu erreichen. 247 Wie oben ausgeführt wurde, 248 muß der Tätigkeitsschuldner wählen: Entweder er verpflichtet sich, einen Erfolg zu erreichen, oder er unterwirft sich der Leistungssteuerung durch den Gläubiger. Der Arbeitnehmer, der ohnehin schon einem weitgehenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, hat regelmäßig kein Interesse daran, zusätzlich ein (teilweises) Erfolgsversprechen abzugeben. Eine Verpflichtung zur Erfolgserreichung kann daher der Vereinbarung nur entnommen werden, wenn eine ausdrückliche Regelung in diesem Sinne getroffen wurde oder im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die eine Verpflichtung nahelegen. In Betracht kommen z. B. eine besonders hohe erfolgsabhängige Vergütung, ein aus Sicht des Arbeitnehmers sehr geringes Erfolgsrisiko, eine weitgehende Weisungsfreiheit für die Tätigkeit, mit der der Erfolg herbeiführt werden kann. Für das in jüngerer Zeit gerne eingesetzte Instrument der Zielvereinbarung 249 gilt nichts anderes. In der Literatur wird teilweise angenommen, die Zielvereinbarung begründe eine unvollkommene Verbindlichkeit, für deren Charakter prägend sei, daß die Erfüllung gefordert, aber aufgrund der getroffenen Abrede nicht erzwungen werden könne. 250 Dem ist zu widersprechen. Erstens erlaubt die Vielgestaltigkeit der Zielvereinbarungssysteme derartige Pauschalierungen nicht. Ob eine Verpflichtung eingegangen wurde oder nicht, kann allein durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung im Einzelfall ermittelt werden. Zweitens muß der Erklärung des Arbeitnehmers ein entsprechender Verpfl ichtungswille zu entnehmen sein. Es müssen also der Wortlaut des Vertrages oder die Interessen des Arbeitnehmers eine solche Verpfl ichtung nahelegen. Es ist der Arbeitgeber, der darlegen und beweisen müßte, daß er bei Vertragsschluß sein Interesse am Entstehen einer (nicht klag- und vollstreckbaren? 251) Verpfl ichtung durchsetzen konnte. In der Literatur wird weiter darauf hingewiesen, daß eine Zielvereinbarung auch einseitig vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts installiert werden kann (Zielvorgabe). Dies ist zutreffend; es handelt sich dann um eine bestimmte Art der Ausübung dieses Rechts, mit welchem der Arbeitgeber die Leistungspflicht des Arbeitnehmers konkretisiert. 252 Zumindest mißverständlich ist es aber, wenn daraus gefolgert 247 Bereits Hachenburg, Dienstvertrag und Werkvertrag, 1898, S. 42: „Nicht auf welches wirtschaftliche Resultat der Wille des Berechtigten gerichtet ist, gibt den Ausschlag [für die Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag, Anm. d. Verf.], sondern zu was sich der Verpfl ichtete verpfl ichten will.“ (Hervorhebung im Original). 248 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2), S. 19 ff. 249 Literaturnachweise oben Fn. 195. 250 Berwanger, BB 2003, 1499, 1500 f. 251 So Berwanger, BB 2003, 1499, 1500 f. 252 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (1), S. 123 ff.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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wird, die Zielvereinbarung sei für den Arbeitnehmer verbindlich. 253 Die Zielvereinbarung ist in diesem Fall nichts anderes als eine Weisung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer schuldet eine Tätigkeit, die sich an dieser Weisung ausrichtet; er schuldet aber nicht den mit dieser Tätigkeit vom Arbeitgeber angestrebten Erfolg. Auch eine in dieser Weise begründete Zielvereinbarung verpfl ichtet den Arbeitnehmer nur, den Weg in Richtung auf das Ziel einzuschlagen. Die Erreichung des Ziels schuldet er nicht.

Der Arbeitnehmer ist also in aller Regel nicht wie ein Werkunternehmer verpflichtet, den Erfolg zu erreichen. Wird beispielsweise einem Verkäufer neben dem Grundgehalt eine Verkaufsprovision 254 gezahlt, verspricht der Verkäufer zwar eine ordnungsgemäße Verkaufstätigkeit. Er verpflichtet sich jedoch nicht, eine bestimmte Anzahl von Verkaufsgesprächen zu einem erfolgreichen Abschluß zu führen. Der Arbeitnehmer geht gar keine Verbindlichkeit ein, die über seine dienstvertragliche Tätigkeitspflicht hinausginge; 255 der Arbeitgeber hingegen verpflichtet sich unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) 256 des Erfolgseintritts zur Zahlung. 257 Betrachtet man also isoliert die Erfolgsvereinbarung ohne Rücksicht auf den daneben bestehenden Dienstvertrag, liegt ein einseitig verpflichtender Vertrag vor, der unter der aufschiebenden Bedingung der Erbringung einer bestimmten Gegenleistung steht. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag liegt eine wechselseitige Verpfl ichtung von Gläubiger und Schuldner vor, nur ist ein Teil der Leistung des Tätigkeitsgläubigers zusätzlich an eine Bedingung gekoppelt. 258 Auch der erfolgsabhängige Vergütungsanteil wird um der Tätigkeit willen gezahlt, die auf die 253

Köppen, DB 2002, 374, 375. Zu den unterschiedlichen Modellen Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, 4.3. 255 Gegenüber einer erfolgsunabhängigen Gesamtvergütung kann die Tätigkeitsverpfl ichtung durch eine teilweise erfolgsabhängige Vergütung gesteigert sein, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, daß der Arbeitnehmer zur Erreichung des Erfolges einen besonders hohen Arbeitseinsatz zeigen wird. Ob sich dies aus dem Vertrag ergibt, kann nur im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden. Zu weit gehend daher Knevels, DB 1970, 1388 ff. 256 So bereits Kress, Allgemeines Schuldrecht, 1929, S. 198 m.Fn. 42. Es handelt sich um eine Form der Potestativbedingung; der Eintritt ist vom Wollen einer Vertragspartei und von weiteren Umständen abhängig, vgl. Staudinger/Bork (2003) Vor §§ 158–163 Rn. 16. 257 Um eine im Gegenseitigkeitsverhältnis des Arbeitsvertrages stehende, aufschiebend bedingte Verpfl ichtung zur Zahlung von Arbeitsentgelt handelt es sich auch in den Fällen der Gewinnbeteiligungen (ähnlich ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 617; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 117). A. A. ist Ricken, NZA 1999, 236, 239 ff. (bzgl. lohnergänzender Gewinnbeteiligungen), mit dem Argument, daß die Tätigkeit in diesem Fall den Erfolg (Unternehmensgewinn) nicht oder so gut wie nicht beeinflusse. Dies ist richtig, jedoch unschädlich. Die Gewinnbeteiligung wird nicht „unabhängig von der konkreten Arbeitsverpfl ichtung“ (ebenda, S. 241) gezahlt, sondern als Gegenleistung für die Tätigkeit. Daß ein Teil der Gegenleistung unter einer aufschiebende Bedingung gestellt wird, ändert an diesem Zusammenhang nichts. Dahin gehend auch BAG (Urt. v. 8. 2. 1962) AP Nr. 1 zu § 611 BGB Erfi nder (betr. „Lizenzgebühr“ für noch zu machende Erfi ndung). Aus der von Ricken zitierten Entscheidung des BAG (Urt. v. 12. 12. 1956, AP Nr. 1 zu § 74 HGB) ergibt sich m. E. nichts anderes; auch nicht aus BAG (Urt. v. 8. 9. 1998) AP Nr. 214 zu § 611 Gratifikation. 258 So auch Kress, Allgemeines Schuldrecht, 1929, S. 198. 254

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Erfolgsherbeiführung ausgerichtet ist. Sie wird nicht nur für den Erfolg selbst geleistet. 259 Leistung und Gegenleistung stehen in einem synallagmatischen Verhältnis, nur hängt ein Teil der Vergütungspflicht von einem Bedingungseintritt ab. Den Bedingungseintritt schuldet der Arbeitnehmer nicht. Er muß nicht befürchten, daß der Arbeitgeber eine Erfüllungsklage erhebt. Auch eine Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung scheidet aus. Gelingt es dem Arbeitnehmer nicht, ein bestimmtes Werk termingerecht zu vollenden, liegt darin keine Pflichtverletzung. Der Arbeitnehmer trägt nur das Risiko, die bedingt versprochene Vergütung nicht zu erhalten; sein unternehmerisches Risiko ist also im Verhältnis zum Risiko eines Werkunternehmers gemindert. b) Begrenzung der Lohngefahr. Sein unternehmerisches Risiko könnte allerdings im Verhältnis zum Risiko eines Werkunternehmers erhöht sein, wenn die Regelungen, die das Erfolgsrisiko zugunsten des Werkunternehmers begrenzen, auf den partiell erfolgsabhängigen Arbeitsvertrag keine Anwendung fänden. Maßgeblich könnte insofern § 645 BGB sein, der die Vergütungsgefahr im Werkvertragsrecht für den Fall regelt, daß das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des vom Bestellers gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat. In diesem Fall kann der Unternehmer insbesondere einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Es besteht Einigkeit darüber, daß die Vorschrift (zumindest) weit auszulegen ist. 260 Nach zutreffender Ansicht ist § 645 BGB jedoch nur eine Ausprägung des allgemeinen, auch und gerade im Dienstvertragsrecht geltenden Grundsatzes, nach dem bei „Versagen der vom Gläubiger gestellten Leistungssubstrate“261 der Gläubiger das Lohnrisiko trägt. 262 Daneben greifen die allgemeinen Vorschriften der §§ 326 Abs. 2, 162 Abs. 1 BGB. Wollte man sich dem genannten Grundsatz über die Vergütungsgefahr nicht anschließen, wäre über die (analoge) Anwendung des § 645 BGB für die Tätigkeit, mit der der erfolgsabhängige Vergütungsanteil erwirtschaftet werden soll, zu entscheiden. Wenn der Arbeitnehmer – sei es auch in abgemilderter Form – in die Position eines Werkunternehmers versetzt wird, ist ihm auch der Schutz zuzugestehen, den das Gesetz für Werkunternehmer vorsieht. Da der Arbeitnehmer in der Regel die volle Arbeit geleistet hat, die zur Erreichung des Erfolgs notwendig war, wäre ihm der erfolgsabhängige Vergütungsanteil zumeist in voller Höhe auszuzahlen.

259 Zu einem anderen Ergebnis kommt Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts, S. 39 f. Dazu unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (3), S. 80 ff. 260 Staudinger/Peters (2003) § 645 Rn. 4, 29 ff. m.w.Nachw.; MünchKomm/Busche § 645 Rn. 2, 14 ff. 261 Oertmann, AcP 116 (1918), 1, 35, der allerdings a.a.O. die Gegenansicht vertritt. 262 Vgl. unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c), S. 70 ff.

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Nicht ausreichend ist es demgegenüber, den Arbeitnehmer lediglich auf den Schutz durch § 162 Abs. 1 BGB zu verweisen. 263 Nach dieser Norm gilt die Bedingung, also der Erfolg, als eingetreten, wenn der Gläubiger ihren Eintritt wider Treu und Glauben verhindert hat. Notwendig ist indes lediglich, daß Umstände aus der Sphäre des Arbeitgebers den Eintritt des Erfolges verhinderten; eine Treuwidrigkeit der Verhinderung ist nicht zu fordern.

g) Vergeblicher Aufwand eigener Arbeitskraft. Die dogmatischen Unterschiede zum Werkvertrag dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch hier Erfolg und Vergütung miteinander stehen und fallen. 264 Der Arbeitnehmer trägt also einmal das Risiko, daß der Erfolg – aus welchen Gründen auch immer – nicht eintritt. Zudem kann der Arbeitnehmer den Erfolg nur durch Tätigkeit erreichen, d. h. er trägt im Grundsatz das Risiko, daß er seine Arbeitskraft vergeblich aufwendet. Dagegen läßt sich nur zum Teil einwenden, daß der Arbeitnehmer ohnehin zur Tätigkeit verpflichtet sei. Dieses Argument überzeugt nur, wenn der Arbeitnehmer den Erfolg schon durch die ordnungsgemäße Erfüllung265 seiner ihn gem. § 611 Abs. 1 BGB treffenden Leistungspfl icht erreichen kann. Es ist in der Tat möglich, daß ein erfolgsabhängiges Vergütungssystem lediglich mit dem Zweck installiert wird, die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitspflicht abzusichern, z. B. in Fällen, in denen der Arbeitgeber die Tätigkeit nicht überwachen und steuern kann. 266 Überwiegend werden erfolgsabhängige Vergütungssysteme jedoch eingeführt, um den Arbeitnehmer zu einer mehr als nur ordnungsgemäßen Erfüllung zu motivieren. Der Arbeitnehmer trägt dann das Risiko, daß er diese Mehrleistung ohne Gegenleistung erbringt. d) Ergebnis zu (bb). Insgesamt betrachtet trägt der Arbeitnehmer im Falle einer erfolgsabhängigen Vergütung – solange nicht ausnahmsweise eine Verpflichtung zur Erfolgserreichung besteht – „nur“ das Lohnrisiko, d. h. das Risiko des vergeblichen Aufwands eigener Arbeitskraft. Die Höhe dieses Risikos hängt für ihn maßgeblich von folgenden Faktoren ab: Einmal kommt es auf das Maß an zusätzlicher Arbeitskraft an, welches der Arbeitnehmer im Falle des Nichteintritts des Erfolgs umsonst aufgewendet hat. Für den Arbeitsvertrag als zeitbezogenen Dienstvertrag ist dabei vorrangig der zeitliche Mehraufwand zu berücksichtigen, der zur Erfolgsherbeiführung erforderlich ist. 263 So aber Rieble/Gutzeit, JArbR 37 (2000), 41, 53 ff. Anders Niemann, Mischlohn, S. 15 f. 264 Dies betont zutreffend Berwanger, BB 2003, 1499, 1500. 265 Zum Maßstab unten Erster Teil, § 3 II, S. 95 ff. 266 Diese Funktion wird z. B. für die Provisionsentlohnung von im Außendienst Beschäftigten genannt, Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, 4.3. Auf sie verweist allgemein schon Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 817.

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Zum zweiten hängt das Risiko ganz allgemein von der Wahrscheinlichkeit ab, mit der die Tätigkeit den Erfolg herbeiführen wird. Der Grad an Wahrscheinlichkeit wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Diese Faktoren können der Steuerung durch den Arbeitnehmer unterliegen; sie können aber auch seiner Steuerung entzogen sein. Je mehr die Faktoren seiner Steuerung unterliegen, je mehr die Höhe des Risikos also in seiner Hand liegt, desto eher läßt sich die Verschiebung des Erfolgsrisikos hinnehmen. Eine Steuerung durch den Arbeitnehmer ist freilich nur möglich, wenn der Arbeitgeber auf sein Steuerungsrecht insoweit verzichtet. Für den Arbeitgeber liegt der Preis für die Befreiung vom Erfolgsrisiko also im partiellen Verzicht auf das Recht zur Leistungssteuerung. (cc) Grenzen der Erfolgsabhängigkeit Anhand der oben dargelegten Grundsätze sollen im folgenden Grenzen für die Integration erfolgsabhängiger Vergütungssysteme in den Arbeitsvertrag aufgezeigt werden. Es handelt sich um Grenzen, welche der arbeitsrechtliche Rechtsformzwang gem. §§ 134, 138 Abs. 1 BGB267 zieht, der im Falle persönlicher Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also weitgehender Weisungsabhängigkeit, den Vertrag zwingend als Arbeitsvertrag qualifiziert, also als einen Vertragstyp, dem die Übertragung des Wirtschafts- und Erfolgsrisikos auf den Arbeitnehmer grundsätzlich fremd ist. Dabei wird nicht verkannt, daß die Festsetzung der exakten Grenzen dem Gesetzgeber obliegt. Die folgenden Vorschläge sind daher rechtspolitischer Art. Handelt der Gesetzgeber nicht, werden allerdings die Grenzen von der Rechtsprechung zu ziehen sein. Diese wird sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, den von ihr „gegriffenen Größen“268 hafte wie bei in allen von „Gerichten vorgenommenen ziffernmäßigen Begrenzungen von Beträgen, Fristen und Prozentzahlen ein gewisses Maß an Willkür“269 an. Dieser Vorwurf trifft auch die folgenden Vorschläge; ohne sie läßt sich aber eben „nicht darüber streiten, ob die Verhältniszahl hätte niedriger oder höher ausfallen sollen“270. a) Keine Steuerung durch den Arbeitnehmer. Vermag der Arbeitnehmer den Eintritt des Erfolgs nicht oder so gut wie nicht zu steuern (z. B. Kopplung der

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Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (a), S. 56. Nach Wannagat, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung, 1972, 153, 163, der „gegriffene“ Größen im Sinne von „Faustregeln“ im Ergebnis für zulässig hält. Ähnlich Hilger, FS Karl Larenz I, S. 109, 120 ff. m.w.Nachw. 269 Larenz, Methodenlehre, Kapitel 5 5. S. 435, der zwar für die praktische Notwendigkeit Verständnis aufbringt, im übrigen aber strenge Voraussetzungen an eine „Ersatzgesetzgebung“ durch die Gerichte stellt. Weniger eng Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV, Kapitel 32, IV. 3. b) (S. 334). 270 Wannagat, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung, 1972, 153, 163. 268

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Vergütung an den Unternehmensgewinn), 271 kann ihm das Risiko dieses Erfolgseintritts nur in sehr beschränktem Maße übertragen werden. Dieser Fall stellt aus Sicht des Arbeitnehmers die ungünstigste Variante dar. Die Vergütung ist an ein für ihn abstraktes, nahezu unbeeinflußbares Ergebnis gekoppelt. Gerade im Unternehmensgewinn spiegelt sich zudem das vom Arbeitgeber zu tragende unternehmerische Risiko (und seine Chance) schlechthin wider. Für diese Variante wird in der aktuellen Literatur eine Höhe von 10% des Regellohns für zulässig gehalten. 272 Die ältere Literatur zog noch engere Grenzen; so meinte von Gierke, es sei, wenn als Vergütung nur ein Gewinnanteil zugesagt wäre, die Vereinbarung dahin auszulegen, daß unabhängig vom Geschäftsergebnis mindestens der normale Arbeitslohn gezahlt werden soll. 273 Für die Gegenwart erscheint indes die Grenze von 10%274 angemessen. 275 Sie schützt den Arbeitnehmer ausreichend und ist andererseits noch so hoch, daß die Einführung eines solchen Vergütungsmodells für Arbeitgeber attraktiv bleibt. Eine Herabsetzung der Grenze ist überlegenswert, wenn der Arbeitgeber die Gewinnbeteiligung wiederum davon abhängig macht, daß der Arbeitnehmer einen speziellen Erfolg (z. B. bestimmter Umsatz in der von ihm geführten Filiale) erreicht und wenn er diesen Erfolg nur durch einen nicht unerheblichen (zeitlichen) Mehraufwand erreichen kann. Die jüngere Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Mankoabreden scheint noch strengere Maßstäbe anzulegen. Auch das Mankogeld ist eine erfolgsabhängige Vergütung; 276 271 Die genannte Beschränkung gilt also nicht für Arbeitnehmer, die mit der Leitung des Unternehmens betraut sind (z. B. GmbH-Geschäftsführer) und daher einen Einfluß auf den Unternehmensgewinn haben, vgl. dazu eingehend Krause, Mitarbeit im Unternehmen, S. 489 ff., 515 ff. 272 Loritz, AuA 1997, 224, 227. Zustimmend Hergenröder, AR-Blattei SD 1855 Zielvereinbarungen, Rn. 60. Einschränkend auch Ricken, NZA 1999, 236, 239 f. 273 von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 616. Kaskel brachte die Problematik schon 1922 auf den Punkt (32. DJT, S. 278 f.): Eine Gewinnbeteiligung dürfe niemals den eigentlichen Lohn ersetzen oder auch nur berücksichtigen. Der Arbeiter müsse wissen, über wieviel er zu verfügen hat, um danach seinen Haushalt einzurichten. Darum dürfe eine Gewinnbeteiligung lediglich als „Lohnergänzung zu dem eigentlichen Lohn hinzutreten und spielt ja übrigens bei den verhältnismäßig sehr kleinen Beträgen, die auch im günstigsten Falle aus der Gewinnbeteiligung zu erwarten sind, eine im Verhältnis zum sonstigen Lohn kaum beachtliche Rolle.“ 274 Der Prozentsatz bezieht sich auf den für die Tätigkeit gezahlten (festen) Marktlohn, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (b) (aa), S. 59 ff. Bei einer Kopplung an den Unternehmensgewinn müßten dem Arbeitnehmer also mindestens 90% des Marktlohns erhalten bleiben, wenn das Unternehmen keinen Gewinn oder Verluste erwirtschaftet hat. 275 Anders Röder/Göpfert, BB 2001, 2002, 2005 bzgl. Aktienoption: Bei „höchster Tarifgruppe“ bis zu 50%, bei „oberer Tarifgruppe“ bis zu 25%, bei „unteren Tarifgruppen“ „deutlich weniger“. Freilich haben Beschäftigte in den „höchsten Tarifgruppen“ oftmals einen deutlichen Einfluß auf den Unternehmensgewinn. Besteht insoweit eine Steuerungsmöglichkeit, kann auch nach hier vertretener Ansicht der erfolgsabhängige Vergütungsanteil höher sein. 276 Ausdrücklich BAG (Urt. v. 2. 12. 1999) AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung: Begrün-

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der Arbeitnehmer erhält das Mankogeld dafür, daß Fehlbestände (z. B. Kassenfehlbestände) nicht auftreten. Damit steht es den üblichen Prämienlohnsystemen nahe. 277 Nach der Rechtsprechung des BAG kann vertraglich vereinbart werden, daß der Arbeitnehmer Fehlbestände zu ersetzen hat, allerdings nur in Höhe der (während eines Jahres gezahlten) Mankogelder. Dies gelte auch, wenn der Arbeitnehmer das Risiko von Fehlbeständen nicht voll beherrsche. 278 Das BAG führt aus, daß eine solche Klausel nur zulässig sei, wenn die Arbeitnehmer „die Chance erhalten, durch Aufmerksamkeit einen Überschuß zu erzielen.“279 Dies scheint anzudeuten, daß die Vereinbarung eines Mankogelds, also einer Erfolgsprämie, in solchen Fällen nicht zulässig wäre, in denen der Arbeitnehmer das Risiko von Fehlbeständen, also das Erfolgsrisiko, nicht oder so gut wie nicht beherrscht. 280 Im Ergebnis würde das bedeuten, daß die Vereinbarung erfolgsabhängiger Vergütungsanteile völlig ausschiede, wenn der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt nicht oder so gut wie nicht steuern könnte. Das ist jedoch zu weitgehend. Auch bei Mankoabreden kommt es für die Zulässigkeit der Verlagerung des Unternehmerrisikos auf die Höhe des risikoabhängigen Anteils am Gesamtlohn des Arbeitnehmers an. 281 Nach dem vorgeschlagenen Modell wäre eine Klausel, nach der 10% des Arbeitslohns vom Ausbleiben eines Mankos abhängen, unabhängig vom Verschulden oder der Beeinflußbarkeit des Mankos durch den Arbeitnehmer, jedenfalls zulässig; anders wäre es lediglich, wenn der Arbeitnehmer Fehlbestände nur durch eine nicht unerhebliche Mehrarbeit vermeiden könnte.

b) Umfassende Steuerung durch den Arbeitnehmer. Kann im anderen Extremfall der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt umfassend steuern (z. B. Akkordlohn, Prämie für Einsparung von Arbeitsmaterial oder Maschinenauslastung), ist es zulässig, ihm das Risiko des Erfolgseintritts in wesentlich größerem Umfang zu übertragen. Das gilt nicht nur in dem – praktisch wenig relevanten – Fall, in dem schon die ordnungsgemäße Erfüllung der Tätigkeitsverpfl ichtung aus § 611 BGB den Erfolg herbeiführen wird. Vielmehr ist eine großzügigere dung einer Erfolgshaftung, „Erfolgsprämie“; vgl. auch bereits LAG Stuttgart (Urt. v. 29. 2. 1968) BB 1968, 505. Anders in der Tendenz Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S. 262 (pauschaler Aufwendungsersatz); Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 151 f., weil es sich nicht um eine Erfolgs-, sondern um eine Risikoprämie handele, die dem Arbeitnehmer nicht zur freien Verfügung stehe, da er mit ihr eventuell spätere Schäden ausgleichen müsse. M. E. geht der Entgeltcharakter jedoch nicht durch das Risiko, das Entgelt unter bestimmten Umständen zurückzahlen zu müssen, verloren. 277 Prämienlohnsysteme berücksichtigen u. a. auch Ersparnisleistungen (z. B. Materialoder Energieverbrauch) oder die sog. „Stoffausbeutequote“, vgl. Breisig, Entgelt nach Leistung und Erfolg, S. 169 ff. 278 BAG (Urt. v. 2. 12. 1999) AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung. Unklar noch BAG (Urt. v. 7. 9. 1998) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung. 279 BAG (Urt. v. 7. 9. 1998) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung. Schwächer aber im Urt. v. 2. 12. 1999, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung. 280 So Krause, Anm. zu BAG (Urt. v. 2. 12. 1999) AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung, unter I. 4., letzter Absatz.; ders., NZA 2003, 577, 585; Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 570 f. So auch die ältere Rechtsprechung und Literatur, vgl. BAG (Urt. v. 22. 11. 1973) AP Nr. 67 zu § 626 BGB; MünchArb/Blomeyer § 59 Rn. 78. 281 Ähnlich Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 350.

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Handhabung auch angezeigt, wenn der Erfolg nur durch „Mehrarbeit“ zu erlangen ist. Unter „umfassender Steuerung“ ist dabei zu verstehen, daß der Eintritt des Erfolgs tatsächlich nur oder so gut wie nur vom Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers abhängt; er also – um einen Terminus aus der jüngeren Literatur zu verwenden – nur noch das Tätigkeitsrisiko282 trägt. Von einer umfassenden Steuerung kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Erfolg von anderen Risiken (z. B. Kaufwilligkeit der Kunden, Kooperationsbereitschaft von Lieferanten) abhängt, die nach der vertraglichen Vereinbarung der Arbeitgeber nicht übernommen hat. Selbst im Falle des Akkordlohns hängt der Erfolg selbstverständlich nicht nur vom Einsatz der Arbeitskraft, sondern von einer Vielzahl von Faktoren ab (z. B. Funktionieren des Fließbandes, Geeignetheit des Arbeitsmaterials). Nach der vertraglichen Vereinbarung trägt das Risiko insoweit jedoch der Arbeitgeber. 283 Von einer umfassenden Risikosteuerung des Arbeitnehmers kann also gesprochen werden, wenn der Erfolgseintritt nur von seiner Tätigkeit sowie von Faktoren abhängt, deren Risiken vom Arbeitgeber getragen werden. Im Schrifttum wird – abgesehen von der Ansicht, nach der die gesamte Vergütung erfolgsabhängig gestaltet werden kann 284 – jedenfalls eine Grenze von 30% für zulässig gehalten. 285 Richtig ist zunächst, daß der „überwiegende Teil des Entgelts“286 erfolgsunabhängig gestaltet sein muß. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Sicherheit, um derentwillen sich der Arbeitnehmer einem umfassenden Weisungsrecht unterwirft, ist dem zuzustimmen. Könnte der Arbeitnehmer weniger als die Hälfte seines Lohns erfolgsunabhängig beanspruchen, verlöre die Vereinbarung ihr arbeitsvertragliches Gepräge. Die vorgeschlagene Grenze von 30% erscheint daher durchaus angemessen. Man mag über diese Grenze hinausgehen, wenn der Erfolg allein schon durch die ordnungsgemäße Erfüllung der Tätigkeitspflicht, also ohne jede Mehrarbeit, herbeigeführt werden kann. g) Teilweise Steuerung durch den Arbeitnehmer. Erfolgsabhängige Vergütungsanteile werden zumeist eingesetzt, weil der Arbeitgeber nicht nur das „Tätigkeitsrisiko“, sondern auch Teile des Betriebs- oder Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer verlagern will, wie etwa das Risiko mangelnder Nachfrage oder das Risiko mangelnder Leistung untergeordneter Arbeitnehmer 282 Vgl. Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 70 ff., der für die Begründung der Arbeitnehmerhaftung das Tätigkeitsrisiko vom Organisationsrisiko trennt. 283 Vgl. unten Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (bb), S. 75 ff. 284 Vgl. die in Fn. 207 Genannten. 285 Bzgl. Zielvereinbarungen Hergenröder, AR-Blattei SD 1855 Zielvereinbarungen, Rn. 57 ff., 76 f.; Berwanger, BB 2003, 1499, 1502. 286 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 264. Wank, RdA 2002, 112, 116, zeigt andererseits auf, daß bei sog. Top-Verkäufern in Einzelfall über 50% der Vergütung leistungsund erfolgsbezogen sein könnten.

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(z. B. Filialleiter, der ab einem bestimmten Mindestumsatz einen Bonus erhält). Für die Bemessung des erfolgsabhängigen Vergütungsanteils ist entscheidend, welche Risiken auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden sollen. Diese Frage kann nur durch eine genaue Analyse der vertraglichen Vereinbarung im Einzelfall beantwortet werden. Soll etwa der beispielhaft zitierte Filialleiter auch das Risiko tragen, daß infolge von Schwierigkeiten bei der Belieferung mit Ware kaufwillige Kunden abgewiesen werden müssen? Soll er das Risiko tragen, daß infolge einer vom Arbeitgeber veranlaßten sog. Schockwerbung die Kundschaft ausbleibt? Trägt er das Risiko, daß infolge von Bauarbeiten die Kundschaft nur unter Mühen in das Geschäft gelangen kann? Je stärker solche Betriebs- und Wirtschaftsrisiken auf den Arbeitnehmer verlagert werden, je weniger also der Erfolg allein durch sein Tun beeinflußt wird, in desto geringerem Maße darf die Vergütung erfolgsabhängig ausgestaltet sein. Zu den Betriebs- und Wirtschaftsrisiken zählen auch Weisungen des Arbeitgebers, die den Erfolg negativ beeinflussen. Im Beispielsfall macht es aus Sicht des Filialleiters keinen Unterschied, ob der Umsatz zurückgeht, weil die neu gelieferte Ware kein Gefallen bei der Kundschaft findet oder weil er und die Verkäufer die Weisung erhalten haben, vorrangig die Kundschaft einer bestimmten, wie sich herausstellt aber kaufunwilligen Altersgruppe anzusprechen. Ermöglicht der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer hingegen, die Betriebs- und Wirtschaftsrisiken zu steuern, etwa indem er vertraglich auf Weisungsrechte verzichtet, und rückt der Arbeitnehmer insoweit in die Position eines Werkunternehmers, kann der erfolgsabhängige Vergütungsanteil höher bemessen werden. Nach dem unter a) und b) Gesagten sollte sich für diese Fallgruppe der erfolgsabhängige Vergütungsanteil innerhalb der Schwankungsbreite von 10% bis 30% bewegen. 287 Neben der Risikoverteilung im Einzelfall kommt es wiederum auf den Umfang der Mehrarbeit an, der für die Erfolgsherbeiführung notwendig ist. (c) Rechtsfolgen bei Nichteintritt des Erfolgs Tritt der Erfolg nicht oder in einer bestimmten Höhe nicht ein, erhält der Arbeitnehmer die erfolgsabhängige Vergütung nicht bzw. nur in der Höhe, bis zu der er den Erfolg bewirkt hat. 288 Zu dieser Fortwirkung des synallagmatischen Zusammenhangs kommt es indes nicht, wenn derjenige, der die Gegenleistung bewirken soll, die Nichtbewirkung des Erfolges selbst zu verantworten hat. Dieser Grundsatz findet sich an einigen Stellen im BGB, z. B. in den §§ 162, 326 287 Im öffentlichen Dienst werden Schwankungsbreiten von 3,5% bis 15%, in Ausnahmefällen 30%, vereinbart, Tondorf, Leistung und Entgelt im öffentlichen Dienst, S. 117 ff. 288 Für den Fall der Krankheit ist § 4 Abs. 1a S. 2 EFZG, der das Entgeltausfallprinzip auf die Leistungsentgelte erweitert, zu beachten. Auch Tantiemen und Prämien werden als Leistungsentgelt i. S. der Norm verstanden, ErfK/Dörner, § 4 EFZG Rn. 34; HWK/Schliemann, § 4 EFZG Rn. 41.

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Abs. 2, 537, 645 BGB. Im Dienstvertragsrecht gilt § 615 BGB, in dessen Satz 3 dem Arbeitgeber nunmehr die Vergütungsgefahr in den Fällen zugewiesen wird, in denen er „das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.“ Teilweise erfolgsabhängige Vergütungen stellen eine Schnittstelle zwischen Werk- und Dienstvertragsrecht dar. Zunächst kommen daher sämtliche dieser Regelungen – in direkter oder indirekter Anwendung – für eine Übertragung der Vergütungsgefahr auf den Arbeitgeber in Betracht. Dabei ist nicht zu verkennen, daß aufgrund der Vielfalt an erfolgsabhängigen Vergütungssystemen, die jeweils eine ganz unterschiedliche Nähe zum Dienst- oder Werkvertrag herstellen, die Entscheidung über die (analoge) Anwendung der einen oder anderen Vorschrift nur im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung erfolgen kann. 289 Dabei ist wiederum zu beachten, daß die Normen sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen haben. Beispielsweise gewähren insbesondere die §§ 326 Abs. 2, 615 BGB dem Arbeitnehmer die gesamte Vergütung abzüglich dessen, was er erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat. Demgegenüber erhält der Arbeitnehmer gem. § 645 Abs. 1 S. 1 BGB nur eine Vergütung der tatsächlich geleisteten Arbeit und seiner Auslagen. Für die zukünftige Rechtsentwicklung erscheint eine solche Diskussion über die (analoge) Anwendung der einzelnen Normen auf einzelne Vergütungssysteme wenig gewinnbringend; vor allem ist sie nach dem derzeitigen Stand der Literatur nicht mehr angezeigt. (aa) § 615 BGB als zentrale Gefahrtragungsregelung des Dienstvertragsrechts Im jüngeren Schrifttum wurde überzeugend dargelegt, daß § 615 BGB (also Satz 1 und 2 der heutigen Norm) von den Verfassern des BGB als zentrale Norm für die Regelung der Vergütungsgefahr im Dienstvertragsrecht geschaffen wurde. Die Norm regelt sämtlich die Fälle, in denen die vom Gläubiger einzubringenden Leistungssubstrate versagen, und zwar für den Dienst- wie für den Arbeitsvertrag. Der Gläubiger muß also die Vergütung auch dann zahlen, wenn die Leistung nicht oder nicht vollständig erbracht werden kann, weil ein Umstand, der „auf seiner Seite“ (z. B. eine Anweisung von ihm, das von ihm zu stellende Arbeitsmaterial, sein Betrieb oder seine eigene Person, wenn er selbst Leistungssubstrat ist) steht, die Erbringung der Leistung unmöglich macht. 290 Diese Regelung gilt im gesamten Dienstvertrags- und im Arbeits289

Grundsätzlich auch Picker, FS Kissel, S. 813, 820 f. Ausführlich und mit umfassenden Nachweisen Picker, JZ 1979, 285, 290 ff.; ders., JZ 1985, 693 ff.; ders., FS Kissel, S. 813, 816 ff.; ders., Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 553 ff. Kritisch Rückert, ZfA 1983, 1, 10 ff. Dagegen wiederum Picker, JZ 1985, 693, 696 Fn. 60, 87. Gegen Picker auch Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 336 ff., vgl. dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. a) (1), S. 351, außerdem Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 85 f., 136 ff., vgl. aber S. 142 f., und Hellfeier, Leistungszeit im Arbeitsverhältnis, S. 88 ff., denen es aber vor 290

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recht. Es handelt sich um eine „elementare Gerechtigkeitsregel“291, die bereits vor der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem gemeinen Recht angehörte292 und auch von den Verfassern des BGB nicht, jedenfalls nicht für den Dienstvertrag, beschränkt werden sollte. Die ausführliche historische Begründung dieser These ist hier nicht zu wiederholen. 293 Diese Bedeutung des § 615 BGB wurde zwar bei Schaffung des BGB noch erkannt. 294 Teile des Schrifttums glaubten sich jedoch genötigt, zwischen den Fällen der Unmöglichkeit (§§ 323 ff. BGB a. F.) und denen des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) streng zu unterscheiden. 295 Da der Dienstleistung in der Regel Fixschuldcharakter zugeschrieben wurde, 296 führte das Versagen der Gläubigersubstrate regelmäßig zur Unmöglichkeit. Der Anwendungsbereich des § 615 BGB wurde als entsprechend eng interpretiert. Die Anwendung der §§ 323 ff. BGB a. F. führte dann zu dem zutreffend als unangemessen empfundenen Ergebnis, daß der Dienstverpflichtete seinen Vergütungsanspruch verlor, wenn nicht ausnahmsweise der Dienstberechtigte die Unmöglichkeit gem. § 324 Abs. 1 BGB a. F. zu vertreten hatte. Um dieses Ergebnis zu verhindern und den Vergütungsanspruch des Dienstberechtigten zu erhalten, wurden vielfältige Lösungsmöglichkeiten entwickelt, wie insbesondere die Betriebsrisikolehre, 297 allem darum geht, die Annahme vom absoluten Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung zu erschüttern, vgl. dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355. Vgl. auch bereits G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 114 f. 291 Picker, JZ 1985, 693, 697, 702 ff. 292 Vgl. schon Motive, Bd. 2, S. 462. 293 Dazu Picker, JZ 1979, 285, 290 ff.; ders., JZ 1985, 693, 694 ff.; ders., Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 564 ff. 294 Kohler, Archiv für Bürgerliches Recht, Bd. 13, S. 149, 200 f., 253 ff.; Boer, Gruchot 54 (1910), 493, 504 ff.; F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 174 3. a) mit Fn. 24; Meyer, Zur Lehre von der Gefahrtragung für die Unmöglichkeit der Leistung beim gegenseitigen Vertrage, insbesondere beim Arbeitsvertrage, 1906, S. 30 f., 38 ff.; Schulz, Leistungsunmöglichkeit, 1909, S. 40; Oertmann, AcP 116 (1918), 1, 47, der zu dem „geschlossenen Häuflein von Widersachern“(S. 4) in Fn. 5 noch weitere Autoren zählt, sowie Titze, JW 1922, 548, 549 f. 295 Titze, Unmöglichkeit, S. 21 ff.; Kisch, Unmöglichkeit, S. 80; Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 51 ff., Schroeder, Unmöglichkeit und Ungewißheit, 1905, S. 32 ff.; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 81 f.; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 282; Trautmann, Gruchot 59 (1915), 434, 436; Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen der Nichterfüllung, 1927, S. 27 ff. Später Flume, FS Deutscher Juristentag, S. 135, 225; Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 68 ff.; auch noch Tamm, Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre und ihre Rückführung auf das Gesetz, 2001, S. 47 f. Vgl. zu Tamms Interpretation (S. 217 ff.) der Entstehungsgeschichte des späteren § 615 BGB im Rahmen der 2. Kommission (Protokolle II, Bd. 2, S. 280 ff.) die Ausführungen von Picker, JZ 1979, 285, 292, auf die Tamm a.a.O. allerdings nicht eingeht. Zum aktuellen Schrifttum auch unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. a) (1), S. 350 ff. 296 Unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 297 RG (Urt. v. 6. 2. 1923) RGZ 106, 272, 273 ff. Sich dem anschließend RAG (Urt. v. 20. 6. 1928) ARS 3, 116, 119 ff., m. krit. Hueck; Anm. zu BAG (Urt. v. 8. 2.1957, 9. 3. 1983, 30. 1. 1991) AP Nr. 2, 31, 33 zu § 615 BGB Betriebsrisiko – erstere Entscheidung m.Anm. Hueck. Zur Kritik vgl. nur Staudinger/Richardi (2005) § 615 BGB Rn. 192 ff.

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die teilweise mit dem Arbeitnehmerschutz begründet wurde, 298 oder die analoge Anwendung des § 645 BGB, 299 die Ausweitung des § 324 Abs. 1 BGB a. F. auf die Risikosphäre des Gläubigers300 oder gar die analoge Anwendung des § 615 BGB301. 302 Indessen war es nicht die Absicht des Gesetzgebers, in § 615 BGB eine Regelung zu schaffen, die auf den Annahmeverzug unter Ausklammerung der Fälle der Unmöglichkeit beschränkt sein sollte. Man sah, daß „dem Dienstvertrage regelmäßig die Eigenschaft einer Art von Fixgeschäft beiwohne“, und auch für diese Fälle wollte man eine Regelung erreichen, mit der der Dienstverpflichtete „von der Verbindlichkeit einer nachträglichen Regelung befreit“ werde. § 615 BGB sollte eine einfache und klare Regelung für das Prinzip der Substratsgefahrtragung sein. 303 Mit der Wiederentdeckung dieser Interpretationen des § 615 BGB erübrigen sich die Schwierigkeiten, die Rechtsprechung und Schrifttum bislang mit der Konstruktion einer Gesetzeslücke und dem mühsamen Auffüllen dieser Lücke hatten. Der Forderung zur Rückkehr ist daher zuzustimmen. Ihr wird auch im jüngeren Schrifttum weitgehend gefolgt. 304 298

Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 88 f.; dem folgend Kalb, Rechtsgrundlage und Reichweite der Betriebsrisikolehre, S. 99 ff. „Gesamtanalogie zum positiven Lohnfortzahlungsrecht“ (S. 102). 299 Söllner, AcP 167 (1967), 132, 142 f.; Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 83. Vgl. auch noch Richardi, ZfA 1974, 3, 14, nun aber Staudinger/Richardi (1999 und 2005) § 615 Rn. 196. 300 Beuthien, Zweckerreichung, S. 230 ff. 301 Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 21 I. c); Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 48 ff., 56: Gesamtanalogie zu §§ 615, 552 BGB a. F. 302 Die Darstellung weiterer Theorien fi ndet sich z. B. bei Trautmann, Gruchot 59 (1915), 434, 439 ff. sowie seine eigene Ansicht ab S. 450 ff., und umfassend bei Staudinger/Richardi (2005) § 615 BGB Rn. 27 ff., 206 ff.; Picker, FS Kissel, S. 813, 836 ff., und auch Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 73 ff. 303 Protokolle I, S. 2265 f., zit. nach: Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 769 f. Vgl. auch Picker oben Fn. 322; Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 10 V. 4. 304 Staudinger/Richardi (2005) § 615 Rn. 3 ff., 17 ff., 177 ff. m.w.Nachw. bei Rn. 197; Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 10 V. 4., 5.; RGRK/Matthes § 615 Rn. 26; Soergel/Kraft § 615 Rn. 70; Erman/Belling, § 615 Rn. 61; Erman/Hanau, 9. Aufl, § 615 Rn. 57; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 VI. 1.; MünchArb/Boewer, § 79 Rn. 14; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 19; Walk, § 616 BGB und Leistungshindernisse in „neutraler“ Sphäre, S. 118 ff., Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 15 ff.; Preis, Individualarbeitsrecht, § 43 II.; ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 7; HWK/Krause, § 615 BGB Rn. 9, dann aber Rn. 10, dazu sogleich im Text. Zustimmend auch Lieb, Arbeitsrecht, 7.Aufl., Rn. 165; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht, Rn. 187; Henssler, RdA 2002, 129, 133; MünchKomm/Henssler § 615 Rn. 8. Im Ergebnis auch Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 70 ff. Weitere Nachweise bei Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 137 Fn. 550. Das BAG hat bisher nicht ausdrücklich Stellung bezogen, vgl. BAG (Urt. v. 22. 12. 1980) AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, vgl. aber BAG (Urt. v. 18. 5. 1999) AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Betonsteingewerbe. Ausdrücklich zustimmend auch LAG Niedersachsen (Urt. v. 23. 7. 1993) LAGE Nr. 40 zu § 615 BGB. Vor dem Hintergrund der

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Die Einführung des § 615 S. 3 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bestätigt zwar die zutreffende Verortung der Problematik in § 615 BGB. 305 Dem Gesetzgeber blieben die wiedererlangten Erkenntnisse der Wissenschaft jedoch verborgen. 306 Die Einführung des § 615 S. 3 war überflüssig; sie könnte als unschädliche Klarstellung abgetan werden, 307 würde die Norm nicht von der entsprechenden Anwendung der Sätze 1 und 2 sprechen. Schon wird daraus in der jüngsten Literatur geschlossen, der Reformgesetzgeber habe sich „in der Sache die These von der ursprünglichen Lückenhaftigkeit des BGB als Ausgangspunkt seiner Normsetzung zu eigen gemacht.“308 Die aus Unkenntnis geborene Motivation des Gesetzgebers309 sollte bei der Auslegung der Norm indes keinen derart hohen Stellenwert einnehmen. Der Anwendungsbereich des Satzes 3 beschränkt sich zunächst einmal seinem Wortlaut nach auf das Arbeitsrecht. Auch hier wäre es möglich, die Anwendung auf die Fälle zu reduzieren, die tatsächlich nicht von Satz 1 und 2 erfaßt werden; so könnte Satz 3 – z. B. anstelle des früher diskutierten § 323 BGB a. F. 310 – dazu dienen, die Fälle der arbeitskampfbedingten Betriebsstörung zu erfassen, in denen der Arbeitgeber das „Risiko des Arbeitsausfalls“ tragen oder eben nicht tragen soll. 311 Eine solche restriktive Auslegung würde auch vor der drohenden Gefahr bewahren, aus Satz 3 nunmehr im Umkehrschluß herzuleiten, daß die Substratsgefahrregel für den selbständigen Dienstvertrag nicht gelte! 312 Auch dem selbsich abzeichnenden Rechtssprechungsänderung halten Söllner/Waltermann, Grundriss des Arbeitsrechts, § 30 IV. 2., die Neuregelung für „verwirrend“. 305 So auch Preis, Individualarbeitsrecht, § 43 II.; MünchKomm/Henssler § 615 Rn. 8; Reichold, ZfA 206, 223, 229. 306 Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 48. 307 So Erman/Belling, § 615 Rn. 61 a. E.; Henssler, RdA 2002, 129, 133; ders., in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 626; MünchKomm/Henssler § 615 Rn. 89. 308 HWK/Krause, § 615 BGB Rn. 10; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 70 ff. Dahin gehend auch Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 130, 134 f.; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 48, 157; Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. C 34. 309 Richardi, NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14, 16, bezeichnet die Norm als „mißglückt“. Vgl. auch Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 73, die allerdings gleichwohl meint, sich dem unklaren „Willen des Gesetzgebers“ beugen zu müssen. 310 Dazu Picker, JZ 1979, 285, 293 f.; Staudinger/Richardi (1999) § 615 Rn. 190 ff., 198 ff., 210 f., beide m.w.Nachw. Beide hielten (zur alten Rechtslage) für arbeitskampfbedingte Betriebsstörungen § 323 BGB a. F. für anwendbar. Vgl. aber nun Picker, FS Locher, S. 477, 484 ff. 311 Dagegen aber Däubler, NZA 2001, 1329, 1332. 312 Diese Gefahr liegt deshalb nahe, weil die Betriebsrisikolehre mit der besonderen Risikotragung des Arbeitgebers begründet wurde, vgl. weiterführend Picker, in: Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 558 ff. In diese Richtung plädiert für eine restriktive Auslegung des § 615 BGB nunmehr Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. C 35, doch überzeugt der von Otto gebildete Beispielsfall nicht. Der Tennisschüler, der eine feste Unterrichtsstunde bei einer Tennisschule bucht, trägt das Risiko des einsetzenden Sturzregens gerade nicht, denn das Substrat eines bespielbaren Tennisplatzes hat die Schule, also der Schuldner, zu stellen,

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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ständigen Dienstverpflichteten bleibt indes der Lohnanspruch erhalten, wenn der Betrieb, in dem er die Tätigkeit verrichten muß, niederbrennt. Im vorliegenden Zusammenhang ergeben sich aus der Regelung der Substratsgefahr in § 615 BGB zunächst nur Konsequenzen für den erfolgsunabhängigen Vergütungsanteil. Dieser „normale“ Arbeitslohn ist also auch zu zahlen, wenn der Betrieb, in dem die Arbeit zu verrichten ist, niederbrennt oder das zu bearbeitende Rohmaterial nicht rechtzeitig angeliefert wird. (bb) Einschränkung der Gefahrtragungsregelung des § 615 BGB für erfolgsabhängige Vergütungsanteile? Für den erfolgsabhängigen Vergütungsanteil ist die Geltung des § 615 BGB nicht zwingend. Zwar ist die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung in den Arbeitsvertrag eingebettet. Auch diejenigen, die für die unmittelbare Anwendung des § 615 BGB im obigen Sinne plädieren, räumen aber ein, daß der Grundsatz der Substratsgefahrtragung auch beim Dienstvertrag nicht mehr ohne weiteres gelten könne, „wenn der Vertrag eine irgendwie erfolgsqualifizierte Arbeitsleistung zum Gegenstand hat, wenn diese Leistung also einen werkvertraglichen Einschlag besitzt.“313 Die mögliche Nichtgeltung des § 615 BGB bedeutet freilich nicht, daß der Arbeitgeber im Falle des Ausbleibens des Erfolgs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB von der Verpfl ichtung zur Zahlung der erfolgsabhängigen Vergütung frei würde. Ordnet man die Vereinbarung über diese Vergütung als werkvertrags- oder werkvertragsähnliche Regelung ein, müßte § 645 BGB eingreifen. Denn der Grundsatz der Substratsgefahrtragungsregelung gilt auch im Werkvertragsrecht; er ist hier ist allerdings durch § 645 BGB begrenzt worden. 314 Die Frage ist also, ob bei teilweise erfolgsabhängiger Vergütung der Grundsatz über die Tragung der Substratsgefahr durch die Anwendung des § 645 BGB zu beschränken ist? Erhält der Arbeitnehmer also hinsichtlich des erfolgsabhängigen Anteils seiner Tätigkeit die Vergütung nur, soweit er die Arbeit tatsächlich geleistet hat, und nur unter den beschränkten Tatbestandsvoraussetzungen des § 645 BGB? Die Unterschiede sollen an folgendem Fall illustriert werden. Beispiel: 315 S betreibt ein Geschäft für hochwertige Herrenmode. Um den Umsatz zu steigern, sagt er seinem Verkäufer G eine Verkaufsprovision zu. Erhält G eine Provisionszahlung für einen bestimmten Arbeitstag, an welchem er nichts verkauft, wenn an diesem Tag a) S und G morgens feststellen müssen, daß das Geschäft abgebrannt ist, b) nicht der Tennisschüler. Gegen solche Einschränkungstendenzen MünchKomm/Henssler § 615 Rn. 9. 313 Picker, FS Kissel, S. 813, 820 (Hervorhebungen dort). 314 Zur Gesetzgebungsgeschichte Picker, JZ 1985, 693, 694 f.; Picker, FS Kissel, S. 813, 820, 852 f. Vgl. auch Schroeder, Unmöglichkeit und Ungewißheit, 1905, S. 24 ff., 33 ff. 315 Zu den vielschichtigen Problemen bei der Beurteilung einer Verkäuferleistung und der Zuordnung eines entsprechenden Leistungslohns vgl. Schnellinger, Leistungslohn im Handel, S. 67 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

S überhaupt keine Ware im Geschäft vorrätig hielt, weil die Anlieferung nicht rechtzeitig erfolgte, c) S die gesamte hochwertige Kollektion gegen billige Ramschware ausgetauscht hat, die die Kundschaft enttäuscht, d) S dem G morgens die Weisung erteilte, nur bestimmte, schwer verkäufliche Anzüge anzupreisen, e) S die gesamte Kollektion gegen eine andere, gleichermaßen hochwertige austauscht, die indes keinen Gefallen bei der Kundschaft fi ndet? Hinsichtlich des erfolgsunabhängigen Lohnanteils erhält G in allen Fällen die volle Vergütung, teils (c), d), e)), weil er seine Arbeitspfl icht erfüllt hat, teils (a), b)), weil § 615 BGB eingreift. Für den erfolgsabhängigen Lohnanteil ergibt sich ein differenziertes Bild: Hält man auch hier § 615 BGB für anwendbar, wäre S in den Fällen a) und wohl auch b) zur Lohnzahlung verpfl ichtet. In allen anderen Fällen kann nur durch Auslegung der Vereinbarung ermittelt werden, ob hinsichtlich der Leistung „Verkaufserfolg“ von G zu stellende Leistungssubstrate „versagt“ haben. Hielte man hingegen § 645 BGB für einschlägig, ergeben sich in allen Fällen Schwierigkeiten bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale und bei der Bestimmung des „der geleisteten Arbeit entsprechenden“ Teils der Vergütung.

Gegen die Anwendung des § 615 BGB auf den Teil der Vereinbarung, der erfolgsabhängig vergütet werden soll, spricht vor allem ein Argument: die Vernachlässigung des „werkvertraglichen Einschlags“ dieser Abrede. Sieht man in § 645 BGB eine Privilegierung des Bestellers gegenüber dem Dienstberechtigten, scheint es zunächst nahezuliegen, diese Privilegierung auch dem Arbeitgeber zukommen zu lassen. Indessen sprechen die besseren Argumente gegen die Anwendung des § 645 BGB. Auf dogmatischer Ebene spricht gegen die Heranziehung der Norm, daß ihre Beschränkungen gegenüber der allgemeinen Substratsgefahrregelung gerade damit begründet wurde, daß der Werkunternehmer den Erfolg verspreche; er also verpflichtet sei, ihn zu erreichen. 316 Der Arbeitnehmer gibt ein solches Versprechen jedoch nicht ab. 317 Zu diesem grundsätzlichen Einwand treten die Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 645 BGB hinzu. Zum einen ist schon umstritten, ob und in welchem Maße der tatbestandliche Anwendungsbereich der Norm auszudehnen ist. Die Vorschläge reichen von der Analogie bezüglich bestimmter Tatbestandsmerkmale318 bis zur Interpretation der Norm im Sinne der beschriebenen Substratsgefahrregelung319. Man müßte daher hinsichtlich des einzelnen Umstandes, der zur Nichterreichung des Erfolges führte, prüfen, ob dieser von § 645 BGB (analog) erfaßt wird oder nicht. Dies wird durch die Tatsache, daß die Tatbestandsvoraussetzungen auf den typischen Werkvertrag, nicht aber auf 316

Vgl. Picker, JZ 1985, 693, 694, zur Entstehungsgeschichte der Norm. Oben Erster Teil, II. 2. c) (2) (b) (bb) a), S. 62 ff. 318 Staudinger/Peters (2003) § 645 Rn. 29 ff. m.w.Nachw.; Erman/Schwenker, § 645 Rn. 10 f. m.w.Nachw.; Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., § 80 III. 4. d) und e); Fikentscher/Heinemann, § 84 IV. 4. d) und e); MünchKomm/Busche § 645 Rn. 14 ff. 319 Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 153 II. 1. a). 317

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eine in einen Arbeitsvertrag eingebettete werkvertragsähnliche Nebenabrede zugeschnitten sind, nicht gerade erleichtert. Vor allem aber erscheint die Rechtsfolge, nach der der Arbeitnehmer „einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung“ (sowie Auslagenersatz) verlangen könnte, wenig angemessen; sie wird schon für den Werkunternehmer als zu eng interpretiert. 320 Regelmäßig soll der Arbeitnehmer durch den erfolgsabhängigen Vergütungsanteil motiviert werden, seine Tätigkeitspflicht aus § 611 BGB besonders gut zu erfüllen. Daher läßt sich die Tätigkeit in aller Regel nicht in einen „dienstvertraglichen“ und einen „werkvertraglichen“ Abschnitt unterteilen. Der Arbeitnehmer, der seine werkvertragsähnlich „geleistete Arbeit“ darlegen und beweisen müßte, könnte dies nur, wenn er aufgrund besonderer Umstände deutlich machen kann, daß er zur Erreichung des Erfolges über den Leistungsrahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung hinausgegangen ist. Dies mag im Falle der Erbringung zeitlicher Mehrarbeit (Überstunden) möglich sein; wäre im übrigen aber mit erheblichen Hindernissen bzw. mit unerwünschtem Dokumentationsaufwand verbunden. Könnte der Arbeitnehmer ausnahmsweise beweisen, daß er zur Erreichung des Erfolgs Mehrarbeit erbracht hat, müßte der dem Teil der geleisteten Arbeit entsprechende Anteil an der Vergütung bemessen werden. Dafür soll es allgemein auf das Verhältnis des Anteils der bisher aufgewendeten Arbeitszeit zu der insgesamt für das Werk veranschlagten Arbeitszeit ankommen. 321 Die Berechnung der zu veranschlagenden Mehrarbeit(szeit), die zur Erfolgsherbeiführung notwendig gewesen wäre, ist erneut mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, vor allem, wenn der Erfolg nicht in einer singulären Arbeitsaufgabe liegt, sondern in vielen kleinen Einzelprojekten (wie der Verkaufsprovision im Beispielsfall). All diese Argumente betreffen freilich eher Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung und weniger den Arbeitgeber, der doch darauf gesetzt hat, daß er durch eine teilweise erfolgsabhängige Vergütung Teile des betrieblichen und unternehmerischen Risikos auf den Arbeitnehmer abwälzen könnte. Gerade insoweit ist dem Arbeitgeber jedoch mit § 615 BGB mehr gedient. § 615 BGB enthält nur die allgemeine Bestimmung, nach der der Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet bleibt, wenn er „mit der Annahme der Dienste in Verzug ist“. Damit eröffnet die Norm einen erheblichen Auslegungsspielraum, der den Rechtsanwender auf den Willen der Vertragsparteien zurückwirft. 322 320 Staudinger/Peters (2003) § 645 Rn. 21; Picker, FS Kissel, S. 813, 820 m.w.Nachw.; ders., JZ 1985, 693, 703 f. 321 Staudinger/Peters (2003) § 645 Rn. 22 m.w.Nachw. 322 So allgemein schon Meyer, Zur Lehre von der Gefahrtragung für die Unmöglichkeit der Leistung beim gegenseitigen Vertrage, insbesondere beim Arbeitsvertrage, 1906, S. 44: „Die Grenze der Gefahr ist nicht absolut, sie ist relativ bestimmt; denn die Parteien haben sich zu den äusseren Bedingungen der Leistung in gewisse Beziehungen gesetzt, und hiernach beurteilt es sich, wieweit sie im Verhältnis zueinander für die Möglichkeit der Leistung aufzukommen haben.“ Ähnlich Titze, JW 1922, 548, 550.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Die entscheidende Frage ist, ab welchem Punkt man aufgrund der vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Tätigkeit, die erfolgsabhängig vergütet wird, von einem „Versagen der vom Gläubiger gestellten Substrate“ sprechen kann. In einem gewissen Spielraum können dies die Vertragsparteien regeln, da § 615 BGB grundsätzlich abdingbar ist. Im Arbeitsverhältnis kann zwar die Substratsgefahrtragung nicht für „jede personen- und substratbedingte Verhinderung“ abbedungen werden. 323 Je geringer jedoch der Anteil der erfolgsabhängigen Vergütung im Verhältnis zur Gesamtvergütung ist, desto größer darf die inhaltliche Bandbreite an Risiken sein, die auf den Arbeitnehmer verlagert werden können. Haben die Parteien hinsichtlich des konkreten, eingetretenen Risikos keine ausdrückliche Regelung getroffen, bedarf es der (normativen) Auslegung. Es ist danach zu fragen, welche Betriebs- und Wirtschaftsrisiken dem Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Vereinbarung übertragen werden sollten. Im Regelfall sollen dem Arbeitnehmer nicht entfernte Risiken bzw. Risiken, gegen die sich der Arbeitgeber ohnehin versichern wird (wie das Abbrennen des Betriebes), auferlegt werden. Mit der Auferlegung solcher Risiken wird der Arbeitnehmer auch nicht rechnen (müssen). Vielmehr soll der Arbeitnehmer vor allem das Wirtschaftsrisiko tragen, also das Risiko mangelnder Nachfrage, zurückgehender Auftragseingänge usf. Zwischen den entfernten Betriebsrisiken und dem Wirtschaftsrisiko steht das Risiko betrieblicher und unternehmerischer Fehlleistung, wie es sich z. B. in betrieblichen Organisationsmängeln oder auch in der unzutreffenden Einschätzung des Nachfragermarktes ausdrückt. Auch diese Risiken können auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Das gilt auch, wenn es sich um Fehlsteuerungen des Arbeitgebers handelt, solange sich diese noch im üblichen Rahmen halten. Die Grenze ist erreicht, wenn Risiken übertragen werden sollen, mit deren Überwälzung der Arbeitnehmer nach der vertraglichen Vereinbarung nicht mehr zu rechnen brauchte. Im Beispielsfall b) wird S zur Zahlung des erfolgsabhängigen Vergütungsanteils verpfl ichtet sein, denn das (entfernte, ungewöhnliche) Risiko, daß überhaupt keine Verkaufsware vorrätig ist, trägt G nicht. Im Fall c) kommt es darauf an, ob G bei Vertragsschluß damit rechnen mußte, daß S sein Warensortiment in dieser Weise ändert. Handelte es sich um ein Traditionshaus, wird man das nur annehmen können, wenn G bei Vertragsschluß bekanntgemacht wurde, daß z. B. infolge von wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine drastische Veränderung des Warenangebots denkbar werden könnte. Im Fall d) kommt es darauf an, ob derartige Weisungen noch üblich sind oder nicht. Im Fall e) erhält G keinen Lohn, denn es verwirklicht sich das Wirtschaftsrisiko, um dessen willen die Vereinbarung im Kern geschlossen wurde.

323 Staudinger/Richardi (2005) § 615 Rn. 10; Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann § 615 Rn. 2. Die Abdingbarkeit von § 645 BGB wird allgemein nur in sehr engen Grenzen anerkannt, vgl. Staudinger/Peters (2003) § 645 Rn. 40 ff.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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(d) Ergebnis zu (2) In einem Arbeitsvertrag kann – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 65 HGB – nicht der gesamte Arbeitslohn von dem Erreichen eines Erfolgs abhängig gemacht werden. Der Arbeitsvertrag ist kein Werkvertrag. Der Arbeitnehmer unterwirft sich dem weitgehenden Weisungsrecht des Arbeitgebers nur, um vom Wirtschafts- und Erfolgsrisiko seiner Tätigkeit befreit zu sein. Eine vollständig erfolgsabhängige Vergütungsabrede widerspräche den Grundsätzen des Rechtsformzwangs; sie wäre daher nichtig. Zugunsten des Arbeitnehmers griffe § 612 Abs. 2 BGB ein. Auf die Frage, ob und inwieweit Teile der Vergütung erfolgsabhängig vereinbart werden können, fällt die Anwort wesentlich differenzierter aus. Sie hängt maßgeblich von der Höhe des Anteils an der Gesamt- bzw. marktüblichen Vergütung für diese Tätigkeit ab. Maßgeblich ist dabei nicht die absolute Höhe der Vergütung (z. B. Gering- oder Besserverdiener), erst recht nicht der Mindestlohn oder gar das Existenzminimum. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer für die von ihm angebotene Arbeitsleistung, die eben vor allem in einer weitgehenden Unterwerfung unter die Leistungssteuerung durch den Arbeitgeber besteht, noch eine arbeitsvertragstypische Gegenleistung erhält. Sein arbeitsvertragliches Gepräge verliert der Vertrag jedenfalls, wenn mehr als die Hälfte der Vergütung erfolgsabhängig gezahlt wird. Unterhalb dieser Grenze hängt die Zulässigkeit erfolgsabhängiger Vergütungsanteile vor allem von zwei Faktoren ab: von der Höhe des (zeitlichen) Arbeitseinsatzes, der im Falle des Nichteintritts des Erfolgs unvergütet bliebe, und von dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt steuern kann. Wird die erfolgsabhängige Vergütung an einen Erfolg gekoppelt, den der Arbeitnehmer so gut wie nicht beeinflussen kann (z. B. Gewinnbeteiligung), darf der erfolgsabhängige Vergütungsanteil in der Regel nicht höher als 10% sein. Führt hingegen so gut wie jede Mehrarbeit zum Erfolgseintritt (z. B. Akkord), können jedenfalls 30% der Gesamtvergütung erfolgsabhängig sein. Problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt beeinflussen kann, dieser Eintritt aber andererseits von einer Vielzahl anderer Faktoren abhängt, die (teilweise) der Steuerung durch den Arbeitgeber unterliegen. Hier kommt es darauf an, inwieweit der Arbeitgeber unter Verzicht auf sein Weisungsrecht dem Arbeitnehmer eine werkunternehmerähnliche Stellung eingeräumt hat. Bei der Bewertung solcher Vertragsklauseln ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die Lohngefahr auf den Arbeitnehmer übertragen werden sollte. Denn der Nichteintrtt des Erfolgs heißt – in allen Fällen – noch nicht, daß die erfolgsabhängige Vergütung nicht zu zahlen ist. Eine Einschränkung enthält selbst für den Werkunternehmer § 645 BGB. Für Arbeitsverträge, die erfolgsabhängige Vergütungsanteile beinhalten, sollte hingegen einheitlich § 615 BGB angewendet werden, wobei diese Substratsgefahrregelung hinsicht-

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

lich der erfolgsabhängigen und der erfolgsunabhängigen Vergütungsanteile zu ganz unterschiedlichen Auslegungen der jeweiligen Vereinbarung führen kann. Für die Frage, wie hoch der erfolgsabhängige Vergütungsanteil sein kann, kommt es auch darauf an, welche Risiken auf den Arbeitnehmer übergewälzt werden sollten. Soll er nur das „Absatzrisiko“ für die zu vertreibenden Güter übernehmen? Soll er auch das Risiko betrieblicher oder unternehmerischer Fehlentscheidungen tragen und in welchem Ausmaß? Oder soll er schlechthin jedes Risiko übernehmen, also z. B. auch das Risiko des zufallsbedingten Abbrennens der Betriebsstätte? Je umfänglicher Betriebs- und Wirtschaftsrisiken auf den Arbeitnehmer übergewälzt werden, desto kleiner darf der Anteil an der Gesamtvergütung sein, der von diesen Risiken abhängt. (3) Erfolgsversprechen und Erfolgsbezüge im selbständigen Dienstvertrag Die gerade beschriebenen Einschränkungen der Vertragsfreiheit ergeben sich nur für Arbeitsverträge, also für Verträge, bei denen der Dienstverpfl ichtete einem weitgehenden Weisungsrecht unterliegt. Wird die Weisungsunterworfenheit hingegen schwächer, so daß der Vertrag nicht mehr als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist, fallen die Beschränkungen des Rechtsformzwanges weg. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, in einem Tätigkeitsvertrag sowohl ein (eingeschränktes) Leistungssteuerungsrecht des Dienstberechtigten als auch ein Erfolgsversprechen zu vereinbaren. Ergibt die Auslegung des Vertrages, daß sich der Tätigkeitsschuldner zur Erreichung des Erfolgs verpfl ichtet hat, liegt ein Werkvertrag vor. Die Frage ist dann, inwieweit der Schuldner zusätzlich einem Weisungsrecht unterworfen werden kann. Daß grundsätzlich ein Weisungsrecht im Werkvertrag ausbedungen werden kann, wurde bereits oben dargelegt. 324 Im übrigen wird eine Grenze durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sowie durch §§ 138, 242 BGB gezogen. Das Weisungsrecht darf nicht in den Kernbereich der Selbständigkeit des Unternehmers eingreifen. 325 Dies sehen auch Spezialvorschriften wie z. B. § 4 Nr. 1 Abs. 3, Nr. 2 VOB Teil B vor. 326 Im übrigen wird der Lohnanspruch des Werkunternehmers insoweit durch § 645 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB geschützt. Liegt kein Erfolgsversprechen und damit ein Dienstvertrag vor, entspricht die Vereinbarung eines Leistungssteuerungsrechts gerade den berechtigten Interessen des Tätigkeitsgläubigers. Auch ohne ein Erfolgsversprechen kann aber – wie oben gesehen 327 – die Zahlung der Vergütung unter die Bedingung eines Erfolgseintritts gestellt werden. Im Recht der selbständigen Dienstverträge besteht an dieser Stelle für die Vertragsparteien ein weiter Gestaltungsspielraum. 324 325 326 327

Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (aa), S. 26 ff. Vgl. unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a), S. 114 ff. Oben Erster Teil; 2 II. 1. b) (2) (a) (aa), S. 26 f. Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (b) (bb), S. 61 ff.

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Die Vertragsparteien sind grundsätzlich frei, auch die gesamte Vergütung unter die aufschiebende Bedingung der Erreichung eines Erfolgs zu stellen, und dies ist für erfolgsbezogene Dienstverträge auch nicht selten. So sind „Erfolgshonorare“ Grundlage des gesamten Handelsvertreterrechts. § 49b Abs. 1 BRAO, der Erfolgshonorare für die Tätigkeit von Rechtsanwälten verbietet, sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt. 328 Auch für andere Vertragstypen, wie (Personal-)Beraterverträge, 329 Projektsteuerungsverträge, 330 Zeichnerverträge, 331 Inkassoverträge332 oder Eheanbahnungsdienstverträge, 333 ist die Vereinbarung von Erfolgshonoraren nicht unüblich. Solche Vereinbarungen sind wirtschaftlich vor allem sinnvoll, wenn die Tätigkeit „an sich“ für den Gläubiger völlig wertlos ist, solange sie den Erfolg nicht herbeiführt, und andererseits der Schuldner auf den Eintritt des Erfolgs nur einen begrenzten Einfluß hat, so daß er die Erfolgsherbeiführung nicht versprechen kann. Das wirtschaftliche Interesse des Tätigkeitsschuldners läßt sich entweder durch die Höhe der Vergütung (Risikoprämie) 334 oder durch die Anzahl der Rechtsgeschäfte (Risikostreuung) sichern. Die Vertragsfreiheit würde indessen auch Dienstverträge erlauben, in denen die wirtschaftlichen Interessen des Tätigkeitsschuldners nicht oder so gut wie nicht geschützt werden. Die Vergütung könnte daher z. B. auch von einem „Erfolg“, also einer aufschiebenden Bedingung, abhängig gemacht werden, auf deren Eintritt der Dienstverpflichtete nur geringen oder überhaupt keinen Einfluß hat. 335 Der Dienstverpflichtete wird lediglich durch die allgemeinen Bestimmungen wie §§ 162, 138, 242, 307 BGB geschützt. Wie oben bereits ausgeführt, 336 liegt in allen diesen Fällen ein zweiseitiger Vertrag vor, in dem sich der Dienstverpflichtete zur Tätigkeit und der Dienstberechtigte zur Zahlung der Vergütung unter der aufschiebenden Bedingung eines Erfolgseintritts verpflichtet. Solche Verträge wurden schon im Pandektenrecht für zulässig gehalten. 337 Beide Verpflichtungen stehen in einem synal328 Vgl. Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts, 2003. Zu § 49b Abs. 1 BRAO auch oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (b), S. 36 mit Fn. 132. 329 OLG Köln (Urt. v. 15. 3. 1994) OLGR Köln 1994, 129; LG Memmingen (Urt. v. 5. 5. 1999) NJW-RR 2000, 870 f. 330 BGH (Urt. v. 26. 1. 1995) NJW-RR 1995, 855 f.; OLG Oldenburg (Urt. v. 25. 10. 2000) IBR 2000, 619. 331 BAG (Urt. v. 24. 10. 1984–5 AZR 346/83), n.v. (betr. Pressezeichner). 332 AG Bad Oldesloe (Urt. V. 25. 6. 1986–2 C 72/86), n.v.; AG Meldorf (Urt. v. 19. 2. 1985– 31 C 782/84 (30)), n.v.; AG Neumünster (Urt. v. 21. 6. 1983–8 C 267/83), n.v. 333 BGH (Urt. v. 24. 6. 1987) NJW 1987, 2808. 334 Vgl. BGH (Urt. v. 16. 7. 2002) BGHZ 151, 330, 333. 335 Das gilt auch, wenn der Erfolgseintritt vom Dienstberechtigten gesteuert werden kann. Zweifelhaft sind aber reine Wollensbedingungen, vgl. Staudinger/Bork (2003) Vor §§ 158– 163 Rn. 14 ff. Wenn z. B. der Dienstberechtige die Vergütungszahlung davon abhängig macht, daß ihm die Darbietung des Opernsängers „gefalle“, ist fraglich, ob überhaupt ein Rechtsbindungswille vorliegt. 336 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (b) (bb) a), S. 62 ff. 337 Vgl. Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 (S. 689 f.) Fn. 2, sowie von

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lagmatischen Verhältnis. Der Dienstberechtigte zahlt nicht nur um des Erfolges willen, sondern er zahlt um der Tätigkeit willen, die den Erfolg herbeigeführt hat. 338 Demgegenüber wird im Schrifttum vertreten, daß die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit einem Rechtsanwalt (soweit zulässig) ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag sei. Die Verpflichtung zur Zahlung im Erfolgsfalle stehe nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu der vom Anwalt übernommenen Tätigkeitsverpflichtung. Die Vergütung werde ausschließlich als Gegenleistung für den Erfolg gezahlt, der nicht Gegenstand der vertraglichen Leistungspfl icht sei. 339 Der Mandant vergütet jedoch nicht nur „den Erfolg“, sondern die zum Erfolg führende Tätigkeit. Genauer gesagt: Er verpflichtet sich zur Zahlung der Vergütung für die auf den Erfolg ausgerichtete Tätigkeit, und er hat zusätzlich seine Zahlungsverpflichtung unter die Bedingung des Erfolgseintritts gestellt. Würde der Tätigkeitsgläubiger die Vergütung tatsächlich ausschließlich um des Erfolges willen zahlen, schuldete er das Erfolgshonorar auch, wenn der Erfolg ohne jede Tätigkeit des Anwalts einträte (z. B. wenn der Rechtsanwalt durch außergerichtliche Tätigkeit einen Schuldner des Mandanten zur Zahlung bewegen soll und der Schuldner ohne Zutun des Rechtsanwalts aus eigenen Stücken zahlt). d) Ergebnis zu 2. Die geschuldeten Dienste bestehen stets in einem erfolgsgerichteten Verhalten des Verpflichteten. Die Ausrichtung auf den Erfolg hin defi niert die Tätigkeit – sie bestimmt aber anders als beim Werkvertrag nicht den Umfang der Tätigkeit. Für die Mehrheit der Dienstverträge und insbesondere für den Arbeitsvertrag ist zur Festlegung des Leistungsumfangs die Bestimmung der Leistungsdauer notwendig; diese Dienstverträge werden als zeitbezogene Dienstverträge bezeichnet. Alle Dienstverträge, für die sich diese Notwendigkeit nicht ergibt, sind sog. erfolgsbezogene Dienstverträge. Es sind dies zumeist Dienstverträge, die von den Angehörigen der Freien Berufe geschlossen werden; ihr Leistungsumfang bestimmt sich in erster Linie nach dem anzustrebenden Erfolg. Beide Dienstvertragstypen lassen sich mit werkvertragsähnlichen Elementen kombinieren. Gerade bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen sind die Vertragsparteien grundsätzlich frei, die gesamte Vergütung unter die aufschiebende Bedingung des Erfolgseintritts zu stellen. Auch bei zeitbezogenen Dienstverträgen ist dies möglich; beim Arbeitsvertrag zieht jedoch der RechtsKübel und Mitarbeiter zit. nach: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2, S. 573. 338 Dahin gehend auch BAG (Urt. v. 8. 2. 1962) AP Nr. 1 zu § 611 BGB Erfi nder (betr. „Lizenzgebühr“ für noch zu machende Erfi ndung). 339 Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts, S. 39 f.

§ 2 Der Begriff „Erfolg“ im Rahmen der Erfüllung

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formzwang, der es untersagt, dem Arbeitnehmer die Betriebs- und Wirtschaftsrisiken aufzuerlegen, enge Grenzen. Auch bei vollständig oder teilweise erfolgsbedingten Vergütungen ist zu beachten, daß § 615 BGB die Substratsgefahr grundsätzlich dem Dienstberechtigten zuweist. Bei Nichteintritt des Erfolges bedarf es daher stets der Auslegung des Umfangs der „Erfolgsbedingtheit“ der jeweiligen Abrede.

III. Ergebnis zu § 2 Der Erfolg, den jeder Tätigkeitsgläubiger anstrebt, steht beim Dienstvertrag außerhalb der vertraglich vereinbarten Schuld, und dennoch ist er für den Dienstverpflichteten beachtlich, denn seine Schuld besteht in einem „Tätigwerden in Richtung auf den Erfolg.“ Daher kann der Dienstverpflichtete zwar allein durch eine Leistungshandlung seine Schuld erfüllen. Verfehlt er jedoch die vereinbarte Richtung, kann die Erfüllung scheitern. Die Frage, ob der Erfolg noch zum Schuldinhalt gehört oder nicht, entscheidet über die Anwendung der §§ 611 ff. BGB. Für die schwierige Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag ist dies die entscheidende Frage, denn das Erfolgsversprechen ist das Instrument der Sicherung der Gläubigerinteressen bei einer Tätigkeitsschuld. Für die Grenzziehung ist jedoch von ähnlichem Interesse zu wissen, welches alternative Sicherungsmittel dem Gläubiger zur Verfügung steht, wenn er ein Erfolgsversprechen nicht durchsetzen kann. Klassischerweise greift er dann auf das Mittel der (nachträglichen) Leistungssteuerung zurück. Typisch für den Dienstvertrag ist die vom Gläubiger gesteuerte Leistungserbringung. Im Pandektenrecht wurde dies für die Dienstmiete noch deutlich erkannt. Mit der Etablierung des (heutigen) Arbeitsvertrages, der sich durch das weitgehende Weisungsrecht des Arbeitgebers defi niert, wurde dieser Aspekt für den selbständigen Dienstvertrag zu stark in den Hintergrund gerückt. Das weitgehende Weisungsrecht im Arbeitsvertrag ist aber nicht Gegenbeweis, sondern gerade Zeichen dafür, daß sich auch der selbständige Dienstvertrag durch ein Weisungsrecht des Dienstberechtigten auszeichnet. Die Grenzziehung zwischen Dienst- und Werkvertrag wird umso wichtiger, je stärker im Wege freier Vertragsgestaltung Elemente beider Vertragstypen vereint werden. Der Grund für solche Kombinationen liegt meist darin, daß der Dienstberechtigte – insbesondere auch der Arbeitgeber – seine Interessen nicht genug gesichert sieht. Solche Sicherungsdefizite tauchen vor allem auf, wenn die nachträgliche Leistungssteuerung unmöglich oder unwirtschaftlich ist. Erfolgsabhängige Vergütungssysteme mögen an dieser Stelle als Königsweg erscheinen. Dieser Weg ist jedoch nicht so breit, wie es zunächst scheinen mag. Er schützt nicht ohne weiteres vor jedem Risiko (§ 615 BGB). Werden

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

schließlich die Interessen des Dienstverpfl ichteten zu stark zurückgedrängt, droht die Unwirksamkeit und damit die Rechtfolge, die gerade vermieden werden sollte (§ 612 Abs. 2 BGB).

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste Ihrem Inhalt nach lassen sich Nichterfüllung und Schlechterfüllung nur bestimmen, wenn geklärt ist, was unter der Erfüllung des Dienstvertrages zu verstehen ist. Es ist festzustellen, wie die Leistung des Schuldners beschaffen sein muß, wenn sie zur Erfüllung und damit zum Erlöschen des Schuldverhältnisses geeignet sein soll. Anders gesagt: Es sind möglichst genaue, allgemeingültige Aussagen dazu zu machen, was ein Schuldner eines Dienstvertrages schuldet. Je präziser die Leistungspflicht des Schuldners in dieser Weise bestimmt wird, desto genauer läßt sich sagen, wann ein Zurückbleiben der Leistung hinter dem Geschuldeten und damit eine Nicht- oder Schlechtleistung vorliegt. Der Zusammenhang zwischen Schuld und Erfüllung wird allerdings nicht ganz einheitlich beurteilt. Teilweise wird – zumindest für bestimmte Fallkonstellationen – angenommen, daß die Erfüllungswirkung auch durch eine Schlechtleistung, also eine nicht ordnungsgemäße Leistung, eintreten könne. Diese Frage ist voranzustellen.

I. Erfüllung durch nicht ordnungsgemäße Dienste? Auch wenn es zur Erfüllung einer dienstvertraglichen Verpflichtung keines „Leistungserfolges“, so wie er üblicherweise im Rahmen des § 362 Abs. 1 BGB gefordert wird, bedarf, tritt die Erfüllung nur durch das Bewirken der geschuldeten Leistung, also durch die versprochenen Dienste, ein. Eine Leistung, die den Anforderungen des § 362 Abs. 1 BGB genügt, läßt sich als „erfüllungstauglich“ bezeichnen. Zum Kreis der „nicht erfüllungstauglichen“ Leistungen könnte neben der ausgebliebenen, der anderen (aliud) und der Teilleistung auch die nicht vertragsgemäße Leistung (Schlechtleistung) gehören. Durch solche Leistungen träte dann keine, jedenfalls keine vollständige Erfüllung ein. Es müßte dann auch für den Dienstvertrag gelten, daß nur durch eine vollständige und vertragsgemäße, also eine ordnungsgemäße Erbringung der Dienste erfüllt werden kann. Der Dienstverpflichtete würde von seiner Leistungspflicht nicht gem. § 362 Abs. 1 BGB frei, wenn seine Dienste nicht oder teilweise nicht als die geschuldeten identifiziert werden könnten (vollständige oder

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

teilweise Nichtleistung) oder wenn die Dienste nicht vertragsgemäß erbracht würden (Schlechtleistung). Der Begriff der Erfüllung i. S. des § 362 BGB korrespondiert mit dem der Nicht- und dem der Schlechterfüllung, die als Unterfälle der Pfl ichtverletzung Rechtsfolgen zugunsten des Gläubigers auslösen können. Der Tatbestand der Pflichtverletzung erfaßt nicht nur die Fälle des gesamten oder teilweisen Ausbleibens der Leistung, sondern sämtliche Fälle, in denen die Leistung nicht so erfüllt wird, wie sie geschuldet ist.1 Ausgehend von der These, daß nur die vollständige und vertragsgemäße Leistung erfüllungstauglich ist, wäre eine Pflichtverletzung in diesem Sinne also auch anzunehmen, wenn der Arzt den Patienten fehlerhaft behandelt oder der Rechtsanwalt den Mandanten fehlerhaft berät. 2 Gerade für den Dienstvertrag wird jedoch auch das Gegenteil vertreten: Der Dienstverpflichtete könne die Erfüllungswirkung durch eine Schlechtleistung herbeiführen. Bei der Stellungnahme zu diesem Streit soll zwischen der Rechtslage vor und nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz differenziert werden. 1. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Schon vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde zwischen der (teilweisen) Nichterfüllung und der Schlechterfüllung unterschieden. In den ersten sechs Abschnitten, also im allgemeinen Schuldrecht, fand sich diese Unterscheidung allerdings nicht. Bei einzelnen Vertragstypen wurde jedoch wie heute die nicht vertragsgemäße Leistung als „mangelhaft“ oder als „fehlerhaft“ (§§ 459 ff., 523 f., 537 ff., 600, 633 ff. BGB a. F.) benannt. Für den Dienstvertrag enthielt das Gesetz hingegen keinen solchen Begriff. Nach dieser Rechtslage war im Grundsatz unklar, ob die nicht vertragsgemäße Leistung von Diensten eine teilweise Nichtleistung darstellte oder ob sie zumindest wie diese zu behandeln war. Speziell für den Dienstvertrag war offen, ob und inwieweit die Regelungen über die teilweise Nichterfüllung (§§ 320 Abs. 2, 323 Abs. 1, 2. Halbs., 325 Abs. 1 S. 2, 326 Abs. 1 S. 3 BGB a. F.) auf die nicht vertragsgemäße Leistung von Diensten hätten angewandt werden müssen. Daß eine Teilleistung nicht zu einer vollständigen Erfüllung führen könne, war für den Dienstvertrag3 wie für den Arbeitsvertrag4 unbestritten. Die Frage, ob durch eine nicht vertragsgemäße Leistung – also eine Schlechtleistung 1

Oben Erster Teil, § 1, S. 6 ff. Nach U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. I, § 1 I 2. 3 BGH (Urt. v. 7. 12. 1987) NJW-RR 1988, 420. 4 Vgl. nur BAG (Urt. v. 24. 3. 1988–2 AZR 680/87), n.v.; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 19; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 1.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II.; Beuthien, ZfA 1972, 73, 80; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 126 ff.; Brune, ARBlattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 21 f. 2

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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– von Diensten erfüllt werden kann, wurde teilweise verneint, 5 von der überwiegenden Ansicht allerdings bejaht.6 Das Eintreten voller Erfüllungswirkung wurde vor allem mit folgender Überlegung begründet: In den §§ 459 ff., 537 ff., 581 Abs. 2, 633 ff., 651c ff. BGB a. F. regelte der Gesetzgeber ausdrücklich die Rechtsfolgen im Falle der Fehlerhaftigkeit der Leistung. Insbesondere stellte er für den Minderungsanspruch des Mieters durch § 537 Abs. 1 BGB a. F. und das Nachbesserungsrecht des Bestellers durch § 633 BGB a. F. klar, daß die Fehlerlosigkeit der Leistung zum Schuldinhalt gehört. Wenn der Gesetzgeber aber in diesen Normen ausdrücklich regelte, welche Rechtsfolgen im Falle der Schlechtleistung eintreten, bedeute dies, daß in Fällen, in denen der Gesetzgeber keine solche Regelung getroffen hatte, die Fehlerlosigkeit der Leistung auch nicht zum Schuldinhalt gehöre. Da der Gesetzgeber insbesondere für den Dienstvertrag keine besonderen Rechtsfolgen für den Fall der Schlechterfüllung angeordnet hatte, mußte die Schlechterfüllung beim Dienstvertrag ohne Auswirkung auf den Vergütungsanspruch bleiben. Dieser Ansatz berücksichtigte nicht ausreichend, daß zwei Ebenen zu unterscheiden sind: die des Tatbestands der Erfüllung und die der Rechtsfolgen, welche sich aus einer Nichterfüllung ergeben können. Ob ein bestimmtes Verhalten eine Erfüllung darstellt oder nicht, muß vor und unabhängig von der Frage beantwortet werden, welche Rechtsfolgen sich aus einer etwaigen Nichterfüllung ergeben. Der Schluß von den Rechtsfolgen auf den Tatbestand ist an dieser Stelle problematisch, 7 da der Gesetzgeber für den Dienstvertrag nicht 5 Allgemein vgl. nur Jakobs, Unmöglichkeit, S. 42; Staudinger/Olzen (2000) § 362 Rn. 19. Wohl auch MünchKomm/Wenzel § 362 Rn. 3: keine Erfüllung durch „unzureichende“ Leistung. Für den Dienstvertrag W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 498; Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 402 f.; Hartung, Schlechtleistungs, S. 96 ff. Für den Arbeitsvertrag: Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 122; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 68 ff., 76 f.; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 17 ff. (bzgl. Akkordvertrag); Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 27; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 69; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 65 ff., 73 ff., 83 ff., in Anlehnung an Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 289; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 650 f.; Rabe, Lohnminderung, S. 50 ff.; Beuthien, ZfA 1972, 73, 74; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 141 ff. Vgl. auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 254 a. E. (S. 17), zum BGB. 6 So ausdrücklich für den Dienstvertrag: RG (Urt. v. 7. 12. 1920) NZfA 1921, 166, 167; E. Wolf, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, S. 387 f., 503; Fikentscher, 9. Aufl., Schuldrecht, § 42 I. 2. c); wohl auch Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 557. Ebenso BGH (Urt. v. 4. 3. 1982) NJW 1983, 1188, 1189 (betr. Gesellschaftsvertrag). Für den Arbeitsvertrag: RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606; RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 230, 231; LAG Stuttgart (Urt. v. 7. 3. 1950) AP 51 Nr. 98; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, 1908, S. 68; Wölbling, Der Akkordund Tarifvertrag, 1908, S. 90; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 I. 6 (S. 236 f.); Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, § 8 B. I. 2. c) (S. 308); Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, 1960, S. 37; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, 1960, S. 96. 7 Dazu unten Zweiter Teil, § 4 I, S. 204 ff.

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ausdrücklich bestimmt, welche Rechtsfolgen sich aus einer Nichterfüllung ergeben. Die Nichtregelung konnte – und kann auch für die aktuelle Rechtslage – unterschiedlich zu interpretieren sein: Es kann gewollt sein, daß die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts, insbesondere die des zweiten Abschnitts (§§ 305 ff. BGB), eingreifen. Es kann aber auch eine Gesetzeslücke vorliegen, die durch Analogie zu schließen wäre. Es kann sich schließlich um ein sog. beredtes Schweigen des Gesetzgebers handeln, mit welchem der Ausschluß sämtlicher Rechtsfolgen zum Ausdruck gebracht werden soll. Keine dieser Alternativen wird durch das Gesetz zwingend vorgeschrieben. Eine dieser alternativen Rechtsfolgenanordnungen als zutreffend zu postulieren und aus ihr sogleich zu folgern, daß bereits der Tatbestand nicht erfüllt sein soll, überzeugte auch für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht. Auf der tatbestandlichen Ebene der Erfüllung traf und trifft der Gesetzgeber an keiner Stelle und für keinen Vertragstyp eine Aussage darüber, ob nur durch eine vertragsgemäße Leistung erfüllt werden kann oder auch durch eine Schlechtleistung. Die einzige Regelung dazu findet sich auch nach der Schuldrechtsreform in § 362 S. 1 BGB, der davon spricht, daß die geschuldete Leistung zu bewirken ist. So wird auch in den Motiven die Erfüllung als die „Befriedigung des Gläubigers durch Bewirkung der dem Schuldner obliegenden Leistung“8 verstanden. Ginge man allgemein oder auch nur für den Dienstvertrag davon aus, daß auch durch eine Schlechtleistung erfüllt werden könne, bedeutete dies – nach dem klaren Wortlaut des § 362 S. 1 BGB –, daß der Schuldner eine vertragsgemäße Leistung gar nicht schuldete. Dieser Schluß wurde für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auch vereinzelt von den Vertretern dieser Ansicht gezogen. So wurde vorgetragen, es genüge zu Erfüllung, daß die Leistung die dem Schuldinhalt gemäßen Individualmerkmale oder Gattungsmerkmale aufweise. Es gehöre nicht oder doch nur ausnahmsweise zum Schuldinhalt, daß der Leistungsgegenstand fehlerfrei sein müsse; die Fehlerhaftigkeit der Leistung sei insofern von der unvollständigen Leistung und dem aliud zu unterscheiden.9 Ausdrücklich wurde für den Dienst- bzw. Arbeitsvertrag behauptet, es liege eine „fehlerhafte Erfüllung“ – aber eben eine Erfüllung – vor, wenn z. B. der Arzt eine falsche Diagnose stelle oder eine falsche Therapie anwende, wenn der Rechtsanwalt einen Klienten rechtlich falsch berate oder der Arbeitnehmer schlechte Arbeit leiste. Ein Autoschlosser, der die Radmuttern nicht anziehe oder bei der Inspektion den Ölstand nicht prüfe, erbringe die geschuldeten

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(Hervorhebung durch Verf.). So schon Staub, Die positiven Vertragsverletzungen, S. 11 ff.; Heinrich Stoll, AcP 136 (1932), 257, 273 ff., 277 ff.; E. Wolf, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, S. 387 f., 503; Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 92 ff. 9

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Dienste schlecht. Dennoch soll er durch diese schlechten Dienste seine Verpflichtung erfüllen können, wenn dies auch an seiner Haftung nichts ändere.10 Für den Standpunkt, durch nicht vertragsgemäße Dienste könne erfüllt werden, wurde ein aus § 363 BGB entwickeltes Argument vorgetragen. Da durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz diese Norm nicht verändert wurde, ist die Argumentation auch nach neuer Rechtslage noch möglich: Nach § 363 BGB trifft den Gläubiger, der die Leistung als Erfüllung angenommen hat, die Beweislast dafür, daß die Leistung unvollständig oder eine andere als die geschuldete war. Der Wortlaut der Norm erfaßt also nicht den Fall der mangelhaften Leistung. Aus der Ungleichbehandlung dieser Fälle sei zu schließen, daß diese auch im Rahmen des § 362 BGB ungleich zu behandeln seien. Demgegenüber wird zutreffend darauf hingewiesen, daß der Schluß von § 363 BGB, der lediglich eine Beweislastregel aufstellt, auf § 362 BGB keineswegs zwingend ist.11 Im übrigen ist anhand der Entstehungsgeschichte des Gesetzes mit der herrschenden Meinung festzustellen, daß § 363 BGB gar keine Ungleichbehandlung bewirkt, da die Fälle der mangelhaften Leistung von der Beweislastumkehr miterfaßt sein sollen.12 Nach den Motiven sollte der geplante § 367 sogar ausschließlich nur die Fälle der mangelhaften Leistung erfassen; die Fälle des aliuds und der Unvollständigkeit der Leistung sollten ausdrücklich ausgenommen bleiben.13 Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs war hingegen der Ansicht, daß die Regelung aus Gründen der Billigkeit auf die Fälle des aliuds und die Fälle geringerer Quantität auszudehnen sei.14 Entsprechend wurde die Regelung auf alle drei Fälle erstreckt.15 Im weiteren Verfahren entfielen dann jedoch die Worte „oder mangelhaft“,16 ohne daß hierfür andere Gründe als die der Straffung des Gesetzestextes ersichtlich wären. Aus § 363 BGB läßt sich also allenfalls der Schluß ziehen, daß die Fälle der Lieferung eines aliuds, der Teilleistung und der Mangelhaftigkeit der Leistung auch im Rahmen des § 362 S. 1 BGB gleich zu behandeln sind. Der Ansatz, nach dem auch eine nicht vertragsgemäße Leistung zur Erfüllung ausreichen könne, wurde für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aber vor allem vertreten, um Rechtsprobleme beim Kaufver10

E. Wolf, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, S. 503. W.-H. Roth VersR 1979, 494, 498 Fn. 59. 12 RG (Urt. v. 30. 4. 1904) RGZ 57, 399, 400; RG (Urt. v. 10. 12. 1924) RGZ 109, 295, 296; Planck/Siber § 363 Anm. 2; F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 141 2. (S. 796); Staudinger/Olzen (2000) § 363 m.w.Nachw.; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., (1978), § 363 Rn. 24 m.w.Nachw. 13 Motive, Bd. 2, S. 204 f. 14 Protokolle II, Bd. 1, S. 637. 15 BGB-Entwurf nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches“, abgedruckt in Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432, S. 471. 16 BGB-Entwurf nach der „Zusammenstellung des Beschlüsse der Redaktions-Kommission“, abgedruckt in Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432, S. 471. 11

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trag über eine Speziessache erklären zu können. Für den Kaufvertrag war nach alter Rechtslage weitgehend anerkannt, daß der Erfüllungsanspruch des Käufers auch dann erlischt, wenn der Verkäufer eine mangelhafte Speziessache leistet. Der Grund dafür lag darin, daß sich der Schuldinhalt auf diese eine Sache beschränkte.17 Zur Nachbesserung oder zur Lieferung einer Ersatzsache sollte der Verkäufer gerade nicht verpflichtet sein. Allerdings war schon nach der früheren Rechtslage der Untergang des Erfüllungsanspruchs nicht zwingend darauf zurückzuführen, daß der Verkäufer mit der mangelhaften Speziessache erfüllt hätte. Vielmehr nahm die sog. Nichterfüllungstheorie zutreffend an, daß mit der Lieferung einer mangelhaften Speziessache das berechtigte Interesse des Käufers, welcher sich verpflichtet hat, den Kaufpreis für die Lieferung einer Sache von vertragsgemäßer Beschaffenheit zu zahlen, nicht befriedigt sei.18 Aus diesem Grund sei die Lieferung einer mangelhaften Sache keine Erfüllung des Vertrages.19 Aber selbst wenn man mit der gegenteiligen Ansicht davon ausgegangen wäre, daß der Verkäufer einer Speziessache durch die Leistung dieser Sache erfüllen könne, auch wenn die Sache mangelhaft ist, hätten sich die von dieser Ansicht vorgetragenen Argumente auf den Dienstvertrag nicht übertragen lassen. Maßgeblich war in diesem Zusammenhang das Argument, daß sich der Schuldinhalt bei der Verpflichtung zur Leistung einer Speziessache auf diese beschränke. Hätte man die mangelhafte Sache zur Erfüllung nicht genügen lassen, hätte der Verkäufer gar nicht erfüllen können. 20 Diese Argumentation ließ sich auch im Ansatz nicht für den Dienstvertrag fruchtbar machen; auch nicht, wenn man die Dienstverpflichtung als Speziesschuld begreift oder sie in die Nähe der Speziesschulden stellt. 21 Der Dienstverpflichtete ist regelmäßig nicht in der Situation, daß er die Dienste entweder nur „mangelhaft“ oder gar nicht erbringen kann. Vielmehr kann er regelmäßig die Dienste mangelfrei erbringen. Es gab und gibt damit keinen Grund, dem Dienstverpflichteten nach der Erbringung mangelhafter Dienste zu attestieren, daß er erfüllt habe. Erst recht ist der Ausgangspunkt, nach dem der Dienstverpflichtete von vornherein nur eine Schlechtleistung schulden soll, abzulehnen. Diese These hätte zur Konse17 Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 4 I.; H.-H. Jakobs, Unmöglichkeit, S. 42; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 35 ff., 129 ff.; Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 147; W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 498. 18 Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 151 ff., hier insbesondere Rn. 171 m.w.Nachw. 19 Insbesondere Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 41. Zustimmend U. Huber, ebenda, und ZIP 2000, 2273, 2276. 20 Larenz, Schuldrecht Besonderer Teil, Bd. 2, 1. Halbbd., § 41 II; Planck/Knoke § 459 Anm. 1.c) m.w.Nachw. Der Vertrag wäre also auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung gerichtet und damit gem. § 306 BGB a. F. nichtig. Dazu Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 150, 154. 21 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 2. b) (1) (b), S. 137.

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quenz, daß der Dienstverpflichtete, der die Dienste möglichst wirtschaftlich erbringen möchte, ihre (kostenintensive) Qualität so weit herabsenken könnte und müßte, bis er – den Bereich der Schlechterfüllung noch gerade einhaltend – an die Grenze zur (teilweisen) Nichterfüllung stieße (bzw. bis er mit Schadensersatzansprüchen rechnen müßte). Weder ein solcher Grundsatz noch seine Folgen können dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Vielmehr ist allgemein, also für sämtliche Vertragstypen, anzunehmen, daß die Leistung, um die Erfüllungswirkung herbeiführen zu können, „ordnungsgemäß“, d. h. auch „mangelfrei“, sein muß. 22 Es ist „von der „allgemeinen obligationsrechtlichen Erwägung aus[zugehen], daß Verträge, wie sie vereinbart werden . . ., auch zu erfüllen sind, . . .“. 23 Vorbehaltlich einer anderweitigen ausdrücklichen Regelung vereinbaren auch die Parteien eines Dienstvertrages eben nicht, daß der Dienstverpflichtete die Dienste auch „schlecht“, „mangelhaft“ oder „fehlerhaft“ erbringen darf. Würden die Erbringer von Diensten bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich erklären, sie behielten sich vor, die Leistung auch „schlecht“, „mangelhaft“ oder „fehlerhaft“ erbringen zu können, bliebe der Abschluß des Vertrages in aller Regel aus. Erst recht kann man nicht unterstellen, die Parteien träfen eine solche Regelung stets konkludent. Vielmehr gehen die Parteien in aller Regel übereinstimmend davon aus, daß die Dienste – in einer noch näher zu beschreibenden Art und Weise24 – ordnungsgemäß zu erbringen sind. Dies gilt auch in den von der Mindermeinung angeführten Beispielsfällen: Es ist nicht ersichtlich, warum der Arzt, der eine Diagnose fehlerhaft erstellt oder eine falsche Therapie angewandt hat, erfüllt haben sollte. Eine Befriedigung des Gläubigers ist hier ebensowenig eingetreten wie im Falle des durch seinen Rechtsanwalt unrichtig beratenen Mandanten. Im Ergebnis ist daher allgemein und insbesondere für den Dienstvertrag festzustellen, daß die Erfüllung gem. § 362 S. 1 BGB nur durch eine vertragsgemäße und vollständige, also eine ordnungsgemäße Leistung eintritt. Freilich ergeben sich aus dem Nichteintritt der Erfüllungswirkung nicht zwangsläufig bestimmte Rechtsfolgen zugunsten des Gläubigers.

22 So schon Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 291: „Die „vollständige“ Leistung ist die exakte Erfüllung der Schuldnerpfl icht, der Haupt- wie der Nebenpfl icht in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Beziehung. Eine nähere Bestimmung des Gegenstandes der Leistung ist die Qualität des Geleisteten. Es wird nicht vollständig geleistet, wenn in bezug auf die Qualität unterobligationsmäßig geleistet wird.“ Weiter: H.-H. Jakobs, Unmöglichkeit, S. 42; Staudinger/Olzen (2000) § 362 Rn. 19; W.-H. Roth VersR 1979, 494, 498. Wohl auch MünchKomm/Wenzel § 362 Rn. 3: Keine Erfüllung durch „unzureichende“ Leistung. 23 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 36. 24 Unten Erster Teil, § 3 II., S. 95 ff.

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2. Erfüllung durch Teilleistung oder nicht vertragsgemäße Leistung nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat an den Grundsätzen über die Erfüllung der Leistungspflicht gem. § 362 BGB nichts geändert. Das gilt zunächst für die unvollständig geleisteten Dienste. Das Gesetz bringt vor allem durch den Anspruch auf Nacherfüllung, wie er in § 281 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB Erwähnung findet, 25 aber auch durch die §§ 320 Abs. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck, daß eine Teilleistung keine Erfüllung herbeiführt. Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber in einer Reihe von Vorschriften Ansprüche des Gläubigers auf Nacherfüllung klargestellt bzw. eingefügt. Das gilt insbesondere für den Fall der nicht vertragsgemäßen Leistung durch den Schuldner. Wenn das Gesetz in § 281 Abs. 1 S. 1, 3 BGB und § 323 Abs. 1, 5 S. 2 BGB den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung bzw. den Rücktritt davon abhängig macht, daß der Gläubiger eine angemessene Frist zu Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, ist damit zugleich gesagt, daß ein solcher Anspruch auf Nacherfüllung besteht. Nach der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz stellt die Nacherfüllung einen Unterfall der Leistung dar. Ihre ausdrückliche Erwähnung sei an sich nicht notwendig; sie erscheine jedoch zweckmäßig, um deutlich zu machen, daß der ausgebliebene „Leistungsrest“, zu dessen Erbringung aufgefordert werde, einen etwas unterschiedlichen Inhalt haben könne, je nachdem, ob der Schuldner überhaupt nicht geleistet oder einen Teil der geschuldeten Leistung erbracht habe. Auf den letzten Fall beziehe sich der Ausdruck „Nacherfüllung“. 26 Nacherfüllung soll also geschuldet sein, wenn der Schuldner nur „einen Teil der geschuldeten Leistung“ erbracht hat. Berücksichtigt man die Terminologie des Gesetzes, 27 scheint die Gesetzesbegründung darauf hinzuweisen, daß sich die Nacherfüllung auf den Fall der teilweisen Nichterfüllung beschränken soll. Eine solche Beschränkung kommt aber in den §§ 281 Abs. 1 S. 1 und 3, 323 Abs. 1 und 5 S. 2 BGB nicht zum Ausdruck und ist auch nicht gewollt. § 281 Abs. 1 S. 1, 3 BGB erfaßt ausdrücklich auch die „nicht wie geschuldet“ erbrachte, also die nicht vertragsgemäße28 Leistung. Auch § 323 Abs. 1, Abs. 5 S. 2 BGB erstreckt sich auf die nicht vertragsgemäße Leistung. Dies wird in der Gesetzesbegründung zu § 281 BGB auch dadurch deutlich, daß der allgemeine Nacherfüllungsanspruch im folgenden mit dem Nacherfüllungsanspruch des Käufers verglichen wird, der diesem im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache gem. § 439 BGB zusteht. In der Begründung zu § 323 25

Dazu Zweiter Teil, § 5 I., 348 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 138. 27 Oben Erster Teil, § 1 I., S. 8 f. Vgl. dort aber auch zur den Schwierigkeiten bei der Verwendung des Begriffs „Teil“ (einer Leistung). 28 Oben Erster Teil, § 1 I., S. 8 f. 26

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BGB wird der Anspruch auf Nacherfüllung im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung ebenfalls angesprochen. 29 Der Anspruch auf Nacherfüllung, der in den §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB genannt wird, erfaßt damit nicht nur die Fälle der teilweisen Nichtleistung, sondern auch den Fall der nicht vertragsgemäßen Leistung durch den Schuldner. Besteht aber auch im Falle nicht vertragsgemäßer Leistung ein Nacherfüllungsanspruch, 30 stellt die nicht vertragsgemäße Leistung keine, jedenfalls keine vollständige Erfüllung des Vertrages gem. § 362 Abs. 1 BGB dar. 31 Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur gelangen, wenn man annähme, daß ein Anspruch auf Nacherfüllung auch noch gegeben sein könnte, wenn die Erfüllung der Leistungspflicht bereits eingetreten ist. Der Anspruch auf Nacherfüllung ist jedoch Teil des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs; solange er noch besteht, ist die Pflicht nicht vollständig erfüllt. Die Ansicht, nach der gegen diese These (für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) der Wortlaut des § 363 BGB angeführt wurde, kann – wie bereits für die alte Rechtslage ausgeführt wurde32 – nicht überzeugen. Gegenüber den Stimmen, die nach früherer Rechtslage gegen diese These Argumente aus der Lage des Verkäufers einer mangelhaften Speziessache hergeleitet wollten, 33 sind die Änderungen des Kaufrechts zu berücksichtigen. Das Gesetz verpflichtet nunmehr in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB auch den Verkäufer einer mangelhaften Speziessache ausdrücklich, mangelfrei zu liefern. Liefert er dennoch mangelhaft, kann der Käufer gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB Nacherfüllung verlangen. Von seiner Erfüllungspfl icht wird der Verkäufer lediglich durch § 439 Abs. 3 BGB oder § 275 Abs. 1 und 2 BGB frei, wenn die Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder wenn sie unmöglich ist. Es besteht also auch beim Verkauf einer mangelhaften Speziessache ein Erfüllungsanspruch. Die Argumentation der sog. Gewährleistungstheorie, 34 nach der wegen des angeblichen Nichtbestehens eines Erfüllungsanspruchs bzw. einer 29

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 184. Damit ist nicht gesagt, daß auch die nicht vertragsgemäße Dienstleistung einen Nacherfüllungsanspruch nach sich zieht. Dazu erst unten Zweiter Teil, § 5 I., S. 348 ff. 31 Zum Dienstvertrag nach neuer Rechtslage anders Fikentscher/Heinemann, § 83 VI. 3. b); Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 77 ff. Nicht eindeutig Peukert, AcP 205 (2005), 430, 459, 461, 481 f., der einerseits annimmt, der Dienstverpfl ichtete schulde sorgfältige (also ordnungsgemäße) Dienste. Bei schuldlos sorgfaltswidrig erbrachter Tätigkeit liege aber kein Leistungsdefizit vor, da „nicht zu vertretende Verletzungen . . . das konditionelle Synallagma nicht berühren“ (S. 481 f.). Das ist reine Konstruktion. Tatsächlich will der Dienstberechtigte die Vergütung stets nur für ordnungsgemäße Dienste erbringen. Ob die Fehlerhaftigkeit der erbrachten Dienste auf einem Verschulden beruhen oder nicht, ist irrelevant. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird jedoch häufig ein ähnlicher Ansatz propagiert, vgl. Dritter Teil, § 7 III., S. 454 ff. 32 Oben Erster Teil, § 3 I. 1, S. 89. 33 Oben Erster Teil, § 3 I. 1, S. 89 f. 34 Larenz, Schuldrecht Besonderer Teil, Bd. 2 , 1.Halbbd., § 41 II. 30

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Erfüllungspflicht auch mit der mangelhaften Sache erfüllt werden konnte, ist damit nach neuer Rechtslage ohne Basis. Im Ergebnis ist daher für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auch bzw. erst recht festzustellen, daß im Falle einer nicht vertragsgemäßen Leistung allgemein und für den Dienstvertrag im besonderen keine vollständige Erfüllung des Gläubigers bewirkt wird. 3. Ergebnis zu I. Zusammenfassend gilt daher, daß sowohl nach alter wie nach neuer Rechtslage der Schuldner mit einer nicht ordnungsgemäßen Leistung nicht gem. § 362 Abs. 1 BGB erfüllen kann. Das gilt sowohl für die Teilleistung als auch für die nicht vertragsgemäße Leistung, also die Schlechtleistung. Gründe, den Dienstvertrag von dieser allgemeinen Regel auszunehmen, bestehen nicht. Mit der Aussage, daß nicht vertragsgemäße Dienste keine Erfüllung des Dienstvertrages herbeiführen, wird zu den Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzung noch nichts gesagt. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Nichteintritt der Erfüllungswirkung insbesondere Nacherfüllungs- oder Schadensersatzansprüche begründet oder das Recht zur Minderung eröffnet, bleibt der weiteren Prüfung vorbehalten. 35 Trotzdem ist die Feststellung des Nichteintritts der Erfüllungswirkung für diese Rechtsfolgen von Bedeutung. Denn durch sie wechselt die „Darlegungslast“. Würden die nicht vertragsgemäßen Dienste bereits die Erfüllung der Verpflichtung herbeiführen, müßten man annehmen, daß sämtliche Erfüllungs- und sog. Sekundäransprüche ohne weiteres entfallen. An der Verpflichtung des Gläubigers zur Zahlung der Vergütung in voller Höhe könnte kaum ein Zweifel bestehen. Stellt man jedoch wie hier fest, daß jedes Leistungsdefizit zu einer partiellen Nichterfüllung führt, ist der Weg für die Ansprüche des Dienstberechtigten eröffnet, zumindest ist er nicht verschlossen. Die Verpflichtung des Dienstberechtigten zur Zahlung der Vergütung in voller Höhe ist zweifelhaft. Die Begründungslast hat sich verschoben: Es bedarf nun weiterer Gründe, dem Dienstberechtigten, dessen Forderung nicht vollständig erfüllt wurde, Nachforderungsansprüche abzuschneiden und ihm weitere Rechtsbehelfe zu versagen. Bevor jedoch auf diese Rechtsfolgen eingegangen wird, ist es notwendig, die Voraussetzungen der Ordnungsgemäßheit der Dienste näher zu bestimmen. Denn erst aus der – möglichst randscharfen – Defi nition der ordnungsgemäßen Dienste läßt auf ihr Gegenteil, die unvollständigen oder nicht vertragsgemäßen Dienste, schließen. Erst die Bestimmung der Ordnungsgemäßheit und deren Negation im Einzelfall eröffnet das eigentliche Betätigungsfeld des Juristen:

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Unten Zweiter Teil, § 5, S. 347 ff.

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die Anknüpfung von Rechtsfolgen aufgrund einer Leistungsstörung. Erst nach der „Definition“ der ordnungsgemäßen Leistung wird ihre Kehrseite beleuchtet, also die unterschiedlichen Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungen. Nach der Darstellung der komplexen Abgrenzungsprobleme zwischen vollständiger und teilweiser Schlecht- bzw. Nichterfüllung (Zweiter Teil, § 4) kann auf die Rechtsfolgen für die unterschiedlichen Fallkonstellationen eingegangen werden (Zweiter Teil, § 5).

II. Die „Ordnungsgemäßheit“ der Dienste Nur durch die Erbringung einer ordnungsgemäßen Leistung kann der Dienstverpflichtete erfüllen. Sämtliche erbrachten Dienste, denen das Prädikat der Ordnungsgemäßheit nicht verliehen werden kann, stellen Pfl ichtverletzungen dar. In der Literatur ist daher zu Recht wiederholt auf die Bedeutung der korrekten Bestimmung des Inhalts der Verpfl ichtung zur Leistung von Diensten hingewiesen worden; 36 dennoch zählt diese Frage nicht gerade zu den meistbehandelten Themen der schuld- und arbeitsrechtlichen Literatur. 37 Das ist verständlich, denn die Bestimmung der Ordnungsgemäßheit bereitet für den Leistungsgegenstand „Dienste“ gerade in Anbetracht der Vielgestaltigkeit dienstvertraglicher Vereinbarungen nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die Gerichte, vor allem die Arbeitsgerichte, mußten sich diesen Schwierigkeiten freilich stellen. Doch konnte die Entwicklung der Rechtsprechung nur vom Einzelfall zum Grundsätzlichen hin erfolgen. Dabei wurden bisweilen Lösungswege eingeschlagen, die überdenkenswert erscheinen. Um so notwendiger erscheint es daher, die Reise einmal in umgekehrter Richtung anzutreten, ausgehend vom Grundsätzlichen hin zu den Besonderheiten bestimmter dienstvertraglicher Konstellationen. 1. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch die Vertragsparteien Es sind die Vertragsparteien, die den Inhalt der dienstvertraglichen Verpfl ichtung festlegen. Den Parteien eines Dienstvertrages ist es jedoch unter normalen Umständen nicht möglich, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Dienste exakt zu definieren. In der Regel begnügen sich die Vertragsparteien sogar mit einer ganz rudimentären Bestimmung der zu leistenden Tätigkeit sowie mit der Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des 36 Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 29 I a. E.; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 639; Zeuner, Karlsruher Forum 1988, Beiheft zu VersR 1989, S. 3, 7; Hirte, Berufshaftung, S. 362. Für den Arbeitsvertrag Rabe, Lohnminderung, S. 38. 37 Die bedauert schon Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 23.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Dienstberechtigten. Unter 1. wird dargestellt, wie die Bestimmung und die Konkretisierung der Leistungspflicht durch die Vertragsparteien erfolgt. Im Anschluß wird unter 2. die Frage behandelt, ob die relative Unbestimmtheit der Verpflichtung durch die (analoge) Anwendung gesetzlicher Bestimmungen gemindert wird oder de lege ferenda gemindert werden sollte. Im Ergebnis wird diese Frage verneint. Um so dringender stellt sich daher die entscheidende, unter 3. behandelte Frage nach der Auslegung des Leistungsversprechens des Dienstverpflichteten, d. h. nach der Bestimmung des Schuldinhalts im Einzelfall. a) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Dienstvertrag Bei der Bestimmung der zu leistenden Dienste durch die Vertragsparteien soll zunächst vom Grundfall des Dienstvertrages ausgegangen werden; die Besonderheiten des Arbeitsvertrages werden unter b) dargestellt. (1) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch beide Vertragsparteien Der Inhalt der dienstvertraglichen Verpfl ichtung wird durch beide Vertragsparteien gemeinsam bestimmt; diese können sich aber auch darauf einigen, daß Ausschnitte aus dem Pflichtenprogramm nachträglich von einer Vertragspartei festgelegt werden (dazu (2)). Als Ausgangspunkt wird jedoch die Festlegung der Leistung durch beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewählt: (a) Festlegung des Leistungsrahmens Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Schuldner zur Leistung der „versprochenen“ Dienste verpflichtet, nach Absatz 2 der Norm können „Dienste jeder Art“ Gegenstand des Dienstvertrages sein. 38 Beide Regelungen betonen, daß sich die Vertragsfreiheit der Parteien, die einen Dienstvertrag schließen, grundsätzlich auch auf den Inhalt des Vertrages erstreckt. Innerhalb der Grenzen des zwingenden Rechts, insbesondere der §§ 134, 138 Abs. 2 BGB, sind die Parteien also völlig frei, den „Inhalt“ der zu leistenden Dienste festzulegen. Dabei werden unter dem „Inhalt“ des Dienstvertrages hier sämtliche Leistungsmodalitäten, d. h. Zeit, Ort und sowie der „eigentliche Leistungsinhalt“ der Tätigkeit, verstanden.

38 Die Vorschrift sollte klarstellen, daß das BGB die auf römischem Recht beruhende Unterscheidung zwischen den operae illiberales und den operae liberales nicht übernommen hat. Vgl. Motive, Bd. 2, S. 455 f. Zur Entstehungsgeschichte und historischen Bedeutung der Unterscheidung Hirte, Berufshaftung, S. 148 ff. m.w.Nachw. Da es für diese Klarstellung heute keine Notwendigkeit mehr gibt, könnte sie entfallen; so bereits 1983: Lieb, Gutachten, S. 183, 200.

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Der „eigentliche Leistungsinhalt“ einer dienstvertraglichen Verpfl ichtung stellt schon auf der begriffl ichen Ebene eine Herausforderung dar, und zwar nicht nur für die Vertragsparteien, die den Leistungsinhalt konkretisieren müssen. Auch die abstrakte Beschreibung, d. h. die begriffl iche Aufgliederung des Leistungsinhalts, ist problematisch. So werden in der Literatur neben dem in § 611 Abs. 1 BGB gewählten Begriff der „Art“ der Dienstleistung zur Beschreibung des Leistungsinhalts eine Vielfalt von Begriffen herangezogen, die offenbar voneinander abgrenzbar sein sollen. Beispielsweise sollen „Art“, „Maß“ und „Umfang“39 bzw. „Art“, „Umfang“ und „Güte“40 oder auch nur „Art“ und „Umfang“41 voneinander zu trennen sein. Oder es werden unter „Umfang und Intensität“ die „Quantität“, die „Qualität“, das „Tempo“ und die „Modalitäten“ der Leistung verstanden. 42 Es soll die „Intensität“ ein Merkmal der „Qualität“ sein. 43 Die Verwendung derartiger Begriffe ist nicht grundsätzlich zu beanstanden; sie ist im Interesse rascher Verständlichkeit wohl unvermeidbar. Im allgemeinen werden diese Begriffe jedoch nicht defi niert, bzw. es wird nicht erläutert, anhand welcher Merkmale ihr Inhalte sich voneinander abgrenzen. Dies wird vor allem problematisch, wenn an die Begriffe unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden. 44 Sucht man den abstrakten Schuldinhalt einer dienstvertraglichen Verpfl ichtung zu beschreiben, läßt sich zunächst für die grobe Bezeichnung des „Gesamtinhalts“ auf den vom Gesetz verwendeten Begriff der „Art“ der Dienste zurückgreifen. Weiter konkretisierend läßt sich sagen, daß die (geschuldete) Dienstleistung bestimmte „Eigenschaften“45 hat, die ihre „(Soll-)Beschaffenheit“ ausmachen. Im übrigen empfiehlt sich jedoch eine abstrakte Unterscheidung beispielsweise zwischen „Art“ und „Güte“ oder zwischen „Quantität“ und „Qualität“ von Diensten nicht. Für den jeweiligen Einzelfall kommt es ohnehin ausschließlich auf den konkret vereinbarten Schuldinhalt bzw. die konkret erbrachte Leistung an. Bieten sich hier zur Beschreibung des Schuldinhalts – mangels besserer Alternativen – Begriffe wie „Qualität“ oder „Intensität“ an oder wurden sie sogar von den Vertragsparteien zur Beschreibung der Verpfl ichtung gewählt, ist gegen ihren Gebrauch freilich nichts einzuwenden.

Während Zeit und Ort der Tätigkeit im allgemeinen durch die Vertragsparteien sehr genau festgelegt werden, wird der Leistungsinhalt im engeren Sinne vielfach nur rudimentär bestimmt. Notwendig ist es, die „Art“ der geschuldeten Tätigkeit festzulegen. Die Festlegung der Art der Tätigkeit gehört zu den essentialia negotii, ohne die der Vertrag nicht zustande kommt.46 Diese Bestimmung erfolgt zumeist schlicht dadurch, daß der Dienstberechtigte den Erfolg, 39

Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 390 ff. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 8 1. (1) bis (3). 41 Zum Arbeitsvertrag: Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 23 ff., 46 ff. So auch § 29 Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, vgl. unten Fn. 538. 42 Zum Arbeitsvertrag: MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 64 ff. 43 Zum Arbeitsvertrag: Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 126, vgl. auch S. 117 mit Fn. 151 f. 44 So insbesondere bei der im Arbeitsvertragsrecht üblichen Abgrenzung zwischen „Quantitätsmängeln“ und „Qualitätsmängeln“, vgl. MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 1 ff. 45 Zur Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Eigenschaften unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (3), S. 221 f. 46 Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (bb), S. 106 ff. 40

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den er mit der Tätigkeit anstrebt, ausdrücklich oder konkludent offenbart. Der vom Gläubiger verfolgte Zweck definiert auf diese Weise die Art der Tätigkeit. Neben der Art der Tätigkeit treffen die Parteien in der Regel ausdrücklich oder konkludent noch weitere Bestimmungen hinsichtlich des Inhalts der Tätigkeit. Beispielsweise können sie vereinbaren, daß die Tätigkeit eine bestimmte Eigenschaft haben soll. Solche Eigenschaften können den wesentlichen Kern der Leistungspflicht betreffen oder auch nur Nebenaspekte der Tätigkeit. Der Nachhilfelehrer verpfl ichtet sich, bestimmte pädagogische Methoden anzuwenden; er sagt zu, den älteren Schüler zu siezen. Der Vermögensberater verpfl ichtet sich, bestimmte Anlagestrategien zu verfolgen; er ist damit einverstanden, Vermögensaufstellungen nur auf dem Wege verschlüsselter elektronischer Datenübermittlung zu übersenden.

Auch über die „Qualität“ – im Sinne von „Leistungsniveau“ oder „Leistungsstandard“ – der zu leistenden Dienste kommt es in der Regel zu einer (konkludenten) Einigung.47 Denn aus den näheren Umständen des Vertragsschlusses wird sich zumeist ergeben, welchen „Standard“ von bestimmten Diensten die Vertragspartei anbietet. So verspricht der Gymnasiallehrer, der Nachhilfe in Mathematik erteilt, einen höheren „Unterrichtsstandard“ als der zu demselben Zweck verpfl ichtete Mitschüler. Ganz allgemein verspricht ein professioneller Musiker ein höheres Leistungsniveau als ein Musikstudent oder ein Amateurmusiker.

Abgesehen von dieser konkludenten Bestimmung des „Leistungsniveaus“ kommt es indes selten zu einer ausdrücklichen, weiter konkretisierenden Festlegung. Dies liegt in den Schwierigkeiten, bestimmte Eigenschaften von Diensten zu benennen oder die „Qualität“ der Dienste „zu messen“, begründet. Eine eigentliche, ausdrückliche Festlegung des Leistungsniveaus ist nur dann möglich, wenn für die Tätigkeit reproduzierbare „Vorstücke“ existieren. Der für die Feierlichkeit engagierte Musiker kann sich verpfl ichten, „in Konzertqualität“ zu spielen.

Da die „Art“, die „Eigenschaften“ und die „Qualität“, das „Leistungsniveau“ oder der „Leistungsstandard“ nur sehr schwer voneinander abgrenzbar sind und weil eine Unterscheidung im Rahmen der folgenden Untersuchung auch nicht notwendig ist, läßt sich zusammenfassend von dem „Leistungsrahmen“48 sprechen, den die Vertragsparteien für die dienstvertragliche Verpfl ichtung festsetzen. Der Leistungsrahmen ist nichts anderes als die Grenze der ord-

47 Die Grenze zwischen der Bestimmung der „Art“ und der „Qualität“ einer Dienstleistung verläuft freilich fl ießend. 48 So z. B. auch MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 5, für den Arbeitsvertrag.

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nungsgemäßen Leistung. Überschreitet der Dienstverpfl ichtete den Rahmen, liegt eine nicht ordnungsgemäße Leistung vor. Beispiel Vermögensverwaltung: Dem Vermögensverwalter kommt aufgrund seiner fachlichen Kompetenz grundsätzlich ein weitgehendes Ermessen (vereinbarter Leistungsrahmen) hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit zu. Treffen die Vertragsparteien keine besonderen Absprachen, entscheidet der Vermögensverwalter, wann und wo er tätig wird und welche Art von Geschäften er tätigt. Der Leistungsrahmen ist – auch ohne ausdrückliche vertragliche Absprache – überschritten, wenn er überhaupt nicht tätig wird, wenn er das gesamte Vermögen ausschließlich auf einem festverzinslichen Sparbuch beläßt oder wenn er ausschließlich hochriskante Geschäfte 49 tätigt. Treffen die Parteien Absprachen – verengen sie also den Leistungsrahmen –, liegt keine ordnungsgemäße Leistung mehr vor, wenn diese „Anlagerichtlinien“ überschritten werden. 50

Der Begriff „Leistungsrahmen“ hat den Vorteil, daß er nicht verschleiert, sondern klar zutage treten läßt, daß der exakte Inhalt der dienstvertraglichen Verpflichtung eben nicht von den Vertragsparteien festgelegt wird. Wer dagegen davon spricht, die Dienstvertragsparteien vereinbarten eine bestimmten „Leistungsstandard“ oder der Dienstverpflichtete schulde eine bestimmte „Leistungsqualität“, mag zwar nicht unrecht haben; er suggeriert aber, daß die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den exakten Leistungsinhalt hätten festlegen können und wollen. Tatsächlich geht der erklärte (zumeist auch der innere) Wille der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber nur dahin, den Rahmen der geschuldeten Dienste festzulegen. Selbstverständlich kann der Grad an Regelungsdichte, den die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wählen, sehr stark differieren. Diese Regelungsdichte hängt insbesondere von der Regelungswilligkeit der Parteien, von der Art der Tätigkeit und von der Dauer der Tätigkeit ab. So lassen sich manche Tätigkeiten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand exakt beschreiben. Mit anderen Tätigkeiten soll der Dienstverpfl ichtete auf in der Gegenwart noch unbekannte Umstände reagieren (z. B. Behandlung durch Arzt, Vermögensverwaltung). Letztlich muß bei fast allen Dienstverträgen, die auf längere Dauer oder unbefristet geschlossen werden, die Tätigkeit den jeweiligen, sich verändernden Umständen angepaßt werden können. (b) Ist eine ausreichende Bestimmung des Leistungsinhalts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich? Mit der Eigenschaft der mangelnden Bestimmtheit des Schuldinhalts paßt der Dienstvertrag nicht ins Bild des typischen, „klassischen“ Vertrages, bei wel49 Der BGH geht insoweit von dem Grundsatz aus, daß „eine professionelle Vermögensverwaltung vernünftigerweise nicht ausschließlich auf hochriskante Optionsgeschäfte setzt“, BGH (Urt. v. 29. 3. 1994) WM 1994, 834, 836. 50 Vgl. BGH (Urt. v. 28. 10. 1997) BGHZ 137, 69, 72 ff.; OLG Karlsruhe (Urt. v. 16.3. 2000) WM 2001, 805, 808.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

chem sich Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixiert gegenüberstehen. Das Phänomen der Nicht-Fixierbarkeit von Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses teilt der Dienstvertrag freilich mit anderen Tätigkeitsverträgen sowie mit den Dauerschuldverhältnissen im allgemeinen. Die fehlende Bestimmtheit der dienstvertraglichen Leistung könnte Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrages wecken. Verträge unterliegen wie die Willenserklärungen, die sie begründen, dem Bestimmtheitserfordernis.51 Auch der Dienstvertrag wird daher erst wirksam, wenn die Verpflichtung zur Leistung von Diensten ausreichend bestimmt ist. 52 Man könnte generell oder auch nur in Einzelfällen bezweifeln, daß sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Leistungspflicht bereits so sehr konkretisiert hat, daß sie dem Bestimmtheitserfordernis genügt. 53 (aa) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Vertragsschlusses Solche Zweifel könnten Anlaß geben, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als maßgeblichen Zeitpunkt für die Festlegung der vertraglichen Pfl ichten und Rechte überhaupt aufzugeben. Wenn man aber annimmt, daß die Verpflichtung des Dienstverpflichteten nicht oder doch nicht vollständig zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsteht, liegt es nahe, auch den Ursprung der Verpfl ichtung nicht mehr in dem Vertragsschluß als solchem zu sehen. Der Ursprung der Leistungspflicht des Dienstverpflichteten (möglicherweise auch der des Dienstberechtigten) oder auch nur der Ursprung bestimmter Teile aus der Leistungspflicht (z. B. der Nebenpflichten) wäre damit nicht mehr der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erklärte Wille der Vertragsparteien. Die klassische, durch das römische Recht geprägte, vom Willensprinzip54 getragene Vertragstheorie wäre damit für den Dienstvertrag aufgegeben oder gelockert. Eine solche Aufgabe der „klassischen Vertragstheorie“ wird von der maßgeblich in den Vereinigten Staaten propagierten Theorie der relationalen Verträge (relational contracts theory) befürwortet. Eine Berücksichtung der Erkenntnisse dieser Theorie wird – zumindest für die rechtspolitische Diskussion – auch im deutschen Schrifttum gefordert. 55 Die Theorie der Relationalverträge hat in den Vereinigten Staaten bereits eine jahrzehntelange Entwicklung und Ausdifferenzierung hinter sich, die hier nicht nachgezeichnet werden

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Unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (bb), S. 106 ff. Für die Gegenleistung gilt dies wegen § 612 Abs. 1 und 2 BGB nicht. 53 Dahin gehend Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, 1978, S. 34: Es müßten Abstriche vom Erfordernis der Bestimmtheit gemacht werden. 54 Vgl. v. Savigny, System, Bd. 3, §§ 140, 141; ders., Obligationenrecht, Bd. 2, § 52; Flume, Rechtsgeschäft, § 33 1. (S. 599), § 34 1. (S. 618). Zur Kritik vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 88 ff., 156 ff. m.w.Nachw.; Ackermann, Haftung auf das negative Interesse, Erster Teil, § 4. 55 Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 174 f. 52

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kann. 56 Kern dieser Theorie ist die Neubestimmung des vertraglichen Verpflichtungsgrundes: Dieser könne nicht allein in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erklärten Willen der Vertragsparteien gesehen werden, sondern liege in einer Vielzahl von Verpflichtungselementen, die sich aus der Sozialbeziehung bzw. der wirtschaftlichen Beziehung der Parteien ergäben. 57 Allerdings konzedieren Vertreter dieser Theorie auch, daß das moderne (amerikanische) Vertragsrecht den Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen teilweise Rechnung trage. 58 Die Theorie der relationalen Verträge war ursprünglich auf bestimmte Defizite des amerikanischen Vertragsrechts, insbesondere für Dauerschuldverhältnisse, zugeschnitten, die das deutsche Vertragsrecht nicht bzw. nicht im selben Umfang kennt.59 Die Übertragung der Theorie oder ihrer Grundgedanken auf das deutsche Vertragsrecht ist aus diesem Grunde auch rechtspolitisch nicht ohne größere Anpassung möglich. Ihre Übertragung auf bestimmte Vertragstypen (z. B. den sog. Langzeitvertrag60 ) ist problematisch, weil die Theorie der relationalen Verträge im Grundsatz für das allgemeine Vertragsrecht, nicht aber für bestimmte Vertragstypen konzipiert war61 und der Ertrag dieser Theorie für die Lösung konkreter Rechtsanwendungsprobleme selbst im amerikanischen Recht bezweifelt wird.62 Eine Übertragung kann, da dem Vertragsrecht des BGB die klassische Vertragstheorie zugrunde liegt, schließlich nur de lege ferenda erfolgen.63 Ein solcher Versuch ließe sich allerdings nur rechtfertigen, wenn erwiesen wäre, daß das deutsche Dienstvertragsrecht – nach der Schuldrechtsmodernisierung – tatsächlich erhebliche oder doch wesentliche Defizite aufweist, die rechtspolitisch eine Abkehr von der Vertragstheorie erforderten. Selbst die Befürworter der relational contracts theory sehen das Hauptanwendungsfeld dieser Theorie innerhalb des deutschen Rechts aber bei den sog. komplexen Langzeitverträgen (Investitionsverträge, Energieverträge, 56 Vgl. Insoweit Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 155 ff.; Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 91 ff. 57 Vgl. Grundlegend Macneil, The many futures of contracts, Southern California Law Review 47 (1974) 691, 693, 726 ff. Während Macneil in erster Linie auf soziale Verpfl ichtungsgründe abstellt (z. B. Status, Gewohnheit, religiöse Pfl ichten, Verwandschaft), benennt Macaulay (Non-contractual relations in business, American Sociological Review 28 [1963] 55, 62 ff.) auch wirtschaftliche Bedingungen. Bei Williamson (The economic institutions of capitalism, 1985, S. 52 ff.) geht es bereits um bestimmte ökonomische Faktoren, die die Selbststeuerung des Verhaltens der Parteien zur Folge haben. 58 Macneil, Contracts, Northwestern University Law Review 72 (1978) 854, 885. 59 Dazu ausführlich Oechsler, RabelsZ 60 (1996) 91, 109 ff. 60 So die Anregung von Nicklisch, in: Nicklisch (Hrsg.), Langzeitvertrag, S. 24. 61 Vgl. Oechsler, RabelsZ 60 (1996) 91, 101 ff. 62 Vgl. Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 170. Auch der Anwendungsnutzen der deutschen Ausprägungen der relational contracts theory wird von Martinek in Frage gestellt (ebenda, Rn. A 171, 175). 63 Deutlich Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 172.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Projektverträge) und gerade nicht bei den Dauerschuldverhältnissen,64 zu denen sich auch der Dienst- und der Arbeitsvertrag zählen lassen. 65 Von größerer Relevanz für das geltende Recht sind daher die innerhalb der deutschen Rechtsordnung entwickelten Bestrebungen, sich von der Vertragstheorie zu lösen. Daß diese Bestrebungen denen der relational contracts theory an sich oder ihren deutschen Ausprägungen ähneln, liegt darin begründet, daß die relational contracts theory in ihren Ursprüngen (zumindest auch) auf deutsches juristisches Schrifttum zu germanisch-rechtlichen Instituten wie Gefolgschaft, Munt usw. zurückgeht,66 wenn auch die Erinnerung an diese Ursprünge im amerikanischen Schrifttum in Vergessenheit geraten sein mag.67 Der gemeinrechtliche Gedanke, daß sich die Verpfl ichtung – zumindest die Nebenpflichten – nicht aus einem Vertrag, sondern aus dem Status im Sinne einer „sozialen Beziehung“ bzw. dem Status einer Person ergeben könnte, hat sich bis heute aus dem deutschen Recht, jedenfalls dem Arbeitsrecht, 68 nicht vollkommen verdrängen lassen. Dies zeigt die im Arbeitsrecht immer wieder aufs neue diskutierte Frage, ob das Arbeitsverhältnis in erster Linie ein schuldrechtliches Austausch- oder aber ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis darstelle. Die Rechtsfigur des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses war von der nationalsozialistischen Rechtsordnung pervertiert worden; 69 dennoch hielt das Schrifttum der Nachkriegsära im Grundsatz an ihr fest, 70 auch wenn nun kritische Stimmen laut wurden. 71 Nichtsdestotrotz wird bis heute ein rein vertragsrechtlicher Charakter des Arbeitsverhältnisses nur 64

Nicklisch, in: Der komplexe Langzeitvertrag, 1987, S. 17 f., 24. Oben Erster Teil, § 2 II. 2. b) (1), S. 47 f. 66 Vgl. dazu Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 91, 114 ff. m.Nachw. 67 Vgl. Die Anmerkung Macneils in: Niklisch (Hrsg.), Langzeitvertrag, S. 34 Fn. 8: „Professor Niklisch’s references at the Conference to von Gierke and the German Civil Code provisions dealing with contractual relations confi rmed what I had long supposed was the case: the Germans are far ahead of us in thinking about the subject.“ 68 Auch der BGH sprach noch in seinem Urteil vom 11. 7. 1953 dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft einen Vergütungsanspruch unter Berufung auf § 242 BGB und die „Betriebsgemeinschaft“ zu und lehnte die Anwendung der §§ 323 ff. BGB damit im Ergebnis ab, obwohl er davon ausging, daß das Vorstandsmitglied aufgrund eines selbständigen Dienstvertrages tätig wurde, BGHZ 10, 187, 193; vgl. auch unten Fn. 81. 69 In der nationalsozialistischen Rechtsordnung ging das personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis mit Hilfe des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG ) v. 20. 1. 1934 in dem Gedanken der „Betriebsgemeinschaft“ zwischen dem „Führer des Betriebes“ und der „Gefolgschaft“ auf. Vgl. zudem §§ 66, 82 einer Regelung der Arbeit von 1942, dazu unten Erster Teil, § 3 II. 2. b) (2) (a), S. 149 f. Weiterführend zur Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsverhältnisses in der Zeit des Nationalsozialismus E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 41 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 381 ff.; Wiese, ZfA 1996, 439, 449 ff.; Brors, Fürsorgepfl icht, S. 22 ff.; Boemke, Schuldvertrag, S. 200 f.; Becker, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 2005, S. 435 ff., 528 ff., 540 ff. 70 Vgl. unten Fn. 76. Weitere Nachweise bei Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 16 Fn. 17. 71 Neumann, RdA 1951, 1, 2 f.; Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 18 ff.; Mavridis, RdA 1956, 444, 446 ff.; Farthmann, RdA 1960, 5, 6 ff.; Pinther, AuR 1961, 225, 65

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von Teilen der Literatur angenommen.72 Überwiegend wird im Schrifttum eine vermittelnde Position bezogen, nach der das Arbeitsverhältnis ein schuldrechtliches Austauschverhältnis mit „personalem“73, „personenbezogenem“74, „personenrechtlichem“75 Charakter bzw. ein Gemeinschaftsverhältnis76 sei. Die Rechtsprechung ergibt ein uneinheitliches Bild. Während der vierte Senat des BAG noch im Jahre 1998 auf die Figur des „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ zurückgriff, 77 finden sich aus demselben Jahr zwei Entscheidungen, in denen sich der erste und zweite Senat von dieser Rechtsfigur distanzieren. 78 Auch die Landesarbeitsgerichte entscheiden bis heute nicht einheitlich.79 Und bis heute bezeichnet das BAG das Arbeitsverhältnis als „Dauerschuldverhältnis mit personenrechtlichem Charakter“80. Demgegenüber ha228 ff. Weitere Nachweise bei Brors, Fürsorgepfl icht, S. 30 Fn. 172; Boemke, Schuldvertrag, S. 201 Fn. 32 sowie Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 16 f. Fn. 17. 72 Vehement E. Wolf, Arbeitsverhältnis, insbesondere S. 32 sowie S. 79 ff. Boemke, Schuldvertrag, S. 220 ff. Wohl auch MünchArb/Richardi, § 8 Rn. 18, sowie Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 72: Austauschverhältnis mit gesteigerten materiellen und ideellen Schutz- und Rücksichtspfl ichten. Ohne diese Adjektive Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 72. 73 Wiese, ZfA 1996, 439, 456 m.w.Nachw. in Fn. 104; Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 38; Preis, Individualarbeitsrecht, § 6 III, § 24; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 11 II. 7. b); Wendeling-Schröder, Autonomie im Arbeitsrecht, S. 72 f.; Annuß, ZfA 2004, 283, 306; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 161. 74 Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 87; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 7 2. (6): „personenbezogene Bindungen“; Söllner/Waltermann, Grundriss des Arbeitsrechts, § 4 I. 2. b), sprechen nur von einer Einbeziehung der Person in die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpfl ichtung. 75 Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), Vor § 611 Rn. 10, 34 f., 300; Siebert, Faktische Vertragsverhältnisse, 1958, S. 82 ff. „status“. 76 Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, 1957, § 18 I.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 1 II. 1.; Hueck/ Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 22 II.; Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 25 ff. 77 BAG (Urt. v. 28. 1. 1998–4 AZR 473/96), n.v. Und früher: BAG (Urt. v. 20. 2. 1986) AP Nr. 31 zu § 123 BGB; BAG (Urt. v. 29. 8. 1984) AP Nr. 27 zu § 123 BGB; BAG (Urt. v. 16. 9. 1982) AP Nr. 24 zu § 123 BGB; BAG (Urt. v. 10. 11. 1955) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspfl icht. Das BVerfG, (Urt. v. 22. 4. 1958) BVerfGE 7, 342, 349 f., hatte sich dem angeschlossen. 78 BAG (Urt. v. 3. 12. 1998) AP Nr. 49 zu § 123 BGB; BAG (Urt. v. 17. 11. 1998) AP Nr. 162 zu § 242 BGB. Und schon BAG (Urt. v. 22. 8. 1974 ) AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972. 79 Von einem „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis“ gehen aus: LAG Nürnberg (Urt. v. 28. 8. 2003) AR-Blattei ES 60 Nr. 36; LAG Mainz (Urt. v. 30. 10. 1997–11 Sa 132/97), n.v. Distanzierend: LAG Frankfurt (Urt. v. 22. 5. 1998–7 Sa 1263/97), n.v. 80 BAG (Urt. v. 15. 8. 2002) AP Nr. 241 zu § 613a BGB; BAG (Urt. v. 16. 2. 1989) AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969; BAG (Urt. v. 18. 2. 1986–2 AZR 638/85), n.v.; BAG (Urt. v. 14. 6. 1984–2 AZN 211/84), n.v.; BAG (Urt. v. 15. 2. 1984) AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969; BAG (Urt. v. 27. 10. 1983–2 AZR 209/82), n.v.; BAG (Urt. v. 24. 8. 1983–7 AZR 403, 419, 420, 421, 437, 459, 461 und 485/81), n.v.; BAG (Urt. v. 2. 10. 1974) AP Nr. 1 zu § 613a BGB; BAG (Urt. v. 20. 12. 1958) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Urlaubskarten; BAG (Urt. v. 17. 7. 1958) AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lohnanspruch; BAG (Urt. v. 15. 11. 1957) AP Nr. 2 zu § 125 BGB. Erstmals nach 1945 wurde in BAG (Urt. v. 24. 2. 1955), AP Nr. 2 zu § 616 BGB, der Charakter des Arbeitsvertrages als schuldrechtliches Austauschverhältnis zurückgedrängt und an dem Gedanken einer „auf Treue und Fürsorge gegründeten personenrechtlichen Beziehung“ festgehalten. Vorsichtiger

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ben der BGH81 und das BSG82 ihr ursprüngliches Festhalten am „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis“ offenbar vollkommen aufgeben. Mit der Annahme eines „Sonderverhältnisses“ – gleich welcher Art – zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist freilich noch nichts über den Ursprung der vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten aus diesem Verhältnis gesagt. Selbst wenn man das Arbeitsverhältnis als Gemeinschaftsverhältnis bezeichnet, kann man den Grund für die Bindung der Vertragsparteien in ihrem (erklärten) Willen sehen. Es ist jedoch nicht ganz einfach, als Grund für die aktuelle Bindung an eine Pflicht, einen Willen der Parteien anzuerkennen, den diese möglicherweise zum Zeitpunkt eines Jahrzehnte zurückliegenden Vertragsschlusses gehabt haben mögen.83 Dies gilt gerade, wenn sich diese Pflichten im Laufe der Jahre z. B. aufgrund der technischen Entwicklung geändert haben. Der Gedanke eines besonderen Statusverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber legt daher eine Abkehr vom klassischen Vertragsprinzip zumindest nahe. Eine solche Loslösung des selbständigen Dienstvertrages als Dauerschuldverhältnis vom Schuldvertrag war vor allem von von Gierke propagiert worden: Die Schuldverträge seien Instrumente des Güteraustauschs wie der Kauf und der Tausch. Die Dienstverträge seien „Geschäfte der sozialen Organisation“. 84 Der Dienstvertrag bewahre „die Kraft, über die rein schuldrechtliche Beziehung hinaus ein personenrechtliches Verhältnis“85,

schon damals BAG GS (Urt. v. 17. 12. 1959) AP Nr. 21 zu § 616 BGB, der nur von „personenrechtlichen Elementen“ und der „personalrechtlichen Struktur des Arbeitsverhältnisses“ spricht. 81 BGH (Urt. v. 23. 2. 1989) AP Nr. 9 zu § 611 BGB Treuepfl icht. Schon in BGH (Urt. v. 22. 6. 1956), BGHZ 21, 112, 114, wurde nur noch der „personenrechtlichen Charakter“ des Arbeitsverhältnisses erwähnt. Früher demgegenüber: BGH (Urt. v. 11. 7. 1953) BGHZ 10, 187, 190, vgl. oben Fn. 68. 82 BSG (Urt. v. 6. 3. 2003) SozR 4–4300 Nr. 2 zu § 144 BGB. Anders noch: BSG (Urt. v. 15. 5. 1985) SozR 4100 Nr. 26 zu § 119 BGB. 83 Zur Kritik an der Vertragstheorie grundlegend M. Weber, Rechtssoziologie, S. 333; Macneil, The many futures of contracts, Southern California Law Review 47 (1974) 691, 803 ff.; Joerges AG 1991, 325, 326 ff. 84 von Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 409. Vgl. daneben R. Pound, Der Geist des gemeinen Rechts (Boston, 1921), S. 21 f. : „In der Entwicklungszeit des gemeinen Rechts . . . galt nicht, was ein Mensch tat oder versprach, sondern es galt sein Stand. . . . Die Rechte und Pfl ichten gehen dann nicht aus dem Willen der Beteiligten hervor, sondern aus ihrem Verhältnis zueinander.“ 85 von Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 409. Von einem „Herrschaftsvertrag“ spricht auch Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, Bd. 1, 1907, S. 16 f., sowie in Grundzüge des Arbeitsrechts, 2. Aufl., 1927, S. 145 ff. Ähnlich E. Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 48 ff. Der Gedanke eines Herrschaftsverhältnisses wurde – unabhängig von den Ideen des gemeinen Rechts – freilich schon früher betont, vgl. z. B. Brentano, Das Arbeitsverhältnis gemäß dem heutigen Recht, 1877, S. 184 ff.; ihm weitgehend folgend Heß, Einfache und höhere Arbeit, S. 22. Zur Rechtsentwicklung in dieser Zeit vgl. vertiefend Becker, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 239 ff.

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ein „persönliches Herrschaftsverhältnis“86 zu begründen. Als dauerndes Schuldverhältnis entfalte der Dienstvertrag „die Kraft, ständige Machtverhältnisse ins Leben zu rufen und in Wirksamkeit zu erhalten“. 87 Allerdings hat dieser vertragstheoretische Ansatz von Gierkes zu seiner Zeit kaum Beachtung und noch weniger Gefolgschaft gefunden. Ihm nahe steht Nikisch, der von Gierkes Herrschaftsverhältnis und den von ihm entwickelten „Anstellungsvertrag“ dem Wesen nach für identisch hielt. 88 Wie Nikisch nach Einführung des AOG im Jahre 1934 bedauerte, hielt er jedoch damals an dem Vertrag als unentbehrliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses fest. 89 Ähnlich hielt auch Molitor das Arbeitsverhältnis zwar für ein herrschaftliches Gewaltverhältnis, für dessen Eingehung es nur auf die tatsächliche Einordnung in den Betrieb ankomme. Es sei aber erst der Arbeitsvertrag, der die beiderseitigen Rechte und Pflichten begründe.90 Weiter ging nur Potthoff, der das Arbeitsverhältnis nicht als schuldrechtliches Austauschverhältnis, sondern als Organisationsverhältnis begriff, welches neben das Familienrecht zu stellen sei. Allerdings sind die Ausführungen Potthoffs zum Teil rechtspolitischen Inhalts.91 Wie eine jüngere Untersuchung zeigt, haben Rechtsprechung und die übrige Literatur92 vor Erlaß des AOG selbst im Arbeitsrecht die Nebenpfl ichten aus der Einigung der Parteien, nicht aber aus ihrer sozialen Beziehung hergeleitet.93 Für die Zwecke der vorliegenden, vorwiegend an der lex lata orientierten Betrachtung ist zu differenzieren: Die Frage nach dem Zeitpunkt der Bestimmung der vertraglichen Leistungspflicht ist von der Frage nach ihrem Ursprung zu trennen. Zwar hängen beiden Fragen eng miteinander zusammen. Der Frage nach dem Ursprung der Verpflichtung der Parteien eines Dienstvertrages kann an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden. Hier geht es um den Grund für die Bindung oder Selbstbindung94 einer Vertragspartei. Es handelt sich um eine vertragstheoretische, letztlich rechtsphilosophische Fragestellung, die

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von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 609. von Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 407 (Hervorhebung durch Verf.). 88 Nikisch, Grundformen, 1926, S. 124 ff., 136. Nach Nikischs Defi nition ist ein Anstellungsvertrag ein Arbeitsvertrag, durch den sich jemand auf Zeit zu einer nur der Art nach bestimmten Tätigkeit verpfl ichtet (ebenda, S. 144). 89 Nikisch, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1941, S. 16. 90 Molitor, Arbeitnehmer und Betrieb, 1929, S. 14 ff. Das „herrschaftliche Gewaltverhältnis“ an sich gehe allerding auf den nur tatsächlichen – nicht rechtsgeschäftlichen – Einordnungswillen des Arbeitnehmers zurück. 91 Potthoff, Arbeitsrecht – Das Ringen um werdendes Recht, 1928, S. 19, 37 ff. Die Anlehnung an von Gierke fi ndet sich auf S. 39. 92 Brors, Fürsorgepfl icht, S. 9 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Boemke, Schuldvertrag, S. 199 Fn. 10. 93 Brors, Fürsorgepfl icht, S. 17 ff. 94 Köndgen, Selbstbindung, S. 1 Fn. 1. 87

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

nicht für den Dienstvertrag im besonderen, sondern für Schuldverträge oder Verträge im allgemeinen zu untersuchen ist.95 Dagegen ist das Problem, daß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die vom Dienstverpflichteten geschuldete Leistung nicht exakt, vielfach sogar nur rahmenhaft bestimmt werden kann, einer Lösung zuzuführen. Primär ist zu untersuchen, welche Lösungen die lex lata anbietet. Hielte das geltende Recht insofern keine oder nur unzureichende rechtliche Instrumente bereit, wäre es geboten, rechtspolitisch alternative Regelungsmodelle zu entwickeln. Es wird sich indes zeigen, daß auch die lex lata der nur rahmenhaft bestimmten Verpflichtung des Dienstverpflichteten Wirksamkeit verleihen kann und ausreichende Instrumente zur Erklärung der späteren Konkretisierung der Leistungspflicht vorsieht. (bb) Das Bestimmtheitserfordernis des BGB Die Väter des BGB gingen davon aus, daß „jede rechtsgeschäftliche Willenserklärung, wenn sie die beabsichtigte rechtliche Wirkung haben soll, hinreichend bestimmt sein“96 muß. Aus diesem Grunde müssen die einen Vertrag begründenden Willenserklärungen die essentialia negotii beinhalten.97 So enthielt der Erste Entwurf die Vorschrift: § 352 Ist die Leistung, welche den Gegenstand eines Vertrages bilden soll, weder bestimmt bezeichnet, noch nach den im Vertrag enthaltenen Bestimmungen zu ermitteln, so ist der Vertrag nichtig.98

Schon damals waren aber in den §§ 353 ff. des ersten Entwurfs Vorschriften vorgesehen, nach denen der Vertrag auch wirksam sein sollte, wenn die Be-

95 Grundlegend Raiser, JZ 1958, 1 ff.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpfl ichtenden Rechtsgeschäfts, 1967; Kramer, Die Krise des liberalen Vertragsdenkens, 1974; Köndgen, Selbstbindung, S. 97 ff.; Ackermann, Haftung auf das negative Interesse, Erster Teil, § 4. 96 Motive, Bd. 2, S. 191. Vgl. auch v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 38 IV. (S. 386 ff.); Berndorff, Die Gattungsschuld, 1900, S. 8 ff. 97 Flume, Rechtsgeschäft, § 34 6. b) (S. 627), § 35 I. 1. (S. 635); Medicus, Allgemeiner Teil, § 29 II. 1. (Rn. 431); Jung, JuS 1999, 28 ff. m.w.Nachw. Daß ein Vertrag auch ohne Bestimmung der essentialia negotii wirksam sein könne, wird angenommen von Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 154 Rn. 6; Soergel/Manfred Wolf § 154 Rn. 6 und schon Planck/Flad § 154 Anm. 1. (3. Absatz). 98 Die Vorschrift wurde nicht ins BGB aufgenommen, da sie „nur eine Konsequenz des gleichfalls nicht ausgesprochenen allgemeineren Satzes enthalte, daß, wenn der Inhalt eines Rechtsgeschäfts nicht genau bestimmt oder nicht bestimmbar ist, ein Rechtsgeschäft überhaupt noch nicht zu Stande gekommen ist.“, Protokoll der Sitzung der Vorkommission des Reichsjustizamtes, Sitzung v. 5. 10. 1981, vgl. Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 390 f.

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stimmung der Leistung einer Vertragspartei oder einem Dritten überlassen wird.99 Diese Regelungen sind heute in den §§ 315 ff. BGB normiert. Der Regelungszusammenhang zwischen § 352 und den §§ 353 ff. des Ersten Entwurfs könnte nun derart verstanden werden, daß der strenge Grundsatz des Bestimmtheitserfordernisses in § 352 des Entwurfs nur durch die Ausnahmevorschriften der §§ 353 ff. des Entwurfs durchbrochen wurde.100 Dem ist jedoch zu widersprechen. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß das Bestimmtheitserfordernis durch diese Vorschriften gelockert wurde. Bei genauerem Hinsehen ist es indes mit der Strenge dieses Bestimmtheitserfordernisses nicht weit her: Schon in den Motiven wird zu § 352 des Entwurfs ausgeführt, daß der Schwerpunkt dieser Vorschrift in dem Satz liege, daß das Erfordernis der Bestimmtheit auch erfüllt sei, wenn die Leistung in dem Vertrag nicht unmittelbar, sondern mittelbar bestimmt oder nach dem Vertragsinhalte nur bestimmbar sei.101 Es handele sich immer um eine Frage der Auslegung des Vertrages.102 Noch erhellender ist die darauf folgende Passage: Die §§ 353 ff. des Entwurfs enthielten die „erforderlichen Vorschriften über einige besondere Fälle, in denen die Vertragsleistung nicht im Vertrage unmittelbar bezeichnet ist, sondern nach den im Vertrag enthaltenen Bestimmungen ermittelt werden soll.“103 Die §§ 353 ff. des Entwurfs stellten also nur einen Unterfall zu der Bestimmung in § 352 des Entwurfs dar, in der es heißt, die Leistung könne auch „nach den im Vertrag enthaltenen Bestimmungen“ ermittelt werden. Für eine solche Ermittlung wurde demnach nicht gefordert, daß der Leistungsgegenstand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch einen objektiven Beobachter hätte ermittelt werden können. Ausreichend war vielmehr, daß der Leistungsgegenstand erst zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt werden konnte. Dieser Grundsatz gilt bis heute unverändert. Eine Willenserklärung bzw. ein Vertrag sind schon dann wirksam, wenn der Leistungsinhalt ausreichend bestimmbar104 ist. Die Grenze der ausreichenden Bestimmbarkeit hängt vom Zweck des Schuldverhältnisses ab.105 Eine ausreichende Bestimmbarkeit kann auch gegeben sein, wenn der Leistungsinhalt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unbestimmt ist, wenn aber „die Unbestimmtheit ein nur vorü99

So auch schon v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 38 IV. (S. 388). So Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 4. 101 So schon das Pandektenrecht vgl. Dernburg/Biermann, Pandekten, Bd. 2, 6. Aufl., § 15 (S. 42). 102 Motive, Bd. 2, S. 191. 103 Motive, Bd. 2, S. 191 (Hervorhebung durch Verf.). So auch Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, § 33, S. 85. 104 RG (Urt. v. 30. 9. 1914) RGZ 85, 289, 291 f. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses stand nicht fest, ob „das bisherige Hotel oder dessen erhebliche Erweiterung oder ob außerdem auch die Errichtung und Verwertung von Wohnhäusern Gegenstand des Unternehmens der Aktiengesellschaft“ sein sollte. Dennoch hielt das RG das Bestimmtheitserfordernis für gewahrt. 105 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 9 1. 100

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bergehender Zustand ist, der abgelöst werden soll von einem endgültigen Zustand der Bestimmtheit als Folge späterer Umstände, die der gegenwärtig unbestimmten Schuld Bestimmbarkeit sichern.“106 Die §§ 315 ff. BGB beziehen sich nur auf den Sonderfall, in dem der Schuldinhalt nachträglich durch einen Vertragsteil oder einen Dritten bestimmt wird.107 Die Grenzen, die die §§ 315 ff. BGB setzen, sind denkbar weit. Die Bestimmung ist nur „im Zweifel“ nach billigem Ermessen zu treffen. Sie kann auch in das „freie Belieben“ (§ 319 Abs. 2 BGB) gestellt werden. Ein Vertrag ist erst dann unwirksam, wenn die Leistung der Willkür des Schuldners überlassen bleibt.108 Je nach dem Zweck des Schuldverhältnisses kann es also für die Bestimmbarkeit des Schuldinhalts ausreichen, wenn sich durch Auslegung des Vertrages lediglich die Art und Weise ermitteln läßt, auf welche der Schuldinhalt in der Zukunft bestimmt werden soll. Für den Dienstvertrag ist dieser Grundsatz von besonderer Relevanz. Da eine Beschreibung der Tätigkeit im einzelnen den Parteien vielfach nicht möglich oder für sie zu aufwendig ist, definieren sie den Schuldinhalt über den Zweck oder das Ziel, zu dessen Erreichung sich der Schuldner indes nicht verpflichtet. Der Schuldinhalt wird also durch etwas defi niert, das selbst außerhalb des Schuldinhalts liegt. Dabei ergibt sich aus der Auslegung des Vertrages nur die Art und Weise, wie der eigentliche Schuldinhalt in der Zukunft bestimmt werden soll: Der Dienstverpflichtete soll durch eine – grundsätzlich von ihm zu bestimmende – Tätigkeit das nicht geschuldete Ziel „ansteuern“ (dazu sogleich). Zudem kann bzw. muß der Dienstberechtigte durch Weisungen den Schuldinhalt mitbestimmen (dazu unten (2) (b)). Eine derartige Bestimmbarkeit ist grundsätzlich ausreichend. Die Rechtsprechung hat die Grenze der Bestimmbarkeit dort gezogen, wo der Zweck bzw. das Ziel der Tätigkeit nicht mehr bestimmt genug erschien. So wurde in einer Entscheidung aus dem Jahr 1970 einem Unterrichtsvertrag mangels ausreichender Bestimmtheit die Wirksamkeit abgesprochen, da das Ausbildungsziel „Programmierer elektronischer Datenverarbeitungssysteme“, 106

Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 9 1; Staudinger/W. Weber, 11. Aufl., (1967), § 241 Rn. 82 m.w.Nachw. Anders wohl Senf, JR 1932, 234, 235 ff., der allerdings in erster Linie das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot im Auge hat. 107 Eine ähnliche Regelung enthalten die Bestimmungen über die Wahlschuld (§§ 262 ff. BGB), nach denen dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet wird, zwischen mehreren bestimmten oder bestimmbaren Leistungen zu wählen; die Wahl stellt die Ausübung eines Gestaltungsrechts dar, MünchKomm/Krüger § 262 Rn. 14. Eng verwandt mit der Wahlschuld ist wiederum die Gattungsschuld, bei welcher die Parteien freilich davon ausgehen, daß die unterschiedlichen Leistungsobjekte gleichartig sind. Zum Gattungsschuldcharakter von Tätigkeiten unten Erster Teil., § 3 II. 2. b) (1), S. 134 ff. 108 Motive, Bd. 2, S. 192: In diesem Fall fehle es an der Verpfl ichtung des Schuldners, einem Essentiale des Vertrages. Ebenso Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 254 (S. 18 f.), zum BGB: Wenn die Unbestimmtheit von der Art ist, daß der Schuldner sich aller Leistungspfl icht entziehen kann, so sei ein Forderungsrecht nur scheinbar vorhanden.

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für das noch kein einheitliches Berufsbild existiere, nicht ausreichend Aufschluß darüber gebe, welcher Lehrstoff vermittelt werden solle.109 Mit ähnlicher Begründung wurden Verträge für unwirksam erklärt, die lediglich das Ausbildungsziel „Heilpraktiker“110 benannten, bei denen die Bezeichnung „Förderlehrgang: Deutsch/Maschinenschreiben/Korrespondenz“ nicht weiter erläutert wurde111 bzw. die zum Zwecke der „Persönlichkeitsstabilisierung“112 des Dienstberechtigen geschlossen wurden. Auch einem arbeitsrechtlichen Vorvertrag, in welchem einem Berufsfußballspieler nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn eine „Tätigkeit . . . im Bereich Management“ zugesichert wurde, hielt dem Bestimmtheitserfordernis nicht stand, da Art, Umfang und Vergütung nicht festgelegt worden waren.113 Während man der letztgenannten Entscheidung wegen der fehlenden Bestimmung des Umfangs der auszuübenden Tätigkeit zustimmen mag, sind die zu den Unterrichtsverträgen getroffenen Entscheidungen zu Recht in der Literatur kritisiert worden.114 Grundsätzlich ist es den Dienstvertragsparteien freigestellt, die Tätigkeit auch anhand eines vagen oder unklaren Ziels festzulegen. Warum sollten die Parteien nicht sogar auf jegliche Beschreibung der Tätigkeit verzichten können? Es ist dem Dienstberechtigten grundsätzlich unbenommen, auf Konkretisierungen zu verzichten. Wer einen Dienstvertrag in der Hoffnung schließt, die Leistung des Dienstverpflichteten werde in irgendeiner Art und Weise seine „Persönlichkeit stabilisieren“, mag einen solchen Vertrag schließen und das Risiko der Enttäuschung tragen. Der für solche Fälle möglicherweise anzustrebende Verbraucherschutz muß auf anderem Wege als dem der pauschalen Unwirksamkeit mangels Bestimmbarkeit gewahrt werden. Zu einer Unbestimmtheit der dienstvertraglichen Leistung kommt es erst, wenn nicht nur der durch die Tätigkeit zu erreichende Zweck unklar ist, sondern auch der zeitliche Umfang der Tätigkeit nicht festgelegt wird. Im Ergebnis ist daher ein Dienstvertrag nur dann wegen mangelnder Bestimmbarkeit der Dienste unwirksam, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch durch 109 OLG Celle (Urt. v. 8. 5. 1970) BB 1970, 900, 901. Es handelte sich um einen Formularvertrag; der Dienstberechtigte war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Maurer tätig. 110 So das AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urt. v. 15. 3. 1978) MDR 1979, 669 f., da das Berufsbild des Heilpraktikers nicht klar umrissen sei. 111 AG Heilbronn (Urt. v. 1. 9. 1975) MDR 1976, 400. 112 LG Stuttgart (Urt. v. 10. 9. 1980) MDR 1981, 140 f. 113 LAG Sachsen (Urt. v. 24. 8. 1999) NZA-RR 2000, 410 f. Dabei geht die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, daß die an einen Vorvertrag zu stellenden Bestimmtheitserfordernisse geringer als die an den Hauptvertrag zu stellenden seien, BGH (Urt. v. 21. 10. 1992) NJW-RR 1993, 139, 140; (Urt. v. 20. 9. 1989) NJW 1990, 1234, 1235 m.w.Nachw. Dagegen Flume, Rechtsgeschäft, § 33 7. (S. 614 f.), nach dem sich die Unwirksamkeit eines Vorvertrages wegen Unvollständigkeit der vertraglichen Regelung nach den gleichen Grundsätzen wie für einen Hauptvertrag bestimmt (S. 615). Ebenso MünchKomm/Kramer § 145 Rn. 46 m.w.Nachw. 114 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 9 1.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Auslegung des Vertrages nicht ermittelt werden kann, in welchem zeitlichen Umfang oder zu welchem konkreten Zweck die Tätigkeit ausgeübt werden soll, und die Parteien auch keine Bestimmung darüber getroffen haben, auf welche Art und Weise der zeitliche Umfang oder der konkrete Zweck nachträglich festgelegt werden soll. Die lex lata stellt mithin an die Bestimmtheit der vertraglichen Leistung – anders als dies im anglo-amerikanischen Rechtskreis der Fall sein mag115 – sehr geringe Anforderungen. Ein Dienstvertrag ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits wirksam, wenn die Tätigkeit ihrem zeitlichen Umfang nach oder durch den von ihr zu erreichenden Zweck bestimmbar ist oder eine Art und Weise im Vertrag festgelegt wurde, nach der der Umfang oder der Zweck nachträglich bestimmt werden kann. Dabei ist zu bedenken, daß die nachträgliche Bestimmung sowohl durch den Dienstberechtigten als auch durch den Dienstverpflichteten erfolgen kann. Eine nur rahmenmäßige Bestimmung der dienstvertraglichen Leistung hindert die Wirksamkeit des Dienstvertrages also nicht. Für die Bestimmung der „ordnungsgemäßen“ Dienste kommt es auf den gemeinsam von den Dienstvertragsparteien festgelegten Rahmen an sowie auf die nachträglichen Bestimmungen, die der Dienstberechtigte nach der Vereinbarung in zulässiger Weise treffen durfte. In dem Umfang, in welchem keine gemeinsame Bestimmung und keine oder keine zulässige nachträgliche Bestimmung durch den Dienstberechtigten erfolgt, ist der Dienstverpflichtete in der Gestaltung der Tätigkeit frei. Der Ermessensspielraum des Dienstverpflichteten kann größer oder kleiner sein; ein gewisser Ermessenspielraum verbleibt immer. Aus diesem Grund gibt es vor ihrer Erbringung nie die ordnungsgemäßen Dienste; viele im einzelnen unterschiedliche Tätigkeiten können ordnungsgemäß sein. (2) Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch eine Vertragspartei Soweit der exakte Schuldinhalt nicht von beiden Vertragsparteien gemeinsam bestimmt wird, muß die Bestimmung einer Vertragspartei überlassen sein.116

115 Vgl. Corbin, Corbin On Contracts, Vol. 1, Formation of contracts, 1963, § 95, S. 394: „A court cannot enforce a contract unless it can determine what it is. . . . It is not even enough that [the parties] have actually agreed, if their expressions, when interpreted in the light of the accompanying factors and circumstances, are not such that the court can determine what the terms of that agreement are.“ Für das englische Recht Treitel, in: Chitty on Contracts, Vol. 1, General Principles, 27. Aufl., 1994, 2–099 ff. 116 Von den Ausnahmefällen, in denen die Leistungsbestimmung einem Dritten anvertraut wird (§ 317 BGB), wird hier abgesehen; vgl. insofern zum Arbeitsvertrag Birk, Leitungsmacht, S. 127 ff.

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(a) Die Leistungskonkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten (aa) Die Rechtsnatur der Leistungskonkretisierungsbefugnis Diese Partei ist grundsätzlich der Dienstverpfl ichtete: Er ist derjenige, der die Tätigkeit ausüben muß. Wird die Entscheidung nicht von beiden Vertragsparteien oder vom Dienstberechtigten getroffen, so muß er entscheiden, wie, ggf. auch wann und wo117 die Tätigkeit erfolgt. Selbst bei Tätigkeiten, bei welchen der Dienstverpflichtete unter der Aufsicht des Dienstberechtigten nicht mehr als eine „Pose“ schuldet (z. B. Statist, Modell), verbleibt ihm stets ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit.118 Der Ermessensspielraum wird größer, wenn der Dienstverpflichtete gerade wegen seiner fachlichen Kompetenz tätig werden soll (z. B. Vermögensberater, Rechtsanwalt) oder wenn der Dienstberechtigte die Ausübung der Tätigkeit aus anderen Gründen nicht kontrollieren kann oder will. Beispiel Detektivvertrag BGH, Urt. v. 2. 3. 1978: 119 Hier hatten Detektiv und Auftraggeberin ausdrücklich (in einem Formularvertrag) vereinbart, daß der Detektiv nach eigenem Ermessen entscheiden können sollte, wann, wo, wie lange und mit welchem personellen Aufwand die Beschattung des Ehemannes erfolgen sollte.

Man könnte freilich einwenden, daß der Dienstverpflichtete mit der Tätigkeit nicht den Inhalt der geschuldeten Leistung festsetzt. Denn in dem Augenblick, in dem er die Tätigkeit ausgeübt hat, ist sie bereits erbracht, und sie ist daher nicht mehr geschuldet. Darauf kommt es indes nicht an: Daß die dienstvertragliche Verpflichtung mit der Erbringung der Tätigkeit bereits erfüllt ist, ändert nichts daran, daß der Dienstverpflichtete den Schuldinhalt konkretisiert hat. Dies wird daran deutlich, daß der Dienstverpfl ichtete, wenn er nur wollte, vor Beginn der Tätigkeit dem Dienstberechtigten oder einem Dritten gegenüber erläutern könnte, wie er die Tätigkeit auszuführen gedenkt. Eine ganz andere Frage ist, ob die faktische Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, den Leistungsinhalt zu konkretisieren, mit einem Leistungsbestimmungsrecht i. S. des § 315 BGB einhergeht. Dies ist grundsätzlich abzulehnen. Zwar ist das Leistungsbestimmungsrecht nach zutreffender Ansicht grundsätzlich auch auf Leistungsmodalitäten (Zeit, Ort und Art und Weise der Tätigkeit) anwendbar.120 Soweit nicht eine anderweitige Vereinbarung der Parteien aus117 Gerade bei den erfolgsbezogenen Dienstverträgen ist auch das „Wann?“ und „Wo?“ der Tätigkeit in der Regel dem Dienstverpfl ichteten überlassen. 118 Für das Arbeitsrecht Wlotzke, RdA 1965, 180, 182: Auch im Arbeitsvertrag verbleibe oft noch eine – vielleicht nur winzige – Lücke, die der Arbeitnehmer durch Entfaltung von Initiative füllen muß. Weiter Böttner, Direktionsrecht, S. 30 f. 119 BB 1978, 636. 120 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 109 f.; MünchKomm/Gottwald § 315 Rn. 23; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., (1967) § 315 Rn. 2; Erman/Battes, 10. Aufl., § 315 Rn. 4. A. A. Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 6 II. a); Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 21 II. 1. (Rn. 199), dazu sogleich und unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (b), S. 117 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

drücklich oder aufgrund besonderer Umstände anzunehmen ist, kann man jedoch nicht unterstellen, daß die Parteien den Dienstverpfl ichteten ermächtigen wollten, hinsichtlich jeder kleinsten Ausübungsmodalität der Tätigkeit eine Bestimmung i. S. des § 315 BGB zu treffen. Erst recht wollen die Parteien die Rechtsfolgen des § 315 Abs. 3 BGB nicht. Auch ist eine Leistungsbestimmung nach §§ 315 Abs. 2, 130 BGB eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die sie erst wirksam wird, wenn sie dem „anderen Teil“, d. h. dem Dienstberechtigten, zugeht. Darauf kann es indes ebensowenig ankommen wie auf die Frage, ob der Schuldner bei der Erbringung der Leistung den rechtsgeschäftlichen Willen hat, den Schuldinhalt zu bestimmen. In der Literatur wird aus diesen Gründen zutreffend vertreten, daß der jeweilige Akt der Leistungskonkretisierung durch den Schuldner als bloßer Realakt einzustufen ist.121 Die Konstruktion eines Leistungsbestimmungsrechts des Schuldners wäre darüber hinaus allein deshalb abzulehnen, weil es für sie kein Bedürfnis gibt. Wie bereits Windscheid feststellte, ist der Schuldner nicht darauf angewiesen, daß ihm die Rechtsordnung oder die vertragliche Vereinbarung das Recht verleiht, die geschuldete Leistung zu konkretisieren. Solange nur der Vertrag nicht an der mangelnden Bestimmtheit scheitert, kommt die verbleibende „. . .Unbestimmtheit dem Schuldner zugute, nicht dem Gläubiger; der Schuldner kann innerhalb der getroffenen Bestimmung leisten, was er will; so weit er nicht gebunden ist, ist er frei.“122 Und bereits v.Savigny führte – in ähnlichem Zusammenhang – aus: „In der Regel hat der Schuldner die Wahl. . . . Der Grund dieses Vorzugs des Schuldners liegt darin, daß das eigentliche Wesen der Obligation in der Thätigkeit des Schuldners besteht . . . . Da nun der Vertrag einen Theil dieser Thätigkeit unbestimmt gelassen hat, so ist eben dadurch dem Schuldner die Befugniß vorbehalten, die Ergänzung nach eigenem Gutdünken vorzunehmen.“123 Dieser Grundsatz leuchtet unmittelbar ein. Der mögliche Einwand, es stelle eine einseitige Begünstigung des Schuldners dar, daß die Unbestimmtheit nur ihm zugute komme, verfängt nicht. Der Gläubiger hat es bei Vertragsschluß in der Hand, die Unbestimmtheit auf ein Minimum zu reduzieren, indem er sich weitgehende Leistungsbestimmungsrechte einräumen läßt. Die 121

Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 110. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 254 (S. 18), zum BGB. 123 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 38 A. 1. (S. 390 f.), (Hervorhebung dort). v. Savigny behandelt a.a.O. die „alternativen Obligationen“. Dieser Begriff ist mit dem der Wahlschuld im engen Sinne der heutigen §§ 262 ff. BGB nicht vollständig deckungsgleich. So faßt v. Savigny unter die Behandlung der „bestimmten und unbestimmten Leistungen“ nur die „alternativen Obligationen“, die „generischen Obligationen“, die „Quantitäten“ und die Geldschuld (vgl. S. VI f.). Auch bei den generischen Obligationen habe „der Schuldner die Wahl der einzelnen Sache“ aus der Gattung (§ 39 B., S. 399) und bei den Quantitäten sei „gleichfalls anerkannt, daß unter den verschiedenen Sorten, in welcher die Gattung vorkommt, der Schuldner die Wahl hat . . . . Es geschieht Dieses mit dem entscheidenden Zusatz, daß der Schuldner auch die schlechteste Sorte zu wählen befugt ist . . .“ (§ 39 C., S. 401 f.). 122

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verbleibende Unbestimmtheit ist den Verträgen, die eine Tätigkeit zum Leistungsinhalt haben, immanent. Das hierin liegende Risiko nimmt der Gläubiger sehenden Auges hin. Die aus der Unbestimmtheit der geschuldeten Leistung resultierende Freiheit des Schuldners spielt im klassischen Schuldrecht nur eine untergeordnete Rolle. Sie tritt bei den Verträgen über eine Speziesschuld,124 also insbesondere beim Spezieskauf, stark in den Hintergrund, weil die verbleibende Unbestimmtheit hier denkbar klein ist. Selbst beim Spezieskauf besteht in diesem Rahmen jedoch regelmäßig eine gewisse Freiheit des Schuldners. So wird im Schrifttum125 zu Recht hervorgehoben, daß die §§ 315 f. BGB keine Anwendung fi nden sollen, wenn der Schuldner z. B. über die Art der Versendung oder die Stunde der Leistung, sofern der Tag bestimmt wurde, entscheidet. Dies liegt jedoch nicht – wie behauptet – daran, daß diese Entscheidungen „untergeordnete Modalitäten der Leistung“ betreffen. Vielmehr handelt es sich nur deshalb nicht um eine Leistungsbestimmung gem. §§ 315 f. BGB, weil es sich hier um den Schuldner handelt, der den Schuldinhalt konkretisiert.126 Wäre es der Gläubiger, der über die Art der Versendung oder die Stunde der Leistung entscheiden sollte, so könnte er dies nur aufgrund eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts. Freilich trifft sich die Gegenansicht mit der vor allem im Arbeitsrecht vertretenen Meinung, daß „einfache, untergeordnete“ Weisungen des Arbeitgebers keine Leistungsbestimmung i. S. der §§ 315 ff. BGB seien. Auch für das Arbeitsrecht ist diese Ansicht indes abzulehnen.127

Vertragstypen, die eine Tätigkeit zum Schuldinhalt haben, machen im Gegensatz zu Verträgen wie dem Spezieskauf deutlich, daß die Freiheit des Schuldners zur Konkretisierung des Schuldinhalts ganz erheblich sein kann. Selbst eine sehr weit gehende Freiheit des Dienstverpfl ichteten ändert jedoch nichts daran, daß die Konkretisierung grundsätzlich durch bloßen Realakt erfolgt, dies gilt auch für die Erbringung von sog. „höheren“ Diensten.128 Terminologisch sollte „die Freiheit“ des Dienstverpflichteten zur Leistungskonkretisierung durch Realakt klar von dem Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten abgegrenzt werden. Aus diesem Grunde wird für die folgende Darstellung nicht der naheliegende Begriff „Leistungskonkretisierungsrecht des Dienstverpflichteten“ gewählt, sondern der Begriff „Leistungskonkretisierungsbefugnis“ bzw. kurz „Konkretisierungsbefugnis“ ge124 Bei Bestehen einer Gattungsschuld ist die Freiheit des Schuldners durch § 243 Abs. 1 BGB beschränkt, dazu unten Erster Teil, § 3 II. 2. b) (1), S. 134 ff. 125 Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 6 II. a); ihm folgend Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 21 II. 1 (Rn. 199). 126 Ohne diesen Standpunkt einzunehmen, führt Larenz, ebenda, zutreffend aus: „Hier wird man dem Schuldner Freiheit lassen müssen.“ 127 Vgl. unten Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (b) und b) (1) a. E, S. 120 f . und S. 127. 128 Hinsichtlich der Gegenleistung ist hier ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Dienstverpfl ichteten hingegen nicht selten, vgl. nur § 5 Abs. 2 GOÄ, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG, § 11 StBGebV. Vgl. auch § 12 Abs. 3 S. 1 Arbeitnehmererfi ndungG.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

wählt. Der Begriff Befugnis129 macht zudem deutlich, daß der Dienstverpflichtete kein „Recht“ i. S. eines Forderungsrechts gegen einen anderen (§ 194 Abs. 1 BGB) auf die Leistungskonkretisierung hat. Die Konkretisierungsbefugnis berechtigt ihn nur zur Abwehr übermäßiger Eingriffe in diese Befugnisse. So steht dem Dienstberechtigten im Falle einer zu weit gehenden einseitigen Leistungsbestimmung des Dienstverpflichteten ein Leistungsverweigerungsrecht zu.130 Die Grenzen dieser Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichten ergeben sich aus der vertraglichen Vereinbarung. Zum einen ist diese beschränkt durch die gemeinsame vertragliche Bestimmung des Schuldinhalts, also durch den oben beschriebenen Leistungsrahmen.131 Zum anderen wird die Konkretisierungsbefugnis begrenzt durch die Leistungsbestimmungsrechte des Dienstberechtigten (dazu unten (b)). Da die Konkretisierungsbefugnis kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. der §§ 315 ff. BGB darstellt, ist der Dienstverpflichtete auch nicht gehalten, die Konkretisierung „nach billigem Ermessen“ i. S. des § 315 Abs. 1 BGB vorzunehmen. Vielmehr kann er die Leistung entsprechend der Formulierung in § 319 Abs. 2 BGB „nach freiem Belieben“, also nach eigenem Gutdünken, erbringen. (bb) Die Bedeutung der Leistungskonkretisierungsbefugnis Eine solch weite Bestimmung der Grenzen der Konkretisierungsbefugnis erscheint auch vor dem Hintergrund angemessen, daß diese Befugnis dem Dienstverpflichteten nicht allein aufgrund der faktischen Notwendigkeit, die Leistung bei der Erbringung zu konkretisieren, zusteht.132 Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß die Konkretisierungsbefugnis weiter gehenden Interessen des Dienstverpflichteten entspricht. Wegen der grundsätzlich persönlichen Leistungserbringung (§ 613 S. 1 BGB) ist der Dienstverpfl ichtete mit der Leistung selbst – zeitlich und inhaltlich – teilweise identisch.133 Der Dienstver129 Den Begriff „Befugniß“ wählt auch v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 38 A. 1. (S. 391), vgl. Zitat oben bei Fn. 123. Ebenso Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 45, der allerdings auch das Weisungsrecht des Dienstberechtigten als „Leitungsbefugnis“ bezeichnet und daher im Ergebnis zu einer „Teilung der Leitungsbefugnis“ zwischen Gläubiger und Schuldner kommt. 130 Beispiele aus dem Bereich des Arbeitsrechts unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 131. 131 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (a), S. 96 f. 132 Für Dienstleistungen höherer Art nimmt Lieb, Gutachten, S. 183, 211 f., aber schon aus diesem Grunde an, daß „weite Ermessensspielräume“ des Dienstverpfl ichteten bestehen. 133 Schöner für den Arbeitsvertrag: Brentano, Das Arbeitsverhältnis gemäß dem heutigen Recht, 1877, S. 185: „Ganz anders ist es mit der Arbeitskraft; sie ist nicht Waare, sondern nichts Anderes, als der Mensch selbst; sie ist nicht willkürlich von ihrem Besitzer producirt und dieser nicht für ihr Dasein verantwortlich; beide kommen als eine untrennbare Einheit zusammen und unabhängig vom eigenen Willen in die Welt, und zwar kommt der Mensch nicht zu Zwecken außer sich selbst, sondern ist Selbstzweck.“ Zu Brentanos Verständnis vom Arbeitsvertrag Becker, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995, S. 171 ff. Ähnlich Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 8 f.; Heß, Einfache und höhere Arbeit, S. 20 ff.; Sinzhei-

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pflichtete veräußert seine Arbeitskraft und damit zu einem gewissen Anteil seine eigene Person, d. h. er gibt einen Teil seiner Eigenverantwortlichkeit und Souveränität auf, um sich „in den Dienst eines anderen zu stellen“134 ; wenn auch diese Aufgabe zeitlich oder durch den zu erreichenden Zweck beschränkt ist.135 Mit der Formulierung, daß der Dienstverpflichtete nur einen „gewissen Anteil seiner eigenen Person“ „verkauft“, soll u. a. den Grenzen der Leistungspfl icht des Dienstverpfl ichteten Rechnung getragen werden, wie sie insbesondere für den Arbeitnehmer hervorgehoben werden. So wird zutreffend darauf hingewiesen, daß der Arbeitnehmer nicht „sein Gewissen, seine Ehre oder Selbstachtung“ bzw. „seine Personalität“ veräußere.136 In diesem – abstrakten – Sinn ist der jüngeren Literatur zuzustimmen, wenn sie auch für den Dienstvertrag eine „strikte Trennung von Vertragsobjekt und Schuldner“137 fordert.

mer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 7 ff.; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 13; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 97; Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation, S. 16; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 142, sowie umfassender Wlotzke, RdA 1965, 180, 181 ff., der auch zu den Grenzen dieser Identität Stellung nimmt (S. 185 f.). 134 Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1899, S. 109 f.: „Schon bei Verträgen über einzelne, vorübergehende Dienstleistungen können diese von der Persönlichkeit des Arbeiters, die doch einen absoluten Wert besitzt, füglich nicht losgelöst werden. Vollends bei den Dienstverhältnissen, welche die Tätigkeit des Verpfl ichteten vollständig oder doch zum grüßen Teil in Anspruch nehmen, . . . werden diese nicht nur in Beziehung auf die einzelnen Dienstleistungen, sondern mit ihrer ganzen Persönlichkeit unterworfen.“ Weiter Hedemann, Schuldrecht, 1921, S. 183: Beschränkte „Preisgabe des Selbstbestimmungsrechts“; Wlotzke, RdA 1965, 180, 184 ff. Ähnlich zum talmudischen Recht Silberg, Dienstvertrag und Werkvertrag, 1927, S. 27 f., 13. 135 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, in der Edition von Lasson 1930, § 67 (Hervorhebungen dort): „Von meinen besonderen, körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten der Tätigkeit kann ich einzelne Produktionen und einen in der Zeit beschränkten Gebrauch an einen anderen veräußern, weil sie nach dieser Beschränkung ein äußerliches Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit erhalten. Durch die Veräußerung meiner ganzen durch die Arbeit konkreten Zeit und der Totalität meiner Produktion würde ich das Substantielle derselben, meine allgemeine Tätigkeit und Wirklichkeit, meine Persönlichkeit zum Eigentum eines anderen machen.“ Im letzten Fall handelt es sich um die Versklavung der Person, vgl. Gans, ebenda, Zusatz 44. zu § 67. 136 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 173 ff. mit zahlreichen Nachweisen. Lobinger (S. 174 ff., auch Fn. 365) betont allerdings die faktische Betroffenheit des Arbeitnehmers als Person. Die „Person“ – oder „Teile der Person“ – werden jedoch nicht nur faktisch, sondern auch von der rechtlichen Verpfl ichtung erfaßt und gerade deshalb bedarf sie des Schutzes, der eben auch durch eine Begrenzung der Leistungspfl icht zu erreichen ist. Wenn Lobinger a.a.O. formuliert, daß „der Arbeitsvertrag als Schuldvertrag nur die Dienste und nicht auch die Person des Arbeitnehmers zum Gegenstand hat“, versteht er „Person“ wohl im Sinne der „personenrechtlichen Integrität des Arbeitnehmers“. Eine andere Frage ist, wie die Rechtsordnung reagieren sollte, wenn der Dienstverpfl ichtete sich zu Tätigkeiten verpfl ichten will, die zu einer zu weitgehenden Aufgabe eigener Souveränität führen, vgl. dazu unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (aa) d), S. 177 f. 137 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 177.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Der Dienstverpflichtete, insbesondere der Arbeitnehmer,138 ist damit – wesentlich mehr als der Sachleistungsschuldner139 – auf die Leistungskonkretisierung angewiesen, die ihn davor bewahrt, zur Marionette, also zum Objekt, des Dienstberechtigten zu werden. Daher muß dem Dienstverpflichteten bei der Ausübung der Tätigkeit ein Spielraum zukommen, der es ihm erlaubt, seine persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften bei der Ausübung der Tätigkeit – im Rahmen der Vereinbarung – nach eigenem, freien Ermessen einzusetzen. Der Mehrzahl der Dienstverpflichteten, die auf die Erbringung von Diensten zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind, wird damit ein Bereich individueller Freiheit erhalten.140 In diesem Sinne ist den Worten von Gierkes beizupflichten: Der Dienstvertrag des BGB habe sich in dieser Hinsicht von der römisch-rechtlichen Dienstmiete entfernt. Deren „Ursprung . . . aus der Sklavenmiete prägte auch der freien Lohnarbeit den Stempel der Unfreiheit auf. Die Herkunft des Dienstvertrages aus dem Treudienstvertrage adelte die Lohnarbeit und erhob schließlich auch die unfreie Arbeit in die Sphäre der Freiheit. Die römische Analogie der Sachmiete . . . drängte zur Ausgestaltung der Dienstmiete im Sinne eines rein vermögensrechtlichen Austauschgeschäftes. Das Vorbild des Treudienstverhältnisses hielt die Anschauung, daß die Arbeit untrennbar Ausfluß der Persönlichkeit sei, auch für verdungene Arbeit lebendig . . .“.141

Diese Freiheit nimmt vom unselbständigen zum selbständigen Dienstvertrag hin zu.142 Sie ist gerade im Recht der Freien Berufe von großer Bedeutung, da für die verantwortungsvolle Ausübung der Tätigkeit die Erhaltung von Hand138 Zur Gefahr für den Arbeitnehmer, „auf die Stufe bloßen Funktionierens niedergedrückt“ zu werden: Ballerstedt, Eigentum und Mitbestimmung, S. 183, 189 ff. Vgl. auch Kreller, AcP 123 (1925), 263, 283, und Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 196. 139 Auch in der Literatur wird betont, daß sich der Arbeitsvertrag vom Kaufvertrag dahin gehend unterscheide, daß beim Arbeitsvertrag Leistung und Gegenleistung nicht derselben Kategorie des wirtschaftlichen Tauschverkehrs angehörten, van der Ven, FS Nipperdey II, 2. Bd., S. 681, 685. Ähnlich Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 97. Vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, 1. Teilbd., § 6. I. 1.: Warenaustauschgeschäfte seien durch „Entpersonalisierung“ geprägt. 140 Für eine dahin gehende Freiheit des Schuldners allgemein auch MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 25. 141 von Gierke, FS für Brunner, 1914, S. 37, 68. Zur Kritik vgl. nur E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 62 f. 142 Bruns, FS Nipperdey II, 1. Bd., S. 1, 14. Den Ermessens- und Gestaltungsspielraum des Geschäftsbesorgers betonen: Musielak, Gutachten, S. 1222 ff. m.w.Nachw.; Isele, Geschäftsbesorgung, S. 103 ff. m.w.Nachw.; Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. A 25 ff. Zum „weisungsfreien Eigenbereich“ des Arbeitnehmers unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 127 ff. Die Leistungskonkretisierungsbefugnis ist auch beim Werkvertrag stark ausgeprägt, vgl. nur Jakobs, FS Beitzke, S. 67, 75: „Es ist ohne weiteres klar, daß es [bei der Bestimmung der Leistung, Anm. d. Verf.] in erster Linie auf den Unternehmer ankommen muß: Mit welcher Art und mit welchem Maß an Arbeit er den Vertragen erfüllen will, das zu bestimmen, ist zunächst seine Sache.“.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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lungs- und Entscheidungsfreiheit unabdingbar ist.143 Allgemein hat die Befugnis der Leistungskonkretisierung für den selbständigen Dienstverpfl ichteten vor allem auch eine ökonomische Dimension. Sie erlaubt es dem Dienstverpflichteten, die Tätigkeit in einer für ihn wirtschaftlich effektiven Weise auszuüben. Dabei geht es nicht nur um eine möglichst zeit- und kostengünstige Ausübung der Tätigkeit, sondern auch darum, daß es dem Dienstverpfl ichteten möglich sein muß, auch noch außerhalb des jeweiligen Dienstvertrages liegende unternehmerische Chancen wahrzunehmen.144 Aus eben diesem Grund ist eine Beschränkung der Konkretisierungsbefugnis durch ein zu weit gehendes Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten mit dem Wesen des selbständigen Dienstvertrages unvereinbar. Entsprechend nimmt die Rechtsprechung an, daß die „rechtliche Selbständigkeit“ des Dienstverpflichteten „in ihrem Kerngehalt“ erhalten bleiben muß.145 Bei Abschluß eines Dienstvertrages sind diese Umstände – auch wenn ihnen im Einzelfall ganz unterschiedliches Gewicht zukommt – den Parteien bekannt. Sie sind daher bei der Auslegung des Vertrages, d. h. bei der Bestimmung der Grenzen der Konkretisierungsbefugnis, zu beachten. Dies gilt für die Bestimmung des von den Parteien gemeinsam festgelegten Schuldinhalts, vor allem aber für die Festlegung der Grenzen des Leistungsbestimmungsrechts des Dienstberechtigten: (b) Das Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten Grundsätzlich können die Vertragsparteien hinsichtlich bestimmter, auch wesentlicher Vertragsbestandteile dem Gläubiger oder dem Schuldner ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumen, welches dieser gem. § 315 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen auszuüben hat. Mit dieser Vorschrift wird das Bestimmtheitserfordernis für Willenserklärungen gelockert:146 Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses genügt die Vereinbarung, daß die Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei zu treffen ist. Damit wird es möglich, die Bestimmung des Vertragsinhalts vom Abschlußzeitpunkt zu lösen und auf den späteren Konkretisierungsakt der Leistungsbestimmung zu übertragen.147 Die Möglichkeit der Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Gläubigers ist für den Dienstvertrag besonders attraktiv: Zum einen erlaubt dieses Recht dem Dienstberechtigten allgemein, der Konkretisierungs143

Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 186 (zur Verschuldenshaftung). Vgl. dazu ausführlich Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122 ff. Vgl. auch schon Lieb, ZVersWiss 1976, 207, 219 ff. 145 Vgl. für den selbständigen Handelsvertreter BGH (Urt. v. 13. 1. 1966) BB 1966, 265; BGH (Urt. v. 16. 2. 1989) WM 1989, 1076; BAG (Urt. v. 30. 8. 1994) AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, Rn. 565 m.w.Nachw. Für den Rechtsanwalt Staudinger/Martinek (1995) § 675 Rn. C 27. 146 Motive, Bd. 2, S. 191. Vgl. oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (bb), S. 106 ff. 147 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 4. 144

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

befugnis des Dienstverpflichteten Grenzen zu setzen, also den Leistungsrahmen auch noch nach dem Vertragsabschluß enger zu stecken. Zum anderen ist das einseitige Leistungsbestimmungsrecht für Dauerschuldverhältnisse148 als Instrument der Vertragsanpassung149 einsetzbar. Es handelt sich dann um ein „Dauerleistungsbestimmungsrecht“150, welches sich nicht etwa durch Ausübung verbraucht, sondern entsprechend der Vereinbarung und nach den Umständen der Tätigkeit immer wieder neu entsteht.151 Das Leistungsbestimmungsrecht ist neben dem Kontrollrecht des Dienstberechtigten ein Teil des Steuerungsrechts, welches typisches Merkmal des Dienstvertrages ist und diesen vom Werkvertrag scheidet.152 Das bedeutet, daß bei einem Vertrag, der als Dienstvertrag zu qualifizieren ist, dem Dienstberechtigten grundsätzlich stets ein solches Leistungsbestimmungsrecht zusteht. Das Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten wird – nicht nur im Arbeitsrecht – als Weisungsbefugnis oder Weisungsrecht bezeichnet.153 Es handelt sich um ein eigenes, subjektives Gestaltungsrecht des Dienstberechtigten;154 diesem steht ein Ermessensspielraum zu.155 Das Gestaltungsrecht nach § 315 BGB ist zutreffend als „ausfüllendes“ Gestaltungsrecht im Gegen148

Zum Dienstvertrag als Dauerschuldverhältnis oben Erster Teil, § 2 II. 2. b) (1), S. 47 f. Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 6 „laufendes ‚Anpassungsrecht‘“; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 29 f.; MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 34; Staudinger/ Rieble (2004) § 315 Rn. 92. 150 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 265. Das Dauerleistungsbestimmungsrecht als „Muttergestaltungsrecht“ zu bezeichnen (so Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 6; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 29; MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 69), ist weniger hilfreich (so auch Birk, Leitungsmacht, S. 89; Staudinger/Rieble [2004] § 315 Rn. 265), weil dieser Begriff den Eindruck erweckt, daß es sich bei einem Dauerleistungsbestimmungsrecht um ein qualitativ anderes (stärkeres) Leistungsbestimmungsrecht handele. Das Dauerleistungsbestimmungsrecht unterscheidet sich indes nur hinsichtlich des Aspekts der Wiederholbarkeit der Ausübung der Bestimmung vom „normalen“ Leistungsbestimmungsrecht. 151 Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 6 f.; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 29 f.; Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 265; MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 34. Wlotzke, RdA 1965, 180, 187, hält aus diesem Grund § 315 BGB nicht für anwendbar. 152 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a), S. 23 ff. 153 Für den Geschäftsbesorgungsvertrag ausdrücklich §§ 665, 675 BGB zu dem Fall der „Abweichung von Weisungen“. 154 Schon 1903 ordnete Seckel, FS Koch, S. 205, 207 Fn. 2, das „Anordnungsrecht des Dienstberechtigten“ den Gestaltungsrechten zu; umfassend Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 26 ff. So auch allgemein für das Leistungsbestimmungsrecht Bötticher, FS Dölle, S. 54 ff.; Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 73 m.w.Nachw. Anders Frey, DB 1964, 298, für den Arbeitsvertrag. 155 BGH (Urt. v. 24. 6. 1991) NJW-RR 1991, 1248, 1249; BAG (Urt. v. 7. 9. 1983–5 AZR 259/81), n.v.; BAG (Urt. v. 9. 12. 1997) AP Nr. 27 zu § 2 BetrAVG; vgl. auch BAG (Urt. v. 9. 11. 1999) AP Nr. 30 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 117 ff.; MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 27 ff.; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 6 II. a); Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 21 II. 1 (Rn. 199). A. A. von Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 41 ff. 149

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satz zu den sog. „einbrechenden Gestaltungsrechten“ bezeichnet worden.156 Der Dienstberechtigte füllt durch seine einseitige Leistungsbestimmung den von den Vertragsparteien gemeinsam gesteckten Rahmen. Dem Dienstverpflichteten verbleibt für die Leistungskonkretisierung nur der Raum, den der Dienstberechtigte ihm durch (zulässige) Weisung belassen hat. Nach welchem Maßstab der Dienstberechtigte das Weisungsrecht auszuüben hat, ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung. Die Regelung des § 315 Abs. 1 BGB, wonach die Leistungsbestimmung „nach billigem Ermessen157 zu treffen“ ist, stellt nach dem klaren Gesetzeswortlaut („im Zweifel“) nur eine Auslegungsregel dar.158 Daraus folgt allerdings nicht, daß es den Parteien auch möglich sein müßte, das Leistungsbestimmungsrecht in die schrankenlose Willkür des Dienstberechtigten zu stellen. Eine solche „Knechtung des Schuldners“ wäre gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.159 Zu solchen Extremen kommt es bei der – in aller Regel konkludenten – Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in Dienstverträgen auch nicht. Vielmehr sind bei der Auslegung des Vertrages die im Einzelfall unterschiedlichen Interessen des Dienstverpflichteten am Erhalt der Konkretisierungsbefugnis160 zu berücksichtigen. Die Vereinbarung eines willkürlichen Leistungsbestimmungsrechts, mit welchem sich der Dienstverpfl ichtete zu einer „Marionette“ des Dienstberechtigten machen ließe, entspricht dem gemeinsamen Willen der Parteien selbst dann nicht, wenn es sich um eine einfache, einmalige, für den Dienstverpflichteten wirtschaftlich unbedeutende Tätigkeit handelt (z. B. einmaliger Nachhilfeunterricht eines Mitschülers gegen geringes Entgelt). Und gerade bei sog. freien Dienstverträgen, bei welchen der Dienstberechtigte eine besondere Kompetenz des Dienstverpflichteten in Anspruch nehmen will, nimmt es der Dienstberechtigte hin, daß seinem Leistungsbestimmungsrecht enge Grenzen gesetzt sind.161 156 Bötticher, FS Dölle, S. 51 f. Bötticher hatte dort zunächst das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus dem Kreis der ausfüllenden Gestaltungsrechte ausgeschlossen. Diese Ansicht hat er jedoch später (Gestaltungsrecht, S. 6) aufgegeben. 157 Vgl. ähnlich Art. 3 Abs. 2 c) der EG-Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, Richtlinie 86/653, EG-Abl. 1986, L 382/17. Nach dieser Vorschrift muß der Handelsvertreter nur „angemessenen“ Weisungen des Unternehmers nachkommen. Die ordnungsgemäße Umsetzung dieser Vorschrift der Richtlinie in deutsches Recht wird bezweifelt von Koller/W.-H.Roth/ Morck/W.-H. Roth, HGB-Kommentar, § 86 Rn. 9. Vgl. auch § 319 Abs. 2 BGB, der den Fall regelt, in dem ein Dritter eine Bestimmung nach „freiem Belieben“ nicht treffen kann oder will oder die Bestimmung verzögert. 158 Auch die Motive sprechen ausdrücklich von einer „Interpretationsregel“, Bd. 2, S. 192. 159 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 36 m.w.Nachw. Vgl. auch unten Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 127 ff. 160 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 114 ff. 161 Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 44. Vgl. auch oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (3), S. 37 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Um die Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts handelt es sich auch, wenn der Dienstberechtigte dem Dienstverpfl ichteten nur ganz einfache, untergeordnete Weisungen („Hau Ruck!“) erteilt.162 Dies wird für das Arbeitsrecht bezweifelt; doch stellt sich die Frage auch für den selbständigen Dienstvertrag (z. B. für die Verträge mit Bühnenkünstlern, Modellen – „Lächeln!“). Nach der Gegenansicht sind einfache Weisungen „kein Rechtsgeschäft, sondern reine Faktizität“.163 Solche Weisungen fielen „bereits in das Stadium der Erfüllung der Arbeitspfl icht, weil sie das faktische Arbeiten lenken.“164 Richtig ist, daß die „Erfüllung der Arbeitspfl icht“ etwas „Faktisches“, d. h. keine Willenserklärung, ist. Dies liegt vor allem – wie bereits oben ausgeführt165 – daran, daß die Erfüllung eben Sache des Schuldners ist. Daß eine Weisung des Gläubigers möglicherweise zeitlich kurz vor der Erfüllung erteilt wird, zieht sie aber allenfalls zeitlich in das „Stadium“ der Erfüllung. Dieses zeitliche „Stadium“ hat indes mit der rechtlichen Qualifizierung der Weisung nichts zu tun. Fragt man sich, aus welchen Gründen „einfache“ Weisungen aus dem Anwendungsbereich der §§ 315 ff. BGB ausscheiden sollten, so könnten allenfalls die Rechtsfolgen dieser Normen unangemessen erscheinen. Man könnte vor allem dafür plädieren, daß einfache Weisungen nicht „im Zweifel nach billigem Ermessen“ zu treffen seien und daß die richterliche Kontrolle nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB auszuschließen sei.166 Diese Rechtsfolgen ließen sich jedoch im konkreten Einzelfall aus der Auslegung der Einigung über das Leistungsbestimmungsrecht (Unterwerfungsvereinbarung) herleiten. Freilich ist es dann der Dienstberechtigte, der beweisen müßte, daß er die Weisung auch „nach freiem Belieben“ erteilen darf167 und daß die Parteien auf die richterliche Kontrolle verzichten wollten. Gerade diese Beweislastverteilung erscheint aber auch angemessen. Eine einfache Weisung kann ebenso wie eine „nicht einfache“ in die Rechte des Dienstverpflichteten eingreifen („Spring!“). Daß der Dienstberechtigte den Dienstverpflichteten „nach freiem Belieben“ herumkommandieren könnte, entspricht in der Regel eben nicht dem Willen der Vertragsparteien. Vor allem ist die Rechtsfolge des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB angemessen, nach der Weisungen, die den Rahmen des billigen Ermessens überschreiten, für den an162 Vgl. dazu bereits oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (aa), S. 113. Für das Arbeitsrecht Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 108; Hromadka, RdA 1992, 235, 237; MünchKomm/Söllner § 315 Rn. 35; Böttner, Direktionsrecht, 1971, S. 50 f. 163 Frey, DB 1964, 298. Frey stellt diese These für das Direktionsrecht des Arbeitgebers allgemein auf; er nimmt nur die „geldlichen Forderungsrechte des Arbeitnehmers“ aus. Sich (jedenfalls für einfache Weisungen des Arbeitgebers) anschließend Bötticher, AuR 1967, 321, 325 f. Diesem folgend Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 173 „einleuchtender“. 164 Bötticher, AuR 1967, 321, 326. 165 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (aa), S. 111 ff. 166 Dahin gehend Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 173 f., 300 (für den Arbeitsvertrag). 167 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 53.

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deren Teil nicht verbindlich sind. Der Dienstverpflichtete verletzt also seine Leistungspflicht nicht, wenn er einer solchen Weisung nicht nachkommt.168 Kommt er ihr aber nach, so „heilt“ er die bislang einseitig unverbindliche Leistungsbestimmung.169 Auch bei einfachen Weisungen handelt es sich um empfangsbedürftige Willenserklärungen. Solange die Weisung dem Dienstverpflichteten nicht zugeht, wird die Weisung nicht wirksam, so daß sich der Dienstberechtigte nicht auf eine Verletzung der Leistungspflicht berufen kann. Qualifiziert man auch einfache Weisungen als die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, erspart man sich zudem die äußerst schwierige Abgrenzung zwischen „einfachen, untergeordneten“ und „sonstigen“ Weisungen, zu der sich auch die Anhänger der Gegenmeinung bislang ausschweigen. (3) Ergebnis zu a) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist es den Parteien des Dienstvertrages in aller Regel nicht möglich oder aber zu mühevoll, die vom Dienstverpflichteten zu erbringenden Dienste exakt zu bestimmen. Die Dienste werden vielmehr nur rahmenmäßig über den mit ihnen verfolgten Zweck, der seinerseits außerhalb des Schuldinhalts liegt, definiert. Die Tatsache, daß für die zu erbringenden Dienste in der Regel nur ein Leistungsrahmen gesetzt werden kann, führt nicht zur Unwirksamkeit des Dienstvertrages. Zwar gilt für diesen, wie für die ihn konstituierenden Willenserklärungen, das Bestimmtheitserfordernis. Die Entstehungsgeschichte des BGB zeigt jedoch, daß sich aus diesem Bestimmtheitserfordernis – jedenfalls im Schuldrecht – keine hohen Anforderungen ergeben. Es genügt vielmehr die zukünftige Bestimmbarkeit der vertraglichen Verpflichtung. Das Bestimmtheitserfordernis bedroht die Wirksamkeit der dienstvertraglichen Verpflichtung allenfalls in Ausnahmefällen. Das Erfordernis gibt daher – anders als dies in anderen Rechtsordnungen der Fall sein mag – keinen Anlaß, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Anknüpfungspunkt für die Entstehung der dienstvertraglichen Verpflichtungen in Frage zu stellen, so wie dies die amerikanische relational contracts theory und ihre deutschen Abwandlungen, welche im Grundsatz auf die Ideen von Gierkes zurückgehen mögen, anregen. Dem Bestimmtheitserfordernis ist Genüge getan, wenn die Parteien des Dienstvertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmten, wer in welchem Umfang die zu erbringenden Dienste näher festlegt. Diese Vereinbarung 168 Gegen eine „vorläufige Verbindlichkeit“ unbilliger Leistungsbestimmungen (so MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 42) zutreffend Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 149 ff. 169 Überzeugend für das Leistungsbestimmungsrecht im allgemeinen Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 153 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

wird zumeist konkludent getroffen. In aller Regel vereinbaren die Parteien ein Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten gem. § 315 BGB. Die Festlegung der Grenzen dieses Leistungsbestimmungsrechts ist freilich nicht leicht. Es muß im Einzelfall eine Auslegung der Vereinbarung, die die gesamten Umstände des Vertragsschlusses berücksichtigt, erfolgen. Auch in der Summe führen der gemeinsam vereinbarte Leistungsrahmen sowie das (ausgeübte) Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten noch nicht zu einer exakten Bestimmung der Dienste. Eine solche annähernd exakte Bestimmung ist allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Innerhalb des gemeinsam vereinbarten und durch zulässige einseitige Leistungsbestimmung des Dienstberechtigten enger gesteckten Leistungsrahmens steht es dem Dienstverpflichteten frei, die Tätigkeit nach „freiem Belieben“ (i. S. des § 319 Abs. 2 BGB) auszuüben. Diese Freiheit liegt ihrerseits nicht in einem Leistungsbestimmungsrecht des Dienstverpflichteten begründet; sie wird hier als (Leistungs-)Konkretisierungsbefugnis bezeichnet. b) Die Bestimmung des Leistungsinhalts beim Arbeitsvertrag Das unter a) Ausgeführte gilt für den Arbeitsvertrag als einem Unterfall des Dienstvertrages in entsprechender Weise. Es steht in erster Linie den Arbeitsvertragsparteien zu, gemeinsam den Leistungsrahmen festzulegen. Dies ergibt sich seit dem 1. 1. 2003170 auch aus § 105 GewO.171 Typischerweise ist den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Konkretisierung der Arbeitspflicht noch weniger möglich als den Parteien eines selbständigen Dienstvertrages; dies gilt jedenfalls für den Normalfall des 170 Die §§ 105 bis 110 GewO wurden unter dem Titel VII „Arbeitnehmer“, I. „Allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze“, mit dem Dritten Gewerberechtsänderungsgesetz v. 24. 8. 2002 (BGBl. I S. 3412) in die GewO eingefügt und sind am 1. 1. 2003 in Kraft getreten. 171 § 105 GewO lautet: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Abschluß, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Soweit die Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes.“ Die Aufnahme einer solchen rein arbeitsrechtlichen Bestimmung in die GewO ist zu Recht vielfach kritisiert worden: Bauer/Opolony, BB 2002, 1590; Wisskirchen, DB 2002, 1886; Abeln/Steinkühler, AuA 2003, 15. Dagegen begrüßt die Regelung Schöne, NZA 2002, 829, 830. Überflüssig, weil selbstverständlich, sind jedenfalls der Nebensatz des S. 1 sowie S. 2. Demgegenüber überzeugt in seiner Kürze § 29 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992: „Art, Umfang, Zeit und Ort der Arbeitsleistung bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag.“ Ganz ähnlich der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23) in § 27 Abs. 1. Weniger elegant, aber inhaltlich gleichlautend § vor 19 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 401 ff.: „Art, Zeit und Ort der zu leistenden Arbeit richten sich nach der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung.“

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unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Auch nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NachweisG kann der Arbeitnehmer lediglich verlangen, daß „eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“ in die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen aufgenommen wird. Durch mangelnde Sorgfalt bei der Beschreibung der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag vertun die Arbeitsvertragsparteien allerdings oftmals die Chance, in Abgrenzungsfragen zu einem privatautonomen Interessenausgleich zu kommen.172 Nach den oben dargestellten Grundsätzen173 hindert diese weitgehende Unbestimmtheit der Arbeitspflicht die Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht. Denn auch dem Arbeitgeber steht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu (dazu sogleich unter (1)). Dort, wo das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers endet, verbleibt nach der vertraglichen Vereinbarung auch einem Arbeitnehmer die Leistungskonkretisierungsbefugnis (dazu unter (2)). (1) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO, §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB Dem Arbeitgeber steht wie jedem Dienstberechtigten nach den dargelegten Grundsätzen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu, das allgemein als Weisungs- oder Direktionsrecht bezeichnet wird. Allerdings bestand über die dogmatische Grundlage dieses Weisungsrechts keine Einigkeit. Während die Grundlage vom überwiegenden Teil der Literatur allein in der vertraglichen Vereinbarung gesehen wurde,174 neigte ein anderer Teil der Literatur stärker dazu, das Weisungsrecht vom Arbeitsvertrag zu lösen: Es wurde dem Eigentumsrecht angenähert175 oder als sog. Funktionsbefugnis176 gedeutet. Das BAG 172

Vgl. Gast BB 1986, 1513, 1519; Preis, Grundfragen, S. 96. Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (b) (bb), S. 106 ff. 174 Vgl. nur Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 101; MünchArb/Richardi § 12 Rn. 50; Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 292; Hromadka, RdA 1992, 235; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 274. Nicht eindeutig Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 25 IV. 1; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 25 VI. Weitere Nachweise bei Birk, Leitungsmacht, 1973, S. 58 f. Fn. 149, und Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, 1978, S. 299 Fn. 1. Dagegen Haug, Direktion zwischen Sachzwang und Demokratie, 1979, S. 114 ff. 175 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 22 ff., 147, 207 ff.; dem folgend Potthoff, Arbeitsrecht – Das Ringen um werdendes Recht, 1928, S. 98. 176 Birk, Leitungsmacht, 1973, S. 3 ff., 99. Der Idee Birks ähneln die Ansätze Conrads, Freiheitsrechte und Arbeitsverfassung, Berlin 1965, S. 78 ff., und Steins, Die Wirtschaftsaufsicht, Tübingen 1967, S. 52 ff. Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, 1978, tritt der Ableitung des Direktionsrechts aus dem Arbeitsvertrag zwar entgegen (S. 33 ff., 299 ff.). Im Grunde entfernt er sich jedoch nicht vom Arbeitsvertrag, wenn er die Leistungskonkretisierung durch den Arbeitgeber als „Leistungseinzug durch Entscheidung für ein konkretes Leistungssegment“ beschreibt (S. 351), mit welcher der Arbeitgeber die Vertragspfl icht konkretisiere (S. 352). Damit beschreibt Gast letztlich nichts anderes als die Ausübung des Weisungsrechts. Dieses Weisungsrecht bewegte sich auch nach den älteren Literaturmeinungen innerhalb des vertraglich Vereinbarten. Der Unterschied zwischen der Ansicht Gasts und der 173

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

enthielt sich einer genauen Festlegung, indem es ausführte, daß das Direktionsrecht „zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses“ gehöre.177 Mit Inkrafttreten des § 106 GewO, ebenfalls zum 1. 1. 2003, stellt sich die Rechtslage anders dar. Die Vorschrift lautet: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“

Die Vorschrift ist eine Mischung aus den entsprechenden Entwürfen für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992 und von 1977 bzw. aus § 82 des Arbeitsgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik in der Fassung von 1990.178 Es herrschenden Meinung ist daher wohl doch ein „scheinbarer“ (entgegen Gast, ebenda, S. 35). Freilich favorisiert er eine sog. zweiseitige Direktion auf kollektivrechtlicher Ebene (S. 357 ff.). 177 BAG (Urt. v. 7. 12. 2000, v. 17. 12. 1997, v. 11. 10. 1995) AP Nr. 61, 52, 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht. Wenig hilfreich BAG (Urt. v. 27. 3. 1980) AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht: „Natur der Sache“; dem zustimmend aber Hunold, AR-Blattei SD 600 Direktionsrecht, Rn. 47. 178 § 37 Abs. 1 und 3 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D für den 59. DJT 1992: „(1) Der Arbeitgeber kann die vereinbarte Arbeitsaufgabe durch Weisung näher bestimmen. Er darf den Arbeitnehmer weder über- noch unterfordern; insbesondere hat er auf krankheits- und altersbedingte Behinderungen Rücksicht zu nehmen. . . . (3) Der Arbeitgeber kann im Rahmen des Arbeitsvertrags nähere Bestimmungen über die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer treffen.“ Nach dem Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs - Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 401 ff., sollte nach § 26 eine Bestimmung eingefügt werden: „(1) Der Arbeitgeber kann nach billigem Ermessen Art, Ort, Zeit und Ausführungsweise der Arbeit bestimmen, soweit die gesetzlichen, kollektiven und einzelvertraglichen Regelungen ihm dafür Raum lassen. (2) Der Arbeitgeber kann ferner Weisungen über die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen, soweit sie aus dem Betriebszweck, der Betriebsorganisation, der Arbeitsaufgabe des betroffenen Arbeitnehmers, dem Schutz und der Sicherheit des Betriebs oder der Personen und Sachen im Betrieb gerechtfertigt und dem Arbeitnehmer zumutbar sind. (3) Der Arbeitgeber kann allgemeine Regeln über die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer, soweit nicht eine Betriebsvertretung besteht, nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Arbeitnehmer festlegen. Solche allgemeinen Regeln müssen in gleicher Form bekanntgemacht werden wie Betriebsvereinbarungen. . . .“. § 82 des Arbeitsgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik in der Fassung von 1990, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 479 ff., lautete: „(1) Der Arbeitgeber ist gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsberechtigt. (2) Weisungen sind zulässig zur Konkretisierung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bedingungen, insbesondere der Arbeitsaufgabe und des Verhaltens des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Arbeit, und im Rahmen der in Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen getroffenen Festlegungen. . . .“. Der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23) sieht in § 32 vor: „(1) Der Arbeitgeber kann Inhalt und Ort der Arbeitsleistung sowie deren zeitliche Lage nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den

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ist nun nicht mehr erforderlich, das einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus dem Arbeitsvertrag oder aus anderen Umständen herzuleiten. Das Leistungsbestimmungsrecht steht dem Dienstberechtigten gem. § 106 GewO ex lege zu,179 wenn es sich bei dem geschlossenen Dienstvertrag nur um einen Arbeitsvertrag handelt.180 § 106 GewO ist zwar abdingbar; doch liegt bei einem vertraglich stark eingeschränkten Weisungsrecht in der Regel kein Arbeitsvertrag mehr vor.181 Mit Inkrafttreten der Spezialregelung des § 106 GewO für Arbeitsverträge könnte (erneut) zweifelhaft geworden sein, ob es sich bei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB oder ob es sich um ein Weisungsrecht sui generis handelt, auf welches diese Vorschriften allenfalls analog anzuwenden wären. Hinter diesem Problem steht die Grundsatzfrage nach der Einbettung des Arbeitsvertrages in das System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sieht man den Arbeitsvertrag wie hier als bloßen Sonderfall des Dienstvertrages, auf den die Vorschriften des BGB ohne weiteres anwendbar sind, versteht sich die Anwendung der §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB von selbst, jedenfalls solange man nicht den Standpunkt beziehen wollte, daß mit § 106 GewO nicht nur die Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB, sondern die gesamten §§ 315 bis 319 BGB ersetzt werden sollten. Eine solche Intention ergibt sich indes aus der Gesetzesbegründung zu § 106 GewO nicht.182 Auch die Tatsache, daß es sich bei § 106 GewO nunmehr um ein gesetzliches Weisungsrecht handelt, ändert an der Anwendbarkeit der §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. nichts. Zwar stand das vertraglich vereinbarte Leistungsrecht bei der Schaffung der Normen im Vordergrund, wie bereits § 315 Abs. 1 BGB zeigt.183 Die Normen finden jedoch, mit Ausnahme des § 315 Abs. 1 BGB, auch auf gesetzliche Leistungsbestimmungsrechte Anwendung.184 Auch die Rechtsprechung hat die §§ 315 ff. BGB auf die gesetzArbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auf die familiäre Situation des Arbeitnehmers und eventuelle Behinderungen Rücksicht zu nehmen. (2) Eine Weisung, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist für den Arbeitnehmer nicht verbindlich.“ 179 Anders offenbar ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 274: Direktionsrechte ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag selbst. 180 Die GewO ist nicht mehr auf gewerbliche Arbeitnehmer beschränkt, § 6 Abs. 2 GewO. § 106 GewO gilt vorbehaltlich der Spezialregelungen, wie sie § 29 SeemannsG und § 23 BinnenschiffahrtsG enthalten. Die entsprechende Regelung in § 19 FlößereiG besteht nicht mehr; das FlößereiG wurde durch Art. 13 des Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt v. 25. 8. 1998, BGBl. I S. 2489, aufgehoben. 181 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 182 BT-Drucks. 14/8796, S. 24 . 183 Vgl. außerdem oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (bb), S. 106 ff. 184 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 255 ff.; MünchKomm/Gottwald, Bd. 2a, § 315 Rn. 55 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

lichen Leistungsbestimmungsrechte der § 76a BetrVG,185 § 5 GOÄ,186 § 11 StBGebV,187 dem früheren § 12 BRAGO,188 und auf das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG189 angewandt.190 Schließlich besteht für die Anwendung der §§ 315 ff. BGB auf § 106 GewO auch ein praktisches Bedürfnis. Zwar spielt die in den §§ 317 ff. BGB geregelte Leistungsbestimmung durch einen Dritten sowie § 316 BGB im Arbeitsrecht keine größere Rolle. Von Bedeutung ist jedoch die Frage, ob eine Leistungsbestimmung durch Urteil gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB möglich ist.191 Es wurde zwar bereits zur alten Rechtslage zutreffend darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Leistungsbestimmung durch den Richter in Arbeitsverträgen weithin konkludent abbedungen werde, da dem Richter der Einblick in die betriebliche Arbeitsorganisation fehle.192 Dennoch sind Ersatzleistungsbestimmungen durch Urteil auch dem Arbeitsrichter nicht fremd.193 Von grundsätzlichem Interesse ist weiter die Frage der Anwendbarkeit des § 315 Abs. 2 BGB, wonach 185

BAG (Urt. v. 14. 2. 1996, 27. 7. 1994, 12. 2. 1992) AP Nr. 6, 4, 2 zu § 76a BetrVG. LG Berlin (Urt. v. 5. 10. 1990) NJW 1991, 1554, 1555 f. 187 OLG Düsseldorf (Urt. v. 6. 11. 2001) GI 2002, 72, 74; OLG Hamm (Urt. v. 19. 8. 1998) GI 1998, 301 f.; OLG Köln (Urt. v. 8. 5. 1996) GI 1997, 177, 178. 188 OLG München (Urt. v. 13. 8. 2001) FamRZ 2003, 466; OLG Düsseldorf (Urt. v. 27. 6. 1992) Rechtspfleger 1993, 41; H.Schmidt, NJW 1975, 1726, 1727. Die Regelung ist nunmehr in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG enthalten. 189 Ob die §§ 315 ff. BGB in diesem Falle direkt oder entsprechend anzuwenden sein sollen, läßt sich der Rechtsprechung allerdings bislang nicht klar entnehmen. Für entsprechende Anwendung: BAG (Urt. v. 10. 9. 2002–3 AZR 593/01), n.v.; BAG (Urt. v. 23. 4. 1985) AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG. Wohl für direkte Anwendung BAG (Urt. v. 25. 7. 2002) AP Nr. 31 zu § 1 BetrAVG Ablösung; BAG (Urt. v. 27. 8. 1996–3 AZR 467/95), n.v. Unentschieden BAG (Urt. v. 27. 8. 1996) AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung. 190 Zu den in § 29 SeemannsG, § 23 BinnenschiffahrtsG und § 19 FlößereiG (oben Fn. 180) sind – soweit ersichtlich – keine Entscheidungen über die Anwendbarkeit der §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB veröffentlicht. Das gilt auch für § 12 Abs. 3 S. 1 Arbeitnehmererfi ndungsG (betr. Vergütung). Die Nähe zu § 315 BGB betonen Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfi ndungsgesetz, § 12 Rn. 48. 191 Nach Lakies, BB 2003, 364 und 366, ist das in § 106 GewO normierte Weisungsrecht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und es verstehe sich von selbst, daß eine richterliche Kontrolle weiterhin möglich sei. Auf die direkte Anwendbarkeit der §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB geht er jedoch nicht ein. 192 Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 67, 71. Diese – auch vollstreckungsrechtlichen – Probleme sieht deutlich BAG (Urt. v. 15. 1. 1992–5 AZR 202/91), n.v. 193 BAG (Urt. v. 16. 3. 1990) EzA Nr. 44 zu § 611 BGB Beschäftigungspfl icht; BAG (Urt. v. 23. 11. 1988–5 AZR 663/87), n.v.; BAG (Urt. v. 13. 1. 1988–5 AZR 293/86), n.v.; BAG (Urt. v. 19. 6. 1985) AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAG (Urt. v. 20. 2. 1985–5 AZR 63/84), n.v.; BAG (Urt. v. 10. 10. 1984–5 AZR 549/83), n.v.; BAG (Urt. v. 23. 11. 1983–5 AZR 473/81), n.v.; BAG (Urt. v. 14. 9. 1983) AP Nr. 117 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG (Urt. v. 8. 2. 1978) AP Nr. 94 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG (Urt. v. 15. 12. 1976) AP Nr. 3 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; BAG (Urt. v. 16. 5. 1967) AP Nr. 118 zu § 242 BGB Ruhegehalt; LAG Köln (Urt. v. 7. 7. 2003–5 (3) Sa 401/03), n.v.; LAG Hannover (Urt. v. 2. 3. 2001–3 Sa 1530/00 B), n.v.; LAG Hamm (Urt. v. 23. 2. 2001) NZA-RR 2001, 525; LAG Chemnitz (Urt. v. 10. 10. 1995–9 Sa 1548/94), n.v. 186

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die Leistungsbestimmung durch (Willens-)Erklärung erfolgt. Wie oben bereits erläutert,194 führt es zu angemessenen Ergebnissen, auch sog. „einfache“ Weisungen („Hau Ruck!“) als empfangsbedürftige Willenserklärungen einzuordnen, wie dies § 315 Abs. 2 BGB vorsieht. Besonders angemessen erscheint schließlich die Rechtsfolge des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB, nach der eine nicht billigem Ermessen entsprechende Bestimmung für den Arbeitnehmer „nicht verbindlich“ ist.195 (2) Der „weisungsfreie Eigenbereich“ des Arbeitnehmers Daß nicht mehr, wie nach der früher herrschenden Ansicht, die vertragliche Vereinbarung, sondern das Gesetz Grundlage des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts ist, mag die Rechtslage auf den ersten Blick unberührt lassen,196 zumal wenn man mit der hier vertretenen Ansicht, die §§ 315 Abs. 2 und 3, 316 ff. BGB weiterhin für unmittelbar anwendbar hält. Für die entscheidende Frage, nämlich die nach dem Umfang des Leistungsbestimmungsrechts, könnte sie jedoch bedeutsam werden. Nach Satz 1 der Norm kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen, d. h. sein Leistungsbestimmungsrecht scheint nach dem Wortlaut per se jeden Aspekt der Tätigkeit zu erfassen, soweit dieser Aspekt nicht anderweitig geregelt ist. Daraus ließe sich nun herleiten, daß der Arbeitnehmer, der sich darauf berufen wollte, daß das Weisungsrecht bestimmte Aspekte der Tätigkeit nicht erfaßt, dartun und beweisen müßte, daß nach dem Arbeitsvertrag § 106 S. 1 GewO entsprechend abbedungen wurde. Eine entsprechende – auch konkludente – arbeitsvertragliche Vereinbarung ließe sich in den klassischen Fällen der sog. höheren Dienste (angestellter Arzt, angestellter Rechtsanwalt usw.) zumindest für die fachliche Weisungsunterworfenheit zwar relativ leicht aus den Umständen herleiten. In allen weniger eindeutigen Fällen (angestellter Rundfunkmitarbeiter, Lehrer usw. oder Telearbeiter bzw. Fälle der örtlichen Weisungsunterworfenheit) hätte sich die Position eines Arbeitnehmers, der einer seiner Ansicht nach zu weit gehenden Weisung nicht Folge leisten will, verschlechtert. Einer solchen Auslegung des § 106 S. 1 GewO wäre indes zu widersprechen. Zwar wurde mit der Norm die originäre Begründung des Weisungsrechts aus der Hand der Vertragsparteien genommen. Damit sollte indes keine, auch keine lediglich beweisrechtliche197 Erweiterung des Weisungsrechts vorgenom194

Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (b), S. 120 ff. Dazu oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (b), S. 120 f. 196 So ausdrücklich Lakies, BB 2003,364; Bauer/Opolony, BB 2002, 1590, 1591. 197 Nach der Rechtsprechung des BAG hatte „die Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung zusteht, zu beweisen, daß ihre Bestimmung gemäß § 315 Abs. 3 S. 1 BGB der Billigkeit entspricht“, Urt. v. 11. 10. 1995 und v. 17. 12. 1997, AP Nr. 45, 52 zu § 611 BGB Direktionsrecht. So auch allgemein BGH (Urt. v. 2. 4. 1964) BGHZ 41, 271, 279; BGH (Urt. v. 6. 3. 1986) BGHZ 97, 212, 223. 195

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

men werden. Vor Einführung des § 106 GewO war – soweit ersichtlich – unbestritten, daß dem Arbeitnehmer ein „weisungsfreier Eigenbereich“198 innerhalb des von der vertraglichen Vereinbarung und den zulässigen, einseitigen Weisungen des Arbeitgebers belassenen Spielraums verbleiben müsse. Dieser Eigenbereich wird auch als „Ausführungsspielraum“ oder „Ausführungsautonomie“199 bezeichnet. Gerade dem Arbeitnehmer, welcher in der Regel auf das Arbeitsverhältnis zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist, muß ein „gewisser Raum an Selbständigkeit, innerhalb dessen dem Arbeitnehmer die nähere Bestimmung der Arbeitspflicht selbst obliegt“, 200 verbleiben. 201 Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Arbeitnehmer, die mit sog. „höheren Tätigkeiten“ betraut sind (Künstler, Ärzte, Wissenschaftler, Rechtsanwälte usw.), oder solche, die in modernen, sog. teilautonomen Arbeitsgruppen 202 beschäftigt sind; er gilt für alle Arbeitnehmer. Das BAG betont in diesem Zusammenhang zu Recht, daß die Arbeitsleistung „nicht nur als ein Wirtschaftsgut,“ sondern „auch als Ausdruck der Persönlichkeit des Arbeitnehmers verstanden“ werden müsse. 203 Mit Einführung des § 106 GewO sollte der „weisungsfreie Eigenbereich“ des Arbeitnehmers nicht verengt oder abgeschafft werden. Richtig ist allerdings, daß die im Referentenentwurf enthaltene Bestimmung

198 Birk, AR-Blattei, 1974, Direktionsrecht I, C I. 1. d); ders., Leitungsmacht, S. 365 ff. „Eigenraum“ (S. 366); Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 292; ebenso Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 292; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 12. Auflage, Rn. 50 „erheblicher Spielraum für Selbstbestimmung“. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 277, spricht nur vom „fachlich weisungsfreien Raum“, der z. B. angestellten Künstlern, Ärzten, Wissenschaftlern und Rechtsanwälten zustehen könne. 199 MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 6; Wendeling-Schröder, Autonomie im Arbeitsrecht, S. 40 ff., 67; Bruns, FS Nipperdey II, 1. Bd., S. 1, 14. 200 MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 5. 201 Einschränkend Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 193 f. Es geht – zumindest terminologisch – zu weit, wenn Maschmann von der „Verfügbarkeit“ (S. 171 ff.) und der „Unterwerfung“ (S. 175) des Arbeitnehmers spricht, seine Eigenschaft als „dienendes Glied“ (S. 171) benennt und dem Arbeitgeber ein Leitungsrecht zuspricht, das sich durch Verhaltensanordnungen verwirklicht, „die vom Angewiesenen unbedingten Gehorsam verlangen, weil ohne sie eine fremdgesteuerte, machtbasierte Koordinierung des arbeitsteiligen Prozesses nicht möglich wäre.“ 202 Vgl. dazu Hunold, AR-Blattei 840 Gruppenarbeit, Stand 5/2003; Elert, Gruppenarbeit, Köln 2001; Klein, Gruppenarbeit – Praxis, Interessenlagen und Mitbestimmung, NZA 2001, Beilage Heft 24, S. 15 ff.; Hackert, Kooperation in Arbeitsgruppen, Hamburg 1999; Springer, Von der teilautonomen zur standardisierten Gruppenarbeit, WSI-Mitteilungen 1999, 309; Kandaouroff, Erfolgreiche Implementierung von Gruppenarbeiten, Wiesbaden 1998; Schack, Gruppenarbeit, Mitarbeitsverhältnis und die Arbeitsrechtsordnung, Berlin 1997; Antoni, Teilautonome Arbeitsgruppen, Weinheim 1996; Wilkesmann, Zur Logik des Handelns in betrieblichen Arbeitsgruppen, Opladen 1994. Weitere Nachweise zum älteren Schrifttum bei Wendeling-Schröder, Autonomie im Arbeitsrecht, S. 40 Fn. 73. 203 BAG GS (Urt. v. 27. 2. 1985) AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspfl icht.

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„Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber insbesondere auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und die Möglichkeit zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer ein Bereich eigener Verantwortung übertragen werden kann, und darauf zu achten, daß der Arbeitnehmer entsprechend seinen Fähigkeiten eingesetzt wird.“204

nicht Gesetz wurde. Der Gesetzgeber hat mit der Nichtaufnahme dieser Regelung hingegen lediglich verhindern wollen, daß ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ermessensausübung in dieser Richtung aus der Norm hergeleitet wird. 205 Vor allem aber ist der nach dieser Regelung dem Arbeitnehmer zu übertragende „Bereich eigener Verantwortung“ nicht mit dem „weisungsfreien Eigenbereich“, wie er vor der Gesetzesänderung beschrieben wurde, identisch. Die Übertragung eines eigenen Verantwortungsbereichs stellt einen Verzicht des Arbeitgebers auf einen Teil des Leistungsbestimmungsrechts dar, der ihm ohne Erklärung des Verzichts an sich zustünde. Ein solcher Verzicht ist bei Vertragsschluß, vor allem aber auch nachträglich durch Vertragsänderung möglich. 206 Es ist aber nicht so, daß erst durch den Verzicht ein „weisungsfreier Eigenbereich“ entstünde. Vielmehr besteht dieser Eigenbereich ohnehin; er kann durch einen Verzicht nur erweitert werden. Dieser „weisungsfreie Eigenbereich“ ist zunächst nichts anderes als die jedem Dienstverpflichteten zustehende Leistungskonkretisierungsbefugnis. 207 Der „weisungsfreie Eigenbereich“ des Arbeitnehmers existiert nicht nur und nicht in erster Linie im Sinne eines Gegengewichts zum Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitsgebers, auch wenn an dieser Stelle die praktische Bedeutsamkeit des Leistungskonkretisierungsrechts hervortritt (dazu sogleich). Der „weisungsfreie Eigenbereich“ besteht vielmehr, soweit die Leistung nicht 204 Referentenentwurf zitiert nach Schöne, NZA 2002, 829, 831. Den Gedanken der Übertragung eines „eigenen Verantwortungsbereichs“ enthielten bereits frühere Entwürfe zu einem Arbeitsvertragsgesetz: § 21 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 401 ff.: „Soweit es betriebsorganisatorisch möglich ist, hat der Arbeitgeber bei der Gestaltung des Arbeitsbereichs zu beachten, daß der Arbeitnehmer einen Bereich eigener Verantwortung erhält, wenn und soweit das den nach dem Arbeitsvertrag wahrzunehmenden Aufgaben des Arbeitnehmers und seiner berufl ichen Tätigkeit entspricht.“ Knapper und präziser ist § 37 Abs. 2 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992: „Dem Arbeitnehmer ist, soweit möglich, ein Bereich eigener Verantwortung zu übertragen.“ 205 So Schöne, NZA 2002, 829, 831. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/8796, S. 24) können Unternehmen „. . . nicht mehr nur durch Über- und Unterordnung, sondern durch ein eher partnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten bestehen“ und der Arbeitgeber solle prüfen, „ob den Beschäftigten ein eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum dort eingeräumt werden kann, wo dies betriebsorganisatorisch möglich und wirtschaftlich vertretbar“ ist. 206 Ein solcher Verzicht stellt kein einseitiges Rechtsgeschäft dar, sondern bedarf in entsprechender Anwendung von § 397 BGB der Zustimmung des Arbeitnehmers. Vgl. in ähnlichem Zusammenhang bereits Bötticher, AuR 1967, 321, 322. 207 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a), S. 111 ff.

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durch den Arbeitsvertrag oder durch zulässige einseitige Weisungen des Arbeitgebers (oder durch anderweitige Regelungen) konkretisiert wurde. 208 Diese Konkretisierungsbefugnis steht dem Arbeitnehmer immer und ohne weiteres zu, denn auch für die Erfüllung des Arbeitsvertrages gilt, daß die Unbestimmtheit der Leistung dem Schuldner zugute kommt. Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der gemeinsam oder zulässigerweise durch den Dienstberechtigten getroffenen Bestimmungen „leisten, was er will; so weit er nicht gebunden ist, ist er frei.“209 In der Praxis wird der so beschriebene „weisungsfreie Eigenbereich“ allerdings in vielen Fällen klein sein. Ließe man es bei diesem Eigenbereich bewenden, hätte es der Arbeitgeber zudem stets in der Hand, durch eine Vielzahl von Einzelweisungen den Eigenbereich quasi „auf Null“ zu reduzieren, so daß der Arbeitnehmer die Tätigkeit letztlich wie eine Marionette ausführen müßte. Es ist jedoch – wie bei den selbständigen Dienstverträgen – zu beachten, daß nicht nur das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers den Umfang der Konkretisierungsbefugnis beschränkt. Umgekehrt beschränkt auch das Interesse des Arbeitnehmers an einem „weisungsfreien Eigenbereich“ den Umfang des Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers. Diese Beschränkung lag vor der Einführung des § 106 S. 1 GewO in der Regelung des § 315 Abs. 1 BGB begründet, nach der das Leistungsbestimmungsrecht im Zweifel 210 nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden konnte. Sie ist nunmehr in § 106 S. 1 GewO zu finden. Die Entscheidung über das Ermessen ist nur dann „billig“, wie es § 106 S. 1 GewO nun ausnahmslos fordert, wenn der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers an der Innehabung bzw. Beibehaltung eines „weisungsfreien Eigenbereichs“ berücksichtigt. Dafür ist relevant, ob und inwieweit der Arbeitnehmer tatsächlich begründete Interessen am Unterbleiben der Weisung hat. 211 Besteht – wie regelmäßig – ein betriebsbezogener, sachlicher Grund für die Weisung, muß das Interesse des Arbeitnehmers an einem weisungsfreien Eigenbereich grundsätzlich zurücktreten. 212 Auf der anderen Seite überwiegen 208 Geschickt E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 97: „Soweit dieses Recht [auf Individualisierung der Arbeitsleistung, Anm. d. Verf.] dem Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsforderung zusteht, wird es Direktionsrecht genannt. Soweit das Recht der Individualisierung dem Arbeitnehmer zusteht, existiert kein Direktionsrecht des Arbeitgebers.“ 209 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 254 (S. 18), zum BGB. Vgl. schon oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a), S. 111 ff. 210 Eine generelle Vereinbarung „freien Beliebens“ oder „freien Ermessens“ für das Weisungsrecht des Arbeitgebers hält Hromadka, RdA 1992, 235, 237 f., gem. § 138 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG für unzulässig. 211 Zutreffend Hromadka, RdA 1992, 235, 238: Es sei ein Unterschied, ob eine Sekretärin angewiesen werden soll, zuerst Kaffee zu kochen und dann Telefongespräche zu vermitteln, oder ob einem Sachbearbeiter ein interessantes Aufgabengebiet entzogen werden soll. 212 P. Behrens, ZfA 1989, 209, 228, macht an dieser Stelle aus Sicht der ökonomischen Analyse auf die Gefahr von Trittbrettfahrereffekten aufmerksam, dazu noch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb), S. 194 ff.

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die Interessen des Arbeitnehmers grundsätzlich, wenn die Weisung des Arbeitgebers willkürlich – oder gar schikanierend – ist, d. h. wenn der Arbeitgeber keinerlei sachliche Gründe für die Weisung benennen kann. 213 Hierfür ist ein Rückgriff auf grundrechtliche Positionen des Arbeitnehmers, etwa auf seine Menschenwürde oder sein Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), nicht vonnöten. Solche Grundrechte sind erst dann in die Auslegung einzubeziehen, wenn der Arbeitgeber sachliche, betriebliche Gründe für die Weisung benennen kann. Zu solchen Konstellationen, in denen grundrechtlich geschützte Positionen (z. B. die Glauben-, Gewissens- oder Meinungsfreiheit) des Arbeitnehmers einer sachlich begründeten Weisung des Arbeitgebers entgegenstehen, hatte die Rechtsprechung bereits vielfach Stellung zu beziehen. 214 Dieser weitgefächerten Problematik soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Es mag jedoch gerade im Arbeitsrecht hilfreich sein, das Gegenüber von Leistungsbestimmungsrecht und Konkretisierungsbefugnis zu betonen. Die Konkretisierungsbefugnis des Arbeitnehmers, also der weisungsfreie Eigenbereich, hat ganz im Gegensatz zum Weisungsrecht des Arbeitgebers bislang wenig Aufmerksamkeit im Schrifttum erfahren. 215 (3) Ergebnis zu b) Die Bestimmung der ordnungsgemäßen Leistung durch die Vertragsparteien erfolgt für den Arbeitsvertrag im Grundsatz wie für den Dienstvertrag. Auch die Einführung des § 106 GewO hat daran nichts geändert. In erster Linie legen die Arbeitsvertragsparteien die Arbeitsleistung vertraglich fest; hierbei handelt es sich jedoch nur um eine rahmenmäßige Bestimmung. Innerhalb dieses Rahmens steht dem Arbeitgeber das nunmehr gesetzliche normierte 213 So im Fall des LAG Berlin (Urt. v. 12. 3. 1999) BB 1999, 2305: Der Mitarbeiter einer Bank war u. a. unbeschäftigt in einem leeren Büro sitzengelassen worden. Dann hatte ihn der Arbeitgeber angewiesen, das Buch „Große Dubiosen“ durchzusehen, d. h. der Arbeitnehmer sollte bereits abgeschlossene Akten ohne aktuellen Bedarf und ohne konkrete Folgerungen studieren. Der Arbeitnehmer verweigerte dies. Nach zutreffender Ansicht des LAG Berlin war die darauffolgende Kündigung nicht gerechtfertigt. Vgl. auch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (aa), S. 177 f. 214 Vgl. nur BVerfG (Urt. v. 30. 7. 2003) AP Nr. 134 zu Art. 12 GG; BAG (Urt. v. 10. 10. 2002) AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969; BAG (Urt. v. 22. 5. 2003) AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit; BAG (Urt. v. 20. 12. 1984) AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG (Urt. v. 24. 5. 1989) AP Nr. 1 zu § 611 BGB Gewissensfreiheit. Weitere Nachweise MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 42. Diese Rechtsprechung wird durch die Einführung des § 275 Abs. 3 BGB teilweise für überholt gehalten, Henssler, RdA 2002, 129, 132; Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 223; vgl. auch Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 621. Zu § 275 Abs. 3 BGB vgl. in diesem Zusammenhang unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (3), S. 363 ff. 215 Dies liegt darin begründet, daß die Leistungskonkretisierungsbefugnis nicht wie das Leistungsbestimmungsrecht auf das – den Juristen primär interessierende – Begehren gerichtet ist, die andere Vertragspartei möge eine bestimmte Handlung erbringen. Die Leistungskonkretisierungsbefugnis kann nur zur Abwehr zu weitgehender Weisungen dienen.

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einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus § 106 GewO zu. Dieses Leistungsbestimmungsrecht unterfällt wie nach alter Rechtslage den §§ 315 ff. BGB, mit Ausnahme des § 315 Abs. 1 BGB. Die gesetzliche Begründung des Leistungsbestimmungsrechts verändert auch die Darlegungs- und Beweislast im Verhältnis zur alten Rechtslage nicht. Wie beim Dienstvertrag obliegt es dem Gläubiger zu beweisen, daß seine Weisung billigem Ermessen entsprach. Die vertragliche Vereinbarung sowie die zulässigen Weisungen des Arbeitgebers setzen Grenzen, innerhalb derer der Arbeitnehmer, wie jeder andere Schuldner, die Leistung nach „freiem Belieben“ erbringen kann. Dieser sog. „weisungsfreie Eigenbereich“ ist nichts anderes als die (Leistungs-)Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten. Doch zeigt sich beim Arbeitsvertrag wegen der Stärke des Weisungsrechts mehr noch als beim Dienstvertrag, daß auch das Interesse des Dienstverpfl ichteten am Erhalt eines bestimmten „weisungsfreien Eigenbereichs“ das Leistungsbestimmungsrecht des Dienstverpflichteten in Schranken verweisen kann. c) Ergebnis zu 1. Die Darstellung der Bestimmung der ordnungsgemäßen Leistung durch die Dienstvertragsparteien zeigte deutlich auf, daß die Parteien eben nicht die eine ordnungsgemäße Leistung vereinbaren, die der Dienstverpfl ichtete erbringen soll. Die Formulierung des § 611 Abs. 1 BGB, nach der der Schuldner zur Leistung „der versprochenen Dienste“ verpflichtet ist, mag das Gegenteil nahelegen. Indes gibt es die versprochenen Dienste nicht. Die versprochenen Dienste werden durch die vertragliche Vereinbarung rahmenmäßig festgelegt und durch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten weiter konkretisiert. Auch bei einer besonders weit gehenden und detailreichen Konkretisierung – wie sie in der Praxis selten ist – bleibt es bei einer gewissen Unbestimmtheit der zu erbringenden Tätigkeit. Diese Unbestimmtheit kommt dem Schuldner zugute; dies gilt für selbständige Dienstverpflichtete wie für Arbeitnehmer. Solange keine vertragliche oder einseitige Leistungsbestimmung erfolgt ist, kann der Dienstverpfl ichtete leisten, was er will. 2. Die Bestimmung des Leistungsinhalts durch das Gesetz Diese Darstellung der Ausgangslage zur Bestimmung der ordnungsgemäßen Leistung mag unterschiedliche Kritik hervorrufen. Zu dem möglichen grundsätzlichen Einwand, die Unbestimmtheit der vertraglichen Vereinbarung könne nicht einseitig dem Schuldner zugute kommen, wurde bereits Stellung genommen. 216 216

Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (aa), S. 111 ff.

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Daneben könnte eingewandt werden, daß die ordnungsgemäße Leistung nicht allein durch die vertragliche Vereinbarung und das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Dienstverpflichteten, sondern auch durch das Gesetz bestimmt werde. Dies ist einerseits selbstverständlich (dazu unter a)), andererseits fraglich (unter b)). a) Allgemeine Einschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis durch das Gesetz Selbstverständlich ist, daß, soweit die vertragliche Vereinbarung keine entsprechende Regelung enthält, gesetzliche und sonstige Vorschriften eingreifen, welche die zu erbringenden Dienste bestimmen. Außerdem werden die vertraglichen Vereinbarungen durch entgegenstehendes zwingendes Recht überspielt. Zu solchen, die Konkretisierungsbefugnis weiter eingrenzenden Vorschriften gehören allgemeine, d. h. für alle Dienstverträge geltende gesetzliche Bestimmungen wie § 269 oder § 613 BGB oder spezialgesetzliche Bestimmungen wie z. B. §§ 3 ff. ArbZG. Für das Arbeitsrecht sind Besonderheiten zu beachten. Wird im Arbeitsvertrag keine für den Arbeitnehmer günstigere Regel vereinbart, gilt z. B. nach § 5 Abs. 1 ArbZG, daß dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden zusteht. Die Regelung ist nicht durch Arbeitsvertrag abdingbar. Die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung umfaßt mithin nicht das Hinnehmen einer kürzeren Ruhepause. Arbeitet der Arbeitnehmer jedoch bereits nach 10 Stunden weiter, steht ihm nach zutreffender Auffassung 217 für die erbrachte Tätigkeit der volle Lohn zu. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer jedoch nicht auf eine vertragliche Verpfl ichtung hin geleistet, denn insoweit bestand gerade keine Verpfl ichtung. 218 Eine bereicherungsrechtliche Abwicklung ist jedoch nicht angemessen, da die erbrachte Arbeitsleistung als Vermögenswert in das Vermögen des Arbeitgebers unwiderrufl ich inkorporiert ist. 219 Anzuwenden sind die Grundsätze über das faktische/fehlerhafte Arbeitsverhältnis. 220

Im Arbeitsrecht sind neben den gesetzlichen Vorschriften insbesondere die die Arbeitsleistung betreffenden Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen von Bedeutung. Für das Recht der freien Dienstverträge sind die 217 Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 BGB Rn. 164, 267; ebenso Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 164, 267; Gamillscheg, AcP 176 (1976) 197, 203, 215 f. Dahin gehend auch BAG (Urt. v. 28. 3. 1963) AP Nr. 24 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen, doch konnte das BAG neben Treu und Glauben in diesem Fall auch den Gleichbehandlungsgrundsatz heranziehen. Vgl. auch §§ 22, 23 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992. Ähnlich §§ 20, 21 des Diskussionsentwurfs für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23). 218 Es sei denn, man ginge in Anlehnung an Canaris, NJW 1985, 2404 f. m.w.Nachw., von einer sog. „halbseitigen Teilnichtigkeit“ der Vereinbarung aus. 219 Picker, ZfA 1981, 1, 53. 220 Zum faktischen/fehlerhaften Arbeitsverhältnis vgl. nur: MünchArb/Richardi § 46 Rn. 56 ff. m.w.Nachw.

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gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Berufsrechts zu nennen, wie z. B. §§ 43, 43a BRAO. Demgegenüber können die Regelungen des Standesrechts nur durch vertragliche Einbeziehung für den Schuldinhalt bedeutsam werden. 221 b) Zur Möglichkeit weiterer gesetzlicher Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis Die Konkretisierungsbefugnis, also die Befugnis des Dienstverpflichteten, die Leistung nach „freiem Belieben“ erbringen zu können, könnte darüber hinaus einzuschränken sein. Eine weiter gehende pauschale Beschränkung durch eine analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB wird in der Literatur hinsichtlich der sog. Qualität der zu erbringenden Dienste gefordert. Dazu ist unter (1) Stellung zu nehmen; im Ergebnis wird die Analogie abzulehnen sein. Es soll aber dennoch der Frage nachgegangen werden, ob die Einführung einer dispositiven gesetzlichen Bestimmung angeraten ist, durch welche der Schuldner des Dienstvertrages zur Erbringung einer „Normal-“ oder „Durchschnittsleistung“ bzw. einer „subjektiv-optimalen“ Leistung verpfl ichtet wird. Dies wird im Anschluß unter (2) diskutiert. (1) Verpfl ichtung zur Leistung von Diensten „mittlerer Art und Güte“ (§ 243 Abs. 1 BGB)? § 243 Abs. 1 BGB bestimmt, daß derjenige, der eine „nur der Gattung nach bestimmte Sache“ schuldet, eine Sache von „mittlerer Art und Güte“ zu leisten hat. Ihrem Wortlaut nach ist die Norm also nur auf Verpflichtungen anzuwenden, die die Leistung einer körperlichen Sache (§ 90 BGB) zum Inhalt haben. Es kommt daher nur eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Tätigkeiten in Betracht. Auch wenn man die Voraussetzungen der Analogie bejaht, würde sich die Vorschrift aber lediglich auf „nur der Gattung nach bestimmte“ Leistungen beziehen. Voraussetzung für die regelmäßige Anwendung der Norm wäre also weiter, daß in Dienstverträgen im allgemeinen oder zumindest typischerweise der Schuldner zu einer „nur der Gattung nach bestimmten“ Leistung verpflichtet wäre. (a) Entstehungsgeschichte des § 243 Abs. 1 BGB Die Beschränkung des § 243 Abs. 1 BGB auf „Sachen“ lag, wie auch in der Literatur bereits festgestellt wurde, 222 in der Absicht des Gesetzgebers. Ein Vergleich mit § 279 BGB a. F. hätte zu dem gegenteiligen Schluß verleiten können, denn dort hatte der Gesetzgeber die Formulierung „Ist der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, . . .“223 gewählt. Aber auch mit dieser 221 222 223

Dazu unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (cc), S. 182 ff. Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 310 f. Hervorhebung durch Verf.

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Formulierung verband der Gesetzgeber offenbar nicht die Absicht, die Gattungsschulden tatsächlich auf „Gegenstände“ zu erweitern. 224 Zudem belegt der Verlauf der Gesetzgebungsgeschichte des § 243 Abs. 1 BGB die Beschränkung auf die Sachgattungsschulden deutlich. Den Beratungen lag der Formulierungsvorschlag von Kübels zugrunde, nach dem es heißen sollte: „Ist die geschuldete Leistung nur der Gattung nach bestimmt, . . .“. 225 Die 1. Kommission hielt es jedoch für angemessen, die Beratung zunächst auf generische Obligationen zu beschränken, bei welchen eine Sache den Gegenstand der Leistung bildet. 226 Als die Ausweitung des Anwendungsbereichs zur Diskussion stand, kam man überein, für generische Obligationen, bei welchen der Leistungsinhalt in einer Handlung besteht, keine Vorschriften zu schaffen. Diese seien „entbehrlich, einmal wegen der geringen praktischen Bedeutung solcher Fälle, dann aber auch, weil dieselben so eigenthümlich seien, daß sie sich nicht unter allgemeine Regeln subsumiren ließen, bei ihrer Beurtheilung vielmehr die besonderen Umstände des gegebenen Falles den Ausschlag zu geben hätten.“227 In den Motiven heißt es mit aller Klarheit, daß die Vorschrift, also der spätere § 243 Abs. 1 BGB, nur die „generische Sachobligation im Auge“ 228 habe. Der Wortlaut des § 243 Abs. 1 BGB wird dennoch vielfach durch Analogiebildung überwunden. 229 Dies mag für zahlreiche parallele Fallgestaltungen richtig sein. Für die dienstvertragliche Verpfl ichtung ist zu berücksichtigen, daß sich der Gesetzgeber, wie gerade erwähnt, mit den „generischen Obligationen, bei welchen der Gegenstand der Leistung eine Handlung ist“230 , besonders auseinandergesetzt hat. Die 1. Kommission hielt es für möglich, daß Verpflichtungen, bei denen (nur) eine Handlung geschuldet ist, Gattungsschulden darstellen; andererseits hielt man diese Fälle offenbar für selten und „eigenthümlich“. In der Literatur des Pandektenrechts führt Mommsen entsprechend aus, daß generische Obligationen „auf ein Thun“ selten vorkommen werden. Für solche Fälle nennt er als Beispiel „das Versprechen von operae, insofern die Tage, an welchen die operae geleistet werden sollen, nicht bestimmt sind, . . . oder die Person, welche die operae leisten soll, unbestimmt gelassen ist.“231 Eine ähnliche Formulierung findet sich schon zuvor bei Savigny. 232 Die – nach heu224

Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 310 f. Vgl. Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 50. 226 Vgl. Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 51. 227 Protokolle I, S. 537, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 54. Die Formulierung wurde ähnlich gefaßt in den Motiven, Bd. 2, S. 10 f. 228 Motive, Bd. 2, S. 10. 229 Vgl. nur Planck/Siber, § 243 Anm. 1; Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 310 f.; Soergel/ Teichmann § 243 Rn. 4. 230 Protokolle I, S. 537, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 54. 231 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 53. 232 v. Savigny führt aus, daß der Begriff „Quantität“ auch auf „. . . manche Arbeit (auf das Thun)“ angewendet werden könne. Es komme im Einzelfall darauf an, ob „bei Begründung 225

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tigem Verständnis – typische dienstvertragliche Schuld, nach welcher der Schuldner verpflichtet ist, zu einer bestimmten Zeit höchstpersönliche Dienste zu erbringen, wurde demnach damals nicht als Gattungsschuld verstanden. Mommsen führt weiter aus, es stehe zu diesen Beispielen in keiner unmittelbaren Beziehung, daß die zum Gegenstand einer Obligation gemachten Arbeitstage eines bestimmten Menschen, die regelmäßig unter sich den gleichen Wert hätten, mit vertretbaren Sachen verglichen werden könnten. 233 Mommsens und Savignys Ansicht fand Gefolgschaft in der Literatur: u. a. bei Goldschmidt 234 und offenbar auch bei Windscheid 235 . Eine enge Anlehnung an Mommsen fi ndet sich noch bei Heilfron 236 und Kress, der u. a. betont, daß eine gattungsmäßige Arbeitsschuld eben nicht vorliege, wenn der Schuldner eine persönliche Arbeitsleistung verspreche, was in der Regel beim Dienstvertrag der Fall sei. 237 Auch Oertmann führt aus, daß die von einer speziell bestimmten Person herstellbare Leistung in gewissem Sinne selbst als speziell bestimmt zu erachten sei. 238

der Obligation, die Arbeit als eine ganz individuelle gedacht worden ist (wie z. B. ein Kunstwerk), oder vielmehr als eine solche, die von Jedem auf gleiche Weise geleistet werden, also auch der Schätzung durch Zahl, Maß und Gewicht unterworfen werden kann.“ (ebenda S. 402). v. Savigny spricht hier allerdings von Quantitäten, d. h. von res fungibilis“ (vgl. § 39 C., S. 400, Fn. (c)) und damit eben nicht von den „generischen Obligationen“ (ebenda § 39 b., S. 399 f.). Die Ausführungen v. Savignys können deshalb nicht ohne weiteres als Beleg für die Aussage herangezogen werden, daß sich bereits in der Literatur des 19. Jahrhunderts die Feststellung fi ndet, daß Arbeitsleistungen Gegenstand einer Gattungsschuld sein können, so aber Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 178 mit Fn. 302. 233 Mommsen, ebenda, Fn. 2. Mommsen verwendet den Ausdruck „fungible Sachen“. Er verweist auf D.45.1.54.1. „Operarum stipulatio similis est his stipulationibus, in quibus genera comprehenduntur.“ In der Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis: „Die Stipulation von Diensten ist derjenigen Stipulation ähnlich, welche über Gattungen eingegangen werden, . . .“. Im übrigen geht es an dieser Stelle vor allem um die Teilbarkeit von (Sklaven-)Diensten. 234 Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, 1. Bd., 2. Abteilung, 1868, § 61 Fn. 13 (S. 535). Ebenso Berndorff, Die Gattungsschuld, 1900, S. 7. 235 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 255 2. Fn. 16 (S. 34), zum BGB, führen lediglich aus, daß es auch eine generische Obligation sei, wenn jemand zu einer nur ihrer Art nach bezeichneten Arbeit verpfl ichtet ist. Sie verweisen sodann auf die schon von Mommsen herangezogene Digestenstelle, oben Fn. 233. 236 Heilfron, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 1902, § 4 a) Fn. 1: Arbeitsleistungen seien regelmäßig individuell bestimmt. Ausnahmen wären z. B. die Verpfl ichtung eines Unternehmers, einem Gutsbesitzer „10 mit der Zuckerrübenkultur vertraute Arbeiterfamilien“ (!) zu stellen, oder die Verpfl ichtung eines Kapellmeisters, durch von ihm zu entsendende Musiker die Tafelmusik ausführen zu lassen. Auch heute noch wird angenommen, daß in den Fällen, in denen die Dienst nicht höchstpersönlich zu erbringen sind, ein „durchschnittliches Leistungsniveau“ geschuldet wird, vgl. Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I. 237 Allgemeines Schuldrecht, S. 218 f. mit Fn. 31. Ihm und dem Beispiel Berndorffs (ebenda Fn. 234) folgend Crome, Carl, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 46; Staudinger/W. Weber, 10./11. Aufl., (1967) § 243 Rn. 12. 238 Oertmann Anm. 2 a) zu § 279, der aber wohl eher Werkverträge im Auge hat. Ähnlich K. Adler, AcP 109 (1912), 321, 338.

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Die Entstehungsgeschichte der Norm verdeutlicht, daß der Gesetzgeber eine analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung zur Leistung von Diensten nur im Ausnahmefall aufgrund der Besonderheiten der konkreten vertraglichen Vereinbarung für möglich hielt. (b) Der Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung Seit geraumer Zeit wird demgegenüber von einigen Stimmen eine analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung zur Leistung von Diensten befürwortet. Dabei ist freilich zu differenzieren: Schon zu der Frage, ob die Verpflichtung zur Leistung von Diensten als Gattungsschuld anzusehen ist, bietet die Literatur ein sehr breites Meinungsspektrum. Teilweise werden alle dienstvertraglichen Verpfl ichtungen als Gattungsschulden eingeordnet. 239 Andere Autoren bezeichnen hingegen nur die Verpflichtung aus einem unselbständigen Dienstvertrag, also einem Arbeitsvertrag, als Gattungsschuld, 240 wobei wiederum teilweise der Standpunkt vertreten wird, daß die Verpflichtung aus einem selbständigen Dienstvertrag im Gegensatz dazu eben keine Gattungsschuld sei. 241 Teilweise wird die Verpflichtung aus dem Dienst- bzw. aus dem Arbeitsvertrag242 in die Nähe der Speziesschuld gestellt. 243 Aus der Einordnung der dienst- oder arbeitsrechtlichen Verpfl ichtung als Gattungs- oder Speziesschuld folgt freilich nicht zwingend, daß § 243 Abs. 1 BGB anzuwenden bzw. nicht anzuwenden ist, auch wenn dieser Schluß naheliegt. In der Tat verfolgen die Autoren mit ihrer jeweiligen Kategorisierung 239 Die in Fn. 244 Genannten sowie schon Hoeniger/Wehrle, Arbeitsrecht, S. XVI f., XVIII f. ; dem folgend Kreller, AcP 122 (1924), 1, 34. Sehr einschränkend Oertmann, vgl. oben Fn. 238 und ebenda im Text. Für den freien Dienstvertrag Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 403 („insoweit“). W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 499, auf den Leßmann (ebenda Fn. 45) für seine Ansicht verweist, nimmt eine solche Kategorisierung nicht vor, sondern weist nur auf Parallelen hin. Für eine Einbeziehung von Dienstleistungen in den Gattungsbegriff auch Hirte, Berufshaftung, S. 377. 240 Böttner, Direktionsrecht, S. 26 ff., 32. In diese Richtung auch G. Müller, Leistungsbegriff, S. 156; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 157 („gewisse Aussagekraft“). Einschränkend auch Kreller, AcP 123 (1925), 263, 283, 284 ff. 241 E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 97 f.; ders., Schuldrecht, Allgemeiner Teil, S. 142 f. (allerdings auch für den selbständigen Dienstvertrag differenzierend). Sehr einschränkend für den Gattungsschuldcharakter der arbeitsvertraglichen im Gegensatz zur dienstvertraglichen Verpfl ichtung Kress, S. 136 mit Fn. 237. Vorsichtig in diese Richtung auch Trautmann, Gruchot 59 (1915), 434, 442. 242 Die in Fn. 251 Genannten sowie MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 13, nach dem unter dem Aspekt der Arbeitszeit die Arbeitspfl icht in der Regel Speziesschuld sei. Siehe insoweit auch die in Fn. 243 Genannten. 243 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 285 ff.; Picker, FS Kissel, S. 813, 822 ff., und bereits in JZ 1985, 693, 699 Fn. 113, der eine „zeitliche Speziesschuld“ annimmt, soweit der Dienst- bzw. Arbeitsvertrag ein Fixgeschäft darstellt. Dem folgend Staudinger/Richardi (2005) § 615 Rn. 35; ders., NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14 f.; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, S. 178. Ähnlich Rabe, Lohnminderung, S. 67; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 24 I. 1.

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meist andere Ziele. Mit der Einordnung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung als Gattungsschuld wird beispielsweise das Direktionsrecht des Arbeitgebers begründet, bzw. es wurde mit der Nähe der dienstvertraglichen Verpfl ichtung zur Speziesschuld die Anwendung der Gefahrtragungsregelung des § 279 BGB a. F. erklärt. Die konsequente Begründung der Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB mit dem Gattungsschuldcharakter der dienst- und arbeitsvertraglichen Verpfl ichtung findet sich nur vereinzelt. 244 Teilweise spricht man sich für die Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung aus dem Dienst-245 bzw. Arbeitsvertrag246 aus, ohne eine solche Qualifikation vorzunehmen. 247 Andere, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, 248 lehnen die Anwendung des § 243 auf die arbeitsvertragliche249 bzw. dienstvertragliche250 Verpflichtung ausdrücklich 244 Leonhard, FS Enneccerus, 1913, S. 1, 67 f.; Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 77 ff., 178 ff., 309 ff., 350; ihm folgend van Gelder, MDR 1996, 340 ff.; Hartung, Schlechtleistung, S. 88 ff. Unklar Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 403. 245 Zurückhaltend Staudinger/Medicus (1995) § 243 Rn. 4, 46. 246 Motzer, „Positive Vertragsverletzung, S. 120 ff. (mit Einschränkung bzgl. Arbeitsintensität und in Fn. 166); von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 RdNr 253b „Grundgedanke“; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 12. Auflage, Rn. 50, und Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 283: „im Zweifel“; ebenso Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 283; Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 836 „allgemeiner Rechtsgedanke“. Wohl auch Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 656 (eingangs) und Staudinger/Preis (2002) § 630 Rn. 71, anders aber ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 794. Unklar MünchArb/Berkowsky, § 137 Rn. 76 mit Fn. 79, da nicht klar ist, ob sich der Verweis auf § 243 Abs. 1 BGB auf den „Normalwert“ bezieht oder auf die von Berkowsky offenbar für zulässig gehaltene Schwankungsbreite. Unklar auch APS/Dörner § 1 KSchG Rn. 278. Zurückhaltend Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 8 1. (3). In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung – insbesondere zur Kündigung – wird zwar oft ein individueller Maßstab angelegt, dann jedoch eine Tätigkeit von „mittlerer Art und Güte“ als ausreichend angesehen: LAG Hamm (Urt. v. 27. 4. 2000) NZA 2002, 624 (dort nur Leitsatz); ArbG Frankfurt (Urt. v. 2. 9. 2002–15 Ca 3329/02), n.v.; ArbG Frankfurt (Urt. v. 29. 12. 2000–18 Ca 6208/00), n.v.; ArbG Berlin (Urt. v. 29. 2. 1996) AiB 1997, 358; dahin gehend auch ArbG Ludwigshafen (Urt. v. 25. 1. 2000) EzBAT Nr. 52 zu § 53 BAT Verhaltensbedingte Kündigung. Dieser Rechtsprechung folgend KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 448. Zu dieser Rechtsprechung unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb), S. 190 f. In diese Richtung bezogen auf die Haftung des Unternehmers schon Rother, Haftungsbeschränkung, S. 268. 247 Allgemein für die entsprechende Anwendung des § 243 BGB auf „Dienstleistungen“ Erman/Werner, 10. Aufl., § 243 Rn. 3; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 6 I. Unter diesen Begriff würde aber auch die werkvertragliche Verpfl ichtung fallen. Ob die Verpfl ichtung des Werkunternehmers eine Gattungsschuld darstellt, ist aber ebenfalls umstritten, ablehnend Heck, Schuldrecht, S. 88; Jakobs, FS Beitzke, S. 67, 75, sowie U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 24 I. 1. Für die Verpfl ichtung zur Erstellung eines Werks von „mittlerem Ausführungsstandard“ BGH (Urt. v. 24. 9. 1991) NJW-RR 1992, 556 (betr. Zugangskontrollsystem). 248 BAG (Urt. v. 17. 3. 1988) AP Nr. 99 zu § 626; BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969. 249 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 285 ff.; Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191; Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 12; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 15. 250 F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 119 Fn. 2.

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ab. Diese Ablehnung wird wiederum teilweise damit begründet, daß es sich bei dienst- bzw. arbeitsvertraglichen 251 Verpflichtungen um Speziesschulden oder jedenfalls nicht um Gattungsschulden handele. 252 (c) Die Voraussetzungen der Analogie Die Vielfalt der Meinungen ist bereits ein Indiz dafür, daß die analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung aus Dienst- bzw. Arbeitsverträgen verschiedenen, unterschiedlich gelagerten Schwierigkeiten begegnet: (aa) Gesetzeslücke Die Analogie setzt zunächst das Bestehen einer sog. planwidrigen Gesetzeslücke voraus. 253 Gerade die Planwidrigkeit dieser Lücke ist indes nach der Entstehungsgeschichte zweifelhaft. Der Gesetzgeber sah bei Schaffung der Norm vor, daß diese Fälle nicht zu regeln seien, d. h. auch nicht unter den späteren § 243 Abs. 1 BGB fallen sollten. Vielmehr sei eine Einzelfallbetrachtung angebracht. 254 Denkbar ist freilich das Entstehen einer sog. nachträglichen Gesetzeslücke. 255 So wird argumentiert, daß sich die Verkehrsanschauung, die zu Ende des 19. Jahrhunderts bestand, nach der der Schuldner in Ermangelung eine anderen Bestimmung eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten habe, heute nicht mehr auf den Warenverkehr beschränken lasse. 256 Betrachtet man indes, mit welcher Vehemenz vor und kurz nach der Entstehung des BGB gegen den „Warencharakter“ der Arbeitsleistung angekämpft wurde, 257 erscheint eine solche Entwicklung immerhin zweifelhaft. (bb) Tatbestandliche Vergleichbarkeit Wollte man eine Lücke annehmen, wäre auf der tatbestandlichen Seite die Nähe der dienst- bzw. arbeitsvertraglichen Verpfl ichtung zu der „nur der Gattung nach bestimmten Sache“ darzulegen. 258 Dabei ist zu berücksichtigen, daß 251 Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 97 f.; Rabe, Lohnminderung, S. 67; MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 24, 64; Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 403; LAG Frankfurt (Urt. v. 22. 4. 1997) LAGE Nr. 33 zu § 64 ArbGG 1979. Dahin gehend auch Ballerstedt, Eigentum und Mitbestimmung, S. 183, 190 f. Ebenso HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 299 mit Fn. 14. Auch Wlotzke, RdA 1965, 180, 188 f., hält die Verpfl ichtung des Arbeitnehmers nicht für eine Gattungsschuld, dennoch fordert er einen objektiven Leistungsmaßstab. 252 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 285 ff.; Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 150. 253 Canaris, Feststellung, §§ 3, 14 m.w.Nachw. 254 Oben Erster Teil, § 3, II. 2. b) (1) (a), S. 134 ff. 255 Zu diesem Begriff Canaris, Feststellung, § 126 m.w.Nachw.; Larenz, Methodenlehre, Kapitel 5, 2. a), S. 379 ff. 256 Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 76 ff. 257 Vgl. nur Brentano, Das Arbeitsverhältnis gemäß dem heutigen Recht, 1877, S. 182 ff.; Wehrle, Der Warencharakter der Arbeit und das heutige Recht, 1925. 258 Zur Methodik Canaris, Feststellung, §§ 63 ff.; Larenz, Methodenlehre, Kapitel 5, 2. a), S. 370 ff.

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über den Begriff der „Gattungsschuld“ keine Einigkeit besteht. Hinzu kommt – und hierin liegt bereits die nächste Schwierigkeit –, daß es ohnehin keinen einheitlichen Gattungsschuldbegriff gibt. Die Vielschichtigkeit des Begriffs Gattungsschuld wurde bereits frühzeitig erkannt und diskutiert. 259 Selbst für den klassischen Fall des Gattungskaufs ist heute anerkannt, daß jedenfalls der sog. „marktbezogene Gattungskauf“, der „einfache Gattungskauf“ und der „Vorratskauf“ zu scheiden sind. 260 Entsprechend dieser Vielschichtigkeit ist der Grenzbereich unklar, und gerade auf diesen Grenzbereich käme es für die Analogiebildung an. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß bei den Versuchen, die Verpfl ichtungen aus Dienst- oder Arbeitsverträgen zu kategorisieren, vielfach von der unausgesprochenen Grundannahme ausgegangen wird, eine Verpflichtung, die nicht Speziesschuld sei, müsse Gattungsschuld sein, vice versa. 261 Zwar wird von Teilen der Literatur eine solche Dichotomie ausdrücklich bejaht. 262 Sie ist indes, wie bereits herausgearbeitet wurde, 263 durchaus zweifelhaft. In der Pandektistik findet sie sich – soweit ersichtlich – nicht. Es wurden lediglich die Besonderheiten der Gattungsschuld behandelt; 264 dem folgte das Bürgerliche Gesetzbuch insoweit, als es lediglich Normen für die Gattungsschuld, nicht aber solche für die Stückschuld enthielt. Neben die Gattungsschuld tritt daher die Speziesschuld sowie ein – nicht näher untersuchtes – tertium. 265 Zu diesem „Restbereich“ könnten durchaus auch die Verpflichtungen aus Dienst- oder Arbeitsverträgen zählen. Insgesamt besteht jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit, diese Verpflichtungen entweder als Gattungs- oder als Speziesschulden zu begreifen. Ginge man über diese Abgrenzungsschwierigkeiten hinweg und hielte man es weiter für notwendig, die Verpfl ichtung aus dem Dienst- bzw. Arbeitsver259 Vgl. z. B. Kisch, Gattungsschuld und Wahlschuld, 1912, der maßgeblich zwischen der Schuld einer ganzen Gattung, der Schuld eines relativ bestimmten Gattungsteils, der Schuld einer Quantität aus einem individuellen Vorrat und der Schuld eines relativ bestimmten Teils eines individuellen Vorrats unterscheidet. 260 Grundlegend Ballerstedt, FS Nipperdey I, S. 261, 264, 278 ff. m. Fn. 1 auf S. 278. Umfassend U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 24 II. bis IV. Vgl. auch G. Weber, Die Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 73 ff. 261 Ausdrücklich aber Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 28: „Zwischenformen oder etwas, was außerhalb dieses Begriffspaares steht, kann es danach nicht geben.“; ihm folgend van Gelder, MDR 1996, 340. 262 Kisch, Gattungsschuld und Wahlschuld, S. 12 ff.; Heck, Schuldrecht, S. 28; Enneccerus/ Lehmann, Schuldrecht, § 6 I. 263 Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 310. 264 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, §§ 38 ff. (S. 386 ff.); Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, §§ 254 f. (S. 17 ff.), zum BGB. Vgl. Entsprechend noch Dernburg, Bürgerliches Recht, 3. Aufl., Bd. 2, 1. Abteilung, § 11 I. 265 Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 310: Nicht die Stückschuld stehe im Gegensatz zur Gattungs- und Geldschuld, sondern der nach Abzug dieser Sonderformen verbleibende Rest.

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trag als Stück- oder als Gattungsschuld zu qualifizieren, so stellte man fest, daß sowohl die Argumente, die in der Literatur für die eine Seite vorgebracht werden, als auch die Argumente für die andere Seite eine gewisse Überzeugungskraft haben. Dies beruht auf der Tatsache, daß der „Schuldcharakter“ von Verpflichtungen, die auf eine reine Tätigkeit gerichtet sind, in der Dimension der Zeit wechselt. Auf einem Zeitstrahl betrachtet scheint der Verpflichtung bis zum Beginn ihrer Erbringung zunächst eher Gattungsschuldcharakter zuzukommen. Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Tätigkeit gemäß der Regelung des § 613 S. 1 BGB in der Regel an eine Person gebunden sind. Im Fall der höchstpersönlichen Leistungserbringung drängt sich durch die Kopplung der Leistung an die Person allerdings die engere Form der Gattungsschuld, nämlich die Vorratsschuld, als einschlägige Kategorie auf. 266 Die Position des Dienstverpflichteten ist eher der eines Verkäufers von Sachen aus einem erst zukünftigen, von ihm noch zu produzierenden Vorrat 267 (z. B. Bauer verkauft im Frühling 50 Äpfel eines bestimmten Baumes, die erst im Herbst zu liefern sind) vergleichbar. Dennoch ist es grundsätzlich zutreffend, daß der Dienstverpflichtete zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Rahmen seiner Konkretisierungsbefugnis noch unendlich viele Möglichkeiten hat, die Tätigkeit auszuführen. In diesem Stadium läßt sich die Verpflichtung des Schuldners daher noch als der Gattungsschuld ähnlich begreifen. Spätestens nach der Erbringung der Tätigkeit scheint dagegen – in vielen Fällen – der Speziesschuldcharakter der (nun erloschenen) Verpflichtung zu überwiegen. Dies liegt nicht an einer etwaigen „Konkretisierung“. Der Grund dafür liegt in der Tat 268 im Zeitbezug von Tätigkeiten, der sich vor allem darin ausdrücken kann, daß die dienst- bzw. arbeitsvertraglichen Verpflichtung Fixschuldcharakter haben kann. 269 Ist der vereinbarte Leistungszeitraum verstrichen, kann die Tätigkeit nicht nachgeholt werden. 270 Wie beim Spezieskauf271 hat der Schuldner – in der Zeit – dann eben nur eine einzige Möglichkeit zu erfüllen. Er kann nicht noch einmal auf den ehemals bestehenden „Vorrat“ an den ihm möglichen Tätigkeiten zurückgreifen.

266 In diese Richtung schon Kreller, AcP 123 (1925), 263, 286. Dagegen Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 311 ff., nach dem das Erfordernis, daß der Schuldner im Zweifel in Person zu leisten hat, nicht „die Gattung, aus der der Schuldner zu leisten hat,“ begrenzt (S. 312). 267 Vgl. zu diesen Fällen der Gattungs- bzw. Vorratsschuld Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 24 IV. 1. 268 Vgl. die in Fn. 242, 243 genannten Autoren. 269 Dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 270 Kann sie innerhalb eines gewissen Zeitrahmens doch nachgeholt werden, kann mit Picker, FS Kissel, S. 813, 822, von einer „durch den zeitlichen Spielraum limitierten‚ zeitlichen Vorratsschuld‘“ gesprochen werden. 271 Dazu oben Erster Teil, § 3 I., S. 89 f.

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Dagegen könnte man einwenden, daß Fixgeschäfte ohne weiteres Gattungsschuldcharakter haben können, z. B. wenn Bräutigam Y und Herrenausstatter vereinbaren, daß kurz vor der Hochzeitsfeier einer der 10 gleichen, im Geschäft des Herrenausstatters hängenden Fracks angeliefert werden soll. Der Unterschied besteht aber darin, daß das Versäumen des Termins nicht den Untergang der ganzen Gattung oder des gesamten Vorrats bewirkt. Anders im klassischen Fall des bestellten Hochzeitsfotographen. Die Tätigkeit „Photographieren der Hochzeit des Y“, in ihren vor Beginn der Hochzeit mannigfach möglichen Formen, existiert nicht mehr. Im Gegensatz zu Sachen definiert sich eine Tätigkeit eben maßgeblich durch die Zeit, d. h. durch den geschuldeten Leistungszeitraum.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß diejenigen, die die Gefahrtragungsregeln des § 615 BGB oder des § 279 BGB a. F. behandeln, die dienstbzw. arbeitsvertragliche Verpflichtung in ihren typischen Fällen als Speziesschuld oder der Speziesschuld ähnlich begreifen. 272 Würde man vom Gattungsschuldcharakter ausgehen, bedürfte es einer besonderen Begründung dafür, daß der Schuldner nicht mehr zur Leistung verpfl ichtet ist. Der Grundsatz, daß der Schuldner von seiner Verpflichtung nicht frei wird, sondern in Verzug gerät, solange die Leistung aus der Gattung noch möglich ist, ergab sich aus § 279 BGB a. F., der sogar einen noch weiteren Gattungsbegriff als § 243 Abs. 1 BGB enthielt. An diesem Grundsatz hat sich durch die Schuldrechtsreform nichts geändert; er ergibt sich nunmehr aus § 276 Abs. 1 S. 1 BGB. 273 Möglich wäre es nun, für arbeits- und dienstvertragliche Verpfl ichtungen von einem wechselnden Gattungs-Speziesschuldcharakter zu sprechen. Es sollte jedoch spätestens an dieser Stelle deutlich geworden sein, daß die Zuordnung arbeits- und dienstvertraglicher Verpflichtungen zu dem einen oder dem anderen Schuldtyp stets mit Zweifeln behaftet bleibt. Besonders problematisch erscheint es vor diesem Hintergrund, wenn ein bestimmter Schuldcharakter behauptet wird und daraus dann die entsprechenden Rechtsfolgen abgeleitet werden. Schon 1926 wurde daher die Forderung erhoben, zur „Vermeidung unangebrachter Vergleiche“274 bei der Arbeit nicht von Spezies- und Gattungsleistungen zu sprechen. 275 Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Vgl. die in Fn. 242, 243, 251 genannten Autoren. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 536 f. 274 Nikisch, Grundformen, S. 118. Er führt weiter aus, die Arbeit sei „ein Vorgang, etwas Verlaufendes“, das sich einer so genauen Konkretisierung und Spezialisierung entziehe, wie sie bei Sachschulden möglich sei. Dahin gehend auch E. Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 58. Kritisch auch Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, S. 41 f. m. Fn. 3. 275 Ähnlich schon F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, 1903, S. 671 § 119 Fn. 2: Die Unterscheidung passe auf die Dienstleistungen im Allgemeinen nicht. Und aus jüngerer Zeit MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 24: Der Gegensatz Stückschuld-Gattungsschuld sei im Arbeitsverhältnis ohne besonderen Erkenntniswert. 273

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(cc) Vergleichbarkeit bei wertender Betrachtung Allerdings lassen die Schwierigkeiten bei der Begründung der Gesetzeslücke und der rein tatbestandlichen Vergleichbarkeit noch nicht zwingend auf die Unangemessenheit der Rechtsfolge schließen. So könnte bei wertender Betrachtung, insbesondere bei der Betrachtung der Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner, die Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf Dienstund Arbeitsverträge angezeigt erscheinen. An dieser Stelle ist allein die Rechtsfolge des § 243 Abs. 1 BGB von Interesse, d. h. es geht um die Frage, ob der Dienstverpflichtete und/oder der Arbeitnehmer zur Leistung „mittlerer Art und Güte“ verpflichtet sein soll. Wer allerdings bis hierher die Voraussetzungen der Analogie ablehnt, betritt an dieser Stelle den Boden der lex ferenda. Eingangs der Betrachtung sei daran erinnert, daß es sich bei § 243 Abs. 1 BGB nicht um eine Zweifelsregelung für die Vertragsauslegung handelt, sondern um eine – wenn auch dispositive – Norm, die den Schuldner ausnahmslos auf eine Leistung mittlerer Art und Güte verpflichtet. Wie beschrieben wird die Angemessenheit der Rechtsfolge von Teilen der Literatur gerade für den Arbeitsvertrag bejaht. Der Arbeitnehmer habe eine Leistung mittlerer Art und Güte zu erbringen. Der Referenzpunkt für die Bestimmung der „mittleren Art und Güte“ sei dabei nicht die Person des Arbeitnehmers. Erforderlich wäre es daher, einen Referenzpunkt anzugeben oder zumindest die Art und Weise zu beschreiben, wie sich der Referenzpunkt ermitteln läßt. 276 Da eine Beschränkung auf Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens, die ähnliche Tätigkeiten verrichten, nicht vorgenommen wird, ist anzunehmen, daß die mittlere Art und Güte sich nach dem (deutschen) „Markt“ für solche Tätigkeiten richten soll. Gefordert wäre also eine „marktbezogene Mittelleistung“. 277 Daß als Referenzpunkt die Person des Arbeitnehmers nicht in Betracht komme, wird damit begründet, daß in Großbetrieben eine stärkere Beachtung der Individualität des einzelnen Arbeitnehmers gar nicht möglich sei; der Arbeitgeber lege seinen Kalkulationen eine durchschnittliche Arbeitsleistung zugrunde. 278 Vor allem bei großen Betrieben stehe eher die Art der Tätigkeit als die Person des Dienstleistenden und sein Leistungsvermögen im Vordergrund. § 613 S. 1 BGB widerspreche der Anwendung des § 243 Abs. 1 nicht, da diese Bestimmung die Pflicht eines Arbeitnehmers keineswegs auf die ihm mögliche Sorgfaltsverwaltung einenge. § 613 S. 1 BGB solle lediglich sicherstellen, daß der Dienstverpflichtete dem Berechtigten keinen anderen Dienstleistenden 276 Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 324 ff., zieht als allgemeinen Maßstab die Verkehrsanschauung heran. Allerdings ist damit noch kein Referenzpunkt i. S. einer Vergleichgruppe gefunden. 277 Zur Verwendung des Begriffs „marktbezogen“ für Gattungsschulden oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (c) (bb), S. 140. 278 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 121.

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aufdrängen könne, wie dies § 267 Abs. 1 S. 1 BGB gestatten würde. Ferner dürfe nicht übersehen werden, daß die Minderleistungsfähigkeit einzelner Arbeitnehmer nicht dazu führen dürfe, die Qualitätsanforderungen aus § 243 Abs. 1 BGB insgesamt für das Arbeitsleben zu verwerfen. 279 Zum Teil werden aber Einschränkungen für die sog. Intensität der Arbeit gemacht; hier sei wieder auf die persönliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers abzustellen. 280 Soweit die analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtungen aus selbständigen Dienstverträgen gefordert wird, werden Gründe, die über die „Gattungsähnlichkeit“ der Verpflichtung hinausgingen, nicht benannt. 281 Auch die Arbeitsgerichte haben teilweise den Gedanken der entsprechenden Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB aufgenommen. Das BAG hat sich zwar ausdrücklich gegen die Anwendung des § 234 Abs. 1 BGB im obigen Sinne ausgesprochen 282 und hält bis heute daran fest, daß der Umfang der Arbeitspflicht nur subjektiv, d. h. nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, zu bestimmen sei. 283 Den unterinstanzlichen Gerichte blieb daher nur als Referenzpunkt die Person des Arbeitnehmers zu wählen; man könnte von einem „personenbezogenen Mittelmaß“ sprechen. Die Gerichte wendeten § 243 Abs. 1 BGB allerdings in der Regel zugunsten des Arbeitnehmers an, d. h. sie stellten fest, daß der Arbeitnehmer jedenfalls seinen Arbeitspflichten genüge, wenn er eine Leistung mittlerer Art und Güte erbringe, so daß eine Abmahnung, verhaltensbedingte Kündigung o.ä. ausscheide. 284 Die kündigungsrechtliche Literatur folgt diesem Ansatz zum Teil. 285 Auch zur Frage der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers wurde eine derartige Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB – oder des Grundgedankens dieser Norm – vorgeschlagen. 286 Mit dieser These ist nicht gesagt, daß der Arbeitnehmer das „persönliche Mittelmaß“ auch schuldet; es wird nur festgestellt, daß der Arbeitnehmer nicht 279 Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 311 f. Ähnlich, wenn auch abgeschwächt in der Formulierung Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 120 ff. Vgl. auch Rüthers, ZfA 1973, 399, 402. 280 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 122 f. 281 Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 350. Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, beschäftigt sich nur mit dem Arbeitsvertrag. 282 BAG (Urt. v. 17. 3. 1988) AP Nr. 99 zu § 626; BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969. 283 BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO; BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; BAG (Urt. v. 14. 1. 1986) AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; BAG (Urt. v. 21. 5. 1992) AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969. 284 LAG Hamm (Urt. v. 27. 4. 2000) NZA 2002, 624 (dort nur Leitsatz), betr. Arbeitszeugnis; ArbG Frankfurt (Urt. v. 29. 12. 2000–18 Ca 6208/00), n.v.; ArbG Berlin (Urt. v. 29. 2. 1996) AiB 1997, 358, betr. diskriminierende Aktennotiz. 285 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 448; dahin gehend wohl auch MünchArb/Berkowsky, § 137 Rn. 76 mit Fn. 79, vgl. oben Fn. 246. 286 Rother, Haftungsbeschränkung, S. 268. Kritisch Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 322 m.w.Nachw.

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mehr schuldet. Die Annahme, daß der Arbeitnehmer auch verpfl ichtet sei, das „persönliche Mittelmaß“ zu erreichen, liegt jedoch nahe. 287 Indessen ist sowohl der Forderung, der Dienstverpflichtete schulde gemäß oder „nach dem Grundgedanken des“ § 243 Abs. 1 BGB, also ex lege, ein „marktbezogenes Mittelmaß“, als auch der – wesentlich abgeschwächten – Forderung nach einem „personenbezogenen Mittelmaß“ zu widersprechen. Beide Ansichten beachten die Schutzwürdigkeit des Dienstverpflichteten nicht genügend, und sie lassen die Ausgangsposition des Gesetzes unberücksichtigt: Wie oben beschrieben, 288 wirkt sich die Unbestimmtheit der Leistung zugunsten des Schuldners aus. Er ist – im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung und der zulässigen einseitigen Weisungen des Dienstberechtigten – frei, d. h. er kann die Tätigkeit nach eigenem Gutdünken erbringen. Es gibt keinen dem Gesetz zu entnehmenden oder ihm zugrundeliegenden Grundsatz, daß das Risiko einer der Leistungspflicht noch anhaftenden Unbestimmtheit zwischen Gläubiger und Schuldner zu teilen wäre. Wollte man also diese Freiheit des Schuldners, die hier so genannte Leistungskonkretisierungsbefugnis, durch die analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB beschneiden, müßten für eine solche Verschlechterung gute Gründe benannt werden können. Es ist hilfreich, für die Entscheidung über eine solche Beschränkung des Schuldners einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorgängernorm zu § 243 Abs. 1 BGB zu werfen. So sah sich der Gesetzgeber bei Schaffung des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 vor eine ähnliche Frage gestellt. Nach früherem Handelsrecht war der Schuldner frei, im Falle der Wahlschuld oder bei einer aus einem Quantum oder einer Gattung zu leistenden Sache frei zu wählen, d. h. er konnte auch die schlechteste Sache leisten. 289 Die Festlegung auf eine Verpflichtung zur Leistung einer Sache von „mittlerer Art und Güte“ in § 335 ADHGB (heute: § 360 HGB) war im Gesetzgebungsverfahren durchaus umstritten. 290 287 So in der Tat auch: ArbG Frankfurt (Urt. v. 2. 9. 2002–15 Ca 3329/02), n.v., betr. Abmahnung: Das Arbeitsgericht war der Ansicht, die Arbeitnehmerin sei, da sie persönlich überdurchschnittlich leistungsfähig sei, auch zu einer überdurchschnittlichen Leistung verpfl ichtet, vgl. dazu auch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb), S. 191 f. Auch das ArbG Ludwigshafen, (Urt. v. 25. 1. 2000) EzBAT Nr. 52 zu § 53 BAT Verhaltensbedingte Kündigung, zieht § 243 Abs. 1 BGB zu Lasten des Arbeitnehmers heran, doch hatte der Arbeitnehmer hier offenbar so gut wie keine Leistung erbracht. Dahin gehend auch LAG Frankfurt (Urt. v. 29. 8. 2003–17/10 Sa 728/03), n.v., das zwar meint, es seine eine Arbeitsleistung „mittlerer Art und Güte“ geschuldet, im folgenden aber das BAG referiert. 288 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (aa), S. 111 ff. 289 Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, Bd. 1, 2. Abteilung, 1868, § 62 II. und III. (S. 552 f. und 555 f.).; Anschütz/v. Völderndorff, Kommentar zum ADHGB, Bd. 3, 1874, Anm. zu Art. 335 (S. 251 f.). Bestimmte Landesrechte sahen jedoch schon früher Beschränkungen auf eine Leistung mittlerer Art und Güte vor, so § 275 des ALR von 1794 und § 696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von 1863/1865 (Neudruck Scientia Aalen 1873). 290 Vgl. Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, Bd. 1, 2. Abteilung, 1868, § 62 III.

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Sie mag letztlich aufgrund „überragender Interessen des Verkehrs an der Sicherheit exakter Vertragserfüllung“291 gerechtfertigt sein. Es mag sein, daß beim Güteraustausch, insbesondere im kaufmännischen Handel, der Kaufmann mit einer mittleren Qualität der Ware rechnen können muß, insbesondere wenn die Ware zum Weiterverkauf bestimmt ist. Vor allem ist der Gattungskauf oft ein Distanzgeschäft, bei dem sich der Käufer auf die normale Qualität der vereinbarten Gattung verlassen können muß. 292 Die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers erscheint in diesem Fall verhältnismäßig hoch. Demgegenüber treten die Interessen des Schuldners stark zurück. Dieser kann in aller Regel auf die gesamte Gattung zugreifen, und es wird ihm nur auferlegt, eine Sache mittlerer Art und Güte zu wählen. Sein „Verlust“ besteht also lediglich darin, daß er zur Vertragserfüllung nicht stets die schlechten Sachen aus der Gattung wählen kann. Demgegenüber stellt sich die Situation beim Arbeits- oder beim selbständigen Dienstvertrag anders dar. Betrachtet man allerdings isoliert die Position des Dienstberechtigten und die des Käufers einer Gattungssache, so erscheinen beide immerhin vergleichbar: Die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers resultiert zwar nicht aus dem Distanzcharakter des Rechtsgeschäfts. Das Risiko, welches der Dienstberechtigte eingeht, liegt vielmehr in „der gekauften Ware“ selbst. Der Dienstberechtigte kann die Leistungsfähigkeit des Dienstverpflichteten zum größten Teil nicht überprüfen, und selbst die für die Leistung ausschlaggebenden überprüfbaren Parameter (z. B. Qualifikationen) geben nur über die Vergangenheit Zeugnis. Für die zukünftige Entwicklung ehemals erworbener Fähigkeiten sind diese Faktoren nur ein Indiz. Die Risiken, die der Dienstberechtigte übernimmt, sind also denkbar groß. Allein diese Risiken lassen den Dienstberechtigten aber noch nicht schutzbedürftig erscheinen, denn der Dienstberechtigte weiß – ebenso wie der Käufer einer Gattungssache – um alle diese Risiken. Vielfach hat er auch die Möglichkeit, die Risiken bei Vertragsschluß zu mindern, z. B. durch Einstellungstest. Wirtschaftlich betrachtet steht jedoch der Grad dieses Risikos in Relation zu der Höhe der Gegenleistung: Könnte ein Stellenbewerber garantieren, daß er bis zum Ende seines Arbeitslebens immer mindestens eine Leistung mittlerer Art und Güte erbringen wird, wäre der Arbeitgeber bereit, eine entsprechend höhere Vergütung zu zahlen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Schutzbedürftigkeit des Dienstberechtigten im allgemeinen als verhältnismäßig gering dar. Sie kann jedoch ansteigen, z. B. wenn der Dienstberechtigte bei Vertragsschluß keine Möglichkeit hat, die Risiken zu mindern, weil er mangels eigener Kompetenz die Leistungsfähigkeit des Dienstverpflichteten oder möglicher anderer Anbieter nicht oder nicht mit angemessenem finanziellen Aufwand überprüfen (S. 555 f.) Fn. 42. 291 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 285. 292 So schon Kreller, AcP 123 (1925), 263, 285 f.

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kann. Insgesamt nähert sich die Position des Dienstberechtigen bei Vertragsschluß der eines Gattungskäufers also immerhin an. Der Unterschied zum Gattungskauf tritt erst bei der Betrachtung der Schuldnerseite zutage. Der Verkäufer einer Gattungssache kann in aller Regel ohne weiteres dafür Sorge tragen, daß sich das vom Käufer befürchtete Risiko, eine Sache unterdurchschnittlicher Qualität zu erhalten, nicht erfüllt. Er muß lediglich eine Sache mittlerer Art und Güte auf dem Markt beschaffen. Selbst das Beschaffungsrisiko kann er ausschließen, indem er die Sache bereits vor dem Verkauf beschafft. Der Dienstverpflichtete hingegen hat auf das Risiko, nur eine Leistung unterdurchschnittlicher Art und Güte erbringen zu können, einen wesentlich geringeren Einfluß. Auch kann er dieses Risiko zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur schwer abschätzen. Dies gilt insbesondere für den Arbeitnehmer, der zur persönlichen Leistungserbringung verpfl ichtet ist. Der Arbeitnehmer kann der Gefahr einer vorübergehenden oder dauerhaften Einbuße an Leistungsfähigkeit nur schwer begegnen. Wollte man ihn in die Nähe eines Gattungsschuldners stellen, so wäre er allenfalls mit dem Verkäufer von Sachen aus einem erst zukünftigen, von ihm noch zu produzierenden Vorrat 293 zu vergleichen. Aber auch bei diesem Vergleich wird die für die arbeitsund dienstvertragliche Verpflichtung typische Identität von Leistung und Leistendem nicht hinreichend beachtet. 294 Der Arbeitnehmer „verkauft“ nur seine Arbeitskraft. Er ist hingegen nicht verpflichtet, seine gesamte Lebensführung darauf auszurichten, immer zu einer Tätigkeit „mittlerer Art und Güte“ fähig zu sein. Für die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ist weiter relevant, daß sein Lebensunterhalt in der Regel von diesem einen Rechtsgeschäft abhängt. Anders als der Gattungsverkäufer kann er nicht durch eine Vielzahl von Rechtsgeschäften das Risiko, nur eine unterdurchschnittliche Leistung erbringen zu können, streuen. Das für den Arbeitnehmer Gesagte gilt auch für den selbständigen Dienstverpflichteten. Zwar hat dieser, anders als ein Arbeitnehmer, in der Regel die Möglichkeit der Risikostreuung, da er wie ein Gattungsverkäufer eine Vielzahl von Rechtsgeschäften tätigt. Andererseits betrifft das Risiko der Einbuße an eigener Leistungsfähigkeit im Grundsatz stets die Erfüllung aller von ihm geschlossenen Dienstverträge. Wegen seiner typischerweise größeren zeitlichen Flexibilität bei der Leistungserbringung ist seine Position daher nur im Falle der vorübergehenden Leistungsminderung etwas günstiger. Insgesamt ist für den wertenden Vergleich der Schutzwürdigkeit des abhängigen und des unabhängigen Dienstverpflichteten im Verhältnis zur Schutzwürdigkeit eines Gattungsverkäufers die wesentlich geringere Beherrschbarkeit des Risikos einer unterdurchschnittlichen Leistungserbringung entschei293 Vgl. zu diesen Fällen der Gattungs- bzw. Vorratsschuld Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 24 IV. 1. 294 Dazu oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 114 ff.

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dend. Der Begriff der „Beherrschbarkeit“ ist dabei ein rein faktischer. Eine wirkliche Steuerung des Risikos unterdurchschnittlicher Leistungsfähigkeit ist dem Dienstverpflichteten so gut wie unmöglich, und selbst seine Einflußnahme auf dieses Risiko verlangte ihm tiefe Eingriffe in seine gesamte, vor allem auch seine private Lebensführung ab. Demgegenüber kann der Gattungsverkäufer allein durch kaufmännisch vernünftiges Handeln das Risiko, nur unterdurchschnittliche Waren liefern zu können, leicht auf ein sehr geringes Maß reduzieren. Dieser Unterschied läßt es auch bei wertender Betrachtung unangemessen erscheinen, die Risikoverteilung des § 243 Abs. 1 BGB für den Dienst- oder den Arbeitsvertrag zu übernehmen. (d) Ergebnis zu (1) Die analoge Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung zur Leistung von Diensten ist für den Arbeitnehmer wie für den selbständigen Dienstverpflichteten abzulehnen. Die Voraussetzungen der Analogie können auch bei wertender Betrachtung nicht bejaht werden. Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Anwendung eines Maßstabs „mittlerer Art und Güte“ für dienst- bzw. arbeitsvertragliche Verpflichtung stets ausscheidet. Einerseits kann die Sinnhaftigkeit dieses Maßstabs de lege ferenda angedacht werden (dazu sogleich unter (2)). Andererseits ist es denkbar, daß die Auslegung des Leistungsversprechens im Einzelfall (dazu unter 3.) ergibt, daß sein solcher Maßstab geschuldet sein soll. (2) Gesetzliche Beschränkungen der Leistungskonkretisierungsbefugnis de lege ferenda? Nach dem bisher Gesagten wird die Leistungskonkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten lediglich durch die vertragliche Vereinbarung, durch die zulässigen Weisungen des Dienstberechtigten und durch die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen beschränkt. Die so beschriebene Freiheit des Dienstverpflichteten bei der Leistungserbringung mag manchem als ungerechtfertigt erscheinen. Denn diese Freiheit erlaubt es dem Dienstverpflichteten, seine Leistung permanent „am unteren Limit“ des vertraglichen und gesetzlichen Rahmens zu halten. So viel Freiheit, könnte man meinen, bedürfe der Beschränkung. Derartige Korrekturvorschläge finden sich in verschiedenen Gesetzesentwürfen, die im vergangenen Jahrhundert für das Arbeitsvertragsrecht aufgestellt wurden, aber auch im Schrifttum. Sie sollen im folgenden inhaltlich unterschieden werden. Es ist zum einen kurz auf die Vorschläge einzugehen, die vom Dienstverpflichteten stets eine Leistung „am oberen Limit“ verlangen (unter (a)). Sodann sind die Vorschläge zu behandeln, die eine mittlere Leis-

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tungserbringung bzw. ein „Normalmaß“ fordern (unter (b)). Hier werden im folgenden auch solche Stimmen in der Literatur aufgeführt, die eine Beschränkung des Schuldinhalts auf ein bestimmtes Maß behaupten, ohne die gesetzliche Grundlage einer solchen Beschränkung zu benennen. (a) Verpfl ichtung zur „subjektiv-optimalen“ Leistung? Eine Verpflichtung zu einer „optimalen“ Leistung des Arbeitnehmers sahen die Gesetzesentwürfe von 1938 und 1942 vor. Nach beiden, fast gleichlautenden Entwürfen hatte der Arbeitnehmer seine „Arbeitspflicht im Geiste wahrer Arbeits- und Betriebsgemeinschaft unter Aufwendung aller ihm gegeben körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu erfüllen.“295 Es folgte eine Beschreibung der Treuepflicht, nach der sich der Arbeitnehmer „nach besten Kräften“ einzusetzen hatte. Im Schrifttum wurde dieses Ergebnis auch aus der in § 2 Abs. 2 S. 2 AOG normierten Treuepflicht des Arbeitnehmers hergeleitet. 296 In der Nachkriegsliteratur wurde die Pflicht des Arbeitnehmers in Anlehnung an diese Formulierungen beschrieben; 297 teilweise wurde sogar ausdrücklich auf

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Bezeichnend ist, daß nach diesen Regelungen der Arbeitnehmer zwar einen subjektivoptimalen Leistungsstandard schuldet, der Arbeitgeber im Falle einer fehlenden Regelung aber nur den „angemessenen“ Lohn: Entwurf eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis von 1938, herausgegeben vom Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 243 ff.: § 13 „Der Gefolgsmann hat seine Arbeitspfl icht im Geiste wahrer Arbeits- und Betriebsgemeinschaft unter Aufwendung aller ihm gegebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu erfüllen.“, § 19 „Der Gefolgsmann hat sich nach besten Kräften für das Wohl des Unternehmers und des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was den berechtigten Interessen des Unternehmers oder Betriebes zuwiderläuft.“, § 34 „Soweit Art und Höhe des Lohnes sich nicht aus Tarif-, Betriebs- oder Dienstordnungen oder Arbeitsvertrag ergeben, erhält der Gefolgsmann den angemessenen Lohn.“ Entwurf einer Regelung der Arbeit von 1942 des Arbeitsrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Rechts, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 345 ff.: § 66 „Der Arbeiter hat seine Arbeitspfl icht im Geiste wahrer Arbeits- und Betriebsgemeinschaft unter Aufwendung aller ihm gegebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu erfüllen.“, § 82 „Der Arbeiter hat sich nach besten Kräften für das Wohl des Unternehmers und des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was den berechtigten Interessen des Unternehmers oder Betriebes zuwiderläuft.“, § 97 „Soweit Art und Höhe des Lohnes sich nicht aus Tarif-, Betriebs- oder Dienstordnungen oder Arbeitsvertrag ergeben, erhält der Arbeiter den angemessenen Lohn.“ 296 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 31 ff. 297 Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), § 611 Rn. 112: Der Beschäftigte habe die Arbeitspfl icht „im Geiste wahrer Arbeitsgemeinschaft unter Aufwendung aller ihm gegebenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu erfüllen.“ Dies gelte auch für Gedinge- und Akkordarbeit. Ähnlich Maus, Handbuch des Arbeitsrechts, 1948– 1950, § 11 (S. 211): Der Arbeitnehmer habe die Arbeitspfl icht „unter Einsatz seiner ganzen Person, seines Könnens und Wissens zu erfüllen.“ Schwächer und mit Anklängen an den Entwurf von 1923 (unten Fn. 309) Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, 1954, § 8 B. I. 2.: Der Arbeitnehmer habe die Arbeit „in einer Art und Weise nach besten Kräften so zu leisten, wie es Treu und Glauben und der Üblichkeit entspricht.“ Ähnlich Kauffmann, AuR 1963, 267.

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den Entwurf von 1938 verwiesen. 298 Ähnliche Formulierungen finden sich vereinzelt bis heute in Literatur299 und Rechtsprechung300 , freilich ohne Bezugnahme auf die „Betriebsgemeinschaft“ und abgeschwächt durch einen Verweis auf die „Billigkeit“ und „Treu und Glauben“. Als Referenzpunkt für die optimale Leistung wird in diese Beschreibungen die Person des Arbeitnehmers gewählt. Abzustellen ist auf ihr optimales Leistungsvermögen. Für selbständige Dienstverpflichtete wird ein subjektiv-optimaler Leistungsmaßstab bislang nur vereinzelt gefordert. 301 Der Einführung eines derartigen Maßstabs für die Leistung des Dienstverpflichteten ist zu widersprechen. Zum einen ist die subjektiv-optimale Leistung eines Dienstverpflichteten nur schwer feststellbar. Der vorsichtige Dienstverpflichtete müßte sich hüten, seine subjektiv-optimale Leistung jemals zu offenbaren, da er in der Folge stets befürchten müßte, ihm würde bei jedem Nachlassen seiner Leistung der Vorwurf der Minderleistung gemacht. 302 Ein solches zeitweiliges Nachlassen der Leistung liegt jedoch unausweichlich in der Natur des Menschen. Zudem muß, wer permanent die persönliche Bestleistung erbringen will, seine gesamte Lebensführung auf dieses Ziel hin ausrichten. Die gesamte Lebensführung ist jedoch im typischen Arbeits- und Dienstvertrag nicht Teil der Leistungspflicht; dies zeigen gerade die bei Spitzensportlern usw. üblichen Ausnahmen. 303 (b) Verpfl ichtung zur „objektiven Normalleistung“? Verschiedentlich wird angenommen, der Arbeitnehmer schulde eine „Normalleistung“304 bzw. eine solche Verpflichtung sei rechtspolitisch begrüßens298 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 1. mit Fn. 45 und 47, der den „vollen Einsatz der körperlichen und geistigen Kräfte“, auch bei Akkordarbeit, verlangt. Dieser Formulierung folgend Rüthers, ZfA 1973, 399, 403 f. 299 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 46; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 98 f. 300 LAG Frankfurt (Urt. v. 16. 7. 1998–3 Sa 988/97), n.v. 301 Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 403 f. Dabei macht Leßmann allerdings Einschränkungen. Der Dienstverpfl ichtete habe „die versprochenen Dienste unter vollem Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte zu erbringen, zumindest haben diese seiner individuellen Normalleistung zu entsprechen“. Andererseits sollen „Durchschnittleistungen“ nicht ausreichen. Schließlich müßten die im Verhältnis zum Arbeitgeber beim Vertragspartner vorhandenen „gesteigerten Leistungserwartungen“ „vertragstypisch oder irgendwie im Vertrag angeklungen sein.“ 302 Dahin gehend schon Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191, der auf die Leistungsunterschiede bei Leistungslohn- und Zeitlohnsystemen hinweist. Solche Unterschiede dürfte es bei der Pfl icht zur subjektiv-optimalen Leistung nicht geben. Die Einführung eines solchen Maßstabs würde aus Sicht des Arbeitnehmers jede Leistungssteigerung verbieten. Ähnlich Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 118. 303 Lobinger, Die Grenzen vertraglicher Leistungspfl ichten, S. 174 m.w.Nachw.; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 118; Canaris, Anm. zu BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO. 304 Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 8 1. (2) und (3), „Normalmaß“ bzgl. des „Umfangs“ der

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wert. Für selbständige Dienstverpflichtete wird dieser Standpunkt nur vereinzelt vertreten. 305 Der Begriff „Normalleistung“ ist dem der „mittleren Art und Güte“ ähnlich. Die erste Schwierigkeit liegt auch hier in der Bestimmung des Referenzpunktes; es könnte auf die Arbeitsgruppe des Betroffenen, auf den Betrieb, auf das Unternehmen oder den „Markt“ für solche Tätigkeiten abgestellt werden. Der letzte Ansatzpunkt wurde bereits 1925 vorgeschlagen: Abzustellen sei auf die Erfordernisse der Arbeitsstelle; für diese gebe es auf dem Arbeitsmarkt ebensogut Qualitätsgruppen wie für Waren auf dem Warenmarkt. 306 Auch die Autoren, die für eine entsprechende Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB plädieren, sind zu den Befürwortern einer „marktbezogenen Normalleistung“ zu rechnen. 307 Der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 sieht in der ersten Alternative zu § 27 Abs. 3 eine Regelung vor, die in diese Richtung weist: „Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragenen Aufgaben unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu verrichten. Im Zweifel schuldet er jedoch mindestens zwei Drittel der von vergleichbaren Arbeitnehmern erbrachten Durchschnittsleistung.“308 Ein engerer Bezugspunkt wurde im Kodifikationsvorschlag für ein Arbeitsvertragsrecht von 1923 gewählt. Die Arbeitspflicht solle sich, soweit sie im Vertrag nicht ausdrücklich bestimmt sei, nach der „Fach-, Orts- und Betriebsüblichkeit“ und nach dem Maßstab der Angemessenheit richten. 309 Nach dem Entwurf von 1977 soll es auf die „Üblichkeit in Branche, Beruf, Betrieb

Arbeitspfl icht, nicht bzgl. deren „Güte“, hier gelte jedoch auch ein „mittlerer Maßstab“. Ähnlich Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118 f.; Hunold, BB 2003, 2345, 2346. Zum Begriff der „Normalleistung“ Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 95 f.; Tondorf, Leistung und Entgelt im öffentlichen Dienst, S. 76 ff. Zum arbeitswissenschaftlichen Begriff der Normalleistung Rüthers, ZfA 1973, 399, 401 f. 305 Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 350. 306 Kreller, AcP (123) 1925, 263, 286 f. 307 Vgl. die oben in Fn. 244 bis 246 Genannten. 308 NZA 2006, Beilage Nr. 23; vgl. dazu auch Fn. 487. 309 Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsarbeitsministeriums von 1923, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 125 ff.: § 18 „Art und Umfang der Arbeitsleistung richten sich, soweit Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen nichts anderes ergeben, nach Fach-, Orts- und Betriebsüblichkeit. Wenn solche nicht besteht, ist angemessene Arbeit zu leisten.“ Beinahe spiegelbildlich war die Verpfl ichtung des Arbeitgebers geregelt: § 50 „Soweit Art und Maß des Entgelts sich nicht aus Rechtsvorschrift oder Vereinbarung ergeben, hat der Arbeitnehmer dem Ortsgebrauche entsprechendes, beim Fehlen eines Ortsgebrauchs angemessenes Entgelt zu beanspruchen.“ Zur Vorschrift des § 18 steht allerdings § 15 in Widerspruch, wo es unter der Unterschrift „Sorgfalt“ heißt: „Das Maß von Sorgfalt, für das der Arbeitnehmer einzustehen hat, richtet sich nach der Besonderheit des Arbeitsverhältnisses und den Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitnehmer kennt oder kennen muß. Der Arbeitnehmer ist auch da, wo das Entgelt sich nach dem Arbeitsergebnisse richtet, verpflichtet unter Aufwendung seiner Kräfte und Fähigkeiten ohne andere als die gesetzlichen, vereinbarten oder üblichen Unterbrechungen zu arbeiten.“ Ähnlich Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 24 I.

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und Ort“310 ankommen. Auf den „Ortsgebrauch“ stellt § 59 S. 1 HGB für den Umfang der Dienste des Handlungsgehilfen ab. Auch in der Literatur wird gelegentlich an die Normalleistung von Arbeitnehmern angeknüpft, die im Betrieb die gleiche Tätigkeit ausüben oder in der gleichen Arbeitsgruppe beschäftigt sind. 311 Für die Einführung oder Geltung einer Pflicht des Arbeitnehmers zur Normalleistung wird geltend gemacht, daß sich die Gegenleistung, also die Vergütung, nach der typischen, am Durchschnitt orientierten Leistung festmache. Auch wenn es – insbesondere tarifvertraglich – möglich und üblich sei, die Leistung durch eine Vielzahl unterschiedlicher Lohngruppen widerzuspiegeln, sei eine gewisse Vereinheitlichung doch unvermeidlich. Die anzustrebende Austauschgerechtigkeit fordere, daß, wenn nicht mehr und nicht weniger als der „Durchschnittslohn“ gezahlt werden könne, auch der Arbeitnehmer nicht mehr oder nicht weniger als die „Durchschnittsleistung“ schulde. Wäre es anders, würden also die Arbeitnehmer eine Leistung entsprechend ihrer individuellen Leistungsfähigkeit schulden, ergäbe sich die unangemessene Konsequenz, daß gleichentlohnte Arbeitnehmer unterschiedliche Leistungen schuldeten. 312 Diese Argumentation erscheint beinahe zwingend; dennoch hat sie zu Recht verhältnismäßig wenig Gefolgschaft gefunden. 313 Zwar ist das Ziel der zu verwirklichenden Austauschgerechtigkeit anzuerkennen. Doch ist zu bedenken, 310 Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, herausgegeben durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 401 ff.: § 20 „(1) Enthält die Vereinbarung keine eindeutige Bestimmung über die zu erbringende Arbeit, so richtet sich der Gegenstand der Arbeitspflicht nach der Üblichkeit in Branche, Beruf, Betrieb und Ort. (2) Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der vereinbarten Arbeit stehen (Nebenarbeiten), sind nur dann zu verrichten, wenn sie berufsund branchenüblich sind. (3) Zur Leistung anderer Arbeiten ist der Arbeitnehmer nur dann und nur vorübergehend verpfl ichtet, wenn ohne sie erhebliche Schäden für den Betrieb nicht abgewendet werden können und die Leistung dem Arbeitnehmer zumutbar ist.“ Auch hier kommt das Synallagma zum Tragen: § 31: „(1) Der Arbeitgeber ist verpfl ichtet, dem Arbeitnehmer das vereinbarte Arbeitsentgelt zu entrichten. Soweit nichts vereinbart ist, ist der Arbeitgeber verpfl ichtet, ein der Arbeitsleistung angemessenes Arbeitsentgelt zu entrichten; hierbei sind die betrieblichen und örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. (2) Ist das im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsentgelt erheblich geringer als das angemessene Arbeitsentgelt im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 und ist für das Arbeitsverhältnis keine tarifvertragliche Regelung maßgebend, so ist das angemessene Arbeitsentgelt zu entrichten.“ 311 E. Adler, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 35, 1912, S. 701, 722 f.; Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 43 f.; Hessel, Anm. zu BAG (Urt. v. 17. 7. 1970), AuR 1971, 64; Kauffmann, AuR 1963, 267; dahin gehend wohl auch Wlotzke, RdA 1965, 180, 188 f., und mit Einschränkungen HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 299 und 301. An eine solche Normalleistung knüpft wohl auch an: LAG Hamm (Urt. v. 13. 4. 1983) DB 1983, 1930 f. 312 Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. Dahin gehend auch schon Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191. 313 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 119 f.; Hammen, Gattungshandlungsschulden, S. 312 f.

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daß der Austausch zwischen einer flexiblen, leicht meßbaren Größe, der Vergütung, und einer verhältnismäßig unflexiblen, nur schwer meßbaren Größe, der Arbeitsleistung, stattfindet. Will man Austauschgerechtigkeit erreichen, sollte sich also die Vergütung an der einzelnen Arbeitsleistung orientieren und nicht umgekehrt. Zu behaupten, es könnten nur Durchschnittslöhne gezahlt werden, so daß auch nur Durchschnittsleistungen erbracht werden können, stellt die Problematik auf den Kopf: Daß die individuelle Arbeitsleistung Schwankungen unterliegt und – gerade zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – schwer meßbar ist, trifft zu. Dem Ziel der Austauschgerechtigkeit kann indes nur Genüge getan werden, indem die Vertragsparteien für die jeweilige, individuelle Arbeitsleistung eine entsprechende Vergütung vereinbaren. Das dies der arbeitsrechtlichen Praxis oft nicht entspricht, ist zutreffend. Aus dieser – ökonomisch unbefriedigenden – Praxis Rückschlüsse auf die dogmatische Ausgangsposition zu ziehen, ist hingegen unzulässig. So kann auch aus der Tatsache, daß für viele freie Dienste aufgrund von Gebührenordnungen „durchschnittliche“ Vergütungen gezahlt werden, nicht gefolgert werden, daß die jeweiligen Dienstverpflichteten nur eine durchschnittliche Leistung zu erbringen hätten. Auch die andere Grundannahme dieser Argumentation ist problematisch: die Vergleichbarkeit mit gleich entlohnten Arbeitnehmern. Es könne nicht sein, daß z. B. innerhalb einer Arbeitsgruppe, die mit dem Tragen von Säcken beschäftigt sei, der „starke Mann“ eine höhere Leistung schulde als der „schwache“. 314 Doch ist gerade dies zu fordern. Das rechtspolitische Postulat „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ läßt sich nicht im Umkehrschluß in den rechtlichen Satz pressen „Gleiche Arbeit für gleichen Lohn“. Die Ungleichbehandlung, die in dem genannten Beispiel dem Rechtsempfinden widerstreben mag, ist dadurch zu beheben, daß dem „starken Mann“ ein höherer Lohn gezahlt wird. Daß der einzelne, überdurchschnittliche Arbeitnehmer eine solche Vertragsänderung oft schwer durchsetzen kann, ist zuzugeben. Diesem Problem sollte jedoch nicht mit einer dogmatischen Gleichheitslösung begegnet werden. Auch der denkbare Einwand des überdurchschnittlich befähigten Arbeitnehmers, er erbringe im Verhältnis zu seinen Kollegen eine Mehrleistung, die nicht vergütet werde, 315 verfängt nicht. Da es – zumindest einzelvertraglich – zulässig ist, gleiche Arbeit ungleich zu entlohnen, kann auch ungleiche Arbeit gleich entlohnt werden. Daß sich in einer Kosten/Nutzen-Analyse das Arbeitsverhältnis mit einem überdurchschnittlichen Arbeitnehmer für den Arbeitgeber als profitabler erweist als andere, kann sich für den Arbeitnehmer

314 Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 8 1. (2), und Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191: „Sollen wir zu diesem Arbeitnehmer sagen: ‚Du kannst mehr als die anderen, also schuldest Du mehr als sie‘?“. 315 Vgl. Wlotzke, RdA 1965, 180, 189; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 119 f.

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darüber hinaus in anderen Vorteilen niederschlagen, 316 insbesondere in einer Beförderung, die dann wiederum mit einer Lohnsteigerung verbunden wäre. Einzuräumen ist allerdings, daß der eigentliche Vorteil, der sich aus einer überdurchschnittlichen Leistung für einen selbständigen Dienstverpfl ichteten ergibt, für den Arbeitnehmer weniger zu Buche schlägt. Dieser Vorteil liegt bei selbständigen Dienstverpflichteten, die in der Regel mit einer Vielzahl von Dienstberechtigten kontrahieren können, in ihrer verbesserten Wettbewerbssituation, die es ihnen im Grundsatz erlaubt, für ihre bessere Leistung eine höhere Vergütung zu verlangen. Diese Möglichkeit ist für den Arbeitnehmer begrenzt; sie besteht jedoch immerhin insoweit, als die überdurchschnittliche Leistung im Arbeitszeugnis dokumentiert werden muß, mit welchem sich der Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber, der zu einer höheren Lohnzahlung bereit sein mag, bewerben kann. Mit aller Vorsicht sei auch auf folgenden Umstand hingewiesen: Es ist zwar zutreffend, daß die Arbeitsleistung des überdurchschnittlichen Arbeitnehmers für den Arbeitgeber einen höheren Wert hat. Andererseits ist – theoretisch – die physische und psychische „Souveränitätseinbuße“, die der überdurchschnittliche Arbeitnehmer zur Erbringung dieser Leistung in Kauf nehmen muß, mit der durchschnittlich und unterdurchschnittlich befähigter Arbeitnehmer „gleich“. Dem „starken Mann“ fällt das Tragen von mehr Säcken eben auch leichter. Dies, so der offensichtliche Einwand, könne keine Rolle spielen, da im vertraglichen Austausch eben nur „der Erfolg“ und nicht die Mühen zählen, die die Bewirkung des Erfolgs den Schuldner gekostet haben. Dieser grundsätzlich zutreffende Einwand verfängt an dieser Stelle wegen der weitgehenden Identität von Leistung und Leistendem weniger. Die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung besteht eben in seiner „Arbeitskraft“, also zu einem Teil in seiner Person. 317 Dies wird auch in den Formulierungen deutlich, der Dienstverpfl ichtete schulde im Gegensatz zum Werkunternehmer ein „Bemühen“. 318

Weiter ist die Forderung nach einer „Normalleistung“ auch von der Seite des unterdurchschnittlichen Arbeitnehmers zu betrachten. Der unterdurchschnittliche Arbeitnehmer kann die „Normalleistung“ nur erreichen, indem er seine Kräfte überstrapaziert. Teile der Literatur weisen – praktisch betrachtet mit einiger Berechtigung – auf die Gefahr der Entstehung eines „Antreibersystems“ hin. 319 Dem wäre entgegenzuhalten, daß der unterdurchschnittliche Arbeitnehmer in diesem Fall gar nicht kontrahieren dürfe bzw. den Vertrag beenden müsse, sobald er die Überforderung feststelle. Alternativ könnte er dem Arbeitgeber eine Herabsetzung auf den seiner Leistung angemessenen Lohn anbieten. Doch verbleiben diese Einwendungen im Bereich grauer Theorie. 316

Vgl. dazu auch unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb), S. 194 ff. Zum Personenbezug der Arbeitsleistung oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 114 ff., insbesondere Wlotzke, RdA 1965, 180, 184 ff. 318 Vgl. oben § 2 Fn. 156. 319 Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 98; MünchKomm/Söllner, 2. Aufl., § 611 Rn. 20. Dem folgend auch Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 122. 317

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Sie verweisen jedoch auf das weitere Problem der Ermittlung der Normalleistung. Dabei soll auf die allgemeinen Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Benennung insbesondere von qualitativen Maßstäben gar nicht weiter eingegangen werden. Selbst wenn sich die Arbeitsleistung nach quantitativen Maßstäben verhältnismäßig leicht messen läßt, z. B. bei der Fließbandproduktion, ist zu berücksichtigen, daß eine „Normalleistung“ eine „Durchschnittsleistung“ ist. Sie hängt mithin von den jeweiligen Leistenden ab. Das Bundesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, daß in einer sehr guten Arbeitsgruppe schon der gute Arbeitnehmer unter dem Durchschnitt leiste. 320 Die Feststellung einer „Normalleistung“ ist also nur möglich, solange eine statistisch aussagekräftige Anzahl von Personen – darunter auch unterdurchschnittlich befähigte Personen – der Tätigkeit nachgehen. Wollte man die Normalleistung unabhängig von diesen Umständen festlegen, bedurfte es entsprechend kostenintensiver arbeitswissenschaftlicher Untersuchungen. Schließlich ist die Forderung nach einer „Normalleistung“ auch ökonomisch verfehlt. Ist es dem Arbeitgeber tatsächlich möglich, dem überdurchschnittlichen Arbeitnehmer die durchschnittliche „Qualität“ und „Quantität“ der Arbeitsleistung, die dieser zu erbringen hat, zu benennen, müßte er richtig vermuten, daß die Motivation eines solchen Arbeitnehmers, dieses Maß zu überschreiten, verhältnismäßig gering sein wird. Der überdurchschnittliche Arbeitnehmer wird also seine Arbeitskraft zurückhalten, sofern er sich nicht andere Vorteile von einer Mehrleistung erhofft. Demgegenüber läßt sich nicht einwenden, daß von der Forderung nach einer Normalleistung eine Motivation für den unterdurchschnittlich befähigten Arbeitnehmer ausgehe; denn eine solche Motivation würde eben auf Dauer zu einer Überforderung dieses Arbeitnehmers führen. Ökonomisch erscheint weder die Unterforderung überdurchschnittlicher noch die Überforderung unterdurchschnittlicher Arbeitnehmer sinnvoll. Für den Arbeitgeber stellt sich die Einstellung von Arbeitskräften als Risikogeschäft dar. Es liegt nahe, daß der Arbeitgeber dieses Risiko zu mindern sucht. Die Verpflichtung zu einer Normalleistung mindert das Risiko zwar insoweit, als schwächere Arbeitnehmer möglicherweise mehr leisten bzw. die Arbeitsverhältnisse mit ihnen leichter beendet werden können. Mit dieser Maßnahme werden jedoch auch die Chancen des Rechtsgeschäfts, nämlich die Chance, einen überdurchschnittlich leistenden Arbeitnehmer zu gewinnen, 321 vertan; zumindest werden sie reduziert. Es mag sein, daß die Arbeitgeber diese Chancen sogar höher als die Risiken einschätzen. Die in der 320 BAG (Urt. v. 22. 7. 1982) AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969. Vgl. auch LAG Düsseldorf (Urt. v. 17. 7. 1953) DB 1953, 888; Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835. 321 Die Gewinnung eines überdurchschnittlich leistungsfähigen Arbeitnehmers nützt dem Arbeitgeber allerdings bei einer Tätigkeit im Taktverfahren wenig, soweit sich die Leistung an dem leistungsschwächsten Arbeitnehmer orientieren muß, Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 96 f.

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Wissenschaft geäußerte Forderung nach einer Normalleistung ist jedenfalls politisch von seiten der Arbeitgeber selten ernsthaft aufgegriffen worden. Es soll abschließend noch auf einen weiteren, rechtssystematischen Zusammenhang hingewiesen werden. Wenn der Dienstverpfl ichtete aus dem Dienstvertrag eine Normalleistung schuldet, ist jede unterdurchschnittliche Leistung zugleich eine nicht ordnungsgemäße Leistung, also eine sog. beschränkte Störung. Damit würde der Dienstverpfl ichtete bzw. der Arbeitnehmer gem. § 280 BGB auf den aus dieser Pfl ichtverletzung entstandenen Schaden haften. Dieser Konsequenz kann man – abgesehen von den Grundsätzen über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung – nur entgehen, indem der geschuldete Leistungsmaßstab von dem für die Haftung ausschlaggebenden Sorgfaltsmaßstab getrennt wird.322, 323 Der sich damit stellenden Grundsatzfrage nach dem Zusammenhang von Schuld und Haftung im Schuldrecht ist hier nicht nachzugehen.324 Nach der Einführung eines einheitlichen Pfl ichtverletzungstatbestands in § 280 BGB fällt die Trennung von Schuld und Haftung jedenfalls schwerer.

(c) Ergebnis zu (2) Die de lege ferenda gemachten Vorschläge, die Verpflichtung zur Leistung von Dienst bzw. zur Leistung von Arbeit dahin gehend zu konkretisieren, daß eine auf dem „Markt“, in der Branche, im Betrieb oder in der Arbeitsgruppe übliche „Normal-“ oder „Durchschnittsleistung“ geschuldet sei, sind abzulehnen. Die Einführung eines rechtlichen Satzes „gleiche Arbeit für gleichen Lohn“ wäre kaum praktikabel, uneffektiv und hätte – zumindest im Arbeitsrecht – in der Praxis auf unterdurchschnittlich befähigte Dienstverpflichtete bedenkliche Auswirkungen. Erst recht ist die Forderung nach einem „subjektiv-optimalen“ Leistungsstandard zurückzuweisen, die zwar in jüngster Zeit nur noch für den selbständigen Dienstvertrag erhoben wird, deren Anklänge sich aber bis heute in der arbeitsrechtlichen Literatur fi nden. 322 Für eine solche Trennung beim Arbeitsvertrag (objektive Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs gegenüber subjektiver Bestimmung des Leistungsmaßstabs): Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 1; Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 90, 99; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 I. (a. E.). Dagegen Lieb, Gutachten, S. 183, 208. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die den Arzt aus dem Behandlungsvertrag treffenden Sorgfaltspfl ichten und seine ihm deliktisch obliegenden Sorgfaltspfl ichten identisch, BGH (Urt. v. 20. 9. 1988) NJW 1989, 767, 768; BGH (Urt. v. 25. 6. 1985) VersR 1985, 1068, 1069 ff. 323 Konsequent daher Hammen, Gattungshandlungsschulden: Der Maßstab für die Erfüllung der Dienstleistung sei nach § 243 Abs. 1 BGB zu bewerten. Der Maßstab für die Haftung sei ein anderer (S. 111 ff., S. 313 ff.). So könne auch eine Dienstleistung mittlerer Art und Güte noch „fehlerhaft“ sein und umgekehrt (S. 113 ff.). Mit einer fehlerhaften Leistung (mittlerer Art und Güte) könne der Schuldner erfüllen, andererseits könne er aufgrund des Mangels wegen „Nicht“erfüllung haften (S. 99). Eine Beschränkung der Haftung erreicht Hammen, indem er den Maßstab der für § 243 Abs. 1 BGB maßgebenden Verkehrsanschauung heranzieht (S. 119, 313, 324 ff.). 324 Vgl. aber zu der damit zusammenhängenden Frage, ob mit einer unvollständigen Leistung erfüllt werden kann, oben Erster Teil, § 3 I., S. 85 ff., und unten II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff.

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c) Ergebnis zu 2. Die Leistungskonkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten ist beschränkt durch die vertragliche Vereinbarung und die zulässigen Weisungen des Dienstberechtigten. Darüber hinaus findet sie Grenzen in den allgemeinen oder spezialgesetzlichen Bestimmungen; für den selbständigen Dienstverpflichteten sind dabei auch die Bestimmungen seines Standesrechts von Bedeutung. Weiteren gesetzlichen Beschränkungen unterliegt der Dienstverpfl ichtete hingegen nicht. Insbesondere ist eine analoge Anwendung des Maßstabs der „mittleren Art und Güte“ gem. § 243 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung des selbständigen und des unselbständigen Dienstverpflichteten abzulehnen. Auch rechtspolitisch ist von der Einführung derartiger gesetzlicher Maßstäbe abzuraten. Es bleibt mithin bei dem Befund, daß der Dienstverpflichtete im Rahmen seiner Konkretisierungsbefugnis frei ist, über den gesamten Leistungszeitraum hinweg eine Leistung „am unteren Limit“ zu erbringen. Die so beschriebene Freiheit des Schuldners mag Widerspruch erregen, scheint doch das Synallagma hier in eine Schieflage geraten zu sein. Indes konstituiert sich das Synallagma allein durch die vertraglichen Leistungsversprechen. Erfüllt der Dienstverpflichtete im Rahmen seines Versprechens, genügt er seiner Verpflichtung. Entscheidend ist daher allein der Umfang des vertraglichen Leistungsversprechens, der daher hinsichtlich der Art und Weise der Erbringung der Tätigkeit im folgenden einer genaueren Prüfung unterzogen wird. 3. Zur Ermittlung des Schuldinhalts durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung Der Schuldinhalt ist in erste Linie durch die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zu ermitteln. 325 Für die Zeit und den Ort der Leistungserbringung gelten ergänzend, d. h. mangels vertraglicher Vereinbarung, die §§ 269, 271 BGB. Zu den anderen Modalitäten der Leistung des Dienstverpflichteten schweigt das Gesetz – abgesehen von der Bestimmung des § 613 BGB. Für verschiedene Vertragstypen hat der Gesetzgeber Bestimmungen getroffen, die den Schuldinhalt dispositiv (wie § 243 Abs. 1 BGB) oder ergänzend (z. B. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 und 3, 435, 535 Abs. 1 S. 2, 633 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 und 3, Abs. 3, § 651c Abs. 1 BGB) konkretisieren. Für den Dienstvertrag hat es der Gesetzgeber dagegen bei der knappen Formulierung belassen, daß derjenige, der die „Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste“ verpflichtet ist. Für die Ermittlung des Schuldinhalts weist das Gesetz also 325 Daß für die Bestimmung des Leistungsinhalts maßgeblich auf die vertragliche Vereinbarung abzustellen ist, betonen auch Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 96, 99 ff.; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 116, 121 Fn. 166 und S. 122 f.

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ausdrücklich nur auf das Leistungsversprechen des Dienstverpflichteten hin. Auch die jüngeren Kodifikationsentwürfe für das Arbeitsvertragsrecht stellen die vertragliche Vereinbarung in den Vordergrund. 326 a) Zur Methodik der Auslegung Die Bestimmung des Leistungsversprechens erfolgt zunächst durch normative Auslegung (§ 133 BGB). Neben den ausdrücklichen Erklärungen kommt es auf die konkreten Umstände des Vertragsschlusses an. Die ausdrücklichen und die konkludenten Erklärungen sind jeweils aus der Sicht eines objektiven, „vernünftigen“ Beobachters zu interpretieren.327 Gerade beim Dienstvertrag läßt sich den Erklärungen der Vertragsparteien aber oft nur die Leistungszeit, der Leistungsort sowie eine sehr grobe Bestimmung des eigentlichen Inhalts der zu erbringenden Tätigkeit entnehmen. Es ergibt sich daher – vielleicht mehr als bei anderen Vertragstypen – die Notwendigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB328). Die umstrittenen Einzelheiten des Instituts der ergänzenden Vertragsauslegung sowie die Abgrenzung zum Institut der normativen Auslegung sind hier nicht zu vertiefen. 329 Gerade bei Dienstverträgen, die auf längere Dauer angelegt sind und bei welchen unvorhergesehene Entwicklun326 Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik in der Neufassung vom 22. Juni 1990, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 479 ff.: § 80 „Der Arbeitnehmer hat die durch den Arbeitsvertrag übernommenen und ihm aus Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen obliegenden Pfl ichten mit der erforderlichen Sorgfalt und Umsicht zu erfüllen.“, § 84 „Die vorübergehende Übertragung einer Tätigkeit, die nicht zur vereinbarten Arbeitsaufgabe gehört, oder eine Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort (andere Arbeit) ist unter Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Interessen sowie der Qualifi kation des Arbeitnehmers in den nachfolgend geregelten Ausnahmefällen zulässig. . . .“.Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992: § 29 „Art, Umfang, Zeit und Ort der Arbeitsleistung bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag.“, § 31 „Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung und die Sorgfalt, die nach der vereinbarten Arbeitsaufgabe und der übereinstimmend vorausgesetzten Befähigung und Eignung erwartet werden können.“, § 32 „Der Arbeitnehmer hat die Arbeiten zu leisten, die zur Erledigung seiner Arbeitsaufgabe erforderlich sind. Dazu gehören im Zweifel auch Nebenarbeiten.“, § 38 „(1) Der Arbeitnehmer hat aus dringenden betrieblichen Gründen auf Verlangen des Arbeitgebers vorübergehend auch außerhalb der vereinbarten Arbeitsaufgabe zumutbare Arbeiten zu leisten, . . .“. Der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23): § 27 „(1) Art, Ort, Umfang und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag.“, (3) 1. Alternative „Der Arbeitnehmer schuldet im Zweifel den üblichen Einsatz seines nach dem Vertragsinhalt zu erwartenden individuellen Leistungsvermögens.“ 327 Die Notwendigkeit, auf den Empfängerhorizont abzustellen, betonen auch Lieb, Gutachten, S. 183, 209, und HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 299. 328 Auf die Vorschrift des § 157 BGB verweisen für die Auslegung des Dienstvertrages auch Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 28 II. 1. c).; Rabe, Lohnminderung, S. 39. 329 Vgl. dazu Flume, Rechtsgeschäft, § 16 4. a) (S. 323), nach dem die Grenze ohnehin eine fl ießende ist. Vgl. weiter Staudinger/H. Roth (2003) § 157 BGB Rn. 3 ff., 11 ff.; MünchKomm/ Mayer-Maly/Busche § 157 BGB Rn. 25 ff., beide m.w.Nachw.

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gen eintreten können, wird man verstärkt auf die ergänzende Vertragsauslegung Rekurs nehmen müssen. Zumeist wird man allerdings einfach annehmen können, daß sich die Parteien „keine klare Vorstellung“330 über die Einzelheiten des Leistungsinhalts gemacht haben. Teilweise wird den Parteien allerdings bewußt sein, daß der eigentliche Inhalt der zu erbringenden Tätigkeit nicht näher geregelt ist. Auch in einem solchen Fall verzichten die Vertragsparteien auf die nähere Bestimmung der Tätigkeit aber nicht, weil sie sich dafür entschieden haben, daß die getroffene Regelung abschließend sein soll. 331 Vielmehr ist eine genaue Bestimmung des Vertragsinhalts den Parteien in der Regel nicht möglich, d. h. sie wäre mit einem wirtschaftlich nicht vertretbarem Aufwand verbunden. 332 Die Parteien gehen jedoch von der Erwartung aus, daß ihre Vorstellungen hinsichtlich des Leistungsinhalts zumindest in einem bestimmten Maß übereinstimmen. Der Dienstberechtigte nimmt zwar ein gewisses Risiko hinsichtlich des Leistungsinhalts in Kauf, denn er weiß, daß dem Dienstverpflichteten immer ein gewisser Spielraum bei der Ausübung der Tätigkeit verbleiben wird. Im übrigen macht er sein Vertragsversprechen aber davon abhängig, daß der Leistungsinhalt bestimmten Anforderungen genügt, die er allerdings im einzelnen nicht ausdrücklich benennt. Der Dienstverpflichtete weiß und akzeptiert das. Für die normative Auslegung ist auf die Interessen der Vertragsparteien abzustellen, die bei der Vornahme des Geschäfts sichtbar werden. 333 Auch nach den für die ergänzende Vertragsauslegung entwickelten Grundsätzen kommt es auf den Sinnzusammenhang des Vertrages, den von den Parteien anerkannten Vertragszweck und die Interessenlage der Vertragsparteien an.334 Neben dem Vertragszweck und den im Vertrag abgebildeten Parteiinteressen ist für beide Auslegungsmethoden gem. § 157 BGB auf die Verkehrssitte abzustellen. 335 Dies ist die den Verkehr beherrschende tatsächliche Übung, 336 also die Üblichkeit. 337 Die betreffende Verkehrssitte ist allerdings nur beachtlich, wenn 330

Flume, Rechtsgeschäft, § 16 4. a) (S. 323): Fall der normativen Auslegung. In diesem Fall wäre auch die ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen, vgl. Staudinger/H. Roth (2003) § 157 BGB Rn. 17; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche § 157 BGB Rn. 29. 332 Vgl. oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (a), S. 96 ff. 333 Flume, Rechtsgeschäft, § 16 3. e) (S. 316). Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2), S. 19 ff. 334 Vgl. BGH (Urt. v. 17. 2. 2002) NJW 2002, 2310, 2311; BGH (Urt. v. 12. 2. 1988) NJW 1988, 2099, 2100; Larenz, Methodenlehre, Kapitel 3, 4. b), S. 300 f.; Larenz/Wolf, BGB Allgemeiner Teil, § 28 VIII. 3. d) Rn. 120 ff.; Staudinger/H. Roth (2003) § 157 BGB Rn. 33; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 12. Kapitel, 4.3. 335 RG (Urt. v. 5. 5. 1942) RGZ 169, 122, 124 f.; BGH (Urt. v. 14. 7. 1956) BGHZ 21, 319, 328; Soergel/Hefermehl § 133 BGB Rn. 29. Für den Arbeitsvertrag ausdrücklich Kreller, AcP 123 (1925), 263, 283; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 24 I.; MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 5; Hromadka, DB 1995, 2601, 2602. 336 Flume, Rechtsgeschäft, § 16 3. d) (S. 312 f.). 337 Staudinger/H. Roth (2003) § 157 BGB Rn. 31. 331

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sie sich mit der Sicherheit des Verkehrs verträgt und sich nicht als Mißbrauch erweist. 338 Darüber hinaus wird im Schrifttum zur Auslegung des Leistungsversprechens des Dienstverpflichteten der in § 157 BGB und § 242 BGB339 genannte Grundsatz von „Treu und Glauben“ herangezogen. 340 Entscheidend für die Auslegung des Leistungsversprechens des Dienstverpflichteten sind also nur die im Rechtsgeschäft zum Ausdruck gekommenen Interessen der Vertragsparteien, die sog. Verkehrssitte sowie der Grundsatz von Treu und Glauben. b) Leistungsvermögen und Einsatz des Leistungsvermögens Die Erklärung des Dienstverpflichteten enthält in der Regel nur eine sehr grobe Aussage darüber, was er für die Gegenleistung tun wird. Bei anderen Schuldvertragstypen kann der Schuldner den Leistungsinhalt konkretisieren, indem er verspricht, einen bestimmten Leistungserfolg zu erreichen. Dies will der Dienstverpflichtete aber gerade nicht. Ihm bleibt daher die Erklärung, daß er ein bestimmtes Leistungsvermögen hat, mit dem der vom Dienstberechtigten verfolgte Zweck erreicht werden kann. Damit soll zugleich gesagt sein, daß er dieses Leistungsvermögen entsprechend einsetzen wird. Die Ermittlung des Schuldinhalts findet daher ihren Ausgangspunkt in der Feststellung des versprochenen Leistungsvermögens (dazu unter (1)). Erst danach ist die Frage zu stellen, in welchem Umfang der Dienstverpflichtete sich zum Einsatz dieses Leistungsvermögens verpflichtet (unter (2)). (1) Leistungsversprechen und Leistungsvermögen (a) Individuelles Leistungsvermögen und normative Auslegung Betrachtet man die Situation des Vertragsschlusses, so ergibt sich als Grundsatz für alle Fälle, in denen der Dienstverpflichtete sich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet, daß er eine Leistung nach seinem eigenen Leistungsvermögen verspricht. Der Dienstverpfl ichtete präsentiert sich in den Ver338

RG (Urt. v. 19. 5. 1926) RGZ 114, 9, 13; Erman/Armbrüster § 157 Rn. 9; Larenz/Wolf, BGB Allgemeiner Teil, § 28 IV. 2. Rn. 62. 339 Bisweilen wird die Heranziehung des § 242 BGB für die objektive Bestimmung von Leistungspfl ichten abgelehnt, Staudinger/H. Roth (2003) § 157 BGB Rn. 8; Soergel/Manfred Wolf § 157 Rn. 26. Ähnlich für das arbeitsvertragliche Leistungsversprechen Rabe, Lohnminderung, S. 39 und 43 Fn. 1. Es wird jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß eine Trennung praktisch schwer durchführbar ist und die Wertungen ineinander übergehen, Soergel/ Hefermehl § 133 BGB Rn. 3. Schließlich führt die Abgrenzung beider Bestimmungen an dieser Stelle nicht weiter, vgl. auch Heck, Schuldrecht, S. 14; Flume, Rechtsgeschäft, § 16 3. a) (S. 308 f.); Henckel, AcP 159 (1960), 106, 121 f. 340 LAG Düsseldorf (Urt. v. 17. 1. 1962) DB 1962, 476; Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 30 f.; Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 82; Rabe, Lohnminderung, S. 39; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 28 II. 1. c); Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I.

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tragsverhandlungen als Individuum; er „verkauft“ seine eigene individuelle Leistung. Dies gilt für den selbständigen Dienstvertrag341 wie für den Arbeitsvertrag. 342 Es ist daher im Grundsatz zutreffend, wenn das BAG und die überwiegende Literatur im Arbeitsrecht vom einem Arbeitnehmer eine Leistung nach seinen individuellen Fähigkeiten verlangen. 343 Der Arbeitnehmer verspricht nicht, eine objektive Normal- oder Durchschnittsleistung zu erbringen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kennt er die Normal- oder Durchschnittsleistung der jeweiligen Arbeitsgruppe, des Betriebs oder die auf dem Markt möglicherweise zu ermittelnde Normalleistung nicht, und der Arbeitgeber weiß um diese Unkenntnis. Will der Arbeitgeber einen Anspruch auf eine objektive Durchschnittsleistung erwerben, muß er dem Arbeitnehmer den gewünschten Standard ausdrücklich benennen, und der Arbeitnehmer muß sich mit dieser Anforderung einverstanden erklären. 344 Die Benennung eines solchen Maßstabs ist freilich oft mit großen Schwierigkeiten verbunden, vielfach auch gar nicht möglich. Allerdings verdeckt das im Arbeitsrecht gern verwandte Schlagwort vom „individuellen Leistungsvermögen“ des Arbeitnehmers, daß es bei der Bestimmung des Leistungsumfangs nicht etwa schlicht auf das tatsächlich vorhandene Leistungsvermögen des Dienstverpflichteten ankommt. Abzustellen ist allein auf das Leistungsversprechen des Dienstverpflichteten. Nach den Grundsätzen der normativen Auslegung ist maßgeblich, welchen Eindruck ein objek341 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I.; Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 403 f. 342 Anders noch Heilfron, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 1902, § 65 c): Bei den „niederen Diensten“, bei denen es sich um gewöhnliche Arbeiten mechanischer Natur handle, sei die „geistige Individualität des Dienstverpfl ichteten grundsätzlich bedeutungslos“. Heilfron behandelt hier die römisch-rechtliche Unterscheidung zwischen operae liberales und illiberales. 343 BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO; BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; BAG (Urt. v. 14. 1. 1986) AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; BAG (Urt. v. 17. 3. 1988) AP Nr. 99 zu § 626 BGB; BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969; LAG Hamm (Urt. v. 23. 8. 2000) LAGE Nr. 76a zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 1.; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 112; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitrecht, § 8 B. I. 2; Kauffmann, AuR 1963, 267; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 98; Rüthers, ZfA 1973, 399, 403 f.; Canaris, Anm. zu BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Rabe, Lohnminderung, S. 44; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 46; Staudinger/Richardi (2005) § 611 BGB Rn. 402; ders., NZA 2002, 1004, 1011; MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 64; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 794; HK-KSchG/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 737, 745; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 6 Rn. 82; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 15; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 22; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 19. Grundsätzlich auch Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 BGB Rn. 283, ebenso Erman/Edenfeld § 611 Rn. 283; sowie HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 299. Für den Dienstvertrag im allgemeinen Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I. 344 So im Fall BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO.

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tiver Empfänger von der zu erwartenden Leistung des betreffenden Dienstverpflichteten gewinnen mußte. 345 Dies bestimmt sich u. a. danach, wie ein objektiver Dritter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Leistungsfähigkeit des Dienstverpflichteten einschätzen durfte. 346 Maßgeblich ist daher das objektiv zu erwartende individuelle Leistungsvermögen, kurz: das objektiv-individuelle Leistungsvermögen, des Dienstverpflichteten. Windscheid hatte beantragt, eine dahin gehende Bestimmung ins Dienstvertragsrecht aufzunehmen. Diese sollte heißen: „Wer einem Anderen Dienste versprochen hat, . . . steht auch dafür ein, daß ihm dasjenige Maß von Einsicht und Fertigkeit beiwohne, zu welchem er sich ausdrücklich oder stillschweigend bekannt hat.“347 Dabei hatte Windscheid die Haftung des Dienstverpfl ichteten im Auge. Man hielt die Aufnahme einer solchen Bestimmung jedoch für entbehrlich. 348

(aa) Faktoren Die objektive Einschätzung des Leistungsvermögens ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Eine genaue Systematisierung dieser Faktoren ist weder möglich noch erforderlich. Nicht im Sinne einer genauen Abgrenzung, eher zur groben Zeichnung des Panoramas, kann dennoch zwischen zwei Gruppen differenziert werden, nämlich den Faktoren, die dem Dienstverpflichteten unmittelbar anhaften (interne Faktoren), und den Faktoren, die an den Dienstverpflichteten herangetragen werden, und auf die er in der ein oder anderen Weise reagieren muß (externe Faktoren). Sämtliche dieser Faktoren können für die Einschätzung relevant sein. Für die Gewichtung kommt es auf die Bedeutung des Faktors für die auszuführende Tätigkeit an. Zu den internen Faktoren, die für die Einschätzung des Leistungsvermögens von Bedeutung sind, gehören in erster Linie die Qualifikationen des Dienstverpflichteten, sein Erscheinungsbild, sein Alter, seine körperliche Verfassung – soweit sie erkennbar ist –, seine Aussagen zu seiner eigenen Leistungsfähigkeit usf. Auch die Höhe der verlangten Vergütung349 kann ein Indiz 345 Auch BGH (Urt. v. 29. 1. 1991) BGHZ 297, 303, stellt insofern auf die „Verkehrserwartung“ ab. 346 Dieser Ansatz macht einen Rückgriff auf das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage überflüssig, der zur Begründung personenbedingter Kündigungen vorgenommen wird, vgl. Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 20, freilich in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG, das eine personenbedingte Kündigung bei „schwerer Störung des Vertragsgleichgewichts“ zulässt, vgl. BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969; BAG (Urt. v. 3. 6. 2004) AP Nr. 33 zu § 23 KSchG 1969. Dazu nun weiterführend Greiner, RdA 2007, 22 ff. 347 Zitiert nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 745. 348 Vgl. Protokolle I, S. 2249, zit. nach: Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 747 (mit Fn. 2). Ebenso Motive, Bd. 2, S. 458 f. 349 Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 82; F. Endemann, Bürgerliches Recht, Bd. 1, § 113 2. Fn. 6. Vgl. auch Staudinger/Löwisch (2001) § 276 BGB Rn. 28 bzgl. Fahrlässigkeit.

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für den versprochenen Leistungsstandard sein. Bei selbständigen Dienstverpflichteten, die vom Dienstberechtigten zum Zwecke des Vertragsschlusses aufgesucht werden, kommt zum Erscheinungsbild das Umfeld seines Arbeitsplatzes (Gebäude, Räumlichkeiten, technische Ausstattung, Mitarbeiter usw.) hinzu. Hingegen ist bei selbständigen Dienstverpflichteten die Vorlage von Qualifikationsnachweisen unüblich. Die Qualifikation ergibt sich bei ihnen meist aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, für die eine bestimmte Qualifikation erforderlich ist. 350 Der bedeutendste externe Faktor ist die Frage des Dienstberechtigten nach einer bestimmten Eigenschaft, also dem Vorliegen eines bestimmten Leistungsvermögens. Die Frage kann ausdrücklich oder konkludent gestellt sein. Wird der Dienstverpfl ichtete mit der von ihm zu bewältigenden Aufgabe konfrontiert und willigt er danach in den Vertragsschluß ein, hat er zumindest konkludent erklärt, daß er die betreffende Tätigkeit ausführen wird. Er erklärt damit zugleich, daß er fähig ist, die betreffende Tätigkeit auszuführen. 351 Dieses Versprechen wurde in der älteren Literatur auch als „Gewährübernahme“ bezeichnet. 352 Wird dem Arbeitnehmer im Zuge der Vertragsverhandlungen sein späterer Arbeitsplatz vorgeführt, ist seinem Leistungsversprechen zu entnehmen, daß er in der Lage ist, die gezeigte Arbeit zu leisten. 353 Besonders treffend insoweit die Formulierung in § 31 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992: „Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung und die Sorgfalt, die nach der vereinbarten Arbeitsaufgabe und der übereinstimmend vorausgesetzten Befähigung und Eignung erwartet werden können.“354 350 Für die Bestimmung des geschuldeten Leistungsvermögens kann daher im Grundsatz auf die Gruppen- bzw. Verkehrskreisbildung verwiesen werden, die in Rechtsprechung und Literatur für die Festlegung des Fahrlässigkeitsmaßstabs vorgenommen wird. Dabei sind die Einzelheiten freilich stark umstritten vgl. nur MünchKomm/Hanau, 3. Aufl., § 276 BGB Rn. 82 ff.; MünchKomm/Grundmann, Bd. 2a, § 276 BGB Rn. 59; Staudinger/Löwisch (2001) § 276 BGB Rn. 35 ff. 351 RG (Urt. v. 7. 1. 1938) JW 1938, 2203, 2204; BGH (Urt. v. 29. 1. 1991) BGHZ 297, 302; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 401 (S. 693 f.), zum BGB; Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts,Bd. 2, S. 648 mit Fn. 7; Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 82 f.: Wer sich ausdrücklich als Möbelschreiner einstellen läßt, wolle damit offenbar sagen, daß er etwas von Möbelschreinerei verstehe; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 2.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 3. (S. 229); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl. (1958), § 611 Rn. 147; Beuthien, ZfA 1972, 73 f.; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 99; Lieb, Gutachten, S. 183, 213 f.; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 645 ff. m.w.Nachw. Vgl. auch OLG Köln (14. 7. 1976) DAR 1977, 156 f., betr: Autoreparaturwerkstatt. 352 Planck/Siber, § 306 Anm. 2 a) und Anm. 2 b) b) bb); Leonhard, FS Enneccerus, 1913, S. 32 ff., 50 ff.; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 289. Vgl. dazu auch oben unter (b), S. 168 ff. 353 Ähnlich Beuthien, ZfA 1972, 73. 354 Auf den Begriff „Sorgfalt“ sollte indes verzichtet werden, vgl. unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Wird der Rechtsanwalt mit einer Rechtssache konfrontiert, die Spezialkenntnisse erfordert, und übernimmt er das Mandat, verspricht er zugleich, daß er die notwenigen Spezialkenntnisse hat oder sich aneignen wird. 355 Verpflichtet sich der Arzt zu einem operativen Eingriff, schuldet er die für diesen Eingriff notwendigen Fachkenntnisse. 356 Das gilt auch, wenn er als Facharzt einer anderen Disziplin auftritt. 357 Im Schrifttum wird teilweise gefordert, daß (auch) die Angehörigen den Freien Berufe Leistung schulden, deren Inhalt „in Abhängigkeit von Betriebsgröße und Spezialisierungsgrad“ zu bestimmen sei. So schulde eine auf Steuerrecht spezialisierte Kanzlei einen anderen Wissensstand als eine Allgemeinkanzlei; der Facharzt schulde ein umfassenderes Wissen als der Allgemeinmediziner.358 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Für die Bestimmung der Leistungspfl icht kommt es jedoch auf die konkrete vertragliche Absprache an. Hat der Inhaber einer Allgemeinkanzlei oder der Allgemeinarzt einen Fall übernommen, der Spezialkenntnisse und besondere Fähigkeiten erfordert, erklärt er damit zugleich, diese Kenntnisse und Fähigkeiten zu haben oder sie sich anzueignen.

Sind für die Tätigkeit bestimmte Fähigkeiten rechtlich oder tatsächlich erforderlich, kommt es nicht darauf an, ob der Dienstberechtigte von diesem Erfordernis Kenntnis hat. 359 Der Dienstverpflichtete verspricht nur die Leistung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar gefordert wird; er schuldet keine darüber hinausgehenden besonderen Fähigkeiten, auch wenn sich im Laufe der Tätigkeit herausstellt, daß diese besondere Fähigkeiten erfordert. 360 Hier zeigt sich, daß das objektiv-individuelle Leistungsvermögen auch eine negative Grenze zieht: Der Dienstverpflichtete schuldet jedenfalls nicht mehr, als er nach normativer Auslegung zu leisten fähig ist. 361

355 Allgemein: Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I.; sowie MünchKomm/Hanau, 3. Aufl., § 276 BGB Rn. 82 m.w.Nachw. (zur Fahrlässigkeit). 356 RG (Urt. v. 25. 6. 1912) Recht 1912, Nr. 2806; Soergel/Wiedemann Vor § 275 Rn. 447 ff. m.w.Nachw. 357 OLG Naumburg (Urt. v. 13. 3. 2003–1 U 34/02) OLGR 2003, 348 (dort nur Leitsatz). 358 Hirte, Berufshaftung, S. 363. 359 So ist z. B. für die Durchführung einer Operation bzw. Narkose der sog. „Facharztstandard“ Voraussetzung, BGH (Urt. v. 15. 6. 1993) NJW 1993, 2989; BGH (Urt. v. 12. 7. 1994) NJW 1994, 3008 f.; BGH (Urt. v. 10. 3. 1992) NJW 1992, 1560 f.; OLG München (Urt. v. 21. 3. 2002–1 U 5064/01), n.v., OLG München (Urt. v. 31. 1. 2002) OLGR München 2003, 101; OLG Stuttgart (Urt. v. 11. 1. 2000) OLGR Stuttgart 2001, 394; OLG Zweibrücken (Urt. v. 7. 10. 1987) OLGZ 1988, 470. 360 Beispiel Werkvertrag: Der Inhaber einer Autoreparaturwerkstatt hat für seine „durchschnittliche berufl iche Qualifikation“ einzustehen, OLG Köln (Urt. v.14. 7. 1976) DAR 1977, 156 f. Stellt sich erst nach Vertragsschluß heraus, daß die Reparatur eine „besondere Kunstfertigkeit“ erfordert, haftet der Mechaniker nicht, Heck, Schuldrecht, 1929, S. 142. 361 Vgl. RG (Urt. v. 14. 1. 1928) RGZ 119, 397 ff.: Reeder schickt Kapitän mit Segelschiff auf die Reise, obwohl er weiß, daß dieser über keine Erfahrung mit Segelschiffen verfügt.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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(bb) Dynamik Der Begriff des „objektiv zu erwartenden individuellen Leistungsvermögens“ ist kein statischer. 362 Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wissen die Vertragsparteien, daß die Zeit voranschreiten wird. Der Dienstberechtigte erwartet kein „konstantes Leistungsvermögen“. Gerade beim unbefristeten Arbeitsvertrag oder bei anderen Dienstverträgen, die für einen langen Zeitraum hin geschlossen werden, nehmen die Vertragsparteien einen normalen altersbedingten Leistungsabfall hin; 363 allerdings nur, wenn die normalen altersbedingten Veränderungen sich tatsächlich nachteilig auf die Fähigkeit, die konkrete Tätigkeit zu erbringen, auswirken, z. B. bei anstrengenden körperlichen Tätigkeiten. Auf der anderen Seite kalkulieren die Vertragsparteien ein, daß der Dienstverpflichtete im Laufe der Tätigkeit an Erfahrung und Fertigkeit hinzugewinnt. 364 Auch derartige Steigerungen der Fähigkeiten gehören zum objektiv-individuellen Leistungsvermögen. Darüber hinaus ist das Leistungsvermögen des Dienstverpflichteten – auch bei kurzer Vertragsdauer – nie konstant. Die Vertragsparteien wissen, daß der Dienstverpflichtete als Mensch infolge einer gewissen, letztlich unvermeidlichen und für den einzelnen ex ante nicht abschätzbaren physischen und psychischen Instabilität bestimmten Schwankungen seines Leistungsvermögens unterliegt. 365 Die Vertragsparteien vereinbaren daher nicht ein genaues Maß an Leistungsvermögen, sondern ein Leistungsvermögen im Rahmen einer gewissen Schwankungsbreite. Die Betonung liegt dabei auf „gewissen“. Die Leistungsfähigkeit kann – vor allem bei Krankheit – völlig entfallen. Bei Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages müssen die Vertragsparteien zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß dieser Fall eintreten wird. Das heißt jedoch nicht, daß der Arbeitgeber eine solche Leistungsschwankung bzw. einen solchen zeitweiligen Leistungsausfall als ordnungsgemäße Leistung gelten lassen wollte. Der Arbeitgeber hat auch einem nicht unerheblichen, dauernden Leistungsabfall (z. B. aufgrund einer chronischen Krankheit) nicht zugestimmt, außer der Leistungsabfall war für ihn bei Ver362

Auch das BAG, (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969, spricht von der dynamischen Leistungspflicht des Arbeitnehmers. 363 So auch BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969; BAG (Urt. v. 20. 11. 1987) AP Nr. 2 zu § 620 BGB Altersgrenze; APS/Dörner, § 1 KSchG Rn. 251; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 385, beide m.w.Nachw.; vgl. aber auch LAG Bremen (Urt. v. 6. 5. 1953) DB 1953, 488 (betr. Kündigung eines Orchestermitglieds wegen mangelnder künstlerischer Leistungsfähigkeit bei gestiegenen Leistungsanforderungen). Der Lohnanspruch eines Arbeitnehmers mindert sich also nicht dadurch, daß er altersbedingt weniger leistet. Will der Arbeitgeber dies erreichen, muß er eine entsprechende vertragliche Vereinbarung, z. B. ein Prämienlohnsystem, treffen. Vgl. BAG (Urt. v. 11. 11. 1997) AP Nr. 12 zu § 4 TVG Verdienstsicherung. 364 Einschränkend aber LAG Düsseldorf (Urt. v. 17. 7. 1953) DB 1953, 888. 365 Rabe, Lohnminderung, S. 47; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 14; Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 153 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

tragsschluß absehbar. 366 Die Grenze zwischen einer noch von der vertraglichen Vereinbarung gedeckten Leistungsschwankung und einem darüber hinausgehenden Leistungsabfall ist nicht leicht zu ziehen. 367 Man wird vor dem Hintergrund der Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere auch auf die Dauer des Dienstverhältnisses und auf den Maßstab der Üblichkeit, 368 abstellen müssen. 369 (b) Individuelles Leistungsvermögen als Teil des Schuldversprechens An dieser Stelle wird deutlich, daß das objektiv-individuelle Leistungsvermögen nicht nur ein Hilfsinstrument zur Herleitung eines bestimmten Schuldinhalts ist. Vielmehr ist die Innehabung dieses Leistungsvermögens selbst Teil des Leistungsversprechens. 370 Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß den Dienstberechtigten schließlich nur die „Leistung an sich“, nicht aber die Fähigkeiten, die diese Leistungen voraussetzen, interessieren können. Das kann zwar im Ausnahmefall zutreffen. In der Regel kommt es dem Dienstberechtigten aber erkennbar auch auf die Innehabung der Fähigkeiten an. Dies zeigen die Fälle, in denen der Dienstverpflichtete die für die Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten, z. B. die notwendigen Qualifikationen, nicht oder nicht in dem geforderten Umfang hat, ihm die Leistung aber – mit etwas oder viel Glück – dennoch gelingt. Die Fälle reichen von dem Schwindler, der sich als Chirurg ausgibt, über den Arbeitnehmer, der eine an sich bestehende Erwerbsunfähigkeit verschweigt, bis hin zu dem 366 Anders offenbar APS/Dörner, § 1 KSchG Rn. 248. Anhand dieses Kriteriums sind auch die Fälle zu lösen, in denen die Verminderung der Leistungsfähigkeit auf Unfälle bei der Ausführung der geschuldeten Tätigkeit zurückzuführen ist, vgl. z. B. LAG Köln (Urt. v. 21. 12. 1995) LAGE Nr. 24 zu § 1 KSchG Krankheit (betr. Tätigkeit als sog. Schrottbrenner für Abbruchunternehmer); BAG (Urt. v. 5. 8. 1976) AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 (betr. Tätigkeit bei Aufbau eines Kraftwerks). 367 Hinzunehmen ist z. B. ein gewisser Abfall der Leistungsfähigkeit infolge von Müdigkeit. Der Arbeitnehmer erbringt hingegen keine ordnungsgemäße Leistung mehr, wenn er selbst erklärt, er sei „zu müde, um zu arbeiten“, vgl. LAG Hamm (Urt. v. 23. 8. 2000) NZARR 2001, 138 ff. 368 Der Arbeitgeber übernimmt daher nicht das Risiko einer eintretenden Schwerhörigkeit der Kontoristin oder einer beginnenden rheumatischen Erkankung der Tänzerin, Beispiele nach Hueck/Molitor/Riezler/Molitor, Der Arbeitsvertrag, S. 121. 369 Den Ausführungen des BAG, (Urt. v. 12. 7. 1995) AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit, dem Arbeitgeber sei es regelmäßig zumutbar, einen krankheitsbedingten Leistungsabfall des Arbeitnehmers durch andere Maßnahmen als durch Kündigung (Umsetzung, menschengerechtere [!] Gestaltung des Arbeitsplatzes, andere Aufgabenverteilung etc.) auszugleichen, kann vor dem Hintergrund des konkreten Falles und angesichts der Tatsache, daß über eine außerordentliche Kündigung bei tarifl icher Unkündbarkeit zu entscheiden war, zugestimmt werden. Diese Ausführungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf andere Konstellationen übertragen, vgl. LAG Hamm (Urt. v. 18. 6. 1998) ZTR 1998, 513 (dort nur Leitsatz); ArbG Hamm (Urt. v. 19. 12. 2001) NZA-RR 2001, 612, 614. 370 Dahin gehend auch Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I. Einschränkend Rabe, Lohnminderung, S. 41 f., 62 ff.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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dynamischen Bewerber, der „sein Licht nicht unter den Scheffel stellt“371. Wiederum kommt es auf das Versprechen an: Hat der Betreffende auch die Qualifi kation versprochen, hat er diese jedoch nicht, liegt stets eine Pflichtverletzung vor, auch wenn die Leistung „an sich“ den Anforderungen genügt. Ist die Qualifi kation für die Ausübung der Tätigkeit vorgeschrieben, erklärt der Dienstverpfl ichtete konkludent, die Qualifikation zu haben. Auch der Arbeitnehmer erklärt mit dem Arbeitsvertrag stets konkludent, daß er keinen physischen oder psychischen Einschränkungen unterliegt, die die Ausführung der Tätigkeit nicht zulassen. Dafür ist allerdings nicht der medizinische Befund ausschlaggebend. Es fällt grundsätzlich in den Bereich der Eigenverantwortung des Dienstverpfl ichteten, sich zu Tätigkeiten zu verpfl ichten, die seiner Gesundheit schaden.372 Die Grenze ist erst erreicht, wenn eine erhebliche und wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands zu erwarten wäre; durch eine solche Verpfl ichtung rückt der Arbeitnehmer in eine „Objektstellung“, die Schutzpfl ichten des Staates auslöst.373 Hinsichtlich des dynamischen Bewerbers muß die Grenze zwischen üblicher und also zu erwartender „Eigenwerbung“ und der Behauptung tatsächlich nicht vorhandener Eigenschaften gezogen werden.

An dieser Stelle zeigt sich erneut die Relevanz der partiellen Identität von Leistung und Leistendem. Der Dienstberechtigte erwirbt einen Anspruch auf die Tätigkeit einer bestimmten Person, d. h. die Tätigkeit ist untrennbar mit dieser Person und ihren Eigenschaften verbunden. Fehlt der Person eine versprochene Eigenschaft, ist auch die Tätigkeit und damit die Leistung insgesamt nicht mehr die versprochene, also nicht ordnungsgemäß. Dabei ist für die Auslegung des Leistungsversprechens grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses relevant. Hat der Dienstverpflichtete die versprochenen Fähigkeiten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht und leistet er demzufolge nicht, teilweise nicht oder schlecht, liegt eine Pflichtverletzung vor, auf die allerdings nicht die §§ 280 ff. BGB, sondern regelmäßig die Spezialvorschrift 374 des § 311a BGB Anwendung findet. 375 Es genügt allerdings, wenn die Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des vereinbarten Leistungszeitraums vorhanden ist. War die Leistungsfähigkeit bei Vertragsschluß vorhanden und 371 Letzteres ist nach Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118, der Normalfall; richtig ist auch der Hinweis, daß sich der Stellenbewerber selbst oft anders beurteilt als ein Dritter. Ein solcher Fall war offenbar BAG (Urt. v. 3. 6. 2004) AP Nr. 33 zu § 23 KSchG 1969. 372 BAG (Urt. v. 12. 7. 1995) AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit; LAG Frankfurt (Urt. v. 11. 2. 1997) LAGE Nr. 14 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung; LAG München (Urt. v. 14. 8. 1991) LAGE Nr. 9 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung. Erbringt der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung, obwohl aus medizinischer Sicht eine Arbeitsunfähigkeit besteht, bleibt daher der Lohnanspruch unberührt; so auch Canaris, JZ 2001, 499, 504. Das geschuldete Leistungsvermögen war zwar aus medizinischer Sicht nicht, in tatsächlicher Hinsicht aber offensichtlich doch vorhanden. Vgl. auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 85 f. 373 Dazu unten unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (aa) d), S. 177 f. 374 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 311a BGB Rn. 4 ff. 375 Ebenso zum früheren Recht: Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 83, der fachlich nicht vorgebildete Arbeiter, der untüchtige Arbeit liefere, habe vertragswidrig geleistet.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

verliert der Dienstverpflichtete sie später (z. B. aufgrund von Erkrankung, Unfall, Ablauf der Gültigkeit eines erforderlichen Qualifikationsnachweises, etwa Führerschein), liegt kein Fall der anfänglichen Unmöglichkeit vor, so daß nicht § 311a BGB, sondern die §§ 280 ff. BGB Anwendung finden. Die Fälle, in denen der Dienstverpflichtete oder Arbeitnehmer bei Vertragsschluß Fähigkeiten behauptet, die er nicht besitzt, und es infolgedessen zu Nicht- oder Schlechtleistungen kommt, werden vielfach unter dem Topos des „Übernahmeverschuldens“376 diskutiert. 377 Der Aspekt des Verschuldens ist jedoch für die Entstehung der Verpfl ichtung irrelevant. Auch wenn dem Dienstverpflichteten der Grund für die mangelnde Fähigkeit zur Leistungserbringung schuldlos unbekannt war (z. B. Unkenntnis von eigener schwerer Erkrankung), ist die Verpflichtung gem. § 311a Abs. 1 BGB wirksam. 378 Der Schuldner 376 Der Begriff wird auch in den Fällen herangezogen, in denen der Dienstverpfl ichtete unabhängig von seinem Leistungsversprechen eine Aufgabe übernimmt, der er nicht gewachsen ist, vgl. BAG (Urt. v. 11. 9. 1975) AP Nr. 78 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: Sog. Kohlenkarrer übernimmt eigenmächtig die Aufgaben des Kesselwärters und beschädigt Heizung. 377 Für den selbständigen Dienstvertrag schon Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 322 Fn. h) a. E., S. 345 Fn. d); Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 103; Leonhard, FS Enneccerus, 1913, S. 1, 19 ff. m. Hinweisen zum römischen Recht, S. 50 ff.; Heilfron, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 1902, § 66 c.1. Aus der aktuellen Literatur: Lieb, Gutachten, S. 183, 213 f.; Erman/Battes, 10. Aufl., § 276 Rn. 23; Erman/H. P. Westermann § 276 Rn. 10; MünchKomm/Grundmann § 276 Rn. 58 m.w.Nachw.; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 19; Soergel/Wiedemann Vor § 275 Rn. 447; Fikentscher, 9. Aufl., Schuldrecht, § 79 III. 4.; Schiemann, JuS 1983, 649, 656 mit Fn. 110; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I. Aus der Rechtsprechung OLG Koblenz (Urt. v. 24. 6. 2002) MDR 2002, 1152, betr. Befangenheit eines Sachverständigen; OLG Dresden (Urt. v. 25. 3. 2002) NJWRR 2002, 1432, betr. Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen im Vergaberecht. Zur Arzthaftung BGH (Urt. v. 12. 7. 1994) NJW 1994, 3008 f.; BGH (Urt. v. 15. 6. 1993) NJW 1993, 2989; BGH (Urt. v. 10. 3. 1992) NJW 1992, 1560 f.; OLG Köln (Urt. v. 21. 12. 1998) VersR 2000, 493 f.; OLG Düsseldorf (Urt. v. 17. 12. 1998) OLGR Düsseldorf 1999, 335. Für den Arbeitsvertrag: BAG (Urt. v. 11. 12. 1980–3 AZR 102/78), n.v.; anschaulich BAG (Urt. v. 6. 6. 1972) AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (betr. Buchführungskenntnisse); LAG München (Urt. v. 15. 7. 1975) DB 1975, 1756 (betr. Rechtschreibkenntnisse); Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 135; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, § 8 1. (2); Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 12. Auflage, Rn. 677; Gamillscheg/Hanau, Haftung des Arbeitnehmers, S. 4; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 139, 177; vgl. auch bereits Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen der Nichterfüllung, 1927, S. 15 f. Für Werkvertrag OLG Köln (14. 7. 1976) DAR 1977, 156 f. betr: Autoreparaturwerkstatt. Vgl. auch Fessmann, NJW 1983, 1164, 1165 betr. Theaterbesuchsvertrag. 378 Früher schien dieses Ergebnis durch § 306 BGB a. F. versperrt, vgl. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 401, Anm. 2 (S. 698), zum BGB; dazu Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 308 ff. Daher nahm die Rechtsprechung ein Garantieversprechen des Dienstverpfl ichteten an, oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (1) (a) (aa), S. 163. Mit der späteren Gleichstellung von anfänglichem und nachträglichem Unvermögen war der Weg frei zur Anwendung des Verschuldensmaßstabs, vgl. auch RG (Urt. v. 13. 10. 1903) DJZ 1903, 549, 550; RG (Urt. v. 21. 10. 1908) RGZ 69, 355, 357; BGH (Urt. v. 16. 12. 1952) BGHZ

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wird erst durch § 275 BGB von der Leistungspfl icht befreit, und zwar (grundsätzlich) unabhängig von seinem Verschulden. 379 Dieses wird erst für mögliche Schadensersatzansprüche relevant. Auch hier ist jedoch der Aspekt des Verschuldens gegenüber der Auslegung des Leistungsversprechens nachrangig. Bevor also geprüft wird, ob den Dienstverpfl ichteten ein Übernahmeverschulden trifft, ist zunächst zu prüfen, ob der Dienstverpflichtete die betreffende Fähigkeit bzw. den ihr entsprechenden Leistungsstandard überhaupt zugesagt hat. Hat er die Fähigkeit und den entsprechenden Leistungsstandard zugesagt, ist er verpflichtet, eine entsprechende Leistung zu erbringen. Kann er dies nicht, hängt das Verschulden gem. § 311a BGB davon ab, ob der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluß kannte oder ob er die Unkenntnis zu vertreten hat (Abs. 2 S. 2). Daß beides nicht der Fall war, muß der Dienstverpflichtete beweisen. Dies gilt auch für den Arbeitnehmer. § 619a BGB fi ndet keine Anwendung, weil dieser sich nur auf § 280 BGB, nicht aber auf die Spezialnorm des § 311a BGB bezieht. Außerdem geht es in diesen Fällen nicht, wie § 619a BGB fordert, um die Verletzung einer Pflicht „aus dem Arbeitsverhältnis“, da die Pflichtverletzung nicht im Arbeitsverhältnis, sondern bei dessen Begründung stattfand. Meist ist das Verschulden unproblematisch: Wer eine Leistung verspricht und zum Zeitpunkt des Versprechens weiß, daß er nicht leisten kann, handelt vorsätzlich. 380 Problematisch sind also nur die Fälle, in denen der Dienstverpflichtete seine eigene Leistungsfähigkeit falsch einschätzt. 381 Hier hat er die Umstände darzutun und zu beweisen, die zu seiner Fehleinschätzung geführt haben. (2) Leistungsversprechen und Einsatz des Leistungsvermögens Der Dienstverpflichtete schuldet also das Leistungsvermögen, das er persönlich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus Sicht eines objektiven Beobachters zu haben scheint, sowie – in der Hauptsache – die diesem Leistungsvermögen entsprechende Leistung. Was aber ist „die dem Leistungsvermögen entsprechende“, also die geschuldete Leistung? Es ist dies die Frage nach dem Zusammenhang von Leistungsvermögen und Leistung. Das Leistungsvermögen ist die Summe aller Fähigkeiten, die für die zu erbringende Tätigkeit von 8, 222, 231; Hadding, Anm. zu BAG (Urt. v. 27. 2. 1974) AP Nr. 2 zu § 306 BGB; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 100 f. 379 Zweiter Teil, § 5 I. 2. b), S. 353 ff. 380 Deutlich OLG Düsseldorf (Urt. v. 17. 12. 1998) OLGR Düsseldorf 1999, 336 (dort nur Leitsatz): Arzt kann sich nicht damit entschuldigen, ihm habe für die Tätigkeit die erforderliche Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung gefehlt. Anders offenbar Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 83: stets Fahrlässigkeit. Wohl auch Heilfron, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 1902, § 66 c.1. 381 Dazu Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118: Der Arbeitnehmer handele fahrlässig, wenn ein gewissenhafter Bewerber diese Stellung nicht angenommen hätte.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Bedeutung sind. Im allgemeinen kann der Dienstverpfl ichtete seine Fähigkeiten in unterschiedlichem Maß zum Einsatz bringen. Eine Schreibkraft, deren Zeugnis ihrer bescheinigt, sie beherrsche das Maschineschreiben, kann diese Fähigkeit mehr oder minder – d. h. schneller oder langsamer, mehr oder weniger fehlerfrei – zum Einsatz bringen. Ein Rechtsanwalt, der über die notwendigen Qualifikationen verfügt, kann in einem Beratungsgespräch sein Wissen mehr oder minder einbringen, er kann sich mehr oder minder vorbereiten, sich mehr oder minder Zeit für das Gespräch lassen, die von ihm zur Illustration gewählten Beispielsfälle können mehr oder minder treffend sein usf. Das „Maß“ des Einsatzes bezeichnet dabei nicht nur die „Quantität oder Qualität“ einer bestimmten Handlung. Es kann auch die Frage betreffen, ob der Dienstverpflichtete überhaupt zu einer bestimmten „Einzel“-Handlung verpflichtet ist. Eine Abgrenzung zwischen einem solchen „ob“ und dem „wie viel“ oder „wie gut“ ist freilich, wie das Beispiel des Rechtsanwalts zeigt, nicht möglich. (a) Leistungsversprechen und Leistungswille Die Verbindung zwischen Fähigkeit und Leistung wird nach klassischer Vorstellung durch den Willen des Schuldners hergestellt. Man geht davon aus, daß die Leistung – unter normalen Umständen – gelingen werde, wenn der zur Leistung fähige Schuldner seinen Willen nur genügend anstrenge. 382 Besteht der Schuldinhalt in einer Tätigkeit, ist der Zusammenhang zwischen Wille und Leistung besonders eng, denn der Wille zur Leistung muß über den gesamten Leistungszeitraum hinweg aufrechterhalten bleiben. Zur Bestimmung des Schuldinhalts greifen daher Rechtsprechung und Literatur vielfach indirekt oder direkt auf den Willen des Schuldners zurück. Besonders deutlich wird dies in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sog. passiven Resistenz, dem „bewußten Zurückhalten“ der Arbeitskraft. 383 Allgemein definiert die arbeitsrechtliche Rechtsprechung den Schuldinhalt nach der angemessenen Anspannung der individuellen Kräfte und Fähigkeiten des Arbeitnehmers. 384

382 Tatsächlich ist der Konnex zwischen Wille und Fähigkeit wohl wesentlich enger, vgl. Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, § 6 II. 2. Vgl. auch Schnellinger, Leistungslohn im Handel, S. 23 ff., insbesondere S. 26 f. mit Fn. 35, zur Arbeitsphysiologie. 383 Dazu unten Dritter Teil, § 6 III. 2. c), S. 445 ff. 384 BAG (Urt. v. 20. 3. 1969) AP Nr. 27 zu § 123 GewO; BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968. In den neuen Urteilen spricht das BAG auch – sprachlich weniger gelungen – von der Anspannung der dem Arbeitnehmer „möglichen Fähigkeiten“: BAG (Urt. v. 14. 1. 1986) AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; BAG (Urt. v. 21. 5. 1992) AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. Schöner jetzt BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969: „angemessene Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit“.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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Auch im Kündigungsrecht, und zwar bei der Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen, greift die Rechtsprechung auf das Willensmoment zurück. Während eine Kündigung aus personenbedingten Gründen, also beim Verlust des vorausgesetzten Leistungsvermögens, unabhängig vom Verschulden des Arbeitnehmers möglich ist, 385 wird bei der Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen im allgemeinen Verschulden gefordert.386 Der klarste Fall eines solchen Verschuldens ist die „Arbeitsverweigerung“. Bei der sog. „beharrlichen Arbeitsverweigerung“, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, setzt die Rechtsprechung eine „Nachhaltigkeit im Willen“ voraus. 387

Der Terminus von der „angemessenen Willensanspannung“ wird allgemein für die Bestimmung des geschuldeten Sorgfaltsmaßstabs bei der Leistungserbringung herangezogen. 388 Im arbeitsrechtlichen Schrifttum wird entsprechend vertreten, daß der Arbeitnehmer eine sorgfältige Leistung schulde; 389 teilweise wird dabei „Sorgfalt“ ausdrücklich als die „Anspannung der Willenskräfte“ definiert. 390 Auch für den selbständigen Dienstvertrag wird festgestellt, daß der Schuldner zu einer sorgfältigen Leistung verpfl ichtet sei.391 Dies geht auf eine lange Tradition zurück. Schon vor 1840 schrieb Unterholzner: „Die Dienste müssen auf’s Sorgfältigste geleistet werden.“392 Das aktuelle Schrifttum scheint sich mit dieser Formulierung an die Be385 Vgl. nur Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1190. Dieses Ergebnis wäre nicht zu erklären, wenn man nur auf die tatsächliche individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers abstellen würde; zutreffend Preis, Individualarbeitsrecht, § 26 III. 1. a. E. Auch an dieser Stelle zeigt sich, daß es auf das objektiv zu erwartende individuelle Leistungsvermögen ankommt. 386 Vgl. nur Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1168a. 387 BAG (Urt. v. 5. 4. 2001) AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972; BAG (Urt. v. 21. 11. 1996) AP Nr. 130 zu § 626 BGB; BAG (Urt. v. 31. 1. 1985) AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968; LAG Köln (26. 2. 1999) NZA-RR 2000, 25 f. 388 Leonhard, FS Enneccerus, 1913, S. 1, 42 ff.; Heck, Schuldrecht, S. 76 f.; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 2 I. (S. 10). 389 Richardi, NZA 2002, 1004, 1011; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 299; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 16. Vgl. auch BAG (Urt. v. 14. 1. 1986) AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes: „konzentriert und sorgfältig“. 390 Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 82; Kreller, AcP 125 (1926), 1, 52; Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 42 f.; Rabe, Lohnminderung, S. 40 ff.; MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 70. Nach Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 116 f., schuldet der Arbeitnehmer auch ein „subjektives Gutwilligsein“. Auf den Willen stellt auch ab Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 101. 391 W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 496; Lieb, Gutachten, S. 183, 208 f., 213, 219; Soergel/ Wiedemann Vor § 275 Rn. 445; Kramer, MDR 1998, 324, 325. Auch Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 28 II. 1. c). In diese Richtung auch bereits Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2, § 119 I. (S. 689 f.) Fn. 2: „. . . nur das der Dienstpfl ichtige überhaupt sachgemäß thätig werde und sich im Streben nach dem Ziel, wo ein solches er noch durch Tätigkeit zu erreichen ist, keine Vernachlässigung zu Schulden kommen lasse, läßt sich als allgemein behaupten, . . .“. 392 Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, 1840, Bd. 2, S. 345.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

stimmung des § 276 Abs. 1 und 2 BGB anzulehnen.393 Die Anwendung dieser Norm setzt voraus, daß sie nicht nur für die Festlegung des Haftungsmaßstabs, sondern auch für die Bestimmung des Schuldinhalts maßgebend ist. Dies hat schon Himmelschein dargetan: Hat der Schuldner das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu vertreten, „ergibt sich mit notwendiger logischer Konsequenz, daß der Schuldner zur Sorgfalt verpflichtet ist.“394 Der Begriff „Sorgfalt“ ist aber mehrdeutig.395 Neben der „inneren Sorgfalt“ läßt sich auch eine „äußere Sorgfalt“ als das menschliche Verhalten, das unmittelbare Wirkungen in der Außenwelt hervorzubringen geeignet ist, 396 beschreiben.397 Ob die genannten Literaturstimmen auf die „innere“ oder die „äußere“ Sorgfalt abstellen, bleibt offen.

Der Heranziehung des Willens zur Bestimmung des geschuldeten Leistungsinhalts ist entgegenzutreten. Der Dienstverpflichtete schuldet eine Leistung im Sinne eines „äußeren Tatbestandes“, dagegen schuldet er keine „inneren Tatbestände“ im Sinne einer bestimmten psychologischen oder emotionalen Disposition. 398,399 Der Wille oder das Fehlen eines bestimmten Willens ist für den Vorwurf des Verschuldens relevant; dies ist beim Vorsatz eindeutig, und auch beim Sorgfaltsmaßstab gem. § 276 Abs. 2 BGB mag es für die Begründung der Haftung auf „innere Tatbestände“ ankommen. Hier geht es jedoch um die Verantwortlichkeit des Schuldners für sein Handeln. Die Frage, wofür der Schuldner verantwortlich ist, ist jedoch von der Frage, wozu der Schuldner verpflichtet ist, zu trennen. Zur Innehabung eines bestimmten Willens ist der Schuldner nicht verpflichtet. 399 393

So offenbar (für den Arbeitsvertrag) Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 I.2. AcP 135 (1932), 255, 290, vgl. auch dort S. 285 ff.; E. Wolf, AcP 153 (1954), 97, 111 ff.; U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 281 ff.; Lieb, Gutachten, S. 183, 208 f. 395 Ausführlich Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, § 6 m.w.Nachw. 396 Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, § 6 I. 2. a). 397 U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 265 ff. Kritisch Lieb, Gutachten, S. 183, 213. 398 Ebenso bereits Lehmann, Unterlassungspfl icht, 1906, S. 57. Im Ergebnis auch: Dietz/ Wiedemann, JuS 1961, 116, 118. Anders Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. 2, 2. Abteilung, 1.u.2. Aufl., 1901 § 306 II. „Die Diensttreue erscheint in der ältesten deutschen Geschichte im strahlendem Lichte. Sie ist heutzutage am vollkommensten im Militärdienste, wie im Dienste der Beamten ausgeprägt. Die Thaten, den Ruhm und den Glanz seines Lebens faßte Fürst Bismarck in seiner Grabschrift zusammen ‚ein treuer Diener Kaiser Wilhelms I.‘ Eine persönliche Hingebung von gleicher Art kann in privaten Dienstverhältnissen nicht beansprucht werden. Aber ein Abglanz derselben soll der Idee nach hier sich fi nden.“ So auch noch Dernburg/Raape, 4. Aufl., 1915, an gleicher Stelle. Weiter RAG (Urt. v. 5. 10. 1935) ARS 25, 77 ff., Kündigung wegen „unzulänglicher Dienstauffassung“. Anders als hier aber auch E. Wolf, Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 175, Allgemeiner Teil, S. 16: Der Dienstverpfl ichtete schulde ein Bemühen, d. h. Vorsatz. Zu „inneren Tatbeständen“ Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, § 6 I. 2. c) B. 399 Solche Dispositionen können auch nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Leistungspfl icht gemacht werden, vgl. schon Schmarje, Das Verhältnis von Dienstvertrag und Werkvertrag, 1909, S. 10. Dies beruht in der Tat auf „anerkannten Grundsätzen des Obligationenrechts“, wie Schmarje meint; denn als Leistung kann nur etwas versprochen werden, auf das der Schuldner Einfluß nehmen kann. 394

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Auf den fehlenden oder nicht ausreichenden Leistungswillen reagiert die Rechtsordnung empfindlich, weil sich hier die „Nichtanerkennung der Normgeltung“ – des Rechtssatzes pacta sunt servanda - durch den Handelnden offenbart. Die Nichtanerkennung der Normgeltung ist der strafrechtlich relevante Sinnausdruck einer Unrechtshandlung. 400 Entsprechende Pfl ichtverletzungen eines Arbeitnehmers wurden und werden z.T. noch heute401 daher mit dem relativ drastischen Ausdruck „Vertragsbruch“ belegt und wurden bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein mit Strafe, sogar mit Gefängnisstrafe geahndet. 402 Im Zivilrecht bleibt allenfalls bei der Feststellung des Verschuldens und der Rechtswidrigkeit Raum für die Bekräftigung der Normgeltung.

Auch als Instrument zur Bestimmung des Leistungsinhalts sollte der Wille des Dienstverpflichteten nicht herangezogen werden. Ein fehlender oder nicht ausreichender Leistungswille – sollte er tatsächlich unstreitig oder beweisbar sein – mag zwar ein Indiz für eine nicht ordnungsgemäße Leistung sein. Die Leistung kann aber auch trotz eines ausreichenden Leistungswillens mißlingen. Wird der Arbeitnehmer versehentlich von einem Kollegen im Abstellraum eingeschlossen, leistet er nicht ordnungsgemäß, auch wenn sich daraus für ihn keine ungünstigen Rechtsfolgen ergeben.403 Ist der Leistungswille tatsächlich nicht ausreichend vorhanden, gehen Feststellungen in der Art, daß der Dienstverpflichtete die Arbeit „verweigert“ oder er seine Kräfte nicht „ausreichend angespannt“ habe, über die einfache Feststellung einer nicht ordnungsgemäßen Leistung hinaus und lassen den Verschuldensvorwurf zumindest schon anklingen; das gilt selbst für die Aussage, der Dienstverpflichtete habe „nicht sorgfältig“ gearbeitet. Vor allem aber ist ein fehlender oder zu schwacher Leistungswille nicht ausreichend für die Feststellung, der Schuldner habe die Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht. Dafür ist es notwendig, die tatsächlich erbrachte mit der ordnungsgemäßen, geschuldeten Leistung zu vergleichen. Auf die Frage, wie die geschuldete Leistung aussehen soll, gibt der Leistungswille des Schuldners indes keine Antwort. Es ist mithin weiter offen, in welchem Maße der Dienstverpfl ichtete zum Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens verpflichtet ist. (b) Einsatz des Leistungsvermögens und normative Auslegung Ausdrückliche vertragliche Regelungen zum Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens finden sich selten; wenn solche Regelungen existieren, werden sie zumeist die Frage behandeln, ob der Dienstverpfl ichtete im Rahmen seiner Gesamttätigkeit zu bestimmten „Einzel“-Tätigkeiten verpflichtet ist (z. B. Reinigung des Arbeitsmaterials, Rückgabe von Arbeitsunter400

G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 33 ff. Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 33 f. 402 Ausführlich Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 6 ff. 403 Ihn trifft kein Verschuldensvorwurf und sein Lohnanspruch bleibt gem. § 615 bzw. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB unberührt. 401

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

lagen nach Vertragsbeendigung usw.). In bezug auf das Maß des Einsatzes finden sich bisweilen tarifvertragliche Regelungen. Schon Lotmar berichtete, daß die Berliner Steinsetzer durch Tarifvertrag verpfl ichtet wurden, „mit besten Kräften bemüht [zu] sein, bei der Arbeit voll und ganz [ihre] Schuldigkeit zu tun, um eine gute und einwandfreie Arbeit zu liefern.“404 Auch selbständige Dienstverpflichtete versprechen mitunter „. . . eifrige Tätigkeit, Umsicht und Gewissenhaftigkeit nach jeder Richtung hin . . .“.405 Solche Klauseln, insbesondere Appelle an den Leistungswillen des Dienstverpflichteten, können für die Auslegung des Leistungsversprechens herangezogen werden, doch kommt ihnen eher deklaratorischer Charakter zu.406 Wird – meist durch Tarifvertrag – ein konkretes, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erreichendes Arbeitsergebnis verlangt,407 soll daraus zumeist keine Verpflichtung zur Erreichung dieses Ergebnisses begründet werden, denn in diesem Fall lägen keine Arbeits-, sondern Werkverträge vor.408 Soweit ausdrückliche vertragliche Regelungen zum Einsatz des objektivindividuellen Leistungsvermögens nicht bestehen, muß auf die normative oder ergänzende Vertragsauslegung zurückgegriffen werden. Wie oben409 dargelegt, ist dafür auf die im Rechtsgeschäft zum Ausdruck gekommenen Interessen der Vertragsparteien, auf die Verkehrssitte sowie auf den Grundsatz von Treu und Glauben abzustellen. Maßgeblich sind in erster Linie die Interessen der Vertragsparteien. Ganz allgemein betrachtet kollidieren diese Interessen: Der Dienstverpflichtete hat ein Interesse an einer möglichst weit gehenden Konkretisierungsbefugnis. Der Dienstberechtigte ist demgegenüber nur an einer Leistungserbringung, die seinen Zwecken dient, interessiert. Je weiter die Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten ist, desto weniger kann der Dienstberechtigte diese Zweckerreichung beeinflussen. Sein Interesse geht also in Richtung auf eine möglichst umfassende „Steuerung“ der Leistungserbringung – bei und nach Vertragsschluß. Diesen entgegenläufigen Interessen kommt allerdings von Fall zu Fall ein ganz unterschiedliches Gewicht zu. Es soll im folgenden versucht werden, die Parameter zu benennen und einzuordnen, die für die Gewichtung der Interessen von Bedeutung sind. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, daß die Auslegung des Leistungsversprechens nicht unabhängig von der des Weisungsrechts bzw. der entspre404

Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 74 Fn. 1, mit kritischer Stellungnahme. Klausel aus einem Vertrag zwischen Versicherungsunternehmen und selbständigem Versicherungsvertreter, vgl. Hanau/Strick, DB 1998, Beilage 14, S. 1, 7. 406 So auch Rabe, Lohnminderung, S. 45 f. 407 1979 stellte Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 94, fest, daß sich die Tarifvertragsparteien nur zögernd der Aufgabe annähmen, Regelungen über Taktverfahren oder Fließbandgeschwindigkeiten zu treffen. 408 Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 1. b), S. 15 ff. 409 Dazu oben Erster Teil, § 3 II. 3. a), S. 158 ff. 405

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chenden Unterwerfungserklärung erfolgen kann. Aus der Sicht des Gläubigers kann der Einsatz des Leistungsvermögens durch die vertragliche Vereinbarung, aber auch durch ein auf dieser Vereinbarung basierendes Weisungsrecht und seine spätere Aktivierung gesteuert werden. Umgekehrt hängt aus der Sicht des Schuldners der Umfang seiner Konkretisierungsbefugnis von der Schranke der vertraglichen Vereinbarung und von der Schranke des Weisungsrechts ab. Beide Steuerungsmechanismen bzw. beide Schranken können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.410 Sucht man durch Auslegung zu einem dem Geschäftszweck entsprechenden Ausgleich der Interessen zu gelangen, kann dies nur gelingen, indem beide dem Dienstberechtigten zur Seite stehenden Instrumente in die Auslegung miteinbezogen werden. Darauf ist noch unter (cc) näher einzugehen. (aa) Die Interessen des Dienstverpfl ichteten Der Dienstverpflichtete hat ein Interesse daran, bei der Leistungserbringung frei zu sein. Seine Interessen sind immer auf eine möglichst weit gehende Konkretisierungsbefugnis gerichtet. Für andere Vertragsschuldner gilt dies nicht in gleicher Weise. Erhält der Schuldner die Gegenleistung nur für einen bestimmten Erfolg, mag er Steuerungen seines Tuns durch den Gläubiger hinnehmen, wenn sie die Erfolgsherbeiführung unterstützen und damit die Gefahr vermeiden helfen, daß der Schuldner seine Zeit umsonst vertut. Dieser Aspekt hat für den Dienstverpflichteten grundsätzlich kein Gewicht. Er schuldet zwar eine zweckgerichtete Tätigkeit, ob diese Tätigkeit aber mehr oder minder geeignet ist, den Zweck zu erreichen, kann ihm prinzipiell gleichgültig sein. Das Interesse des Schuldners an einer möglichst weitgehenden Konkretisierungsbefugnis verdient im Rahmen der Vertragsauslegung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) besonderen Schutz. Denn in seinem Ursprung resultiert dieses Interesse aus der oben411 beschriebenen partiellen Identität der Leistung und der Person des Leistenden. Da der Dienstverpflichtete seine eigene „Arbeitskraft“ schuldet, gibt er – wesentlich mehr als andere vertragliche Schuldner – teilweise und zeitweise sein Selbstbestimmungsrecht auf. Auch wenn diese Aufgabe eigener Souveränität nicht ohne oder gegen den Willen des Dienstverpflichteten erfolgt, ist sein Bestreben, diese Aufgabe möglichst gering zu halten, anzuerkennen. Das Interesses an einer möglichst weit gehenden Konkretisierungsbefugnis wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt. In die rechtliche Beurteilung können freilich nur die Aspekte miteinbezogen werden, die den Vertragsparteien bekannt sind oder bekannt sein müßten. Von besonderer Bedeutung erscheinen die folgenden Faktoren: 410 411

Dahin gehend auch Wlotzke, RdA 1965, 180, 187. Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (bb), S. 114 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

a) Die Höhe der Gegenleistung, also der Vergütung, die für die Tätigkeit gezahlt wird: Je höher die Vergütung, desto größer können die Beschränkungen sein, die vom Dienstverpflichteten hinzunehmen sind. b) Die Verteilung der unternehmerischen Chancen und Risiken: Ein Dienstverpflichteter, der in dem Vertrag das unternehmerische Risiko (und die unternehmerischen Chancen) 412 auf den Dienstberechtigten verlagert, erlangt selbst eine verhältnismäßig hohe wirtschaftliche Sicherheit. Dafür muß er mehr Souveränitätseinbußen hinnehmen als ein selbständiger Dienstverpfl ichteter. Umgekehrt bedarf ein selbständiger Dienstverpflichteter einer weitgehenden Konkretisierungsbefugnis, um seine eigenen unternehmerischen Risiken und Chancen steuern zu können. Der Blick ist dabei nicht nur auf die unternehmerischen Chancen und Risiken in bezug auf den zu beurteilenden Dienstvertrag zu lenken, sondern auf die unternehmerischen Chancen und Risiken des Dienstverpflichteten auf dem Markt, auf dem er sich bewegt. Der Dienstverpflichtete hat grundsätzlich ein Interesse daran, die Dienste auf eine Art und Weise erbringen zu können, die seine Wettbewerbssituation auf diesem Markt fördert oder ihr jedenfalls nicht abträglich ist. 413

Bei der Gewichtung dieses Aspekts kommt es aber nicht nur auf die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen an. Vielmehr ist das „Fließende“ dieser Grenze zu beachten. Je erfolgsabhängiger der Arbeitsvertrag gestaltet ist, also je mehr werkvertragsähnliche Elemente in einen Arbeitsvertrag miteinbezogen werden (z. B. Prämien),414 desto mehr Gewicht ist dem Interesse des Arbeitnehmers an einem weisungsfreien Eigenbereich in bezug auf die erfolgsbezogenen Tätigkeiten zuzumessen. Die – theoretisch mögliche – Umkehrung dieses Grundsatzes für die Selbständigen scheitert in der Praxis. Zwar sind viele Selbständige „arbeitnehmerähnlich“ tätig, doch übernehmen in diesen Fällen die Dienstberechtigten selten die unternehmerischen Risiken dieser Tätigkeit. g) Der zeitliche Umfang der Tätigkeit: Das Interesse eines Dienstverpflichteten, der sich unbefristet zu einer Vollzeitbeschäftigung verpflichtet, ist grundsätzlich stärker als das eines Dienstverpflichteten, der sich für einen Tag zu einer mehrstündigen Tätigkeit bereit erklärt. Diese Beurteilung ist – im vorliegenden Zusammenhang – ganz unabhängig von der Frage der Arbeitnehmeroder Selbständigeneigenschaft.415 Entscheidend ist allein, daß die Bedeutung 412 Grundlegend hierzu Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 127 ff. m.w.Nachw. Vgl. weiter oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 413 Zu derartigen „nonlegal sanctions“ unten Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (bb) d), S. 194 ff. 414 Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2), S. 52 ff. 415 Da die Vollzeitbeschäftigung für einen einzigen Dienstberechtigen allerdings oft zu einem Verlust der zeitlichen Weisungsfreiheit führt, begründet sie meist die Arbeitnehmerstellung des Dienstverpfl ichteten.

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der Aufgabe des Selbstbestimmungsrechts ganz wesentlich von ihrem zeitlichen Umfang abhängt. Beispiel: 416 Der selbständige Schauspieler verpfl ichtet sich, eine Hauptrolle in einer beliebten Vorabendserie zu übernehmen. Das Ende der Serie ist offen; die Tätigkeit nimmt mehr oder minder die gesamte Arbeitskraft des Schauspielers in Anspruch. Sein Interesse an einem „weisungsfreien Eigenbereich“417 verdient mehr Schutz als das eines selbständigen Schauspielers, der für einen Drehtag eine wichtige Gastrolle in der Serie übernimmt.

d) Die Betroffenheit der Rechtsgüter des Dienstverpfl ichteten durch die Tätigkeit, insbesondere der körperlichen Integrität, des Persönlichkeitsrechts oder der Menschenwürde: Tätigkeiten, die eine Gefahr für den Körper oder die Gesundheit darstellen oder die das Persönlichkeitsrecht oder die Menschenwürde des Dienstverpflichteten berühren, lassen das berechtigte Interesse des Dienstverpflichteten an der Konkretisierungsbefugnis steigen, soweit es um den Schutz der genannten Güter geht. Die Freiwilligkeit der Souveränitätseinbuße läßt sich dem nicht entgegenhalten. Der Satz „volenti non fit iniuria“ unterliegt im Schutzbereich der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG Beschränkungen.418 So ist die Ausübung einer Tätigkeit, mit welcher sich der Dienstverpfl ichtete zum „Objekt“ degradiert, unzulässig, auch wenn die entsprechende vertragliche Verpflichtung „freiwillig“ eingegangen wurde.419 Oben wurde bereits dargelegt,420 daß Weisungen des Dienstberechtigten unzulässig sein können, wenn sie in das Persönlichkeitsrecht oder die Menschenwürde des Dienstverpfl ichteten eingreifen. Im Rahmen der Auslegung des Leistungsversprechens kommt es ebenfalls darauf an, die Konkretisierungsbefugnis in Bereichen zu erhalten, in denen dies die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG verlangen. 416 Beispiel angelehnt an RFH (Urt. v. 16. 4. 1930) RStBl. 1930, 481; RAG (Urt. v. 5. 6. 1929) JW 1930, 471 Nr. 53. Werkvertrag nimmt an BFH (Urt. v. 13. 11. 1962) AP Nr. 4 zu § 611 BGB Film (betr. Synchronsprecher). 417 Schrumpft der „weisungsfreie Eigenbereich“ – insbesondere im Hinblick auf die zeitliche Gestaltung der Tätigkeit – verliert der Schauspieler ggf. den Selbständigenstatus, oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 418 Dazu nunmehr umfassend Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, S. 81 ff., insbesondere S. 103 ff. Ohly selbst wendet sich freilich in der Tendenz gegen „paternalistische Freiheitsmaximierung“ und würde daher auch der Entscheidung einer Person, die sich in die Sklaverei verkauft, soweit sie sich als autonome Entscheidung darstellt, nur in Extremfällen den Respekt versagen, etwa wenn die Entscheidung zum vollständigen Freiheitsverlust führte (S. 106 f.). Allerdings könne „wirtschaftlicher Zwang“ die Entscheidungsfreiheit aufheben (S. 72). 419 Der Staat hat sich schützend vor den Menschen zu stellen, der – in Erwartung einer hohen Vergütung – Souveränitätseinbußen hinnimmt, die ihn zum „Objekt“ des Dienstberechtigten machen, vgl. VG Neustadt (Urt. v. 21. 5. 1992) NVwZ 1993, 98 ff. – sog. Zwergenweitwurf; BVerwG (Urt. v. 30. 1. 1990) BVerwGE 84, 314 ff. – Peepshow; BVerfG (Beschl. v. 16. 5. 1990) GewArch 1990, 275 – Peepshow. 420 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 128 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Eine Beschränkung der Konkretisierungsbefugnis erscheint daher immer unzulässig, wenn für diese Beschränkung überhaupt kein Interesse des Dienstberechtigten im Hinblick auf den konkreten, vom Dienstberechtigten mit der Leistung verfolgten Zweck erkennbar ist. Dies wurde schon für die Auslegung des Begriffs der Billigkeit in § 106 S. 1 GewO gefordert. 421 Grundlose oder Beschränkungen, mit denen der Dienstberechtigte „private“ Interessen verfolgt, sind aber auch gegenüber selbständigen Dienstverpfl ichteten unzulässig.

Andere Rechtsgüter, die durch die Tätigkeit gefährdet sein könnten, sind z. B. die Eigentums- und Vermögensrechte des Dienstverpfl ichteten, z. B. in den Fällen, in denen der Dienstverpflichtete die Tätigkeit durch von ihm selbst gestellte Arbeitsmittel verrichten soll. (bb) Die Interessen des Dienstberechtigten Der Abschluß eines Dienstvertrages stellt für den Gläubiger ein verhältnismäßig großes Risiko dar. Jede Leistung soll einem bestimmten Zweck dienen. Der Dienstverpflichtete verspricht zwar, in diese Richtung tätig zu werden – mehr aber nicht. Der Dienstberechtigte hat daher ein berechtigtes Interesse daran, daß das Leistungsversprechen einen bestimmten „Leistungsstandard“ umfaßt, welchen er durch Steuerung in Richtung auf die von ihm anvisierten Ziele hin lenken kann. Die Bedeutung dieses Interesses hängt ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab: a) Die wirtschaftliche oder affektive Bedeutung des mit der Leistung verfolgten Zwecks für den Dienstberechtigten: Für einen Dienstberechtigten, der nach Australien auswandern möchte und hierfür einen Sprachtest ohne Wiederholungsmöglichkeit bestehen muß, hat die Leistung des privaten Englischlehrers eine höhere Bedeutung als für den Dienstberechtigten, der die Sprache aus reinem Vergnügen lernt. Für den Auswanderungswilligen ist daher eine bestimmte Art und Weise der Leistungserbringung wichtiger als dem lediglich Sprachbegeisterten. Diese Abwägung kann nicht ohne eine Bewertung des verfolgten Zwecks erfolgen, und diese Bewertung mag im Einzelfall schwierig sein. Zu beachten ist, daß nur die Umstände und Motive in die Abwägung mit einbezogen werden können, die auch dem Dienstverpflichteten bekannt sind oder bekannt sein müßten. b) Die wirtschaftliche oder affektive Bedeutung des Leistungssubstrats für den Dienstberechtigten: Wie bereits beschrieben, sind bei Dienstverträgen regelmäßig die Person des Gläubigers oder auf seiner „Seite“ stehende Personen oder Sachen Substrat der Leistung. Es mag sein, daß der Zweck, den der Dienstberechtigte mit der Leistung verfolgt, sich unmittelbar an dem Substrat realisieren soll (z. B. Arzt soll den Dienstberechtigten heilen); es mag aber auch sein, daß der eigentlich verfolgte Zweck nur mittelbar über das Substrat zu er421

Oben Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 127 ff.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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reichen ist (z. B. Hundetrainer soll Hund des Dienstberechtigten zum Bewachen von dessen Haus abrichten). In beiden Fällen kommt der Dienstverpfl ichtete eng mit dem Leistungssubstrat in Berührung, und dieses Leistungssubstrat hat für den Dienstberechtigten in der Regel einen wirtschaftlichen Wert oder bzw. und eine affektive Bedeutung. Je höher diese Bedeutung ist, desto mehr muß die Art und Weise der Leistungserbringung zugunsten des Dienstberechtigten festliegen. g) Für die Gegenleistung gilt das unter (aa) a) und b) für die Schuldnerinteressen Gesagte entsprechend: Ein Dienstberechtiger, der eine hohe Vergütung zahlt oder dem Dienstverpflichteten eine relativ hohe wirtschaftliche Sicherheit zusagt, wie etwa ein Arbeitgeber, hat ein stärkeres berechtigtes Interesse an einer bestimmten Art und Weise bzw. an der eigenen Bestimmung dieser Art und Weise der Leistungserbringung als der Dienstberechtigte, der eine niedrige Vergütung zahlt oder dem Dienstverpflichteten die unternehmerischen Risiken (und Chancen) beläßt. (cc) Kompetenzgefälle und Schutz der Interessen Die gerade beschriebenen Interessen der Dienstvertragsparteien sind für die Steuerung des Einsatzes der Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aber auch für die spätere Steuerung durch die Ausübung des auf dem Vertrag beruhenden Weisungsrechts relevant. An dieser Stelle ist das Augenmerk weniger auf das Weisungsrecht bzw. die vertragliche Unterwerfungserklärung als auf den vertraglich geschuldeten Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens zu richten. Bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarung müssen indes – wie bereits eingangs ausgeführt422 – beide Aspekte gemeinsam betrachtet werden, da der Konkretisierungsbefugnis durch beide Instrumente Schranken gesetzt werden bzw. die Interessen des Gläubigers durch beide Instrumente realisiert werden können. Sowohl die vertragliche Unterwerfungserklärung als auch das vertragliche geschuldete Maß des einzusetzenden Leistungsvermögens bedürfen der Auslegung. Beide Instrumente sind in ihrem Zusammenspiel gegen die Interessen des Dienstberechtigten abzuwägen. Dieses Zusammenspiel ist kein beliebiges. Es ist vielmehr in aller Regel durch einen entscheidenden Faktor vorgeprägt: dem Kompetenzgefälle zwischen den Vertragsparteien. Gemeint ist nicht die Kompetenz für Tätigkeiten der geschuldeten Art im allgemeinen, sondern die Kompetenz zur Steuerung der Leistungserbringung im Hinblick auf den konkreten, vom Dienstberechtigten mit der Leistung verfolgten Zweck. Diese Kompetenz liegt bei selbständigen Dienstverträgen typischerweise beim Dienstverpfl ichteten, bei unselbständigen Dienstverträgen typischerweise beim Dienstberechtigten. Zwin-

422

Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b), S. 173 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

gend ist dies jedoch keinesfalls, man denke nur an den selbständigen Versicherungsvertreter423 oder den unselbständigen Chefarzt. 424 Das Kompetenzgefälle beruht zumeist auf einem unterschiedlichen Wissens- oder Informationsstandard der Vertragsparteien. Es kann aber auch anders sein. Die Kompetenz zur Steuerung der Leistungserbringung kann dem fachlich ebenbürtigen oder überlegenen Dienstberechtigten auch deshalb abgehen, weil er die Leistungserbringung nicht kontrollieren kann, z. B. wenn der Naturforscher Hilfskräfte auf eine Suche in entlegene Gebiete schickt und er der Expedition weder persönlich noch über technische Hilfsmittel beiwohnen kann. Dies sind jedoch Ausnahmefälle.

Ein Kompetenzgefälle in diesem Sinne besteht auch, wenn der Dienstberechtigte zwar an sich über die Kompetenz verfügt, sie aber – z. B. aus Zeitmangel – für den Dienstverpflichteten erkennbar nicht einsetzen will, etwa wenn ein Jurist in einen Rechtsstreit verwickelt ist und er getreu dem Grundsatz nemo iudex in propria causa einen Kollegen mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Liegt die ganz überwiegende Kompetenz beim Dienstverpflichteten, sind die Möglichkeiten des Dienstberechtigten, die Leistungserbringung durch Weisungen zu steuern, begrenzt. Oft verbleibt als einzige Steuerungsmöglichkeit die Entscheidung über die Fortführung oder den Abbruch der Leistungserbringung. Auch diese Entscheidung kann der Dienstberechtigte aber nur aufgrund einer Information über die Chancen der Zweckerreichung treffen, und diese Information wird in aller Regel durch den Dienstverpfl ichtete erfolgen. Mit anderen Worten: Hat der Dienstberechtigte den Vertrag einmal geschlossen, ist es in weitem Umfang der Dienstverpfl ichtete, der die Leistungserbringung steuert. Den Interessen des Dienstberechtigten kann also nur durch eine rechtliche „Sicherung“ eines gewissen Standards des vertraglich geschuldeten Einsatzes der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen werden. Liegt die Kompetenz hingegen beim Dienstberechtigten, verbietet sich eine derartige „Sicherung“ des Leistungsstandards zumeist. Der Dienstberechtigte hat nicht nur die Möglichkeit, die Leistungserbringung durch Weisungen zu steuern; vielfach besteht auch die Notwendigkeit einer solchen – permanenten – Steuerung für das Erreichen der mit der Tätigkeit angestrebten Zwecke. Typisches Beispiel ist der Arbeitsvertrag. Selbst in den Fällen, in denen der einzelne Arbeitnehmer für die konkrete, von ihm auszuführende Tätigkeit eine besondere Kompetenz innehat, bedarf seine Tätigkeit der dauernden Steuerung, da nur durch die sinnvolle Einfügung in die betrieblichen Gesamtabläufe die vom Dienstberechtigten verfolgten wirtschaftlichen Zwecke erreicht werden können. Schon die faktische Notwendigkeit einer relativ weit gehenden Weisungsunterworfenheit bringt es also mit sich, daß in diesen Fällen durch das 423

Vgl. nur BAG (Urt. v. 15. 7. 1961) DB 1961, 1200; BAG (Urt. v. 20. 8. 2003) NZA 2004,

39 f. 424 Vgl. nur BAG (Urt. v. 27. 7.1961) AP Nr. 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; BAG (Urt. v. 28. 5. 1997) AP Nr. 36 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag.

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Instrument der Weisung die Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten stark beschränkt ist. Aus diesem Grunde ist bei jeder weiteren Beschränkung Vorsicht geboten. Fordert man neben einer solchen Weisungsunterworfenheit einen besonders hohen Einsatz des objektiv-individuellen Einsatzvermögens, drohen die berechtigten Interessen des Dienstverpflichteten zu stark zurückgedrängt zu werden. Hält man hingegen den Arbeitnehmer nur zur Arbeitsbereitschaft, also zur Bereithaltung seines objektiv-individuellen Arbeitsvermögens, für verpflichtet,425 werden die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu stark vernachlässigt. Der Begriff „Sicherung“ des vertraglich geschuldeten Einsatzes der objektiv-individuellen Leistungsfähigkeit könnte Mißverständnisse hervorrufen. Damit soll nicht gesagt sein, daß etwa ein selbständiger Dienstverpflichteter per se aufgrund seiner überwiegenden Kompetenz einen höheren Einsatz seines Leistungsvermögens schuldet als z. B. ein Arbeitnehmer. Der niedergelassene Arzt, der eine mikroskopische Untersuchung für einen Patienten durchführt, schuldet keine höheren Einsatz als ein Arzt, der die gleiche Untersuchung für das Labor durchführt, bei welchem er als Arbeitnehmer beschäftigt ist. Derartigen Differenzierungsversuchen, wie sie teilweise in der Literatur vorgeschlagen werden, ist zu widersprechen. So wird vertreten, daß die Leistung eines Arbeitnehmers mehr an einer Durchschnittsleistung orientiert sei, während bei freien Diensten ein subjektiv-optimaler Maßstab an die geschuldete Leistungserbringung anzulegen sei.426 Eine solche Bildung von unterschiedlichen Gruppen von Dienstverpflichteten, die Etablierung unterschiedlicher Leistungsstandards und die Zuweisung dieser Standards zu diesen Gruppen ist nicht erkenntnisfördernd. Entscheidend ist allein die konkrete vertragliche Vereinbarung im Einzelfall und das dahinterstehende Interessengefüge der jeweiligen Vertragspar425 Dahin gehend Hans.OLG (Urt. v. 12. 11. 1920) NZfA 1921, 167; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 42 I. 2.; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), S. 93, 105; v. Stebut, RdA 1985, 66, 69 f. Dagegen vgl. schon Protokolle I, S. 2265, zit. nach: Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse II, §§ 433 bis 651 BGB, S. 769; Motive, Bd. 2, S. 461 f. Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 42; MünchArb/Blomeyer § 48 Rn. 4; Staudinger/Richardi (2005) § 615 Rn. 6, 23; Bruns, AcP 178 (1978), 34, 39 f.; Oetker/Maultzsch, § 7 D I.; RGRK/Schliemann § 611 BGB Rn. 1344; Ricken, NZA 1999, 236, 240 f. Vgl. auch bereits oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (aa), S. 25 f. 426 So Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 403 f., der vertritt, daß selbständige Dienstverpfl ichtete, insbesondere die Angehörigen der Freien Berufe, einen höheren Leistungsstandard schulden als Arbeitnehmer. Die Forderung nach einem höheren Leistungsstandard begründet Leßmann damit, daß es den „Leistungserwartungen des Dienstberechtigten und den heutigen gesteigerten spezialisierten Berufsstandards“, entspreche, daß der selbständige Dienstverpfl ichtete „möglichst hochwertige Leistungen erbringe.“ Die „Leistungserwartungen“ sind jedoch nur wegen des in Anspruch genommenen Vertrauens schutzwürdig (dazu sogleich im Text). Und eine zunehmende Spezialisierung ist keine Neuerscheinung unserer Zeit. Wer als Spezialist auftritt, muß die Leistung eines Spezialisten bieten. Mit dem abstrakten Maß des geschuldeten Leistungsstandards hat dies nichts zu tun.

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teien. Bei Vorliegen eines Kompetenzgefälles zu Lasten des Dienstberechtigten müssen im Rahmen der Vertragsauslegung die Interessen des Dienstberechtigten durch eine entsprechende Bestimmung des Leistungsinhalts gewahrt werden. Man mag an dieser Stelle auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) zurückgreifen. Entscheidend ist der Gesichtspunkt des Vertrauens427: Der Dienstberechtigte muß aufgrund seiner strukturellen „professionellen Unterlegenheit“428 und seiner Angewiesenheit429 auf die Leistung dem Dienstverpflichteten vertrauen, und umgekehrt nimmt der Dienstverpfl ichtete eben dieses Vertrauen bei Vertragsschluß in Anspruch.430 Damit verpflichtet er sich, seine objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit in einem ganz bestimmten Umfang einzusetzen, beispielweise muß die Behandlung durch einen Arzt nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zur Zeit der Behandlung erfolgen.431 Im Rahmen der Vertragsauslegung kann dem Dienstberechtigten seine Unkenntnis über den exakten Umfang des Schuldinhalts nicht zum Nachteil gereichen. Es ist daher mehr Raum für ergänzende Vertragsauslegung. Diese Zusammenhänge sollen beispielhaft anhand einer Frage verdeutlicht werden, auf welche das Schrifttum unterschiedliche und die Rechtsprechung ausweichende Antworten gibt. Eine „professionelle Unterlegenheit“ des Dienstberechtigten ist insbesondere für die mit Angehörigen der Freien Berufe 427 Dabei geht es nicht um das „persönliche“ Vertrauen, sondern um die Redlichkeitserwartungen im Rechtsverkehr, das sog. „generalisierte“ Vertrauen, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 432 f. m.w.Nachw. Ähnlich bereits Loewenfeld, Gutachten im Auftrage der deutschen Anwaltschaft, 1890, S. 858, 896. Vgl. zum Vorschuldensvorwurf entsprechend Katzenmeier, Arzthaftung, S. 161 ff. m.w.Nachw. 428 Begriff in Anlehnung an Hopt, AcP 183 (1983), 608, 656. Ökonomisch betrachtet besteht seine Leistung in der Überwindung von Informationsasymmetrien, Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 16. Kapitel, 6.5.1. 429 Grunewald, AcP 182 (1982), 181, 194 ff.; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 656; Soergel/Wiedemann Vor § 275 Rn. 447 („Betreuungscharakter“). 430 Lieb, Gutachten, S. 183, 209, 211; Grunewald, JZ 1982, 627, 630; ähnlich auch Schiemann, JuS 1983, 649, 656; Kramer, MDR 1998, 324, 325; Hübner, NJW 1989, 5, 8; Taupitz, MDR 1989, 385, 386 f. m.w.Nachw.; ders., Standesrecht, S. 1313 ff. m.w.Nachw. Vgl. auch bereits Loewenfeld, Gutachten im Auftrage der deutschen Anwaltschaft, 1890, S. 858, 896; Molitor, Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S. 44 f. Zum Verschuldensvorwurf allgemein entsprechend: Hans Stoll, FS Flume I, S. 741, 746 ff.; MünchKomm/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 86; Hopt, FS R. Fischer, S. 237, 251 ff. Auch den Grenzen Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641 ff. m. w.Nachw. Allgemein und grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff.; Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 91, 119 ff. Zu den ökonomischen Grundlagen Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 16. Kapitel, 6. 431 BGH (Urt. v. 12. 7. 1994) NJW 1994, 3008 f.; BGH (Urt. v. 26. 11. 1991) NJW 1992, 745 f.; BGH (Urt. v. 30. 5. 1989) NJW 1989, 2321 f.; OLG Hamm (Urt. v. 27. 1. 1999) NJW 2000, 1801 f. Zum Verschuldensvorwurf Katzenmeier, Arzthaftung, S. 163 ff., 186 ff., und auch zu den Grenzen S. 167 ff. Vgl. zum ebenfalls geschuldeten „Facharztstandard“, z. B. bei Operationen, Katzenmeier, ebenda, S. 279 ff., sowie oben Fn. 359. In diesem Sinne kann man von „generalisierten Leistungsstandards“ für bestimmte Berufsgruppen sprechen, vgl. Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. I.

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geschlossenen Dienstverträge typisch. Für diese Berufsgruppe gilt sog. Standesrecht. Der Begriff Standesrecht wird hier im Anschluß an die Literatur432 formal verstanden als die Summe aller Normen, die von den berufsständischen Vereinigungen aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigungen erlassen worden sind.433 So könnten beispielsweise die Pflicht des Rechtsanwalts zur Unterrichtung seines Mandanten aus § 11 BORA434 oder die Pflicht des Arztes zur Dokumentation und Gewährung von Einsicht in Patientenunterlagen entsprechend § 10 Abs. 1 bis 3 MBO-Ä435 den Inhalt der geschuldeten Dienste mitbestimmen. Jeder Angehörige der Freien Berufe hat die objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit, die ihn treffenden standesrechtlichen Pfl ichten einzuhalten. Die Frage ist nur, ob er dem Dienstverpflichteten gegenüber den Einsatz dieser Fähigkeiten schuldet. In Literatur und Rechtsprechung wird eine Wirkung von standesrechtlichen Regelungen auf den Schuldinhalt zum Teil verneint,436 zum Teil wird sie bejaht.437 432

Taupitz, Standesordnungen, S. 155 ff., 193 f.; Bomba, Verfassungsmäßigkeit, S. 70. Auf die wichtiger werdende Frage, ob auch von internationalen, insbesondere europäischen Organisationen angenommene Regelungen (vgl. z. B. den „Code of Conduct for Lawyers in the European Union“ des „Council of the Bars and Law Societies of the European Union, CCBE“ vom 28. 10. 1988 i.d.F. vom 6. 12. 2002) zum Standesrecht gehören, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu § 29 BORA sowie Henssler/Prütting/Federle/ Fried, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 29 BORA Rn. 6 ff. und Kommentierung der CCBE; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 320 ff. 434 Oben § 2 Fn. 137. 435 Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte von 1997 i.d.F. der Beschlüsse des 106. Deutschen Ärztetages 2003. § 10 Abs. 1 bis 3 lautet: „ (1) Der Arzt hat über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen Aufzeichnungen zu machen. Diese sind nicht nur Gedächtnisstützen für den Arzt, sie dienen auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation. (2) Der Arzt hat dem Patienten auf dessen Verlangen grundsätzlich in die ihn betreffenden Krankenunterlagen Einsicht zu gewähren; . . . (3) Ärztliche Aufzeichnungen sind für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluß der Behandlung aufzubewahren, . . .“. Die Musterberufsordnung entfaltet keine Rechtwirkung. Diese kommt nur den von den jeweiligen Ärztekammern als Satzung beschlossenen Berufsordnungen zu, wenn diese durch die Aufsichtsbehörde genehmigt wurden. So entspricht der genannte § 10 der MBO-Ä z. B. § 10 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14. 11. 1998 i.d.F. vom 22. 3. 2003, Ministerialblatt für das Land NRW 2003, 789. 436 AG Ludwigsburg (Urt. v. 12. 6. 1974) NJW 1974, 1431 f.; Steindorff, Freie Berufe, S. 15 f.; Hanna, Anwaltliches Standesrecht, S. 22 bis 49 (bezüglich den Mandanten benachteiligende Regelungen); Henssler/Prütting/Eylmann, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43 Rn. 3; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, Rn. 40; Lilie, Ärztliche Dokumentation und Informationsrechte des Patienten, S. 141. 437 Die weiter gehende Frage, ob das Standesrecht unmittelbar oder nur mittelbar über die Parteivereinbarung die vertraglichen Pfl ichten des Dienstverpfl ichteten mitbestimmt (dazu oben sogleich), wird dabei teilweise offengelassen. So: BGH (Urt. v. 6. 11. 1962) NJW 1963, 389; OLG Koblenz (Urt. v. 14. 3. 2000) MDR 2000, 1401; OLG Stuttgart (Urt. v. 21. 10. 1958) NJW 1958, 2120. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in jüngerer Zeit die Pfl ichten eines Anwalts aus einem Mandatsvertrag aus § 1 Abs. 3 BORA hergeleitet, BVerfG (Urt. v. 14. 12. 1999) BVerfGE 101, 312, 330 (unter II.5.c)). Vgl. weiter Taupitz, Standesordnungen, S. 1299 ff. 433

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

Den verneinenden Stimmen ist zunächst zuzugeben, daß die Berufsordnungen als von den jeweiligen Kammern erlassene Satzungen nur für die jeweiligen Kammermitglieder unmittelbar Rechte und Pflichten begründen können.438 Die Kammermitglieder verpflichten sich zur Erreichung bestimmter Leistungsstandards und damit zur Erreichung bestimmter ideeller und wirtschaftlicher Ziele lediglich untereinander. Aus diesem Grunde haben die Berufsordnungen keine direkte Wirkung auf den Inhalt der dienstvertraglichen Verpflichtung, wie sie allgemeinen Gesetzen zukommt. Die Vertragsparteien können aber vereinbaren, daß eine Berufsordnung oder Teile einer Berufsordnung Inhalt des Dienstvertrages werden. Da es zu einer ausdrücklichen Absprache so gut wie nie kommen wird, sind die Möglichkeiten einer konkludenten Einbeziehung und der ergänzenden Vertragsauslegung zu prüfen.439 Beide Wege führen in der Regel zu demselben Ergebnis. Zwar werden viele Dienstberechtigte von der Existenz standesrechtlicher Regelungen keine oder nur eine sehr vage Vorstellung haben. Darauf kommt es indes nicht an. Entscheidend ist das Verhalten bzw. das Auftreten des (späteren) Dienstverpfl ichteten bei Vertragsschluß. Regelmäßig wird der Dienstverpfl ichtete durch sein Auftreten als Angehöriger eines freien Berufsstands bei seinem Vertragspartner den Eindruck erwecken, er werde sich an alle für diesen Berufsstand geltenden Regelungen halten, inklusive der Regelungen, die für eine weiter gehende Spezialisierung gelten, auf die sich der Dienstverpfl ichtete beruft.440 Er wird m.a.W. ein entsprechendes Vertrauen441 des Dienstberechtigten in Anspruch nehmen. Die Regelungen der Berufsordnungen, welche den Leistungsinhalt gegenüber dem Dienstberechtigten betreffen, werden auf diese Weise regelmäßig Teil der dienstvertraglichen Verpfl ichtung.442

(nur mittelbare Wirkung); ders., MDR 1989, 385, 386; Köndgen, Selbstbindung, S. 216 ff. (nur mittelbare Wirkung durch Selbstbindung); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 171; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 14, 320 ff. (nur mittelbare Wirkung); Brügmann, NJW 1977, 1473, 1474; Schiemann, JuS 1983, 649, 656. Stark einschränkend Henssler/Prütting/Henssler, Bundesrechtsanwaltsordnung, Einl. BORA Rn. 9 ff. Vgl. auch BGH (Urt. v. 22. 1. 1986) NJW 1986, 2360 (betr. § 134 BGB). 438 Henssler/Prütting/Henssler, Bundesrechtsanwaltsordnung, Einl. BORA Rn. 9; umfassend Taupitz, Standesordnungen, S. 1253 ff., 1300. Auf die von Taupitz hervorgehobene Zuordnung der Berufsordnungen zum öffentlichen Recht im Gegensatz zum zivilrechtlichen Vertragsrecht kommt es indes nicht an. 439 Dazu Taupitz, Standesordnungen, S. 1303 ff. m.w.Nachw. 440 Bezogen auf die üblichen „Schwerpunktangaben“ von Rechtsanwälten: Henssler, JZ 1994, 178, 183. 441 Zur „Krise des Vertrauens“ in Dienstleistungsberufe allerdings Köndgen, Selbstbindung, S. 206 ff.; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641 ff.; vgl. auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 71 ff. 442 Dazu, daß auf diese Weise der Verpfl ichtung des Dienstverpfl ichteten auch Grenzen gesetzt werden, Taupitz, Standesordnungen, S. 1309 ff.

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Die Einbeziehung derartiger Regelungen aus Berufsordnungen wurde durch die Schaffung bzw. Änderung der §§ 2, 6 S. 1 TDG443 noch verstärkt. Nach § 6 S. 1 Nr. 5 c) TDG sind die Anbieter von sog. Telediensten u. a. verpfl ichtet, ihre „berufsrechtlichen Regelungen“ und den Zugang zu diesen Regelungen erkennbar und erreichbar zu machen. Der Begriff „Teledienste“ wird in § 2 Abs. 1 und 2 TDG weit definiert. Nach bislang herrschendem Verständnis fällt ein Anbieter von Dienstleistungen schon in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn er eine Internetpräsenz hat, die den Abruf von Daten durch einen Nutzer ermöglicht. 444 So träfe beispielsweise Rechtsanwälte mit einer „homepage“ im Internet die Pfl icht, auf die BORA zu verweisen. 445 Der Dienstanbieter ist dabei verpfl ichtet, auf eine „öffentlich zugängliche Sammlung, auch in elektronischer Form“, 446 hinzuweisen, in welcher die Berufsordnung abgedruckt ist. Dies geschieht in der Praxis durch einen sog. „link“ auf eine Internetseite, auf der die Regelung angezeigt wird. Die beschriebene Gesetzeslage führt dazu, daß Angehörige von Freien Berufen, die im Internet auftreten, gezwungen werden, ihre Berufsordnung quasi „elektronisch auszuhängen“. War die Berufsordnung vor der Gesetzesänderung in der Praxis ein Internum unter den Kammerangehörigen, treten diese nunmehr mit der Berufsordnung nach außen und nehmen damit das Vertrauen der an einem Vertragsschluß Interessierten, an der Einhaltung der dort genannten Pfl ichten, in besonderem Maße in Anspruch. Für diese „intentionale geschäftsbezogene Selbstdarstellung“447 ist der möglicherweise entgegenstehende innere Wille der Dienstanbieter gleichgültig. Von dieser Wirkung des Gesetzes sind reflexartig selbst die Dienstanbieter betroffen, die selbst keine Internetpräsenz haben.

(dd) Ergebnis zu (b) Die Ausführungen zur Bestimmung des geschuldeten Einsatzes der objektivindividuellen Leistungsfähigkeit des Dienstverpflichteten können für die normative Auslegung eines Dienstvertrages im konkreten Einzelfall nur Anhaltspunkte liefern. Abstrakten Begriffen wie der Interessenlage der Vertragspar443 Gesetz über die Nutzung von Telediensten vom 22. 7. 1997, BGBl. I 1997 S. 1870, geändert durch Gesetz vom 14. 12. 2001, BGBl. I S. 3721. § 6 S. 1 TDG lautet auszugsweise: „Dienstleistungsanbieter haben für geschäftsmäßige Teledienste mindestens folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten: 1. den Namen und die Anschrift . . . 5. soweit der Teledienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von Art. 1 d) der Richtlinie 89/48/EWG des Rates v. 21. 12. 1988 über Hochschuldiplome, die eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung abschließen (Abl. EG Nr. L 19 S. 16), . . . , angeboten oder erbracht wird, Angaben über a) die Kammer, welcher die Dienstanbieter angehören, . . . c) die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind, . . .“. 444 Allgemein Bomba, Verfassungsmäßigkeit, S. 114 ff.; Stickelbrock, GRUR 2004, 111, 112; Woitke, NJW 2003, 871, 872. Für Rechtsanwälte: Giwer, BRAKMagazin 2002, 9; H. Schneider, MDR 2002, 1236 ff. Diese Auslegung des § 2 Abs. 1 und 2 TDG ist indes keineswegs zwingend. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes erscheint eine Begrenzung auf Dienstanbieter, die eine Rechtsberatung über das Internet usw. anbieten, angezeigt, wie z. B. im Fall LG Hamburg (Urt. v. 28. 11. 2000) NJW-RR 2001, 1075 f. 445 So die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/6098, S. 22. 446 BT-Drucks. 14/6098, S. 21. 447 Treffend für berufsständisch garantierte, professionelle Standards Köndgen, Selbstbindung, S. 178 und ff. Zu den Grenzen Hopt, AcP 183 (1983), 608, 648 ff.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

teien und dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann nur der reale, zu entscheidende Fall Leben einhauchen. Die Ausführungen zur Interessenlage können als „komparative Sätze“448 nur Auslegungshilfe sein. Das Gesamtbild läßt sich wie folgt zeichnen: Die Positionen von Dienstberechtigtem und Dienstverpflichtetem stehen einander konträr gegenüber; die Stärke jeder Position hängt von dem Gewicht der jeweiligen Interessen ab. Zur Stärkung der Position des Dienstberechtigten stehen zwei unterschiedliche Instrumente zu Verfügung, das Leistungsbestimmungsrecht und der Leistungsstandard. Wird durch die Auslegung das eine gestärkt, muß das andere zurücktreten, soll nicht die Position des Dienstverpflichteten, dessen Interesse auf eine möglichst weitgehende Leistungskonkretisierungsbefugnis gerichtet ist, zu sehr geschwächt werden. Der Versuch, ein „Bild darüber, wie sich die einzelnen Gründe in ihrer Bedeutung und Reichweite zueinander verhalten“449, zu zeichnen, kann nur in ein „bewegliches System“ im Sinne Wilburgs führen.450 Für die tägliche Praxis der Rechtsanwendung ist ein solches System weniger tauglich. Nicht aus Gründen der „Faszination“ für „abstrakt-begriffliche Systeme“451, sondern in dem Bemühen, die Rechtsanwendung durch eine griffige „Durchschnittsregel“452 zu erleichtern, soll im folgenden für den geschuldeten Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens ein konkretes Auslegungskriterium vorgeschlagen werden. (c) Die Üblichkeit als Auslegungskriterium (aa) Anwendungsbereich Dieses Kriterium soll das unter (b) beschriebene „bewegliche Zusammenspiel“ der Interessen möglichst genau abbilden und trotzdem der Subsumption zugänglich sein. Dieser Anforderung erscheint das Kriterium der „Üblichkeit“ am besten gewachsen.453,454 Der Dienstverpflichtete würde den üblichen Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens schulden. Der Arbeit448 Vgl. Otte, Komparative Sätze im Recht, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 2 (1972), S. 301 ff. 449 Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, 1941, S. 27; Wilburg, Entwicklung, S. 5 „Ergebnis einer Kräftewirkung“. 450 Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, S. 101 „bleibt dem Richter weiter Raum für das Ermessen“; Wilburg, Entwicklung, S. 22. 451 Kritisch insoweit Larenz, Methodenlehre, Kapitel 6, 1. a), S. 439. 452 Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, 1941, S. 102. 453 Das BGB verwendet vielfach den dem Begriff „üblich“ verwandten Begriff „gewöhnlich“ (vgl. nur die §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 651c Abs. 1 BGB), und zwar in ähnlichem, aber nicht identischen Zusammenhang. Um diese Unterschiede nicht zu verwischen, aber auch weil das Substantiv „Gewöhnlichkeit“ eine pejorative Bedeutung hat, wird auf diesen Begriff hier nicht zurückgegriffen. 454 Auf die Üblichkeit stellt auch ab Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 217 ff., 254 ff., die sich für die „Übertragung des Rechtsgedankens“ aus §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 S. 1, 633 Abs. 2 BGB

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nehmer schuldete, wollte man die Formulierung des BAG möglichst weit gehend beibehalten, die übliche Anspannung seiner objektiv-individuellen Kräfte und Fähigkeiten.455 Die vorstehenden Ausführungen haben indes gezeigt, daß eine derartig pauschale Verwendung des Kriteriums der „Üblichkeit“ weder nach der lex lata zulässig noch der Vielfalt dienstvertraglicher Vereinbarungen angemessen wäre. Wie dargelegt, haben sich die Verfasser des BGB an mehreren Stellen gegen eine „allgemeine Regelung“ des dienstvertraglichen Schuldinhalts ausgesprochen und die „Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit aller in Betracht kommenden Fälle“456 betont.457 In dieser Einschätzung kann ihnen nach der Darstellung der variablen Interessenlagen (oben (b)) nur zugestimmt werden. Schon dieser Umstand schließt die Annahme einer sog. nachträglichen Gesetzeslücke458 aus. Ihrer Entstehung widerspricht aber auch der Umstand, daß der Gesetzgeber unlängst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz für zahlreiche Vertragstypen den Schuldinhalt durch das Kriterium der „Üblichkeit“ konkretisiert hat. So schulden459 Verkäufer und Werkunternehmer – mangels anderweitiger Vereinbarung – eine Leistung, die sich „für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei“ Sachen bzw. Werken „der gleichen Art üblich ist und die“ der Gläubiger „nach der Art“ der Sache bzw. des Werkes „erwarten kann“.460 Auf eine entsprechende Konkretisierung des Schuldinhalts des Dienstverpflichteten hat der Gesetzgeber verzichtet.461 Dies und die Tatsache, daß der Gesetzgeber aber an anderen Stellen Änderungen im Dienstvertragsrecht vorgenommen hat, spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Welches Gewicht man dem gesetzgeberischen Willen auch immer zubilligen mag462 – mit der Nichtregelung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz entschied sich der Gesetzgeber an dieser Stelle wie circa hundert Jahre zuvor für eine Zurückhaltung, die im Grundsatz Beifall verdient. Der pauschalen Verwendung des Kriteriums der Üblichkeit oder auch eines anderen Kriteriums für den geschuldeten Einsatz des Leistungsvermögens wiausspricht und einen weitgehend objektiven Leistungsstandard mit Abweichungen um grundsätzlich 10% fordert. 455 Vgl. oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff. 456 Motive, Bd. 2, S. 458. 457 Vgl. oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (1) (a) und § 2 II. 1. b) (2) (a) (bb) a), S. 134 ff. und S. 29 ff. 458 Zum Begriff oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (1) (c) (aa), S. 139. 459 Das Gesetz definiert freilich nicht ausdrücklich den Schuldinhalt, dazu unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (b), S. 224. 460 Hervorhebungen d. Verf. 461 Einen entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag, der inhaltlich allerdings auf die Sorgfalt und die anerkannten Berufsstandards abstellt, hatte Lieb, Gutachten, S. 183, 219 (Entwurf § 614 Abs. 1 BGB), gemacht. 462 Zum Willen des Gesetzgebers als Auslegungskriterium vgl. unten § 4 Fn. 298.

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derspricht vor allem, daß das Interessengleichgewicht zwischen den Vertragsparteien für den Dienstberechtigten nicht nur über den geschuldeten Leistungseinsatz, sondern auch über den Umfang des Weisungsrechts realisiert wird. Fixierte man den ersten Parameter, müßte sich die Auslegung des zweiten Parameters zwangsläufig an diesem Fixum orientieren, wenn man das Gesamtgleichwicht der Interessen erhalten will. Umgekehrt hat aber der Gesetzgeber für den Umfang des Weisungsrechts – genau genommen für die Auslegung der Unterwerfungserklärung – in den § 315 Abs. 1 BGB und § 106 Abs. 1 GewO durch die Einfügung des (disponiblen) Kriteriums der Billigkeit bereits eine Festlegung getroffen.463 Dabei hat er – zu Recht – ein Kriterium gewählt, dessen Flexibilität eine Erhaltung des Gesamtgleichgewichts leicht ermöglicht. Das Kriterium der Üblichkeit kann daher nur unter Vorbehalt eingesetzt werden, nämlich nur dann, wenn das Interessengleichgewicht zwischen den Parteien keine Besonderheiten aufweist. Vor allem sichert die Üblichkeit des Leistungseinsatzes die Interessen des Dienstberechtigten nicht ausreichend, wenn dieser dem Dienstverpflichteten „professionell unterlegen“ ist. Er kann in diesem Fall dem Dienstverpflichteten nicht nur keine Weisungen erteilen; er ist auch nicht in der Lage zu prüfen, worin der „übliche“ Leistungseinsatz besteht, ob der „übliche“ Leistungseinsatz seinem Verwendungsinteressen ausreichend dient und ob er aus seiner Sicht im Verhältnis zu der von ihm gezahlten Vergütung einen angemessenen wirtschaftlichen Wert erhält. Der Begriff der Üblichkeit ist ein empirischer, kein normativer. Auch der „im Verkehr eingerissene Schlendrian“ kann üblich sein; geschuldet ist dann das Angemessene, nicht das Übliche. In diesen Fällen, also insbesondere bei Dienstverträgen, die mit Angehörigen der sog. Freien Berufe geschlossen werden,464 tritt daher das „tatsächlich Übliche“ hinter das „rechtlich Gebotene“465 zurück. Auf die Üblichkeit kann außerdem nicht abgestellt werden, wenn im konkreten Fall eine untypische Interessenverschiebung festgestellt werden kann. Eine derartige Interessenverschiebung kommt vor allem in Betracht bei: einer unüblich hohen oder niedrigen Vergütung, einer ungewöhnlichen Verteilung der unternehmerischen Chancen und Risiken, einer ungewöhnlich kurzen oder ungewöhnlich langen zeitlichen Verpflichtung oder einer außergewöhn463 Man könnte einwenden, die Billigkeit gelte nur für das „wie“, nicht für das „ob“ der Ausübung des Weisungsrechts. Man kann jedoch zwischen den beiden Ansatzpunkten nicht sinnvoll unterscheiden, vgl. Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 105 ff. 464 Dahin gehend auch Hirte, Berufshaftung, S. 365, der die Forderung nach verbesserter Evaluationsforschung stellt und dabei auf die im Bereich der Medizin gebräuchlichen sog. Komplikationsregister hinweist. Durch solche Maßnahmen ließe sich relativ verläßlich ermitteln, welcher Standard durchschnittlich sei und wann jedenfalls erhebliche Abweichungen von diesem Standard nach unten vorlägen. 465 Vgl. MünchKomm/Hanau, 3. Aufl., § 276 BGB Rn. 79, der daher für die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Fahrlässigkeit den Begriff der „durchschnittlichen Anforderungen“ verwendet. Sich anschließend MünchKomm/Grundmann, Bd. 2a, § 276 BGB Rn. 60.

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lich starken Betroffenheit der Rechtsgüter des Dienstverpflichteten sowie bei einer ungewöhnlich hohen oder ungewöhnlich niedrigen wirtschaftlichen oder affektiven Bedeutung des Leistungssubstrats oder des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks für den Dienstberechtigten. In allen „Normalfällen“, die nicht durch derartige Interessenverschiebungen gekennzeichnet sind, kann indes auf die Üblichkeit abgestellt werden. Dies gilt für alle Arten der Dienstverträge, also auch für den Arbeitsvertrag, und es gilt nicht nur für das „Maß“ des Einsatzes des objektiv-individuellen Leistungsvermögens, sondern auch für die Frage, ob bestimmte Einzelhandlungen geschuldet sind oder nicht. Die Begründung der Behauptung, daß gerade das Kriterium der Üblichkeit den „Normalfall“ des Interessengleichgewichts zwischen Dienstvertragsparteien hinsichtlich des geschuldeten Einsatzes der objektiv-individuellen Leistungsfähigkeit besonders treffend abbildet, steht freilich noch aus: (bb) Gründe a) Das Kriterium der Üblichkeit erhält in angemessenem Umfang die Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten. Dies gilt für sämtliche Kriterien, die auf eine „Normalleistung“, eine Leistung „mittlerer Art und Güte“, eine „Durchschnittsleistung“ abzielen, nicht. Die Kritik an derartigen Kriterien ist hier nicht zu wiederholen.466 Beginnt der Dienstverpflichtete die Tätigkeit, hat er – theoretisch – unendlich viele Handlungsmöglichkeiten. Die ordnungsgemäße Leistung ist nicht eine aus diesen Möglichkeiten. Vielmehr würde eine ganze Teilmenge aus diesen Handlungsalternativen den Anforderungen an die ordnungsgemäße Leistung genügen. Diese Teilmenge besteht nicht nur aus der – theoretischen – Durchschnittsleistung und allen Leistungen, die quantitativ und qualitativ über der Durchschnittsleistung liegen. Auch unterdurchschnittliche Leistungen sind – bis zu einem gewissen Maß – üblich und daher noch ordnungsgemäß. Die Leistung ist auch dann noch ordnungsgemäß, wenn der Dienstverpflichtete die Tätigkeit über den gesamten Leistungszeitraum hinweg am unteren Limit seiner Konkretisierungsbefugnis erbringt. Die Grenze des „unteren Limits“ markiert die Üblichkeit.467 Beispiel: Eine Schreibkraft legt bei Vertragsschluß ein Zeugnis vor, das bescheinigt, sie könne eine bestimmte Anzahl von Anschlägen in der Minute auf der Schreibmaschine erreichen. Der Leistungszeitraum beträgt drei Monate. Während des gesamten Leistungszeitraums erbringt die Schreibkraft eine Leistung, die im Bereich zwischen 60– 70% der im Zeugnis genannten Anschlagszahl liegt. Die normative Auslegung ergibt zunächst, daß die Schreibkraft bei Vertragsschluß nicht die im Zeugnis ausgewiesene Leistungsfähigkeit zugesagt hat, da ein objektiver Beobachter weiß, daß die normale Leistungsfähigkeit unter der in einer Prüfungssitua466

Oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (2) (b), S. 150 ff. Daß der Begriff „üblich“ eine gewisse Spannbreite markiert, erkennt auch der BGH an, vgl. BGH (Urt. v. 13. 3. 1985) BGHZ 94, 98, 103. 467

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tion erbrachten Optimalleistung einer Person liegt. Er weiß zudem, daß die Leistungsfähigkeit der Person gewissen Schwankungen unterworfen ist. Die geschuldete objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit mag daher bei etwa 70 bis 90% liegen. Da keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die auf eine Verschiebung des Interessengleichgewichts hindeuten, schuldet die Schreibkraft den üblichen Einsatz dieser Leistungsfähigkeit. Der Begriff umreißt eine Schwankungsbreite. Alle innerhalb dieser Schwankungsbreite erbrachten Leistungen sind ordnungsgemäß, also z. B. 60% bis 90% der durch das Zeugnis ausgewiesenen Leistung. Die untere Grenze wird durch den Einsatz markiert, der „gerade noch üblich“ ist, also 60%.

„Üblich“ bedeutet also gerade nicht „durchschnittlich“. Selbst bei Tätigkeiten, die, wie die im Beispiel genannte, einer „Messung“ zugänglich sind, schuldet der Dienstverpflichtete nie ein Leistungsminimum im Sinne eines statistischen Mittel- oder Durchschnittswerts. Er schuldet weder einen „marktbezogenen Durchschnittswert“ noch den „betrieblichen Durchschnittswert“ noch den Durchschnittswert der Arbeitsgruppe, noch schuldet er den „eigenen Durchschnittswert468“. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung und Literatur zum Kündigungsschutz stellt jedoch gerade auf das Kriterium des Zurückbleibens der erbrachten Arbeitsleistung hinter der geschuldeten „Normalleistung“ ab. 469 Sie geht davon aus, daß eine verhaltensbedingte Kündigung möglich ist, wenn die Leistung des Arbeitnehmers 50% 470 bis 70% hinter der Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleibt 471 bzw. „erheblich“472 oder sogar 80% 473 unter der Normalleistung liegt. Eine Leistung von 10% bis 20% unter der Normalleistung reiche nicht aus. 474 In seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2003 ist das BAG dazu übergegangen, dem Arbeitnehmer die Darlegungslast zuzuweisen, wenn der Arbeitgeber nachweist, daß der Arbeitnehmer langfristig die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer um (deutlich) mehr als 1/3 unterschritten hat 475 bzw. wenn 468 Dahin gehend allerdings HK-KSchG/Dorndorf § 1 KSchG Rn. 745 und 437 f.: Der Arbeitnehmer schulde die „individuelle Normalleistung“, das sei die Leistung, die er aufgrund seiner Fähigkeiten im Durchschnitt seiner Arbeitszeit erbringen könne, wenn er seine Arbeitskraft bis zu der Grenze einsetzt, bei der er auf Dauer die Erhaltung der Arbeitskraft nicht gefährdet. Nach Rn. 437 soll eine (krankheitsbedingte) Leistungsminderung dann aber nur vorliegen, wenn die Leistungsfähigkeit erheblich zurückgeht. 469 Dazu vertiefend Greiner, RdA 2007, 22 ff. 470 BAG (Urt. v. 21. 5. 1992) AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 27. 6. 1963) DB 1963, 1436; LAG Berlin (20. 12. 1962) DB 1963, 524. 471 APS/Dörner, § 1 KSchG Rn. 278; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 656. 472 LAG Hamm (Urt. v. 13. 4. 1983) DB 1983, 1930 f.; LAG Düsseldorf (Urt. v. 14. 3. 1962) BB 1963, 516. 473 LAG Köln (Urt. v. 25. 11. 1997) EzBAT Nr. 46 zu § 53 BAT. 474 ArbG Mannheim (Urt. v. 18. 12. 1953) BB 1954, 345. Nicht eindeutig ArbG Herne (Urt. v. 6. 1. 1994–1 Ca 2482/93), n.v.: bis zu einer „bestimmten Toleranzgrenze“ sowie ArbG Ulm (14. 2. 1967–1 Ca 410/66), n.v. 475 BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969. Kritisch Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, 13, 18 ff. (unter III. 2. a), insbes. cc) und ee)); Schul/Wichert, DB 2005, 1906, 1097 f.; Friemel/Walk, NJW 2005, 3669, 3670; Tschöpe, BB 2006, 213 ff.

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seine Tätigkeit völlig erfolglos war. 476 Das BAG hat eine personenbedingte Kündigung mit der Begründung für wirksam erachtet, daß die Leistung der Arbeitnehmerin nur 2/3 der in der Arbeitsgruppe erbrachten Normalleistung betrug. 477 Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur für die personenbedingte Kündigung ein erheblicher objektiv meßbarer Leistungsabfall in quantitativer oder qualitativer Hinsicht gefordert. 478 Die Feststellung der Normalleistung bereitet dabei erhebliche Mühe; vielfach bleibt ungeklärt, auf welchen Referenzpunkt sich das geforderte Normalmaß bezieht. 479 Dies geht soweit, daß man meint, eine Kündigung wegen Minderleistung scheide aus, weil man wegen der Art der Tätigkeit keine Normalleistung feststellen könne. 480 Die von der Rechtsprechung gefundenen Ergebnisse werden freilich mit denen nach der hier vertretenen Abgrenzung vielfach übereinstimmen.

Wer sich eine menschliche Leistung versprechen läßt, weiß um die Leistungsschwankungen seines Leistungssubjekts. Dem Dienstverpfl ichteten, dessen Leistung in einer teilweisen und zeitweisen Aufgabe seiner eigenen Souveränität besteht, muß bei der Ausführung der Tätigkeit ein „Eigenbereich“ verbleiben, der auch ein Absinken der Leistung bis zu einem gewissen Grade zuläßt.481 Ist ausnahmsweise eine „Messung“ der Leistung möglich (wie im Beispiel der Schreibkraft), ist die erbrachte Leistung mit der versprochenen Leistung zu vergleichen. Die Schwierigkeiten, einem Dienstverpflichteten eine nicht ordnungsgemäße Leistung nachzuweisen, lassen sich nur beheben, indem dargelegt wird, welche Fähigkeiten der Dienstverpfl ichtete im einzelnen (konkludent) zugesagt hat und welche bei Vertragsschluß erkennbaren (z. B. altersbedingten) Leistungsminderungen der Dienstberechtigte hinzunehmen bereit war. Es ist sodann festzustellen, ob die vorhandenen Fähigkeiten in dem entsprechen und ob sie im üblichen Umfange eingesetzt wurden. b) Aus Sicht des Dienstberechtigten erscheint die Grenze der Üblichkeit angemessen, weil sie seine berechtigten Erwartungen schützt. Seine Forderung ist 476 BAG (Urt. v. 3. 6. 2004) AP Nr. 33 zu § 23 KSchG 1969 (betr. aber personenbedingte Kündigung). 477 BAG (Urt. v. 26. 9. 1991) AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. Zustimmend KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 380. 478 LAG Köln (Urt. v. 21. 12. 1995) LAGE Nr. 24 zu § 1 KSchG Krankheit; dem folgend APS/Dörner, § 1 KSchG Rn. 249. Ohne Angabe zum Grad hinzunehmender Minderleistung LAG Köln (26. 2. 1999) NZA-RR 2000, 25 f. 479 Vgl. auch zutreffend BAG (Urt. v. 11. 12. 2003) AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969: Eine als Berechnungsgrundlage für ein Prämienlohnsystem entwickelte Normalleistung begründet keine Leistungspfl icht des Arbeitnehmers zur Erreichung dieser Normalleistung. Zu den Schwierigkeiten bei der Bemessung auch Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 18 f. (unter III. 2. a) cc) (2) und (3)). 480 LAG Köln (Urt. v. 21. 12. 1995) LAGE Nr. 24 zu § 1 KSchG Krankheit. 481 Zutreffend Rabe, Lohnminderung, S. 44 f., 47: Der Arbeitnehmer schulde eine „Normalleistung“, die gerade auch ein gewisses Maß an Nachlässigkeit und unsteter Arbeitsweise umfasse, ohne daß damit schon die Grenze der sanktionsfreien und noch entschuldbaren Fehlleistung überschritten wäre. Ähnlich Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118: Arbeitnehmer schulde das Normalmaß, nicht den Durchschnittsmaßstab.

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nicht etwa beschränkt auf die „übliche Leistung“, und schon gar nicht auf die „übliche Fehlerhaftigkeit“ der Leistung482. Grundlage seiner Forderung ist die objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit des Dienstverpfl ichteten. Diese Leistungsfähigkeit ist Teil der Schuld. Die Üblichkeit bezieht sich lediglich auf den Einsatz dieser Leistungsfähigkeit. Stellt sich der Dienstverpflichtete während der Vertragsverhandlungen also besonders leistungsfähig dar, schuldet er den üblichen Einsatz genau dieser – überdurchschnittlichen – Leistungsfähigkeit. Im Ergebnis ist daher das untere Limit, innerhalb dessen seine Leistung noch ordnungsgemäß ist, höher als bei einem Dienstverpfl ichteten, dessen objektivindividuelle Leistungsfähigkeit niedriger ist.483 Im obigen Beispiel: Bewirbt sich zusammen mit der genannten Schreibkraft noch eine andere, deren Zeugnis ihr eine weniger hohe Anschlagszahl attestiert, schuldet die zweite Schreibkraft eine niedrigere objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit. Beide Schreibkräfte schulden den üblichen Einsatz ihres unterschiedlichen Leistungsvermögens. Dies führt dazu, daß die niedrigste Leistung, die noch als ordnungsgemäß zu qualifizieren wäre, bei der besseren Schreibkraft höher liegt. Nur in diesem Sinne kann man sagen, daß die bessere Schreibkraft „mehr“ schuldet. Würde sich aber beispielsweise die bessere Schreibkraft weniger (aber noch ausreichend) bemühen, die schlechtere hingegen einen stärkeren Einsatz zeigen, und käme beides auf die gleiche Anschlagszahl hinaus, so hätten beide wiederum eine ordnungsgemäße Leistung erbracht.

Die Üblichkeit ist als Kriterium auch deshalb geeignet, weil sie genau die Grenze markiert, bis zu der die Erwartungen des Dienstberechtigten noch als berechtigt gewertet werden können. Mit dem, was üblich ist, muß und darf ein objektiver Beobachter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen. Auf einen unüblich hohen Leistungseinsatz kann er nur hoffen, mit einem unüblich niedrigen Leistungseinsatz muß er sich nicht zufriedengeben. g) Für das Kriterium der Üblichkeit ließe sich weiter seine bisherige Verwendung im BGB anführen. Die Verfasser des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes haben u. a. dieses Kriterium für die subsidiäre Bestimmung des Leistungsinhalts in den §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB herangezogen. Alternativ wählt das Gesetz den verwandten Begriff „gewöhnlich“ (§§ 651c Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB, §§ 459 Abs. 1 S. 1, 482 Dahin gehend aber Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, § 8 B. I. 2. c) a) bb) (S. 304 f.); Frey, BB, 1960, 411, 413; Rother, Haftungsbeschränkungen, S. 266 ff., 268, m.w.Nachw., die meinen, daß der allgemein ordentlich leistende Arbeitnehmer, der einmal einen Fehler mache, welcher einen Schaden herbeiführe, insgesamt ordnungsgemäß gearbeitet habe, so daß eine Verletzung der Arbeitspfl icht und damit ein Schadensersatzanspruch ausscheide. Das Wissen des Arbeitgebers um die faktische Wahrscheinlichkeit der Verursachung von Schäden oder anderen Nachteilen durch den Arbeitnehmer, läßt indes den Schluß, der Arbeitgeber wolle solche Handlungen als ordnungsgemäße Arbeitsleistung gelten lassen, nicht zu. 483 Zutreffend insoweit ArbG Frankfurt (Urt. v. 2. 9. 2002–15 Ca 3392/02), n.v. Zu dem Einwand, es könne nicht sein, daß Dienstverpfl ichtete, die denselben Lohn erhielten, eine unterschiedliche Leistung schuldeten, oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (2) (b), S. 152 ff.

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633 Abs. 1 BGB a. F.).484 Auf den Begriff „üblich“ stellen für die Bestimmung der Arbeitnehmerleistung auch die Entwürfe für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1923485 und 1977486 ab; der Diskussionsentwurf von 2006 enthält einen entsprechenen Alternativvorschlag.487 Die früheren Vorschläge beziehen sich allerdings auf den Maßstab der „Fach-, Orts- und Betriebsüblichkeit“ bzw. auf die „Üblichkeit in Branche, Beruf, Betrieb und Ort“; gegen eine solche Verwendung des Begriff wurde bereits oben488 Stellung bezogen. Mehr als ein Hinweis auf die allgemeine Geeignetheit des Kriteriums der Üblichkeit läßt sich diesen Vorschlägen allerdings nicht entnehmen. Stärker fällt ins Gewicht, daß das Gesetz für den Fall, daß über die Höhe der Gegenleistung, also über die Höhe der Vergütung, keine ausdrückliche Absprache getroffen wurde, anordnet, daß die Taxe oder subsidiär die übliche Vergütung zu gewähren ist (§ 612 Abs. 2 BGB). Für andere Tätigkeitsverträge bestehen ähnliche Vorschriften (§§ 632 Abs. 2, 653 Abs. 2 BGB).489 Einige der Entwürfe zu einem Arbeitsvertragsgesetz stellen ebenfalls für den Fall, daß keine Vereinbarung besteht, auf das übliche Entgelt ab.490 Wenn das Gesetz für den Fall einer fehlenden Absprache über das „Maß“ der Gegenleistung den Maßstab der Üblichkeit wählt, läßt sich aus dem synallagmatischen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung schließen, daß auch für das „Maß“ 484

Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (aa), S. 186 Fn. 453. § 18 S. 1 des Entwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes von 1923, vgl. oben Fn. 309. 486 § 20 Abs. 1 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs von 1977, vgl. oben Fn. 310. 487 Der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23) sieht zwei Alternativvorschläge für § 27 Abs. 3 vor. 1. Alternative: „Der Arbeitnehmer schuldet im Zweifel den üblichen Einsatz seines nach dem Vertragsinhalt zu erwartenden individuellen Leistungsvermögens.“ 2. Alternative: „Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragenen Aufgaben unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu verrichten. Im Zweifel schuldet er jedoch mindestens zwei Drittel der von vergleichbaren Arbeitnehmern erbrachten Durchschnittsleistung.“ Auf die Formulierung der ersten Alternative konnte Verf. im Laufe der Entwurfsberatungen hinwirken. Die zweite Alternative entspricht im wesentlichen einem Vorschlag des Entwurfserstellers Henssler. 488 Oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (2) (b), S. 150 ff. 489 Auch für die Höhe der Vergütung ist festzustellen, daß die Üblichkeit nicht immer der Angemessenheit entspricht, vgl. Mantscheff, FS Vygen, S. 234, 237 f. 490 § 40 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992: „Ist die Höhe des Entgelts nicht vereinbart (§ 1 Abs. 1 Satz 2), so ist das übliche Entgelt, sonst ein der Art der Arbeit angemessenes Entgelt als vereinbart anzusehen.“ Ähnlich: Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsarbeitsministeriums von 1923, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 125 ff.: „Soweit Art und Maß des Entgelts sich nicht aus Rechtsvorschrift oder Vereinbarung ergeben, hat der Arbeitnehmer dem Ortsbrauche entsprechendes, beim Fehlen eines Ortsgebrauchs angemessenes Entgelt zu beanspruchen.“ Ähnlich auch der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23) in § 34 Abs. 1: „Ist die Höhe des Entgelts nicht vereinbart, so ist das übliche Entgelt und wenn ein solches nicht nicht feststellbar ist, ein der Arbeitsleistung angemessenes Entgelt als vereinbart anzusehen.“ Demgegenüber stellen die Entwürfe von 1977, 1942 und 1938 auf den Maßstab der „Angemessenheit“ ab, vgl. oben Fn. 310, 295. 485

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der Leistung dieses Kriterium entscheiden soll.491 Schließlich macht die „Güte“ der Dienste deren wirtschaftlichen Wert aus, und die Höhe der Vergütung bildet diesen Wert nur auf der Nachfrageseite ab. Zudem soll das Kriterium nach den obigen Ausführungen492 nicht zur Anwendung kommen, wenn der Dienstberechtigte sich zu einer ungewöhnlich hohen oder ungewöhnlich niedrigen Vergütung verpflichtet hat. Zahlt der Dienstberechtigte hingegen eine „übliche“ Vergütung, erscheint es durchaus angemessen, daß der Dienstverpflichtete sein objektiv-individuelles Leistungsvermögen auch nur im üblichen Maße zum Einsatz bringen muß. d) Schließlich ist noch auf einen naheliegenden Einwand gegen die Verwendung des Maßstabs der Üblichkeit einzugehen. Der Vorteil der Heranziehung dieses Kriteriums wurde dahin gehend beschrieben, daß dem Dienstverpfl ichteten gestattet wird, durch „unterdurchschnittliche“ Leistungen, also Leistungen „am unteren Limit“ der Üblichkeit, seine Verpflichtung ordnungsgemäß zu erfüllen. Eine solche Leistung, so der mögliche Einwand, sei für den Dienstberechtigten zwar im Einzelfall hinnehmbar; langfristig und in bezug auf Dienstberechtigte, die – wie Arbeitgeber – mit einer Vielzahl von Dienstverpflichteten kontrahieren, sei es jedoch untragbar, daß sich der Dienstberechtigte mit einer permanent „unterdurchschnittlichen“ Leistung aller Dienstverpflichteten zufriedengeben müsse. Die Gefahr eines generellen Absinkens der erbrachten Leistungsstandards ergibt sich, wenn man der ökonomischen Situation des Unternehmens, wie sie in der arbeitsrechtlichen Literatur beschrieben wird,493 folgt: Das Unternehmensergebnis hängt von den Arbeitsleistungen ab. Diese seien ein Kollektivgut, das die Arbeitnehmer gemeinsam produzierten mit der für Kollektivgüter typischen Gefahr von Trittbrettfahrereffekten (sog. free riding): Es bestehe ein Anreiz für jeden Arbeitnehmer, seinen Beitrag zur Gesamtleistung zu minimieren. Unterstellt man diesen Effekt, müßte der Arbeitgeber in der Tat damit rechnen, daß sämtliche Arbeitnehmer permanent einen Einsatz am unteren Maß der Üblichkeit erbringen. Isoliert betrachtet ist es sicherlich eine ökonomisch sinnvolle Entscheidung, die eigene Leistung bis gerade zu dem Punkt hin abzusenken, an welchem der Anspruch auf die Gegenleistung gemindert würde. Gerade das Arbeitsverhältnis ist jedoch kein schlichtes Austauschgeschäft, bei welchem sich Leistung und Gegenleistung nackt gegenüberstehen. Und selbst bei derartigen Austauschgeschäften wird das Verhalten der Vertragsparteien durch eine Vielzahl unterschiedlicher ökonomischer und sonstiger Motive beeinflußt. Der Dienstverpflichtete, insbesondere der Arbeitnehmer, steuert den Einsatz seines ob491

Dieser Zusammenhang wurde auch in § 59 S. 1 HGB a. E. deutlich. Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c) (aa), S. 188. 493 P. Behrens, ZfA 1989, 209, 228. Behrens führt a.a.O. aus, daß diesem Effekt durch das Instrument der Weisung zu begegnen sei. Dazu auch oben Erster Teil, § 3 II. 1. b) (2), S. 127 ff. 492

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jektiv-individuellen Leistungsvermögens aufgrund einer Vielzahl ganz unterschiedlich gelagerter Faktoren. Zu diesen Faktoren gehört im Regelfall auch das Bemühen, rechtliche Sanktionen (insbesondere Lohnminderung, Kündigung, Schadensersatz) zu vermeiden. Daneben machen aber gerade auch Vertreter der ökonomischen Analyse darauf aufmerksam, daß das Verhalten der Vertragsparteien insbesondere bei relationalen Verträgen494 durch sog. nonlegal sanctions gesteuert werde.495 Die Art und Weise, wie der Schuldner seinen Vertrag erfüllt, kann eben auch verschiedene „außerrechtliche“ Nachteile begründen. Diese Nachteile lassen sich in drei Gruppen einteilen: Der Nachteil, der den Arbeitnehmer im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern verhältnismäßig wenig trifft, ist der Reputationsverlust und die damit einhergehenden Wettbewerbsnachteile im Falle schlechter Leistung (loss of reputation among market participants/loss of opportunities for future trade 496). Es wurde bereits an anderer Stelle dargestellt,497 daß dieser Aspekt, der für reine Güteraustauschverträge von großer Relevanz sein mag, allenfalls für selbständige Dienstverpflichtete stärkere Bedeutung erlangt. Aber auch bei selbständigen Dienstverträgen tritt wegen des in der Regel starken Kompetenzgefälles zwischen Anbieter und Nachfragern nicht ohne weiteres ein Reputationsverlust ein. Der Arbeitnehmer riskiert in dieser Hinsicht regelmäßig nur ein ungünstiges Arbeitszeugnis, das für ihn aber nur im Falle einer Kündigung einen wirklichen Nachteil darstellt. Dagegen ist auch der Arbeitnehmer im Falle der Schlechtleistung von dem Verlust zukünftiger, sich aus der Rechtsbeziehung selbst ergebender Vorteile (relationship-specific prospective advantages498) bedroht. So verschlechtern sich beispielsweise seine Aussichten auf die Zahlung einer freiwilligen Gratifikation, auf eine Beförderung, auf eine Gehaltserhöhung, auf einen Dienstwagen, auf ein größeres Büro, auf ein neues Arbeitsgerät usw. Die Befürchtung, derartige Vorteile nicht zu erhalten, bzw. die Hoffnung, sie zu erlangen, hat auf den Arbeitnehmer einen sehr starken verhaltenssteuernden Einfluß. 494

Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (b) (aa), S. 100 ff. Vgl. Charny, Nonlegal sanctions in commercial relationships, Havard Law Review 104 (1990) 373 ff., insbes. 392 ff.; Macaulay, Non-contractual relations in business, American Sociological Review 28 (1963) 55, 151 ff.; Posner, Law and social norms, S. 148 ff. m.w.Nachw. 496 Charny, Nonlegal sanctions in commercial relationships, Havard Law Review 104 (1990) 375, 393, 396.; Posner, Law and social norms, S. 150 ff. 497 Oben Erster Teil, § 3 II. 2. b) (2) (b), S. 154. 498 Charny, Nonlegal sanctions in commercial relationships, Havard Law Review 104 (1990) 375, 392 f., 395 f. Charny nennt hier vor allem den Verlust des Arbeitsplatzes und den Verlust von „security deposits“, von denen der Arbeitnehmer erst profitiert, wenn er über einen längeren Zeitraum für den Arbeitgeber gearbeitet hat. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder z. B. von Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung setzt aber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die in der Regel durch Kündigung erfolgt, voraus. Eine Kündigung ist jedoch eine rechtliche Sanktion; zumindest soll sie hier als solche verstanden werden. Ähnlich Charny auch Posner, Law and social norms, S. 150. 495

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Als dritter Typ sog. nonlegal sanctions wird „the sacrifice of psychic and social goods“ benannt. Beispielhaft werden angeführt: „loss of opportunities for important or pleasurable associations with others, loss of self-esteem, feelings of guilt, or an unfullfilled desire to think of [one]self as trustworthy and competent“.499 Die steuernde Funktion dieser Faktoren wird dabei für den Austauschvertrag im allgemeinen hervorgehoben. In einem „relational contract“ bzw. einem Vertrag mit „personaler Pflichtprägung“500 wie dem Dienstvertrag und im besonderen dem Arbeitsvertrag tritt die Wirkungskraft dieser Sanktionen noch wesentlich stärker hervor. 501 Aufgrund der partiellen Identität von Leistung und Leistendem ist „die Arbeit“ für den Dienstverpfl ichteten ein wichtiger Bereich der „Selbstverwirklichung“502. Für den Dienstverpflichteten ist daher die Anerkennung durch den Dienstberechtigten – auch wenn sie sich nicht wirtschaftlich ausdrückt –, die Anerkennung im kollegialen Umfeld und die eigene Anerkennung des Geleisteten von großer Bedeutung. Ballerstedt im Jahre 1958 503 : „Das Arbeitsrecht muß der elementaren Tatsache Rechnung tragen, daß der Mensch mehr sein will als ein bloßer Funktionär des Betriebsgeschehens, der recht und schlecht ein Pensum erledigt. Wir wissen doch auch, daß das bloße Funktionieren nicht die Regel ist, daß vielmehr der Mensch bei seiner Arbeit mit Freude dabei sein, daß er sie ordentlich machen will und daß er sich Dinge einfallen läßt, die er vielleicht nicht unbedingt tun müßte, die er aber einfach tut, weil er mit seinen Kollegen gut zusammenarbeiten oder seinen Arbeitsplatz ordentlich halten will oder weil er das Bedürfnis hat, in einem anständigen Betriebsklima zu leben, ohne das sein Arbeitstag kein menschenwürdiges Dasein wäre.“

Sicher ist vor einer idealistischen Verklärung dieser Motivationszusammenhänge zu warnen. Die Wirklichkeit würde indes verkannt, wollte man leugnen, daß derartige psychische und soziale Wirkungszusammenhänge im Grundsatz bestehen und daß sie einen starken verhaltenssteuernden Einfluß auf alle oder zumindest auf einen großen Teil der Dienstverpflichteten haben. Es ist der Verdienst der amerikanischen Literatur, die unterschiedlichen Typen außerrechtlicher Sanktionen herausgearbeitet zu haben. Erst die Zusammenschau verdeutlicht die gesamte Wirkungskraft dieser Faktoren auf den 499 Charny, Nonlegal sanctions in commercial relationships, Havard Law Review 104 (1990) 375, 392 f., 396. 500 Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 91, 117; vgl. auch unten Erster Teil, § 3 II. 1. (1) (b) (aa), S 102 ff. 501 Dies erklärt auch die Herausbildung einer Berufs- und Standesethik z. B. im Recht der Freien Berufe. Freilich hat die Herausbildung entsprechender ethischer oder rechtlicher Berufs- und Standesregeln auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 15. Kapitel, 5.1. Sowie oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (3) und § 3 II. 3. b) (2) (cc) (b), S. 37 ff. und S. 182 ff. 502 Ballerstedt, Eigentum und Mitbestimmung, S. 183, 188 ff.; Wlotzke, RdA 1965, 180, 187 f. 503 Ballerstedt, Eigentum und Mitbestimmung, S. 183, 191. Vgl. auch Tondorf, Leistung und Entgelt im öffentlichen Dienst, S. 60 f.

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Dienstverpflichteten. Und erst auf diese Weise wird die Tatsache erklärbar, daß viele Dienstverpflichtete überdurchschnittliche, sogar überobligatorische Leistungen erbringen, selbst wenn sie sich nicht der Gefahr von Lohnkürzung und Kündigung ausgesetzt sehen. Der Dienstvertrag ist eben nicht nur ein vermögensrechtlicher Austauschvertrag, bei welchem die Vertragparteien eine wirtschaftliche Gewinnmaximierung allein aufgrund von Leistung und Gegenleistung erstreben. Aus diesem Grund erscheint die Befürchtung eines generellen Absinkens der Leistungsstandards durch die Einführung des Kriteriums der Üblichkeit unberechtigt. Die menschliche Arbeitskraft ist für den Dienstberechtigten Chance und Risiko; das eine ist nicht ohne das andere zu haben. c) Ergebnis zu 3. Der Inhalt der „versprochenen Dienste“ ist im Wege normativer Auslegung zu ermitteln. Für den Regelfall der höchstpersönlichen Leistungserbringung ist zunächst festzustellen, welches Leistungsvermögen der Dienstverpflichtete zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus Sicht eines objektiven Beobachters hatte. Neben den – dynamischen – Eigenschaften der Person kommt es auf die Konfrontation des Dienstverpflichteten mit der Arbeitsaufgabe an. Das auf diese Weise festgestellte, objektiv zu erwartende individuelle Leistungsvermögen (sog. objektiv-individuelles Leistungsvermögen) ist in der Regel selbst Teil des Leistungsversprechens. Vor allem aber schuldet der Dienstverpflichtete den ordnungsgemäßen Einsatz dieses Leistungsvermögens. Der geschuldete Einsatz des Leistungsvermögens kann nicht anhand des Leistungswillens oder anderer Parameter, welche an die psychische Disposition des Dienstverpflichteten anknüpfen, festgestellt werden. Die Frage, zu welchem Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens er verpflichtet ist, kann nur im Wege normativer oder ergänzender Vertragsauslegung erfolgen, die auf der Basis der Parteiinteressen im Einzelfall vorzunehmen ist. Allgemein hat der Dienstverpflichtete ein Interesse an Handlungsfreiheit, also an einer möglichst weit gehenden Konkretisierungsbefugnis. Die Gewichtung dieses Interesses hängt von unterschiedlichen Parametern ab, insbesondere von der Höhe der Vergütung, der Verteilung der unternehmerischen Chancen und Risiken, von dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit und von der Betroffenheit eigener Rechtsgüter. Der Dienstberechtigte hat ein Interesse an einer Tätigkeit, die zur Erreichung des von ihm angestrebten Zwecks in optimaler Weise geeignet ist. Dem entspricht in der Regel eine starke Einengung des Handlungsspielraums des Dienstverpflichteten. Diese erreicht er zum einen durch eine vertragliche Konkretisierung des Schuldinhalts und zum anderen durch ein umfassendes Weisungsrecht. Das Gewicht seinen Interesses an einer derartigen Steuerung der Leistungserbringung hängt ab von der wirt-

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

schaftlichen und affektiven Bedeutung des verfolgten Zwecks und der von seiner Seite eingesetzten Leistungssubstrate sowie von der Höhe der Gegenleistung. Mit der vertraglichen Konkretisierung des Schuldinhalts und dem Weisungsrecht stehen dem Dienstberechtigten zwei Instrumente zur Durchsetzung seiner Interessen zur Verfügung. Wenn durch Auslegung über den Umfang des einen entschieden wird, kann der Umfang des anderen nicht unberücksichtigt bleiben. Das Verhältnis bestimmt sich vielfach anhand des zwischen den Vertragsparteien bestehenden Kompetenzgefälles. Liegt die Kompetenz beim Dienstberechtigten, entspricht ein starkes Weisungsrecht in der Regel den Parteiinteressen. Die berechtigten Interessen des Dienstverpflichteten werden es dann typischerweise als geboten erscheinen lassen, die Anforderungen an den vertraglich geschuldeten Einsatz des Leistungsvermögens weniger hoch anzusetzen. Liegt die Kompetenz indes beim Dienstverpflichteten, scheidet eine Steuerung der Leistungserbringung durch Weisung weitgehend aus. Den Interessen des Dienstberechtigten kann nur durch Konkretisierung der Anforderungen an den Einsatz der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen werden. Der ergänzenden Vertragsauslegung ist an dieser Stelle wegen des vom „professionell überlegenen“ Dienstverpflichteten in Anspruch genommenen Vertrauens mehr Raum zu geben. Die Bestimmung des geschuldeten Einsatzes der Leistungsfähigkeit setzt also eine Analyse des Interessengleichgewichts zwischen den Parteien voraus. Daß sich der Schuldinhalt nicht auf eine einfache Formel bringen läßt, resultiert aus der Vielgestaltigkeit dienstvertraglicher Verpflichtungen, die eine allgemeine Ableitung aus einer typischen Interessenkonstellation nicht erlauben. Schon bei der Schaffung des BGB wurde daher in kluger Zurückhaltung auf eine begriffliche Fixierung des Schuldinhalts verzichtet. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß eine Interpretation anhand eines „beweglichen Systems“ von Parteiinteressen den Bedürfnissen der Praxis wenig entgegenkommt. Der Begriff, der die Parteiinteressen im „Normalfall“ am besten abbildet, ist der der „Üblichkeit“. Er entspricht den berechtigten Interessen des Dienstverpflichteten, auch einen unterdurchschnittlichen (aber eben noch üblichen) Einsatz des Leistungsvermögens erbringen zu dürfen. Und er wahrt die Interessen des Dienstberechtigten, da dieser mit dem „Üblichen“ rechnen muß. Für den „Normalfall“, d. h. insbesondere im Bereich der unselbständigen Dienstverträge, läßt sich daher formulieren, daß der Dienstberechtigte den üblichen Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens schuldet. 504 Der Anwendungsbereich dieser Formel ist indes begrenzt. Im Falle einer untypischen Interessenverschiebung, aber auch im Falle eines Kompetenzge504 So auch der Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von 2006 (NZA 2006, Beilage Nr. 23) in der ersten Alternative zu § 27 Abs. 3, auf den Verf. im Laufe der Entwurfsberatungen hinwirken konnte.

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fälles zu Lasten des Dienstberechtigten ist „sowohl das tatsächlich Übliche als auch das rechtlich Gebotene erheblich“505. 4. Ergebnis zu II. Der Dienstvertrag zeichnet sich durch eine weitgehende Unbestimmtheit der vom Dienstverpflichteten zu erbringenden Leistung aus. Die Unbestimmtheit resultiert aus dem Umstand, daß sich die Leistung auf etwas richtet, das nur in der Zukunft, und auch hier nur flüchtig, existiert. Will die Rechtsordnung Verträge über Tätigkeiten überhaupt zulassen, muß sie diese Unbestimmtheit hinnehmen, und sie tut es auch; die Verpflichtung ist wirksam, auch wenn sie nur einen Leistungsrahmen begründet. Der Leistungsrahmen konstituiert sich anhand der vertraglichen Vereinbarung, die sich aus der Festlegung des Geschuldeten an sich und aus einer Unterwerfungserklärung unter ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Dienstberechtigten zusammensetzt. Beide Elemente bedürfen der Auslegung. Durch beide Elemente vermag der Dienstberechtigte seine Interessen an einer seinen Zwecken dienenden Tätigkeit durchzusetzen. Seinen Interessen entspricht im Prinzip ein schrankenloses Weisungsrecht und eine Verpflichtung des Schuldners zu einer Tätigkeit, die in optimaler Weise geeignet ist, die von ihm verfolgten Zwecke zu erreichen. Der Dienstverpflichtete hat andere Interessen, doch sind diese von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gelagert. Im Grundsatz hat er aber immer ein Interesse: Er selbst und die von ihm zu erbringende Leistung sind partiell identisch; er muß also bei der Leistungserbringung einen Teil seiner Souveränität aufgeben. Diese Aufgabe ist für ihn von Nachteil, er will sie also möglichst beschränken; d. h. er will bei der Leistungserbringung möglichst frei sein. Die Rechtsordnung entspricht diesem berechtigten Interesse auf einfache Weise: In allen Bereichen, die nicht durch vertragliche Vereinbarung oder Weisung konkretisiert werden, kann der Schuldner die Leistung nach eigenem Gutdünken erbringen. Diese Freiheit wird hier (Leistungs-)Konkretisierungsbefugnis genannt. Bei der Bestimmung der ordnungsgemäßen Leistung sind die gegenläufigen Parteiinteressen in einer angemessenen, d. h. der vertraglichen Vereinbarung entsprechenden Weise zum Ausgleich zu bringen. Da sich in der Vielfalt dienstvertraglicher Regelungen sehr unterschiedliche Interessenlagen widerspiegeln, kann dies nur durch eine normative Auslegung der einzelnen vertraglichen Regelung gelingen. Soweit de lege lata behauptet oder de lege ferenda gefordert wird, daß der Dienstverpflichtete eine Leistung mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB), eine „Normal-“ oder eine „Durchschnittleistung“ zu erbringen habe, ist dem entgegenzutreten. Das geltende Recht sieht solche Maßstäbe

505

MünchKomm/Hanau, 3. Aufl., § 276 BGB Rn. 79.

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Erster Teil: Die Erfüllung des Dienstvertrages

nicht vor; ihre Einführung wäre sowohl für das Dienstvertragsrecht im allgemeinen wie für das Individualarbeitsrecht abzulehnen. Es bleibt also nur die (ergänzende) Auslegung der vertraglichen Vereinbarung im Einzelfall. Mit Hilfe der Auslegung ist ein Maßstab für das geschuldete Leistungsvermögen und ein Maßstab für den geschuldeten Einsatz dieses Leistungsvermögens zu finden. Das in der Literatur teilweise beschworene Dilemma, nach dem ein objektives durchschnittliches Leistungsvermögen zu fordern sei, da andernfalls nur das tatsächlich vorhandene Leistungsvermögen des Dienstverpflichteten geschuldet sein könne, 506 existiert nicht. Die normative Vertragsauslegung, die auf den sog. objektiven Empfängerhorizont abstellt, ergibt, daß der Dienstverpflichtete sein (dynamisches) objektiv-individuelles Leistungsvermögen verspricht. Schwieriger ist es freilich, das Maß des geschuldeten Einsatzes dieses Leistungsvermögens zu bestimmen. In vielen Fällen, insbesondere in Arbeitsverträgen, verspricht der Dienstverpflichtete, sein objektiv-individuelles Leistungsvermögen mindestens im üblichen Maße einzusetzen. Auch unterdurchschnittliche Leistungen sind üblich. Will der Arbeitgeber einen Anspruch auf ein bestimmtes Durchschnittsmaß, muß er sich dies (ausdrücklich) versprechen lassen. In anderen Fällen, insbesondere bei den Dienstverträgen der sog. Freien Berufe, entspricht der Maßstab der Üblichkeit allerdings nicht den Interessen der Vertragsparteien. Das Zusammenspiel dieser Interessen kann nur abstrakt nachgezeichnet werden. Dabei gilt, daß die Interessen des Dienstberechtigten (insbesondere wenn diesem durch die Tätigkeit ein Schaden entstanden ist) im allgemeinen sehr deutlich hervortreten. Dies darf indes nicht den Blick dafür verstellen, daß der Dienstverpfl ichtete auf die Innehabung eines angemessenen Handlungsspielraums bei der Leistungserbringung angewiesen ist.

III. Ergebnis zu § 3 Der Dienstverpflichtete schuldet die Leistung der versprochenen Dienste. Er verspricht die Erbringung ordnungsgemäßer Dienste. Leistet er nichts, etwas anderes oder erbringt er die Dienste schlecht, ist seine Leistung nicht ordnungsgemäß, und es tritt keine (vollständige) Erfüllungswirkung gem. § 362 Abs. 1 BGB ein. Es liegt dann eine Pflichtverletzung vor, aus der sich bestimmte Rechtsfolgen zugunsten des Dienstberechtigten ergeben. Die Schwierigkeit bei der Prüfung der Ordnungsgemäßheit der erbrachten Dienste liegt darin begründet, daß es die geschuldeten Dienste nicht gibt. Der Dienstverpfl ichtete schuldet etwas weitgehend Unbestimmtes. Diese Unbestimmtheit kommt ihm zugute. In den Grenzen der Unbestimmtheit ist er frei; aus der unendlichen 506

Kreller, AcP 123 (1925), 263, 284; Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 ff.

§ 3 Die erfüllungstauglichen Dienste

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Vielfalt von Tätigkeitsalternativen, die sich in dem vereinbarten Leistungsrahmen halten, kann er sich nach freiem Belieben für eine entscheiden. Wählt er eine Tätigkeitsalternative aus dem Grenzbereich der Ordnungsgemäßheit, gerät er in die Gefahr der Pflichtverletzung. Er kann diese Gefahr vermeiden, indem er sich für eine sichere Alternative entscheidet. Dem Richter, der ex post die erbrachte Tätigkeit zu beurteilen hat, ist das nicht möglich. Er muß den Grenzbereich abstecken, und die Suche nach der Grenzlinie mag bisweilen große Mühe bereiten. Die einzige Hilfe liegt in der vertraglichen Vereinbarung; sie allein ist die Grenze. „Künstliche“ Grenzen, wie sie das Gesetz bisweilen (z. B. mit § 243 Abs. 1 BGB) zieht, sind nur von Nutzen, wenn sie den einen typischen vertraglichen Grenzverlauf nachzeichnen. Für den Dienstvertrag gibt es einen solchen typischen Grenzverlauf nicht. Daß es damit im Ergebnis oft der Richter ist, der die Grenze zieht, müssen die Parteien hinnehmen. Die Unbestimmtheit ist ein von ihnen selbst gesetztes Risiko, das sich an dieser Stelle verwirklichen kann.

Zweiter Teil:

Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Dienstvertrages Die Bestimmung der Rechtsfolgen einer Nicht- oder einer Schlechtleistung beim Dienstvertrag nimmt ihren Anfang darin, daß auf der Tatbestandsseite das Vorliegen eben dieser Nicht- oder Schlechtleistung festgestellt werden kann. Das Gesetz sieht für die Nicht- und für die Schlechtleistung unterschiedliche Rechtsfolgen vorsieht, müssen beide tatbestandlich in möglichst eindeutiger Weise definiert und voneinander abgegrenzt werden. Allerdings kennt das Gesetz auch die Möglichkeit einer Teilleistung.1 Das wirft die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen auch „Teile“ einer Leistung nicht oder schlecht erfüllt werden können. Es müssen also nicht nur die Tatbestände der vollständigen Nicht- und Schlechtleistung voneinander geschieden werden (unter II.), sondern auch die Möglichkeiten teilweiser Nicht- oder Schlechterfüllung untersucht werden (unter III.).

1 Vgl. nur §§ 266, 281 Abs. 1 S. 2, 320 Abs. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs., 420 BGB.

§ 4 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

I. Einleitung Nach früherer Rechtslage wäre die – äußerst schwierige –2 Abgrenzung zwischen vollständiger und teilweiser Schlecht- und Nichterfüllung nicht zwingend erforderlich gewesen. Es bestand die Möglichkeit, die schlecht erbrachten Dienste als teilweise Nichterfüllung zu begreifen, 3 da das Gesetz eine Unterscheidung von Schlechtleistung und teilweiser Nichtleistung weder in den allgemeinen Abschnitten über das Schuldrecht noch für den Dienstvertrag vorsah.4 So hatte schon Mommsen vorgeschlagen, daß eine Verpflichtung nur vollständig erfüllt werde, wenn die Leistung in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Beziehung ordnungsgemäß sei. Sei die Leistung in gegenständlicher, räumlicher oder zeitlicher Hinsicht unvollständig, sei sie nur teilweise bewirkt. 5 Demnach wäre jede nicht ordnungsgemäße Leistung eine Teilleistung. Die „Kategorie“ der Schlechtleistung wäre gleichsam überflüssig. Die Gedan-

2 So zutreffend Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 1., § 18 VI. (S. 192, 296); Kaiser, Rückabwicklung, S. 191; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 846; Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 43; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 412; Jauernig/Mansel § 611 Rn. 16; KompaktKom-BGB/ Willingmann/Hirse § 281 Rn. 12, § 323 Rn. 23, § 326 Rn. 14; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1041. 3 So (nicht nur für den Dienstvertrag) Kisch, Unmöglichkeit, S. 168, 193 ff.; Titze, Unmöglichkeit, S. 47 ff.; Planck/Siber Vor §§ 275 bis 292 Anm. IV. 1 c); Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292; MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, Vor § 275 Rn. 2, 235 f. und § 275 Rn. 49, 54 sowie § 323 Rn. 32; ders., Das Recht der Leistungsstörungen, 4. Aufl., 1997, S. 237 f. (anders wohl für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ders., 5. Aufl., 2003, S. 326); Hartung, Schlechtleistung, S. 97. Grundsätzlich auch Staudinger/Löwisch (2001) § 275 Rn. 45; Westhelle, Nichterfüllung und positive Vertragsverletzung, S. 62; H.-H. Jakobs, Unmöglichkeit, S. 42 f., auch Fn. 73; anders aber offensichtlich ders. in FS Beitzke, S. 67 f. Für den Arbeitsvertrag vgl. unten in § 6 Fn. 1 (S. 430) Genannten. 4 Auch dann wäre es natürlich erforderlich gewesen, die teilweise von der vollständigen Nichterfüllung zu scheiden. 5 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 9, 153, 193 ff.; zustimmend Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 289 ff., m.w.Nachw. insbes. S. 297 f. Vgl. auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2 § 254 a. E. (S. 17), zum BGB.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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ken Mommsens finden sich in der Gesetzesbegründung zum BGB wieder. 6 Dennoch beschritt die herrschende Meinung diesen Weg nicht. 7 Nach aktueller Rechtslage steht die Möglichkeit der Gleichbehandlung von teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung nicht mehr offen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, daß zwischen teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung ein Dualismus bestehen soll. 8 Diese gesetzgeberische Grundkonzeption mag zu Zweifeln Anlaß geben. Der Wille des Gesetzgebers ist jedoch in den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 und 326 Abs. 1 BGB klar zum Ausdruck gebracht worden. In diesen Vorschriften werden Teilleistung und Schlechtleistung einander gegenübergestellt und jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen angeordnet. Eine Gesetzesinterpretation, die weiterhin von einem einheitlichen Nichterfüllungsbegriff in den Fällen der beschränkten Störung ausginge, wäre daher abzulehnen.9 Das bedeutet, daß zwischen beiden Konstellationen unterschieden werden muß. Die Lieferung einer „zu geringen Menge“ und die Schlechtleistung werden allerdings in den §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB gleichgestellt. Für den Kauf- und den Werkvertrag wird daher vorgeschlagen, „mengenmäßige Leistungsdefizite“ unter §§ 281 Abs. 1 S. 3 und 323 Abs. 5 S. 2 BGB, welche die nicht vertragsgemäße Leistung behandeln, zu subsumieren.10 Die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5. S. 1 BGB wären damit ihres wichtigs6

Vgl. Motive, Bd. 2, S. 34, 37, 49, 52, 60, 210, und die Protokolle II, Bd. 1, S. 303 f., 319 f. Dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 2., S. 384 ff. 8 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 134 f., 188 f.; Beschlußempfehlung, BT-Drucks. 14/7052, S. 185. 9 Ausdrücklich MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 123: Die Schlechterfüllung sei kein Unterfall der Teilerfüllung. Ebenso Soergel/Gsell § 326 Rn. 26; Palandt/Heinrichs, Ergänzungsband, § 323 Rn. 24; Preis, Individualarbeitsrecht, § 51. Anders wohl Haas u. a./Medicus, Schuldrecht, 3. Rn. 98. Auch Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. (S. 74 ff.), will die „qualitative Unmöglichkeit“ grundsätzlich weiterhin als Teilunmöglichkeit ansehen, wohl mit der Besonderheit, daß für sie in einzelnen Beziehungen spezielle Regelungen gälten. Das Gesetz behandelt Schlecht- und Teilerfüllung jedoch nicht in „einzelnen Beziehungen“, sondern in den entscheidenden Beziehungen (§§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 und 326 Abs. 1 BGB) unterschiedlich. Schließlich ließe sich der Zweck, den Emmerich mit dieser Interpretation verfolgt, nämlich die Eröffnung der Minderungsmöglichkeit für die Fälle der Schlechterfüllung, auch anderweitig erreichen, dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2), S. 393 ff. Emmerich, ebenda § 12 VI. 1. (S. 192), erkennt selbst an, daß „die unterschiedliche Regelung dieser Fälle . . . jetzt eine genaue Abgrenzung zwischen der Teilunmöglichkeit im engeren Sinne und der qualitativen Teilunmöglichkeit erforderlich“ macht, „die in bestimmten Grenzfällen ausgesprochen schwierig sein kann.“ Ebenso für den Teilverzug ders., ebenda, § 18 VI. (S. 296). 10 Für die Gleichstellung in § 323 Abs. 5 S. 2 BGB die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 187; Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 523; P. Huber/Faust/ P. Huber, Schuldrechtsmodernisierung, 5. Rn. 40; Henssler/Graf von Westphalen/Muthers § 323 Rn. 20; Buck, in: H. P. Westermann, Schuldrecht 2002, S. 146. In diese Richtung auch AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 323 Rn. 25. Für die Gleichstellung in § 281 Abs. 1 S. 3 BGB P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 164; Palandt/Heinrichs § 281 Rn. 47; Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 281 Rn. 55 ff. Dahin tendierend auch AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 281 Rn. 18. Offengelassen im Bericht BT-Drucks. 14/7052, S. 185, 7

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

ten Anwendungsbereiches beraubt und hätte eine eher enge Bedeutung. Da das Dienstvertragsrecht eine den §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB entsprechende Vorschrift nicht kennt, ist dieser Weg für die Leistung von Diensten per se nicht eröffnet.11 Aber auch für das Kauf- und Werkvertragsrecht bedürfte eine solche „Rückstrahlung“ von Vorschriften des besonderen Schuldrechts auf Normen des allgemeinen Schuldrechts einer genauen Prüfung.12 Eine analoge Anwendung der Regelung über die Quantitätsabweichung der § 434 Abs. 3 BGB und § 633 Abs. 2 S. 3 BGB auf dienstvertragliche „Quantitätsdefi zite“ kommt nicht in Betracht, da das Gesetz insoweit keine Lücke enthält. Die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts über die Teilleistung, insbesondere die §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5, 326 Abs. 1 BGB, stehen für „Quantitätsabweichungen“ im Dienstvertragsrecht bereit.13

Nachdem der Dualismus zwischen teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung in den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts festgeschrieben wurde, sollte er auch im Dienstvertragsrecht Beachtung fi nden, bzw. er sollte die Gültigkeit behalten, die ihm die herrschende Meinung14 bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zugesprochen hatte. Auch wenn die Differenzierung zwischen teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung im Dienstvertragsrecht auf besondere Schwierigkeiten stößt, unterscheidet sich der Dienstvertrag nicht in so hohem Maße von anderen Vertragstypen, daß er von der allgemeinen Regel ausgenommen werden müßte. Insbesondere ist er dem Miet- und dem Werkvertrag in seinem Wesen ähnlich; zwei Vertragstypen also, bei denen von jeher zwischen teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung differenziert wurde. Bei dem Versuch, Schlechtleistung und teilweise Nichtleistung voneinander abzugrenzen, stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen. Die Abgrenzung ließe sich einmal anhand der Rechtsfolgen entwickeln, die Schlechtleistung und teilweise Nichtleistung nach sich ziehen. Es ist aber auch eine Differenzierung möglich, die vom Tatbestand ausgeht. Freilich sind „tatbestandliche“ Begriffsbildungen, die ohne Bezug zur Rechtsfolge und zum Zweck der und entsprechend von Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 347. Gegen die Gleichstellung (auch im Kauf- und Werkvertragsrecht); Canaris, JZ 2001, 499, 513 f.; Dauner-Lieb/Arnold/ Dötsch/Kitz, Fälle, S. 130 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 1. (S. 192); Lorenz/ Riehm, Schuldrecht, Rn. 219 f., 496, 519, 540; Schlechtriem, in: Ernst/Zimmermann, S. 205, 214; Grigoleit/Riehm, ZGS 2002 , 115 ff.; Kindl, WM 2002, 1313, 1320 f.; Schwab/Witt/Mattheus, Examenswissen, S. 114; Erman/H. P. Westermann § 323 Rn. 9; Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 629, 709; Thier, AcP 203 (2003), 399, 425 f. Differenzierend MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 216. 11 So auch Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 281 Rn. 58. 12 Auf das systematische Argument verweisen auch Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 219. 13 Damit soll nicht gesagt sein, daß allgemein die von den §§ 434 Abs. 3 BGB, 633 Abs. 2 S. 3 BGB erfaßten Fälle der Lieferung oder Herstellung einer „zu geringen Menge“ mit denen der „Teilleistung“ identisch sind. Ob und welche Überschneidungen hier bestehen, ist jedoch eine Frage des Werkvertrag- und des Kaufrechts, die an dieser Stelle nicht zu erörtern ist. 14 Unten Zweiter Teil, § 5 III. 2, S. 384 ff.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Norm vorgenommen werden, in der juristischen Methodenlehre kritisiert worden. Gerade im Arbeitsrecht sind Stimmen laut geworden, die eine „ontologisch-phänomenologische Begriffsbildung“ als eine nach aristotelischem Denkmuster „zweckfreie Wesensdefinition“ ablehnen.15 Richtig ist, daß eine Begriffsbildung anhand des Sinnzusammenhanges zwischen Tatbestand und Rechtsfolge vorzunehmen ist.16 Da sich der Sinnzusammenhang nur über den Normzweck erschließt, ist diese Forderung nichts anderes als die berechtigte Forderung nach teleologischer Gesetzesauslegung.17 Der engere Sinnzusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge ist freilich nur dann für die Auslegung hilfreich, wenn die Rechtsfolgen überhaupt feststehen. Dies ist gerade für die besonders relevante Frage nach dem (teilweisen) Wegfall der Vergütungspflicht des Dienstberechtigten nicht der Fall. So gewährt zwar § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB im Falle der teilweisen Nichtleistung dem Gläubiger ein Minderungsrecht. Für die Schlechtleistung ist jedoch (auch über § 326 Abs. 1 S. 2 BGB) 18 keine ähnlich eindeutige Rechtsfolgenanordnung getroffen. Entschiede man sich zunächst für eine bestimmte Rechtsfolgenanordnung, könnte diese Entscheidung nur „blind“, also ohne Kenntnis der jeweils unter die Tatbestände zu subsumierenden Sachverhalte, getroffen werden. Dies wäre hinnehmbar, wenn zumindest in groben Umrissen klar wäre, wie Schlechtleistung und teilweise Nichtleistung überhaupt und insbesondere für den Dienstvertrag voneinander abgrenzbar sind. Der Grenzverlauf war jedoch schon vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz kaum erkennbar und ist nunmehr völlig in Nebel gehüllt.19 Wollte man also zunächst über die Rechtsfolgen entscheiden, bliebe nur die Möglichkeit, später die tatbestandliche Abgrenzung so auszurichten, daß die Ergebnisse angemessen erscheinen. Diese Schwierigkeiten sollen vermieden werden, indem zuerst über die tatbestandliche Abgrenzung entschieden wird und erst im Anschluß die eintretenden Rechtsfolgen bestimmt und gewürdigt werden. Dies bedeutet freilich nicht, daß die Abgrenzung rein phänomenologisch vorgenommen wird. Auf Gesetzessystematik und Normzweck ist zu rekurrieren, wo immer sich aus ihnen mit einiger Sicherheit Schlüsse ziehen lassen.

15 Wank, Begriffsbildung, S. 144 m.w.Nachw.; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 23 ff. Bei der Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag wurde die Maßgeblichkeit der Rechtsfolge in der älteren Literatur vielfach kritisch betrachtet, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (1), S. 19, mit Fn. 43. Eine ähnliche Problematik stellt sich bei der Abgrenzung der Geschäftsbesorgungsverträge; für eine Abgrenzung anhand der Rechtsfolgen Isele, Geschäftsbesorgung, 1935, S. 96 ff. 16 Wank, Begriffsbildung, S. 87 ff., 90 ff. m.w.Nachw. 17 Vgl. dazu nur Larenz, Methodenlehre, Kapitel 4, 2. d), S. 333 m.w.Nachw. 18 Unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. b), S. 388 ff. 19 Vgl. oben Fn. 2.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

1. Kombinationsmöglichkeiten Geht man mit der gesetzlichen Grundlage davon aus, daß zwischen (teilweiser) Nicht- und Schlechtleistung zu differenzieren ist, müssen allerdings nicht nur die vier Fälle der ordnungsgemäßen Leistung, der teilweisen und vollständigen Nichtleistung und der Schlechtleistung unterschieden werden. Das Gesetz behandelt in den §§ 266, 281 Abs. 1 S. 2, 320 Abs. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2., Halbs., 420 BGB den Fall, daß der Schuldner die Leistung nur teilweise erbringt. Es ist also davon auszugehen, daß es Leistungen gibt, die in mindestens zwei Teile20 zerfallen können. Mit den genannten Vorschriften sind jedenfalls die Fälle erfaßt, in denen der Schuldner einen Teil der Verpflichtung ordnungsgemäß und er den anderen Teil der Verpflichtung gar nicht erfüllt. Wenn das Gesetz jedoch einerseits anerkennt, daß eine Leistung in mindestens zwei Teile zerfallen kann, und es andererseits davon ausgeht, daß eine Leistung ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht werden kann, muß es auch die Möglichkeit geben, daß eine Leistung teilweise schlecht erbracht wird. 21 Auch und gerade ein Dienstvertrag kann (mindestens) 22 in zwei Teile zerfallen. Beide Teile der Leistung können nun ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht werden. Damit ergeben sich sechs Kombinationsmöglichkeiten: 1. Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht ordnungsgemäß ordnungsgemäß nicht

2. Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht nicht schlecht schlecht

Die fünfte Kombinationsmöglichkeit, bei der ein Teil der Leistung ordnungsgemäß, der andere Teil jedoch schlecht erbracht wurde, wird allgemein auch also sog. Teilschlechtleistung bezeichnet. Gerade beim Dienstvertrag wird deutlich, daß die „schlechte“ Erbringung sich auch nur auf einen Teil der Gesamttätigkeit beziehen kann, so z. B. wenn die Qualität der Tätigkeit zum Ende des vereinbarten Zeitraums hin nachläßt, bis sie schließlich als Schlechtleistung qualifiziert werden muß. Das Gesetz macht die Differenzierung zwischen 20 Es sei erneut (§ 1, S. 8 f.) darauf hingewiesen, daß mit der Verwendung des Begriffs „Teil“ nicht gesagt werden soll, daß es sich bei dem Leistungsabschnitt um eine Teilleistung i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB handelt. Eine Teilleistung in diesem Sinne liegt nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, dazu unten Zweiter Teil, § 4 III., S. 241 ff. 21 Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 3., S. 277 ff. 22 Die Dienstleistung kann in unendlich viele Teile zerfallen, wodurch sich unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten von ordnungsgemäßen, nicht oder schlecht erbrachten Leistungsteilen ergeben. Weitere Erkenntnisse lassen sich daraus jedoch nicht gewinnen.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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der teilweisen und der vollständigen Schlechterfüllung allerdings nicht zwingend erforderlich. Denkbar ist, auf diesen Fall ausschließlich die Regelungen über die Schlechtleistung, also §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB, oder ausschließlich die Regelungen über die teilweise Nichtleistung, also §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB, anzuwenden. Denkbar ist aber auch, daß auf die Teilschlechtleistungen die Regelungen über die Teil- und die über die Schlechtleistung kumulativ Anwendung finden müssen. Über diese Abgrenzung ist erst an späterer Stelle zu entscheiden. 23 Der sechsten Kombinationsmöglichkeit, bei der nur ein Teil der Dienste erbracht wird und dieser Teil auch noch schlecht, wird in der Literatur bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt. Auch auf diese Fallkonstellation wird an späterer Stelle einzugehen sein. 24 Diese Kombinationsmöglichkeiten finden sich sowohl bei den zeitbezogenen wie bei den erfolgsbezogenen Dienstverträgen. Ein zeitbezogener Dienstvertrag wurde als ein Dienstvertrag definiert, bei welchem die Festlegung der Leistungsdauer für die Bestimmung des Leistungsumfangs zwingend erforderlich ist (z. B. Arbeitsvertrag, Vertrag über Unterricht, Bewachung, Betreuung). 25 Die Abhängigkeit des Leistungsumfangs von der Zeitdauer bringt es mit sich, daß die Frage der teilweisen Nicht- oder Schlechtleistung in aller Regel an das Moment der Zeit anknüpft. 26 Dabei bestehen die genannten sechs Möglichkeiten: Der Dienstverpflichtete kann die Leistung a) vollständig und ordnungsgemäß erbringen, er kann sie b) vollständig nicht erbringen, er kann sie c) vollständig schlecht erbringen, er kann d) einen Teil nicht erbringen, er kann e) einen Teil schlecht erbringen, und er kann f) einen Teil schlecht und den Rest gar nicht erbringen. Beispiel: Der Alleinunterhalter soll auf einer Festlichkeit von 20:00 bis 21:00 Uhr Schlagermusik auf seinem Keyboard spielen. 27 a) Er kommt und spielt, b) er kommt nicht, c) er kommt und spielt, jedoch ist seine Lautsprecheranlage defekt, so daß die Musik von häufigen Störgeräuschen unterbrochen wird, d) er legt verabredungswidrig 15 Minuten Pause ein, e) in den letzten 15 Minuten wird infolge eines Defekts in der Lautsprecheranlage die Musik von häufigen Störgeräuschen unterbrochen, f) er verspätet sich um 45 Minuten, die restliche Zeit wird infolge eines Defekts in der Lautsprecheranlage die Musik von häufigen Störgeräuschen unterbrochen.

Für den erfolgsbezogenen Dienstvertrag bestimmt sich hingegen der Leistungsumfang unabhängig von der Leistungsdauer (z. B. die Mehrzahl der VerUnten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2), S. 287 ff. Unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1) und c) (1), S. 281 ff. und S. 287 ff. 25 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. b) (1), S. 47 ff. 26 Unten Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1), S. 264 ff., auch zu den Ausnahmen. 27 Ein solcher Vertrag ist grundsätzlich als Dienstvertrag zu qualifizieren, vgl. AG Soest (Urt. v. 23. 6. 1995) NJW 1996, 1144; AG Ludwigslust (Urt. v. 14. 10. 2003) NJW 2005, 610. Zur Abgrenzungsproblematik bei der Beschäftigung von Musikern allgemein Staudinger/ Richardi (2005) Vor §§ 611 ff. Rn. 1333; Heinze NJW 1985, 2112 ff. 23 24

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

träge der Freien Berufe). Der Leistungsumfang bestimmt sich anhand des Zwecks, den der Dienstberechtigte mit der Tätigkeit verfolgt. Der Wert der Dienste bemißt sich für den Gläubiger vor allem daran, ob und in welchem Maße die Dienste zur Erreichung des vom Gläubiger erwünschten Erfolges geeignet sind. Auch für den erfolgsbezogenen Dienstvertrag bestehen die beschriebenen sechs Möglichkeiten: Beispiel: Ein Elektroinstallateur hat in Küche und Bad elektrische Leitungen verlegt. Der Rechtsanwalt soll die Werklohnforderung einklagen. a) Der Rechtsanwalt führt den Prozeß ordnungsgemäß, b) der Rechtsanwalt verliert die Akte und vergißt den Fall, c) der Rechtsanwalt erhebt Klage, im Rahmen der Beweisaufnahme mindert sein ungeschicktes Verhalten gegenüber den Zeugen jedoch die Erfolgsausichten, d) er erhebt Klage, vergißt aber, den Werklohn für die Elektroarbeiten im Bad einzuklagen, e) er erhebt Klage, bei der Vernehmung eines Zeugen über die Elektroarbeiten im Bad mindert sein ungeschicktes Verhalten gegenüber dem Zeugen die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung des Werklohns für die dort durchgeführten Elektroarbeiten, f) er erhebt Klage, vergißt aber den Werklohn für die Elektroarbeiten im Bad einzuklagen; hinsichtlich der Elektroarbeiten in der Küche mindert sein ungeschicktes Verhalten gegenüber den Zeugen die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung des Werklohns für die dort durchgeführten Elektroarbeiten.

2. Falschleistung Allerdings ließe sich neben oder innerhalb der Kategorien der Schlecht- und der Nichtleistung noch eine weitere Kategorie eröffnen: die der Falschleistung, also der Leistung eines aliuds. Vor allem im Arbeitsrecht ist die Qualifizierung einer Arbeitsleistung als aliud nicht unüblich. Hiermit werden in der Regel Fälle erfaßt, in welchen die erbrachte Arbeitsleistung so weit von einer ordnungsgemäßen Arbeitsleistung abweicht, daß sie nicht mehr als die geschuldete angesehen werden kann. Als Beispiel werden genannt: Der Baggerführer hebt weisungswidrig eine Grube auf einem benachbarten Stück Land aus; der Bauarbeiter betoniert weisungswidrig falsch; der Maler streicht die Wand weisungswidrig blau statt gelb, die Sekretärin schreibt das falsche Tonbanddiktat, der Monteur erscheint an der falschen Baustelle. 28 Mit der Qualifizierung der Leistung als aliud wird es möglich, Leistungen, die auf den ersten Blick nicht als Nichtleistung, sondern eher als Schlechtleistung erscheinen, als Nichtleistung zu behandeln. Der Dienstverpflichtete hat zwar geleistet, aber seine Leistung ist für den Dienstberechtigten unbrauchbar. Es erscheint daher im Ergebnis angebracht, daß der Dienstberechtigte von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung frei wird. Die Befreiung von der

28 Vgl. dazu unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 439 ff. Beispiele nach Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 23; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 8.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Vergütungspflicht bei Leistung eines sog. nicht genehmigungsfähigen aliuds wird gerade für den Arbeitsvertrag vertreten. 29 Denkbar wäre es nun, drei Kategorien zu eröffnen: Schlechtleistung, Nichtleistung und Falschleistung. Das offensichtliche Gegenargument gegen eine dritte Kategorie ist, daß sich die Abgrenzungsschwierigkeiten erhöhen, da eine neue Grenzziehung vorzunehmen ist, insbesondere wenn man sämtliche Kategorien weiter in ihre Unterfälle, also in vollständige und teilweise Schlecht-, Nicht- oder Falschleistung untergliedert. Eine solche weitere Grenzziehung ist vom Gesetz nicht vorgezeichnet. Sie führte lediglich zu einer unnötigen Verkomplizierung auf der Tatbestandsseite. Dieser Effekt könnte allerdings vermieden werden, indem man die Grenze zwischen Schlecht- und Falschleistung fallenließe. Denkbar wäre es, die Fälle der Schlecht- und die Fälle der aliud-Leistung gleich zu behandeln, und zwar indem man die für die Schlechtleistung angeordneten Rechtsfolgen anwendete. Es wäre dann nicht mehr notwendig zu entscheiden, ob z. B. Nachhilfe in Mathematik statt in Englisch eine Schlechtleistung oder ein aliud (und damit eine Nichtleistung) ist. Die Grenze verliefe allein zwischen der Gruppe von Schlecht- und Falschleistung und der „reinen“30 Nichtleistung (z. B. Nachhilfelehrer erscheint gar nicht). Statt der bisher vorgestellten Untergliederung ordnungsgemäße Tätigkeit

schlechte Tätigkeit

Nichttätigkeit (darunter auch falsche Tätigkeit)

vollständige

vollständige

vollständige

teilweise

teilweise

wäre die Grenze also verschoben: ordnungsgemäße Tätigkeit

schlechte Tätigkeit und falsche Tätigkeit

„reine“ Nichttätigkeit

vollständige

vollständige

vollständige

teilweise

teilweise

Diese Verschiebung der Grenze erscheint zunächst fernliegend. Genau dieser Weg wurde jedoch im BGB, zumindest seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, für den Kauf- und für den Werkvertrag eingeschlagen. Nach § 434 Abs. 3 BGB und § 633 Abs. 2 S. 3 BGB sind Sachmangel und Falschlieferung (sowie die sog. Quantitätsabweichung) 31 gleich zu behandeln. Die Grenze ist hier allein zur „reinen“ Nichtleistung zu ziehen. Bereits vor der Änderung des Gesetzes war die Gleichbehandlung von aliud und fehlerhafter Sache für den Kaufvertrag von weiten Teilen der Literatur gefordert worden, alVgl. die in § 6 Fn. 41 Genannten. Begriff nach Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 129. 31 Für die Quantitätsabweichung scheidet eine analoge Anwendung der § 434 Abs. 3 BGB und § 633 Abs. 2 S. 3 BGB aus, dazu oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 205 f. 29

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lerdings überwiegend nur für das (nach § 378 HGB a. F.) sog. genehmigungsfähige aliud. Die Interessenlagen seien in beiden Fällen gleich; die Anknüpfung unterschiedlicher Rechtsfolgen sei daher unangemessen.32 Die Grenze verlief für diese Ansicht also zwischen den Fällen der mangelhaften Leistung und der Leistung eines genehmigungsfähigen aliuds und den Fällen der Leistung eines nicht genehmigungsfähigen aliuds und der „reinen“ Nichtleistung. Auch für die aktuelle Rechtslage wird vereinzelt vertreten, daß das nicht genehmigungsfähige aliud weiterhin von der Gleichbehandlung auszunehmen sei.33 Ein solches Modell, das auf die Genehmigungsfähigkeit des aliuds abstellt, ist jedoch keine echte Alternative zu dem bisher vorgestellten. Es schafft keine eigene Kategorie der Falschleistung, sondern ordnet lediglich die (seltenen) Fälle des genehmigungsfähigen aliuds der Schlechtleistung zu.

Das Gesetz nimmt die Gleichstellung von aliud und Schlechtleistung für den Kauf- und den Werkvertrag freilich vor dem Hintergrund der speziellen gesetzlichen Bestimmungen über die Schlechtleistung bei diesen Vertragstypen vor. Solche, auf die Besonderheiten der jeweiligen Vertragstypen abzielenden Regelungen für die Schlechtleistung enthält das Dienstvertragsrecht nicht. Vielmehr muß für den Dienstvertrag auf die allgemeinen Vorschriften zurückgegriffen werden, wobei deren Anwendung wiederum besondere Schwierigkeiten macht. 34 Diese Umstände sprechen zwar gegen eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Schlechtleistung auf die Fälle der aliud-Leistung für den Dienstvertrag. Sie hindern aber die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Ausdehnung nicht. Sollte sich eine solche Gleichstellung als wesentliche Vereinfachung auf der Tatbestandsseite erweisen, könnte dies die Schwierigkeiten auf der Rechtsfolgenseite möglicherweise aufwiegen. Eine solche Vereinfachung auf der Tatbestandsseite tritt jedoch, wie die folgenden einfachen Beispiele zeigen, nicht ein: Beispiele: 35 a) Der Nachhilfelehrer ist in seine Lektüre vertieft und erscheint nicht zur vereinbarten Stunde. b) Der Nachhilfelehrer erscheint bei einem anderen Schüler, mit dem er eine Stunde später verabredet ist; er unterrichtet diesen. c) Der Nachhilfelehrer erscheint beim richtigen Schüler; während der Unterrichtszeit bewundert er aber lediglich die Sammlung antiquarischer Bücher des Hausherrn. d) Der Nachhilfelehrer er32 So jedenfalls für die Gleichbehandlung des sog. genehmigungsfähigen aliuds: Heck, Schuldrecht, S. 277 f.; v. Caemmerer, FS Martin Wolff, S. 3, 4 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 5 IV. 3 b) bis d); Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 114 ff., 148; Larenz, Schuldrecht Besonderer Teil, Bd. 2, 1.Halbbd., § 41 IIII a. E.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 6. Aufl , Rn. 539 f. Ohne diese Einschränkung (im Ergebnis aber ähnlich): Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 124 ff. m.w.Nachw.; Heinrich Stoll, Akademie für Deutsches Recht, Protokolle der Ausschüsse, Bd. III. 3, S. 285 ff. Vgl. auch unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) b), S. 224 f. 33 Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 221; ähnlich Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 288; AnwKom-BGB/Büdenbender § 434 Rn. 20. Dagegen Brors JR 2002, 133, 135. 34 Vgl. insbesondere zur Frage der Minderung der Vergütung unten Zweiter Teil, § 5 III. 3., S. 387 ff. 35 Das Beispiel des Nachhilfeunterrichts ist seit jeher überaus beliebt: Vgl. nur Titze, Unmöglicheit, S. 23; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 10 V. 6.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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scheint; statt des vereinbarten Englischunterrichts gibt er aber eine Stunde in Mathematik. e) Der Nachhilfelehrer erscheint; er ist jedoch heiser, so daß der Schüler dem Unterricht kaum folgen kann.

Offensichtlich erweist sich das Modell der §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB für den Dienstvertrag als wenig trennscharf. Zwar lassen sich die Beispiele e) und d) leicht der Gruppe der Schlecht- bzw. Falschleistung zuordnen. Im Fall a) scheint eine typische „reine“ Nichtleistung vorzuliegen, doch läßt sich letztlich nicht klar bestimmen, warum und in welcher Weise sich dieser Fall von den Fällen b) bis d) unterscheiden sollte. Diese Schwierigkeiten sind bedingt durch die Art der Leistung. Der Dienstverpfl ichtete schuldet eine Tätigkeit. Solange der Dienstverpflichtete nun zu einem willensgesteuerten Tun noch in der Lage ist, tut er stets irgendetwas. D.h. auch der Dienstverpflichtete, der gar nicht erst am Leistungsort zur vereinbarten Leistungszeit erscheint, erbringt irgendeine Tätigkeit. Auch diese Tätigkeit ist ein „aliud“ zu der geschuldeten. Anders als bei Verträgen über die Lieferung oder Herstellung einer Sache liegt also (sofern die Leistung nicht ordnungsgemäß ist oder eine Schlechtleistung) immer eine Falschleistung vor. Jede Nichtleistung könnte als Leistung eines aliuds qualifiziert werden, vice versa. Eine Grenzziehung zwischen aliud und „reiner“ Nichtleistung sollte daher für den Dienstvertrag unterbleiben. Einwenden ließe sich lediglich, daß (möglicherweise) die Fälle der „reinen“ Nichtleistung und die Fälle der aliud-Leistung unterschiedliche Merkmale aufweisen. So hat in den typischen Fällen der aliud-Leistung der Schuldner oftmals den Willen, seine Schuld mit einer bestimmten Tätigkeit zu tilgen, und deshalb ist diese Tätigkeit der geschuldeten oft auch ähnlich. Bei den „normalen“ Fällen der Nichtleistung fehlt dem Schuldner oft schon der Wille, überhaupt irgendeine Tätigkeit zu erbringen, die der geschuldeten nahekommt. Auf diese typischerweise auftretenden subjektiven Merkmale kommt es jedoch für die hier zu treffende Abgrenzung nicht an. Es geht allein darum festzustellen, ob eine Nichtleistung vorliegt, ob also der Schuldner das geschuldete Pflichtenprogramm absolviert hat oder nicht. Für diese Feststellung ist die Frage, ob der Schuldner den Willen hatte, die Schuld zu erfüllen, gleichgültig. 36 Es spielt keine Rolle, ob der Schuldner den festen Willen hatte, seine Schuld nicht zu erfüllen: Absolviert er sein Leistungsprogramm entgegen seinem eigenen Willen, also irrtümlich, liegt eine Leistung vor. Hat er den festen Willen zu erfüllen, leistet er dann jedoch irrtümlich an einen anderen, liegt eine Nichtleistung vor. Der Wille des Schuldners, aber auch sonstige subjektive Merkmale des

36 So auch die sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung, vgl. BGH (Urt. v. 3. 12. 1990) NJW 1991, 1294, 1295; BGH (Urt. v. 22. 6. 1992) NJW 1992, 2698, 2699; Boehmer, Der Erfüllungswille, S. 41 ff.; MünchKomm/Wenzel § 362 Rn. 11 ff. m.w.Nachw. Anders die sog. Theorie der fi nalen Leistungsbewirkung: Beuthien, Zweckerreichung, S. 290; Gernhuber, Erfüllung, § 5 II. 8. m.w.Nachw.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Schuldners, spielen für die Beurteilung von Leistung, Nichtleistung und Schlechtleistung keine Rolle. 37 Es ist irreführend, wenn für den Kaufvertrag zur Lösung der Fälle, in denen ein sog. Totalaliud geliefert wird (z. B. Spielzeugauto statt LKW), auf den Willen des Schuldners abgestellt wird: Eine Gleichstellung von aliud und Schlechtleistung nach § 434 Abs. 3 BGB scheide aus, weil der Schuldner mit dieser Leistung nach dem objektiven Erklärungswert seines Verhaltens gar nicht auf die vertragliche Verpflichtung leiste.38 Man sollte jedoch den Anwendungsbereich der Gewährleistungsregeln nicht von der Tilgungsbestimmung und damit vom Willen des Schuldner abhängig machen. Der Gesetzgeber hat diesen Anwendungsbereich auch für Fälle eröffnet, in denen das gelieferte aliud nicht genehmigungsfähig, also für den Vertragszweck nicht mehr geeignet 39 ist. Das heißt, das Gewährleistungsrecht greift auch ein, wenn die Sache für den Gläubiger unbrauchbar und wertlos ist. Das erscheint vertretbar, da auch der geschuldete LKW so sehr mit Mängeln behaftet sein kann, daß er unbrauchbarer und weniger wert ist als ein Spielzeugauto. 40 Eine Korrektur dieses Ergebnisses sollte, sofern man sie überhaupt für notwendig hält, unmittelbar bei den Merkmalen der Unbrauchbarkeit und Wertlosigkeit, also letztlich bei der Genehmigungsfähigkeit des aliuds, ansetzen. 41

Im Ergebnis ist festzustellen, daß zwischen den „reinen“ Fällen der Nichtleistung und denen, die üblicherweise als aliud-Leistung verstanden werden, beim Dienstvertrag kein grundsätzlicher Unterschied besteht. Dies verbietet eine Untergliederung entsprechend der Regelungen in §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB, die eine Abgrenzung von Falschleistung und Nichtleistung erforderlich machen würde. Es verbietet sich aber auch jede anderweitige Kategorisierung, in der die Falschleistung als eigene Kategorie der „reinen“ Nichtleistung gegenübergestellt werden müßte. Die von der Literatur als aliud-Leistung zitierten Fälle bilden keine abgeschlossene tatbestandliche Gruppe, auf welche stets bestimmte Rechtsfolgen Anwendung finden müßten. Die Bezeichnung der in diesen Fällen genannten Leistung als „aliud“ ist vielmehr nichts als eine Etikettierung; die daraus gezogene Schlußfolgerung, es handele sich um eine Nichtleistung, ist eine bloße Behauptung. Interessant ist allein, daß in diesen Fällen eine 37

Das betont auch MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 1. Vgl. dazu auch oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff. 38 Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, 5, 66 ff.; Lorenz, JuS 2003, 36, 37 f.; MünchKomm/ H. P. Westermann § 434 Rn. 39. Auf einen solchen Erfüllungswillen scheint die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040, S. 216) abzustellen, wenn es dort heißt: „Voraussetzung für die Gleichstellung von Falsch- und Zuweniglieferung mit Sachmängeln ist, daß der Verkäufer die Leistung als Erfüllung seiner Pfl icht erbringt.“ Gegen die Maßgeblichkeit dieser Begründung Musielak, NJW 2003, 89, 91. Eine Gleichbehandlung mit dem Sachmangel lehnen in den Fällen der Verwechslung auch ab: Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 129; v. Caemmerer, FS Martin Wolff, S. 3, 8 ff. (jeweils zum alten Schuldrecht). 39 Vgl. BGH (Urt. v. 18. 9. 1985) NJW 1986, 659, 660. 40 Vgl. Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 125. 41 So Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 221. Gegen eine solche Auslegung spricht aber die Gesetzgebungsgeschichte, vgl. Musielak, NJW 2003, 89, 92.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Nichtleistung angenommen wird, obwohl zwischen geschuldeter und erbrachter Tätigkeit Ähnlichkeiten bestehen. Die Heranziehung der Figur der aliudLeistung beim Dienstvertrag macht damit deutlich, daß die Nichtleistung nicht beschränkt sein muß auf Fälle, in denen zwischen der erbrachten Tätigkeit und der geschuldeten überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr festgestellt werden können.

II. Vollständige Nichtleistung und vollständige Schlechtleistung 1. Einleitung Bevor auf die Abgrenzung von teilweiser Nicht- und teilweiser Schlechtleistung eingegangen werden kann, ist es notwendig, den grundsätzlichen Fall zu klären, nämlich die „einfache“ Abgrenzung der vollständigen Nicht- von der vollständigen Schlechtleistung. Diese Abgrenzung zeigt bereits ein breites Problemspektrum auf, wie nicht zuletzt ein Blick auf die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Differenzierungsansätze offenbart: Zunächst werden unproblematisch die Fälle der Nichtleistung zugeschlagen, bei denen der Dienstverpflichtete die vereinbarte Tätigkeit nicht aufnimmt. Auch in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung wird als klassischer Fall der (teilweisen) Nichtleistung genannt, daß der Arbeitnehmer zeitweise der Arbeit fern bleibt.42 Daneben werden die oben43 genannten Fälle der aliud-Leistung als Nichtleistung eingeordnet, bei welchen der Dienstverpflichtete zwar eine Leistung erbringt; diese ist jedoch eine andere als die geschuldete. Weiter sind die Fälle der „Scheinarbeit“ zu nennen, bei denen der Dienstverpflichtete die Erbringung der Leistung lediglich vortäuscht.44 Gerade im Arbeitsrecht sind solche Fälle nicht selten: der Arbeitnehmer gönnt sich selbst eine Pause, indem er den Eindruck erweckt, er arbeite, z. B. erledigt er private Post statt der Geschäftspost oder er „surft“ privat im Internet.45 Schließlich geht man von einer Nichtleistung aus, wenn der Dienstverpflichtete die Leistung der Dienste verweigert.46 Unter einer Schlechtleistung wird allgemein das qualitative Abweichen der erbrachten von der geschuldeten Leistung verstanden.47 Ein solches qualitatives Abweichen soll vor allem auch dann vorliegen, wenn das sog. Arbeitsergebnis mangelhaft ist oder ganz mißlingt.48 Beispielhaft werden im Arbeits42 43 44 45 46 47 48

Unten Dritter Teil, § 6 III. 2. a), S. 438 f. Oben Zweiter Teil, § 4 I. 2., S. 210 ff. Unten Dritter Teil, § 6 II. 2. und III. 2. b), S. 435 f. und S. 444. Beispiele bei Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 22. Unten Dritter Teil, § 6 II. 2., S. 435 f. MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 1, 10. Vgl. unten Dritter Teil, § 6 III. 2.b), S. 439 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

recht genannt: Der Schneidergeselle schneidet den Stoff schief zu, der Maurer hat nicht lotgerecht gemauert, der von der Sekretärin geschriebene Brief ist gespickt mit Rechtschreibfehlern.49 Im Arbeitsrecht werden darüber hinaus unter einer Schlechtleistung auch Fälle verstanden, in denen die sog. Leistungsintensität von der geschuldeten abweicht (sog. Langsamarbeit, Bummelei, passive Resistenz). Allerdings besteht über die Abgrenzung und Beurteilung dieser Fälle große Uneinigkeit. 50 Die in Rechtsprechung und Literatur vorgestellten Ansätze zur Differenzierung von Nicht- und Schlechtleistung stellen weniger Defi nitionen als vielmehr eine Zusammenschau von in der Praxis häufigen und wichtigen Konstellationen dar, in denen eine Nichtleistung oder Schlechtleistung vorliegen könnte. Sie lassen jedoch allenfalls durchschimmern, welche Gründe zu der Beurteilung als Nicht- oder Schlechtleistung führen mögen. Auch die gefundenen Ergebnisse überzeugen gerade in der Zusammenschau nicht recht: Warum z. B. soll eine Nichtleistung in Form der aliud-Leistung vorliegen, wenn der Arbeitnehmer die Wand blau statt gelb streicht; warum soll aber eine Schlechtleistung anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer die Wand zwar gelb streicht, dies aber nur so mangelhaft, daß ebenfalls ein erneuter Anstrich notwendig ist? Worin besteht der Unterschied zwischen der unberechtigten Einlegung von Pausen durch sog. Scheinarbeit und der Bummelei oder Langsamarbeit? Warum soll eine Schlechtleistung bei mangelhaftem oder mißlungenem Arbeitsergebnis vorliegen, wo der Dienstverpflichtete doch einen Leistungserfolg gerade nicht schuldet? Was macht also den Kern der Abgrenzung von Nichtleistung und Schlechtleistung beim Dienstvertrag aus? Zunächst sei daran erinnert, daß die versprochene Leistung beim Dienstvertrag, anders als eine Sachleistungsschuld, ihrem Inhalt nach nur rahmenmäßig bestimmt ist.51 Dem Dienstverpflichteten steht stets ein bestimmter Spielraum zu, innerhalb dessen er die Dienste noch ordnungsgemäß erbringen kann. 52 Erst wenn dieser Spielraum überschritten wird, liegt eine Schlecht- oder eine Nichtleistung vor. Eine Einordnung der Tätigkeit in die Kategorien der ordnungsgemäßen, der Schlecht- oder Nichtleistung ist in aller Regel auch notwendig. Ein Spezifikum der dienstvertraglichen Verpfl ichtung ist, daß so gut wie immer eine Tätigkeit vorliegt, über deren Bewertung zu entscheiden ist. Wie bereits bei der Darstellung der aliud-Leistung beschrieben, 53 tut der Dienstverpflichtete, solange er noch willensgesteuert handeln kann, stets irgendetwas. In aller Regel liegt also eine Tätigkeit des Dienstverpflichteten vor, und es ist daher notwendig zu ent49 50 51 52 53

Beispiele bei Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 2. Dazu unten Dritter Teil, § 6 III. 2. c), S. 445 ff. Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (1) (a), S. 96 ff. Oben Erster Teil, § 3 II. 1. a) (2) (a) (aa), S. 111 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 I. 2, S. 213 ff.

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scheiden, ob diese Tätigkeit noch dem Kreis der Tätigkeiten zugeordnet werden kann, die eine ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung darstellen, und wenn nicht, ob sie dem Tatbestand der Nicht- oder dem Tatbestand der Schlechtleistungen zuzuordnen ist. 2. Unterscheidung durch Identifi kation Nach der Wortwahl des Gesetzes in §§ 323 Abs. 1, Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB liegt eine Schlechtleistung vor, wenn eine bzw. die „Leistung . . . nicht vertragsgemäß“ erbracht wird. Auch in § 326 Abs. 1 S. 2 BGB ist von „der nicht vertragsgemäßen Leistung“ die Rede. Im Umkehrschluß läßt sich der Beschreibung entnehmen, daß die Leistung zwar nicht vertragsgemäß, daß sie aber noch die geschuldete Leistung ist. Besonders deutlich wird das in § 281 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB, welcher die Schlechtleistung als „nicht wie geschuldet“54 erbracht beschreibt. M.a.W. es wurde die geschuldete Leistung erbracht, nur nicht in der geschuldeten Art und Weise. Bei der Schlechtleistung erbringt der Schuldner also noch die geschuldete Leistung, wenn auch schlecht. 55 Bei der Nichtleistung erbringt der Schuldner die geschuldete Leistung hingegen nicht, d. h. er erbringt entweder „gar nichts“, oder er erbringt eine Leistung, die überhaupt nicht mehr als die geschuldete qualifiziert werden kann, auch nicht mehr als „deren“ Schlechtleistung. Mit der Formulierung, daß der Schuldner bei der Schlechtleistung noch die geschuldete Leistung erbringt, soll nicht gesagt werden, daß seine Leistung erfüllungstauglich wäre, d. h. daß er seine Verpflichtung aus dem Vertrag durch eine Schlechtleistung erfüllen könnte. Wie oben bereits ausgeführt, 56 erfüllt der Schuldner durch eine Schlechtleistung seine Verpflichtung nicht; das gilt auch für den Dienstvertrag. Die Erfüllung scheitert bei Nicht- und Schlechtleistung aber unterschiedlich: Bei der Schlechtleistung sind lediglich bestimmte Eigenschaften der Leistung nicht vertragsgemäß; bei der Nichtleistung ist das, was erbracht wird, entweder „nichts“, oder es ist zumindest nicht mehr die geschuldete Leistung. Anders gesagt kann, was erbracht wird, nicht mehr als die Leistung identifiziert werden. Bei der Abgrenzung zwischen Nicht- und Schlechtleistung handelt es sich also maßgeblich um eine Frage der Identifikation. Kann die jeweilige Tätigkeit noch als die geschuldete identifiziert werden, oder ist sie schon so weit von der geschuldeten Tätigkeit entfernt, daß sie überhaupt nicht mehr als die geschuldete gelten kann, d. h. kann sie auch nicht mehr als die geschuldete Tätigkeit in ihrer Form als Schlechtleistung (oder in ihren unendlichen vielen Formen der Schlechtleistung) angesehen werden? 54

Hervorhebung durch Verf. So bereits für die alte Rechtslage W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 69. 56 Oben Erster Teil, § 3 I., S. 85 ff. 55

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Damit stellt sich die entscheidende Frage nach der Identifikation von Tätigkeiten. Im allgemeinen wird in der Parteivereinbarung die Art der Tätigkeit festgelegt, ggf. treffen die Parteien auch eine genauere Tätigkeitsbeschreibung. Anders gesagt legen die Parteien konkludent oder ausdrücklich gewisse Eigenschaften der Tätigkeit fest. Durch einige dieser Eigenschaften läßt sich die Tätigkeit identifizieren, andere hingegen sind weniger relevant, so daß ihr Fehlen lediglich eine Schlechtleistung begründen würde. Bevor auf diese Unterscheidung eingegangen wird, soll ein Überblick über mögliche Eigenschaften von Tätigkeiten gegeben werden. a) Identifikationsmerkmale An dieser Stelle erscheint es hilfreich, zunächst auf drei Kriterien zurückzugreifen, welche seit jeher für die Beschreibung von Leistungen im allgemeinen herangezogen wurden, nämlich das gegenständliche, das örtliche und das zeitliche Moment der Leistung. 57 Sie wurden zudem für eine andere Abgrenzung von Tätigkeitsgruppen herangezogen, nämlich für die Abgrenzung von selbständigem Dienstvertrag und Arbeitsvertrag, also die Abgrenzung zwischen selbständiger und abhängiger Tätigkeit. Für diese Abgrenzung wurde über Jahrzehnte hinweg auf das Weisungsrecht des Dienstberechtigten bezüglich der Zeit, des Orts und der Art und Weise der Tätigkeit abgestellt. 58 Das Weisungsrecht ist für die vorliegende Abgrenzung ohne Bedeutung. Interessant ist aber, daß der Umfang des Weisungsrechts in den drei Bereichen Zeit, Ort und Art und Weise der Tätigkeit geprüft wurde und wird. Diese drei Bereiche sind für die Definition einer Tätigkeit, mehr noch als für sonstige Leistungen, relevant. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch Unterschiede, insbesondere zwischen zeit- und erfolgsbezogenen Dienstverträgen. (1) Leistungsort Die Festlegung des Leistungsorts ist vor allem für den zeitbezogenen Dienstvertrag bedeutsam. Sie ist erforderlich, weil eine Tätigkeit „an sich“ für den Dienstberechtigten noch keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert. Die Tätigkeit muß den Dienstberechtigten vielmehr in irgendeiner Art und Weise „erreichen“. Dies macht es in der Regel erforderlich, daß ein auf der Seite des Dienstberechtigten stehendes sog. „Leistungssubstrat“59 räumlich mit dem 57 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 28 A. (S. 295); Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 8 f., 153, 193 ff.; Titze, Unmöglichkeit, 1900, S. 31; Lesser, Inhalt der Leistungspfl icht, S. 1 ff.; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 282 ff. 58 Oben Erster Teil, § 3 II. 1. b) (1), S. 123 ff. 59 Vgl. Picker, JZ 1985, 641 ff., 693 ff.; ders., FS Kissel, S. 813 ff. Auf die notwendige „Mitwirkung“ durch den Dienstverpfl ichteten weist auch hin: Bruns, AcP 178 (1978), 34, 39; Titze, Schuldverhältnisse, § 46 1.; Soergel/Kraft Vor § 611 Rn. 42.

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Dienstverpflichteten zusammentrifft. Dies ist ohne weiteres einsichtig bei zeitbezogenen Dienstverträgen, bei welchen der Dienstberechtigte in eigener Person das Leistungssubstrat darstellt, denn es ist dann erforderlich, daß der Dienstverpflichtete räumlich dem Leistungssubstrat begegnet (z. B. Unterrichtsvertrag, Vertrag über Behandlung durch Therapeut, Krankengymnast, Masseur, Vertrag über Training unterschiedlicher Sportarten, Dolmetschervertrag). Um „Leistungssubstrate“, die der Seite des Dienstberechtigten zuzuordnen sind, handelt es sich aber auch bei dem Dienstberechtigten „nahestehenden“ Personen (z. B. Vertrag über die Betreuung eines Kindes, über Altenpflege, über Beschattung von Personen) oder bei eigenen Sachen des Dienstberechtigten (z. B. Vertrag über die Bewachung von Objekten). Die Festlegung des Leistungsorts ist auch erforderlich, wenn weiter entfernte, aber „auf der Seite“ des Gläubigers stehende Personen (z. B. eigene Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter, Gäste des Dienstberechtigten oder durch ihn geworbenes Publikum) oder dem Gläubiger zuzuordnende Sachen (z. B. Gebäude) zum Gelingen der Leistung erforderlich sind (z. B. Vertrag mit Sänger, Musiker, Dirigent, Tänzer, Schauspieler, Artist, Intendant, Animateur, Alleinunterhalter, Fotomodell). In all diesen Fällen kann die geschuldete Tätigkeit nur ausgeführt werden, wenn der Dienstverpflichtete mit dem Dienstberechtigten oder dessen Substrat im weitesten Sinne zusammentrifft. Zeitbezogene Dienstverträge sind in diesem Sinne regelmäßig (gläubiger-)substratabhängig. Im Ergebnis sind kaum zeitbezogene Dienstverträge vorstellbar, bei welchen der Leistungsort nicht festgelegt werden muß. Demgegenüber ist bei „erfolgsbezogenen“ Dienstverträgen die Bestimmung des Leistungsorts nicht unbedingt erforderlich. Sie ist notwendig, wenn der Dienstberechtigte oder auf seiner Seite stehende Personen oder Sachen wiederum das Leistungssubstrat darstellen (z. B. Behandlungsvertrag mit Arzt, Heilpraktiker, Tierarzt, Hebamme); auch erfolgsbezogene Dienstverträge können also substratabhängig sein. Im übrigen definiert sich der Leistungsinhalt aber ausreichend über den angestrebten (wenn auch nicht geschuldeten) Erfolg (z. B. Vertrag mit Rechtsanwalt, Steuerberater, Anlageberater, Vermögensverwalter, Unternehmensberater, Geschäftsführer, Vermessungsingenieur, Sacherverständigem, Schriftleiter, Herausgeber, Handelsvertreter). Aber auch bei diesen Verträgen wird für bestimmte Teile der Tätigkeit die Vereinbarung eines Leistungsorts notwendig sein, weil der Dienstberechtigte oder auf seiner Seite stehende Personen oder Sachen wiederum Leistungssubstrat sind (z. B. Mandanten-, Kundengespräch). Der übrige, meist größere Teil der vereinbarten Tätigkeit besteht jedoch in aller Regel darin, daß der Dienstverpflichtete eine bestimmte gedankliche Leistung hervorbringt (z. B. Schriftsatz, mündlicher Vortrag). Anders als bei den zeitbezogenen Dienstverträgen verkörpert sich der Wert der Dienste in der Regel in diesen gedanklichen Leistungen. Eine Bestimmung des Leistungsorts für die Tätigkeit kann damit entfallen. Not-

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wendig ist meist nur, daß für die „Übergabe“ der verkörperten gedanklichen Leistung ein Ort festgelegt wird. (2) Leistungszeitraum Für den zeitbezogenen Dienstvertrag ebenso relevant, aber für das menschliche Denken weniger gut faßbar, ist die Leistungszeit. Da, wie eben gesehen, der zeitbezogene Dienstvertrag in aller Regel substratabhängig ist, ist es notwendig, daß ein auf der Seite des Dienstberechtigten stehendes Leistungssubstrat mit dem Dienstverpflichteten zusammentrifft. Es muß ein Zeitraum vereinbart werden, innerhalb dessen das Zusammentreffen stattfindet. Die Festlegung des Leistungszeitraums garantiert, daß die Tätigkeit den Dienstberechtigten überhaupt erreicht. Bei sämtlichen oben (unter (1)) genannten zeitbezogenen Tätigkeiten ist es erforderlich, daß der Dienstberechtigte selbst, ihm nahestehende Personen, seine Arbeitnehmer oder Mitarbeiter, seine Gäste oder „sein“ Publikum mit dem Dienstverpflichteten innerhalb des vereinbarten Zeitraums zusammentreffen. Nur in seltenen Ausnahmefällen bleibt die Leistungszeit der Festlegung durch den Dienstberechtigten (z. B. Betreuungsperson sagt zu, Betreuung eines Kindes „auf Abruf“ zu übernehmen) oder den Dienstverpflichteten (z. B. Patient ist bereit, den nächsten freien Termin des Heilpraktikers wahrzunehmen) 60 überlassen. Die Dimension der Zeit hat aber für die Festlegung des Leistungsinhalts des zeitbezogenen Dienstvertrages eine weitere Bedeutung. Nach der obigen Definition61 liegt ein zeitbezogener Dienstvertrag vor, wenn für die Bestimmung des Leistungsumfangs des Dienstverpfl ichteten die Festlegung einer bestimmten Zeitdauer zwingend erforderlich ist. Die Festlegung des Leistungszeitraums ist damit für den zeitbezogenen Dienstvertrag von zweifacher Bedeutung. Für den erfolgsbezogenen Dienstvertrag ist die Festlegung eines Leistungszeitraums hingegen weniger relevant. Sie ist, wie gerade (unter (1)) für den Leistungsort dargelegt, bei den substratabhängigen Dienstverträgen notwendig, also insbesondere bei medizinischen Behandlungen. (3) Leistungsinhalt Leistungsort und Leistungszeitraum sind im Grunde nur „Umstände“, unter denen die Tätigkeit erbracht wird; ihrer Festlegung bedarf es, damit Dienstberechtigter und Dienstverpflichteter, wo es notwendig ist, in Zeit und Raum zusammentreffen. Unter dem Leistungsinhalt ist hingegen die Tätigkeit selbst, sind ihre Merkmale oder Eigenschaften zu verstehen. Bei diesem Merkmal 60 Oft genug wird in diesen Fällen der Dienstverpfl ichtete erst mit der Benennung der Leistungszeit das Vertragsangebot machen. 61 Oben Erster Teil, § 2 II, S. 47 ff.

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kann nicht zwischen zeit- und erfolgsbezogenen Dienstverträgen differenziert werden. Jede Tätigkeit ließe sich durch unendlich viele Eigenschaften charakterisieren. Wenig gewinnbringend ist es, zwischen engeren „Beschaffenheitsmerkmalen“ der Tätigkeit und weiteren Merkmalen der Tätigkeit, die „ihre Beziehung zur Umwelt“ beschreiben, zu unterscheiden. 62 Vielmehr entzieht sich die Vielfalt der Eigenschaften einer Tätigkeit einer sinnvollen inhaltlichen Untergliederung. Allenfalls lassen sich die Eigenschaften phänomenologisch in zwei Gruppen aufteilen: Die eine Gruppe kann im Sinne eines Mehr oder Weniger vorhanden sein. Würde man über entsprechende Meßmethoden verfügen, 63 ließe sich die Eigenschaft auf der Meßskala an einem bestimmten Punkt eintragen; teilweise verfügt man auch über solche Meßmethoden. Diese Eigenschaften lassen sich als relativ bezeichnen. Beispiel: Übersetzung ist mehr oder weniger genau; Unterricht ist mehr oder weniger didaktisch vorbereitet; Sänger singt mehr oder weniger gut; Detektiv setzt mehr oder weniger gute technische Aufzeichnungsgeräte ein; Arzt vernäht Wunde mehr oder weniger gut; Schriftsatz des Rechtsanwalts ist mehr oder weniger gelungen.

Bei den relativen Eigenschaften muß ein bestimmtes Maß unterschritten werden, damit ein Ausfall der Eigenschaft angenommen werden kann. Für die Frage, ob die erbrachte Tätigkeit noch als Schlechtleistung oder ob sie bereits als Nichtleistung zu qualifizieren ist, bedürfte es bei diesen Eigenschaften also einer „Messung“. Für die andere Gruppe von Eigenschaften gilt hingegen, daß sie entweder vorhanden sind oder nicht. Solche Eigenschaften können als absolute Eigenschaften bezeichnet werden. Beispiele: Übersetzung erfolgt ins Englische oder nicht (z. B. in eine andere Sprache); Unterricht erfolgt in Mathematik oder nicht; Sänger singt bestimmte Arie oder andere; Detektiv beschattet richtige Person oder nicht; Arzt behandelt erkranktes Muttermal oder nicht; Rechtsanwalt berät auf Grundlage einer zutreffenden Anspruchsgrundlage oder nicht.

Diese Eigenschaften können nicht zu einem bestimmte Zeitpunkt im Sinne eines „Mehr oder Weniger“ vorhanden sein; sie lassen sich nicht messen. Sie können „Mehr oder Weniger“ nur in der Dimension der Zeit existieren. Es scheint nahezuliegen, beim Ausfall einer absoluten Eigenschaft die Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete zu qualifizieren, sondern als eine aliud-Leis62 Vgl. zur Erstreckung des Fehlerbegriffs auf Umweltbeziehungen (für das alte Kaufrecht): RG (Urt. v. 5. 10. 1939) RGZ 161, 332, 333 f.; BGH (Urt. v. 16. 4. 1969) BGHZ 52, 51, 53 ff.; BGH (Urt. v. 3. 7. 1992) NJW 1992, 2564, 2565, sowie Soergel/U. Huber § 459 Rn. 26 ff. m.w.Nachw. Zum neuen Kaufrecht Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 119, 124 ff. 63 Zu den Schwierigkeiten einer solchen Meßung auch unten Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 260.

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tung. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß diese Eigenschaften auch bloße Nebenaspekte betreffen können. Beispiele: Unterricht soll in bestimmtem Raum erfolgen; Sänger soll bestimmte Strophe auslassen; Vertragsentwurf soll auf bestimmtem Papier gedruckt werden.

Es ist deshalb zu einfach, beim Ausfall einer absoluten Eigenschaft stets von einer Nichtleistung auszugehen. Vielmehr bedarf es auch bei diesen Eigenschaften einer Beurteilung des Gewichts der fehlenden Eigenschaft. b) Methode der Unterscheidung (1) Die Funktion der Tätigkeit als Abgrenzungskriterium (a) Notwendigkeit normativer Abgrenzung Bei der Frage, ob eine Tätigkeit noch als die geschuldete identifiziert werden kann oder nicht, ist auf die Parteivereinbarung abzustellen. Wie oben dargestellt, 64 vereinbaren die Dienstvertragsparteien bei Vertragsschluß nur einen Leistungsrahmen. Die Vertragsparteien beschreiben die Art der Tätigkeit und vereinbaren, unter welchen Umständen sie erbracht werden soll. Darüber hinaus einigen sie sich ggf. darauf, daß die Tätigkeit bestimmte Eigenschaften aufweisen soll. Nachträglich wird der Schuldinhalt durch die Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Dienstberechtigten festgelegt. Im übrigen verbleibt es bei der Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten. Beispiel Dolmetschervertrag: Der Geschäftsmann verpfl ichtet den Dolmetscher für eine bestimmte Konferenz. Leistungsort und -zeitraum werden ausdrücklich festgelegt. Der Leistungsinhalt wird mit „Dolmetschen vom Deutschen ins Englische“ nur rudimentär ausdrücklich bestimmt; genau wird jedoch festgelegt, für wie viele Personen der Dolmetscher in der Konferenz zuständig sein soll. Konkludent wird anhand der Qualifikationen des Dolmetschers und anhand des von ihm geforderten Honorars ein gewisser Qualitätsstandard für die Tätigkeit an sich (Schnelligkeit und Genauigkeit der Übersetzung) vereinbart. Aufgrund des Auftretens des Dienstberechtigten und anderer Umstände wird ebenfalls konkludent bestimmt, wie das Erscheinungsbild des Dolmetschers auf der Konferenz sein soll (Kleidung usw.). Nicht geregelt werden z. B. Eigenschaften der Tätigkeit, die in der fachlichen Kompetenz des Dolmetschers verbleiben sollen (z. B. Vorrang von Schnelligkeit vor Genauigkeit bei der Übersetzung oder umgekehrt?).

Bei der Nicht- wie bei der Schlechtleistung bleibt nun die geleistete Tätigkeit hinter der Tätigkeit zurück, die von den Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde. Obiges Beispiel: a) Der Dolmetscher erscheint erst nach Abschluß der Konferenz, b) er findet sich im falschen Konferenzsaal ein, c) er übersetzt ins Französische, d) er über64

Oben Erster Teil, § 3 II. 1., S 95ff.

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setzt vollkommen unverständlich, e) er übersetzt schwerfällig und ungenau, f) er ist unangemessen gekleidet.

Die Frage, ob noch eine Schlechtleistung vorliegt oder ob die erbrachte Tätigkeit als Nichtleistung anzusehen ist, läßt sich nicht beantworten, indem sämtliche Eigenschaften der erbrachten Tätigkeit mit den Eigenschaften der geschuldeten Tätigkeit anhand eines objektiven Maßstabs saldiert werden. Zwar wird die Antwort davon abhängen, wie groß die Abweichung zwischen der „Istbeschaffenheit“ von der „Sollbeschaffenheit“ der Tätigkeit ist. Aber die Anzahl der fehlenden Eigenschaften der erbrachten Tätigkeit läßt sich nicht exakt bestimmen, und selbst wenn man sich auf eine Meßmethode einigte, ließe sich von der Anzahl fehlender Eigenschaften nicht auf die „Größe“ der Differenz schließen. Ob eine Tätigkeit noch die geschuldete ist oder nicht mehr, kann nicht ermittelt werden, indem man gedanklich die erbrachte und die geschuldete Tätigkeit wie zwei Filme nebeneinander ablaufen läßt und nach dem Vergleich anhand einer „objektiven“ Subtraktionsmethode die Größe der Abweichung ermittelt. (b) Abgrenzung bei anderen Vertragstypen Die Abgrenzung ist also normativ auf Grundlage der Parteivereinbarung vorzunehmen. Daß die Beurteilung von Nicht- und Schlechtleistung von der Parteivereinbarung auszugehen hat, ist selbstverständlich und zeigt sich bei anderen Vertragstypen, insbesondere beim Kauf- und Werkvertrag. Das Gesetz nimmt zwar nicht unmittelbar zur Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung Stellung; es gibt jedoch Hinweise auf die Definition der Schlechtleistung. So kam es nach § 459 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. für die Bestimmung des Fehlers auf den „Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch“65 an. Auch die herrschende Meinung in der Literatur stellte darauf ab, ob die Sache von der beim Vertragsschluß von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit war.66 In den § 434 Abs. 1 BGB und § 633 Abs. 2 BGB wird dieser sog. subjektive Fehlerbegriff übernommen. 67 Gewinnbringend ist dabei der Hinweis in S. 2 Nr. 1 beider Normen: Maßgeblich ist, ob sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.68 Auf die „Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch“ stellt auch für das Mietrecht § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ab. Für das Reisevertragsrecht ist in § 651c Abs. 1 BGB entsprechend formuliert: Die Reise darf nicht mit Fehlern behaftet 65

Hervorhebung durch Verf. RG (Urt. v. 11. 3. 1932) RGZ 135, 340, 342; RG (Urt. v. 5. 10. 1939) RGZ 161, 330, 334 f.; BGH (Urt. v. 18. 12. 1954) BGHZ 16, 54, 55; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 109 ff.; v. Caemmerer, FS Martin Wolff, S. 3, 15 ff.; Larenz, Schuldrecht Besonderer Teil, Bd. 2, 1.Halbbd., § 41 I a); Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 35 f. 67 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 212, 261. 68 Hervorhebung durch Verf. 66

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sein, „die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.“69 Das Gesetz geht also von der Grundannahme aus, daß mit der Leistung ein bestimmter Zweck verfolgt wird. Der Zweck ist zunächst nur dem Gläubiger bekannt. Macht der Gläubiger den Schuldner auf den Zweck aufmerksam oder ergibt sich aus den Umständen, welcher Zweck mit der Leistung verfolgt wird, so ist dieser Zweck für die Beurteilung der Leistung maßgeblich. Allerdings definiert das Gesetz in §§ 434 Abs. 1, 633 Abs. 2 BGB nicht die Schlechtleistung. Es sagt lediglich, unter welchen Umständen die Sache „frei von“ Mängeln ist. Eine Leistung, die nicht frei von Mängeln ist, kann jedoch eine Schlecht- oder eine Nichtleistung (ein aliud oder eine „reine“ Nichtleistung) sein. Um eine Definition der Schlechtleistung war der Gesetzgeber in § 651c Abs. 1 BGB bemüht. Die dortige Formulierung, nach der die Reise nicht mit Fehlern behaftet sein darf, „die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern“, scheint freilich mißglückt: Sie definiert nicht den Fehlerbegriff, sondern setzt einen weiten Fehlerbegriff voraus und schränkt den Anwendungsbereich der Norm anscheinend auf „spezielle“ Fehler ein. Ein „Fehler“, der die Tauglichkeit der Reise vollkommen aufhebt, kann zudem auch eine Nichtleistung begründen.

Auch wenn das Gesetz also keine klare Definition der Schlechtleistung liefert, läßt sich den Beschreibungen des Fehlerbegriffs für die unterschiedlichen Vertragstypen doch entnehmen, daß maßgeblich für die Frage, ob eine Schlechtleistung vorliegt, die Verwendbarkeit, Tauglichkeit oder Brauchbarkeit der Leistung für eben diesen Vertragszweck sein soll. Diese nach der Parteivereinbarung maßgebliche Verwendbarkeit, Tauglichkeit oder Brauchbarkeit der Sache entschied auch über die parallele Beurteilung von Schlecht- und Falschleistung. Die Differenzierung war vor allem für die Rechtslage nach altem Kaufrecht notwendig. Nach den damaligen gesetzlichen Vorgaben war offen, ob auf das aliud die Sachmängelvorschriften des Kaufrechts Anwendung finden sollten (so nunmehr § 434 Abs. 3 BGB) oder ob die Leistung eines aliuds als Nichtleistung nach den allgemeinen Vorschriften zu behandeln war. Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen kam es für die Unterscheidung „. . . in erster Linie auf den ausdrücklich vereinbarten oder dem Verkäufer wenigstens bekannten Vertragszweck . . .“70 an.71 Maßgeblich war also wiederum die Verwendbarkeit der Sache für den vereinbarten Vertragszweck. Allerdings begnügte man sich wie bereits erwähnt72 mit dieser Unterscheidung nicht. Die herrschende Ansicht entschied sich dafür, die Gruppe der ali69

Hervorhebung durch Verf. BGH (Urt. v. 18. 9. 1985) NJW 1986, 659, 660. 71 Staudinger/Ostler, 11. Aufl., (1955), § 459 Rn. 18. Vgl. auch Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 114 ff., der allerdings die Maßgeblichkeit des Zwecks nicht benennt. 72 Oben Zweiter Teil, § 4 I. 2., S. 211 f. 70

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ud-Leistungen weiter aufzuspalten. Man zog die Vorschrift des § 378 HGB a. F. heran, obwohl diese weder inhaltlich noch von ihrem Anwendungsbereich her einschlägig war. In dieser Vorschrift wurde auf die sog. Genehmigungsfähigkeit des aliuds abgestellt, so daß man die Falschleistung in die genehmigungsfähigen und die nicht genehmigungsfähigen aliud-Leistungen unterteilen konnte. Die ersteren sollten dem Sachmangel gleichgestellt werden, wohingegen die letzteren als Nichtleistungen wie die „reinen“ Nichtleistungen zu behandeln sein sollten.73 Eine Nichtleistung lag also nur vor, wenn die Ware – wie es in § 378 HGB a. F. formuliert war – „. . . offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte.“ Die Formulierung in § 378 HGB a. F. war darauf angelegt, Falschleistungen auszuschließen, in denen „. . . die gelieferte Sache mit der bestellten gar nichts gemein hat und offensichtlich für den Zweck des Käufers ohne Bedeutung ist“.74 Auch die Genehmigungsfähigkeit des aliuds hing also eng mit der Frage der Verwendbarkeit der Sache für den vereinbarten Vertragszweck zusammen. Es verwundert daher auch nicht, daß eine Leistung, die die Rechtsprechung einmal als Falschleistung eingestuft hatte, in aller Regel auch als nicht genehmigungsfähig i. S.des § 378 HGB a. F. klassifiziert wurde.75 Die Heranziehung des § 378 HGB a. F. kann also nicht darüber hinwegtäuschen, daß maßgeblich für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Nichtleistung die Frage war, ob die Sache für den vereinbarten Vertragszweck „verwendbar“, „brauchbar“, „tauglich“ oder „geeignet“ war. Dem liegt die Tatsache zugrunde, daß eine Sache, die sich für die vertraglich vereinbarte Verwendung oder den Gebrauch nicht eignet, für den Gläubiger regelmäßig wirtschaftlich ohne Wert ist. 76 Auf den wirtschaftlichen Wert kommt es jedoch nicht unbedingt an. Verfolgt der Gläubiger mit der Sache lediglich immaterielle Interessen, sind diese maßgeblich. Entscheidend ist, ob der Gläubiger die Sache entsprechend der vertraglichen Vereinbarung verwenden kann. Ist die Sache noch einsetzbar, auch wenn sie nur noch von reduziertem Nutzen ist, liegt nur eine Schlechtlieferung vor. Ist die Sache jedoch vollständig ungeeignet, ist ihre Lieferung soviel wert, als wäre nichts geliefert worden.

73 BGH (Urt. v. 20. 3. 1967) JZ 1967, 321, 322; BGH (Urt. v. 4. 12. 1968) NJW 1969, 787, 788. Vgl. weiter oben Fn. 32. 74 Denkschrift zum Entwurf eines HGB von 1897 und eines Einführungsgesetzes (zur Reichstagsvorlage), S. 226, Abdruck in Hahn/Mugdan, S. 378, Hervorhebung durch Verf. 75 Soergel/U. Huber Vor § 459 Rn. 112 m.Nachw. 76 Voraussetzung ist, daß der Verwendungszweck nicht nur ein Motiv des Gläubigers war, sondern der „Rechtsgrund durch zusätzliche Zweckbestimmung“ erweitert wurde, vgl. dazu unten Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (a), S. 228 ff.

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(c) Normative Abgrenzung beim Dienstvertrag Dieser Ansatz sollte auf „den Verkauf von Diensten“ übertragen werden. Wie oben dargestellt, 77 sind alle Dienstverträge „erfolgsgerichtet“, „zweckgerichtet“ oder „final“. Diese Beschreibungen der dienstvertraglichen Schuld sind zwar zutreffend. So könnte man auch für den Dienstvertrag auf die „Geeignetheit zur Erreichung des im Vertrag vorausgesetzten Vertragszwecks“ abstellen oder mit dem BGH danach fragen, ob die Tätigkeit „zur Erlangung“ der „mit dem Vertrag erstrebten Ergebnisse“78 geeignet war. Für die Beurteilung einer Tätigkeit sind allerdings die Termini „Verwendbarkeit“ oder „Brauchbarkeit für den vereinbarten Vertragszweck“ schon sprachlich nicht geeignet.79 Lediglich der im Reisevertragsrecht in § 651c Abs. 1 S. 1 BGB herangezogene Begriff der „Tauglichkeit“ für den im Vertrag vorausgesetzten „Nutzen“ ließe sich heranziehen; in vielen Fällen trifft der Begriff „Nutzen“ sprachlich jedoch nicht das Wesentliche.80 Solche Formulierungen bergen zudem die Gefahr, daß die Maßstäbe an die Geeignetheit zu hoch angesetzt werden, denn der Dienstverpflichtete schuldet die Erreichung des Erfolges eben nicht. Das Schulden einer erfolgsgerichteten Tätigkeit ist von der Schuld der Erfolgsherbeiführung streng zu trennen.81 Eine dem Dienstvertrag angemessenere Begrifflichkeit sollte daher weniger „erfolgsbezogen“ sein und stärker an den Prozeß der Erfolgsherbeiführung anknüpfen. Es wird daher vorgeschlagen, auf die Begriffe der „Geeignetheit“ der Tätigkeit für die nach dem Vertrag vorausgesetzte „Funktion“82 zurückzugreifen. Der Begriff der „Funktion“, der sowohl prozeß- als auch resultatsbezogen ist, erscheint hier besonders geeignet. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Schlecht- und Nichtleistung sollte daher die Frage sein, ob die erbrachte Tätigkeit noch geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen (funktionaler Nicht77

Oben Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 44 ff. BGH (Urt. v. 22. 5. 1990) NJW 1990, 2549, 2550. 79 Sprachlich schöner und in der Sache treffend spricht Lieb, Gutachten, S. 183, 210, 212 (wenn auch in einem nur ähnlichen Zusammenhang), von der Geeignetheit bzw. der Brauchbarkeit der Dienstleistung für die Erfüllung ihrer „Zwecke im Verwendungsplan des Dienstberechtigten“. Für die weitere Diskussion ist jedoch eine kürzere Umschreibung vorzuziehen. 80 Der Begriff „Nutzen“ scheint oft auf eine weitere wirtschaftliche Absicht des Gläubigers zu zielen. Schließt der Opernintendant mit dem Sänger einen Vertrag über einen Operettenabend, scheint der „Nutzen“ der vereinbarten Tätigkeit (Gesang) eher in der Einnahme von Eintrittsgeldern zu liegen. Die maßgebliche „Funktion“ der Tätigkeit liegt dagegen in der angemessenen Unterhaltung des Publikums. 81 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 44 ff. 82 Ähnlich Scherner, JZ 1971, 533, 536, zur Frage, ob eine unvollständige Leistung Teilleistung oder vollständige Nichtleistung ist. Eine äußerlich nur unvollkommene Leistungsstörung könne rechtlich als völlige qualifi ziert werden, „weil die Leistung ihre und damit der Vertrag seine soziale Funktion nicht mehr erfüllen kann, weil, was dasselbe ist, er vereitelt ist.“ Vgl. auch Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 7, der die Arbeit als die individuelle Funktion des Menschen bezeichnet. 78

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leistungsbegriff). Durch die Verwendung des Begriffs „geeignet“ soll wiederum klargestellt werden, daß es nicht darauf ankommt, ob die Funktion tatsächlich erfüllt wird; denn einen solchen „Erfolg“ der Funktion, also das „tatsächliche Funktionieren“, schuldet der Dienstverpflichtete nicht. Eine Tätigkeit, die zur Erfüllung der ihr von den Vertragsparteien zugedachten Funktion nicht mehr geeignet war, ist demnach als Nichtleistung zu verstehen. Sie kann nicht mehr als die geschuldete Leistung identifiziert werden. Eine Tätigkeit, die zur Erfüllung dieser Funktion (noch) geeignet war, ist noch als die geschuldete zu identifizieren; sie kann allenfalls eine Schlechtleistung oder eben eine ordnungsgemäße Tätigkeit sein. 83 (2) Vertretenmüssen Für die Abgrenzung zwischen Nicht- und Schlechtleistung ist es irrelevant, wer es zu vertreten hat, daß die Tätigkeit nicht mehr geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Eine Nichtleistung liegt also auch vor, wenn die Tätigkeit aus Gründen, die der Dienstberechtigte zu vertreten hat oder die in seine „Risikosphäre“ fallen, zur Erfüllung ihrer Funktion nicht mehr geeignet war. Diese Fälle sind im Dienstvertragsrecht häufig, da die zeitbezogenen Dienstverträge in der Regel, aber auch viele erfolgsbezogene Dienstverträge substratabhängig sind, d. h. ein Zusammentreffen (und Zusammenwirken) von Dienstverpfl ichtetem und Dienstberechtigtem oder von dessen Leistungssubstraten erfordern. 84 Eine Nichtleistung läge auch in den (praktisch selteneren) Fällen vor, in denen die Tätigkeit vorgenommen wird, obwohl das Leistungssubstrat nicht in einem geeigneten Zustand erscheint. Beispiele: Der Nachhilfeunterricht fi ndet statt, obwohl der Schüler aufgrund von Übermüdung dem Unterricht nicht folgen kann. Die Chorprobe findet statt, obwohl nur eine unzureichende Anzahl von Sängern erschienen ist. Die medizinische Behandlung erfolgt, obwohl bereits eine ausreichende Genesung eingetreten ist.

Dem äußeren Anschein nach liegt hier zwar eine ordnungsgemäße Tätigkeit vor. Die Frage, ob die erbrachte Tätigkeit noch geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, muß jedoch verneint werden. 85 Es kommt auch nicht darauf an, ob der Dienstverpfl ichtete erkannte 83 An dieser Stelle wird die Frage, ob die Leistung noch als (ordnungsgemäße) Teilleistung oder als Teilschlechtleistung gelten kann, ausgeklammert. Dazu erst unten Zweiter Teil, § 4 III. 3., S. 277 ff. 84 Vgl. oben § 4 II. 2. a) (1), S. 218 ff. Zur Frage, wer die Substratsgefahr zu tragen hat oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), und unten § 5 I. 2. a), S. 71 ff. und S. 349 ff. 85 Ähnlich U. Huber JuS 1972, 57, 61 f.: Unmöglichkeit, da die Tätigkeit sinnlos geworden sei. Anders aber, wenn die Leistung nur aus persönlichen Gründen für den Gläubiger unverwendbar wird. Bei den hierzu geschilderten Beispielen (zum Werkvertrag) geht es jedoch maßgeblich um die wirtschaftliche Verwendbarkeit, dazu sogleich unter (3) (a).

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oder fahrlässig nicht erkannte, daß das Leistungssubstrat sich in einem nicht geeigneten Zustand befand. Die Entscheidung, ob eine Nichtleistung oder eine Schlechtleistung vorliegt, ist rein objektiv zu beantworten. (3) Bestimmung der Funktion der Tätigkeit (a) Grundsätzliches Die Funktion der Tätigkeit ist durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Es kommt also zunächst nicht darauf an, welche Funktion die Tätigkeit gewöhnlich hat. Ausschlaggebend ist auch nicht die Funktion, die allein der Dienstberechtigte der Tätigkeit zugedacht hat, ohne daß diese Funktion für den Dienstverpflichteten ersichtlich geworden wäre. Umgekehrt ist auch die Vorstellung des Dienstverpfl ichteten nicht entscheidend, wenn er diese bei Vertragsschluß nicht zum Ausdruck gebracht hat. In beiden Fällen bleibt die angestrebte Funktion ein bloßes Motiv, sie wird nicht Inhalt des Vertrages und damit auch nicht Rechtsgrund der Verpfl ichtung. Zum Inhalt des Vertrages wird die Funktion in aller Regel schon dann, wenn für den Dienstverpflichteten ersichtlich ist, welche Funktion die Tätigkeit für den Gläubiger haben soll. Es ist zwar anzuerkennen, daß grundsätzlich der Verwendungszweck einer Leistung noch nicht allein aufgrund der bloßen Kenntnis des Schuldners zum Inhalt des Vertrages wird. Denn grundsätzlich ist es das Risiko des Gläubigers, ob er persönlich in der Lage ist, mit der Leistung die von ihm angestrebten (wirtschaftlichen) Zwecke zu erreichen. 86 Es ist jedoch zwischen der Erreichung des Vertragszwecks und der Tatsache zu differenzieren, daß sich die Leistung des Schuldners auf der Grundlage des Verwendungszwecks beurteilt. 87 Auch wenn das Erreichen des Verwendungszwecks nicht geschuldet wird, ist der Verwendungszweck der Maßstab, an dem sich bemißt, ob die Leistung eine Nicht- oder eine Schlechtleistung ist. Zumindest für den Dienstvertrag gilt, daß der Verwendungszweck als Maßstab schon Vertragsinhalt wird, wenn der Gläubiger von ihm Kenntnis erhält. Dies liegt daran, daß eine Leistung, die in einer Tätigkeit besteht, nur über ihren Verwendungszweck definiert werden kann. Vor ihrer Erbringung existiert die Tätigkeit nicht. Der spätere Dienstberechtigte ist also darauf angewiesen, die Tätigkeit bei Vertragsschluß zu beschreiben. Eine durch einen Menschen ausgeführte Tätigkeit als solche zu beschreiben ist jedoch äußerst schwierig. Zwar mögen die menschliche Sprache und technische Hilfsmittel hierfür theoretisch ein ausreichendes Instrumentarium anbieten. Im geschäftlichen Verkehr ist es indes völlig unüblich, und es wäre auch wirtschaftlich ganz unvernünftig, wollte der spätere Dienstberechtigte eine detaillierte Beschreibung 86 U. Huber, JuS 1972, 57, 59; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, 1. Teilbd., § 5 IV. (S. 94 und 96 f.); Beuthien, Zweckerreichung, S. 183. 87 In diese Richtung bereits Rabe, Lohnminderung, S. 19 ff.

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der Tätigkeit liefern, die er sich wünscht. Statt dessen begnügt er sich damit offenzulegen, welchen Zweck er mit der Tätigkeit erreichen will, welche Funktion die Tätigkeit also haben soll. Der Schuldner weiß, daß der Wert seiner Leistung davon abhängt, in welchem Maße seine Leistung zur Erreichung des Vertragszwecks geeignet ist. Damit wird der Vertragszweck als Maßstab für die Beurteilung der Leistung zum Inhalt des Vertrages. Der Zweck der Tätigkeit definiert so den geschuldeten Leistungsinhalt. Beispiel: A will nach Australien auswandern. Dafür ist es notwendig, daß A einen Sprachtest absolviert, mit dem er praktische Grundkenntnisse in der englischen Sprache nachweist. Sprachlehrer B soll A in 10 Doppelstunden speziell auf diesen Test vorbereiten. Die Funktion der geschuldeten Tätigkeit besteht darin, einen Unterricht zu erteilen, der unter normalen Umständen den Schüler ausreichend auf den Test vorbereitet. Maßstab für die Leistung des B ist der Verwendungszweck des A. Das Erreichen des Verwendungszwecks wird dadurch nicht selbst zum Vertragsinhalt. Die Tätigkeit des B wird also nicht dadurch zu einer Schlecht- oder Nichtleistung, daß A den Test nicht besteht oder vor Antritt der Prüfung das Testerfordernis überraschend aufgehoben wird.

In aller Regel bereitet es dem Dienstberechtigten keine Schwierigkeiten, dem Dienstverpflichteten zu verdeutlichen, welchen Zweck er mit der Tätigkeit beabsichtigt, welche Funktion sie also haben soll. Beim Kauf von Sachen kann zwischen den Parteien ohne weiteres unklar sein, wofür der Käufer die Sache verwenden will. Eine Sache kann schon wegen ihrer Dauerhaftigkeit auf vielfältige Weise einsetzbar sein. 88 Der Verkäufer erhält oft keinerlei Einblick in die Umstände, unter denen der Käufer die Sache einsetzen will. Für die Leistung von Diensten gilt das nicht. Wie oben gesehen,89 ist es für zeitbezogene Dienstverträge in aller Regel erforderlich, daß die Tätigkeit permanent in, an oder mit einem „Leistungssubstrat“ des Dienstberechtigten erfolgt. Auch bei den erfolgsbezogenen Dienstverträgen wird der Dienstverpflichtete eng mit dem „Leistungssubstrat“ sowie den sonstigen konkreten Umständen in Verbindung gebracht, unter welchen seine Leistung „wirken“ soll (z. B. ärztliche Behandlung, anwaltliche Beratung, Vermögensberatung, Gutachtertätigkeit). Für die Parteien eines Dienstvertrages steht damit in aller Regel fest, welcher Zweck mit der Tätigkeit verfolgt wird, und damit, welche Funktion die Dienste erfüllen sollen. Bestimmen die Parteien die Funktion der Tätigkeit weder ausdrücklich noch konkludent, ist subsidiär die Funktion maßgeblich, die die Tätigkeit gewöhnlich hat. Regelmäßig wird jedoch die gewöhnliche Funktion der Tätig-

88 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, 1. Teilbd., § 5 IV. 2., beschreiben Sachleistungsschulden als (zumeist) „verwendungsneutral“. Einschränkend dagegen Hirte, Berufshaftung, S. 359. 89 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (1) und (2), S. 218 ff.

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keit konkludent vereinbart.90 Fälle, in denen die Funktion der Tätigkeit weder durch die Parteien festgelegt ist und auch eine gewöhnliche Funktion der Tätigkeit nicht bestimmt werden kann, dürften in der Praxis kaum vorkommen. Problematisch bleiben allerdings Dienste, deren Funktion zwar bestimmbar ist, doch kann diese Bestimmung nur vage erfolgen. Gerade mit Tätigkeiten werden oft Zwecke verfolgt, die durch die menschliche Sprache nur sehr ungenau definiert werden können. Begriffe wie „gute Unterhaltung“ oder „Animation“ beschreiben Phänomene, welche sich einer Eingrenzung, Messung oder allgemeingültigen Beschreibung weitgehend entziehen. Dennoch läßt sich die Funktion der Tätigkeit eines Alleinunterhalters oder Animateurs kaum anderweitig bestimmen. Eine solche phänomenologische Unbestimmbarkeit der Funktion geht im Grundsatz zu Lasten des Dienstberechtigten; sie erweitert die Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten. Der Dienstberechtigte weiß bei Vertragsschluß um die Unbestimmbarkeit der Funktion der Tätigkeit. Will er sie vermeiden, muß er sich bei Vertragsschluß um eine nähere Definition bemühen (z. B. gute Unterhaltung durch Schlagermusik der 50iger Jahre91) oder nachträglich auf ausbedungene Weisungsrechte zurückgreifen. (b) Die Vereinbarung von bestimmten Eigenschaften der Tätigkeit Mit der oben genannten Definition ist freilich erst die Richtung gewiesen. Die enorme Vielgestaltigkeit der Dienstverträge macht es notwendig, die Bestimmung der Funktion einer Tätigkeit einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Dafür ist es notwendig, in einem ersten Schritt festzustellen, welche Eigenschaften die Soll-Tätigkeit nach der Vertragsvereinbarung hätte haben sollen. Mit diesen Eigenschaften hätte die Soll-Tätigkeit eine bestimmte Funktion erfüllen können. Obiges Beispiel: Die einwandfreie Übersetzung zur richtigen Zeit am vereinbarten Ort in die richtige Sprache soll die möglichst reibungslose Kommunikation unter den Konferenzteilnehmern ermöglichen.

Den Vertragsparteien ist es nun unbenommen, durch ausdrückliche oder konkludente Bestimmung von Eigenschaften, die die Tätigkeit haben soll, die Funktion zu konkretisieren. In aller Regel werden die Vertragsparteien als Eigenschaften zumindest den Leistungsort, den Leistungszeitraum und im groben den Inhalt der Tätigkeit festlegen. Die weiteren Eigenschaftsvereinbarungen werden den Leistungsinhalt betreffen. Sie können den eigentlichen Leistungskern (z. B. Übersetzung soll in einen bestimmten Dialekt der Sprache erfolgen) oder sonstige Umstände wesentlicher (z. B. Übersetzer soll eigenes Mikrofon mitbringen) oder nebensächlicher Art (z. B. Übersetzer soll Na90 Entsprechend für den Kaufvertrag (nach altem Recht) Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 119, 120. 91 Vgl. AG Ludwigslust (Urt. v. 14. 10. 2003) NJW 2005, 610.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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mensschild tragen) betreffen. Die Funktion der Tätigkeit wird durch alle diese Eigenschaftsvereinbarungen mitbestimmt, sie wird zunehmend konkretisiert. Die stärkere Konkretisierung der Funktion hat zur Folge, daß sie „störungsanfälliger“ wird. Denn fehlt der erbrachten Tätigkeit nun eine der vereinbarten Eigenschaften, ist sie möglicherweise nicht mehr geeignet, die (konkretisierte) Funktion zu erfüllen. Hier zeigt sich wieder, daß es nicht darauf ankommt, ob die erbrachte Tätigkeit bei objektiver Betrachtung geeignet war, das mit der Tätigkeit verfolgte (wirtschaftliche) Fernziel zu erreichen. Selbst wenn die erbrachte Tätigkeit das (wirtschaftliche) Fernziel tatsächlich erreicht hat, ist sie als Nichtleistung zu qualifizieren, wenn sie (ausnahmsweise) nicht geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. In diesen Fällen ist die Leistung ein aliud und damit eine Nichtleistung. Obiges Beispiel: Die Vertragsparteien legen fest, daß die Übersetzung ins Englische erfolgen soll. Der Dolmetscher übersetzt jedoch irrtümlich ins Französische. Die der Tätigkeit zugedachte Funktion bestand darin, eine Kommunikation in der englischen Sprache zu ermöglichen. Die erbrachte Tätigkeit war nicht geeignet, diese (konkretisierte) Funktion zu erfüllen. Sie ist eine Nichtleistung, selbst wenn im praktischen Fall die französische Sprache von den Konferenzteilnehmern ebenso gut (oder noch besser) verstanden wurde. Wertersatz für seine Leistung muß der Dolmetscher über §§ 812 ff. BGB oder § 638 i. V. m. § 1835 Abs. 3 analog BGB geltend machen. Weiteres Beispiel für eine Nichtleistung: Der Musiker soll zur Unterhaltung der Kurgäste ein bestimmtes Musikstück spielen.92 Er spielt ein anderes Stück, welches gleichermaßen (oder noch besser) zur Unterhaltung der Gäste beiträgt.

Je genauer also die Vertragsparteien die Eigenschaften der Tätigkeit festlegen, desto enger wird der Kreis der Tätigkeiten, die noch als erfüllungstaugliche, ordnungsgemäße Leistung gelten können, und desto enger wird damit auch der Kreis der Tätigkeiten, die noch als geschuldete Leistung, wenn auch als Schlechtleistung, identifiziert werden können. Eine möglichst umfassende Beschreibung der Tätigkeitseigenschaften führt dazu, daß die erbrachte Leistung eher als Nichtleistung zu bewerten ist. Ähnliches hat der BGH für das (frühere) Kaufrecht festgestellt: Es liege desto eher eine Falschlieferung vor, je genauer die Parteivereinbarung die Gattung begrenze.93 (aa) Falscher Leistungsort führt zu Nichtleistung Wie oben gesehen,94 ist die Vereinbarung eines Leistungsorts regelmäßig bei den zeitbezogenen Dienstverträgen und vielfach bei den erfolgsbezogenen Dienstverträgen notwendig, soweit nämlich der Dienstverpflichtete mit dem Dienstberechtigten oder dessen Leistungssubstrat räumlich zusammentreffen muß. Daher ist in all diesen Fällen eine Tätigkeit, die der Dienstverpflichtete 92 93 94

Zur Qualifikation solcher Verträge als Dienst- oder Werkvertrag vgl. oben Fn. 27. BGH (Urt. v. 23. 11. 1988) NJW 1989, 218, 219. Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (1), S. 218 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

am „falschen Ort“ erbringt, gleich wie hervorragend sie ausgeführt wird, grundsätzlich nicht geeignet, die im Vertrag vereinbarte Funktion zu erfüllen. Aus diesem Grunde liegt in aller Regel eine Nichtleistung vor. Ausnahmen sind denkbar, wenn es dem Dienstverpflichteten, z. B. mit Hilfe technischer Mittel, gelingt, seine Tätigkeit bzw. deren Wirkungen an den Leistungsort zu transportieren. In diesen Fällen ist er im technischen Sinne am Leistungsort präsent. In den theoretischen Fällen, in denen sich der Dienstverpfl ichtete irrtümlich am falschen Ort einfindet und er dort nur zufällig die (bzw. eine andere) Tätigkeit zum Nutzen des Dienstberechtigten ausüben kann, ist dagegen eine Nichtleistung anzunehmen, da es auf die im konkreten Vertrag getroffenen Vereinbarungen ankommt. Beispiel: 95 Der Geschäftsmann unterhält zeitgleich zwei Konferenzen. Der Dolmetscher ist für Raum A eingeteilt. Irrtümlich dolmetscht er in Raum B; der dort eingeteilte Dolmetscher war nicht erschienen. Der Irrtum wird nicht bemerkt. Es liegt eine Nichtleistung vor.

Denkbar ist es aber auch, daß die Parteien einen Leistungsort vereinbaren, ohne daß dies erforderlich wäre. Legen die Vertragsparteien einen Leistungsort fest, obwohl die Funktion der Tätigkeit auch von einem anderen Ort aus erfüllt werden könnte, führt das Nichterscheinen des Dienstverpflichteten am vereinbarten Leistungsort nur zu einer Schlechtleistung. Diese Fälle sind selten; sie könnten allerdings mit dem Anwachsen der technischen Möglichkeiten, die eine Überbrückung von Distanzen erlauben, zunehmen. Beispiele: (1) A beschäftigt B als sog. Web-Designer auf Grundlage eines selbständigen Dienstvertrages. B soll sog. Telearbeit erbringen. Sie vereinbaren, daß B zu Hause arbeiten soll, wo er über einen Internetanschluß verfügt. B arbeitet jedoch in seinem Ferienhaus in der Toskana, das ebenfalls einen Internetanschluß hat. (2) A stellt B als Geschäftsführer ein. Als Leistungsort wird das Verwaltungsgebäude in Mannheim festgelegt. B führt die Geschäfte jedoch vom Werksgebäude in Mainz aus.96 Die Tätigkeit des B ist in beiden Fällen keine Nicht-, sondern eine Schlechtleistung.

(bb) Falsche Leistungszeit führt zu Nichtleistung Unter einer „Leistung zur falschen Zeit“ werden an dieser Stelle nur Fälle verstanden, in denen der Dienstverpflichtete den Leistungszeitraum vollständig 95 Ähnliches Beispiel aus dem Arbeitsrecht und gleiches Ergebnis bereits Gewerbegericht Berlin (Urt. v. 16. 5. 1902), in: v. Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 123 Nr. 44 (Zettelverteilung in falscher Straße) und bei Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 36. 96 Demgegenüber hat der BGH im Urteil v. 11. 7. 1953, BGHZ 10, 187, 189, zutreffend eine Nichtleistung angenommen: Der Dienstverpfl ichtete sollte als Vorstandsmitglied in Berlin tätig werden; ihm wurde jedoch bis 1947 die Einreise nach Deutschland untersagt. Da die Tätigkeit als Vorstandsmitglied „den Einsatz der ganzen Person“ verlange, liege (vollständige) Unmöglichkeit vor.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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verfehlt. Der Dienstverpflichtete erbringt die Tätigkeit zeitlich in vollem Umfang – nur deckt sich die zeitliche Lage der Tätigkeit nicht mit dem vereinbarten Leistungszeitraum. Fälle, in denen der Dienstverpfl ichtete teilweise innerhalb des vereinbarten Leistungszeitraums tätig wird oder der zeitliche Leistungsumfang hinter dem geschuldeten zurückbleibt, werden erst später behandelt.97 Sofern bei einem zeitbezogenen oder erfolgsbezogenen Dienstvertrag der Dienstverpflichtete mit dem Dienstberechtigten oder seinem Leistungssubstrat zusammentreffen muß, ist die Vereinbarung eines Leistungszeitraums erforderlich. In diesen Fällen ist die Erbringung der Tätigkeit über die Dauer des Leistungszeitraums hinweg notwendig, um die vertraglich vereinbarte Funktion der Tätigkeit zu erfüllen. Wird eine Tätigkeit dennoch zur falschen Zeit erbracht, liegt eine Nichtleistung vor. Wie beim Leistungsort gilt dies nicht für den kaum vorstellbaren Fall, in welchem es dem Dienstverpfl ichteten ausnahmsweise mit Hilfe technischer Mittel gelingt, die zeitliche Distanz zu überwinden. Auch hier wäre er im technischen Sinne zur Leistungszeit ausreichend präsent.98 Wie parallel zum Leistungsort ausgeführt, ist auch in den theoretischen Fällen, in denen sich der Dienstverpflichtete zur falschen Zeit einfi ndet und er dennoch zufällig die (bzw. eine andere) Tätigkeit zum Nutzen des Dienstverpflichteten ausüben kann, eine Nichtleistung anzunehmen. Eine zur falschen Zeit erbrachte Leistung ist daher in der Regel nur dann keine Nichtleistung, wenn sich die Vertragsparteien auf ein Zusammentreffen außerhalb dieses Leistungszeitraums, also auf einen neuen Leistungszeitraum, einigen. Gelingt die Einigung nicht, bleibt es bei der Nichtleistung. Kommt es hingegen zu einer Einigung, noch bevor der ursprünglich vereinbarte Leistungszeitraum beginnt, liegt unproblematisch eine einvernehmliche Änderung des Vertrages vor. Die erbrachte Tätigkeit ist dann (soweit nicht andere Störungen auftreten) eine ordnungsgemäße Leistung. Gelingt die Einigung erst nachträglich, liegt bis zur Nachholung der Tätigkeit eine Nichtleistung und damit in der Regel Verzug99 des Dienstverpflichteten vor. Die nachgeholte Leistung ist dann eine Schlechtleistung; sie entspricht nicht dem Pfl ichtenprogramm, das die Parteien ursprünglich vereinbart hatten, auch wenn sie zwi-

97

Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a), S. 264 ff. Beispiel: Der Dolmetscher soll eine Rede des Geschäftsmanns übersetzen. Er erscheint einen Tag zu früh. Die Übersetzung kann jedoch auf Tonband aufgenommen und bei der Konferenz abgespielt werden. Es liegt (möglicherweise) nur eine Schlechtleistung vor. 99 Verzug tritt nach § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB ein. Mit der Einigung endet der Verzug nur, wenn durch sie die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben, d. h. wenn die Forderung gestundet werden soll. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Dazu MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, § 271 Rn. 21 ff. 98

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

schenzeitlich eine neue Vereinbarung über den Leistungszeitraum getroffen haben.100 Es gibt aber auch hier Ausnahmen. Denkbar sind auch Fälle, in denen eine Einigung der Vertragsparteien über die Verschiebung des Leistungszeitraums nicht vorliegt und dem Dienstverpflichteten dennoch eine Tätigkeit gelingt, die geeignet ist, die von den Vertragsparteien erstrebte Funktion zu erfüllen. Kurz gesagt: Er wird vereinbarungswidrig zur falschen Zeit tätig und schafft es dennoch, mehr als eine Nichtleistung zu erbringen. Beispiel: N soll S, den Sohn des V, regelmäßig montags von 15:00 bis 16:00 Uhr in Englisch unterrichten. S schreibt Ende März eine für ihn wichtige Klausur in Französisch. Zur Vorbereitung auf diese Klausur soll N den S an den ersten beiden Montagen im März ausnahmsweise in Französisch unterrichten. N meint irrtümlich, er solle die letzten beiden Montage im März Französisch unterrichten. Die Klausur wird erst nach dem Unterricht geschrieben. Die Funktion der Tätigkeit kann noch erfüllt werden; es liegt eine vollständige Schlechtleistung hinsichtlich des Französischunterrichts vor. (Hinsichtlich der zwei zu früh erbrachten Englisch-Stunden liegt eine vorzeitige Leistung vor, die dem Schuldner gem. § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel gestattet ist.101) Teilweise wird ein Leistungszeitraum von den Parteien benannt, ohne daß dieser für die Vertragsparteien oder zumindest für eine Vertragspartei bindend sein soll. Die Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung des Leistungszeitraums ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Beispiel: Zahnarzt und Patient vereinbaren, daß an einem bestimmten Tag eine Behandlung zwischen 15:00 und 16:00 Uhr durchgeführt werden soll. Hier wäre zu prüfen, ob tatsächlich ein Leistungszeitraum vereinbart wurde oder ob der Beginn der Behandlung durch den Zahnarzt möglicherweise nur unverbindlich in Aussicht gestellt wurde.102 Nähme man die Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung des Leistungszeitraums an, so müßte zumindest von einer konkludenten Vereinbarung über die zeitliche Verschiebung des Leistungszeitraums ausgegangen werden, wenn die Behandlung erst später beginnt. Trotz dieser Vereinbarung wäre die verzögerte Leistung des Arztes jedoch (mindestens) eine Schlechtleistung.

Möglich sind auch zeitbezogene Dienstverträge, in denen die der Tätigkeit von den Vertragsparteien zugedachte Funktion erfüllt werden kann, obwohl die Tätigkeit vereinbarungswidrig in einem abweichenden Leistungszeitraum erbracht wird. Das ist vor allem der Fall, wenn der Dienstverpfl ichtete die Gelegenheit hat, auf den Dienstberechtigten oder dessen Leistungssubstrate „zuzugreifen“. Beispiel 1: A vereinbart mit seinem älteren Sohn P, dieser möge seinem jüngeren Sohn S montags um 16:00 Uhr eine Stunde Nachhilfeunterricht erteilen. P unterrichtet S erst dienstags (a)) bzw. schon sonntags (b)). 100

Dazu auch unten Zweiter Teil, § 4 IV. 2, S. 320 ff. Zur vorzeitigen Leistungserbringung sogleich unter b). 102 Zu einem solchen Vorgehen Wertenbruch, MedR 1991, 167, 171 f. Grundsätzlich Picker, FS Kissel, S. 813, 825 f., 828 f. 101

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Beispiel 2: A nimmt eine Halbtagsbeschäftigung als selbständiger Rechtsanwalt103 für die Sozietät S auf. A soll zu Hause arbeiten, und zwar zum Zwecke telefonischer Erreichbarkeit nachmittags zwischen 14:00 und 17:00 Uhr. A arbeitet jedoch vormittags von 10:00 bis 13:00 Uhr.

Obwohl in diesen Fällen ein zeitbezogener Dienstvertrag vorliegt, ist eine Fixierung der Lage des Leistungszeitraums nicht unbedingt erforderlich. Da das Zusammentreffen zwischen Dienstverpflichtetem und Dienstberechtigtem bzw. dessen Leistungssubstrat auch außerhalb des Leistungszeitraums möglich ist, kann die Funktion der Tätigkeit auch außerhalb dieses Zeitraums erreicht werden. Mit der Vereinbarung des Leistungszeitraums verfolgen die Parteien nur unterstützende oder nebensächliche Aspekte. Nach dem oben zum Leistungsort Ausgeführten104 ist auch in diesen Fällen die außerhalb des Leistungszeitraums erbrachte Tätigkeit eine Schlechtleistung. Dabei ist allerdings zu beachten, daß das Gesetz für die vorzeitig und die verzögert erbrachte Leistung Sonderregelungen geschaffen hat.105 Es ist daher zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen die Leistung nachgeholt wird (Beispiel 1a)), den Fällen, in denen sie vorzeitig erbracht wird (Beispiel 1b)), und den Fällen, in denen diese Frage nicht, zumindest aber nicht leicht entschieden werden kann (Beispiel 2). a) Wird die Leistung nachgeholt, liegt bis zur Nachholung eine Nichtleistung vor. Die Frage ist, wie die „nachgeholte Leistung“ zu bewerten ist. Sie weicht von der ordnungsgemäßen Tätigkeit zum Nachteil des Gläubigers ab; einer Verschiebung des Leistungszeitraums hat der Dienstberechtigte niemals zugestimmt. Solange sie aber geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erreichen, ist sie eine Schlechtleistung. Es ist freilich zu beachten, daß das Gesetz diesen Fall gesondert als „Verzögerung der Leistung“ (§ 280 Abs. 2 BGB) behandelt. Zwar stellt auch die Verzögerung der Leistung eine Pflichtverletzung i. S. des § 280 Abs. 1 BGB dar.106 Die nachgeholte Leistung ist daher jedenfalls keine ordnungsgemäße Leistung. Will der Gläubiger aber Schadensersatz wegen der Verzögerung geltend machen, kann er dies gem. § 280 Abs. 2 BGB nur unter den Voraussetzungen des Verzugs (§ 286 BGB), d. h. grundsätzlich erst nach Mahnung (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Sonderbehandlung führt im Ergebnis zu einer Schlechterstellung des Dienstverpflichteten. Zwar wird der Schuldner durch die §§ 286 ff. BGB grundsätzlich bessergestellt, da der Verzug erst nach Mahnung eintritt. Da aber ein Leistungszeitraum vereinbart wurde, ist die Mahnung gem. § 286 103 Die Festlegung eines Leistungszeitraums ist freilich ein starkes Indiz für die Arbeitnehmerstellung, vgl. unten Erster Teil, § 2 II. 1. (4), S. 40 ff. 104 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (aa), S. 232. 105 Dazu ausführlich unten Zweiter Teil, § 4 IV., S. 318 ff. 106 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 11.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Mit dem Eintritt des Verzugs haftet der Dienstverpflichtete nun aber auch für Zufall; gesetzliche Haftungserleichterungen entfallen (§ 287 BGB).107 b) Eine Abweichungen von den dargelegten Grundsätzen ist notwendig, wenn die Leistung vorzeitig erbracht wird. Denn dem Schuldner ist „im Zweifel“ die vorzeitige Leistungserbringung gestattet (§ 271 Abs. 2 BGB); die vorzeitig erbrachte Leistung ist also ordnungsgemäß.108 Gerade bei zeitbezogenen Dienstverträgen kann jedoch etwas anderes gelten. Im Beispiel 1 (S. 234 ) mag es A aus erzieherischen Gründen für wichtig halten, daß S sich sonntags erholt. Ist die Tätigkeit dann trotz des zeitlichen Vorholens noch geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt eine bloße Schlechtleistung vor. g) Weniger eindeutig ist der Fall zu entscheiden, in dem der Dienstverpflichtete die Tätigkeit in mehreren Zeiträumen zu erbringen hat, er diese Leistungszeiträume allesamt verfehlt und seine Tätigkeit dennoch geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen.109 Unproblematisch ist es, wenn er die Tätigkeit insgesamt vor oder nach den vereinbarten Leistungszeiträumen erbringt. Dann gilt das unter a) und b) Ausgeführte. Möglich ist es jedoch auch, daß er zwischen den vereinbarten Leistungszeiträumen tätig wird. Hätte im obigen Beispiel 2 (S. 233) Rechtsanwalt A die Tätigkeit am ersten Tag vormittags aufgenommen, würde er die Tätigkeit jeden Tag vorzeitig erbringen. Hätten die Parteien eine Tätigkeit am Vormittag vereinbart, arbeitete A aber stets nachmittags, würde er die Tätigkeit beständig nachholen. Im zweiten Fall läge nach dem unter b) Ausgeführten allenfalls eine Schlechtleistung vor. Im ersten Fall wäre nach dem unter a) Ausgeführten eine ordnungsgemäße, aber verzögerte Leistung anzunehmen; in der Folge würde A in der gesamten Zeit auch für Zufall haften (§ 287 S. 2 BGB). Eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle erscheint jedoch nicht angezeigt. Es würde auch zu einer unnötigen Verkomplizierung führen, wollte man in anderen Fallen z. B. einzelne zeitliche Leistungen auseinanderdividieren und ggf. für einige von einer vorzeitigen, für andere von einer verspäteten Leistung mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen ausgehen. Vielmehr ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsreform ein „Einheitskonzept“ der Leistungsstörungen verfolgte, das durch den Störungsfall der schuldhaft verzögerten Leistung (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) durchbrochen wurde.110 Es ist im Dienst107

Unten Zweiter Teil, § 4 IV. 2., S. 320 ff. Unten Zweiter Teil, § 4 IV. 1., S. 318 ff. 109 Zu den Fällen eines teilweisen Verfehlens unten Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (bb) b), S. 268 ff. 110 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 11. 108

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vertragsrecht kein Grund ersichtlich, diese Sonderregel auch auf Fälle anzuwenden, in denen nicht oder nur schwer zu entscheiden ist, ob es sich um eine verzögerte oder um eine vorzeitige Erbringung der Tätigkeit handelt. Es erscheint vielmehr einfacher, in derartigen Zweifelsfällen insgesamt von der Regelung des § 271 Abs. 2 BGB auszugehen. Fixieren die Parteien, wie im Beispielsfall, den Leistungszeitraum, werden sie hierfür einen bestimmten Grund haben, so daß „im Zweifel“ ein Vorziehen der Leistung nicht gestattet ist. Leistet der Dienstverpflichtete dann außerhalb des Leistungszeitraums, liegt eine „normale“ Schlechtleistung vor; die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB finden keine Anwendung. (cc) Leistung mit falschem Inhalt Wie oben (unter (aa) und (bb)) gesehen, liegt in der Regel eine Nichtleistung vor, wenn der Dienstverpflichtete die Tätigkeit an einem falschen Leistungsort oder zur falschen Leistungszeit erbringt. Für den Leistungsinhalt kann eine solche Aussage nicht getroffen werden. Es muß vielmehr in jedem Einzelfall untersucht werden, ob eine Tätigkeit, deren Leistungsinhalt nicht dem vereinbarten Inhalt entspricht, noch als die geschuldete Tätigkeit identifiziert werden kann oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage ist in vielen Fällen nicht einfach. Zunächst ist festzustellen, welche inhaltlichen Eigenschaften die Tätigkeit nach der vertraglichen Vereinbarung hätte haben sollen, wie also die ordnungsgemäße Tätigkeit ausgesehen hätte. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob die erbrachte Tätigkeit hinter diesen Anforderungen zum Nachteil des Dienstberechtigten zurückgeblieben ist. Bejaht man diese Frage, ist nach den oben dargestellten Grundsätzen die der Tätigkeit von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu ermitteln. Zur Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung ist schließlich danach zu fragen, ob die erbrachte, inhaltlich abweichende Tätigkeit noch geeignet war, die ermittelte Funktion zu erfüllen. Die Schwierigkeit liegt in der enormen Vielfalt von Funktionen, die mit einer Tätigkeit verfolgt werden können, sowie in der noch größeren Mannigfaltigkeit von Eigenschaften, die eine Tätigkeit haben kann. Wie bereits angedeutet, besteht kaum die Möglichkeit, diese Eigenschaften inhaltlich zu klassifizieren. Es wurde jedoch eine Einteilung in absolute und relative Eigenschaften vorgeschlagen.111 Absolute Eigenschaften sind solche, die die Tätigkeit entweder aufweist oder nicht. Ihre Bewertung fällt damit verhältnismäßig leicht. Vereinbaren die Vertragsparteien solche Eigenschaften ausdrücklich, handelt es sich zumeist um Eigenschaften, die für die Erfüllung der Funktion der Tätigkeit relevant sind. Fehlt der erbrachten Tätigkeit dann die Eigenschaft, kann die ihr von den 111

Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (3), S. 221 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Vertragsparteien zugedachte Funktion oft nicht erfüllt werden, und es liegt eine Nichtleistung vor. Dies sind die typischen Fälle der aliud-Leistung. Der Dienstverpflichtete tut etwas zur rechten Zeit am rechten Ort – aber es ist das Falsche. Natürlich liegt eine Nichtleistung auch vor, wenn die erbrachte Tätigkeit mit der geschuldeten noch weniger Eigenschaften gemein hat (z. B. Übersetzer schweigt; Nachhilfelehrer schläft usw.). An dieser Stelle zeigt sich wiederum,112 daß die Klassifizierung einer Tätigkeit als aliud nicht sinnvoll ist. Fehlt der erbrachten Tätigkeit eine absolute Eigenschaft und ist die Tätigkeit trotzdem geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt eine Schlechtleistung vor (z. B. Unterricht erfolgt im falschen Raum; Vertragsentwurf wird auf falschem Papier gedruckt). Relative Eigenschaften sind solche, die im Sinne eines Mehr oder Weniger vorliegen können. Das Vorliegen der Eigenschaft läßt sich messen – sofern man über eine entsprechende Meßmethode verfügt. Relative Eigenschaften machen zumeist das aus, was im allgemeinen unter der „Qualität“ einer Dienstleistung verstanden wird. Obige Beispiele: Übersetzung ist mehr oder weniger genau; Unterricht ist mehr oder weniger didaktisch vorbereitet; Sänger singt mehr oder weniger gut. Beispiel Partnerschaftsvermittlung113 : Eine Nichtleistung liegt vor, wenn der Vermittler „die nach der Lebenserfahrung fundamentale Frage des sozialen Status“ des Auftraggebers, eines 34jährigen Frührentners, nicht mit potentiellen Interessentinnen abklärt. Beispiel Maurertätigkeit: 114 Der Dienstverpfl ichtete zieht die Mauer schief hoch, so daß sie wieder abgerissen werden muß. M. E. liegt eine Nichtleistung vor; in der Literatur wird die Einordnung als Schlechtleistung vorgeschlagen,115 allerdings für den Fall eines Arbeitsvertrages. Die Erörterung allgemeiner dienstvertraglicher Probleme anhand des Arbeitsvertrages verzerrt leicht das Bild. Wie unten auszuführen ist, läge bei einem Arbeitsvertrag nach hier vertretener Ansicht eine ordnungsgemäße Teilleistung und eine fehlende Teilleistung des Arbeitnehmers vor.116

Die relativen Eigenschaften einer Tätigkeit lassen sich innerhalb eines theoretischen Spektrums ansiedeln. Am einen Ende des Spektrums liegt die Eigenschaft (gemessen an der vertraglichen Vereinbarung) in optimaler Weise, am anderen Ende liegt die Eigenschaft gar nicht mehr vor. Beispiel: 117 Nachhilfelehrer unterrichtet eine Englischstunde nach üblichem Qualitätsstandard (ordnungsgemäße Leistung). Nachhilfelehrer liest ausschließlich selbst aus 112

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 I. 2., S. 210 ff. AG Bochum (Urt. v. 18. 09. 1990) NJW-RR 1991, 1207. Zur Abgrenzung von Schlechtund Nichtleistung hat das Gericht nicht Stellung genommen. 114 Beispiel nach Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. C 7. 115 Otto, ebenda. 116 Unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 439 ff. 117 Vgl. auch BAG (Urt. v. 5. 11. 1992) AuR 1993, 124 f., dazu unten Fn. 242, 433. 113

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dem Lehrbuch vor (Schlechtleistung). Nachhilfelehrer unterhält sich ausschließlich auf Deutsch mit dem Schüler über das aktuelle politische Geschehen (Nichtleistung).

Zuzugeben ist, daß zwischen der Schlechtleistung (Vorlesen) und der Nichtleistung (anderes Thema) theoretisch unendlich viele Fallgestaltungen liegen. Stellt man sich dabei einen kontinuierlichen Qualitätsabfall vor, mag es auf der Schnittstelle Fälle geben, die sich nicht „eindeutig“ zuordnen lassen. Dies sind die eigentlichen Grenzfälle und Übergangsformen. Gerade bei den relativen Eigenschaften, die (wie die Zeit) in einem bestimmten Maß vorliegen können, treten diese Abgrenzungsschwierigkeiten besonders zutage. Sie sind unvermeidbar. Indes dürfen diese Schwierigkeiten nicht dazu verleiten, die Grenze zwischen Schlecht- und Nichtleistung überhaupt oder aber an dieser Stelle zu leugnen (sog. Grenzenlosigkeitsschluß).118 (dd) Kombinationsmöglichkeiten Fälle, in denen der Dienstverpflichtete zur rechten Zeit am rechten Ort ist, er aber das Falsche tut, sind verhältnismäßig häufig. Die in der Praxis größte Gruppe von Fällen der vollständigen Nichtleistung sind die des „Nichterscheinens“, d. h. der Dienstverpflichtete wird weder zur rechten Zeit noch am rechten Ort tätig, noch tut er das Rechte. Von den genannten Identifikationsmerkmalen Leistungsort, Leistungszeit und Leistungsinhalt fallen also alle drei Eigenschaften aus. Es liegt eine Kombination der oben unter (aa) bis (cc) diskutierten Fallgestaltungen vor. Wie gesehen liegt bereits beim Ausfall der Identifikationsmerkmale Leistungsort oder Leistungszeit in aller Regel eine Nichtleistung vor. Deshalb ist es in der Praxis sehr selten, daß in den Fällen des vollständigen Nichterscheinens eine Schlechtleistung oder gar eine ordnungsgemäße Leistung vorliegt. Da die erbrachte Tätigkeit nicht geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt so gut wie immer eine Nichtleistung vor. 3. Ergebnis zu II. Beim Dienstvertrag liegt eine Nichtleistung vor, wenn die erbrachte Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete identifiziert werden kann. Als Schlechtleistung ist eine Tätigkeit anzusehen, die einerseits nicht „wie geschuldet“ erbracht

118 Vgl. U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 267: Das Argument des Grenzenlosigkeitsschlusses „ . . ., das den klarsten Unterschied, wie zwischen Tag und Nacht, durch den Hinweis auf die Dämmerung leugnen könnte, beruht in seiner allgemeinen Form auf einem Trugschluß und ist, wie für alle praktischen, so auch für alle theoretischen Zecke ganz unbrauchbar“. U. Huber bezieht sich seinerseits auf E. R. Huber, DÖV 1956, 200, 201; jener bezieht sich auf Carl Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, 1931, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, 1958, S. 140, 147 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

wird, also keine ordnungsgemäße Leistung darstellt, die aber andererseits noch als die geschuldete identifiziert werden kann. Ob eine Tätigkeit noch die geschuldete ist oder nicht, ist anhand der Funktion der geschuldeten Tätigkeit zu entscheiden. Diese Funktion ist durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln. Ist die Tätigkeit nicht mehr geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt eine Nichtleistung vor. Stellt die Tätigkeit keine ordnungsgemäße Leistung dar, ist sie aber noch geeignet, die ermittelte Funktion zu erfüllen, handelt es sich um eine Schlechtleistung. Fast alle zeitbezogenen, aber auch viele erfolgsbezogene Dienstverträge sind (gläubiger-)substratabhängig, d. h. die geschuldete Tätigkeit kann nur an bzw. mit dem Dienstberechtigten oder einem Substrat des Dienstberechtigten erbracht werden. Das bedeutet, daß der Dienstverpflichtete mit dem Dienstberechtigten bzw. dessen Substrat in Zeit und Raum zusammentreffen muß. Für diese Dienstverträge wird daher in aller Regel neben dem Leistungsinhalt ausdrücklich ein Leistungsort und ein Leistungszeitraum für die Tätigkeitserbringung vereinbart. Erscheint der Dienstverpfl ichtete nicht am vereinbarten Leistungsort oder hält er die vereinbarte Leistungszeit nicht ein, ist eine dennoch erbrachte Tätigkeit in der Regel nicht geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Eine Tätigkeit am falschen Ort oder zur falschen Zeit führt damit in der Regel zu einer Nichtleistung; kommen weitere Störungen hinzu, liegt eine Nichtleistung noch näher. Abgesehen von Ausnahmefällen kann es daher bei substratabhängigen Dienstverträgen nur zu einer Schlechtleistung kommen, wenn die Tätigkeit am vereinbarten Leistungsort zur vereinbarten Leistungszeit erbracht wird. Ob eine Schlechtleistung oder eine Nichtleistung vorliegt, ist auch dann anhand der Frage zu entscheiden, ob die Tätigkeit noch geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Bei den erfolgsbezogenen, weniger substratabhängigen Dienstverträgen, also solchen Verträgen, bei welchen der Dienstverpflichtete in der Hauptsache eine gedankliche Leistung (z. B. Schriftsatz, mündlicher Vortrag) hervorbringen soll, ist die Vereinbarung eines Leistungsorts und eines Leistungszeitraums für die Tätigkeit in der Regel nicht erforderlich, so daß eine solche Vereinbarung auch nicht getroffen werden wird. Die Tätigkeit des Dienstverpflichteten kann dann im wesentlichen nur inhaltliche Defizite aufweisen. Eine Nichtleistung liegt also nur vor, wenn die Tätigkeit inhaltlich nicht mehr geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Solange die Bemühungen des Dienstverpflichteten noch „tauglich“ sind, ist die Tätigkeit als Schlechtleistung zu bewerten. Substratabhängige, zeitbezogene Dienstverträge sind also wesentlich „störungsanfälliger“ als erfolgsbezogene, weniger substratabhängige Dienstverträge. Neben den inhaltlichen Anforderungen muß das Treffen zwischen Dienst-

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verpflichtetem und Dienstberechtigtem bzw. dessen Leistungssubstrat gelingen. Ein Scheitern führt ohne weiteres zur Nichtleistung, gleich wer das Scheitern zu vertreten hat. Dies ist der praktisch wichtigste Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes: Je mehr Eigenschaften die Vertragsparteien für eine Tätigkeit vereinbaren, desto stärker konkretisieren sie die Funktion der Tätigkeit. Je stärker die Funktion konkretisiert wird, desto „störungsanfälliger“ wird sie. Der Kreis der Tätigkeiten, die noch ordnungsgemäß wären, wird kleiner, ebenso der Kreis der Tätigkeiten, die geeignet wären, die Funktion zu erfüllen. Je genauer die Vertragsparteien die Tätigkeit regeln, desto eher liegt eine Schlecht- und desto eher liegt auch eine Nichtleistung vor.

III. Teilweise Nichtleistung und teilweise Schlechtleistung Unter II. wurde ein Vorschlag zur Unterscheidung der vollständigen Nichtvon der vollständigen Schlechtleistung gemacht. Wie aber schon unter I. dargestellt, kann eine Leistung aber in (mindestens) zwei Teile zerfallen. Von den dort genannten sechs Kombinationsmöglichkeiten 1. Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht ordnungsgemäß ordnungsgemäß nicht

2.Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht nicht schlecht schlecht

wurden unter II. also nur die Fallgestaltungen aus der zweiten und dritten Zeile voneinander abgegrenzt. Die Frage nach der Teilbarkeit von Leistungen, nach teilweiser Nicht- oder teilweiser Schlechtleistung wurde ausgeblendet. Bevor im einzelnen auf die Abgrenzung dieser Fallgruppen eingegangen wird, ist zunächst zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen das Leistungsprogramm eines Schuldners überhaupt in zwei oder mehr Teile zerfallen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen also eine Teilleistung vorliegt. Diese Frage ist für jede nicht ordnungsgemäße Leistung zu stellen. Ist die nicht ordnungsgemäße Leistung nach der obigen Definition als Schlechtleistung zu beurteilen, bleibt immer noch die Frage offen, ob durch sie nicht immerhin ein Teil der geschuldeten Tätigkeit ordnungsgemäß erbracht wurde. Die Gesamtleistung bestünde dann aus einer Kombination aus ordnungsgemäßer Teilleistung und schlecht erbrachter Teilleistung (fünfte Zeile). Soweit nach der obigen Definition eine Nichtleistung vorliegt, wurde die Prüfung der Nichtleistung ebenfalls nur in bezug auf die Gesamtleistung bezogen. Möglich ist aber auch,

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

daß durch die nicht ordnungsgemäße Leistung, die nicht geeignet ist, die ihr von den Parteien zugedachte Funktion zu erfüllen, zumindest ein Teil der Schuld ordnungsgemäß oder schlecht erfüllt wird (vierte und sechste Zeile). Diese Möglichkeiten ergeben sich aber nur, wenn die nicht ordnungsgemäße Leistung (in Ausschnitten oder insgesamt) als Teilleistung bewertet werden kann. Es ist daher in einem ersten Schritt zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die nicht ordnungsgemäße Leistung (auch) eine Teilleistung ist. Diese Frage wird in der Literatur allgemein unter dem Stichwort der „Teilbarkeit der Leistung“ diskutiert. Auch in der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, daß eine Teilleistung die „Teilbarkeit“ der Gesamtleistung voraussetze.119 Sie soll zunächst für Schuldverträge im allgemeinen beantwortet werden (unter 1.). Die gefundenen Ergebnisse werden im Anschluß auf den Dienstvertrag übertragen (unter 2.). 1. Die Teilbarkeit der Leistung Das BGB erwähnt die „teilweise Leistung“ an verschiedenen Stellen, namentlich in den §§ 266, 281 Abs. 1 S. 2, 320 Abs. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. und in § 420. Die teilweise Leistung steht dort in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen, woraus schon früh geschlossen wurde, daß der Begriff der Teilleistung nur von relativer Bedeutung sei, d. h. daß es keine allgemein gültige Definition der Teilleistung geben könne.120 Dieser Ansatz erlaubte es, die Definition des Begriffs Teilleistung und damit insbesondere die Frage, ob bestimmte Leistungen „teilbar“ sind oder nicht, der jeweiligen Regelung anzupassen. So sei unter einer Teilleistung gem. § 266 BGB nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz jede „irgendwie unvollständige“ Leistung zu verstehen, namentlich auch jede Schlechtleistung (sog. „qualitative Teilleistung“).121 Demgegenüber stehen sich in den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5, 326 Abs. 1 BGB die Schlechtleistung und die teilweise Nichtleistung (sog. „quantitative Teilleistung“) 122 gegenüber.123 Im folgenden geht es nur um den Teilleistungsbegriff der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB. In diesen Regelungen behandelt 119

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040 S. 188. Planck/Siber §§ 275 bis 292 Anm. 4; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 253 a. E. (S. 17), zum BGB; Oertmann, Anm. 1 zu § 266, Anm. 4 Vor §§ 275 bis 283, Anm. 2 Vor §§ 420 bis 432; Coing, SJZ 1949, 532, 533 ff. Anders die sog. Einheitslehre Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 21 1. 121 Vgl. oben die in § 1 Fn. 13 Genannten. 122 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 137. Vgl. oben Erster Teil, § 1, S. 8 f. 123 Der Begriff der Teilleistung wird daher in den §§ 266, 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht mehr identisch verwandt. So aber noch MünchKomm/Krüger, Bd. 2a, § 266 Rn. 3. Auch nach alter Rechtslage waren die Teilleistungsbegriffe des § 266 BGB und der §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1, 323 Abs. 1, 2. Halbs., 325 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch nicht identisch, vgl. oben § 1 Fn. 13 sowie Gernhuber, Erfüllung, § 8 1. a). 120

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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das Gesetz die teilweise Nichtleistung: Die Gesamtleistung zerfällt in einen Teil, den der Schuldner ordnungsgemäß erbringt, und in einen anderen „Teil“, den er gar nicht erbringt. Demgegenüber regelt das Gesetz in den §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB die Schlechtleistung. In beiden Fällen erfüllt der Schuldner das Pflichtenprogramm nicht vollständig; die „Istbeschaffenheit“ der Leistung weicht von der „Sollbeschaffenheit“ zum Nachteil des Gläubigers ab. Über die Abgrenzung der vollständigen Nicht- von der vollständigen Schlechtleistung entscheidet mehr oder minder das Ausmaß der Abweichung. Bei der Abgrenzung von teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung geht es jedoch darum, einen Unterschied in der Art der Abweichung auszumachen. Die herrschende Meinung sieht diesen Unterschied darin, daß im Falle der teilweisen Nichtleistung ein „abtrennbarer“124 Teil der Gesamtleistung erbracht werde. Fälle, in denen die nicht ordnungsgemäße Leistung des Schuldners nicht als ein solcher „Teil“ betrachtet werden kann, wären demgemäß als Schlechtleistung zu behandeln. Eine teilweise Nichtleistung komme nur in Betracht, wenn die Gesamtleistung ihrer Natur nach in zwei oder mehrere Teile zerfallen könne, also teilbar sei.125 In der Literatur wird vorgeschlagen, die Teilbarkeit der Leistung im „technischen“, im „natürlichen“, im „tatsächlichen“ Sinn oder im „Rechtssinn“ zu verstehen oder sie nach dem Parteiwillen zu beurteilen. Diese Ansätze werden im folgenden untersucht. a) „Technische, natürliche oder tatsächliche Teilbarkeit“ Nahezu übereinstimmend wird angenommen, daß eine teilweise Nichtleistung voraussetze, daß der geleistete Teil von der Gesamtleistung im „technischen“,126 „natürlichen“127 oder im „tatsächlichen“128 Sinne getrennt werden könne. Wie diese Begriffe auszulegen sind, wird kaum erläutert. Zur Teilbarkeit im technischen Sinne wird ausgeführt, daß z. B. eine Kaufsache unteilbar sei, die technisch nicht zerlegt werden könne.129 Unklar ist, welcher Maßstab an die tech124

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 148, § 323 Rn. 256. MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 137, § 323 Rn. 201; MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50 (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht); BGH (Urt. v. 7. 3. 1990) NJW 1990, 3011, 3012; BGH (Urt. v. 27. 6. 1990) NJW-RR 1990, 1462, 1464. So auch ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 186. 126 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 201; Soergel/Gsell § 323 Rn. 173; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 2. (S. 75 f.); Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098 Fn. 2. Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit, S. 60 Fn. 280; Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. B 162, § 323 Rn. B 123. Zur Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht: MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 b). 127 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 b) (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht); P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2. Rn. 93. 128 Zur Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht: MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50; Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 112. 129 Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 112 (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht). 125

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

nischen Möglichkeiten angelegt werden soll. Soll es auf die technischen Möglichkeiten des Schuldners oder Gläubigers oder gar auf einen objektiven Maßstab des technisch Machbaren nach dem derzeitigen Stand der Technik ankommen? Dasselbe gilt für die Teilbarkeit im „natürlichen“ oder im „tatsächlichen“ Sinne. So wird gesagt, daß eine „. . . Leistung, die im natürlichen Sinn unteilbar ist, . . . selbstverständlich . . . niemals . . .“ eine teilweise Nichterfüllung sein könne: „Eine solche Leistung kann nur entweder insgesamt oder überhaupt nicht erbracht werden; . . .“.130 Die Klarheit dieser Aussage steht und fällt indes mit der Klarheit des Begriffs der natürlichen Unteilbarkeit. So könnte mit dem Begriff gemeint sein, daß die Leistung ihrer Natur nach überhaupt nicht geteilt werden kann. Ob eine Teilung möglich ist oder nicht, hängt jedoch wiederum von den (wessen?) technischen Möglichkeiten ab. Trotz deutlich begrenzterer technischer Möglichkeiten stellte 1851 schon Savigny fest, daß „im natürlichen Sinn alle Sachen überhaupt einer Zerlegung in Stücke empfänglich, also teilbar sind.“131 Alternativ könnte es auf die Unteilbarkeit nach den Maßstäben der allgemeinen Verkehrsanschauung ankommen. Demnach wäre unteilbar, was nach der allgemeinen Verkehrsanschauung132 üblicherweise nicht geteilt werden kann, d. h. was nach diesem Maßstab nicht geteilt werden soll. Kommt es dabei aber lediglich auf die Leistung an sich oder auch auf die Umstände an, unter denen die Leistung erbracht werden soll? Letzteres liefe wiederum auf die Prüfung hinaus, ob nach der Parteivereinbarung die Leistung „natürlich“ nicht getrennt werden kann bzw. soll.133 Gerade auf die Parteivereinbarung soll es bei der „natürlichen Unteilbarkeit“ aber nicht ankommen. Als „technisch“ unteilbare Leistung wird teilweise auch eine nicht ordnungsgemäße Leistung definiert, die „aus einzelnen Komponenten besteht, die ohne die fehlenden Teile technisch unbrauchbar sind.“134 Nach hier vertretener Ansicht ist dem zuzustimmen, soweit auf die „Unbrauchbarkeit“ abgestellt wird.135 Der Terminus „technisch“ verdunkelt hingegen nur, worauf es ankommt. Ähnlich Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 281 Rn. 54. 130 Zur Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht: U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 b). 131 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 29 3. (S. 305). 132 Dahin gehend Soergel/Wiedemann § 325 Rn. 77 (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht). 133 Nach Ansicht des BGH (Urt. v. 7. 3. 1990) NJW 1990, 3011, 3012) soll für die „technische Unteilbarkeit“ auf „subjektive Umstände, wie den . . . verfolgten Vertragszweck“ nicht abzustellen sein. 134 Zur Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht: U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 b). 135 Und zwar auf die Unbrauchbarkeit für die Zwecke des Gläubigers, dazu sogleich unten (b) (1), S. 246 ff.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Es kommt hinzu, daß von der herrschenden Meinung kein Grund für das Erfordernis der „technischen“, „natürlichen“ und „tatsächlichen“ Teilbarkeit genannt wird. Es scheint sich aus der „Natur der Sache“ zu ergeben. Ein „Teil“ scheint nur entstehen zu können, wenn ein Gegenstand „an sich“ geteilt werden könne. Schon Mommsen, der den Begriff des „Teils“ in die Rechtswissenschaft eingeführt haben soll,136 verstand den Begriff hingegen wesentlich weiter, nämlich als die Bezeichnung der gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Elemente der Leistung.137 Zu einer Teilleistung konnte es schon kommen, wenn in gegenständlicher (Qualität und Quantität), räumlicher (falscher Leistungsort) oder zeitlicher (insbesondere: verspätete Leistung) Hinsicht die erbrachte Leistung hinter der geschuldeten zurückblieb.138 Zu Recht wurde an dem Begriff „Teil“ bemängelt, daß er zu sehr am Gegenständlichen orientiert sei; er sei insofern mißverständlich.139 Dieses Mißverständnis wird durch die Forderung nach „technischer“, „natürlicher“ und „tatsächlicher“ Teilbarkeit nur noch befördert. Schließlich erweist sich die Beurteilung der Teilbarkeit einer Leistung nach „technischen“, „natürlichen“ oder „tatsächlichen“ Maßstäben aus zwei weiteren Gründen als wenig sinnvoll: Zum einen ist über den Anwendungsbereich der Vorschriften der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB vor allem zu entscheiden, wenn der Schuldner defizitär geleistet hat. Diese „beschränkte Störung“140 muß entweder als teilweise Nichterfüllung oder als Schlechterfüllung eingeordnet werden. Wenn der Schuldner aber eine defizitäre Leistung erbracht hat, also eine sog. quantitative oder eine qualitative Teilleistung, ist es ihm bereits gelungen, die Gesamtleistung zu „teilen“. Es ist daher wenig sinnvoll zu prüfen, ob die Leistung faktisch, also „technisch“, „natürlich“ oder „tatsächlich“ teilbar ist. Die erbrachte nicht ordnungsgemäße Leistung ist stets eine quantitative oder qualitative „Teilleistung“. Der Maßstab, der zwischen beiden Teilleistungsarten unterscheidet, kann also zwangsläufig kein faktischer, er muß ein normativer141 sein. Für eine Abgrenzung anhand eines normativen Maßstabs spricht vor allem, daß das Gesetz für beide Arten der Teilleistung unterschiedliche Rechtsfol136

Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 9, 153 ff. Dazu oben Zweiter Teil, § 4 II. 2., S. 217 ff. 138 Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292 f. m.w.Nachw.; Oertmann, Anm. 4 Vor §§ 275 bis 283 (aber keine Teilunmöglichkeit bei nicht rechtzeitiger Leistung); Staudinger/Werner, 10./11. Aufl., (1978), Vor §§ 275–292 Rn. 30. Zur „Teilunmöglichkeit in der Zeit“ bei verzögerter Leistungserbringung vgl. Gebauer, Naturalrestitution beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung, S. 38 ff. m. zahlreichen Nachw. 139 Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292 f.; vgl. auch oben § 1, S. 9. 140 Begriff nach MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 123. Ernst verwendet den Begriff der „beschränkten Störung“ als Oberbegriff für die Fälle der Schlechtleistung und der teilweisen Nichtleistung. 141 So auch Coing, SJZ 1949, 532, 534. 137

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

genanordnungen trifft, denen unterschiedliche Wertentscheidungen zugrunde liegen. Es ist nicht einsichtig, welcher inhaltliche Zusammenhang zwischen diesen Wertentscheidungen und den (zufälligen) faktischen Maßstäben der „technischen“, „natürlichen“ oder „tatsächlichen“ Teilbarkeit bestehen sollte. Aus diesen Gründen kann und sollte auf diese Maßstäbe zur Beantwortung der Frage, ob sich eine Leistung als teilweise Nichterfüllung i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB darstellt, verzichtet werden. b) Teilbarkeit „im Rechtssinne“ bzw. „nach dem Parteiwillen“ Neben der Teilbarkeit im technischen Sinnen wird von weiten Teilen der Literatur eine Teilbarkeit auch „im Rechtssinne“142 oder „nach dem Parteiwillen“143 verlangt. Die Ausführungen beziehen sich allerdings zumeist auf die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Auf sie ist später noch einzugehen.144 Zutreffend ist, daß eine normative Abgrenzung auf die Vorgaben des Rechts und auf den Willen der Vertragsschließenden abzustellen hat: (1) Maßgeblichkeit des Vertragszwecks Die Regelung der teilweisen Nichterfüllung zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß der Gesetzgeber anerkennt, daß es dem Schuldner gelungen ist, einen Teil der Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. So ist in § 281 Abs. 1 S. 2 und § 323 Abs. 5 S. 1 BGB davon die Rede, daß der Schuldner eine „Teilleistung bewirkt“ habe. Damit knüpft das Gesetz an die Formulierung in § 362 Abs. 1 BGB an, nach welchem die Erfüllung der Verpflichtung dadurch eintritt, daß der Schuldner „die Leistung an den Gläubiger bewirkt“. Auch in der Literatur wird als Grund für die Benachteiligung des Gläubigers, der eine Teilleistung erhält, u. a. angeführt, daß der Gläubiger im Falle einer Teilleistung „. . . zu einem gewissen Teil genau das erhält, was er zu beanspruchen hatte.“145 Teil142 Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 23 ff., § 325 Rn. 112; Staudinger/Löwisch (1995) § 275 Rn. 40; Staudinger/Werner, 10./11. Aufl., (1978), Vor §§ 275–292 Rn. 28; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., (1978), § 323 Rn. 65. Sich anschließend für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 201. Ebenso nunmehr Staudinger/Otto (2004) § 323 Rn. B 123; P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2. Rn. 93. Kritisch U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2. c). Von einer Teilbarkeit „im juristischen Sinn“ spricht bereits v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, § 29 3. (S. 307); ähnlich Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 254 (S. 14), zum BGB. 143 Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 23 ff., § 325 Rn. 112, § 326 Rn. 180. Ebenso für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 201; Soergel/Gsell § 323 Rn. 174; Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. B 162; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 2. (S. 76). 144 Unten (1) a. E, S. 250 f. 145 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 243, ähnlich Canaris ZRP 2001, 329, 334. Sowie MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50 (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuld-

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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weise Nichterfüllung bedeutet also vor allem: teilweise Erfüllung. Die Tatsache, daß es dem Schuldner zumindest gelungen ist, einen Teil seiner Verpfl ichtung zu erfüllen, honoriert das Gesetz, indem es die Position des Gläubigers gegenüber einem Gläubiger, der (nur) eine Schlechtleistung erhalten hat, schwächt. So kann der Gläubiger im Falle der Teilleistung einen Totalrücktritt nur erklären und Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Für sein fehlendes Interesse trägt er die Beweislast.146 Der Gläubiger einer Schlechtleistung kann diese Rechte bereits geltend machen, wenn die Pfl ichtverletzung nicht unerheblich ist. Aus der Formulierung folgt, daß der Schuldner die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung beweisen muß. Problematisch an dieser Konzeption des Gesetzes ist freilich, daß der Gläubiger auch im Falle der Schlechtleistung „zum Teil“ eine ordnungsgemäße Leistung erhält. Auch im Falle der sog. „qualitativen Teilleistung“ hat der Schuldner einen gewissen „Teil“ seines Leistungsprogramms absolviert. Nach den oben dargestellten Grundsätzen147 hat der Schuldner zwar keine ordnungsgemäße Leistung erbracht, doch kann seine Leistung zumindest noch als die geschuldete identifiziert werden. Und es läßt sich keinesfalls als allgemeine Regel feststellen, daß der Gläubiger, dessen Forderung (nur) teilweise erfüllt wird, besser steht als der Gläubiger, der die gesamte Leistung erhält, nur nicht in vertragsgemäßer Art und Weise.148 Aus diesem Grund sollte es zu der beschriebenen Benachteiligung des Gläubigers, der eine Teilleistung erhält, nur kommen, wenn dieser Gläubiger durch die Teilleistung einen wirklichen Vorteil erlangt. Einen wirklichen Vorteil erlangt der Gläubiger aber nur, wenn der geleistete Teil für ihn von Nutzen, also für die mit der Leistung verfolgen Zwecke „verwendbar“, „brauchbar“, „tauglich“ oder „geeignet“ ist. Der Maßstab für die Abgrenzung von teilweiser Nichterfüllung und Schlechtleistung sollte deshalb auch hier an dem Zweck ausgerichtet werden, der nach der vertraglichen Vereinbarung mit der Leistung erreicht werden soll.149 Dieser vertragliche Zweck ist durch die Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln.150 Selten werden die Parteien eine ausdrückliche Absprache über den Zweck treffen; meist wird sich der Zweck aus den Umständen des Vertragsschlusses ergeben. Es ist zu betonen, daß es nur auf die Zwecke ankommt, die der Gläubiger mit der Leistung verfolgt. Auf diese kann recht); Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 23 ff., § 325 Rn. 1114; § 326 Rn. 180 (betr. Teilunmöglichkeit nach altem Schuldrecht). 146 P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 158. 147 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2., S. 217 ff. 148 So aber wohl MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 243. 149 Im Ergebnis ähnlich Bamberger/H. Roth/Grothe § 326 Rn. 30: „Zweck des Vertrages“. 150 Ebenso Bamberger/H.Roth/Grothe § 326 Rn. 30. Dazu oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c) und (3), S. 226 f. und S. 227 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

nur dann nicht abgestellt werden, wenn sie für den Schuldner bei Vertragsschluß nicht ersichtlich waren. Gleichgültig ist hingegen, ob der Schuldner mit den Absichten des Gläubigers einverstanden ist und welche eigenen Zwecke er mit dem Rechtsgeschäft verfolgt. Eine Teilleistung ist demnach nur möglich, wenn der Gläubiger nach der vertraglichen Vereinbarung mit der nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung einen eigenständigen Vertragszweck verfolgt. Nur dann ist die defizitäre Leistung „verwendbar“, „brauchbar“, „tauglich“ oder „geeignet“ für den Gläubiger. Insoweit ist es zutreffend, wenn für die Teilbarkeit gefordert wird, daß die Teilleistung „abtrennbar“ sein muß.151 Nur kann diese „Trennbarkeit“ nicht „technisch“ oder „faktisch“ ermittelt werden. Sie kann sich nur normativ aus der Parteivereinbarung ergeben. Eine Teilleistung setzt einen „abtrennbaren“ vertraglichen Zweck voraus.152 Dabei geht es nicht darum, daß mit der nicht ordnungsgemäßen Leistung objektiv irgendein beliebiger Zweck verfolgt werden kann. Es ist notwendig, durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln, welche Zwecke der Gläubiger mit der Gesamtleistung verfolgte. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob bereits zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung ersichtlich war, daß durch den später vom Schuldner geleisteten „Teil“ ein eigenständiger Vertragszweck erfüllt werden könnte.153 Oft wird der eigenständige Vertragszweck ein „Bruchstück“ des ursprünglichen „Gesamtzwecks“ sein, den der Gläubiger mit der Gesamtleistung verfolgte. Damit ist gemeint, daß der Gläubiger mit der Gesamtleistung oft eine Vielzahl gleichrangiger Zwecke verfolgt (z. B. Käufer bestellt 10 Flaschen Wein). Durch die unvollständige Leistung kann der Schuldner in diesen Fällen in der Regel zumindest einige dieser Zwecke erreichen. Es handelt sich dann um Teilleistungen. Dabei ist zu beachten, daß die Teilleistung an sich „brauchbar“ sein muß. Auf den Einwand, die defizitäre Leistung lasse sich durch ergänzende Leistun151

Oben Zweiter Teil, § 4 II. 1., S. 242 f. Ähnlich sprechen Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 118, davon, daß im Falle der Teilleistung „das Leistungsinteresse des Käufers teilbar“ ist. An späterer Stelle, S. 119, stellen sie allerdings die These auf, daß „nach der Verkehrsanschauung eine einheitliche Sache bzw. unteilbare Leistung um so eher anzunehmen ist, je intensiver die funktionale Verknüpfung der Einzelteile ist.“ Es soll also wohl doch ein objektiver Maßstab an die Teilbarkeit angelegt werden. 153 Ähnlich Soergel/Wiedemann § 275 Rn. 47 (betr. Teilunmöglichkeit nach § 275 BGB a. F.): Die Teilbarkeit lasse sich mit der Testfrage prüfen, ob die noch mögliche Teilleistung sinnvoll Gegenstand eines selbständigen Vertrages sein könnte und ob eine solche Aufteilung dem konkreten Parteiwillen gerecht wird. Das Abstellen auf einen selbständigen Vertrag erscheine aber nicht notwendig; die Teilleistung werde dann Gegenstand eines selbständigen Vertrages sein können, wenn sie isoliert betrachtet „brauchbar“ oder „verwendbar“ sei. Zudem sollte nicht der „Parteiwille“, insbesondere nicht der Wille des Schuldners, für die Abgrenzung maßgeblich sein. Vielmehr komme es auf die Verwendbarkeit der unvollständigen Leistung für den Gläubiger an. 152

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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gen noch „brauchbar“ machen, muß sich der Gläubiger grundsätzlich nicht einlassen. Der eigenständige Zweck der Teilleistung darf also nicht darin bestehen, daß die Erfüllung des eigentlichen Vertragszwecks, den der Gläubiger mit der Leistung verfolgt, nur vorbereitet154 oder unterstützt wird.155 Auf der anderen Seite ist die Betrachtung auf den konkreten Vertrag bezogen. Läßt sich die defizitäre Leistung des Schuldners ohne oder durch einen nur unerheblichen finanziellen, zeitlichen oder sonstigen Mehraufwand für den Gläubiger156 sinnvoll einsetzen, ist ihr ein eigenständiger Vertragszweck zuzusprechen. D.h. daß trotz der Notwendigkeit einer teilweisen Ersatzbeschaffung der eigenständige Vertragszweck der Leistung erhalten bleiben kann. Da es beim Dienstvertrag jedoch in der Regel auf die persönliche Erbringung durch den Dienstverpflichteten ankommt (§ 613 S. 1 BGB), scheidet eine „Ersatzbeschaffung“ zumeist aus. Beispiel157 : A bestellt 50 Flaschen Wein für seine Hochzeit. Bei Vertragsschluß macht er deutlich, daß es ihm auf eine einheitliche Bewirtung mit demselben Wein ankommt und daß er knapp kalkuliert hat. Liefert der Verkäufer nur 30 Flaschen, liegt keine Teilleistung vor. Anders ist es jedoch, wenn sich der Wein in jedem Supermarkt problemlos nachkaufen läßt. Beispiel für den Dienstvertrag: Für eine Fernsehshow hat Veranstalter V den Zauberer Z engagiert. Dieser soll seinen Assistenten A mitbringen, welcher für die Darbietung „zufällig“ aus dem Publikum gewählt werden soll. A ist jedoch erkrankt. Erscheint Z dennoch, liegt in der Regel keine Teilleistung, sondern eine vollständige Nichtleistung vor, da die Darbietung nicht stattfinden kann. Ist es V jedoch mühelos möglich, einen geeigneten Mitarbeiter aus seiner eigenen Belegschaft als Assistent für die Darbietung zu gewinnen, kann die Leistung des Z als Teilleistung gewertet werden.

Erbringt der Schuldner eine defizitäre Leistung, mit welcher der Gläubiger weder den ursprünglichen „Gesamtzweck“ noch einen eigenständigen Vertragszweck erreichen kann, liegt keine Teilleistung vor, sondern eine (schlecht oder ordnungsgemäß) erbrachte „Restleistung“158 , welche für den Gläubiger unbrauchbar ist. Sie ist als vollständige Nichtleistung zu bewerten.159 154

So auch U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 56 IV 3. Vgl. unten Beispiel S. 250. 156 Außer Betracht bleibt, daß der Gläubiger wegen der unvollständigen Leistung gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB den „kleinen Schadensersatz“ fordern kann. Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (3), S. 300 ff. 157 Ähnliches Beispiel bei Canaris, JZ 2001, 499, 513. Zu dem Beispiel unten Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (d), S. 255. 158 Der Begriff „Restleistung“ fi ndet sich auch bei Soergel/Wiedemann § 326 Rn. 79 f. Wiedemann versteht unter einer Restleistung einen „unerheblichen Teil der Leistung“ und damit ein minus zur Teilleistung; insoweit besteht Übereinstimmung mit dem hier verwendeten Restleistungsbegriff. 159 Vgl. dazu bereits Protokolle I, S. 1142, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 275, zur parallelen Frage der Gleichbehandlung von Nichtleistung und „unvollständiger Leistung“: „Da nun das Interesse des Gläubigers nicht überhaupt durch irgendeine minimale Naturalerfüllung befriedigt werde, sondern auch aufhören 155

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Beispiel: Unternehmer U plant eine zweitägige Konferenz mit Teilnehmern aus Japan. Er engagiert den Dolmetscher D. Dieser soll den japanischen Gästen einführend das Unternehmen des U in wenigen Minuten präsentieren. Danach soll er für die Konferenz simultan dolmetschen. Nach der Präsentation verläßt D die Konferenz. Die Präsentation hat keine eigenständige Teilfunktion. Sie ist isoliert betrachtet für den Veranstalter unbrauchbar. Insgesamt liegt eine vollständige Nichtleistung vor.

Die Möglichkeit einer Teilleistung ist ganz ausgeschlossen, wenn der Gläubiger mit der Leistung einen „einheitlichen Leistungszweck“ verfolgt.160 In diesem Fall existiert überhaupt nur ein einziger Zweck, den der Gläubiger mit der Leistung verfolgt; eigenständige Zwecke, die z. B. einen Teil- oder Nebenaspekt betreffen könnten, lassen sich aus der Parteivereinbarung nicht herleiten.161 Ein ähnlicher Ansatz wurde bereits vor der Schuldrechtsreform von Teilen der Literatur durch die „Lehre von der dogmatisch als Vollunmöglichkeit einzuordnenden scheinbaren Teilunmöglichkeit“162 vertreten. Ob dieser Ansicht vor dem Hintergrund der früheren Rechtslage zuzustimmen war, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden.163 Im Vordergrund steht nach der Schuldrechtsrekönne, wenn die Naturalerfüllung dem mit dem Schuldverhältnis verbundenen Zwecke (Hervorhebungen d. Verf.) nicht mehr entspreche, so erscheine es geboten, die Befugniß des Gläubigers (zum Heraustreten aus dem Schuldverhältnis, Anm. d. Verf.) von dem Hinwegfall seines Interesses abhängig zu machen.“ Zu den Parallelen bei der Prüfung des eigenständigen Vertragszwecks und des Gläubigerinteresses nach den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB bzw. §§ 280 Abs. 2 S. 1, 325 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. unten Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (3), S. 255 ff. 160 Deshalb ist die Leistung bei einem Werkvertrag, bei welchem in der Regel die Erreichung eines einzigen Erfolges geschuldet ist, in der Regel unteilbar, RG (Urt. v. 23. 6. 1911) JW 1911, 756. 161 In diese Richtung auch Nacken, Teilleistung, S. 44, der „natürliche Unteilbarkeit“ annimmt, wenn die erbrachte Leistung im Verhältnis zu Gesamtleistung für den Gläubiger „überhaupt keinen Sinn hat“. Beispiele unten Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (b) und (d), S. 252 f. und S. 254. 162 Begriff nach Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 114 (auf Hervorhebung wurde verzichtet), § 323 Rn. 23 ff. Dieser Ansatz wurde u. a. vertreten von Titze, Unmöglichkeit, S. 43 ff., 169 f.; Kisch, Unmöglichkeit, S. 163 ff. m.w.Nachw.; Oertmann, Anm. 4 a) Vor § 275 bis 283; Planck/Siber Vor § 275 bis 292 Anm. IV 1. b), § 323 Anm. 2. b); Scherner, JZ 1971, 533, 536; Staudinger/Werner, 10./11. Aufl., (1978), Vor §§ 275–292 Rn. 28; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., (1978), § 323 Rn. 65; Staudinger/Löwisch (1995) § 275 Rn. 40; MünchKomm/ Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50 ff.; Soergel/Wiedemann § 325 Rn. 77; Erman/Battes, 10. Aufl., § 275 Rn. 9. Weitere Nachweise bei Nacken, Teilleistung, S. 49 Fn. 2. Auch die Rechtsprechung entschied in diesem Sinne, vgl. RG (Urt. v. 14. 1. 1916) RGZ 88, 37, 38 f.; RG (Urt. v. 27. 5. 1933) RGZ 140, 378, 383; BGH (Urt. v. 30. 11. 1972) BGHZ 60, 16 f.; BGH (Urt. v. 13. 12. 1991) BGHZ 116, 334, 336 f.; OGH Köln (Urt. v. 19. 9. 1949) MDR 1949, 739. Kritisch U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2. c); § 56 IV 3. 163 Vgl. hierzu kritisch bereits Schöller, Gruchot, 45 (1901) 511, 539 ff., sowie zuletzt die überzeugende und im Ergebnis ablehnende Untersuchung von Kaiser, Rückabwicklung, S. 143 ff.; ihr folgend Staudinger/Löwisch (2001) § 275 Rn. 43. Wenn Kaiser a.a.O. darlegt, daß es zur Abgrenzung von „Voll-“ und „Teilunmöglichkeit“ keines Rückgriffs auf den vom Gläubiger verfolgten Leistungszweck bedurfte, ist damit zur Abgrenzung zwischen Teilleistung und Schlechtleistung nichts gesagt. Diese Abgrenzung mußte Kaiser nicht treffen, da sie sich für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz der Auffassung an-

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form die Frage, ob die nicht ordnungsgemäße Leistung des Schuldners als Teilleistung begriffen werden kann. Die Frage nach Voll- oder Teilunmöglichkeit tritt zurück. Auch für diese Frage wurde nach der genannten Lehre aber bereits darauf abgestellt, ob nach Inhalt und Zweck des Vertrages die bereits erbrachte Teilleistung für den Gläubiger von Interesse und Wert sei.164 Dies sei abzulehnen, wenn ein einheitlicher Leistungszweck bestehe.165 Für die Feststellung eines einheitlichen Leistungszwecks wurde teilweise auf die Maßstäbe des § 139 BGB abgestellt. Die Teilbarkeit einer Leistung sollte zu verneinen sein, wenn die Parteien die Leistung nach den Maßstäben des § 139 BGB bei Vertragsschluß als einheitliches Geschäft verstanden hätten.166 Die §§ 325, 326 BGB a. F. gäben dem Gläubiger kein Recht, den Vertragsbruch des Schuldners derart auszunutzen, daß er seine eigene Gegenleistung in mit dem Vertragszweck unvereinbarer Weise aufspalte.167 Die Ansicht wurde auch für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz übernommen.168 Ihr wird indes zu Recht widersprochen: Es könne nicht angehen, daß der vertragsuntreue Schuldner sich auf sein eigenes Interesse an der Einheitlichkeit des Vertrages berufe, um dem Gläubiger den für ihn geeigneten Rechtsbehelf aus der Hand zu schlagen.169 Für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist dem erst recht zuzustimmen: Zum einen soll die „Teilung des Vertrages“ nach den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB gerade der Regelfall sein, die Ausübung der Totalrechte hingegen die Ausnahme.170 Zum anderen stellen die dort genannten Regelungen allein auf die Interessen des Gläubigers ab. Eine Berücksichtigung der Interessen des vertragsbrüchigen Schuldners sollte daher in der Tat ausscheiden. schloß, daß auch die Schlechtleistung eine teilweise Nichterfüllung sei (S. 190 ff.), vgl. dazu oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 204 f. 164 Staudinger/Werner, 10./11. Aufl., (1978), Vor §§ 275–292 Rn. 2; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., (1978), § 323 Rn. 65; Staudinger/Löwisch (1995) § 275 Rn. 40, (2001) § 280 Rn. 21; Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 40; Erman/Battes, 10. Aufl., § 275 Rn. 9. Ähnlich Soergel/Wiedemann § 323 Rn. 55 und Flume, SJZ 1949, 88, 95. 165 Ebenso Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 23 zur Unmöglichkeit nach § 323 BGB a. F. Ähnlich das französische Recht: Art. 1217 code civil: L’obligation es divisible ou indivisible selon qu’elle a pour objet ou une chose qui dans sa livraison, ou un fait qui dans l’exécution, est ou n’est pas susceptible de division, soit materielle, soit intellectuelle. Art. 1218 code civil: „L’obligation est indivisible, quoique la chose ou le fait soit divisible par sa nature, si le rapport sous lequel elle est considérée dans l’obligation, ne la rend pas susceptible d’execution partielle.“ 166 RG (Urt. v. 16. 11. 1907) RGZ 67, 101, 104; BGH (Urt. v. 7. 3. 1990) NJW 1990, 3011, 3012; BGH (Urt. v. 25. 3. 1987) NJW 1987, 2004, 2007. 167 Soergel/Wiedemann § 325 Rn. 77 zur Teilunmöglichkeit nach § 325 BGB a. F. 168 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 201; Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. B 162, § 323 Rn. B 123. 169 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2. c) (S. 419), und bereits Schöller, Gruchot, 45 (1901) 511, 541 ff. 170 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140, 186. In diese Richtung auch Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 2. d) (S. 194).

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

(2) Unterschiedliche Konstellationen Ein eigenständiger Vertragszweck einer Teilleistung kann in unterschiedlichen Konstellationen vorkommen. (a) „Zufällige“ Verbindung unterschiedlicher Teile Der einfachste Fall ist gegeben, wenn der Schuldner zwei unterschiedliche Gegenstände oder Tätigkeiten schuldet, die inhaltlich miteinander nicht in Zusammenhang stehen. Es hätten also ohne weiteres auch zwei unterschiedliche Verträge über die Leistungsteile geschlossen werden können. Beispiel171 : Der Weinhändler soll 50 Flaschen des Weins A und 50 Flaschen des Weins B liefern. Er liefert nur die Weinsorte A. Soweit sich aus den vertraglichen Umständen nichts anderes ergibt, ist anzunehmen, daß der Gläubiger mit dem Wein dieser Sorte einen eigenständigen Vertragszweck verfolgt.

(b) Inhaltliche Verbindung unterschiedlicher Teile Stehen jedoch der erbrachte und der nicht erbrachte „Teil“ einer Leistung in einem inhaltlichen Zusammenhang, bedarf es einer genaueren Auslegung der vertraglichen Vereinbarung. Die Frage ist, ob nach dieser Vereinbarung der Gläubiger mit beiden Leistungsteilen einen einheitlichen vertraglichen Zweck verfolgte oder ob der Gläubiger mit jedem „Teil“ der Leistung einen eigenständigen Zweck erreichen wollte.172 Beispiel (1): Der Weinhändler soll für eine Feierlichkeit 30 Flaschen des Weins A für die Vorspeise und 70 Flaschen des Weins B für den Hauptgang liefern. Hat der Gläubiger beide Weinsorten unabhängig voneinander ausgesucht, kann angenommen werden, daß er mit den Sorten einen jeweils eigenen Zweck verfolgte. Wurden die beiden Sorten jedoch aufeinander abgestimmt, verfolgt er mit den beiden Sorten einen einheitlichen Zweck. Beispiel (2) 173 : Der Schuldner verpfl ichtet sich, Hardware, Standardsoftware sowie eine auf die besonderen Bedürfnisse des Gläubigers abgestellte Spezialsoftware zu liefern. Letztere bleibt er jedoch schuldig. Die Lieferung von Hardware und Standardsoftware ist nur dann eine Teilleistung, wenn durch sie ein eigenständiger vertraglicher 171

Beispiel nach der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040 S. 139 f. Ähnlich Staudinger/Otto (2001) § 323 Rn. 23 ff. zur Unmöglichkeit nach § 323 BGB a. F. Ein eigenständiger Vertragszweck ließe sich z. B. auch für die Übertragung des Gaststättengrundstücks im Verhältnis zur Bierbezugsverpfl ichtung (RG, Urt. v. 16. 11. 1907, RGZ 67, 101, mit entgegengesetzter Ansicht auf S. 104 f.) und für die Hingabe eines Darlehens im Verhältnis zur Verpfl ichtung zum Bezug von Farben (vgl. RG, Urt. v. 22. 2. 1909, WarnR 1909 Nr. 288) annehmen. 173 BGH (Urt. v. 7. 3. 1990) BGH NJW 1990, 3011, 3012. Ähnliche Beispiele: BGH (Urt. v. 29. 5. 1991) NJW 1991, 2135, 2136 f.; BGH (Urt. v. 25. 3. 1987) NJW 1987, 2004, 2007 m. w.Nachw. Demgegenüber nimmt das LG Stuttgart, (Urt. v. 24. 1. 2001) CR 2001, 585, 586, eine nur teilweise Nichterfüllung an, wenn das zur Hard- und Software gehörige Benutzerhandbuch nicht geliefert wurde, obwohl das Gericht feststellt, daß dieses für „die Funktionsfähigkeit des Computerprogramms von besonderer Wichtigkeit ist“, so daß die „Gesamtlieferung unbrauchbar“ sei. 172

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Zweck verfolgt wurde. Es kommt darauf an, ob mit der Hardware und der Standardsoftware eigenständige Aufgaben erfüllt werden sollten (z. B. Textverarbeitung) oder ob die mit Hilfe der Computer zu bewältigenden Aufgaben sämtlich nur durch den zusätzlichen Einsatz der Spezialsoftware auszuführen waren. In letzterem Fall brauchte sich der Gläubiger auf das Argument, die Spezialsoftware lasse sich anderweitig beschaffen, nicht einzulassen, da eine solche Beschaffung mit zusätzlichen Risiken und Mühen verbunden ist.

Die „Teile“ einer Gesamtleistung können auch aus unterschiedlichen Pfl ichten, d. h. insbesondere auch aus Haupt- und Nebenpflicht bestehen.174 Zwischen diesen Pflichten wird in aller Regel ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen. Auch in der Literatur wird angenommen, daß Fälle, in denen der Schuldner unterschiedliche Pflichten, also insbesondere auch Nebenpfl ichten, übernommen habe und er eine oder mehrere dieser Pflichten nicht erfülle, wie eine Teilleistung zu behandeln seien.175 Mehrere nebeneinander bestehende Leistungspflichten verhielten sich zur Gesamtverpflichtung wie die Teile zum Ganzen.176 Da die einzelne Pflicht aus dem Gesamtpflichtenprogramm auch nur teilweise erfüllt werden könne, sei auch eine Teilleistung innerhalb eines Teils der Gesamtleistung möglich.177 Um eine Teilleistung handelt es sich nach dem hier vertretenen Ansatz allerdings nur, wenn durch die Erfüllung einer oder mehrerer vertraglicher Pflichten ein eigenständiger Zweck verfolgt wurde. Beispiel178 : A soll eine Maschine liefern sowie für das Personal eine dreistündige Einweisung in die Benutzung der Maschine durchführen. A liefert lediglich die Maschine. Eine Teilleistung ist abzulehnen, wenn es sich um ein Spezialgerät handelt, welches ohne Einweisung überhaupt nicht in Betrieb genommen werden kann. Handelt es sich um ein Standardgerät (z. B. Kopiergerät), das auch ohne die Einweisung im üblichen Rahmen verwendet werden kann, oder kann das Gerät auch unter Heranziehung einer Bedienungsanleitung eingesetzt werden, liegt eine Teilleistung vor.

(c) „Zufällige“ Verbindung gleicher Teile Ein eigenständiger Vertragszweck eines Leistungsteils ist vor allem anzunehmen, wenn sich die Gesamtleistung aus mehreren gleichen „Teilen“ zusammensetzt. Im Regelfall verfolgt der Gläubiger in solchen Fällen nach der ver174 RG (Urt. v. 14. 1. 1916) RGZ 88, 37 ff.: Verkäufer von Brettern verpfl ichtet sich zur Verschiffung der Ware. Die Verschiffung wird infolge des Krieges unmöglich. 175 Der Ansicht von Palandt/Heinrichs, § 323 Rn. 32, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB (analog) auf die Nichterfüllung von Nebenpfl ichten anzuwenden, ist daher entgegenzutreten. Zutreffend betont MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 226, daß die Anwendung des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB sachgerechter ist, da sie den Totalrücktritt erschwert. Diese Lösung vermeidet zudem die diffizilen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Teilleistungen und Leistungen aus Nebenpfl ichten. 176 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 140. 177 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 142. 178 Beispiel nach MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151, 143.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

traglichen Vereinbarung mit der Gesamtleistung keinen einheitlichen Vertragszweck. Vielmehr soll durch jeden Leistungsteil ein eigenständiger vertraglicher Zweck erreicht werden. Beispiel: Der Weinhändler soll 100 Flaschen des Weins A liefern. Liefert er 90 oder 10 Flaschen, liegt eine Teilleistung vor, denn es ist anzunehmen, daß der Gläubiger mit jeder Flasche einen eigenständigen vertraglichen Zweck verfolgt.

Solche Fälle sind in der Praxis häufig. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß „. . . ein Ausschnitt aus dem Leistungsgegenstand seinem Wert oder Wesen nach verhältnismäßig oder anteilig der Gesamtleistung entspricht, d. h. sich nur der Größe, nicht aber der Beschaffenheit nach von ihr unterscheidet, so daß der Leistungsgegenstand ‚als solcher‘“ durch die Teilung „keine Veränderung erfährt.“179 Es geht also maßgeblich um Fälle, in denen der Schuldner zur Lieferung mehrerer gleicher Gegenstände verpflichtet ist.180 Nach pandektistischer Dogmatik sollte die Teilbarkeit einer Leistung sogar ganz von dieser Voraussetzung abhängen: Teilbar im Sinne des Rechts sei nur eine Leistung, welche unbeschadet ihres Wesens in Teile zerlegt werden könne, so daß jede Teilleistung eine Leistung des gleichen Inhalts sei, so wie die Gesamtleistung und sich von der Gesamtleistung nur quantitativ unterscheide.181 Eine solche Beschränkung der Definition der Teilbarkeit hat zwar den Vorteil einer relativ genauen Abgrenzbarkeit für sich. Ein inhaltlicher Grund für eine solche Beschränkung ist indes, zumindest für die aktuelle Rechtslage, nicht ersichtlich. Die Verbindung „gleicher Teile“ stellt damit nur einen Unterfall der Gesamtgruppe der teilbaren Leistungen dar. 179 MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5. IV. 2. (S. 75). 180 MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 50; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5. IV. 2. (S. 75). 181 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 253 (S. 14 ff.), zum BGB. Ebenso v. Scheurl, Teilbarkeit als Eigenschaft von Rechten, 1884, S. 3 ff., über die Teilbarkeit von Handlungen: „Die eigentliche, arithmetische Teilbarkeit besteht bei einer Handlung als Gegenstand einer Obligation darin, daß der Erfolg, welchen sie für den Gläubiger bewirken soll, ebenso wohl dadurch bewirkt werden kann, daß er statt durch ein zusammenhängendes Handeln durch mehrere getrennte Handlungen vermittelt wird, deren jede fähig ist, einen Erfolg zu bewirken, der mit dem durch das Forderungsrecht gesicherten völlig gleichartig ist, aber einen Umfang hat, der einen bestimmten Bruchteil von dem Umfang dieses Erfolgs ausmacht.“ (S. 70) Eine „natürliche Handlung“ sei teilbar, „wenn sie eine als Einheit gedachte Vielheit völlig gleichartiger Wirkungen vermitteln soll.“ Ein opus facere, z. B. die Ziehung eines Grabens, sei in diesem Sinne nie teilbar (S. 72 f.). Dieser Teilleistungsbegriff wurde jedoch in erster Linie für die erbrechtliche Auseinandersetzung entwickelt. Weiterführend zum Teilleistungsbegriff in der Pandektenwissenschaft Nacken, Teilleistung, S. 3 ff. Auch Titze, Schuldverhältnisse, § 4 3., stellt darauf ab, ob die Gesamtleistung mittels mehrerer inhaltsgleicher Leistungen erbracht werden kann. Er betont jedoch bereits, daß es darauf ankomme, ob die Teilung ohne Einbuße am Gesamtwert der Leistung möglich sei. Gegen die Beschränkung auf die Teilbarkeit in „qualitativ gleichartige Teile“ schon Flume, SJZ 1949, 88, 95; ebenso Erman/Battes, 10. Aufl., § 275 Rn. 9.

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(d) Inhaltliche Verbindung gleicher Teile Auch in solchen Konstellationen sind aber Ausnahmen denkbar, in denen zwischen den geschuldeten „Teilen“ ein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Auch hier ist es ohne weiteres möglich, daß der Gläubiger mit der Gesamtheit der Gegenstände einen einheitlichen Vertragszweck verfolgt.182 Beispiel183 : Verkauft sind vier Pferde, die zusammen einen aufeinander abgestimmten Viererzug bilden. Liefert der Verkäufer nur drei Pferde, liegt keine Teilleistung vor.184 Weiteres Beispiel: A bestellt 50 Flaschen Wein für seine Hochzeit. Bei Vertragsschluß macht er deutlich, daß es ihm auf eine einheitliche Bewirtung mit demselben Wein ankommt und daß er knapp kalkuliert hat. Liefert der Verkäufer nur 30 Flaschen, liegt keine Teilleistung vor.185

(3) Eigenständiger Vertragszweck und Gläubigerinteresse Gerade für die letztgenannte Fallgruppe mag es Widerspruch erregen, die defizitäre Leistung des Gläubigers nicht als Teilleistung zu qualifizieren. Die Lieferung einer zu geringen Menge gleicher Gegenstände erscheint doch gerade als der Prototyp der Teilleistung. Zudem ließe sich einwenden, daß der Gläubiger bereits durch § 281 Abs. 1 S. 2 BGB und § 323 Abs. 5 Abs. 1 BGB ausreichend geschützt werde.186 Beide Vorschriften machen seine Rechte von seinem Interesse an der Teilleistung abhängig. In den letzten drei Beispielsfällen hat er an der Teilleistung kein Interesse, so daß er ohne weiteres vom gesamten Vertrag zurücktreten sowie Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen kann. Dagegen ist zunächst einzuwenden, daß lediglich für die Fallgruppen der Lieferung einer zu geringen Menge gleicher Gegenstände die Unterscheidung zwischen Teilleistung und Schlechtleistung einfach erscheint. Wer wegen dieser (im Ausnahmefall scheinbaren) Klarheit den vorgeschlagenen Unterscheidungsparameter ablehnt, bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, wie die Unterscheidung in schwierigeren Fällen zu treffen ist. Der Verzicht auf diese 182

Bereits Kisch, Unmöglichkeit, S. 164. Beispiel nach Titze, Unmöglichkeit, S. 49, und Kisch, Unmöglichkeit, S. 164. Ähnlich ist BGH (Urt. v. 17. 2. 1995) NJW-RR 1995, 853, 854: Vollunmöglichkeit, da ein Drittel der verkauften Grundstücksfläche nicht übereignet werden konnte. 184 Ob eine „zu geringe Menge“ gem. § 434 Abs. 3 BGB geliefert wurde, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Zu diesem Problem vgl. MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 213 ff. 185 Zur Anwendung des § 434 Abs. 3 BGB vgl. Fn. 184. 186 Dahin gehend argumentieren Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Fälle, S. 65; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 124, 127, Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit, S. 60 Fn. 280; Erman/H. P. Westermann § 275 Rn. 18; Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 49; Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 27; Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 721. Ähnlich auch Wieser, MDR 2002, 858, 861. Ähnlich für die Teilunmöglichkeit nach altem Recht Coing, SJZ 1949, 532, 534; Nacken, Teilleistung, S. 56 ff. m.w.Nachw. und S. 61 ff.; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 c); Esser, Schuldrecht, Bd. 1, 4. Aufl., § 33 I 3. 183

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Unterscheidung war für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ein gangbarer Weg, da das alte Recht die Interpretation zuließ, daß grundsätzlich jede nicht ordnungsgemäße Leistung, also auch die „Schlechtleistung“, als Teilleistung zu betrachten sei. Nach der aktuellen Rechtslage ist die Unterscheidung zwischen Schlecht- und Teilleistung jedoch unerläßlich.187 Schließlich bestehen zwischen der Feststellung eines eigenständigen Vertragszwecks für die Teilleistung und der Feststellung des Gläubigerinteresses nach §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB grundlegende Unterschiede. Ein eigenständiger Vertragszweck ist durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln, wobei danach zu fragen ist, ob bereits zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung ersichtlich war, daß durch den später vom Schuldner geleisteten „Teil“ ein eigenständiger Vertragszweck erreicht werden sollte. Entscheidend sind mithin nur die vertraglichen Zwecke, die beiden Parteien bekannt waren. Außerdem ist allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Demgegenüber können für die Feststellung des Gläubigerinteresses nach §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 Abs. 1 BGB auch später eintretende Umstände noch berücksichtigt werden.188 Dies legt bereits die Formulierung „. . ., wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat.“ nahe.189 Das Präsens deutet darauf hin, daß für die Beurteilung der Umstände nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt abzustellen ist. Dies wurde auch vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz für die ähnlichen Formulierungen in §§ 280 Abs. 1 S. 2, 325 Abs. 1 S. 2, 326 Abs. 2 BGB a. F. angenommen.190 Auch soll es für die Beurteilung des Gläubigerinteresses nicht darauf ankommen, ob der Schuldner die Umstände, die zu einem entsprechenden Interesse des Gläubigers führen können, kannte oder daß er sie hätte erkennen können.191 Es kommt allein auf die „individuellen Verhältnisse“ des Gläubigers an, wenn auch über das Interesse des Gläubigers objektiv zu entscheiden sei.192

187

Oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 204 ff. Soergel/Gsell § 323 Rn. 175. 189 Hervorhebung d. Verf. 190 Deutlich Motive, Bd. 2, S. 210, und die Protokolle I, S. 1142, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 275: „Dieser Hinwegfall des Interesses müsse für die Gegenwart festgestellt werden, denn das Gesetz wolle dem durch die gegenwärtige Sachlage benachteiligten Gläubiger helfen.“ MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 326 Rn. 81, 84. Nach U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 c) a. E., kommt es auf den Zeitpunkt der Vertragsverletzung, also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Leistung teilweise unmöglich wird oder die Nachfrist für die offenstehende Teilleistung abläuft (vgl. § 326 Abs. 1 S. 1, 3 BGB a. F.). 191 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 207; Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 2. d) (S. 195). Für die frühere Rechtslage MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 325 Rn. 127. 192 MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 325 Rn. 127; Staudinger/Löwisch (2001) § 280 Rn. 21; Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 121 zu § 325 BGB a. F. 188

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Beispiel: A verkauft sein altes Pferdegespann an B, der eine Pferdeschlachterei betreibt. Nach Abschluß des Kaufvertrages veräußert A ein Pferd an C. Die restlichen drei Pferde liefert er an B. B ist nicht einverstanden, da er das vollständige Gespann an D hätte weiterverkaufen können. Dies hatte er bei Vertragsschluß allerdings nicht erwähnt. Nach der vertraglichen Vereinbarung liegt eine Teilleistung vor, da durch jedes Pferd ein eigenständiger Vertragszweck (Schlachtung) erfüllt werden sollte. Das mangelnde Interesse des B an der Teilleistung kann jedoch noch gem. § 323 Abs. 5 S. 1 BGB Berücksichtigung finden.193 Umgekehrtes Beispiel: A bucht bei Reiseveranstalter R eine preiswerte, eintägige Busreise nach Amsterdam zum Besuch des van Gogh-Museums. Er bucht zwar das „Gesamtpaket“, will aber lediglich seinen Onkel in Amsterdam besuchen und an dem Museumsbesuch – was R nicht weiß – gar nicht teilnehmen. Am Reisetag muß das Museum jedoch wegen eines Wasserrohrbruchs geschlossen bleiben. Dies Busfahrt allein stellt keine Teilleistung dar, denn es ist nach der vertraglichen Vereinbarung von einem einheitlichen Vertragszweck auszugehen.194 Auf das „heimliche“ Interesse des A an der nicht ordnungsgemäßen Leistung „Busfahrt“, welches im Rahmen des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB hätte Berücksichtigung finden können, kommt es nicht mehr an.

Dennoch bestehen zwischen der Prüfung des Gläubigerinteresses und der des eigenständigen Vertragszwecks Parallelen. Dies mag in Fällen, in denen es auf die genannten Unterschiede nicht ankommt, dazu führen, daß bei der Prüfung, ob eine Teilleistung vorliegt, inhaltlich die Prüfung des Gläubigerinteresses vorweggenommen wird.195 Es ist auch zuzugeben, daß diese Ähnlichkeit bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale „Teilleistung“ und „Gläubigerinteresse“ unschön erscheinen mag. Dieser Schönheitsfehler ist freilich begrenzt auf die § 281 Abs. 1 S. 2 BGB und § 323 Abs. 5 Abs. 1 BGB. In den anderen Vorschriften, in denen das Gesetz die Teilleistung behandelt (§§ 320 Abs. 2, 326 Abs. 1 S. 1, 2., Halbs. BGB), kann auf den eigenständigen Vertragszweck abstellen werden, ohne daß die vertraglichen Interessen des Gläubigers in einem weiteren Tatbestandsmerkmal erneut zum Tragen kämen. Aber auch bei der Prüfung der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 Abs. 1 BGB ist zu berücksichtigen, daß die doppelte Prüfung der Interessen des Gläubigers darin begründet liegt, daß der Anwendungsbereich dieser Normen nur eröffnet ist, wenn feststeht, daß die defizitäre Leistung eine Teilleistung (und nicht eine Nicht- oder Schlechtleistung) darstellt. Es muß also bereits vor der Prüfung des Gläubigerinteresses eine Abgrenzung getroffen werden. Schon bei dieser Abgrenzung sind aber die vom Gläubiger verfolgten Zwecke maßgeb-

193

Zur Anwendung des § 434 Abs. 3 BGB vgl. Fn. 184. Dagegen hat der BGH, (Urt. v. 26. 6. 1980) BGHZ 77, 320, 323, zutreffend für eine Kreuzfahrt, bei der einzelne Häfen nicht wie vereinbart angelaufen werden konnten, Teilunmöglichkeit angenommen. Ähnliche Fälle aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis benennt Coen, FS Schlechtriem, S. 189, 195 f. 195 Dies kritisiert U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 c), hinsichtlich der Unteilbarkeit nach dem Parteiwillen. 194

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lich. Daß das Gesetz danach erneut pauschal auf das Gläubigerinteresse abstellt, ist unnötig, aber auch unschädlich.196 Die Verfasser der Schuldrechtsreform übernahmen das Tatbestandsmerkmal Gläubigerinteresse aus den §§ 280 Abs. 2 S. 1, 325 Abs. 1 S. 2 BGB a. F., ohne zu bedenken, daß die Interessen des Gläubigers auch für die Defi nition der Teilleistung und ihre nunmehr zwingend erforderliche Abgrenzung zur Schlechtleistung fruchtbar gemacht werden könnten. Die Väter des BGB konnten demgegenüber den Begriff des Gläubigerinteresses ohne weiteres in die §§ 280 Abs. 2 S. 1, 325 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. einfügen, da sie sich über diese Abgrenzung keine Gedanken machen mußten. Entsprechend wurde der Begriff der Teilleistung in diesen Vorschriften auch nur im Verhältnis zur Nichtleistung diskutiert.197

c) Ergebnis zu 1. Das BGB kennt unterschiedliche Teilleistungsbegriffe. Ob der Anwendungsbereich der Vorschriften der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB eröffnet ist, beurteilt sich nach der hier vertretenen Ansicht vor dem Hintergrund des Zwecks oder der Zwecke, die der Gläubiger mit der Leistung verfolgt. Für die Bestimmung dieses Zwecks sind allein die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für Gläubiger und Schuldner erkennbaren Umstände maßgeblich. Eine Teilleistung scheidet demnach aus, wenn der Gläubiger mit dem gesamten Leistungsprogramm einen einheitlichen vertraglichen Zweck verfolgt. Verfolgt der Gläubiger hingegen mit der vom Schuldner erbrachten nicht ordnungsgemäßen defizitären Leistung einen eigenständigen Vertragszweck, ist eine Teilleistung anzunehmen. Unter dieser Voraussetzung kann eine Teilleistung z. B. in der Lieferung eines von mehreren unterschiedlichen Gegenständen oder in der Erfüllung einer von mehreren unterschiedlichen Pflichten bestehen. Eine Teilleistung ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner mehrere gleiche Gegenstände liefern soll und er nicht die vollständige Anzahl oder Menge leistet. 2. Die Teilbarkeit der Dienste a) Maßgeblichkeit der Funktion der Tätigkeit Für das bessere Verständnis der Teilbarkeit von „Diensten“ ist es hilfreich, auf die Charakteristika der Verpflichtung zur Leistung von Diensten hinzuweisen. Der Dienstverpflichtete schuldet eine Tätigkeit. Eine solche Verpflichtung unterscheidet sich grundlegend von Verpfl ichtungen, die auf die Lieferung 196 Diese Unschädlichkeit der „doppelten Prüfung“ konstatiert auch U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 2 c), zur alten Rechtslage. 197 Vgl. insbesondere Protokolle I, S. 1142, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 275, sowie die Zusammenstellung bei Jakobs/Schubert, ebenda, S. 259 ff.

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oder Herstellung einer Sache gerichtet sind. Konzentriert sich die Schuld auf einen körperlichen Gegenstand, läßt sie sich in den drei Dimensionen vorstellen, die den Raum beschreiben. Die vierte Dimension, also die Zeit, spielt für die Schuld nur eine untergeordnete Rolle; sie ist insbesondere für die Fälligkeit der Verpflichtung relevant. Eine Tätigkeit konstituiert sich hingegen immer auch in der Dimension der Zeit. Sie nimmt stets einen gewissen Zeitraum in Anspruch. Die Dimension der Zeit bereitet dem menschlichen Denken aber wesentlich größere Mühen als die anderen drei Dimension. Dies mag einer der Gründe dafür sein, daß der Dienstvertrag, aber auch andere Dauerschuldverhältnisse, vor allem in der älteren Dogmatik weniger starke Beachtung gefunden haben als andere Verträge, insbesondere der Kaufvertrag.198 Das Hinzutreten einer weiteren Dimension, durch die sich die Leistung konstituiert, hat zur Folge, daß sich die Teilbarkeit auf diese weitere Dimension erstreckt. Dienste sind vor allem durch die Zeit teilbar.199 Nach unserer Vorstellung verläuft die Zeit linear; 200 eine Teilung durch den Parameter Zeit fällt dem menschlichen Denken daher besonders leicht. Deshalb erscheint die Teilbarkeit der Leistung von Diensten selbstverständlich. 201 Von einigen wird die Teilbarkeit der Leistung für den Dienstvertrag sogar ausschließlich oder doch in erster Linie auf die Teilbarkeit in der Zeit reduziert: Eine Teilleistung liege vor, wenn die Dienste nicht über den gesamten geschuldeten Zeitraum hinweg erbracht würden. 202 Dies trifft jedoch nicht stets, vor allem nicht ausschließlich zu. Der Pianist, der das Konzert in der Mitte abbricht, erbringt keine Teilleistung, da seine 198 Die verhältnismäßig geringe Beschäftigung mit den „dauernden Schuldverhältnissen“, zu denen er auch den Dienstvertrag zählt, erklärt v. Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 410 f., darüber hinaus damit, daß sich „im römischen Recht nur geringe Spuren einer Emporhebung dauernder Schuldverhältnisse über das Niveau der vorübergehenden Verkehrsobligation“ fi nden. 199 Vgl. bereits Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, § 253 Fn. 9, S. 16: „Noch deutlicher tritt die Theilung der Leistung hervor, wenn das zu leistende Thun quantitativ bestimmt ist, z. B. eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen.“ Weiter Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 68, 165 ff.; Kisch, Unmöglichkeit, S. 166; Soergel/Wiedemann § 323 Rn. 55, § 325 Rn. 76, spricht von der Teilbarkeit nach „Zeitabschnitten“. Ebenso Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 113; Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 281 Rn. 54. Auch Oertmann, Anm. 5 a) Vor § 275 bis 283 (zu Dauerschuldverhältnissen) und ihm folgend Staudinger/ Werner, 10./11. Aufl., (1978), Vor §§ 275–292 Rn. 30. Letzterer untersucht die Teilbarkeit anhand des „zeitlichen Koeffizienten der Leistung“. 200 Was physikalisch nicht zutrifft, Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, Hamburg 1988, S. 29 ff. 201 RG (Urt. v. 23. 6. 1911) JW 1911, 756: „. . . während die [Verpfl ichtung] zur Leistung von Diensten teilbare Natur hat.“ 202 Vgl. MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 325 Rn. 115; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 29 I.1.; Schöller, Gruchot, 45 (1901) 511, 546; BGH (Urt. v. 7. 12. 1987) NJW-RR 1988, 420. Für das Arbeitsrecht Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 68, Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 37; BAG (Urt. v. 17. 3. 1988) AP Nr. 99 zu § 626 BGB.

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defizitäre Leistung für den Veranstalter unbrauchbar ist (unten, S. 262 f., Beispiel 3). Andererseits sind Dienste, wie andere Leistungen, auch außerhalb der Zeit teilbar. Das Konzept einer Teilbarkeit nach räumlich gedachten „Mengeneinheiten“203 führt für die Teilbarkeit von Tätigkeiten aber selten weiter. Eine solche Teilbarkeit setzt die Meßbarkeit einer bestimmten Eigenschaft 204 der Tätigkeit voraus. Meßbar sind die Eigenschaften von Tätigkeiten (abgesehen von der Zeit) aber nur selten. Dienste werden von Menschen erbracht; die Individualität des Menschen bedingt die Individualität der von ihm erbrachten Tätigkeiten und damit der Eigenschaften dieser Tätigkeiten. Eine Messung von Eigenschaften ist bei einer Sache relativ einfach. Die Eigenschaften einer Sache sind im Regelfall beständig. Bei Diensten ist hingegen keine „fixierte Leistung“ geschuldet. Wollte man die Eigenschaften von Diensten messen, müßte man diese Messung auf eine beschränkte (aber welche?) Anzahl von Zeitpunkten beziehen. Eine solche Messung bliebe dennoch immer ungenau, da sich die Eigenschaften einer Tätigkeit in jedem Moment der Erbringung verändern können. Der Dienstverpflichtete schuldet nicht (oder nur selten, z. B. Künstlermodell) eine fixierte „Pose“. Diese Umstände stehen einer Meßbarkeit der Eigenschaften von Diensten und damit ihrer „quantitativen“ Teilbarkeit weitgehend entgegen. Die Schwierigkeiten einer rein „quantitativen“ Betrachtung werden weitgehend vermieden, wenn man auch für den Dienstvertrag auf den Zweck oder die Zwecke abstellt, die der Gläubiger mit der Leistung verfolgt. Dafür ist zunächst daran zu erinnern, daß schon für die Abgrenzung zwischen Nichtleistung und Schlechtleistung die Funktion der Tätigkeit herangezogen wurde. Es wurde festgestellt, daß eine Nichtleistung der Verpfl ichtung aus einem Dienstvertrag vorliegt, wenn die Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete identifiziert werden kann. Das ist der Fall, wenn die erbrachte Tätigkeit nicht mehr geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. 205 Auf der anderen Seite des Leistungsspektrums steht die ordnungsgemäße Leistung. Dazwischen stehen Leistungen, welche noch – wenn auch nicht im geschuldeten Maße – geeignet sind, die angestrebte Funktion zu erfüllen. Diese Leistungen können als vollständige Schlechtleistung, als teilweise Nichtleistung oder als teilweise Schlechtleistung oder als Kombination dieser Fallgruppen einzuordnen sein. Das Gesetz behandelt in den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB die Schlechtleistung und die teilweise Nichtleistung. Wie bereits dargestellt, wird durch diese Regelungen der Gläubiger einer teilweisen Nichtleistung gegenüber dem Gläubiger einer Schlechtleistung bei der Ausübung der sog. Total203 Begriff nach Soergel/Wiedemann § 323 Rn. 55, § 325 Rn. 76. Übernommen von Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 113. 204 Dazu oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (3), S. 220 ff. 205 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 ff.

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rechte benachteiligt. Diese Benachteiligung ist nur angemessen, wenn der Gläubiger durch die Teilleistung eine wirklichen Vorteil erlangt. Das ist der Fall, wenn der Gläubiger mit der Teilleistung einen eigenständigen Vertragszweck erreichen kann. 206 Für die Verpflichtung zur Leistung von Diensten kann diese Formulierung im Anschluß an die bereits entwickelten Grundsätze genauer gefaßt werden: Ein Teilleistung ist demnach für die Verpflichtung aus einem Dienstvertrag nur anzunehmen, wenn der nicht ordnungsgemäßen Leistung eine eigenständige Funktion zugedacht war (funktionaler Teilleistungsbegriff). 207 Das ist nur möglich, wenn die Vertragsparteien der vollständigen Tätigkeit eine Funktion (Gesamtfunktion) zugedacht hatten, die sich in eigenständige Teilfunktionen untergliedern läßt oder von der sich eigenständige Teilfunktionen zumindest abspalten lassen. Weiter setzt eine ordnungsgemäße Teilleistung voraus, daß die unvollständige Leistung (abgesehen von ihrer Unvollständigkeit) ordnungsgemäß erbracht wird. Wird die unvollständige Leistung schlecht erbracht, liegt eine Teilschlechtleistung vor. 208 Im Anschluß an die obigen Ausführungen bedeutet das: Ob eine nicht ordnungsgemäße Leistung von Diensten als Teilleistung, also als teilweise Nichtleistung, oder als Schlechtleistung zu behandeln ist, beurteilt sich normativ auf Grundlage der Parteivereinbarung. Festzustellen ist, ob der nicht ordnungsgemäßen Leistung nach der vertraglichen Vereinbarung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine eigenständige Funktion zukommen sollte. Dabei werden die Parteien den Fall der konkreten, später eintretenden defizitären Leistung nur in seltenen Fällen ausdrücklich geregelt haben. Es bedarf daher einer Auslegung der vertraglichen Vereinbarung. Es kommt darauf an, ob der Gläubiger mit der defizitären Leistung eine eigenständige Funktion hätte verfolgen können, ob sie ihm also separat hätte „verwendbar“, „brauchbar“, „tauglich“ oder „geeignet“ erscheinen müssen. Für die Feststellung der Funktion sind aber nur die Umstände maßgebend, die auch für den Schuldner bei Vertragsschluß ersichtlich waren. Eine eigenständige Teilfunktion liegt nur vor, wenn die Funktion defi niert werden kann. Es genügt nicht, daß die defizitäre Leistung dem Dienstberechtigten „irgendwie nützlich“ ist. Vielmehr muß die Funktion abgrenzbar und 206

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 246 ff. Ähnlich bereits für Schuldverträge im allgemeinen Scherner, JZ 1971, 533, 536: Die Teilnichterfüllung werde von vielen nach dem Vertragszweck beurteilt. Damit sei nicht „die bloße subjektive Motivation und Erwartung“ gemeint, „die eine Partei, in der Regel also der Gläubiger, an die Leistung . . . knüpft, etwa, was mit einer gekauften Sache geschehen soll. In allen Beispielen wird vielmehr ‚Zweck‘ verstanden im Sinne einer sich schon aus der Ausgestaltung des Vertrages selbst, eben, wie oft noch hinzugefügt wird, aus seinem ‚Inhalt‘ ergebenden objektiven, wirtschaftlichen, besser: sozialen Funktion.“ (Hervorhebung durch Verf.). Der Begriff des „Sozialen“ erscheine ihm zutreffend, wenn man „den Vertrag allgemein als Instrument zur Regelung sozialer (intersubjektiver) Beziehungen verstehe, vgl. ebenda Fn. 59. 208 Unten Zweiter Teil, § 4 III. 3., S. 277. 207

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beschreibbar sein. Es muß deutlich werden, worin der Vorteil, den der Dienstberechtigte durch die Teilleistung erlangt, besteht. Unvollständige Dienste haben zumeist dann eine eigenständige Funktion, wenn sich durch sie inhaltsgleiche (meist zeitliche) „Bruchstücke“ der Gesamtfunktion der geschuldeten Dienste erreichen lassen. Denn die Gesamtfunktion der geschuldeten Dienste läßt sich vielfach in bruchstückhafte, gleichrangige Teilfunktionen zerlegen (unten Beispiele 1 und 2). Auch hier ist zu beachten, daß die Teilleistung isoliert betrachtet für den Dienstberechtigten „brauchbar“ sein muß. Eine unvollständige Leistung von Diensten ist nicht deshalb eine Teilleistung, weil die Funktion, die der Dienstberechtigte mit der Gesamtleistung verfolgt, noch dadurch erreicht werden kann, daß die Dienste (z. B. später oder durch andere) weitergeführt oder anderweitige Maßnahmen getroffen werden. Eine defizitäre Leistung, durch die die eigentliche Funktion nur vorbereitet oder unterstützt wird, hat keine in diesem Sinne eigenständige Funktion (unten Beispiel 3). Auch im Dienstvertrag sind die oben genannten 209 vier Konstellationen möglich. Die Dienstverpflichtung kann sich aus zwei oder mehreren unterschiedlichen oder gleichen „Teilen“ zusammensetzen. Die Verbindung zwischen diesen „Teilen“ kann inhaltlich begründet oder nur „zufällig“ sein. Erbringt der Dienstverpflichtete nur eine nicht ordnungsgemäße Leistung, liegt eine Teilleistung vor allem nahe, wenn zwischen dem erbrachten und dem nicht erbrachten „Teil“ der Leistung keine inhaltliche Verbindung besteht. Liegt jedoch eine solche Verbindung vor, ist durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln, ob mit der nicht ordnungsgemäßen Leistung eine eigenständige Funktion erfüllt werden sollte. Beispiel 1: Hotelbesitzer H verpfl ichtet den Pianisten P, zwei Stunden im Restaurant des Hotels und anschließend zwei Stunden in der Hotelbar zu spielen. Die Verbindung zwischen beiden Teilen der Verpfl ichtung ist eher zufällig. Verläßt P nach den ersten zwei Stunden das Hotel, liegt eine Teilleistung vor, denn der unvollständigen Leistung kommt eine eigenständige Funktion zu. Beispiel 2: H verpfl ichtet den regional bekannten Jazzpianisten P, drei Stunden in der Hotelbar zu spielen. P bricht nach zwei Stunden sein Programm ab. Zwischen dem erbrachten Teil und dem nicht erbrachten Teil der Gesamtverpfl ichtung besteht ein inhaltlicher Zusammenhang (musikalisches Programm des P). Die unvollständige Leistung des P erfüllt dennoch ein Bruchstück der Gesamtfunktion (Unterhaltung der Gäste durch bestimmten Musikstil), die der vollständigen Leistung zugedacht war. Sie war daher geeignet, eine eigenständige Funktion zu erfüllen. Es liegt eine Teilleistung vor. Beispiel 3: H verpfl ichtet den berühmten Pianisten P, im großen Saal des Hotels vor geladenem Publikum Brahms zweites Klavierkonzert zu spielen. Nach dem zweiten Satz bricht P das Konzert ab. Die nicht ordnungsgemäße Leistung ist nicht geeignet, eine eigenständige Funktion zu erfüllen; sie ist für H „unbrauchbar“. Bei Vertrags209

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2), S. 252 ff.

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schluß gingen die Parteien davon aus, daß die Funktion der Tätigkeit in der Befriedigung der Erwartungen des Publikums durch die Darbietung des gesamten Konzerts bestehen sollte. Es stand fest, daß ein „halbes“ Konzert nicht zur Befriedigung (auch nicht zur „hälftigen“ Befriedigung) der Erwartungen des Publikums geeignet wäre; man mußte vom Gegenteil ausgehen. Die Leistung des P ist nach hier vertretener Ansicht als vollständige Nichtleistung aufzufassen, da die erbrachte Tätigkeit nicht geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, und die Tätigkeit des P auch nicht geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. 210

Eine Teilleistung liegt auch vor, wenn die Gründe, die dazu geführt haben, daß die Tätigkeit nicht vollständig, sondern nur teilweise erbracht werden konnte, in die Risikosphäre des Dienstberechtigten fallen. Es kommt also nicht darauf an, wer es zu vertreten hat, daß anstelle der Gesamtfunktion nur noch eine eigenständige Teilfunktion der Leistung erfüllt werden konnte. Für die Grenzziehung sind allein die objektiven Umstände entscheidend; auf das Vertretenmüssen kommt es erst für die Anknüpfung der Rechtsfolgen an. 211 Beispiel: 212 B vereinbart mit A, dieser möge seinem Sohn S eine Stunde Nachhilfe zur Vorbereitung auf eine Mathematikklausur erteilen. Der eifrige S hat sich indessen schon umfassend präpariert. A erkennt nach einer halben Stunde, daß weiterer Unterricht nicht sinnvoll ist, und bricht die Tätigkeit ab. Die erbrachte Leistung ist eine Teilleistung. Bei Vertragsschluß gehen die Parteien davon aus, daß der einstündige Nachhilfeunterricht sinnvoll sei. Die Gesamtfunktion der Tätigkeit bestand in der einstündigen Vorbereitung auf die Klausur. Diese Funktion konnte nicht mehr erfüllt werden. Durch den halbstündigen Unterricht ließ sich nur eine eigenständige Teilfunktion, hier ein Bruchstück aus der Gesamtfunktion der Tätigkeit, erfüllen. Eine Teilleistung wäre (theoretisch) auch anzunehmen, wenn A eine Stunde unterrichtet hätte, obwohl der Unterricht nach einer halben Stunde keinen Sinn mehr hatte.

210 Ebenso für das Verhältnis zwischen Theaterbesucher und Veranstalter Bamberger/H. Roth/Grothe § 326 Rn. 30. Für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auch: Kisch, Unmöglichkeit, S. 162; Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 112 (Vollunmöglichkeit bei unterbrochener Theater- oder Opernvorstellung) sowie Soergel/Wiedemann § 275 Rn. 47 (Vollunmöglichkeit, wenn Schauspiel nach dem ersten Akt abgebrochen wird. Zweifelnd in Fn. 46, wenn sich dasselbe bei einer Opern- oder bei einer Konzertaufführung mit verschiedenen Vortragsnummern ereignet.). Differenzierend Fessmann, NJW 1983, 1164, 1166 f. m.w.Nachw. Für den Vertrag zwischen Veranstalter und Künstler ist nach hier vertretener Ansicht zu prüfen, ob die Leistung bis zum Abbruch bereits geeignet war, die Erwartungen des Publikums zu befriedigen. Wenn das Publikum sämtliche „Vortragsnummern“ erwartet, ist die unvollständige Leistung für den Veranstalter „unbrauchbar“. 211 So auch für die Abgrenzung von vollständiger Nicht- und vollständiger Schlechtleistung oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (2), S. 227 f. 212 Zu den gleichgelagerten Beispielsfällen, in denen der Schüler faul, krank oder verstorben ist, vgl. umfassend Picker, JZ 1985, 641 ff. mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung, insbesondere in Fn. 8.

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b) Teilbarkeit zeitbezogener und erfolgsbezogener Dienstverträge Oftmals werden die Ergebnisse einer Subsumption unter den funktionalen Teilleistungsbegriff mit denen der üblichen „quantitativen“ Abgrenzung übereinstimmen. Teilweise wird dies jedoch nicht der Fall sein. Die Unterschiede werden besonders deutlich, wenn die Teilbarkeit der Dienste anhand der unterschiedlichen Typen des Dienstvertrages, des zeitbezogenen und des erfolgsbezogenen Dienstvertrages, untersucht werden: (1) Teilbarkeit zeitbezogener Dienstverträge Nach der obigen Definition liegt ein zeitbezogener Dienstvertrag vor, wenn die Festlegung der Länge des Leistungszeitraums für die Bestimmung des Leistungsumfangs der Verpflichtung aus dem Dienstvertrag zwingend erforderlich ist. 213 (a) Teilbarkeit durch die Zeit Die Fixierung des Leistungszeitraums ist also notwendiger Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung. Eine Teilleistung kann daher vor allem vorliegen, wenn die Tätigkeit des Dienstverpflichteten die geschuldete Leistungsdauer nicht erreicht (dazu unter (aa)). Daneben kann eine Teilleistung aber auch vorliegen, wenn der Dienstverpflichtete den Leistungszeitraum ganz oder teilweise verfehlt; schließlich kann es zu einer Kombination beider Fallgruppen kommen (zu beidem (bb)). (aa) Unzureichende Leistungsdauer Der Regelfall einer Teilleistung für den zeitbezogenen Dienstvertrag besteht darin, daß der Dienstverpflichtete zwar innerhalb des vereinbarten Leistungszeitraums tätig wird, doch füllt seine Tätigkeit den Leistungszeitraum nicht gänzlich aus, z. B. weil er die Tätigkeit zu spät beginnt oder weil er sie zu früh abbricht. Dem wird allerdings von einem Teil des Schrifttums widersprochen. Der Widerspruch bezieht sich zwar nicht ausdrücklich auf zeitbezogene Dienstverträge, sondern auf Dauerschuldverhältnisse im allgemeinen. Zeitbezogene Dienstverträge können jedoch den Dauerschuldverhältnissen zugerechnet werden. 214 Für Dauerschuldverhältnisse wird nun bestritten, daß eine Leistung, die nicht über den geschuldeten Zeitraum hinweg erbracht wird, eine Teilleistung sein könne. Dies wird damit begründet, daß der Schuldner die Leistung bezogen auf die jeweilige Leistungszeit, also bezogen auf den jeweiligen Leistungsabschnitt, in dem die Leistung erbracht wird, vollständig erbringe; er erbringe sie nicht nur teilweise oder schlecht. Die Leistung des Schuldners solle da213

Oben Erster Teil, § 2 II. 2. b), S. 47 ff. So ist insbesondere die von Oetker herangezogene Defi nition des Dauerschuldverhältnisses mit der hier verwandten Defi nition des zeitbezogenen Dienstvertrages weitgehend identisch, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. b) (1), S. 47 ff. 214

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her einer vollständigen Leistung gleichgestellt werden. 215 Zutreffend ist, daß während der Zeiten, während derer der Schuldner die Leistung erbringt, eine ordnungsgemäße Leistung vorliegen kann. Dies ändert aber nichts daran, daß die insgesamt erbrachte Leistung das Pfl ichtenprogramm des Schuldners nicht vollständig erfüllt. 216 Die Leistung ist also jedenfalls defizitär. Eine isolierte Betrachtung der jeweiligen Leistungsabschnitte entspricht nicht der vertraglichen Vereinbarung. 217

Der Wert der Dienste wird beim zeitbezogenen Dienstvertrag maßgeblich durch die Dauer der Leistungserbringung bestimmt. 218 Daraus ergibt sich, daß in der Regel eine geringere Leistungsdauer zu einem geringeren Wert der Dienste führt. Dies bedeutet zugleich, daß eine Leistung, die über eine geringere als die vereinbarte Leistungsdauer hinweg erbracht wird, für den Gläubiger immerhin noch einen Wert hat. Genauer gesagt wird bei einem zeitbezogenen Dienstvertrag die Gesamtfunktion der Tätigkeit durch den Leistungszeitraum mitdefiniert. Ohne eine zeitliche Begrenzung kann die Funktion der Tätigkeit nicht hinreichend bestimmt werden. Theoretisch läßt sich die zeitlich fixierte Gesamtfunktion als Summe von Teilfunktionen vorstellen, die sich auf kleinere Zeiteinheiten verteilen. Das bedeutet zunächst, daß durch eine Tätigkeit, die den geschuldeten Leistungszeitraum unterschreitet, die Gesamtfunktion in der Regel nicht mehr erreicht werden kann. Die Tätigkeit kann damit keine vollständige Leistung, d. h. keine vollständige ordnungsgemäße Leistung und keine vollständige Schlechtleistung, mehr sein. Eine Tätigkeit, die den Leistungszeitraum unterschreitet, erfüllt vielmehr in aller Regel (nur) eine 215 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 325 f., 346 ff. m.w.Nachw. auch zum älteren Schrifttum; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, 1. Teilbd., § 15 II 4. und § 20 Vor 1.; differenzierend Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl. § 8 7.c (für den Sukzessivlieferungsvertrag). Sich für den Arbeitsvertrag anschließend Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 51. Durch diese Einordnung sollte der Anwendungsbereich der Regelungen über die Teilleistungen auf Dauerschuldverhältnisse ausgeschlossen werden. Ob es dafür nach der Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eine zwingende Notwendigkeit gab, bedarf hier keiner Vertiefung. Jedenfalls ist methodisch dem Ansatz zu widersprechen, die tatbestandliche Klassifikation (Teilleistung) mit dem Ziel zu ändern, bestimmte Rechtsfolgen zu vermeiden. 216 So auch Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., § 8 7. c). Deutlich auch bereits RG (Urt. v. 26. 2. 1935) RGZ 155, 306, 314 ff. zu § 36 Abs. 2 VerglO (betr. die Gebühren für zwei Monate für die mehrjährige Überlassung von Schutzrechten „hauptsächlich auf dem Gebiete der Rundfunkempfangsgeräte“). 217 Der Wille der Vertragsparteien kann natürlich dahin gehen, daß die jeweiligen Leistungsabschnitte unabhängig voneinander sein sollen. Soweit in diesem Fall überhaupt noch ein einheitlicher Vertrag vorliegt, kommt nach hier vertretener Ansicht jedem Leistungsabschnitt eine eigenständige Teilfunktion zu; es liegen jeweils Teilleistung vor. Der Gläubiger wird sich nur regelmäßig nicht darauf berufen können, daß er an der Teilleistung kein Interesse habe. 218 Vgl. schon Titze, Unmöglichkeit, 1900, S. 49: „Als äußerlich teilbar stellen sich in der Regel diejenigen Leistungen dar, die während eines längeren Zeitraums ununterbrochen zu prästieren sind (Sach- und Dienstmiete, Leihe, Aufbewahrung), insofern, als hier die Zeit, in der geleistet wird, ihren Wert in sich zu tragen pflegt.“

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Teilfunktion. Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, daß eine solche zeitlich unvollständig erbrachte Leistung im praktischen Regelfall als Teilleistung bezeichnet wird. Die Dauer der Leistungserbringung und der Wert der Leistung verhalten sich jedoch keineswegs immer proportional zueinander. Es ist ohne weiteres möglich, daß die Verkürzung der Leistungsdauer dazu führt, daß die Leistung für den Gläubiger überhaupt keinen Wert mehr hat. Auch muß der Wert nicht im Verhältnis zur Dauer stehen; eine kürzere Leistung kann auch einen geringeren Wert haben, als dies dem zeitlichen Anteil der Leistung entsprechen würde. 219 Die Dauer der Leistungserbringung ist daher auch für den zeitbezogenen Dienstvertrag immer nur ein Indiz für den Wert der erbrachten Leistung. Dies gilt erst recht, wenn man für die Teilleistung fordert, daß ihr eine eigenständige Teilfunktion zugedacht sein soll. Zwar wird diese eigenständige Teilfunktion oft in einem Bruchteil der Gesamtfunktion bestehen und sich damit im zeitlichen Anteil widerspiegeln; dies muß jedoch keineswegs immer der Fall sein. Beispiel 1: 220 A soll als Geschäftsführer montags bis freitags für die B-GmbH tätig sein. Tatsächlich arbeitet er montags und freitags jedoch für die Sch-GmbH. Es liegt eine Teilleistung für die B-GmbH vor. Die Tätigkeit dienstags, mittwochs und donnerstags hat eine eigenständige Teilfunktion, nämlich ein Bruchteil aus der Gesamtfunktion der Leistung. Beispiel 2221 : Das Unternehmen U vereinbart mit dem Detektiv D, dieser möge für zwei Wochen als angeblich neuer Arbeitnehmer in das Unternehmen eingeschleust werden, um Verluste im Lagerbereich und mögliche kriminelle Handlungen von Mitarbeitern zu erkundschaften. Bei Vertragsschluß gehen die Parteien davon aus, daß für eine sinnvolle Observierungsarbeit ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen erforderlich ist. D verhält sich am zweiten Tag so ungeschickt, daß ihm weitere Ausforschungen nicht mehr möglich sind. Festzustellen ist, ob der erbrachten Leistung eine eigenständige Teilfunktion zukam. Entsprechend prüft auch der BGH: Es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die zweitägige Observierung „. . . zur Erlangung von mit dem Vertrag erstrebten Ergebnissen von vornherein völlig ungeeignet gewesen . . .“ sei. Es sei vielmehr nicht auszuschließen, daß D in den zwei Tagen „. . . Beobachtungen machte, die für die Firma von Bedeutung sein konnten.“ Hierfür fehle es jedoch an Feststellungen des Berufungsgerichts. Es ist aber auch zu bedenken, daß die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur eine zweiwöchige Observation für sinnvoll hielten. Stellt man darauf ab, war die erbrachte Leistung nicht geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Entsprechend hatte U vorgetragen, die erbrachte Leistung sei für ihn „völlig nutz- und wertlos“. Es läge also eine vollständige Nichtleistung vor. 222 219 So auch schon RG (Urt. v. 26. 2. 1935) RGZ 155, 306, 314 (oben Fn. 1080); Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 37. 220 Nach BGH (Urt. v. 7. 12. 1987) NJW-RR 1988, 420. 221 Fall nach BGH (Urt. v. 22. 5. 1990) NJW 1990, 2549 (vereinfacht). 222 So auch MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 275 Rn. 53 (betr. Teilunmöglichkeit nach

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Im letzten Fall entspricht der Wert der defizitären Leistung (Observierung über zwei Tage hinweg) nicht dem zeitlichen Anteil der Leistung. Vielmehr erscheint ihr Wert wesentlich geringer. Dies liegt daran, daß es sich zwar um einen zeitbezogenen Dienstvertrag handelt. Andererseits weist der Dienstvertrag einen starken Erfolgsbezug auf (Aufdeckung krimineller Handlungen). Wie oben bereits dargelegt, 223 sind der zeit- und der erfolgsbezogene Dienstvertrag nur Typen. Mischfälle sind möglich. Bei der Beurteilung der nicht ordnungsgemäßen Leistung müssen sowohl der Erfolgs- wie auch der Zeitbezug berücksichtigt werden. Dies wird besonders deutlich, wenn man die „umgekehrte“ Fallgestaltung betrachtet: Abwandlung von Beispiel 2: U geht davon aus, daß ein Angestellter häufiger Diebstähle begeht; er weiß nur nicht, um wen es sich handelt. D soll dies innerhalb von zwei Wochen herausfinden. Durch Zufall kann D schon am ersten Tag den betreffenden Angestellten überführen. D bricht die Tätigkeit danach ab.

Der zeitbezogene Dienstvertrag hat in beiden Beispielen einen starken Erfolgsbezug. Die (Gesamt-)Funktion der Tätigkeit ergibt sich aber nur unter Berücksichtigung beider Aspekte. Unter dem erfolgsbezogenen Aspekt des Dienstvertrages hat D die (Gesamt-)Funktion der Tätigkeit (Herausfinden des Täters) erfüllt. Betrachtet man aber den zeitbezogenen Aspekt des Dienstvertrages, hat D eine eigenständige Teilfunktion (Observierung an einem Tag) als Bruchstück aus der Funktion (Observierung an 14 Tagen) erfüllt. Demnach wäre eine Teilleistung anzunehmen. Entscheidend ist, welcher Aspekt überwiegt. Dies kann nur durch eine Auslegung der Parteivereinbarung ermittelt werden. Sofern die Parteien einen Leistungszeitraum vereinbaren, wird in der Regel ein zeitbezogener Dienstvertrag vorliegen. Dies zeigt sich daran, daß der Dienstverpflichtete regelmäßig die volle Vergütung auch erhalten soll, wenn er die Tätigkeit ordnungsgemäß erbringt, aber der Erfolg nicht erreicht wird. 224 Auch in den obigen Fällen werden die Parteien in der Regel davon ausgehen, daß D die Vergütung auch zustehen soll, wenn er den Täter nicht ermitteln kann. Damit überwiegt der Zeitbezug. Die Leistung wäre daher als Teilleistung zu behandeln. 225 Der Vorteil einer funktionalen Betrachtung zeigt sich auch bei den Problemfällen, die im Arbeitsrecht als sog. Langsamarbeit, Arbeitsbummelei, Ar§ 275 B GB a. F.) sowie zum neuen Schuldrecht Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 2. (S. 76). 223 Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. b), S. 46 ff. 224 Soll D hingegen die Vergütung nur erhalten, wenn er den Täter überführt, läge ein Werkvertrag vor. 225 Bislang (und auch vom BGH) nicht geprüft wurde, ob es sich um eine „normale“, d. h. ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung oder um eine (sog. isolierte) Teilschlechtleistung handelt. Dazu erst unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1), S. 283. Der Leistungszeitraum ist hier nur die Frist, innerhalb derer sich D das Honorar verdienen kann oder nicht. Er bestimmt hingegen nicht den Leistungsumfang; allenfalls setzt er dessen Grenzen für D fest.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

beitsunlust, passive Resistenz usw. bezeichnet werden. 226 Gerade in diesen Fällen bereitet die Abgrenzung zwischen Teilleistung und (vollständiger) Schlechtleistung gewöhnlich besondere Schwierigkeiten. Diese Fälle sind auch im Recht der selbständigen Dienstverträge denkbar: Beispiel: B vereinbart mit A, dieser möge seinem Sohn S eine Stunde Nachhilfe erteilen. a) A beendet den Unterricht nach 45 Minuten. b) A gibt sich keine Mühe; der Unterricht geht nur schleppend voran und wird durch häufige „Privatgespräche“ zwischen A und S unterbrochen.

In beiden Fällen mag der „Erfolg“ des Unterrichts der gleiche sein. Für die Unterscheidung zwischen Teil- und Schlechtleistung kommt es auf den Erfolg jedoch nicht an. Zu prüfen ist lediglich, ob die defizitäre Leistung des S eine eigenständige Teilfunktion erfüllt. Dies ist im Fall a) anzunehmen, da A ein „Bruchstück“ aus der Gesamtfunktion der Leistung erbringt. Die Teilfunktion kann aber nur durch die Bestimmung des Zeitraums definiert werden, in dem die Tätigkeit erbracht wird. Im Fall b) läßt sich ein solcher Zeitraum und damit auch eine „Teilfunktion“ nicht bestimmen. Wollte A den B an der Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung mit dem Argument, B habe an der Teilleistung ein Interesse (§ 281 Abs. 1 S. 2 BGB), hindern, müßte er darlegen, worin die eigenständige Teilfunktion seiner Leistung bestehen soll. Seine defizitäre Leistung ist indes nicht hinreichend abgrenzbar. Sie ist vielmehr lediglich im Hinblick auf die (Gesamt-)Funktion „irgendwie nützlich“. Es liegt daher eine Schlechtleistung vor. (bb) Verfehlung des Leistungszeitraums Die Leistung des Dienstverpflichteten kann von der geschuldeten aber auch dadurch abweichen, daß er zwar in ausreichender Länge tätig wird, doch liegt die Tätigkeit nicht oder teilweise nicht im vereinbarten Leistungszeitraum, sei es, daß sie vorzeitig, sei es, daß sie zu spät erbracht wird. Wie bereits erwähnt, wurde für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz teilweise vertreten, daß zu einer ordnungsgemäßen Leistung neben dem gegenständlichen und örtlichen auch das zeitliche Moment gehöre. 227 Diese Auffassung wurde gerade auch für die Leistung zur falschen Zeit vertreten. Eine Leistung, die zur falschen Zeit erbracht werde, sei eine Teilleistung. 228 Jeder Verzug beinhalte daher eine teilweise Unmöglichkeit. 229 226

Dazu unten Dritter Teil, § 6 III. 2. c), S. 445 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a), S. 218 ff. 228 Vgl. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 218, 9, 153 ff.; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 292. 229 Vgl. Motive, Bd. 2, S. 51, 210: Der Verzug sei „in der That ein Fall theilweiser Unmöglichkeit der Leistung“. Ebenso Titze, Unmöglichkeit, S. 41; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 295. Vgl. auch Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 8 f., 13 ff., unten § 5 Fn. 41. 227

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Diese Interpretation war möglich, weil die alte Rechtslage es zuließ, jede defizitäre Leistung als Teilleistung zu begreifen. Nach der aktuellen Rechtslage ist jedoch eine Unterscheidung zwischen (teilweiser) Nicht- und (teilweiser) Schlechtleistung zwingend erforderlich. 230 An der „einfachen“ Vorstellung, daß jede Leistung zur falschen Zeit eine Teilleistung sei, kann daher nicht festgehalten werden. a) Vollständige Verfehlung des Leistungszeitraums. Wie oben bereits dargestellt, führt die vollständige Verfehlung des Leistungszeitraums, wenn sich die Vertragsparteien nicht auf einen Termin zur Nachholung einigen, meist zu einer vollständigen Nichtleistung. 231 Da zeitbezogene Dienstverträge in der Regel substratabhängig sind, also voraussetzen, daß der Dienstverpfl ichtete mit dem Dienstberechtigten oder dessen Leistungssubstrat zusammentrifft, 232 kann die der Tätigkeit zugedachte Funktion während eines anderen Zeitraums normalerweise nicht erreicht werden. Stimmt der Dienstberechtigte der zeitlichen Verschiebung vor Beginn des Leistungszeitraums zu, liegt eine Vertragsänderung, bei nachträglicher Zustimmung eine Schlechtleistung vor, auf welche für den Verzögerungsschaden zusätzlich § 280 Abs. 2 BGB Anwendung finden könnte. 233 Nur in seltenen Ausnahmefällen wird die vollständige Verfehlung des Leistungszeitraums zu einer Teilleistung führen. Beispiel 1: Computerfachmann C soll den beiden Sekretärinnen A und B vormittags ein Textverarbeitungsprogramm erklären. C erscheint jedoch erst nachmittags. Da A nur vormittags beschäftigt ist, kann C das Programm nur B erläutern. Die Leistung des C ist verzögert und damit eine Schlechtleistung; außerdem ist sie nur eine Teilleistung, da durch sie lediglich eine eigenständige Teilfunktion der Tätigkeit erreicht wurde. Insgesamt liegt eine (isolierte) Teilschlechtleistung vor. 234 Beispiel 2: N unterrichtet den Sohn S des V regelmäßig montags von 15:00 bis 16:00 Uhr in Englisch. S schreibt Ende März eine für ihn wichtige Klausur in Französisch. Zur Vorbereitung auf diese Klausur soll N den S an den letzten beiden Montagen im März ausnahmsweise in Französisch unterrichten. N meint irrtümlich, er soll den letzten Montag im März und den ersten im April Französisch unterrichten. So kommt es auch. Es liegt eine (isolierte) ordnungsgemäße Teilleistung vor. 235 Der Französischunterricht im April stellt eine Nichtleistung (aliud) dar, da die Tätigkeit nicht mehr geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen.

b) Teilweise Verfehlung des Leistungszeitraums. Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen der Dienstberechtigte nur teilweise außerhalb des Leis230

Oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 204 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb), S. 232 ff. 232 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (1) und (2), S. 218 ff. 233 Zum Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB unten Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b), S. 320 ff. 234 Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1), S. 281 ff. 235 Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (c), S. 298 f. 231

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

tungszeitraums tätig wird. Dabei ist festzuhalten, daß eine nur unerhebliche, d. h. geringfügige Verschiebung des Leistungszeitraums in der Regel unbeachtlich bleibt. Im übrigen soll zunächst von dem seltenen Fall ausgegangen werden, daß der Dienstverpflichtete die Tätigkeit teilweise vorzeitig erbringt. Denn das Gesetz behandelt den Fall der verspäteten Leistung zwar allgemein als Pfl ichtverletzung; es unterwirft ihn jedoch der Sonderregelung der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Beispiel: A vereinbart mit seinem älteren Sohn P, dieser möge seinem jüngeren Sohn S montags ab 16:00 Uhr eine Stunde Nachhilfeunterricht erteilen. P unterrichtet S jedoch von 15:30 bis 16:30 Uhr.

Die Leistung des P ist „im Zweifel“ ordnungsgemäß, da § 271 Abs. 2 BGB dem Schuldner die vorzeitige Leistungserbringung gestattet. Doch mag dies anders sein, etwa weil der Schulunterricht des S erst um 14:00 Uhr endete und A darauf besteht, daß S sich zwei Stunden erholt, bevor der Nachhilfeunterricht beginnt. In diesem Fall wäre die Leistung nicht ordnungsgemäß. Betrachtet man allerdings den Unterricht von 16:00 bis 16:30 Uhr isoliert, läßt sich diese Leistung als Teilleistung auffassen, denn mit ihr wurde eine Teilfunktion, nämlich ein Bruchstück aus der Gesamtfunktion der Tätigkeit, erreicht. Diese Teilleistung wurde ordnungsgemäß erbracht. Der Unterricht von 15:30 bis 16:00 Uhr stellt ebenfalls eine Teilleistung dar, doch wurde sie zur falschen Zeit, nämlich vorzeitig, erbracht und ist daher – sofern in diesem Fall die zeitliche Verschiebung nicht gestattet ist – eine Schlechtleistung. 236 Insgesamt betrachtet liegt eine ordnungsgemäße Teilleistung und eine Teilschlechtleistung vor. 237 Für die teilweise nachträgliche Erbringung der Leistung gilt im Grundsatz dasselbe, nur wird dem Schuldner die nachträgliche Erbringung der Leistung nicht durch das Gesetz gestattet. Verfehlt der Dienstverpfl ichtete den Leistungszeitraum vollständig und holt er die Leistung nach, liegt eine Schlechtleistung vor, auf die für die Geltendmachung des Verzögerungsschadens zusätzlich § 280 Abs. 2 BGB Anwendung findet. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn der Dienstverpflichtete den Leistungszeitraum teilweise verfehlt. Beispiel: V vereinbart mit N, dieser möge seinem Sohn S von 16:00 bis 17:00 Uhr Nachhilfe erteilen. N verspätet sich und unterrichtet S von 16:30 bis 17:30 Uhr.

Man könnte annehmen, daß es sich bei der Leistung des N insgesamt um eine verzögerte Leistung handelt. Dabei würde jedoch unberücksichtigt bleiben, daß N 30 Minuten ordnungsgemäß innerhalb des vereinbarten Leistungszeit236 Vgl. schon oben zur vollständigen Verfehlung des Leistungszeitraums Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb), S.232 ff. 237 Es handelt sich um eine integrierte Teilschlechtleistung, vgl. unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (2), S. 284 ff. Auf diesen Fall fi nden die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Beurteilung des Gläubigerinteresses die gesamte erbrachte Leistung zu berücksichtigen ist, vgl. unten Zweiter Teil, § 4 III. c) (2) (b), S. 291 ff.

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raums tätig wurde und lediglich die weiteren 30 Minuten außerhalb dieses Zeitraums. Die „Verzögerung“ der Leistung erfaßt nur diese 30 Minuten. Verfehlt der Dienstverpflichtete den Leistungszeitraum also nur teilweise, liegen auch hier eine ordnungsgemäße Teilleistung und eine Teilschlechtleistung vor. Außerdem ist in der Regel ein Teilverzug eingetreten. 238 Besonders deutlich wird das, wenn der Dienstverpflichtete die Tätigkeit unterbricht: Beispiel: V vereinbart mit N, dieser möge seinem Sohn S von 16:00 bis 17:00 Uhr Nachhilfe erteilen. N beginnt den Unterricht pünktlich. Um 16:30 Uhr erreicht ihn jedoch ein Anruf, er müsse in einer dringenden Angelegenheit nach Hause. Um 17:30 Uhr kehrt er zurück und setzt den Unterricht bis 18:00 Uhr fort.

Es muß in den Fällen der teilweisen Verfehlung des Leistungszeitraums jedoch nicht immer eine ordnungsgemäße und eine schlecht erbrachte Teilleistung vorliegen. Beispiel: N unterrichtet den Sohn S des V regelmäßig montags von 15:00 bis 16:00 Uhr in Englisch. S schreibt Ende März eine für ihn wichtige Klausur in Französisch. Zur Vorbereitung auf diese Klausur soll N den S an den ersten beiden Montagen im März ausnahmsweise in Französisch unterrichten. N meint irrtümlich, er soll den letzten Montag im März und den ersten im April Französisch unterrichten. Es liegt eine ordnungsgemäße Teilleistung, im übrigen eine Nichtleistung (aliud) vor.

Zu bedenken ist außerdem, daß nicht immer eine ordnungsgemäße Teilleistung vorliegt, wenn der Schuldner teilweise innerhalb des vereinbarten Zeitraums tätig wird. Nicht immer läßt sich nämlich der Leistungszeitraum in toto verschieben. Denn es ist durchaus möglich, daß nach der Vereinbarung bestimmte Handlungen zu mehr oder minder festgelegten Zeitpunkten erbracht werden sollen. Soll z. B. der Musiker für eine live übertragene Rundfunksendung von 16:00 Uhr bis 16:15 Uhr ein bestimmtes, ca. 15 Minuten dauerndes Stück spielen, ließe sich jede Note einem in etwa bestimmbaren Zeitpunkt zuordnen. Beginnt der Musiker 5 Minuten zu spät, kann man nicht zwingend davon ausgehen, daß die im vereinbarten Zeitraum gespielten 10 Minuten eine ordnungsgemäße Leistung darstellen. Eine solche Verschiebung des Leistungszeitraums führt dann zu einer Verzögerung der gesamten Leistung, also zu einer vollständigen Schlechtleistung. Für den Verzögerungsschaden findet § 280 Abs. 2 BGB Anwendung, wobei kein Teilverzug vorliegt, sondern Verzug mit der gesamten Leistung. g) Ergebnis zu (bb). Zusammenfassend ist festzustellen, daß die teilweise Verfehlung des Leistungszeitraums in der Regel zu einer Schlechtleistung führt. Die vorzeitige Leistungserbringung stellt, wenn sie nicht gem. § 271 Abs. 2 BGB gestattet ist, eine Schlechtleistung dar. Die verzögerte oder die vorzeitige Leistung können eine ordnungsgemäße Teilleistung beinhalten. In diesem Fall 238

Zum Teilverzug unten Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b) (1), S. 324 ff.

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muß die Tatsache, daß es dem Dienstverpflichten neben der verzögerten bzw. der Schlechtleistung gelungen ist, eine ordnungsgemäße Teilleistung zu erbringen, bei der Zuordnung der Rechtsfolgen zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. 239 (b) Sonstige Teilbarkeit Neben der Teilbarkeit durch die Zeit ist auch bei zeitbezogenen Dienstverträgen eine Teilbarkeit „nach Mengeneinheiten“ denkbar. 240 Sie dürfte allerdings selten sein. Die Teilbarkeit wird sich in der Regel auf die Personen beziehen, die der Dienstverpflichtete zur Erbringung der Dienste einschaltet, oder auf die Personen, auf die sich die Dienstleistung beziehen soll (z. B. bei Unterricht, Einweisung). Beispiel: A verpfl ichtet sich gegenüber B, dessen zwei Bürogebäude ständig durch drei Personen überwachen zu lassen. A stellt hingegen nur zwei Personen für die Überwachung ab. Es kommt darauf an, ob mit der Überwachung durch zwei Personen eine eigenständige Teilfunktion erfüllt werden konnte: a) Wissen A und B bei Vertragsschluß, daß eine sinnvolle Überwachung des Gebäudes nur durch drei Personen sichergestellt werden kann (z. B. weil drei separate Eingänge zu überwachen sind), kann die Überwachung durch zwei nicht als Teilleistung bewertet werden. Es liegt eine vollständige Nichtleistung vor, da die Leistung zur Erreichung der ihr von den Vertragsparteien zugedachten vertraglichen Funktion nicht mehr geeignet war und die Parteien der erbrachten Leistung keine eigenständige Teilfunktion zugedacht haben. b) 241 Gehen A und B hingegen davon aus, daß jeweils drei abgeschlossene Komplexe des Gebäudes durch drei Personen zu überwachen sind, liegt in der Überwachung von zwei Komplexen durch zwei Personen eine Teilleistung, denn durch den Einsatz jeder Person wird die eigenständige Teilfunktion, ein „Bruchstück“ aus der Gesamtfunktion, erfüllt.

Möglich ist schließlich auch eine rein funktionale Teilbarkeit. Sie ist denkbar, wenn eine Tätigkeit zur gleichen Zeit mehrere eigenständige Funktionen erfüllen soll. Genügt die defizitäre Leistung, zumindest eine dieser Teilfunktionen zu erfüllen, liegt ebenfalls eine Teilleistung vor. So kann z. B. auch eine Tätigkeit, die über den gesamten vereinbarten Leistungszeitraum erbracht wird, als Teilleistung zu bewerten sein, wenn sie zwar nicht ordnungsgemäß war, aber durch sie eine eigenständige Teilfunktion erfüllt wurde.

239

Dazu unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b) und (c), S. 291 ff. und S. 298 f. Anders für den Zeitlohnvertrag (im Gegensatz zum Akkord): Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 1, S. 68 und 165 f. Die Arbeit sei nur nach ihrer zeitlichen Ausdehnung oder Länge teilbar. Ähnlich für den Dienstvertrag im allgemeinen Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 29 I. 1. 241 Ähnlicher Fall bei Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. B 169. 240

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Beispiele: a) A soll eine Stunde Nachhilfe geben und gleichzeitig auf den schlafenden Säugling achten. Tut A nur das eine oder das andere, liegt eine Teilleistung vor. 242 b) Der Geschäftsmann erwartet eine Besuchergruppe aus Japan. Der Sinologiestudent S soll der Gruppe drei Stunden die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen und dolmetschen. Die Japaner sprechen jedoch allesamt Deutsch, so daß keine Gelegenheit zu Dolmetschen entsteht. Die dreistündige Stadtführung ist nur eine Teilleistung. 243 c) Demgegenüber hat der BGH zutreffend in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1953244 eine Teilleistung abgelehnt: Der Dienstverpflichtete sollte als Vorstandsmitglied in Berlin tätig werden; ihm wurde jedoch bis 1947 die Einreise nach Deutschland untersagt. Während dieser Zeit bestand seine Tätigkeit im Wesentlichen darin, mit „leitenden Persönlichkeiten der Beklagten briefliche Verbindung“ zu unterhalten. Darin sei keine Teilleistung zu sehen. Da die Tätigkeit als Vorstandsmitglied „den Einsatz der ganzen Person“ verlange, liege (vollständige) Unmöglichkeit vor. Infolge des Fortschritts der Kommunikationstechnik mag dieser Fall heute allerdings anders entschieden werden können.

(c) Ergebnis zu (1) Trotz der unter (b) geschilderten Fallgestaltungen ist auch für den funktionalen Teilleistungsbegriff die Teilbarkeit von zeitbezogenen Dienstverträgen in der Regel eine Teilbarkeit durch die Zeit. Grundsätzlich ist eine Tätigkeit, die nicht über den gesamten geschuldeten Leistungszeitraum hin erbracht wird, eine Teilleistung, denn sie wird ein „Bruchstück“ der Gesamtfunktion der Leistung erfüllen. Möglich ist aber auch, daß sie eine andere eigenständige Teilfunktion erfüllt. Maßgeblich ist allein, ob die nicht ordnungsgemäße Leistung geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. Diese muß hinreichend abgrenzbar und beschreibbar sein. (2) Teilbarkeit erfolgsbezogener Dienstverträge Nach der obigen Definition zeichnet sich ein erfolgsbezogener Dienstvertrag dadurch aus, daß sich der Leistungsumfang unabhängig von der Leistungsdauer bestimmt. Der Leistungsumfang bestimmt sich vielmehr in erster Linie anhand des Zwecks, den der Dienstberechtigte mit der Tätigkeit verfolgt. Entsprechend bemißt sich der Wert der Dienste für den Dienstberechtigten in erster Linie danach, ob und in welchem Maße die Dienste zur Erreichung des von ihm angestrebten Zwecks geeignet sind. 245 Die Abgrenzung von Teilleis242 Vgl. auch BAG (Urt. v. 5. 11. 1992) AuR 1993, 124 f.: Lehrer erzählt im Schulunterricht judenfeindliche Witze. Es ist möglich, der Tätigkeit zwei Funktionen – Erziehen und Lehren – zuzuweisen. Hat der Lehrer die erstere Funktion nicht erreicht, wäre eine Teilleistung noch immer möglich, wenn man annimmt, daß die Funktion „Lehren“ erfüllt wurde; vgl. zu diesem Beispiel unten Fn. 433. 243 S steht gem. § 615 BGB die gesamte Vergütung zu, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa) und unten § 5 III. 3. a), S. 71 ff. und S. 387. 244 BGHZ 10, 187, 189. 245 Oben Zweiter Teil, § 4 I. 1. a. E., S. 209 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

tung und Schlechtleistung scheint daher nicht leicht. Eine Teilbarkeit durch die Zeit entfällt, da ein fester Leistungszeitraum nicht vereinbart wird. Eine Teilbarkeit „nach Mengeneinheiten“ ist selten möglich. 246 Sie setzt voraus, daß die Tätigkeit meßbare Eigenschaften hat. Die Eigenschaften von Tätigkeiten sind aber kaum meßbar. 247 Vor diesem Hintergrund erweist sich ein funktionaler Ansatz zur Abgrenzung von Teilleistungen und Schlechtleistungen als besonders geeignet. Die Vertragsparteien definieren den Inhalt der Dienste gerade über die Funktion, die die Tätigkeit haben soll. Dies geschieht mittelbar, indem sie feststellen, welchen Zweck die Dienste haben sollen, welchen Erfolg also der Dienstberechtigte mittels des Dienstverpflichteten erreichen will. Zwar schuldet der Dienstverpflichtete das Erreichen dieses Erfolges nicht. Er schuldet aber eine Tätigkeit, die zur Erreichung des Erfolges geeignet ist. (a) Gleichrangige Erfolge Daher ist eine Teilleistung vor allem möglich, wenn der Dienstberechtigte mit der Tätigkeit zwei oder mehrere „gleichrangige“ Erfolge anstrebt. Das gilt ohne weiteres, wenn der Dienstberechtigte zwei oder mehr Erfolge erreichen will, die miteinander inhaltlich nicht in Zusammenhang stehen (z. B. Rechtsanwalt soll Mietzinsforderung einklagen sowie über Scheidungsfolgen beraten). In diesen Fällen hätten ohne weiteres auch zwei oder mehrere getrennte Dienstverträge geschlossen werden können. Es ist aber auch möglich, daß zwischen den verschiedenen angestrebten Erfolgen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Erbringt der Dienstverpflichtete in diesem Fall eine Tätigkeit, die geeignet ist, einen oder mehrere dieser Erfolge zu erreichen, erfüllt seine Tätigkeit in der Regel eine eigenständige Teilfunktion. Beispiele: a) Der Rechtsanwalt soll zwei Mietzinsforderungen gegen denselben Mieter einklagen, er vergißt jedoch eine der Forderungen; b) der Arzt unterzieht nur ein Auge statt wie vereinbart beide fehlsichtigen Augen einer Laserbehandlung.

Zu beachten ist allerdings, daß der Dienstberechtigte oft nur scheinbar mehrere gleichrangige Erfolge erreichen will. Besteht zwischen diesen Erfolgen ein inhaltlicher Zusammenhang, verfolgt der Dienstberechtigte mit der Erreichung der Erfolge vielfach ein „Gesamtziel“. Der Vertrag hat dann einen einheitlichen Zweck; die Tätigkeit soll eine einheitliche Funktion erfüllen. Eine defizitäre Leistung kann in diesem Fall keine eigenständige Teilfunktion haben.

246 Aber auch nicht ganz ausgeschlossen, vgl. schon Kisch, Unmöglichkeit, S. 166, m. w.Nachw., allerdings zum Werkvertrag. 247 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (cc) und III. 2. b), S. 220 ff. und S. 237 ff.

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(b) Verschiedenrangige Erfolge Das letzte Beispiel zeigt bereits, daß die Bestimmung des Erfolgs, den der Dienstberechtigte mit der Tätigkeit anstrebt, nicht immer einfach ist. Das menschliche Verhalten läßt sich allgemein in finale Handlungsmuster zerlegen. Dabei stellt ein angestrebtes Ziel in der Regel nur einen Zwischenschritt zur Erreichung eines weiteren Zieles dar. 248 Für die Bestimmung der Funktionen einer Tätigkeit kommt es aber nicht auf sämtliche Anfangs-, Zwischen- und Endziele des Gläubigers an. Maßgeblich ist allein die Parteivereinbarung. Zu entscheiden ist, welchen Erfolg der Dienstberechtigte nach der ausdrücklichen Absprache oder nach den Umständen des Vertragsschlusses, sofern sie auch dem Dienstverpflichteten bekannt waren, anstrebte. Nach diesem Erfolg bestimmt sich die Funktion der Tätigkeit. Allerdings sind für die Erreichung dieses Erfolges in aller Regel eine Reihe von Zwischenschritten erforderlich. Besteht die defizitäre Leistung des Dienstverpflichteten nur in der Erreichung eines solchen Zwischenschritts, liegt in der Regel keine Teilleistung vor. Beispiel: Rechtsanwalt R soll für A eine Forderung einklagen. Zu diesem Zweck kommt es zunächst zu einem Beratungsgespräch, in dem R den A über die rechtliche Lage aufklärt. Daraufhin entwickeln sie eine Prozeßstrategie, die den Vorstellungen des A entspricht. Eine Woche später soll die Klage eingereicht werden.

Im obigen Beispielsfall liegt dem Vertrag ein einheitlicher Vertragszweck (Einklagen der Forderung) zugrunde. Die Tätigkeit hat eine einheitliche Gesamtfunktion. Das Beratungsgespräch allein hat für den Dienstberechtigten keine eigenständige Funktion. Es ist für ihn zwar „irgendwie nützlich“, stellt aber nur einen „Zwischenschritt“ zur Vorbereitung einer weiteren geschuldeten Tätigkeit dar. Nach der vertraglichen Vereinbarung mußte R zum Zeitpunkt des Vertragsschluß erkennen, daß vor dem Hintergrund des von A verfolgten Ziels das Beratungsgespräch allein nicht „brauchbar“ sein würde. Das Beratungsgespräch stellt damit keine Teilleistung dar. Bliebe es bei der Beratung, wäre die Leistung des R als vollständige Nichtleitung zu bewerten, da sie nicht geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Dieser Beurteilung wurde allerdings für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz widersprochen. Bei den Dienstverträgen der Freien Berufe komme es oft zu einer stufenweise Durchführung des Vertrages. So stünde allgemein häufig die Beratung und Aufklärung am Anfang der Tätigkeit; sie bestimme erst den Fortgang der Arbeit. Soweit diese Leistungen ordnungsgemäß erbracht würden, lägen Teilleistungen vor, und es entstünden entsprechende Gegenleistungsansprüche. 249 Nach dem funktionalen Teilleistungsbegriff trifft das hingegen nur zu, wenn die Beratung oder Aufklärung 248 249

keit.

Dazu schon oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (aa), S. 23 ff. W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 600, 601. Roth bezieht sich auf die teilweise Unmöglich-

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eine eigenständige Teilfunktion erfüllt; wenn sie also bei isolierter Betrachtung vor dem Hintergrund der vertraglichen Vereinbarung für den Dienstberechtigten „brauchbar“ ist. In der Regel wird dies nicht der Fall sein. Wenn die Vertragsparteien den Inhalt des Vertrages nicht ohnehin zunächst nur auf eine Beratung beschränken (z. B. weil sich der Dienstberechtigte auf eine weitere Zusammenarbeit noch nicht festlegen will), wird die Beratung zumeist nur vorbereitender Natur sein. Auf den Gegenleistungsanspruch des Dienstberechtigten hat diese Bewertung jedenfalls dann keine Auswirkung, wenn der Grund für die mangelnde Ordnungsgemäßheit der Leistung in der Sphäre des Dienstberechtigten liegt (§ 615 BGB). 250 (c) Ergebnis zu (2) Der Vorteil einer funktionalen Abgrenzung der Teilleistung zeigt sich besonders bei den erfolgsbezogenen Dienstverträgen. Bei diesen bedarf es einer genauen Analyse der Funktion oder der Funktionen, die die Vertragsparteien der Leistung zugedacht haben. Verfolgt der Dienstberechtigte mit der Leistung mehrere Zwecke, soll die Tätigkeit in der Regel auch mehrere Funktionen erfüllen. Um eigenständige Teilfunktionen handelt es sich bei diesen aber nur, wenn diese Funktionen nicht lediglich vorbereitend die eigentliche, einheitliche Gesamtfunktion der Tätigkeit unterstützen. Der betrachtete Ausschnitt aus dem Leistungsprogramm muß auch hier isoliert betrachtet für den Dienstberechtigten vor dem Hintergrund der vertraglichen Vereinbarung „brauchbar“ sein. Ist die defizitäre Leistung des Dienstverpfl ichteten geeignet, eine solche eigenständige Teilfunktionen zu erfüllen, liegt eine Teilleistung vor. c) Ergebnis zu 2. Ob eine nicht ordnungsgemäße Leistung eine Teilleistung i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB darstellt, beurteilt sich nicht aufgrund „faktischer“ oder „technischer“ Maßstäbe. Es ist vielmehr ein normativer Abgrenzungsmaßstab zu suchen. Dafür ist nach der aktuellen Rechtslage ausschlaggebend, daß die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB den Gläubiger einer Teilleistung benachteiligen, da sie für ihn die Ausübung der Totalrechte erschweren. Deshalb ist von einer Teilleistung nur auszugehen, wenn der Gläubiger durch sie einen wirklichen Vorteil erlangt. Dies ist allgemein der Fall, wenn der Gläubiger durch die Teilleistung einen eigenständigen Vertragszweck erreichen kann. Für den Dienstvertrag ist diese Feststellung zu präzisieren. Die Teilleistung beschränkt sich auch für den Dienstvertrag nicht auf eine Teilbarkeit „nach Zeitabschnitten“. Eine Teilleistung der Verpflichtung aus dem Dienstvertrag 250 Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa) unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. a), S. 71 ff. und 387.

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liegt vor, wenn die Vertragsparteien der defizitären Leistung im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung eine eigenständige Teilfunktion zugedacht hatten und die erbrachte Tätigkeit geeignet war, diese Funktion zu erfüllen (funktionaler Teilleistungsbegriff). Diese eigenständige Teilfunktion muß hinreichend genau definiert werden können. Besonders für die zeitbezogenen Dienstverträge gilt, daß eine eigenständige Teilfunktion oft ein zeitliches „Bruchstück“ aus der Gesamtfunktion der geschuldeten Dienste ist. Auch bei zeitbezogenen Dienstverträgen beschränken sich die Teilleistungen jedoch nicht auf diese Fallgruppe. Vor allem für die erfolgsbezogenen Dienstverträge zeigt sich der Vorteil einer funktionalen Betrachtung. Dabei ist darauf zu achten, daß die Gesamtleistung bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen oft in aufeinander aufbauenden Schritten erfolgt. Nicht jeder dieser Schritte stellt automatisch eine Teilleistung dar. Vielmehr kommt es darauf an, ob die nicht ordnungsgemäße Leistung geeignet ist, eine eigenständige Teilfunktion für den Dienstberechtigten zu erfüllen. 3. Teilleistung und Teilschlechtleistung Eine Leistung kann grundsätzlich in drei „Aggregatzuständen“ auftreten: als ordnungsgemäße, als Nicht- und als Schlechtleistung. Wann eine ordnungsgemäße Leistung vorliegt, wurde im Ersten Teil unter § 3 II. dargestellt. Zur Abgrenzung der Nicht- von der Schlechtleistung wurde unter II. die Kategorie der Nichtleistung beschrieben: Eine Nichtleistung liegt vor, wenn die erbrachte Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete identifiziert werden kann. Das ist der Fall, wenn die Tätigkeit nicht mehr geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Die Kategorie der Schlechtleistung wurde im Wege des Ausschlusses als die „Restmenge“ bestimmt: Eine Schlechtleistung ist eine Leistung, die weder ordnungsgemäß noch eine Nichtleistung ist. Allerdings tritt nicht stets die gesamte Leistung einheitlich in demselben Aggregatzustand auf. Das Gesetz erkennt in den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB an, daß es eine Teilleistung gibt. Wie unter III. 1. und 2. beschrieben, kann die Gesamtleistung also in zwei Teile zerfallen. Die zitierten Vorschriften zielen auf den klassischen Fall der Teilleistung ab, in dem ein Teil der Leistung ordnungsgemäß, der Rest der Leistung hingegen gar nicht erbracht wird. Die Gesamtleistung befindet sich also teilweise im Aggregatzustand „ordnungsgemäß“ und teilweise im Aggregatzustand „Nichtleistung“. Wenn aber Teile der Leistung in diesen beiden Aggregatzuständen auftreten können, liegt es nahe, daß sie auch im Aggregatzustand der Schlechtleistung auftreten können. In dem bereits mehrfach verwendeten Kombinationsmodell geht es also um die Fallgestaltungen aus der 5. und der 6. Zeile.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

1. Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht ordnungsgemäß ordnungsgemäß nicht

2.Teil: ordnungsgemäß nicht schlecht nicht schlecht schlecht

Dabei stellen sich folgende Fragen: Erstens ist zu prüfen, ob sich der Aggregatzustand „Schlechtleistung“ tatsächlich nur auf einen Teil der Leistung beziehen kann, ob es mit anderen Worten eine „Teilschlechtleistung“ gibt. Diese Frage wird bejaht (dazu unter a)). Die Teilschlechtleistung kann grundsätzlich in zwei Erscheinungsformen auftreten. Die Leistung kann einmal ausschließlich in der Teilschlechtleistung bestehen; sie wird dann als isolierte Teilschlechtleistung bezeichnet (6. Zeile). Es können aber neben der Teilschlechtleistung auch weitere Leistungsteile erbracht werden, z. B. kann neben der Teilschlechtleistung eine ordnungsgemäße Teilleistung vorliegen (5. Zeile). Diese Fälle werden als integrierte Teilschlechtleistung bezeichnet. Die Fälle der integrierten Teilschlechtleistung lassen sich nur klar abgrenzen, wenn sämtliche anderen Möglichkeiten der partiell schlecht erbrachten Leistung dargestellt werden (dazu unter b)). Schließlich ist jeder der dargestellten Fallkonstellationen eine angemessene Rechtsfolge zuzuordnen. Aus der Vielfalt der Fallkonstellationen und ihrer Rechtsfolgen zeichnen sich dabei Grundsätze ab, die die Rechtsfolgenzuordnung im Ergebnis verhältnismäßig einfach erscheinen läßt (dazu unter c)). Am Ende der Darstellung wird die in der Literatur behandelte Teil-Teilleistung vorgestellt und dargelegt, daß auf eine gesonderte Rechtsfolgenzuordnung für diese Fallgruppe verzichtet werden kann (unter d)). Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden am Ende zusammenfassend dargestellt (unter e)). a) Die Teilschlechtleistung Auch im Schrifttum geht man grundsätzlich davon aus, daß eine Teilleistung schlecht erbracht werden kann. Dabei wird im allgemeinen der Fall behandelt, daß im Rahmen einer ansonsten ordnungsgemäßen Leistung ein Teil der Leistung schlecht erfüllt wird. Dieser Fall wird – ohne weitere Spezifizierung – als Teilschlechtleistung bezeichnet. 251 Als Beispiel wird – in Anlehnung an die Ge251 So ausdrücklich MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151, 140 ff., § 323 Rn. 256, 224; Soergel/Gsell § 323 Rn. 219; AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 281 Rn. 18 und § 323 Rn. 25 (von 60 geschuldeten und gelieferten Flaschen Wein sind 10 mit Frostschutzmittel versetzt); Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 221 (von 100 Flaschen sind 10 verdorben); Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098 f.; KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse § 281 Rn. 12, § 323 Rn. 23 (von 100 Flaschen Wein sind 10 mit Glykol versetzt); Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115 (20 von 100 Flaschen sind verdorben). Ohne diesen Ausdruck zu gebrauchen auch Canaris, ZRP 2001,

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

279

setzesbegründung252 – der Fall zitiert, daß eine bestimmte Anzahl von Weinflaschen geschuldet wird, wobei in einem Anteil der Flaschen der Wein verdorben ist. Bei diesem Fall wird einerseits die Teilleistung und andererseits der „Aggregatzustand“ Schlechtleistung bezogen auf diese Teilleistung konstatiert. 253 Es scheint damit zumindest im Grundsatz entschieden, daß es Fälle der Teilschlechtleistung geben muß. Wie sich diese allerdings in weniger eindeutigen Fällen von der vollständigen Schlechtleistung und von der ordnungsgemäß erbrachten Teilleistung abgrenzen, bleibt offen. 254 Schon wenn in der Gesetzesbegründung an selber Stelle255 als Beispiel für eine Schlechterfüllung der Fall zitiert wird, daß der Verkäufer ein Auto mit einer defekten Navigationsanlage liefert, erscheint die Qualifikation zweifelhaft. Es verwundert daher auch nicht, daß die Autoren der Gesetzesbegründung keine klare Aussage dazu treffen, ob es sich bei diesem Beispiel um eine Teilschlechtleistung oder um eine vollständige Schlechtleistung handeln soll. 256 Die Existenz von Fällen der Teilschlechtleistung wird besonders deutlich, wenn man von den einfachen Fällen absieht, in denen der Schuldner zur Lieferung mehrerer gleicher Gegenstände verpflichtet ist, und sich den in der Literatur ebenfalls erwähnten Fällen zuwendet, in welchen der Schuldner ein Bündel von Verpflichtungen übernimmt. So wird der Fall erwähnt, in welchem der Verkäufer einer Maschine sich zusätzlich zu einer dreistündigen Einweisung in die Benutzung der Maschine verpflichtet. 257 Hätte der Schuldner die Pflichten 329, 335 (90 von 100 Flaschen Wein sind wegen undichten Korkens zu Essig geworden), und Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 523, sowie Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 220 (10 von 100 Flaschen Wein sind zu Essig geworden). Verdorbener Wein (bzw. Essig) ist nach hier vertretener Ansicht indessen kein „mangelhafter“ Wein sondern ein aliud, vgl. unten Fn. 308 und sogleich im Text. Für den Rechtsanwaltsvertrag vgl. Zugehör, ZGS 2003, 272, 277. 252 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140 f., 187. 253 Ausdrücklich Canaris, ZRP 2001, 329, 335; Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 120 f. 254 So ausdrücklich AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 281 Rn. 18 und § 323 Rn. 25. 255 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140. Das Beispiel übernehmend Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 627. 256 Sollte dieser Fall als Beispiel für eine Leistung mit „mangelhaftem Teil“ gemeint sein, bleibt immer noch offen, ob es sich bei diesem „Teil“ um eine Teilleistung handeln soll oder nicht. Nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff stellt die defekte Navigationsanlage keine Teilschlechtleistung dar, da der vom Käufer mit dem Vertrag verfolgte Zweck die Anschaffung eines Autos ist und er daher mit der Navigationsanlage keine eigenständige Teilfunktion verfolgt, vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 246 ff. Vielmehr liegt eine Kombination aus einer ordnungsgemäßen Teilleistung (Auto abzüglich der Navigationsanlage) und einer schlecht erbrachten Restleistung (defekte Navigationsanlage) vor, auf welche die Regelungen über die Teilleistung Anwendung fi nden, vgl. unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (c), S. 298 f. 257 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151, 143. Vgl. dazu bereits auch oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (b) a. E., S. 253. Allerdings hält das LG Berlin (Urt. v. 16. 6. 1989–99 O 130/84, n.v.) einen Vertrag über die Einweisung von Personal in die Benutzung einer EDVAnlage für einen Werkvertrag.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

in zwei getrennten Verträgen übernommen, könnten beide Pflichten ordnungsgemäß, nicht oder auch schlecht erfüllt werden. An dieser Möglichkeit ändert sich durch die Tatsache nichts, daß den Schuldner beide Pfl ichten aus einem Vertrag treffen. Liefert der Verkäufer eine mangelfreie Maschine, ist die Einweisung jedoch nicht vertragsgemäß, erfaßt die Schlechtleistung allein die Teilleistung „Einweisung“. Dieser Gedankte trägt nicht nur in den Fällen, in denen der Schuldner mehrere verschiedenartige Pfl ichten übernimmt. Auch bei der Übernahme einer einzigen Pflicht (z. B. dreistündige Einweisung) wäre eine vertragliche Aufspaltung (z. B. nach Stunden) möglich. Dann könnte wiederum jeder Leistungsteil ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht werden. Die Einheitlichkeit der vertraglichen Verpfl ichtung ändert nichts daran, daß sich die nicht vertragsgemäße Erfüllung nur auf einen Teil der Leistung erstreckt. Daß es phänomenologisch eine Teilschlechterfüllung gibt, wird auch in der Gesetzesbegründung nicht bestritten. Ausdrücklich wird dort der Fall der teilweise mangelhaften Leistung benannt. 258 Allerdings hält man die teilweise Mangelhaftigkeit und die vollständige Mangelhaftigkeit für kaum voneinander abgrenzbar. Aus diesem Grunde will man die Tatbestände der vollständigen Schlechtleistung und die der teilweisen Schlechtleistung denselben Regelungen unterwerfen. 259 Diesem Ansatz folgt die Literatur überwiegend jedoch nicht. 260 Er ist auch methodisch fragwürdig. Zum einen ist es bedenklich, Tatbestände oder Gruppen von Tatbeständen bestimmten Rechtsfolgen zu unterwerfen, ohne daß vorher ausreichend definiert worden wäre, um welche Tatbestände es sich handelt. 261 Zudem ist der sog. Grenzenlosigkeitsschluß, mit dem aus den Schwierigkeiten der Abgrenzung das Nichtvorhandensein der Grenze gefolgert wird, abzulehnen. 262 Schließlich lassen sich die Abgrenzungsschwierigkeiten ohnehin nicht vermeiden. Selbst wenn man die Grenze zwischen Teilschlechtleistung und vollständiger Schlechtleistung offen ließe, bliebe die Grenze zwischen Teilschlechtleistung und sämtlichen anderen Fällen nicht ordnungsgemäßer Leistung zu ziehen. Schon in dem scheinbar eindeutigen Fall, in dem von 100 Flaschen zu liefernden Weines 10 zu Essig geworden sind, ist durchaus fraglich, ob die 10 Flaschen im Aggregatzustand der Schlechtoder der Nichtleistung vorliegen. Der zu Essig gewordene Wein ließe sich z. B. auch als aliud qualifizieren. Dann läge weder eine Teilschlechtleistung noch 258

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140, 186 f. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140, 186 f. In § 281 Abs. 1 S. 3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14. Mai 2001 (ebenda S. 7) sollte neben der teilweisen und der vollständigen Schlechtleistung auch die Teilleistung gleich behandelt werden. In § 323 Abs. 5 des Entwurfs war diese Gleichbehandlung jedoch nicht vorgesehen. 260 Unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b), S. 288 ff. 261 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4, S. 206 f. 262 Vgl. oben Fn. 118. 259

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eine vollständige Schlechtleistung, sondern nur eine Teilleistung (bezogen auf die 90 ordnungsgemäßen Flaschen) vor. Die Abgrenzungsschwierigkeiten können zwar nicht bestritten werden; sie sind andererseits aber im Vergleich zu den schon behandelten Abgrenzungsproblemen nicht wesentlich größer. Wenn der Gesetzgeber in den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. und S. 2 BGB dem Rechtsanwender ohne weiteres aufgibt, zwischen vollständiger Schlecht-, Nicht- und Teilleistung zu unterscheiden, erscheint es wenig nachvollziehbar, aus welchen Gründen er die Fälle der Teilschlechtleistung für „kaum abgrenzbar“263 hält. Richtig ist vielmehr, daß schon die Grenzziehung zwischen den vorgenannten Fällen äußerst schwierig ist. Aus diesem Grund hätte ein Ansatz, nach dem sämtliche Fälle der sog. „beschränkten Störung“ als Teilleistung zu qualifizieren wären, 264 zu einer wesentlichen Rechtsvereinfachung geführt. Diesen Weg ist der Gesetzgeber jedoch nicht gegangen. Hat man diesen Maßgaben der lex lata entsprechend einen Weg zur Abgrenzung von vollständiger Schlecht-, Nicht- und Teilleistung gefunden, besteht kein Grund mehr, vor den Schwierigkeiten der Abgrenzung der Teilschlechtleistung zu kapitulieren. b) Erscheinungsformen der Teilschlechtleistung (1) Die sog. isolierte Teilschlechtleistung Wie bereits erwähnt wird unter einer „Teilschlechtleistung“ in der Literatur der Fall verstanden, daß der Schuldner im Rahmen einer sonst ordnungsgemäß erbrachten Leistungen einen Teil schlecht erbringt. Möglich ist jedoch auch, daß der Schuldner aus seinem Pflichtenprogramm lediglich eine Teilleistung erbringt, und das nicht ordnungsgemäß, sondern schlecht. Dieser Fall wird im folgenden als „isolierte Teilschlechtleistung“ bezeichnet. Es versteht sich, daß dieser Fall andere Rechtsfolgen nach sich ziehen muß als die Fälle der „integrierten“ Teilschlechtleistung, die in der Literatur behandelt werden. Beispiel 1: a) Von den 10 geschuldeten Kopiergeräten werden 10 geliefert, jedoch sind zwei defekt. Es liegt eine in eine ansonsten ordnungsgemäße Leistung „integrierte“ Teilschlechtleistung vor. b) Es werden nur zwei Kopiergeräte geliefert; diese sind defekt. Hier handelt es sich um eine isolierte Teilschlechtleistung. Beispiel 2: Pianist A soll zwei Stunden im Restaurant und anschließend zwei Stunden in der Hotelbar spielen. a) A spielt im Restaurant wie vereinbart; als er aber in der Hotelbar eintrifft, ist er infolge von Übermüdung nicht mehr in der Lage, den Anforderungen entsprechend zu spielen. Den meisten Gästen fällt das nicht auf. Einige Gäste fühlen sich jedoch gestört; es kommt zu Beschwerden. Es liegen zwei Teilleistungen vor, von denen eine ordnungsgemäß und eine schlecht erbracht wird. Insgesamt handelt es sich daher um eine „integrierte“ Teilschlechtleistung. b) Wie a), nur hat sich A um 263

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140, 187. Dieser Ansatz wurde für die frühere Rechtslage vertreten, oben Zweiter Teil § 4, S. 204 ff. 264

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

zwei Stunden verspätet und konnte daher im Restaurant nicht mehr spielen. Er hat lediglich eine Teilleistung erbracht, und zwar schlecht. Insgesamt liegt eine isolierte Teilschlechtleistung vor.

Die isolierte Teilschlechtleistung ist leichter abgrenzbar als die in der Literatur behandelte „integrierte“ Teilschlechtleistung. Aus diesem Grunde soll sie zuerst von anderen Fällen der beschränkten Störung abgegrenzt werden: Für die Abgrenzung von vollständiger Schlecht-, Nicht- und Teilleistung wurde für den Dienstvertrag der sog. funktionale Nicht- bzw. funktionale Teilleistungsbegriff entwickelt. Eine Nichtleistung liegt vor, wenn die erbrachte Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete identifiziert werden kann. Dies ist anhand der Funktion der geschuldeten Tätigkeit zu entscheiden. Ist die Tätigkeit nicht mehr geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt eine Nichtleistung vor. Stellt die Tätigkeit keine ordnungsgemäße Leistung dar, ist sie aber noch geeignet, die ermittelte Funktion zu erfüllen, handelt es sich um eine Schlechtleistung. 265 Für die Teilleistung wurde festgestellt, daß sie nur vorliegt, wenn die Vertragsparteien der defizitären Leistung im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung eine eigenständige Teilfunktion zugedacht hatten und die erbrachte Tätigkeit geeignet war, diese Funktion zu erfüllen. 266 Dieser funktionale Ansatz läßt sich auf die isolierte Teilschlechtleistung mühelos erweitern: Die eigenständige Funktion der Teilleistung kann entweder durch eine ordnungsgemäße Teilleistung oder durch eine schlecht erbrachte Teilleistung erreicht werden. Ist die Tätigkeit, mit der die Teilleistung erbracht werden soll, ordnungsgemäß, liegt eine ordnungsgemäße Teilleistung vor. Ist sie hingegen nicht ordnungsgemäß, kann durch sie die eigenständige Teilfunktion aber noch erreicht werden, liegt eine isolierte Teilschlechtleistung vor. Bei der Figur der isolierten Teilschlechtleistung handelt es sich keineswegs um ein theoretisches Gebilde, welches die Realität nur in seltenen Ausnahmefällen zum Leben erweckt. Gerade beim Dienstvertrag ist die isolierte Teilschlechtleistung in der Praxis häufig anzutreffen. Dies liegt daran, daß die Fälle der Teilleistung beim zeitbezogenen Dienstvertrag oft vorkommen: Erinnert man sich daran, daß eine Teilleistung beim zeitbezogenen Dienstvertrag in der Regel schon dann vorliegt, wenn die tatsächliche nicht unerheblich hinter der geschuldeten Leistungsdauer zurückbleibt, 267 kommt es zu einer isolierten Schlechtleistung schon, wenn der Dienstverpflichtete z. B. nicht unerheblich zu spät am Leistungsort erscheint und zusätzlich, d. h. unabhängig von dieser Verspätung, seine Leistung als nicht vertragsgemäß zu qualifizieren ist. Die 265 266 267

Dazu oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 264 ff.

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Erfahrung lehrt, daß eine solche Kumulation von Leistungsstörungen bei nachlässigen Dienstverpflichteten keine Ausnahme ist. Beispiel 268 : A soll als Geschäftsführer montags bis freitags für die B-GmbH tätig sein. Tatsächlich arbeitet er montags und freitags jedoch für die Sch-GmbH. Es liegt eine Teilleistung für die B-GmbH vor. 269 Ist die Tätigkeit des A für die B-GmbH zusätzlich als Schlechtleistung zu qualifi zieren, liegt eine isolierte Teilschlechtleistung vor.

Darüber hinaus werden Fälle der isolierten Teilschlechtleistung vor allem vorkommen, wenn sich die Dienstverpflichtung aus verschiedenen Pflichten zusammensetzt oder wenn sie sich auf bestimmte, verschiedene Leistungssubstrate bezieht. In diesen Fällen mag die Abgrenzung der Teilschlechtleistung von den anderen Möglichkeiten der Leistungsstörung einfach erscheinen. In vielen anderen Fällen bereitet die Abgrenzung dagegen erhebliche Mühe. Aus diesem Grund sollen die einzelnen Schritte zur Bestimmung der isolierten Teilschlechtleistung noch anhand eines weniger eindeutigen Beispiels270 demonstriert werden: Das Unternehmen U vereinbart mit dem Detektiv D, dieser möge für zwei Wochen als angeblich neuer Arbeitnehmer in das Unternehmen eingeschleust werden, um Verluste im Lagerbereich und mögliche kriminelle Handlungen von Mitarbeitern zu erkundschaften. Bei Vertragsschluß gehen die Parteien davon aus, daß für eine sinnvolle Observierungsarbeit ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen erforderlich ist. D verhält sich am zweiten Tag so ungeschickt, daß ihm weitere Ausforschungen nicht mehr möglich sind. Er bricht die Tätigkeit ab. Die Tätigkeit des D ist nicht ordnungsgemäß. Zunächst ist zu fragen, ob die Tätigkeit geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte (Gesamt-)Funktion zu erfüllen. Die Gesamtfunktion bestand in einer zweiwöchigen Ausforschungsarbeit, mit der die gewünschten Informationen hätten beschafft werden können. (Die Informationsbeschaffung selbst ist nicht geschuldet.) Die Tätigkeit des D war jedoch einerseits wegen der unzureichenden Leistungsdauer und andererseits wegen der Ungeschicklichkeit, mit der die Ermittlungen durchgeführt wurden, nicht geeignet, diese Funktion zu erfüllen. Als zweites ist daher die Frage zu stellen, ob die erbrachte, zweitägige Tätigkeit geeignet war, zumindest eine ihr von den Vertragsparteien zugedachte Teilfunktion zu erfüllen. Dies läßt sich wegen des überwiegenden Zeitbezugs der Tätigkeit im Ergebnis bejahen. 271 Es liegt daher eine Teilleistung vor. Schließlich ist zu fragen, ob die erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß erbracht wurde oder nicht. An dieser Stelle schlägt der Erfolgsbezug der Tätigkeit zu Buche. Die Tätigkeit läßt sich wegen des ungeschickten Vorgehens des D nicht mehr als ordnungsgemäß qualifi zieren. Aus diesem Grunde liegt eine isolierte Teilschlechtleistung vor. Der BGH bewertete die Tätigkeit des D ebenfalls als Teilleistung. Ob es sich dabei um eine Teilschlechtleistung handelte, wurde vom BGH nicht geprüft.

268 269 270 271

Nach BGH (Urt. v. 7. 12. 1987) NJW-RR 1988, 420. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 266. Fall nach BGH (Urt. v. 22. 5. 1990) NJW 1990, 2549 (vereinfacht). Dazu oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 266 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

(2) Die sog. integrierte Teilschlechtleistung Unter dem Begriff der integrierten Teilschlechtleistung werden Fallkonstellationen verstanden, in denen im Rahmen einer ansonsten ordnungsgemäßen Leistung eine Teilleistung schlecht erbracht wird. Dabei wird wie erwähnt im Schrifttum – angelehnt an die Gesetzesbegründung – der Fall herangezogen, daß von 100 geschuldeten Flaschen Wein 10 wegen undichter Korken zu Essig geworden sind. In der Terminologie der Gesetzesbegründung liegt eine „teilweise Mangelhaftigkeit“272 vor. Dieser Interpretation des beschriebenen Falles sollte man sich indes nicht vorschnell anschließen. Betrachtet man das gebildete Beispiel unvoreingenommen, erkennt man, daß zwei Blickrichtungen möglich sind: Zum einen kann man wie die Gesetzesbegründung aus der Blickrichtung des Schuldners feststellen, daß im Rahmen einer ansonsten ordnungsgemäßen Leistung eine Teilleistung mangelhaft erbracht wurde. Man könnte aber ebenso gut aus der Blickrichtung des Gläubigers davon ausgehen, daß im Rahmen einer Schlechtleistung (10 Flaschen) eine Teilleistung (90 Flaschen) ordnungsgemäß erbracht wurde. Daß beide Blickrichtungen zulässig sind, erhellt ohne weiteres, wenn man die Zahlenverhältnisse umdreht 273 oder wenn man unterstellt, es seien 50 von 100 Flaschen zu Essig geworden. Die Frage ist also, ob es sich bei dieser „Teilschlechtleistung“ tatsächlich um eine in eine ordnungsgemäße Gesamtleistung integrierte schlecht erbrachte Teilleistung handelt oder ob in diesen Fällen eine Schlechtleistung vorliegt, in welche eine ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung integriert ist. Man ist geneigt, die Frage als irrelevant abzutun. Das Beispiel, so könnte man annehmen, zeige doch gerade, daß jedenfalls eine ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung und eine schlecht erbrachte Teilleistung vorliege. Ob man nun bei der Gesamtleistung zunächst von einer ordnungsgemäßen oder von einer Schlechtleistung ausgehe, könne doch im Ergebnis, also bei der Anknüpfung der Rechtsfolgen, keinen Unterschied machen. Dem ist für die Frage der Zuordnung von Rechtsfolgen indes zu widersprechen. Der Gesetzgeber hat für diese Fälle der Teilschlechtleistung keine Regelung getroffen; vielmehr hat er von der Normierung dieser Fallgruppe ausdrücklich abgesehen. 274 Damit bleibt offen, welche der im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgenanordnungen in diesen Fällen eingreifen soll. Das Gesetz bietet nur die Regelungen über die Teilleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB) und die Regelungen über die Schlechtleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB) an. Für die Zuordnung zu beiden Regelungsregimen ist es 272

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040 S. 186 f. So (unabsichtlich?) Canaris, ZRP 2001, 329, 335: 90 von 100 Flaschen seien erkennbar bereits zu Essig geworden. 274 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. a), S. 278 ff. 273

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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entscheidend, ob als primärer Anknüpfungspunkt die schlecht erbrachte Teilleistung oder die ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung gewählt wird. Besonders problematisch an dem von der Gesetzesbegründung gewählten Beispiel ist, daß es den Blick auf eine bestimmte Konstellation der Teilschlechtleistung lenkt und damit die Bandbreite der möglichen Fallgestaltungen verdeckt. Es handelt sich bei dem in der Gesetzesbegründung gewählten Beispielsfall um eine der einfachsten Konstellationen, nämlich um die Verpfl ichtung zur Lieferung einer bestimmten Menge gleichartiger Gegenstände. Eine Teilung nach Gegenständen bewirkt in der Regel, daß zwei Teilleistungen entstehen, die unterschiedlich qualifiziert werden können. Bei einer defizitären Erbringung der Leistung kann es aber auch durchaus sein, daß eine ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Teilleistung festgestellt werden kann, wohingegen der Rest der Leistung, sei er nun ordnungsgemäß oder schlecht erbracht, keine Teilleistung mehr darstellt: Beispiel 1: Unternehmer U plant eine zweitägige Konferenz mit Teilnehmern aus Japan. Er engagiert den Dolmetscher D. Dieser soll den japanischen Gästen einführend das Unternehmen des U kurz präsentieren. Danach soll er für die Konferenz simultan dolmetschen. Die Übersetzung des D ist einwandfrei. Ihr kommt eine eigenständige Teilfunktion zu. Die Präsentation ist hingegen mangelhaft, da D das ihm zur Verfügung gestellte Informationsmaterial nicht genutzt hat, sondern sich statt dessen auf eine veraltete Internet-Präsentation des Unternehmens verlassen hatte. Die Präsentation hat keine eigenständige Teilfunktion. Sie ist isoliert betrachtet für den Veranstalter unbrauchbar. Daher stellt sie keine Teilschlechtleistung, sondern lediglich den schlecht erbrachten „Rest“ der Gesamtleistung dar. Beispiel 2: Rechtsanwalt R soll für A eine Forderung einklagen. Zu diesem Zweck kommt es zunächst zu einem Beratungsgespräch, in dem R den A über die rechtliche Lage aufklärt. Bei diesem Beratungsgespräch irrt sich R in einigen Bereichen über die Rechtslage. Dennoch einigen sie sich im Ergebnis auf ein prozeßtaktisches Vorgehen, das den Wünschen des A und seiner rechtlichen Position entspricht. R klagt die Forderung ordnungsgemäß ein. Die Prozeßführung stellt eine ordnungsgemäße Teilleistung dar. Dem Beratungsgespräch kommt hingegen keine eigenständige Teilfunktion zu; die Beratung allein ist für A zwar „irgendwie nützlich“, sie ist aber nur ein Zwischenschritt zur Vorbereitung der eigentlich geschuldeten Funktion. Das Beratungsgespräch stellt mithin keine Teilleistung dar. 275 Es handelt sich vielmehr nur um den schlecht erbrachten „Rest“ der Leistung.

In diesen Fällen liegt gar keine Teilschlechtleistung vor. Es besteht lediglich eine ordnungsgemäße Teilleistung neben einer schlecht erbrachten „Restleistung“. 276 Auch der umgekehrte Fall ist natürlich möglich: Abwandlung Beispiel 1: Die Präsentation des Unternehmens durch D ist einwandfrei. Bei der Simultan-Übersetzung ist D jedoch überfordert, so daß es zu größeren Verzögerungen und vereinzelten Mißverständnissen kommt. 275

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (2) (b), S. 275 f., auch zur Gegenansicht. Zur Abgrenzung von Teilleistung und Restleistung oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 249. 276

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Abwandlung Beispiel 2: Der Rechtsanwalt führt ein ordnungsgemäßes Beratungsgespräch. Im Rahmen der Prozeßführung unterlaufen ihm jedoch Fehler, die allerdings im Ergebnis an dem von A erwünschten Ausgang des Prozesses nichts ändern.

In diesen umgekehrten Fällen liegt eine schlecht erbrachte Teilleistung neben einer ordnungsgemäß erbrachten „Restleistung“ vor. Diese und die beiden vorgenannten Fälle zeigen, daß in den Fällen, in denen die Leistung partiell schlecht erbracht wird, keineswegs stets zwei Teilleistungen vorliegen, von denen eine ordnungsgemäß und eine schlecht erbracht ist. Es ist daher auch nicht zulässig, in diesen Fällen stets von einer Teilschlechtleistung auszugehen. Es gibt vielmehr grundsätzlich vier Möglichkeiten: Es können zwei Teilleistungen vorliegen, von denen eine ordnungsgemäß und eine schlecht erbracht ist. Es kann eine Teilschlechtleistung in Kombination mit einer Restleistung oder eine ordnungsgemäße Teilleistung in Kombination mit einer Restleistung vorliegen. Schließlich ist auch denkbar, daß beide partiell erbrachten Leistungen getrennt betrachtet keine Teilleistungen darstellen. Diese Fälle sind differenziert zu betrachten und können nicht über den einheitlichen Leisten „Teilschlechtleistung“ geschlagen werden. Eine eigentliche „Teilschlechtleistung“ liegt, wie das nachfolgende Schema zeigt, nur in den Fallgestaltungen aus der zweiten, fünften und siebten Zeile vor. 1. Teil: isolierte ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung isolierte schlecht erbrachte Teilleistung isolierte ordnungsgemäß erbrachte Restleistung isolierte schlecht erbrachte Restleistung ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung schlecht erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß erbrachte Restleistung

2.Teil: – – – – schlecht erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung schlecht erbrachte Restleistung

Diese Ausführungen zur „integrierten“ Teilschlechtleistung mögen kompliziert erscheinen. Die Darstellung eines vollständigen Bildes der möglichen Fallkonstellationen ist jedoch notwendig, wenn man für die jeweilige Konstellation die bestmögliche Rechtsfolgenanordnung treffen will. Da die Anzahl der Rechtsfolgenanordnungen aber begrenzt ist, wird im Ergebnis eine erfreuliche Vereinfachung bei der Abgrenzung der Fallkonstellationen zutage treten.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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c) Die Erscheinungsformen partiell schlecht erbrachter Leistung und ihre jeweiligen Rechtsfolgen Das Gesetz ordnet mit den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB bestimmte Rechtsfolgen für die Teilleistung und in den §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte Rechtsfolgen für die Schlechtleistung an. Wie bereits dargestellt, 277 begünstigt das Gesetz in den §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB den Gläubiger, der „nur“ eine Schlechtleistung erhält. Ob der Gläubiger, der eine Schlechtleistung erhält, auch in bezug auf die Möglichkeit der Herabsetzung der Gegenleistung begünstigt oder benachteiligt wird, ist nach § 326 Abs. 1 BGB offen. 278

Der Gläubiger einer Schlechtleistung kann den Totalrücktritt vom Vertrag und Schadensersatz statt der ganzen Leistung bereits verlangen, wenn die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Für die etwaige Unerheblichkeit trägt nicht er, sondern der Schuldner die Beweislast. Umgekehrt wird der Gläubiger, der eine Teilleistung erhält, benachteiligt. Er kann die genannten Rechte nur geltend machen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Für diesen Interessenfortfall trägt er selbst die Beweislast. Diese Benachteiligung des Gläubigers, der eine Teilleistung erhält, gegenüber dem Gläubiger, der eine Schlechtleistung erhält, ist problematisch; sie ist indes durch das Gesetz klar vorgegeben. Sie läßt sich nur damit begründen, daß der Gesetzgeber anerkennt, daß es dem Schuldner gelungen ist, zumindest eine Teilleistung zu bewirken. Durch diesen Begriff, der in den § 281 Abs. 1 S. 2 und § 323 Abs. 5 S. 1 BGB verwendet wird, knüpft der Gesetzgeber an die in § 362 Abs. 1 BGB vorhandene Formulierung an. Nach dieser Vorschrift erlischt das Schuldverhältnis durch das Bewirken der geschuldeten Leistung. Nach dem oben Ausgeführten ist unter der „geschuldeten Leistung“ nur eine ordnungsgemäße Leistung zu verstehen; eine nicht ordnungsgemäße Leistung bewirkt keine Erfüllung, jedenfalls keine vollständige. 279 Das Gesetz honoriert also die ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung, und nur auf eine ordnungsgemäße Teilleistung beziehen sich damit die Vorschriften der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB. (1) Die „isolierte“ Teilschlechtleistung und ihre Rechtsfolgen Die dargestellten Grundsätze haben zunächst zwingende Konsequenzen für die sog. isolierte Teilschlechtleistung. Wie dargestellt, 280 erbringt der Schuldner hier nur eine Teilleistung, und diese auch noch schlecht. Im Beispiel der 277 278 279 280

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 246 ff. Dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3., S. 387 ff. Dies ist freilich umstritten, vgl. oben Erster Teil, § 3 I., S. 85 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1), S. 281 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Gesetzesbegründung leistet der Schuldner von den geschuldeten 100 Weinflaschen lediglich 10, und diese 10 sind bereits zu Essig geworden. Ein Beispiel für die im Dienstvertragsrecht nicht seltene isolierte Teilschlechtleistung ist der Nachhilfelehrer, der sich um 15 Minuten verspätet und die restlichen 45 Minuten einen Unterricht erteilt, der als Schlechtleistung zu qualifizieren ist. In diesen Fällen erbringt der Schuldner zwar eine Teilleistung, dennoch wäre es verfehlt, die jeweilige Leistung den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB zu unterwerfen. Denn mit diesen Normen honoriert der Gesetzgeber gerade den Schuldner, dem es gelungen ist, eine Teilleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Erbringt der Schuldner die Teilleistung hingegen lediglich schlecht, so leistet er noch weniger als der Schuldner, der eine vollständige Schlechtleistung erbringt. Das bedeutet, daß der Gläubiger mindestens so gut zu stellen ist, wie es die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB vorsehen. Allerdings stellt das Gesetz keine Regelung bereit, die den Gläubiger noch mehr als die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB begünstigte. Die Schwelle der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, die diese Normen setzen, ist bereits so niedrig, daß eine weitere Begünstigung des Gläubigers im Ergebnis nur darin bestehen könnte, daß man ihm gestattete, im Falle der isolierten Teilschlechtleistung ohne weitere Voraussetzungen die Totalrechte auszuüben. Dies erscheint indes nicht angemessen, wenn man berücksichtigt, daß sich eine Teilleistung einer vollständigen Leistung sehr stark annähern kann. Für diese seltenen Fälle sollte dem Schuldner die Möglichkeit belassen bleiben zu beweisen, daß seine „doppelte“ Pflichtverletzung unerheblich war. Im Ergebnis sollten damit auf die isolierte Teilschlechtleistung die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB Anwendung finden. (2) Die sonstigen Fälle der partiell schlecht erbrachten Leistung und ihre Rechtsfolgen Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen, ist nun zu prüfen, welche Regelungen in den oben genannten vier Kombinationsmöglichkeiten einschlägig sind, in welchen eine Teilleistung oder eine Restleistung schlecht und eine Teilleistung oder eine Restleistung ordnungsgemäß erbracht werden. (a) Teilschlechtleistung und Restleistung Beispiel 1281 : Die Präsentation des Unternehmens ist einwandfrei (ordnungsgemäße Restleistung), die Übersetzung hingegen schlecht (Teilschlechtleistung). Beispiel 2282 : Der Rechtsanwalt führt ein ordnungsgemäßes Beratungsgespräch (ordnungsgemäße Restleistung). Bei der Führung des Prozesses macht er allerdings Fehler (Teilschlechtleistung). 281 282

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 285. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 285.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Die Fälle der Teilschlechtleistung mit ordnungsgemäßer (oder auch schlecht erbrachter) Restleistung sind, zumindest was das Dienstvertragsrecht anbetrifft, nicht selten. Sie kommen beispielsweise vor, wenn der Schuldner ordnungsgemäß mit dem Pfl ichtenprogramm beginnt, seine Leistung dann aber immer mehr nachläßt, bis sie als Schlechterfüllung qualifiziert werden muß. Schlägt die Leistung des Schuldners rasch in eine Schlechtleistung um, kann es durchaus sein, daß der ordnungsgemäß erbrachte Anteil der Leistung keine eigenständige Teilfunktion erfüllt. Die Konstellation ist dem gerade unter (1) behandelten Fall der isolierten Teilschlechtleistung am ähnlichsten. Der Schuldner erbringt eine Teilleistung, dies jedoch schlecht. Betrachtet man allein die Teilschlechtleistung, leistet der Schuldner noch weniger als eine vollständige Schlechtleistung, so daß der Gläubiger nicht schlechter gestellt werden darf als ein Gläubiger, der eine solche vollständige Schlechtleistung erhält. In dieser Konstellation leistet der Schuldner aber etwas mehr als der Schuldner einer vollständigen Schlechtleistung, denn es gelingt ihm, den Rest der Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Es fragt sich daher, ob die den Gläubiger begünstigenden Regelungen der §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB noch angemessen sind. Als Regelungen, die den Gläubiger schlechter stellen würden, kommen indes nur die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB in Betracht. Diese können aber nach der Wertung des Gesetzes zugunsten des Schuldners nur angewandt werden, wenn es dem Schuldner gelungen ist, zumindest eine ordnungsgemäße Teilleistung zu erbringen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Teilleistung hat der Schuldner schlecht erbracht, und die Restleistung hat keine eigenständige Teilfunktion, d. h. sie ist isoliert betrachtet für den Gläubiger „unbrauchbar“. Dieser Fall steht also zwischen dem der vollständigen Schlechtleistung und dem der ordnungsgemäßen Teilleistung. Er sollte aus drei Gründen den Regelungen über die vollständige Schlechtleistung unterworfen werden. Erstens läßt er sich mühelos unter den Wortlaut dieser Vorschriften subsumieren. Zwar ist die Leistung des Schuldners partiell „wie geschuldet“; aufs Ganze betrachtet wurde sie jedoch nicht „wie geschuldet bewirkt“. Demgegenüber hat der Schuldner eben nicht eine „Teilleistung bewirkt“, denn damit ist gemeint, daß er sie ordnungsgemäß erfüllt hat. Zum zweiten ist zu bedenken, daß die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB tatsächlich nur eingreifen sollten, wenn der Gläubiger durch die Leistung einen tatsächlichen Vorteil erlangt. 283 Die Leistung sollte daher zumindest eine Teilfunktion, die der Gläubiger verfolgt, ordnungsgemäß erfüllen. Dies ist in den behandelten Fällen aber nicht der Fall. Vielmehr hat der Gläubiger nur eine Teilschlechtleistung erhalten, und zusätzlich kann „irgendetwas“ an der Leistung des Schuldners als ordnungsgemäß bezeichnet werden. Letztlich werden sich aber bei vielen vollständigen oder teilweisen 283

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 246 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Schlechtleistungen irgendwelche „Teile“ finden lassen, die als ordnungsgemäß erbracht bezeichnet werden können. Die rechtliche Relevanz solcher ordnungsgemäß erbrachter „Teile“ deutet sich aber im Gesetz an keiner Stelle an. Schließlich lassen sich über die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB auch die Interessen des Schuldners angemessen schützen. In diesen Vorschriften wird auf die Unerheblichkeit der Pfl ichtverletzung abgestellt. Bei er Beurteilung des Gewichts der Pflichtverletzung kann und muß die Tatsache, daß der Schuldner partiell ordnungsgemäß geleistet hat, zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. Anders gewendet läßt sich die Beschränkung der Schlechterfüllung auf eine Teilleistung mit diesen Vorschriften angemessen berücksichtigen. In den Fällen der Teilschlechtleistung, in denen der Schuldner die Restleistung ordnungsgemäß erbracht hat, sollten daher die Regelungen über die vollständige Schlechtleistung eingreifen. Eine in der Literatur vertretene Ansicht scheint dem indes zu widersprechen. 284 Nach dieser Ansicht sind sowohl die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB als auch die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB anwendbar. Es sei zunächst zu prüfen, ob der vom Mangel betroffene Teil nicht etwa nur unerheblich beeinträchtigt werde. Sei dies zu verneinen, sei also der Mangel für den betroffenen Teil erheblich, könne der Gläubiger Schadensersatz für den mangelbehafteten Teil verlangen. Schadensersatz statt der ganzen Leistung könne der Gläubiger nur beanspruchen, wenn er an den mangelfreien „Teilen“ sowie an dem für die mangelhafte Teilleistung gezahlten Schadensersatz kein Interesse mehr habe. Im Ergebnis führt diese Ansicht dazu, daß der Gläubiger noch schlechter steht als der Gläubiger, der eine ordnungsgemäße Teilleistung erhält. Für die hier behandelte Konstellation kann dem nicht zugestimmt werden. Es ist zwar zutreffend, daß die ordnungsgemäß erbrachte „Restleistung“ zugunsten des Schuldners Berücksichtigung finden muß. Solange der Gläubiger aber keine ordnungsgemäße Teilleistung erhält, sollte er den Benachteiligungen der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht ausgesetzt werden, schon gar nicht sollte er noch schlechter gestellt werden. Im Ergebnis sollten mithin die den Gläubiger begünstigenden Regelungen der §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB auch auf die Fälle Anwendung finden, in denen der Schuldner neben der Teilschlechtleistung eine ordnungsgemäße Restleistung erbringt. Dies führt dazu, daß die genannten Vorschriften in den Fällen der vollständigen Schlechtleistung, der „isolierten“ Teilschlechtleistung und in den Fällen der Teilschlechtleistung mit ordnungsgemäßer oder 284 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151 und § 323 Rn. 256. Ernst bezeichnet als Teilschlechterfüllung den Fall, daß die „Leistung nicht insgesamt, sondern nur hinsichtlich eines (abtrennbaren) Teils mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet ist.“ Er differenziert nicht danach, ob der ordnungsgemäß erbrachte „Leistungsteil“ eine Teilleistung oder nur eine Restleistung darstellt. Es ist daher nicht eindeutig, ob Ernst seine Ausführungen auf die hier behandelte Fallkonstellation (Kombination mit Restleistung) verstanden wissen wollte.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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schlecht erbrachter Restleistung eingreifen, so daß zwischen diesen Fallgruppen nicht mehr differenziert werden muß. Es fragt sich, wie es sich nun auswirkt, wenn der Schuldner noch etwas mehr leistet, wenn er nämlich neben der Teilschlechtleistung eine ordnungsgemäße Teilleistung erbringt. (b) Teilschlechtleistung und ordnungsgemäße Teilleistung Dies ist die Konstellation, die den Verfassern der Gesetzesbegründung offenbar vor Augen stand und an der sich auch die Literatur285 zu orientieren scheint. Beispiel 1286 : Der Verkäufer liefert die geschuldeten 100 Flaschen Wein. Von diesen sind jedoch 10 wegen undichten Korkens zu Essig geworden. Beispiel 2287 : Der Verkäufer einer Maschine hat die zusätzliche Verpfl ichtung zur Einweisung in den Gebrauch der Maschine übernommen. Die Maschine ist jedoch defekt. Alternativ könnte die Einweisung nicht auf die Benutzer der Maschine abgestimmt und daher schlecht erfüllt sein. Beispiel 3288 : Der Pianist soll zwei Stunden im Restaurant Hintergrundmusik spielen. Die erste Stunde spielt er ordnungsgemäß, die zweite jedoch schlecht.

Das letzte Beispiel deutet an, daß die Kombination von ordnungsgemäßer und schlecht erfüllter Teilleistung im Dienstvertragsrecht alles andere als selten ist. Wie oben dargelegt, 289 führt beim zeitbezogenen Dienstvertrag eine Aufspaltung des Pflichtenprogramms nach Zeiteinheiten in der Regel zu Teilleistungen. Nun entspricht es aber der menschlichen Natur, daß die Qualität einer Tätigkeit über einen Zeitraum hinweg schwankt. Z. B. ist es möglich, daß der Dienstverpflichtete ungeübt ist, so daß es ihm zu Beginn der Tätigkeit nicht gelingt, eine ordnungsgemäße Leistung zu erbringen. Genausogut möglich (und in der Praxis wohl häufiger) ist der Fall, daß der Dienstberechtigte mit einer ordnungsgemäßen Erfüllung beginnt, dann jedoch in der Qualität seiner Leistungserbringung nachläßt, bis seine Leistung schließlich als Schlechtleistung zu qualifizieren ist. Freilich wird der Gläubiger nicht ohne weiteres in der Lage sein festzustellen und zu beweisen, zu welchem Zeitpunkt die Leistung von einer ordnungsgemäßen in eine Schlechtleistung „umgeschlagen“ ist. Dies fällt jedoch schon leichter, wenn der Dienstverpfl ichtete die Leistung über Tage, Wochen oder Jahre zu erbringen hat und seine Schlechtleistung auf bestimmte Zeiträume begrenzt werden kann.

285

Vgl. oben Fn. 251. Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140 f., 186 f. 287 In Anlehnung an MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151, 143. Vgl. dazu bereits auch oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (b) a. E. und 3. a), S. 252 f. und 279 f. 288 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1), S. 281 ff. 289 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a), S. 264 ff. 286

292

Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

(aa) Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB Nach den oben dargelegten Grundsätzen 290 ist dieser Fall nun grundlegend anders zu bewerten als die bereits diskutierten Fälle, in denen eine Teilschlechtleistung isoliert oder neben einer ordnungsgemäß erbrachten Restleistung erbracht wird. Wie dargestellt, honoriert der Gesetzgeber über die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB, daß es dem Schuldner gelungen ist, eine Teilleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Nach dem hier vorgeschlagenen funktionellen Teilleistungsbegriff291 wird der Schuldner dafür belohnt, daß er eine Tätigkeit ordnungsgemäß erbracht hat, mit der der Gläubiger eine eigenständige Teilfunktion verfolgt. Da eine solche ordnungsgemäße Teilleistung auch in der hier diskutierten Fallkonstellation vorliegt, kann der Schuldner also keinesfalls schlechter gestellt werden als ein Schuldner, der nur eine ordnungsgemäße Teilleistung erbracht hat und nicht mehr. Denn der Schuldner hat hier noch wesentlich mehr getan, da er eine weitere Teilleistung erbracht hat, wenn auch dies nur schlecht. Dem Schuldner müssen also wenigstens die Regelungen der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB zugute kommen. 292 Dem scheinen indes die Gesetzesmaterialien zu widersprechen. Zunächst ist festzustellen, daß die Autoren der Gesetzesbegründung zwischen der vollständigen Schlechtleistung und der Teilschlechtleistung nicht differenzieren wollten. Dabei hatten sie explizit die hier diskutierte Konstellation einer Kombination von ordnungsgemäßer und schlecht erfüllter Teilleistung vor Augen. 293 Auf diese Konstellation sollte die Regelung des § 323 Abs. 4 S. 2 des Entwurfs, 294 also der spätere § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, Anwendung finden. Das in dieser Norm maßgebliche Kriterium der Erheblichkeit der Pflichtverletzung wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf die Regelung der Schlechtleistung in § 281 Abs. 1 BGB ausgedehnt. 295 Man muß daher davon ausgehen, daß die Autoren der Gesetzesbegründung auch im Rahmen des § 281 Abs. 1 BGB die Teilschlechtleistung der Regelung über die vollständige Schlechtleis290

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (1), S. 287 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 f. 292 Für die Anwendung dieser Vorschriften auch Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 121; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 221. Anders, aber ohne nähere Begründung Zugehör, ZGS 2003, 272, 277 f. 293 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140 f., 186 f. Berücksichtigt man die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispiele, scheinen die Autoren auf den oben diskutierten Fall einer Kombination von Teilschlechtleistung und ordnungsgemäßer Restleistung (oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (a), S. 288 ff.) nicht abstellen zu wollen. Nähme man dies allerdings an, kämen die Autoren der Gesetzesbegründung zu dem auch hier vertretenen Ergebnis der Anwendung der Regelungen über die vollständige Schlechtleistung. 294 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14. Mai 2001, BTDrucks. 14/6040, S. 16. 295 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/7052, S. 13, 185. Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 346. 291

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tung, also § 281 Abs. 1 S. 3 BGB, unterworfen hätten. 296 Dieser Lösung ist indes entgegenzutreten; sie widerspricht der beschriebenen Systematik der genannten Normen. Wenn die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB den Schuldner honorieren, dem es gelungen ist, eine ordnungsgemäße Teilleistung zu erbringen, kann ihm dieser Vorteil nicht deshalb genommen werden, weil er zusätzlich noch eine Teilschlechtleistung erbracht hat. Es ist anzunehmen, daß dieser Aspekt im Gesetzgebungsverfahren nicht genügend bedacht wurde, zumal die Autoren der Gesetzesbegründung zu § 281 Abs. 1 S. 3 des Entwurfs297 noch davon ausgehen konnten, daß die den Schuldner begünstigende Regelung über den Interessenfortfall Anwendung finden würde. Insgesamt kann daher an dieser Stelle dem „Willen des Gesetzgebers“298 keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Fraglich ist vielmehr nur, ob und inwieweit neben der Anwendung der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB zugunsten des Schuldners zu berücksichtigen ist, daß er außer der ordnungsgemäßen Teilleistung noch eine Teilschlechtleistung erbracht hat. Eine solche zusätzliche Berücksichtigung der Teilschlechtleistung wird in der Literatur vorgeschlagen. (bb) Ordnungsgemäße Teilleistung und Teilschlechtleistung als Maßstab für das Gläubigerinteresse Auch nach dieser Ansicht sind die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB auf diese Konstellation anwendbar. 299 Allerdings wird eine andere Prüfungsreihenfolge gewählt: Es sei zunächst zu prüfen, ob der Mangel, der der Teilschlechtleistung anhafte, diesen Teil nicht nur unerheblich beeinträchtige. Sei dies nicht der Fall, stelle also der Mangel bezogen auf die Teilleistung eine erhebliche Pflichtverletzung dar, könne der Gläubiger Schadensersatz statt des mangelbehafteten Teils verlangen bzw. einen Teilrücktritt bezüglich dieses Teils erklären. Schadensersatz statt der ganzen Leistung bzw. einen Totalrücktritt könne der Gläubiger nur ausüben, wenn er an dem Schadensersatz für den mangelhaften Teil zuzüglich der mangelfreien Teile in Natur kein Interesse i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB habe. Der Gläubiger muß also (theoretisch) gestuft vorgehen: Zunächst muß er die Teilschlechtleistung in Schadensersatz „umwandeln“. Dies kann der Schuldner verhindern, wenn es ihm 296

So in der Tat Schmidt-Räntsch, Schuldrecht, Rn. 521 ff. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14. Mai 2001, BTDrucks. 14/6040, S. 7. 298 Zum „Willen des Gesetzgebers“ als Auslegungskritierium allgemein Larenz/Canaris, Methodenlehre, Kapitel 4, 2. c), S. 149 ff. Vgl. weiter U. Huber, in: Karlsruher Forum 2002, S. 139 f. und S. 195 „Gängelband der Gesetzgebungsmaterialien“; ders., FS Schlechtriem, S. 521, 564 f. m.w.Nachw. Zur Qualität des Gesetzgebungsverfahrens vgl. im übrigen nur Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 55 f. m. Fn. 194 m.w.Nachw. 299 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151 und § 323 Rn. 256 (vgl. schon oben Fn. 284); Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098; Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 120 ff. 297

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

gelingt zu beweisen, daß die Pflichtverletzung bezogen auf den Teil unerheblich war. Zweitens muß der Gläubiger seinen Interessefortfall dartun und beweisen, wobei nicht nur der Schadensersatz für die Teilschlechtleistung, sondern auch die „mangelfreien Teile“ zu berücksichtigen sind. Dabei ist nicht anzunehmen, daß dem Gläubiger, der die Totalrechte ausüben möchte, tatsächlich ein solches gestuftes Vorgehen abverlangt wird. Macht der Gläubiger die Totalrechte geltend, ist vielmehr zu unterstellen, daß er die Rechte bezüglich des Teils ausgeübt hat. Es wäre also durch das Gericht ohne weiteres zu prüfen, ob der Gläubiger den „kleinen Schadensersatz“ verlangen könnte und ob er sodann an diesem Schadensersatz zuzüglich der „mangelfreien Teile“ noch ein Interesse hat. Dem „gestuften“ Ansatz liegt das „Prinzip der Einzelbetrachtung“ zugrunde. Nach diesem Prinzip sei „jede Leistungsstörung auf Grund ihrer eigenen rechtlichen Bewertung zu beurteilen. Die jeweils eigenständige Beurteilung jeder einzelnen Störung ist unverzichtbar, weil Fragen wie nach der Nachfrist, dem Interesse an einer Teilleistung . . . der Erheblichkeit der Pflichtverletzung . . . oder einer Mitverursachung . . . nur für die einzelne Störung gestellt und beantwortet werden können . . .“. 300 Auch nach der hier vertretenen Ansicht sind die einzelnen Störungen grundsätzlich tatbestandlich zu differenzieren. Doch schon diese Abgrenzung bereitet – wie gesehen – große Schwierigkeiten. Das Prinzip der Einzelbetrachtung würde es strenggenommen erfordern, auch zwischen mehreren Leistungsstörungen derselben Art tatbestandlich zu differenzieren (z. B. Schuldner erbringt zwei Teilleistungen, zwei andere nicht; die Leistung des Schuldners ist in mehrerer Hinsicht mangelhaft). Von der Schaffung solcher neuer Abgrenzungsprobleme kann nur dringend abgeraten werden. Schließlich sagt das Gesetz an keiner Stelle, daß in den Fällen der Mehrfachstörung 301 auch die Rechtsfolgen an die jeweilige partielle Störung separat anzuknüpfen seien. Vielmehr hat das Gesetz die Fälle kombinierter Leistungsdefizite nicht geregelt, und sie sind im Gesetzgebungsverfahren auch nur im Ansatz bedacht worden. Damit ist es der Wissenschaft unbenommen, durch die Auslegung des Gesetzes angemessene Rechtsfolgen zu bestimmen. Dem Prinzip der Einzelbetrachtung ist freilich an den Stellen Rechnung zu tragen, an denen das Gesetz ausdrücklich bestimmte Leistungsdefizite benennt und für diese besondere Rechtsfolgen anordnet. So ist beispielsweise die Leistungsstörung „Verzögerung der Leistung“ für die Rechtsfolge „Verzögerungsschaden“ in den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB gesondert geregelt. Für diese Rechtsfolge ist dann in Fällen der Mehrfachstörung die Leistungsstörung „Verzögerung“ separat zu beurteilen.302

Die gestufte Lösung überzeugt, soweit sie die Befugnis des Gläubigers zur Ausübung der Totalrechte davon abhängig macht, daß der Gläubiger an dem „Gesamtpaket“ von Teilschlechtleistung und „mangelfrei erbrachten Teilen“ kein Interesse mehr hat. Indessen sollte die gewählte Prüfungsreihenfolge überdacht werden. Der Ansatz geht von der Teilschlechtleistung, nicht von der 300 301 302

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 16. Begriff bei MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 16. Dazu unten Zweiter Teil, § 4 IV. 2. c), S. 336 f.

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ordnungsgemäßen Teilleistung aus. Im Anschluß an die Ausführungen in der Gesetzesbegründung sieht man sich vorrangig mit der Teilschlechtleistung konfrontiert. Erst wenn diese rechtlich gewürdigt wird, fällt der Blick auf die „mangelfreien Teile“. Freilich ist dieser Weg der einzig gangbare, solange man sich nicht im klaren darüber ist, was unter diesen „mangelfreien Teilen“303 zu verstehen ist. Denn man kann zu Recht befürchten, daß diese nicht notwendig stets eine „mangelfreie Teilleistung“ darstellen. Erst indem man die Fälle unterscheidet, in denen die Teilschlechtleistung neben einer ordnungsgemäßen Rest- und einer ordnungsgemäßen Teilleistung erbracht wird, läßt sich ein anderer Weg beschreiten. Gerade für die Kombination von Teilschlechtleistung und ordnungsgemäßer Teilleistung zeigen der Aufbau und die bereits mehrfach dargestellte ratio des Gesetzes, 304 daß Ausgangspunkt der Prüfung die ordnungsgemäße Teilleistung sein sollte. Das Gesetz erwähnt in den §§ 218 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB zunächst die ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung. Erbringt der Gläubiger eine ordnungsgemäße Teilleistung, begünstigt ihn das Gesetz, indem es die Ausübung der Totalrechte durch den Gläubiger von dessen Interessenfortfall abhängig macht. Für die Beurteilung der Leistung des Schuldners ist daher die Erbringung einer ordnungsgemäßen Teilleistung entscheidend. Stellt man auf die ordnungsgemäße Teilleistung ab, ist Ausgangspunkt der Prüfung §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB. Die Frage ist nunmehr, ob und wie die zusätzlich erbrachte Teilschlechtleistung zu bewerten ist. Dafür bieten sich zwei Wege an: Man könnte erstens die Teilschlechtleistung für die rechtliche Bewertung völlig vernachlässigen. 305 Der Gläubiger könnte die Totalrechte also geltend machen, wenn er darlegen und beweisen kann, daß er an dieser Teilleistung – unabhängig von etwaigen weiteren Schlechtleistungen – kein Interesse hat. Für diese Lösung ließe sich der Wortlaut der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB ins Feld führen. Nach diesen Regelungen kann der Gläubiger die Totalrechte geltend machen, wenn der Schuldner „eine Teilleistung bewirkt hat.“ Dies ist hier der Fall. Nach dem Wortlaut beider Vorschriften kann der Gläubiger die Totalrechte nun geltend machen, wenn er an „der Teilleistung kein Interesse hat.“ Der Wortlaut stellt also – so könnte man argumentieren – auf die isoliert zu betrachtende ordnungsgemäße Teilleistung ab. Davon, daß zu dieser eine etwaige Teilschlechtleistung hinzuaddiert werden müßte, ist nicht die Rede. Doch sprechen gegen eine isolierte Betrachtung der ordnungsgemäßen Teilleistung bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses folgende Argumente: Sie würde beispielsweise für den Dienstvertrag dazu führen, daß das Gericht feststellen müßte, ob der Schuldner eine Tätigkeit erbracht hat, mit der 303 304 305

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c), S. 287. Dafür offenbar Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 121.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

der Gläubiger eine eigenständige Teilfunktion verfolgte. Sodann wäre festzustellen, ob diese Tätigkeit ordnungsgemäß erbracht wurde. Sämtliche „Anteile“ der Leistung, die für die ordnungsgemäße Erfüllung der Teilleistung nicht notwendig waren, wären auszublenden. Sie dürften für die Beurteilung des Interessefortfalls keine Rolle spielen. Es müßte gleichsam aus der Gesamttätigkeit des Dienstverpflichteten die isolierte ordnungsgemäße Teilleistung „extrahiert“ werden. Eine solche „Extraktion“ der isolierten Teilleistung ist schwierig und wirkt gekünstelt. Vor allem aber wird diese Lösung den Interessen des Schuldners nicht gerecht. Der Schuldner hat schließlich mehr getan, als nur eine isolierte ordnungsgemäße Teilleistung zu erbringen. Näher liegt daher der zweite Weg, d. h. die Addition von Teilleistung und Teilschlechtleistung im Rahmen der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB zu Lasten des Gläubigers. Eine solche Addition wird, wenn zwei oder mehrere ordnungsgemäße Teilleistungen erbracht werden, ganz selbstverständlich vorgenommen. Soll etwa der Opernsänger im Rahmen eines Sylvesterprogramms drei bekannte Arien singen, 306 läßt er aber die letzte Arie aus, werden die ersten beiden Arien, die als zwei Teilleistungen angesehen werden könnten, addiert. Auch in dem von der Gesetzesbegründung gewählten Beispiel werden die 90 nicht verdorbenen Weinflaschen ohne weiteres zu einer einzigen Teilleistung zusammengerechnet. 307 Eine Addition erscheint auch angemessen, weil der Gläubiger mit der Teilschlechtleistung (nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff) eine eigenständige Teilfunktion erreichen kann, wenn auch nur schlecht. 308 Schließlich ist zu bedenken, daß sich die „Addition“ der Teilschlechtleistung auch zugunsten des Gläubigers auswirken kann. Hat z. B. der Opernsänger im Rahmen des Sylvesterprogramms die dritte Arie schlecht gesungen, was beim Publikum deutliches Mißfallen erregte, kann dieser „Ausrutscher“ bei der Beurteilung seiner Gesamtleistung stärker zu seinen Ungunsten ins Gewicht fallen, als wenn er auf die dritte Arie ganz verzichtet hätte. Es kann durchaus so sein, daß bei einer Gesamtbetrachtung die Teilschlechtleistung negativ „zu Buche schlägt“, weil die Schlechtleistung mittelbar auch die an sich ordnungsgemäßen Leistungsteile „infiziert“. Diese Umstände können nur berücksichtigt werden, wenn sämtliche Teilleistungen, seien sie schlecht oder ordnungsgemäß erbracht, „addiert“ werden. Aus diesen Gründen ist der zweite Weg vorzuziehen: Es sollten bei einer Kombination von Teilleistung und Teilschlechtleistung die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 306

Vgl. zu diesen Fallgestaltungen auch oben Fn. 210. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 139 f. 308 Insoweit ist das in der Gesetzesbegründung gewählte und in der Literatur (oben Fn. 251, 252) aufgegriffene Beispiel des verdorbenen Weins irreführend. Mit dem verdorbenen Wein läßt sich keine eigenständige Teilfunktion erfüllen, er ist allenfalls ein aliud (vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. a), S. 280. 307

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323 Abs. 5 S. 1 BGB mit der Maßgabe angewandt werden, daß neben der ordnungsgemäß erbrachten Teilleistung auch eine etwa erbrachte Teilschlechtleistung zu berücksichtigen ist. Der Gläubiger kann die Totalrechte also nur ausüben, wenn er darlegt und beweist, daß er an der ordnungsgemäßen Teilleistung zuzüglich der Teilschlechtleistung kein Interesse hat. Zur Anwendung dieser Regeln kommt es auch, wenn der Schuldner neben einer oder mehrerer ordnungsgemäßer Teilleistungen eine oder mehrere Teilschlechtleistungen erbringt. Beispiel 1: Der Verkäufer liefert die geschuldeten 100 Flaschen Wein. Von diesen sind jedoch 10 wegen undichten Korkens zu Essig geworden. Auch die 10 verdorbenen Flaschen sind für die Beurteilung des Gläubigerinteresses maßgebend. 309 Handelt es sich um sehr hochwertigen Wein, wirkt sich die zusätzliche Teilschlechtleistung (falls man die Lieferung der 10 verdorbenen Flaschen als solche qualifi ziert) bei der Bewertung des Gläubigerinteresses möglicherweise auch zugunsten des Gläubigers aus, weil er z. B. geltend machen kann, ihm sei „der Geschmack an diesem Wein vergangen.“ Beispiel 2: Der Verkäufer einer Maschine hat die zusätzliche Verpflichtung zur Einweisung in den Gebrauch der Maschine übernommen. Die Maschine ist jedoch defekt. Alternativ mag die Einweisung nicht auf die Benutzer der Maschine abgestimmt und daher schlecht erfüllt sein. Für das Gläubigerinteresse kommt es auf beide Leistungsteile an. So mag das Interesse des Gläubigers erhalten bleiben, z. B. wenn die Maschine nur hinsichtlich selten genutzter Spezialfunktionen defekt ist bzw. wenn durch die Einweisung zumindest die Basisinformationen an alle Mitarbeiter verständlich weitergegeben werden konnten. Beispiel 3: Der Pianist soll zwei Stunden im Restaurant Hintergrundmusik spielen. Die erste Stunde spielt er ordnungsgemäß, die zweite jedoch schlecht. Gerade beim Dienstvertrag wird deutlich, daß der Gläubiger von der zusätzlichen Teilschlechtleistung profitieren kann, so z. B. wenn die Gäste den Qualitätsabfall der Musik nicht bemerken.

Auch wenn der Wortlaut diesem Ergebnis zunächst zu widersprechen scheint, ist eine Analogie zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der Vorschriften nicht notwendig. Wenn es in den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB heißt, daß der Gläubiger die Totalrechte ausüben kann, wenn er an „der Teilleistung kein Interesse hat“, wird der Begriff der Teilleistung wiederholt, der zu Beginn des Satzes den Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet hat. Die dort genannte Formulierung „Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt,. . .“ läßt sich im Sinne von „Hat der Schuldner mindestens eine Teilleistung bewirkt,. . .“ verstehen. Wird der Begriff zu Beginn der Regelungen weit verstanden, kann dieses weite Verständnis auf die Formulierung am Ende erstreckt werden. Offen bleibt die Frage, ob für die Beurteilung des Gläubigerinteresses nur auf die ordnungsgemäße Teilleistung zuzüglich der Teilschlechtleistung „in natura“ abgestellt werden kann oder ob – wie es in der Literatur vorgeschlagen wird – auch der statt der Teilschlechtleistung zu gewährende Schadensersatz 309

Vgl. jedoch oben Fn. 308.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

zu berücksichtigen ist. Diese Frage ist für sämtliche Fälle der beschränkten Störung relevant und soll daher erst unten beantwortet werden. 310 (c) Ordnungsgemäße Teilleistung und Restleistung Abwandlung Beispiel 1311 : Die Präsentation des Unternehmens durch D ist mangelhaft, die Simultanübersetzung dagegen einwandfrei. Abwandlung Beispiel 2312 : Der Rechtsanwalt führt ein Beratungsgespräch, bei welchem er einige Male über die Rechtslage irrt. Den nachfolgenden Prozeß führt er indes ordnungsgemäß.

Das gerade Ausgeführte läßt sich auf diese Konstellation mühelos übertragen. Wie beschrieben, führt es grundsätzlich nicht zu einer weiteren Begünstigung des Schuldners, wenn er neben der ordnungsgemäßen Teilleistung eine weitere Teilleistung ordnungsgemäß erbringt. Es sind stets nur die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB anwendbar. Tritt neben die ordnungsgemäße Teilleistung lediglich eine Teilschlechtleistung, kann es erst recht nicht zu einer weiteren Begünstigung des Schuldners kommen. Können aber die Leistungsanstrengungen des Schuldners, die nicht die ordnungsgemäße Teilleistung konstituieren, noch nicht einmal als Teilschlechtleistung bewertet werden, stellen sie vielmehr nur eine ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung dar, scheidet eine zusätzliche Begünstigung des Schuldners ganz aus. Die Frage ist lediglich, ob die Restleistung bei der Beurteilung des Interessefortfalls in den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB zu berücksichtigen ist. Eine solche Berücksichtigung ist bei mehreren Teilleistungen selbstverständlich und wurde unter (bb) auch für den Fall bejaht, daß zu der ordnungsgemäßen Teilleistung noch eine Teilschlechtleistung hinzutritt. Für eine Anrechnung spricht, daß die schlecht oder ordnungsgemäß erfüllte Restleistung (wie die obigen Beispiele zeigen) für den Gläubiger durchaus von Vorteil sein können, da sie die Teilleistung komplettieren. Zwar hätte der Gläubiger einen wesentlich größeren Vorteil erlangt, wenn die Leistungsanstrengung dazu geführt hätte, daß er eine weitere, eigenständige Teilfunktion (wenn auch möglicherweise nur schlecht) hätte erreichen können. Letztlich kann der Gläubiger aber auch von einer Restleistung profitieren. Für eine Gesamtwürdigung von ordnungsgemäßer Teilleistung und erbrachter Restleistung spricht umgekehrt aber auch, daß die Restleistung den Wert der Teilleistung mindern kann. So ist im Beispiel 1 denkbar, daß der „Wert“ der Leistung des D für U größer gewesen wäre, wenn D das Unternehmen nicht fehlerhaft, sondern gar nicht präsentiert hätte. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung von Rest- und Teilleistung

310 311 312

Unten Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (3), S. 300 ff. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 285. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 285.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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können derartige Aspekte auch zugunsten des Gläubigers berücksichtigt werden. Bei einer Kombination von ordnungsgemäßer Teilleistung und Restleistung sollten daher die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB mit der Maßgabe angewandt werden, daß neben der Teilleistung die ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses zu berücksichtigen ist. Einer analogen Anwendung der genannten Vorschriften bedarf es auch hier nicht. Insgesamt gelangt man damit zu dem die Rechtsanwendung vereinfachenden Ergebnis, daß die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB stets anzuwenden sind, wenn die Leistung des Schuldners mindestens eine ordnungsgemäße Teilleistung „beinhaltet“. Für die Beurteilung des Gläubigerinteresses ist die gesamte Leistung des Schuldners zu berücksichtigen. Auch sämtliche Anteile der Leistung, die zur Konstituierung dieser ordnungsgemäßen Teilleistung an sich nicht notwendig wären, sind in die Abwägung einzubeziehen, auch wenn sich dies zugunsten des Gläubigers auswirkt. (d) Ordnungsgemäße Restleistung und schlecht erbrachte Restleistung Es bleibt die merkwürdig anmutende Kombination aus ordnungsgemäßer Restleistung und schlecht erbrachter Restleistung. Abwandlung Beispiel 1313 : Die Präsentation des Unternehmens durch D ist mangelhaft, A beginnt die Simultanübersetzung ordnungsgemäß, bricht jedoch nach einer halben Stunde, in der sich die Teilnehmer lediglich vorgestellt haben, die Tätigkeit ab. Abwandlung Beispiel 2314 : Der Rechtsanwalt führt ein Beratungsgespräch, bei welchem er einige Male über die Rechtslage irrt. Er reicht eine Klageschrift ein, indem nur einer von mehreren Ansprüchen, noch dazu fehlerhaft, geltend gemacht wird.

Es ist daran zu erinnern, daß eine „Restleistung“ eine Leistung darstellt, mit der der Gläubiger noch nicht einmal eine eigenständige Teilfunktion, und zwar diese auch nicht schlecht, erreichen kann. D.h. die Leistung ist isoliert betrachtet für den Gläubiger unbrauchbar. 315 Eine Restleistung ist damit für den Gläubiger vielleicht „irgendwie nützlich“, im Hinblick auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck ist sie für den Gläubiger jedoch wertlos. Dabei ist es gleichgültig, ob – wie in den Beispielsfällen – eine Kombination aus ordnungsgemäßer und schlecht erbrachter Restleistung vorliegt oder ob eine „isolierte“ ordnungsgemäße oder schlecht erbrachte Restleistung zu würdigen ist. Es bleibt stets dabei, daß der Gläubiger mit dem Erbrachten weder die Gesamtnoch eine Teilfunktion erreichen kann, und zwar auch nicht schlecht. Die Tätigkeit läßt sich damit nicht mehr als die geschuldete identifizieren. Sie ist eine Nichtleistung. 313 314 315

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 284 ff. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 3. b) (2), S. 284 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 249 ff.

300

Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Abwandlung Beispiel 1: Eine vollständige Nichtleistung liegt auch vor, wenn D lediglich eine mangelhafte oder ordnungsgemäße Präsentation des Unternehmens abliefert. Mit dieser „Leistung“ kann der Unternehmer „nichts“ anfangen, er kann weder eine Teilfunktion und schon gar nicht die Gesamtfunktion der Tätigkeit erreichen. Der Fall ist (in dieser Hinsicht) genauso zu bewerten, als wäre D gar nicht erschienen oder als hätte er statt ins Deutsche ins Französische übersetzt. 316 Beispiel 2317 : K kauft ein neues Auto mit Navigationsanlage. Der Verkäufer liefert nur die Navigationsanlage. Vor dem Hintergrund des mit dem Kauf verfolgten Zwecks läßt sich mit der Navigationsanlage weder die Gesamtfunktion noch eine eigenständige Teilfunktion erreichen. Es spielt daher keine Rolle, ob die Navigationsanlage defekt ist oder nicht. Die Lieferung stellt nur eine Restleistung dar und ist damit als vollständige Nichtleistung zu bewerten, genauso als hätte der Verkäufer ein Fernsehgerät statt des Autos geleistet.

Bevor nun die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten aus Teilleistung, Teilschlechtleistung und ordnungsgemäßer oder schlecht erbrachter Restleistung und ihre Rechtsfolgen in einer Gesamtschau gewürdigt werden, soll zunächst auf ein Sonderproblem eingegangen werden, welches in der Literatur im Zusammenhang mit der Teilschlechtleistung diskutiert wird und für die Ausübung der Totalrechte in den hier diskutierten Fallgestaltungen von großer Bedeutung ist. (3) Exkurs: Die Ausübung der Totalrechte und der sog. kleine Schadensersatz In den Fällen der beschränkten Störung kann der Gläubiger seine Rechtsbehelfe auf den „fehlenden Teil“ begrenzen. Er kann seinen Rücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB auf die nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Teile der Leistung beschränken, und er kann insbesondere gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB, nur „soweit“ die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht wurde, Schadensersatz verlangen. Diese Möglichkeit des Gläubigers, in allen Fällen der beschränkten Störung den „kleinen Schadensersatz“ zu verlangen, könnte Rückwirkungen auf die Ausübung der Totalrechte haben. Wie oben gesehen, ist bei der Anwendung der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB für die Berücksichtung des Gläubigerinteresses nicht nur auf die ordnungsgemäße Teilleistung abzustellen, vielmehr sind etwaig hinzukommende Teilschlechtleistungen oder erbrachte Restleistungen hinzuzurechnen. Ebenso sind bei der Anwendung der §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 3 BGB für die Schwelle der Erheblichkeit zu der Teilschlechtleistung etwaig hinzukommende ordnungsgemäße Restleistungen zu addieren. Auch wenn diese „Leistungsteile“ hinzuaddiert werden, bleibt die Gesamtleistung natürlich defizitär. Für eben dieses Defizit kann der Gläubiger den kleinen Schadensersatz verlangen. Es fragt sich damit, 316

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b), S. 231. Beispiel nach der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140. Vgl. auch schon oben Fn. 256. 317

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

301

ob bei der Ausübung der Totalrechte lediglich sämtliche erbrachten Leistungsteile „in natura“ zu berücksichtigen sind oder ob zusätzlich der für die defizitären Teile zu leistende Schadensersatz Berücksichtigung finden muß. Das heißt für die Schlechtleistung: Kann der Gläubiger die Totalrechte nur ausüben, wenn die Pflichtverletzung unter Berücksichtigung des für diese zu zahlenden Schadensersatzes unerheblich ist? Und für die ordnungsgemäße Teilleistung heißt es: Kann der Gläubiger die Totalrechte nur ausüben, wenn er an der Teilleistung zuzüglich des für den fehlenden „Teil“ zu zahlenden Schadensersatzes kein Interesse hat? Es soll als erstes auf die zuletzt gestellte Frage eingegangen werden. (a) Ordnungsgemäße Teilleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für das Gläubigerinteresse? Zur Beantwortung der Frage soll von dem an die Gesetzesbegründung angelehnten Beispielsfall ausgegangen werden: Beispiel: Der Weinhändler W liefert die geschuldeten 100 Flaschen Wein zu einem günstigen Preis von je 10,– A. Der marktübliche Verkaufspreis lag bei 11,– A. Von diesen 100 sind jedoch 10 wegen undichten Korkens zu Essig geworden. Der Käufer K kann Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen, wenn er an den 90 unverdorbenen sowie den 10 verdorbenen Flaschen Wein kein Interesse mehr hat, z. B. weil er für eine Feierlichkeit 100 Flaschen desselben Weins benötigt. Für die 10 verdorbenen Flaschen läßt sich jedoch Ersatz beschaffen: 1) in jedem größeren Supermarkt zu einem Preis von je 12,– A, 2) lediglich beim französischen Hersteller des Weins zu einem Preis von mittlerweile je 18,– A, 3) lediglich bei einem besonderen Weinkenner zu einem Preis von je 100,– A.

Für die Beurteilung des Gläubigerinteresses ist zunächst relevant, daß die Gegenleistung des Gläubigers gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB oder nach Teilrücktritt des Gläubigers gem. § 323 Abs. 1 BGB gem. § 441 Abs. 3 BGB318 anteilig zu reduzieren ist. Im Fall mindert sich der Kaufpreis also auf 900,– A. Die „ersparten“ 100,– A stehen dem Käufer also zur Beschaffung des fehlenden „Teils“ zu Verfügung. 319 Für die Beurteilung des Gläubigerinteresses kommt es nun nach zutreffender, bereits zu §§ 280 Abs. 2 S. 1, 325 Abs. 1 S. 2, 326 Abs. 1 S. 3 BGB a.F vertretener Auffassung darauf an, ob sich der fehlende „Teil“ nicht oder nur mit Schwierigkeiten oder nur mit wesentlich höheren Kosten beschaffen läßt oder ob es für den Gläubiger billiger ist, sich anderweit Ersatz für die ganze Leistung zu verschaffen. 320 Es kommt also auf die finanzielle und zeitliche Mehrbelastung an, die den Gläubiger trifft. Diese Mehrbelastung 318

Für § 323 Abs. 1 BGB MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 209. Hat der Gläubiger den Kaufpreis schon gezahlt, kann er ihn anteilig zurückverlangen (§§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 4 BGB). Bei der Berücksichtigung des Gläubigerinteresses muß auch die Bonität dieses Rückzahlungsanspruchs berücksichtigt werden. 320 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 3; Staudinger/Otto (2001) § 326 Rn. 187 f. Für die Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz MünchKomm/Ernst, 319

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

kann in der Abwandlung 1) noch hingenommen werden. In der Abwandlung 2) kann vom Gläubiger hingegen nicht verlangt werden, daß er den beinahe doppelten Preis für die fehlende Teilleistung bezahlen soll. Darüber hinaus kann das Interesse des Gläubigers an der Teilleistung auch von anderen (ggf. immateriellen) Interessen des Gläubigers abhängen. 321 Gerade beim Dienstvertrag, den der Schuldner in der Regel höchstpersönlich zu erfüllen hat (§ 613 S. 1 BGB), kann der Gläubiger nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden, er könne sich den fehlenden „Teil“ der Leistung anderweit „beschaffen“. 322 Betrachtet man jedoch vorrangig die wirtschaftlichen Aspekte, ist neben der Möglichkeit der Minderung der Gegenleistung die Geltendmachung von Schadensersatz zu prüfen. Der Gläubiger kann sich, statt Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu verlangen, auf die Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB beschränken. Die Frage ist nun, ob für die Beurteilung des Gläubigerinteresses die ordnungsgemäße Teilleistung und der kleine Schadensersatz „addiert“ werden können. Diese Frage wird in der Literatur zum Teil ausdrücklich bejaht. 323 Für ihre Klärung ist zunächst wichtig, welche Posten der Gläubiger als kleinen Schadensersatz geltend machen kann. Der Gläubiger kann jedenfalls den Minderwert fordern, d. h. den Unterschied zwischen dem Wert der empfangenen Leistung und dem Wert, den die Leistung hätte, wenn sie wie geschuldet erbracht worden wäre. 324 Dieser Minderwert beträgt im Beispiel 110,– A. Die interessantere Frage ist, ob er auch die sog. Herstellungskosten verlangen kann. 325 Wäre dies der Fall, könnte der Käufer in den Abwandlungen 1) 120,– A, 2) 180,– A und 3) 1.000,– A verlangen. Allerdings wird zutreffend vertreten, daß die Herstellungskosten nicht verlangt werden können, soweit sie unverhältnismäßig sind. 326 Dies wäre in der Abwandlung 3) anzunehmen. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Herstellungskosten nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verlangt werden können, sollte im Ergebnis der sog. kleine Schadensersatz bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses keine Berücksichtigung finden. Bd. 2a, § 323 Rn. 203; Palandt/Heinrichs § 281 Rn. 38, § 323 Rn. 26; Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 2. d) (S. 195). 321 Z. B. Unzumutbarkeit, weil Gläubiger jedes Vertrauen in den Schuldner verloren hat, Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 2. d) (S. 195). 322 Zudem tritt bei mangelnder Nachholbarkeit der Dienste (Fixschuld) Unmöglichkeit ein, dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 323 Canaris, JZ 2001, 499, 513; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 217; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 137, 147, 151 und § 323 Rn. 256; Erman/H. P. Westermann § 281 Rn. 7. Grundsätzlich auch Gsell, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 105, 111 ff. (zum Regierungsentwurf). 324 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 127. 325 Für die Ersatzfähigkeit von Herstellungskosten grundsätzlich MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 128 ff.; Canaris, JZ 2001, 499, 513. 326 Weiterführend MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 129 ff.

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Zum einen ist in den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nur vom Interesse des Gläubigers an „der Teilleistung“ die Rede. Läßt sich unter diesen Begriff die Summe von Teilleistung und Teilschlechtleistung oder die Summe von Teilleistung und etwaig erbrachter Restleistung „in natura“ noch subsumieren, fällt es schon schwerer, unter „der Teilleistung“ die Summe von Teilleistung und kleinem Schadensersatz zu verstehen. Doch ließen sich diese Schwierigkeiten, die der Wortlaut der Vorschrift bietet, immerhin mit einer Analogie überwinden. Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß auch bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses nach der früheren Rechtslage (§§ 280 Abs. 2 S. 1, 325 Abs. 1 S. 2, 326 Abs. 1 S. 3 BGB a. F.) eine Addition von Teilleistung und „kleinem Schadensersatz“ nicht vorgenommen wurde. 327 Als Argument wiegen zudem die Folgen eines solchen Ansatzes schwer: Geht man grundsätzlich davon aus, daß der Gläubiger im Rahmen des kleinen Schadensersatzes die Herstellungskosten verlangen kann und dieser Schadensersatz zu der ordnungsgemäß erbrachten Teilleistung hinzugerechnet werden muß, wird der Gläubiger nur in sehr wenigen Fällen darlegen und beweisen können, daß er an „der Teilleistung“ kein Interesse hat. Sein Interesse bleibt erhalten, solange der „‚kleine‘ Schadensersatz sich mit dem empfangenen Teil . . . zu einer das Gläubigerinteresse doch noch befriedigenden Mischleistung zusammenfügt.“328 Genau dies lag allerdings wohl in der Absicht des Gesetzgebers. Dieser führt in der Gesetzesbegründung zu § 281 Abs. 1 S. 3 des Entwurfs zu einem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aus, daß bei einer Teilleistung ein Interesse des Gläubigers an Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur bestehe, „wenn der erbrachte Teil der Leistung unter Berücksichtigung des Schadensersatzes statt der ausgebliebenen Leistung das Leistungsinteresse des Schuldners [gemeint ist das Leistungsinteresse des Gläubigers, Anm. d. Verf.] nicht voll abdeckt. Bei einer teilweisen Leistung wird Schadensersatz statt des ausgebliebenen Teils der Leistung das Leistungsinteresse des Schuldners [Gläubigers, Anm. d. Verf.] meist voll abdecken und Schadensersatz statt der ganzen Leistung eher die Ausnahme sein.“329 327 Vgl. U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 45 I 3; Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 121, 122; MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 280 Rn. 19; Nach Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 217, sollen U. Huber und Emmerich gerade das Gegenteil vertreten. Hinsichtlich des Standpunkts von U. Huber, a.a.O., räumen sie aber ein, daß U. Huber die „neutralisierende Wirkung des Schadensersatzanspruchs nicht hinreichend“ berücksichtige. Tatsächlich berücksichtigt jedoch keiner der beiden Autoren einen Schadensersatzanspruch. Bei der Möglichkeit der Ersatzbeschaffung werden allenfalls die Mittel aus der Minderung der Gegenleistung als zur Verfügung stehend unterstellt. Zutreffend verweisen Lorenz/Riehm, ebenda, aber auf Staudinger/Löwisch (2001) § 280 Rn. 20 f., doch ist zu berücksichtigen, daß § 280 a. F. BGB nur die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungspfl ichten betraf. Zu den Unterschieden Kaiser, Rückabwicklung, S. 130. 328 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 137. 329 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Für die Auslegung der lex lata sind diese Ausführungen jedoch von geringerem Gewicht. Zum einen ist der dort begründete § 281 Abs. 1 S. 3 BGB nicht Gesetz geworden. Zum anderen beziehen sich die Ausführungen nur auf die Teilleistung, nicht auf die Schlechtleistung. Bei dieser, so meint die Gesetzesbegründung, sei das Gläubigerinteresse „oft“ gegeben.330 Dies liegt indes nur nahe, wenn man davon ausgeht, daß der kleine Schadensersatz die Herstellungskosten nicht umfaßt. Die Problematik des Umfangs des kleinen Schadensersatzes wurde also offenbar gar nicht bedacht. Der Entwurfsbegründung ist daher in diesem Punkt keine größere Bedeutung zuzumessen. 331

Entscheidend ist jedoch, daß eine Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes für das Rücktrittsrecht jedenfalls ausscheiden muß und daß damit eine einheitliche Beurteilung des Gläubigerinteresses in den §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht mehr möglich wäre. Eine solche uneinheitliche Behandlung würde aber zu „ganz erheblichen Komplikationen“332 führen. Zunächst kann eine Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes bei der Ausübung des Totalrücktritts nicht in Betracht kommen. 333 Zwar hat der Gläubiger, der eine ordnungsgemäße Teilleistung erhält, die Möglichkeit, den kleinen Schadensersatz geltend zu machen. Ob er ihn jedoch jemals erhält, bleibt ungewiß. Vor allem in dem Fall, in dem der Schuldner wegen Insolvenz nicht in der Lage ist, den kleinen Schadensersatz zu zahlen, bliebe der Gläubiger faktisch auf einer Teilleistung (und einer etwaigen weiteren Teilschlechtleistung oder einer etwaigen Restleistung) sitzen, ohne daß er an dieser ein Interesse hätte. Im glücklichen Fall kann er zwar noch seine (noch nicht erbrachte) Gegenleistung anteilig mindern. Dies nützt dem Gläubiger aber nur, wenn sich mit dem geminderten Teil der Gegenleistung der ausgebliebene Teil der geschuldeten Leistung beschaffen läßt. Insgesamt sollte man daher den Gläubiger nicht mit dem Hinweis auf den „kleinen Schadensersatz“ an einen Vertrag ketten, auf den nur etwas geleistet wurde, an dem der Gläubiger kein Interesse hat. Nicht ausschlaggebend ist indes die Tatsache, daß der Gläubiger nach der Erklärung des Totalrücktritts den kleinen Schadensersatz nicht mehr verlangen kann.334 Würde man für die Ausübung der Totalrechte einheitlich die Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes verlangen, hätte der Gläubiger neben der Befugnis zur Erklärung des To330

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140. In seinem späteren Lehrbuch (Schuldrecht, Rn. 345 f. und 519 ff.) hat Schmidt-Räntsch auf die Wiederholung dieser Ausführungen auch verzichtet. 332 So MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 138, 148, der freilich den kleinen Schadensersatz trotzdem im Rahmen von § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 berücksichtigen will. 333 So auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 138, 148 und § 323 Rn. 203. Anders aber im Falle der Kombination von Teilleistung und Teilschlechtleistung § 323 Rn. 256. Auch in der Entwurfsbegründung wird auf eine Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes beim Rücktrittsrecht nicht eingegangen, Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 186 f. A. A. Canaris, JZ 2001, 499, 513, offenbar aber nicht für den Totalrücktritt bei Schlechtleistung, vgl. ebenda S. 514. 334 Vgl. dazu sogleich im Text. 331

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talrücktritts auch stets die Befugnis zur Geltendmachung des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung. Er stünde also keinesfalls ohne Schadensersatzberechtigung dar.

Schließt man sich dem an, so könnte allenfalls noch bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses beim Schadensersatz statt der ganzen Leistung der kleine Schadensersatz berücksichtigt werden, unabhängig davon, daß er für die Beurteilung des Gläubigerinteresses beim Totalrücktritt keine Bedeutung hätte. Der Gläubiger könnte also leichter den Totalrücktritt erklären als Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen. Erklärte er den Totalrücktritt, könnte es dazu kommen, daß er „ganz ohne Schadensersatzberechtigung“335 dastünde. Zwar bleibt nach § 325 BGB die Berechtigung, Schadensersatz zu fordern, von der Ausübung des Rücktrittsrechts grundsätzlich unberührt. Dies gilt jedoch nicht für das Verhältnis von Totalrücktritt und kleinem Schadensersatz. 336 Erklärt der Gläubiger wirksam den Totalrücktritt, hat er die empfangene Teilleistung zurückzugewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Damit entfällt die Grundlage für den Ausgleich zwischen Teilleistung und ordnungsgemäßer Leistung, auf welche der kleine Schadensersatz gerade abzielt. 337 Nach einem Totalrücktritt bleibt dem Gläubiger also grundsätzlich nur die Möglichkeit, Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu fordern. Diese Möglichkeit, die § 325 BGB dem Gläubiger ausdrücklich einräumt, darf nicht dadurch beschränkt werden, daß an den Schadensersatz statt der Leistung strengere Voraussetzungen geknüpft werden als an den Rücktritt. Gerade wenn dem Gläubiger aufgrund der nicht vollständigen Erfüllung Schäden entstanden sind, darf er nicht Gefahr laufen, durch die Erklärung des Rücktritts seine Schadensersatzberechtigung zu verlieren. Vorzugswürdig ist es daher, bei der Ausübung der Totalrechte die Möglichkeit des Gläubigers, den kleinen Schadensersatz nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB geltend zu machen, unberücksichtigt zu lassen. 338 Bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses sind daher nur die ordnungsgemäße Teilleistung sowie eine etwaig weiter erbrachte Teilschlechtleistung oder Restleistung „in natura“ zu berücksichtigen. (b) Schlechtleistung und sog. kleiner Schadensersatz als Maßstab für die Unerheblichkeit? Die gerade diskutierte Frage stellt sich entsprechend, wenn der Schuldner „nur“ eine Schlechtleistung erbringt, wobei es sich um eine vollständige Schlechtleistung, eine oder mehrere „isolierte“ Teilschlechtleistungen oder 335

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 138, 148. Schultz, in: H. P. Westermann, Schuldrecht 2002, S. 95 f.; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 325 Rn. 28; Staudinger/Otto (2004) § 325 Rn. 42; Schwab/Witt/Mattheus, Examenswissen, S. 89; Gsell, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 105, 126 ff. (zum Regierungsentwurf). A. A. Canaris, JZ 2001, 499, 514; Derleder, NJW 2003, 998, 1001. 337 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 325 Rn. 28; Gsell, JZ 2004, 643, 645. 338 Dahin gehend wohl auch Emmerich, Leistungsstörungen, § 12 VI. 2. d) (S. 195), der nur die Minderungsmöglichkeit des Gläubigers erwähnt. 336

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eine Kombination von Teilschlechtleistungen und Restleistungen handeln kann. In diesen Fällen hat der Gläubiger die Möglichkeit, für die „fehlenden“ Teile den kleinen Schadensersatz gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB geltend zu machen. Es ist daher wiederum zu entscheiden, ob die Ausübung der Totalrechte nur von den „in natura“ erbrachten Leistungsteilen abhängt oder ob der kleine Schadensersatz hinzuaddiert werden muß. Dann käme es darauf an, ob die Pflichtverletzung unter Berücksichtigung des zu zahlenden Schadensersatzes unerheblich ist. In der Literatur finden sich Stimmen, welche für die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung fordern, daß neben der schlecht erbrachten Leistung der für den Mangel zu leistende Schadensersatz zu berücksichtigen sei. 339 Dies führe dazu, daß die Erheblichkeit der Pflichtverletzung im Wesentlichen nur noch darin begründet liegen könne, daß „der Gläubiger kein von vornherein einwandfreies Leistungsobjekt erhält, sondern ein Leistungsobjekt, dessen schuldgemäßer Zustand erst nachträglich hergestellt wurde.“ Im Wesentlichen könne eine Pfl ichtverletzung also nur noch wegen des Makels, daß es sich um eine reparierte Sache handele, oder wegen der Entbehrung des Objekts für die Zeit der Herstellung erheblich sein. 340 Demgegenüber ging die Gesetzesbegründung noch davon aus, daß der kleine Schadensersatz nur genügen könne, wenn es sich um „abgrenzbare Mängel“ handele, die ohne Schwierigkeiten behoben werden können. Im übrigen würde der Gläubiger „oft“ Schadensersatz statt der ganzen Leistung fordern können. Dieser Standpunkt wurde bezogen, obwohl es nach dem Entwurf auch im Falle der Schlechtleistung noch die höhere Schwelle des Gläubigerinteresses zu überwinden galt. 341

Zutreffend wird jedoch für den Totalrücktritt auf eine Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes bei der Bemessung der Unerheblichkeit verzichtet. 342 Dem ist mit dem gerade zur Beurteilung des Gläubigerinteresses Gesagten343 zuzustimmen. Auch hier würde es zu „erheblichen Komplikationen“344 kommen, wollte man den kleinen Schadensersatz bei der Unerheblichkeitsprüfung im Rahmen des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB berücksichtigen, ihn aber im Rahmen des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB außer acht lassen. 345 Es gilt daher das für die Ausübung der Totalrechte bei Teilleistung Ausgeführte entsprechend. Auch im Falle der 339 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 147; Canaris, JZ 2001, 499, 513; Erman/H. P. Westermann § 281 Rn. 9. Unklar Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 218, die die Frage hinsichtlich § 281 Abs. 1 S. 2 BGB bejahen (oben Fn. 323). 340 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 147. 341 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 140. 342 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 148. 343 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (3) (a), S. 301 ff. 344 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 148, der dennoch den kleinen Schadensersatz im Rahmen des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB berücksichtigen will. 345 Für einen Gleichlauf von „großem“ Schadensersatz und Totalrücktritt in diesem Fall auch Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 3. (S. 77).

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Schlechtleistung scheidet daher eine Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes bei der Prüfung der Unerheblichkeit aus. Dieses Ergebnis läßt sich auch mit dem Wortlaut der §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB besser vereinbaren: Dort wird die Ausübung der Totalrechte schließlich von der Unerheblichkeit der „Pflichtverletzung“ und nicht von der Unerheblichkeit der „Pflichtverletzung und der Kompensation der Pflichtverletzung“ abhängig gemacht. Erbringt der Schuldner also eine vollständige Schlechtleistung, eine oder mehrere „isolierte“ Teilschlechtleistungen oder eine Kombination von Teilschlechtleistungen und Restleistungen, sollte die Ausübung der Totalrechte durch den Gläubiger nicht davon abhängig gemacht werden, daß die defizitäre Leistung zuzüglich des kleinen Schadensersatzes mehr als eine nur unerhebliche Pflichtverletzung darstellt. Der Schuldner muß vielmehr darlegen und beweisen, daß die defizitäre Leistung „in natura“ zu einer nur unerheblichen Pflichtverletzung führte, wenn er den Gläubiger an der Ausübung der Totalrechte hindern will. d) Sog. Teil-Teilleistungen (1) Teil-Teilleistungen im Dienstvertragsrecht Im Schrifttum wird zutreffend darauf aufmerksam gemacht, daß auch eine Teilleistung nur teilweise bewirkt werden kann. 346 Dieser Fall ließe sich als „Teil-Teilleistung“ bezeichnen. Beispiel 1347 : A soll eine Maschine liefern sowie für das Personal eine dreistündige Einweisung in die Benutzung der Maschine durchführen. A liefert die Maschine in einwandfreiem Zustand. Die Einweisung dauert jedoch nur zwei statt der zugesagten drei Stunden. Beispiel 2: Der Verkäufer soll 10 Flaschen eines bestimmten Rotweins und 10 Flaschen eines bestimmten Weißweins liefern. Von dem Weißwein liefert er jedoch nur 5 Flaschen.

Die Anerkennung der Figur Teil-Teilleistung folgt beinahe zwangsläufig aus der Anerkennung der Teilschlechtleistung. Und selbstverständlich sind in der Theorie auch Teil-Teil-Teilleistungen oder Teil-Teil-Schlechtleistungen usw. möglich; doch bleibt zu hoffen, daß es sich hierbei um rein gedankliche Konstrukte handelt, die in der Praxis ohne Bedeutung bleiben werden. Schon TeilTeilleistungen werden praktisch weniger häufig vorkommen. Sie sind, wie die Beispielsfälle zeigen, vor allem möglich, wenn sich die Gesamtverpfl ichtung in zwei oder mehr unterschiedliche Einzelpflichten aufgliedern läßt. Bei einer ausschließlich dienstvertraglichen Verpflichtung kann nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff eine Teil-Teilleistung nur vorliegen, 346 347

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143. Nach MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

wenn sich im Rahmen einer eigenständigen Teilfunktion eine weitere eigenständige Teilfunktion, also eine Funktion in der Funktion, finden läßt. Beim zeitbezogenen Dienstvertrag wird das in der Regel nur möglich sein, wenn die Leistung nicht nur „in der Zeit“, sondern auch noch nach anderen Faktoren geteilt werden kann. Beispiel 3348 : A verpfl ichtet sich gegenüber B, dessen drei Bürogebäude anläßlich einer Demonstration durch drei Personen von 10:00 bis 18:00 Uhr überwachen zu lassen. A stellt hingegen nur zwei Personen für die Überwachung ab. Da sich die Demonstration bereits um 15:00 Uhr aufgelöst hat, verlassen die Angestellten um 15:30 Uhr das Gelände.

Eine Teil-Teilfunktion liegt dagegen nicht allein deshalb vor, weil sich die Dienstverpflichtung auf Zeitabschnitte verteilt und im Rahmen eines Zeitabschnitts die Leistungsdauer nicht erreicht wird. Beispiel 4: Der Unternehmer U beauftragt den Unternehmensberater B, eine Woche lang von 8:00 bis 16:00 Uhr den Verkaufsbetrieb in der Filiale F zu beobachten. Beendet B die Tätigkeit am Freitag schon um 14:00 Uhr, liegt eine normale Teilleistung, keine Teil-Teilleistung vor. Anders mag es sein, wenn B an jedem Tag eine unterschiedliche Tätigkeit ausführt, vgl. die Abwandlung unter (2).

Bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen sind Teil-Teilleistungen selten. Teilleistungen sind vor allem denkbar, wenn der Dienstberechtigte gleichrangige Erfolge anstrebt. 349 Die angestrebten Erfolge bestimmten die Funktion der Tätigkeit und lassen es in der Regel kaum zu, daß innerhalb der Funktion weitere Teilfunktionen existieren. Dies liegt daran, daß lediglich vorbereitende Tätigkeiten in der Regel keine eigenständige Teilfunktion erfüllen; sie stellen lediglich einen „Zwischenschritt“ zur Erreichung der Gesamtfunktion dar. 350 Dennoch sind auch für die erfolgsbezogenen Dienstverträge Teil-Teilleistungen denkbar: Beispiele 5: Der Vermieter beauftragt den Rechtsanwalt R, einen Aufhebungsvertrag für ein bestehendes Mietverhältnis zu entwerfen und gleichzeitig den rückständigen Mietzins für das Mietverhältnis einzuklagen. R übersieht eine der beiden ausstehenden Mietzinszahlungen.

(2) Rechtsfolgen der Teil-Teilleistung In der Literatur wird auch für die Behandlung der Teil-Teilleistungen ein gestufter Ansatz vertreten. Zunächst sei die Teil-Teilleistung im Verhältnis zur geschuldeten Teilleistung den Regelungen über die Teilleistung, also §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB, zu unterwerfen. Es sei mithin im erstgenannten Beispiel zunächst zu fragen, ob der Gläubiger an der nur zweistündigen 348 349 350

Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (b), S. 272. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (2) (a), S. 274. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (2) (b), S. 275 f.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Einweisung (im Verhältnis zur geschuldeten dreistündigen Einweisung) ein Interesse hat. Ist das Interesse des Gläubigers entfallen, sei die Teilleistung, die nur teilweise erfüllt wurde, hinwegzudenken. Auf die übrige Leistung, die ihrerseits im Verhältnis zur Gesamtverpflichtung eine Teilleistung darstellt, seien die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB erneut anzuwenden. Es wäre also zu fragen, ob der Gläubiger auch ohne die Einweisung ein Interesse an der Maschine hätte. 351 Erst wenn auch diese Frage bejaht werden könne, sei der Gläubiger zur Ausübung der Totalrechte berechtigt. 352 Dem gestuften Vorgehen ist auch an dieser Stelle entgegenzutreten. Es ist nämlich grundsätzlich die Frage zu stellen, ob die Differenzierung zwischen Teilleistungen und Teil-Teilleistungen notwendig ist. Zwar ist es phänomenologisch möglich, Teil-Teilleistungen zu definieren. Ihre Abgrenzung zu den Teilleistungen macht in der praktischen Anwendung jedoch große Schwierigkeiten, sobald man den Bereich die Fallgruppen verläßt, in denen der Schuldner in einem Vertrag mehrere unterschiedliche Pflichten übernommen hat. Beispiel: Die Abgrenzungsschwierigkeiten liegen schon im Beispiel 2 auf der Hand. Würde es einen Unterschied machen, wenn der Verkäufer zwei Flaschen desselben Rotweins, aber unterschiedlichen Jahrgangs schuldete? Abwandlung Beispiel 4: Der Unternehmer U beauftragt den Unternehmensberater B, eine Woche lang für ihn tätig zu sein, d. h. montags soll er von 8:00 bis 16:00 Uhr den Verkaufsbetrieb in der Filiale F beobachten, dienstags soll er einen Vortrag vor Filialleitern halten, mittwochs soll er ein Motivationstraining für neu eingestellte Mitarbeiter durchführen usw. Liegt eine Teil-Teilleistung vor, wenn B die Tätigkeit montags schon um 14:00 Uhr beendet? Wie ist es, wenn sich B verpfl ichtet hat, jeden Tag in einer anderen Filiale von 8:00 bis 16:00 Uhr tätig zu sein? Wie ist es, wenn er in jeder der Filialen unterschiedliche Aufgaben übernehmen soll? Wie, wenn sich die Aufgaben in den unterschiedlichen Filialen teilweise überschneiden?

Diese Abgrenzungsschwierigkeiten mögen sich für den Dienstvertrag mit Hilfe des funktionalen Teilleistungsbegriffs oder auch durch andere Unterscheidungsparameter überwinden lassen. Vorzugswürdiger ist indes eine Lösung, die solche zusätzlichen Abgrenzungsprobleme vermeidet. Zunächst ist festzustellen, daß das BGB an keiner Stelle die Figur der Teil-Teilleistung erwähnt. Das Gesetz zwingt also nicht dazu, diese Figur von anderen abzugrenzen. Da das Gesetz schon mit der Unterscheidung von Teil-, Schlecht und Teilschlecht351 An dieser Stelle läßt Ernst die Frage offen, ob ein für die unvollständige Teilleistung zu zahlender kleiner Schadensersatz bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses im Rahmen des § 281 BGB zu berücksichtigen wäre (MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143). Ernst, der diese Frage für die Teilschlechtleistung bejaht (vgl. oben Zweiter Teil, § 4 IV. 3. c) (3) (a), S. 302 ff.), würde die Teil-Teilleistung wohl nicht anders behandeln. Demgegenüber ist die Berücksichtigung des kleinen Schadensersatzes bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses nach hier vertretener Ansicht abzulehnen. 352 So für § 281 Abs. 1 S. 2 BGB MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143. Für § 323 Abs. 5 BGB behandelt Ernst die Frage nicht ausdrücklich, vgl. aber § 323 Rn. 228.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

leistung genügend Abgrenzungsschwierigkeiten bereithält, sollten weitere Abgrenzungen tunlichst vermieden werden. Zum anderen ist – aufs Ganze gesehen – die Teil-Teilleistung letztlich eben eine Teilleistung. Dies wird im Beispiel 2 besonders deutlich. Es liegt daher nahe, sie wie eine „normale“ Teilleistung zu behandeln, nämlich gem. §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB. Bei der Prüfung des Gläubigerinteresses sollte nicht gestuft vorgegangen werden; vielmehr ist zu fragen, ob ein Interesse des Gläubigers an der Gesamtleistung des Schuldners besteht. Man mag einwenden, daß dies nach den hier vertretenen Grundsätzen den Gläubiger, der nur eine (isolierte) Teil-Teilleistung353 erhält, unangemessen benachteilige. 354 Wurde doch oben ausgeführt, daß die den Schuldner begünstigenden Regelungen der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nur Anwendung finden sollen, wenn der Gläubiger (mindestens) eine ordnungsgemäße Teilleistung erhält. 355 Eine ordnungsgemäße Teil-Teilleistung scheint im Verhältnis zur ordnungsgemäßen Teilleistung aber im Minus zu sein. Indes wird nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff gegen diesen Grundsatz nicht verstoßen: Auch mit einer Teil-Teilleistung kann der Gläubiger eine eigenständige Funktion erfüllen; er erhält also einen tatsächlichen Vorteil. Es wird lediglich darauf verzichtet zu prüfen, ob es sich um einen Vorteil auf der „ersten Stufe“ oder um einen Vorteil auf der „zweiten Stufe“ handelt. Eine solche Unterscheidung nach Stufen führte aber ohnehin letztlich nur in eine Prüfung des „Werts“ der Funktion, die der Gläubiger mit der Leistung erreichen kann. Dies entspräche weder dem hier vertretenen funktionalen Ansatz noch dem Grundgedanken des Gesetzes. Denn das Gesetz stellt nicht auf den „Wert“ der unvollständigen Leistung, also beispielsweise auf die „Größe“ der Teilleistung, ab. So liegt eine Teilleistung unbestritten auch dann vor, wenn der Gläubiger von den 100 geschuldeten Flaschen Wein nur eine einzige erhält. Schließlich läßt sich eine gestufte Vorgehensweise zwar theoretisch gut herleiten. Die praktische Prüfung ist jedoch schwierig, sobald sich die Gesamtleistung aus Teilen zusammensetzt, die in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Dies zeigt sich auch für den in der Literatur behandelten Fall einer integrierten Teil-Teilleistung. Der Schuldner leistet hier eine Teilleistung (Lieferung der Maschine) und eine Teil-Teilleistung (zweistündige Einweisung). Nach diesem Ansatz soll auf der ersten Stufe geprüft werden, ob die gesamte Einweisung in die Benutzung der Maschine für den Gläubiger infolge der Verkürzung ohne Interesse war. 356 Tatsächlich wird jedoch nicht das Interesse des Gläubi353 Beispiel (Abwandlung von Beispiel 1, oben unter (1), S. 307): Der Schuldner führt lediglich eine zweistündige (statt der geschuldeten dreistündigen) Einweisung durch; die Maschine wird nicht geliefert. Eine isolierte Teil-Teilleistung liegt auch im Beispielsfall 3 vor. 354 Der Fall der isolierten Teil-Teilleistung wird – soweit ersichtlich – in der Literatur nicht erörtert. 355 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (a), S. 288 ff. 356 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143.

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gers an der Leistung „nur zweistündige Einweisung“, sondern es wird das Interesse an der Leistung „nur zweistündige Einweisung und Maschine“ geprüft. Sofern Einweisung und Maschine in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, hat der Gläubiger an der Einweisung ohne die Maschine vielfach ohnehin kein Interesse. Schon auf der ersten Stufe ist man daher in der Regel 357 gezwungen, die gesamte erbrachte Leistung des Schuldners in die Beurteilung einzubeziehen. Hat man aber bereits auf der ersten Stufe die gesamte erbrachte Leistung des Schuldners gewürdigt, leuchtet es nicht ein, aus welchem Grunde man auf der zweiten Stufe die Teil-Teilleistung des Schuldners wieder hinwegdenken soll, um das Interesse des Gläubigers an der (hypothetisch isolierten) Teilleistung zu prüfen. Fehlt dem Gläubiger nämlich schon das Interesse an dem „Gesamtpaket“ von Teilleistung und Teil-Teilleistung, wird er an der isolierten Teilleistung erst recht kein Interesse haben. Die Behandlung der Teil-Teilleistung als „normale“ Teilleistung sollte die isolierte wie die integrierte Teil-Teilleistung erfassen. Dies gilt freilich nur für die ordnungsgemäß erbrachte Teil-Teilleistung. Da die ordnungsgemäße TeilTeilleistung wie eine ordnungsgemäße Teilleistung zu behandeln ist, sind stets die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB anzuwenden. Dies gilt auch, wenn mehrere Teil-Teilleistungen vorliegen. Es gelten die oben dargestellten Grundsätze: 358 Wurden neben der Teil-Teilleistung (oder den Teil-Teilleistungen) eine oder mehrere weitere (Teil-)Teilleistungen ordnungsgemäß (Beispiele 1, 2, 4, 5) oder schlecht erbracht und/oder wurden zusätzlich eine oder mehrere Restleistungen ordnungsgemäß oder schlecht erbracht, sind diese bei der Beurteilung des Gläubigerinteresses zu der Teil-Teilleistung hinzuzurechnen. Wird ausschließlich eine Teil-Teilleistung schlecht erbracht, 359 liegt also eine „isolierte Teil-Teilschlechtleistung“ vor, ist diese wie eine „normale“ Teilschlechtleistung zu behandeln. Es finden also die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB Anwendung. Entsprechend dem oben Ausgeführten 360 gilt dies auch, wenn mehrere schlecht erbrachte (Teil-)Teilleistungen vorliegen und/oder zusätzlich eine oder mehrere ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistungen gegeben sind. Bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist wiederum auf die Gesamtleistung des Schuldners abzustellen.

357 Anders bei zufälliger Verbindung unterschiedlicher Teile, vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (a), S. 252. 358 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b) und (c), S. 291 ff. und S. 298 f. 359 Abwandlung Beispiel 2: Die nur zweistündige Einweisung ist nicht auf die künftigen Benutzer der Maschine zugeschnitten und wird daher nur mangelhaft von diesen verstanden. Die Maschine selbst wird nicht geliefert. 360 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (1), S. 287 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

(3) Ergebnis zu d) Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die ordnungsgemäße Teil-Teilleistung wie eine ordnungsgemäße Teilleistung und die (isolierte) schlecht erbrachte Teil-Teilleistung wie eine Teilschlechtleistung zu behandeln ist. Es hat sich als nicht notwendig erwiesen, die Teil-Teilleistung von den Fällen der Teilleistung oder der Teilschlechtleistung abzugrenzen. Die Zuordnung der Rechtsfolgen in den Fällen der unvollständigen Leistung wird auf diese Weise nicht komplexer, als es das Gesetz vorsieht. Wichtig ist die Entdeckung361 der Teil-Teilleistung vor allem für die Abgrenzung zur Teilschlechtleistung. Nicht immer, wenn der Schuldner eine Teilleistung nicht vollständig erbringt, liegt eine Teilschlechtleistung vor. Vielmehr ist es möglich, daß sich in der Teilleistung eine weitere Teilleistung verbirgt. Nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff ist allein ausschlaggebend, ob der Gläubiger mit der defizitären Leistung eine eigenständige Teilfunktion erreichen kann. Kann der Gläubiger mit der erbrachten Leistung eine eigenständige Teilfunktion erreichen und wurde die Leistung insoweit ordnungsgemäß erbracht, liegt eine ordnungsgemäße Teil-Teilleistung – und damit im Ergebnis eine ordnungsgemäße Teilleistung – und nicht nur eine Teilschlechtleistung vor. e) Ergebnis zu 3. Eine Teilleistung kann ordnungsgemäß, nicht, teilweise, aber auch schlecht erbracht werden. Der letzte Fall wird als Teilschlechtleistung bezeichnet. Leistet der Schuldner außer der Teilschlechtleistung nichts, liegt eine sog. isolierte Teilschlechtleistung vor. Erbringt er aber eine Teilschlechtleistung und zusätzlich noch ein plus, ist z. B. die restliche Leistung ordnungsgemäß, 362 kann von einer sog. integrierten Teilschlechtleistung gesprochen werden. Die Teilschlechtleistung läßt sich – isoliert betrachtet – folgendermaßen definieren: Es muß sich zunächst um eine Teilleistung handeln, d. h. für den Dienstvertrag, daß die erbrachte Tätigkeit geeignet gewesen sein muß, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. Die eigenständige Funktion der Teilleistung kann nun entweder durch eine ordnungsgemäße Tätigkeit oder durch eine schlecht erbrachte Tätigkeit erreicht werden. Ist die Tätigkeit, mit der die Teilleistung erbracht werden soll, ordnungsgemäß, liegt eine ordnungsgemäße Teilleistung vor. Ist sie hingegen nicht ordnungsgemäß, kann durch sie die eigenständige Teilfunktion aber noch erreicht werden, liegt eine Teilschlechtleistung vor. 361

Diese darf man wohl Ernst zuschreiben, MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 143. Diese Konstellation wird in der Literatur in der Regel als Fall der Teilschlechtleistung behandelt. 362

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Läßt sich mit der defizitären Leistung hingegen weder die Gesamt- noch eine Teilfunktion der Tätigkeit erreichen, und zwar auch nicht schlecht, kann von einer sog. Restleistung gesprochen werden. Auch diese kann ordnungsgemäß oder schlecht erbracht werden. Eine Teilleistung kann auch ihrerseits nur „teilweise“ erfüllt werden. Diese Teil-Teilleistungen sind jedoch wie „normale“ Teilleistungen zu behandeln, sei es, daß sie ordnungsgemäß, sei es, daß sie schlecht erfüllt werden. Es ergeben sich damit insgesamt 8 relevante Kombinationsmöglichkeiten, auf welche die jeweils angegeben Rechtsfolgen Anwendung finden. 1. Teil:

2. Teil:

(isolierte) ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung (isolierte) schlecht erbrachte Teilleistung (isolierte) ordnungsgemäß erbrachte Restleistung (isolierte) schlecht erbrachte Restleistung ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung



ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung

schlecht erbrachte Teilleistung

ordnungsgemäß erbrachte Restleistung

363



Anzuwendende Regelungen: 363 §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB vollständige Nichtleistung



vollständige Nichtleistung



schlecht erbrachte Teilleis- §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 tung Abs. 5 S. 1 BGB (unter Anrechnung der Teilschlechtleistung) ordnungsgemäß oder §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 schlecht erbrachte RestAbs. 5 S. 1 BGB (unter leistung Anrechnung der Restleistung) ordnungsgemäß oder §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 schlecht erbrachte RestAbs. 5 S. 2 BGB (unter leistung Anrechnung der Restleistung) schlecht erbrachte Restvollständige Nichtleistung leistung

Diese Tabelle mag – wie die dazu notwendigen Ausführungen – unnötig differenziert erscheinen. Sie ist auch nicht für die direkte Rechtsanwendung gedacht, sondern dient nur dazu, sämtliche Grundkonstellationen darzustellen, die das sog. modernisierte Schuldrecht mit sich bringt. Diese Konstellationen sind gerade für den Dienstvertrag von besonderer praktischer Bedeutung, da eine Teilleistung sich bei einer Dienstverpflichtung besonders leicht dadurch 363 § 323 Abs. 5 BGB wird hier nur der Vollständigkeit halber genannt; für das Dienstvertragsrechts ist der Totalrücktritt nur in engen Grenzen zuzulassen, vgl. dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3 c) (2) (c) und d) (2), S. 397 ff und S. 420 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

ergibt, daß sich die Dienste „in Zeitabschnitte“ aufspalten lassen. Nicht jede in einem solchen Zeitabschnitt erbrachte Tätigkeit ist jedoch eine Teilleistung, denn dafür muß sie für den Dienstberechtigten – isoliert betrachtet – „brauchbar“ sein. Handelt es sich aber (wie oft) um eine Teilleistung, kann sie ohne weiteres schlecht erbracht sein. Auch der „Rest“ der erbrachten Leistung kann ordnungsgemäß oder schlecht erbracht sein. Die Zahl der denkbaren Fallgestaltungen ist also groß, und für jede dieser Fallgestaltungen müssen sich im Hinblick auf die Interessen der Vertragsparteien und im Hinblick auf das Gesamtsystem der Konstellationen angemessene Rechtsfolgen finden. Für die praktische Rechtsanwendung lassen sich die jeweiligen Rechtsfolgen, sofern man den dargestellten Grundsätzen folgt, nun wesentlich einfacher erschließen. Maßgeblich für die Zuordnung der Rechtsfolgen ist, daß das Gesetz den Schuldner honoriert, der eine ordnungsgemäße Teilleistung erbracht hat. Hat der Dienstverpflichtete eine nicht ordnungsgemäße Leistung erbracht, ist daher zuerst zu prüfen, ob die erbrachte Leistung eine ordnungsgemäße Teilleistung darstellt oder beinhaltet. Es ist also festzustellen, ob der Gläubiger mit der erbrachten Leistung eine eigenständige Teilfunktion erreichen kann, so daß eine Teilleistung vorliegt. Diese Teilleistung muß ordnungsgemäß erbracht sein. Hat der Schuldner eine ordnungsgemäße Teilleistung erbracht, sind immer die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 anwendbar. 364 Der Dienstberechtigte kann sich nur auf § 281 Abs. 1 S. 2 BGB berufen. 365 Für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften ist es gleichgültig, was der Schuldner zusätzlich noch an Leistungen erbracht hat (eine oder mehrere weitere ordnungsgemäße Teilleistungen, eine oder mehrere weitere Teilschlechtleistung, eine oder mehrere ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistungen oder jede beliebige Kombination). Will der Gläubiger die Totalrechte gem. §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB ausüben, ist für die Frage, ob er an der Teilleistung noch Interesse hat, auf die gesamte erhaltene Leistung abzustellen. Es sind also für die Beurteilung des Gläubigerinteresses die ordnungsgemäße Teilleistung und sämtliche weiteren erbrachten „Leistungsteile“ zusammen zu berücksichtigen. Demgegenüber kann ein etwaig vom Schuldner zu zahlender kleiner Schadensersatz keine Berücksichtigung finden. Hat der Schuldner keine ordnungsgemäße Teilleistung erbracht, können ihm die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht zugute kommen. Zu prüfen ist daher, ob er zumindest eine Teilleistung schlecht erbracht hat. Liegt eine 364 Die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB sind also zu lesen: „Hat der Schuldner eine unvollständige Leistung bewirkt, die mindestens eine ordnungsgemäße Teilleistung beinhaltet, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen bzw. vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an dieser Leistung des Schuldners kein Interesse hat.“ 365 Vgl. oben Fn. 363 und zum Schadensersatz unten Zweiter Teil, § 5 II. 2., S. 371 ff.

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Teilschlechtleistung vor, fi nden zugunsten des Schuldners immerhin noch die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB Anwendung.366 Wiederum verbleibt es für den Dienstberechtigten bei § 281 Abs. 1 S. 2 BGB. Für die Anwendung der Vorschriften ist es auch hier gleichgültig, welche zusätzlichen Leistungsteile der Schuldner noch erbracht hat (eine oder mehrere weitere Teilschlechtleistungen, eine oder mehrere ordnungsgemäße oder schlecht erbrachte Restleistungen oder jede beliebige Kombination). Will der Gläubiger die Totalrechte nach den §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausüben, ist für die Beurteilung der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung aber wiederum auf die gesamte erbrachte Leistung abzustellen, wohingegen der möglicherweise zu zahlende kleine Schadensersatz außer Betracht bleibt. Hat der Dienstverpfl ichtete eine defizitäre Leistung erbracht, mit welcher sich weder die Gesamt- noch eine Teilfunktion der Tätigkeit – auch nicht schlecht – erreichen läßt, so ist die Leistung insgesamt für den Gläubiger unbrauchbar. Sie ist daher (ähnlich einer aliud-Leistung) als vollständige Nichtleistung zu bewerten. Die Gesamtschau zeigt, daß die Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistung verhältnismäßig einfach bewältigt werden können. Entscheidend sind allein zwei Fragen: Beinhaltet die erbrachte Leistung eine ordnungsgemäße Teilleistung? Wenn nicht: Beinhaltet sie zumindest eine Teilschlechtleistung? Nicht behandelt wurden bisher die Geltendmachung des Verzögerungsschadens, die Herabsetzung der Vergütung und das Zurückbehaltungsrecht. Für diese wird sich eine ganz ähnliche, wenn auch spiegelbildliche Lösung ergeben. 4. Ergebnis zu III. Der reformierte Gesetzestext zum allgemeinen Schuldrecht bringt an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, daß der Schuldner, dem es gelungen ist, eine ordnungsgemäße Teilleistung zu erbringen, begünstigt werden soll. So wird es dem Gläubiger, der eine ordnungsgemäße Teilleistung erhalten hat, erschwert, die Totalrechte auszuüben, also vom ganzen Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung zu erhalten (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB). Im Verhältnis dazu wird ein Schuldner, der eine Schlechtleistung erbacht hat, benachteiligt (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Eine Definition der Teilleistung, d. h. insbesondere die Abgrenzung zur vollständigen Schlechtleistung, muß dieser Ungleichbehandlung von Teilleistung und Schlechtleistung Rechnung tragen. Die Benachteiligung des Gläubigers, der 366 Die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB wären zu lesen: „Hat der Schuldner eine unvollständige Leistung bewirkt, die mindestens eine Teilschlechtleistung beinhaltet, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen bzw. vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, die Pfl ichtverletzung nicht unerheblich ist.“

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

eine ordnungsgemäße Teilleistung erhalten hat, erscheint nur gerechtfertigt, wenn er durch diese Teilleistung einen wirklichen Vorteil erlangt hat. Vereinfacht gesagt: Die Leistung muß für ihn wirklich brauchbar sein. Maßgebend dafür ist allgemein der Vertragszweck, also der Zweck, den der Gläubiger mit der versprochenen Leistung verfolgt. Dieser ist nach den ausdrücklichen Absprachen der Parteien bzw. nach den Umständen zu beurteilen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Schuldner zumindest ersichtlich waren. Einen tatsächlichen Vorteil in dem geforderten Sinne erlangt der Gläubiger, wenn er durch die defizitäre Leistung einen eigenständigen Vertragszweck erreichen kann. Für den Dienstvertrag war dies genauer zu fassen. Da der Dienstverpfl ichtete einen Erfolg, d. h. auch die Erreichung eines Zwecks, nicht schuldet, wurden auf die Verwendung dieses Begriffs verzichtet. Vielmehr ist wiederum auf die Funktion abzustellen, die die Tätigkeit für den Dienstberechtigten erfüllen soll. Eine Teilleistung liegt daher bei einer dienstvertraglichen Verpfl ichtung vor, wenn die Vertragsparteien der defizitären Leistung im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung eine eigenständige Teilfunktion zugedacht hatten und die erbrachte Tätigkeit geeignet war, diese Funktion zu erfüllen (funktionaler Teilleistungsbegriff). Kann der Gläubiger hingegen mit der Leistung weder eine eigenständige Teilfunktion noch die Gesamtfunktion der Tätigkeit erreichen, liegt eine bloße „Restleistung“ vor. Eine solche Restleistung, d. h. eine Leistung, die für den Gläubiger gemessen an der vertraglichen Vereinbarung „unbrauchbar“ ist, wird wie eine Nichtleistung behandelt – ähnlich wie das „aliud“. Beim zeitbezogenen Dienstvertrag kann der Gläubiger zumeist mit der Leistung, die nicht über die versprochene Leistungsdauer hinweg erbracht wird, eine eigenständige Teilfunktion erreichen. Deshalb liegt beim zeitbezogenen Dienstvertrag eine Teilleistung vor allem vor, wenn der Schuldner die Tätigkeit zu spät beginnt, wenn er sie zu früh abbricht oder wenn er sie abredewidrig unterbricht. Beim zeitbezogenen Dienstvertrag kann aber auch auf andere Art und Weise eine Teilleistung erbracht werden. Beim erfolgsbezogenen Dienstvertrag, bei welchem eine Teilbarkeit „durch die Zeit“ von vornherein ausscheidet, werden die Vorteile einer funktionalen Abgrenzung besonders deutlich. Soll die Tätigkeit für den Gläubiger eine einheitliche Gesamtfunktion haben, scheidet eine Teilleistung zumeist von vornherein aus, denn lediglich vorbereitende Tätigkeiten haben für den Gläubiger keine eigenständige Teilfunktion. Eine Teilfunktion ist hier vor allem möglich, wenn der Gläubiger mehrere gleichrangige „Ziele“ erreichen will (auch wenn der Schuldner ihre Erreichung nicht schuldet). Wie die vollständige Leistung kann auch eine Teilleistung ordnungsgemäß, nicht, nur zum Teil oder schlecht erbracht sein. Die schlecht erbrachte Teilleistung wird als sog. Teilschlechtleistung bezeichnet. Ausgehend von den unter

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II. dargestellten Grundsätzen zur Nicht- und zur Schlechtleistung kommt es auch hier wieder auf die Funktion an, die die Tätigkeit für den Gläubiger haben soll. Kann der Gläubiger die mit der Teilleistung verfolgte Teilfunktion erreichen und wurde die Tätigkeit insoweit ordnungsgemäß erbracht, liegt eine ordnungsgemäße Teilleistung vor. Wurde die Tätigkeit hingegen nicht ordnungsgemäß erbracht, kann der Gläubiger aber die Teilfunktion dennoch erreichen, liegt eine sog. Teilschlechtleistung vor. Möglich ist auch, daß im Rahmen einer geschuldeten Teilleistung wiederum nur eine Teilleistung erbracht wird. Hier kann von einer Teil-Teilleistung gesprochen werden. Die Teil-Teilleistung ist wie eine „normale“ Teilleistung zu behandeln. Rechtsfolgen hat der Gesetzgeber mit den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 und 326 Abs. 1 BGB für den Fall der vollständigen Schlechtleistung und für den Fall angeordnet, daß ein Teil der Leistung ordnungsgemäß und ein Teil der Leistung nicht erfüllt wurde. Dabei wurde nur im Ansatz bedacht, daß die Bandbreite unterschiedlicher Konstellationen der nicht ordnungsgemäßen Leistung wesentlich größer ist. Eine Leistung kann vollständig ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht werden. Dasselbe gilt für die Teilleistung, und dasselbe gilt für einen „Leistungsteil“, der den Anforderungen an die Teilleistung nicht mehr entspricht, also für die – hier so genannte – Restleistung. Eine defizitäre Leistung kann wiederum aus einer oder mehreren Teilleistungen und/oder einer oder mehreren Restleistungen bestehen. Alle diese „Leistungsteile“ können ordnungsgemäß oder schlecht erbracht sein. Jede dieser Fallkonstellationen läßt sich jedoch im Ergebnis den vom Gesetz vorgegebenen Regelungen über die Teilleistung, die Schlechtleistung oder die Nichtleistung zuordnen. Auf die in der Literatur vorgeschlagene gestuft-kumulative Anwendung der gesetzlichen Regelungen kann – zugunsten rechtlicher Vereinfachung – verzichtet werden. Darüber hinaus ist die Zuordnung der gesetzlich vorgegebenen Rechtsfolgenanordnungen im Ergebnis verhältnismäßig einfach: Die Regelungen über die Teilleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1) finden immer Anwendung, wenn die defizitäre Leistung zumindest eine ordnungsgemäße Teilleistung beinhaltet. Ist das nicht der Fall, beinhaltet die defizitäre Leistung aber mindestens eine Teilschlechtleistung, sind die Regelungen über die Schlechtleistung anzuwenden (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Beinhaltet die defizitäre Leistung auch keine Teilschlechtleistung, finden die Regelungen über die Nichtleistung Anwendung. Für den Dienstvertrag, bei welchem ein Totalrücktritt grundsätzlich ausscheidet, 367 verbleibt es bei § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB. Allerdings sind nach dem vorgeschlagenen Modell die §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB stets mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei der Prüfung des 367

Vgl. dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3 c) (2) (c) und d) (2), S. 397 ff und S. 420 f.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Gläubigerinteresses bzw. der Unerheblichkeit der Pfl ichtverletzung auf die gesamte erbrachte Leistung des Schuldners abzustellen ist. Demgegenüber kann bei dieser Prüfung ein für die fehlenden „Leistungsteile“ zu zahlender „kleiner“ Schadensersatz nicht berücksichtigt werden.

IV. Vorzeitige und verzögerte Leistung Bisher wurde in diesem Abschnitt ein in sich geschlossenes System der Pfl ichtverletzungen entwickelt: Der Schuldner kann eine „Pfl icht aus dem Schuldverhältnis“ i. S. des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB verletzen, indem er entweder die Leistung „nicht oder nicht wie geschuldet“ (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB), indem er sie also nicht oder schlecht erbringt. Wie das Wort „soweit“ zu Beginn der Vorschrift verdeutlicht, können Nicht- und Schlechtleistung auf „Teile“ der Leistung beschränkt sein, wobei nicht jeder „Teil“ einer Leistung eine Teilleistung i. S. des Satzes 2 der Vorschrift sein muß. Nach der bisherigen Darstellung lassen sich so alle Pflichtverletzungen des Schuldners in nicht oder schlecht erbrachte Leistungen, Teilleistungen oder Restleistungen aufgliedern. Das Gesetz sieht allerdings für die vorzeitig und die zu spät erbrachte Leistung Sonderregelungen vor. Im folgenden ist zu untersuchen, ob und wie sich die vorzeitige und die verzögert erbrachte Leistung in das bisher vorgestellte System der unterschiedlichen Pflichtverletzungskategorien einordnen lassen. Dabei sind die Besonderheiten des Dienstvertrages zu berücksichtigen. Der aus einem Dienstvertrag Verpflichtete schuldet eine Tätigkeit, also eine Leistung, die über einen gewissen Zeitraum hinweg zu erbringen ist, mag dieser auch kurz sein. Damit ergibt sich die praktisch relevante Möglichkeit, daß der Dienstverpflichtete (teilweise) den geschuldeten Leistungszeitraum verfehlt. 1. Die vorzeitige Leistung Auf der Schiene der Zeit kann der Leistungszeitraum nach vorn und nach hinten verschoben werden. Die Verschiebung des Leistungszeitraums „nach vorn“ spielt in Theorie und Praxis so gut wie keine Rolle. Sie kommt selten vor und wird dem Gläubiger noch seltener ein Ärgernis sein. 368 Auf die vorzeitige Leistungserbringung wurde schon eingegangen. 369 Dem Dienstverpflichteten wird es – ohne daß das Einverständnis des Dienstberechtigten und damit eine Vertragsänderung vorläge – selten gelingen, die Leistung teilweise oder vollständige vorzeitig zu erbringen. Gelingt es ihm aber doch, findet § 271 Abs. 2 BGB Anwendung, der eine vorzeitige Leistungserbringung 368

Gernhuber, Erfüllung, § 3 I. 6. a). Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb) b) und III. 2. b) (1) (a) (bb), S. 232 ff. und S. 268 ff. 369

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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„im Zweifel“ gestattet, auch wenn eine Zeit für die Leistung bestimmt ist. 370 Die Leistung wird also durch das Gesetz einer ordnungsgemäßen Leistung gleichgestellt. 371 Doch kann der Dienstberechtigte gerade beim zeitbezogenen Dienstvertrag ein berechtigtes Interesse daran haben, daß der Dienstverpflichtete nicht „zu früh“ auf seine Leistungssubstrate zugreift. Die Leistung des Dienstverpflichteten wäre dann nicht ordnungsgemäß. Solange sie aber keine weiteren Defizite aufweist, wird sie in Regel geeignet sein, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Gesamtfunktion zu erfüllen, so daß eine vollständige Schlechtleistung vorläge. War die vorzeitige Leistungserbringung entgegen der Vermutungsregelung des § 271 Abs. 2 BGB „nicht gestattet“, wird sie in der Regel eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen, die dem Gläubiger die Ausübung der Totalrechte ermöglicht (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Hat der Dienstverpflichtete die Tätigkeit teilweise vorzeitig und teilweise im geschuldeten Leistungszeitraum erbracht, kann die im geschuldeten Leistungszeitraum erbrachte Tätigkeit eine ordnungsgemäße Teilleistung darstellen. 372 Auf die Leistungsstörung findet gemäß den eben dargestellten Grundsätzen dann § 281 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Neben die vorzeitige Leistung können selbstverständlich weitere Leistungsdefizite treten (sog. Mehrfachstörung373). So kann der Schuldner beispielsweise vorzeitig eine Schlechtleistung oder eine Teilleistung erbringen. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, daß der Schuldner bis zum Eintritt der Fälligkeit die Möglichkeit hat, das Leistungsdefizit aufzufüllen. Liegt dann zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine vollständige Leistung vor, kann die mangelnde Ordnungsgemäßheit der Leistung nur in der teilweisen Vorzeitigkeit begründet sein. Bleibt es jedoch bei dem zusätzlichen Leistungsdefizit, so sind dieses Defizit und die Vorzeitigkeit gedanklich zu trennen, 374 und es ist zu prüfen, ob die Vorzeitigkeit gem. § 271 Abs. 2 BGB gestattet war. War sie nicht gestattet, liegt eine Kombination von Leistungsdefiziten vor, die nach den unter II. und III. dargestellten Grundsätzen zu beurteilen ist. 370 In den Motiven wird die Frage, ob § 271 Abs. 2 BGB auch auf den Dienstvertrag anzuwenden sei, ausdrücklich bejaht, Motive, Bd. 2. S. 457 f.Demgegenüber wurde die in Art. 220 des hessischen Entwurfs (vgl. oben § 2 Fn. 106), Art. 492 des bayrischen Entwurfs (vgl. oben § 2 Fn. 107) und Art. 621 Abs. 1 des Dresdner Entwurfs (vgl. oben § 2 Fn. 101) enthaltene Regelung, daß in Ermangelung einer Vereinbarung über die Leistungszeit nach dem Verlangen des Dienstberechtigten zu leisten sei, abgelehnt. 371 In § 271 Abs. 2 BGB ist davon die Rede, daß der Schuldner die Leistung vor der bestimmten Zeit „bewirken“ kann. Der Wortlaut entspricht also § 362 Abs. 1 BGB, d. h. die Schuld erlischt. Die Leistung ist erfüllungstauglich, obwohl der Schuldner nicht wie vereinbart, also pfl ichtwidrig, geleistet hat. 372 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (bb) b), S. 269 ff. 373 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 16. 374 Hier kommt das von MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 16, postulierte „Prinzip der Einzelbetrachtung“ (dazu oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b) (bb), S. 294), zum Tragen.

320

Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Beispiel: Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der dem Vorarbeiter A, der die Maschine bedienen soll, am Montag, den 1. 11. 2004 von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr die Benutzung erläutern soll. C irrt sich jedoch um eine Woche und erscheint schon am Montag, den 25. 10. 2004 um 10:00 Uhr. A ist anwesend, und auch die Maschine ist schon geliefert. C nimmt die Einweisung daher eine Woche früher vor. Allerdings beherrscht er die Materie selbst nicht vollkommen. Er vermittelt daher A Grundkenntnisse, bestimmte Detailanwendungen, die U zusätzlich ausführen will, vermag er jedoch nicht zu erläutern. Um 12.00 Uhr endet die Veranstaltung. A setzt daraufhin die Maschine in Betrieb. Da die Detailanwendungen jedoch nicht ausgeführt werden können, kommt es zu vereinzelten Produktionsausfällen. C erscheint nicht mehr. Die Leistung des C war vorzeitig, doch gilt sie gem. § 271 Abs. 2 BGB insoweit als ordnungsgemäß. Wegen der inhaltlichen Defi zite liegt jedoch keine ordnungsgemäße Leistung vor. Doch wurde die Gesamtfunktion der Tätigkeit (Einweisung in die Benutzung der Maschine) wohl noch erreicht. Es liegt daher eine vollständige Schlechtleistung vor. U kann die Schäden aus dem Produktionsausfall gem. § 280 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen, allerdings nicht für den Zeitraum vor Fälligkeit, denn diese „Nutzungen“, die U hätte ziehen können, liegen „außerhalb des Schutzbereichs der . . . verletzten Vertragspfl icht.“375

Insgesamt ergeben sich, bezogen auf die unter II. und III. dargestellten Grundsätze zur Nicht-, Schlecht- und Teilleistung, für die vorzeitige Leistungserbringung keine Abweichungen. Es ist lediglich zu berücksichtigen, daß trotz des teilweisen oder vollständigen Vorziehens des Leistungszeitraums durch den Schuldner die Leistung gem. § 271 Abs. 1 BGB als „wie geschuldet“ erbracht gelten kann. 2. Die verzögerte Leistung Das geschlossene System der Pflichtverletzungskategorien scheint indes durch die Regelungen über den Verzug des Schuldners (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) gestört. 376 Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß die Bedeutung des Verzugs als Rechtsfigur durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz deutlich geschmälert wurde, da der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 281, 283 BGB) 377 sowie das Rücktrittsrecht (§ 323 BGB) 378 den Verzug des Schuldners nicht mehr voraussetzen. 375 U. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 525 zum Kaufvertrag. Anders, wenn der Gläubiger vor Fälligkeit eine bisher funktionsfähige Sache gegen eine vom Schuldner gelieferte mangelhafte Sache, im Vertrauen auf deren Funktionsfähigkeit, austauscht. 376 Daß sich aus der Fortführung des Verzugs als „partikulare Störung“ im Rahmen des Einheitstatbestands der Pfl ichtverletzung Probleme ergeben, konstatiert auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 11 f. 377 Einschränkend MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 18. 378 Es kommt jedenfalls nicht mehr auf das Vertretenmüssen der Nichtleistung an. Im übrigen hinsichtlich der „objektiven“ Seite des Verzugs einschränkend MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 46.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Der Schuldner wird durch die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zunächst privilegiert, da seine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz davon abhängig macht wird, daß er in Verzug gesetzt wurde. Das bedeutet, daß die Versäumnis des Termins der Fälligkeit (§ 271 Abs. 1 BGB) erst einmal sanktionslos bleibt. Befindet sich der Schuldner jedoch erst einmal in Verzug, wird er benachteiligt. So haftet er nunmehr für jede Fahrlässigkeit und grundsätzlich auch für Zufall (§ 287 BGB), Geldschulden hat er zu verzinsen (§ 288 BGB). Bei zeitbezogenen Dienstverträgen wird der Leistungszeitraum so gut wie immer i. S. des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB „nach dem Kalender“ bestimmt sein. Der Dienstverpflichtete kommt damit durch jede Leistungsverzögerung automatisch in Verzug. Eine Fixierung der Leistung oder des Leistungsbeginns findet aber in der Regel auch bei substratabhängigen erfolgsbezogenen Dienstverträgen statt, sei es für die Gesamttätigkeit (z. B. ärztliche Behandlung379, anwaltlicher Beratungstermin), sei es für die Lieferung bestimmter gedanklicher Erklärungen. Tendenziell wird daher der aus einem Dienstvertrag Verpfl ichtete durch die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB benachteiligt. Es ist zunächst grundsätzlich zu klären, in welchem Verhältnis der Verzug zu den genannten Kategorien der Pflichtverletzung steht. In der zentralen Vorschrift des § 280 Abs. 2 BGB heißt es, daß der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB verlangen könne. Damit ist zunächst nur gesagt, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 286 BGB kumulativ mit den sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssen, die das Gesetz für den Schadensersatzanspruch vorsieht. Darüber hinaus läßt sich dem Wortlaut aber auch entnehmen, daß die „Verzögerung“ der Leistung eine „normale“ Pflichtverletzung ist. 380 D.h. die Verzögerung der Leistung reiht sich nicht als weitere Fallgruppe in den Kanon der abstrakten Pflichtverletzungskategorien Nichtleistung, Schlechtleistung, Teilleistung usw. ein. Die Verzögerung der Leistung beschreibt vielmehr nur, in welcher Leistungsmodalität (Inhalt, Ort, Zeit) die Pflichtverletzung stattfindet. Mit der Verzögerung der Leistung schafft das Gesetz also keinen weiteren Grundtatbestand; es hebt lediglich eine bestimmte Störung in der Leistungsmodalität „Zeit“ heraus. Die Sonderstellung der Verzögerung der Leistung beruht letztlich auf der Tatsache, daß das „Zu spät-Erbringen“ der Leistung niemals „nachgebessert“ werden kann, da der Ablauf der Zeit nicht rückgängig zu machen ist. Entsprechend kann es auch keinen Anspruch auf „Nacherfüllung“ geben. Eine am falschen Ort oder inhaltlich falsch erbrachte Leistung kann noch einmal am rechten Ort erbracht oder inhaltlich nachgebessert werden. Auch eine vorzeitig erbrachte Leistung kann zur späteren, rechten Zeit noch einmal erbracht werden. Hat der Schuldner aber den Leistungszeitpunkt verpaßt, 379

Dazu aber oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb), S. 234. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040 S. 92; Magnus, in: Schulze/ Schulte-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 67, 69. 380

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

läßt sich daran nichts mehr ändern.381 Zur Frage der Unmöglichkeit, ist damit noch nichts gesagt.382

Kann im konkreten Fall eine Verzögerung der Leistung festgestellt werden, muß also an erster Stelle entschieden werden, welche der genannten abstrakten Pflichtverletzungskategorien einschlägig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine verzögerte Leistung allein aufgrund ihrer Verzögerung immer mindestens eine (teilweise) Schlechtleistung darstellt. Eine Verzögerung führt immer dazu, daß die Leistung nicht mehr ordnungsgemäß ist. 383 Auf die Frage, ob der Schuldner bereits in Verzug ist, kommt es dabei nicht an. Denn die nicht rechtzeitige Erfüllung eines fälligen Anspruchs ist auch ohne Mahnung pflichtwidrig. 384 Erbringt der Schuldner die Leistung verspätet, im übrigen aber ordnungsgemäß, liegt mindestens eine teilweise Schlechtleistung vor. Das gilt auch, wenn sich Schuldner und Gläubiger über die Nachholung der Leistung nach Eintritt der Verspätung, aber vor Nachholung einigen. Diese nachträgliche Einigung kann die eingetretene Pfl ichtwidrigkeit nicht mehr beseitigen.

Trotz dieser im Grundsatz einfachen Ausgangslage bereitet die Rechtsanwendung in den Fällen der Verzögerung der Leistung nicht unerhebliche Schwierigkeiten; diese werden in der Literatur teilweise bereits heftig diskutiert. Für den Dienstvertrag, bei welchem nicht nur die Möglichkeit der Verzögerung der Leistung insgesamt, sondern auch die Möglichkeit der teilweisen Verzögerung von großer praktischer Relevanz ist, sind diese Probleme von besonderer Bedeutung. Dabei zeigt die Untersuchung der Leistungsverzögerung vor dem 381 Schöner drückte dies Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 295, aus: „Ist die Leistungshandlung verfrüht, dann kann sie sich durch bloßen Zeitablauf in eine rechtzeitige verwandeln, die verspätete Erfüllungshandlung niemals. Die Zeit läuft nicht rückwärts. Was gestern nicht getan wurde, kann nicht mehr gestern geschehen. Die Nichterfüllung der Schuldnerpfl icht steht endgültig und für alle Ewigkeit fest.“ 382 Dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 383 Insoweit besteht ein Unterschied zur vorzeitig erbrachten Leistung. Diese wird durch § 271 Abs. 2 BGB „im Zweifel“ zur ordnungsgemäßen Leistung erklärt (oben unter 1., S. 318 ff.). Für die verzögert erbrachte Leistung gilt zwar gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, daß die Versäumnis der Fälligkeit bis zum Verzugseintritt sanktionslos bleibt. Dies beschränkt sich jedoch auf den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB, also den Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzögerung. 384 BGH (Urt. v. 31. 10. 1984) NJW 1984, 320, 324 (unter IX. 2.b) aa)); U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 19 I 1 Fn. 4, § 17 I 1; sich U. Huber anschließend wohl MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 12. Anders Planck/Siber, § 284 Anm. 1 und 4 m.w.Nachw., und wohl auch Oertmann, Anm. 4 Vor §§ 275 bis 283. Nach dieser Ansicht bedeutet Fälligkeit nur, daß der Schuldner zu leisten berechtigt, nicht daß er zum jeweiligen Zeitpunkt zur Leistung verpfl ichtet wäre. Dahin gehend auch Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 130 f. Wäre der Schuldner indes zur Leistung noch gar nicht verpfl ichtet, könnte der Gläubiger gar keine Mahnung aussprechen, die den Schuldner sofort in Verzug setzt, vgl. U. Huber, ebenda. So ist auch nach Heck, Schuldrecht, S. 107, eine Leistung fällig, wenn die Zeit gekommen sei, „in der nach dem Gebot der Rechtsordnung die Leistung erfolgen soll.“

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Hintergrund der Besonderheiten des Dienstvertrages Aspekte auf, die auch für die allgemeine Diskussion von Bedeutung sind. Es wird zunächst unter a) der einfachste Fall der Verzögerung der Leistung behandelt, nämlich derjenige, in dem zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Nichtleistung des Schuldners vorliegt. Unter b) werden die Fälle untersucht, in welchen der Schuldner zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine defizitäre Leistung erbringt. a) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum keine Leistung (Nichtleistung) Beispiel: Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der dem Personal die Benutzung der Maschine an einem Montag von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr erläutern soll. a) C erscheint nicht. b) C erscheint, irrt sich aber im Typ der Maschine. Seine Ausführungen beziehen sich auf einen anderen Typ, der von dem gelieferten so wesensverschieden ist, daß die Einweisung mehr schadet als nützt. In beiden Fällen kann die Maschine nicht in Betrieb genommen werden. Es kommt zu Produktionsausfällen.

Ein Schuldner, der während des Leistungszeitraums keine Leistung erbracht hat, wird die ausgebliebene Leistung entweder ganz oder teilweise nachholen – oder er wird sie nie erbringen. Auf diese Fälle wurde bereits oben eingegangen. 385 Selbst wenn der Schuldner die Leistung (mit dem nachträglich erteilten Einverständnis des Gläubigers) vollständig nachholt, bleibt sie eine Schlechtleistung. Wird sie nur teilweise nachgeholt, kann es sich um eine oder mehrere schlecht erbrachte Teil- und/oder Restleistungen handeln. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 280 Abs. 2 BGB ist die nachgeholte Leistung ohne Belang. Es kommt lediglich auf den ursprünglich vereinbarten Leistungszeitraum an. So ist in den Beispielsfällen lediglich zu fragen, ob die von C erbrachte Tätigkeit geeignet war, die Gesamtfunktion oder zumindest eine der Tätigkeit von den Vertragsparteien zugedachte Teilfunktion zu erreichen. Beides ist zu verneinen. Es liegt zum Zeitpunkt der Fälligkeit, also im vereinbarten Leistungszeitraum, eine vollständige Nichtleistung vor. Soweit der Gläubiger nun „Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung“ verlangt, kommen die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zur Anwendung, d. h. es müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 286 BGB vorliegen. Der Gläubiger kann die ihm aus diesen Vorschriften zustehenden Rechte also nur geltend machen, wenn der Schuldner in Verzug war. Die vollständige Nichtleistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit ist der klassische Fall einer „Verzögerung der Leistung“. Die Verzögerung dauert an, so lange der Schuldner noch zur Leistung verpfl ichtet ist. Erlischt die Leistungs-

385

Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb) und III. 2. b) (1) (a), S. 232 ff. und S. 264 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

pflicht, insbesondere aufgrund der §§ 362 Abs. 1, 275, 281 Abs. 4 BGB oder nach Rücktritt des Gläubigers, endet auch die „Verzögerung“. b) Schuldner erbringt im Leistungszeitraum eine defizitäre Leistung Die Anwendung der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB bereitet, wie gerade gesehen, keine besonderen Schwierigkeiten, wenn im Leistungszeitraum eine vollständige Nichtleistung vorliegt. Wesentlich weniger eindeutig ist die Rechtslage, wenn der Schuldner im Leistungszeitraum eine defizitäre Leistung erbringt. In der Literatur wird in dieser Hinsicht vor allem der Fall diskutiert, daß der Schuldner zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Schlechtleistung erbringt. So erwähnt die Gesetzesbegründung den Fall der Entstehung eines Betriebsausfallschadens durch Lieferung einer mangelhaften Maschine. 386 Die im Dienstvertragsrecht typischen Leistungsstörungen, insbesondere die praktisch relevante Möglichkeit der Teilleistung, öffnen indes den Blick dafür, daß sich die Frage des Anwendungsbereichs des Verzugsrechts nicht nur für die (vollständige) Schlechtleistung, sondern auch für die Teilleistung und sämtliche anderen Fallgestaltungen (Teilschlechtleistung, Restleistung, Kombinationsfälle), also für alle Fälle der defizitären Leistung, stellt. Wie sich zeigen wird, ist es dennoch nicht notwendig, alle diese Fallgruppen einzeln zu diskutieren. Es geht im wesentlichen nur um die Fallkonstellationen der Schlechtleistung und der des Fehlens einer Teilleistung. Beispiel: Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der dem Personal die Benutzung der Maschine an einem Montag von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr erläutern soll. a) C beginnt pünktlich, bricht aber die Einweisung nach einer Stunde ab. b) C geht irrtümlich davon aus, das Personal verfüge über Vorkenntnisse. Seine Einweisung ist daher nicht auf die Zuhörer abgestimmt. Diese verstehen zwar die Grundzüge, nicht aber die Detailanwendungen. In beiden Abwandlungen kann die Maschine zwar nach der Einweisung in Betrieb genommen werden. Es gelingt dem Personal jedoch nicht, besondere Funktionen mit der Maschine auszuführen. Es kommt daher zu Produktionsausfällen.

Die Leistung des C ist in beiden Fällen defizitär. Zum Zeitpunkt der Beurteilung der Leistung ist es noch nicht zu einer Nacherfüllung dieses Defizits gekommen. Auf den ersten Blick scheint – zumindest im Beispiel b) – überhaupt keine Verzögerung der Leistung vorzuliegen. Es scheint sich „lediglich“ um einen Fall der vollständigen Schlechtleistung zu handeln. Im Beispiel a) liegt die Vorstellung einer teilweisen Verzögerung hingegen schon näher. Auch nach hier vertretener Ansicht hat N in diesem Fall eine Teilleistung erbracht; der fehlende „Leistungsteil“ stellte – wäre er erbracht worden – ebenfalls eine Teilleistung dar. Es drängt sich der Gedanke auf, daß hinsichtlich der fehlenden Stunde ein „Teilverzug“ vorliegt. 386

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 225.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Tatsächlich besteht jedoch zwischen beiden Fallkonstellationen kein grundsätzlicher Unterschied. In beiden Fällen ist die Leistung nicht ordnungsgemäß; in beiden Fällen besteht der Erfüllungsanspruch teilweise fort. Soweit der Erfüllungsanspruch fortbesteht, ist die Leistung also verzögert. Es könnte damit § 280 Abs. 2 BGB anwendbar sein, so daß der Gläubiger Schadensersatz möglicherweise nur verlangen könnte, wenn er den Schuldner in Verzug gesetzt hätte. Wäre indes § 280 Abs. 2 BGB nicht einschlägig, so bliebe es bei der nicht ordnungsgemäßen Leistung des Schuldner, die eine Pfl ichtverletzung darstellt. Für diese würde der Schuldner gemäß § 280 Abs. 1 BGB haften – auch hinsichtlich des Verzögerungsschadens. Vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz war die Möglichkeit eines Teilverzugs in den §§ 326 Abs. 1 S. 3, 325 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. ausdrücklich anerkannt. Allerdings erfaßten diese Vorschriften nach überwiegender Ansicht nur die Teilleistung, nicht die mangelhafte Leistung. 387 Unabhängig vom Streit über die Auslegung dieser Vorschriften wurde jedoch auch für die damalige Rechtslage festgestellt, daß die Leistung teilweise verzögert ist und ein Verzug damit grundsätzlich in Betracht kommen könnte, wenn der Schuldner leistet, die Leistung aber mangelhaft ist und dem Gläubiger deshalb weiterhin ein Anspruch auf fehlerfreie Vertragserfüllung zusteht, insbesondere ein Anspruch auf Ersatzlieferung gem. § 480 Abs. 1 BGB a. F. oder ein Anspruch auf Mängelbeseitigung gem. § 633 Abs. 2 BGB a. F. 388 Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde der Anspruch des Schuldners auf Nacherfüllung auch in den Fällen der Schlechtleistung herausgehoben und gestärkt (vgl. §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1, 437 Nr. 1, 439, 634 Nr. 1, 635 BGB). Damit tritt besonders deutlich hervor, daß bei jeder nicht ordnungsgemäßen Leistung der Erfüllungsanspruch hinsichtlich des Defi zits weiter besteht und damit zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Verzögerung auftritt. Es wird daher für die lex lata von einigen Autoren vertreten, daß eine Schlechterfüllung eine zeitliche Verzögerung der Leistung i. S. des § 280 Abs. 2 BGB darstelle, so daß Verzugsrecht anwendbar sei. 389 Demgegenüber gehen andere davon aus, daß die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB nicht jede Verzögerung der 387 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 19 II 2 und Bd. 2, § 45 II 1; Staudinger/Otto (2001) § 326 Rn. 184. Für eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Leistungen, die mit Sach- oder Rechtsmängeln behaftet sind, MünchKomm/Emmerich, Bd. 2, § 326 Rn. 105 m. w.Nachw. 388 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 19 II 2. Im Ergebnis lehnt U. Huber den Eintritt des Verzugs ab. 389 Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, S. 305, 311 f.; AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 280 Rn. 41 ff., 46 ff.; dies., in: Dauner-Lieb u. a., Schuldrecht, D II Rn. 45; MünchKomm/ Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 18; P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 223; MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 18; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 E II. 3. e) aa) (1) (S. 114 ff.); Schultz, in: H. P. Westermann, Schuldrecht 2002, S. 83 f. (zumindest analoge Anwendung); dahin gehend auch Dauner-Lieb/ Dötsch, DB 2001, 2535, 2537.

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insgesamt ordnungsgemäßen Erfüllung erfassen. Vielmehr liege Verzug nur vor, wenn die Leistung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht bewirkt wird. Dagegen liege kein Verzug vor, wenn die Erfüllung wenigstens dem Anschein nach bewirkt sei. 390 (1) Der Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB (a) Wortlaut Zunächst ist festzuhalten, daß auf der Tatbestandsseite die „Verzögerung“ der vollständigen Leistungserbringung in allen Fällen der defizitären Leistung nicht geleugnet werden kann. Dies ist wohl auch unbestritten. 391 Jedenfalls wurde der zum Regierungsentwurf gemachte Vorschlag, die Schlechtleistung schon gar nicht als Leistungsverzögerung im Sinne des späteren § 286 BGB einzuordnen, 392 nicht weiterverfolgt. Allerdings wurde der Vorschlag gemacht, die Schlechtleistung aus dem Anwendungsbereich der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB auszunehmen, weil „der Vorwurf . . . nicht auf der Verzögerung“, sondern „in erster Linie auf der Mangelhaftigkeit der Sache“ beruhe. Dem Wortlaut des Gesetzes nach gehe es jedoch um Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung. 393 Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden. Zwischen Mangelhaftigkeit und Verzögerung der Leistung kann nicht differenziert werden, die Mangelhaftigkeit und die Verzögerung der vollständigen, ordnungsgemäßen Leistung sind nun einmal dasselbe. 394 Dennoch müssen nicht auf jede teilweise Verzögerung der Leistung zwingend die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB angewandt werden. So wurde in der Begründung des Regierungsentwurfs ohne weiteres davon ausgegangen, daß der Nutzungsausfall bei der Lieferung einer mangelhaften Sache „unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des Verzugs unmittelbar nach § 280 Abs. 1 RE zu 390 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 13, § 280 Rn. 55 ff., § 286 Rn. 4; Staudinger/ Otto (2004) § 281 Rn. E 30. Eine Anwendung der Verzugsregelungen auf die Schlechtleistung lehnen auch ab: U. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 525 mit Fn. 10b; Gsell, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 105, 106 f.; Lorenz, NJW 2002, 2497, 2501 Fn. 32; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 546 f.; Recker, NJW 2002, 1247. 391 So spricht auch Ernst von der „Verzögerung der (insgesamt) ordnungsgemäßen Leistung“, MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 13, § 280 Rn. 55 ff. 392 Gsell, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 105, 106 f. 393 P. Huber/Faust/P. Huber, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Rn. 109 mit Fn. 98. 394 Zutreffend stellt P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 223,heraus, daß die Pfl ichtverletzung in der Nichtlieferung, also Verzögerung, einer mangelfreien Sache liegt, nicht aber darin, daß der Schuldner eine mangelhafte Sache geliefert hat. Die Pfl ichtverletzung liegt also in dem fehlenden „Leistungsteil“, nicht in dem geleisteten. Damit begründet Faust allerdings nur, daß die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB anwendbar sind. Faust differenziert nicht zwischen der Schadensursachen „Lieferung einer mangelhaften Sache“ und „Nichtlieferung einer mangelfreien Sache“, wie dies bei MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 280 Rn. 58, anklingt. Faust stellt lediglich heraus, daß soweit die Sache geliefert wurde, keine Pfl ichtverletzung vorliegt.

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ersetzen“ sei. 395 Der Gesetzgeber ging also davon aus, daß typische Verzögerungsschäden bei einer Schlechtleistung nicht dem Verzugsrecht unterliegen. Ob es tatsächlich einen Willen des Gesetzgebers gab, „die Rechtsfigur des Verzugs . . . in ihrem tradierten Bestand“ fortzusetzen, 396 soll hier jedoch nicht weiter untersucht werden. 397 Entscheidend ist, wie sich dieser Wille in den Normen des BGB manifestiert hat. Das „Einfallstor“ für die Anwendung der Verzugsregelungen ist § 280 Abs. 2 BGB. Diese knappe Norm erklärt den Anwendungsbereich des Verzugsrechts für eröffnet, wenn „Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung“ verlangt wird. Offen ist, ob unter „Verzögerung der Leistung“ die Verzögerung der gesamten Leistung oder auch nur die Verzögerung von „Teilen“ der Leistung verstanden werden kann. Nach der ersten, engen Auslegungsalternative kämen die Verzugsregelungen nur zur Anwendung, wenn der Schuldner die Leistung überhaupt nicht erbringt, d. h. in den Fällen der vollständigen Nichtleistung. 398 Für den Dienstvertrag bedeutete das nach dem hier vertretenen funktionalen Nichtleistungsbegriff, daß die Verzugsregelungen nur Anwendung fänden, wenn der Dienstverpflichtete „nicht erscheint“ oder eine Leistung erbringt, mit der weder eine Gesamt- noch eine Teilfunktion der Leistung erreicht werden kann, also z. B. ein aliud. Nach dieser Ansicht wären dann nicht nur die Verzugsregelungen bei Schlechtleistung, sondern auch bei Teilleistung unanwendbar. Damit gäbe es die Rechtsfigur des Teilverzuges nicht mehr. Läßt man demgegenüber eine weitere Auslegung der Norm zu, stellt sich die Frage, ob unter einer „Verzögerung der Leistung“ das Ausbleiben jedes beliebig kleinen „Leistungsteils“ zu verstehen ist oder ob von einer „Verzögerung der Leistung“ nur gesprochen werden kann, wenn ein wesentlicher „Leistungsteil“ nicht rechtzeitig geleistet wurde. Der letztere Ansatz würde es erlauben, die Figur des Teilverzugs, wie er in den Grenzen des Rechts vor der Schuldrechtsmodernisierung von der herrschenden Meinung anerkannt war, weiterzuführen. Die Entscheidung für den einen oder anderen Ansatz kann nicht allein aufgrund des knappen Wortlauts der Norm getroffen werden. Zwar scheint der Wortlaut „Verzögerung der Leistung“ für den Ansatz zu sprechen, daß die gesamte Leistung ausgeblieben sein muß. Man kann jedoch ebenso darauf abstellen, daß eine vollständige, ordnungsgemäße Leistung geschuldet ist und daß eine „Verzögerung der Leistung“ immer vorliege, wenn die Leistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht vollständig und vertragsgemäß erbracht wird.

395 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 225. Kritisch P. Huber/ Faust/P. Huber, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Rn. 107 ff. 396 So MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 13. 397 Zum Gewicht der Gesetzesbegründung bei der Auslegung vgl. auch oben Fn. 298. 398 Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. a), S. 323 f.

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(b) Sinn und Zweck (aa) Schlechtleistung als „Verzögerung der Leistung“? Es ist mithin auf den Sinn und Zweck der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB im Gesamtgefüge des allgemeinen Schuldrechts abzustellen. In diesem Sinne wird für eine weite Interpretation der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB plädiert. Es sei wertungsmäßig schwer vertretbar, daß der Verkäufer, der überhaupt nicht leiste, schadensersatzrechtlich wegen der Verzugsschwelle günstiger stünde als der Verkäufer, der immerhin überhaupt leiste, aber eben nur mangelhaft. 399 Grundsätzlich ist dem auch von dem hier vertretenen Ansatz aus für das Dienstvertragsrecht zuzustimmen; es kann nicht angehen, daß der Schuldner, der eine vollständige Nichtleistung erbringt, besser steht als der Schuldner, der eine vollständige Schlechtleistung erbringt und damit eine Leistung, mit der der Gläubiger die der Tätigkeit zugedachte Gesamtfunktion immerhin noch erreichen kann. Die These beruht allerdings auf der Annahme, daß der Schuldner durch die Anwendung der Verzugsregelung begünstigt wird. So sei die Zielsetzung des § 280 Abs. 2 BGB, daß der Schuldner Schäden, die sich aus einer Verspätung der geschuldeten Leistung ergeben, stets nur unter der Voraussetzung einer besonderen Warnung ersetzen müssen soll.400 Zutreffend wird hierfür auf die Begründung des Regierungsentwurfs hingewiesen, wo es heißt: „Eine bloße Verzögerung der Leistung über die Fälligkeit hinaus soll für den Schuldner noch keine wesentlichen Rechtsnachteile erzeugen. Vielmehr entspricht es der beizuhaltenden Rechtstradition, daß solche Nachteile erst im Schuldnerverzug . . . eintreten. Dieser setzt Vertretenmüssen des Schuldners sowie eine Mahnung oder einen gleichgestellten Umstand voraus.“401 Nun setzt aber auch die Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB ein Vertretenmüssen voraus. Der Vorteil der Verzugsregelung besteht für den Schuldner daher im Grunde nur im Erfordernis der Mahnung. Dieser Vorteil soll nicht bestritten werden; er ist jedoch beschränkt. Denn nicht nur im Dienstvertragsrecht kommt das Mahnungserfordernis vielfach nicht zum Tragen, weil die Leistungszeit „nach dem Kalender bestimmt“ ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Es profitieren von der Regelung des §§ 280 Abs. 2, 286 BGB also nur die Schuldner, die nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt leisten müssen, und auch diese müssen die Nachteile der §§ 287 f. BGB, d. h. vor allem die Haftungsverschärfung des § 287 BGB, in Kauf nehmen. Die Schuldner, deren Leistungszeit fixiert ist, werden ausschließlich benachteiligt. Das Argument, der Schuldner, der schlecht geleistet habe, dürfe nicht schlechter gestellt werden, als derjenige, der gar nicht geleistet habe, steht 399 So Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, S. 305, 311 f. sowie in den nachfolgenden Publikationen, vgl. Fn. 389. Ihr folgend P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 223. 400 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb u. a., Schuldrecht, D II Rn. 38; AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 280 Rn. 46 f. 401 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 145, vgl. auch S. 136.

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und fällt daher mit der Einschätzung, wie groß die Gruppe der Schuldner ist, deren Leistungszeit fixiert ist, und wie schwer die Nachteile der Haftungsverschärfung wiegen. Betrachtet man das allgemeine Schuldrecht vom Dienstvertragsrecht aus, dürften die Verzugsregelungen insgesamt als nachteilig, zumindest aber als „neutral“ zu bewerten sein. Von der Gegenmeinung, die die Schlechtleistung aus dem Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB ausnehmen will, werden maßgeblich zwei Argumente vorgebracht: Wenn die Leistungszeit für den Schuldner nicht bestimmt ist, führe das Mahnungserfordernis zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers. Denn dieser erhalte keinen Ersatz für Schäden, die ihm vor der Mahnung bzw. dem Nachbesserungsverlangen entstünden. Wolle ein Gläubiger diesen Nachteil vermeiden, müßte er zum Zeitpunkt der Leistung stets die Mangelfreiheit der Sache anmahnen.402 Sei die Leistungszeit für den Schuldner aber bestimmt, führe die Anwendung der Verzugsregelungen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Schuldners, wenn diesem die Mangelhaftigkeit der Leistung unbekannt sei. Denn der Schuldner gerate dann automatisch mit Lieferung in Verzug, ohne daß er vom Eintritt des Verzugs etwas wisse. Der automatische Eintritt des Verzugs sei in den Fällen der fi xierten Leistungszeit aber auch deshalb nicht angemessen, weil mit der Lieferung der mangelhaften Sache zwar nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde; welche Handlungspfl icht aus dieser Nichterfüllung für den Schuldner resultiere, sei aber noch unklar, solange sich der Gläubiger noch nicht für einen der ihm zu Gebote stehenden Rechtsbehelfe (Nachbesserung, Neulieferung usw.) entschieden habe.403 Diese Überlegungen wurden in ähnlicher Weise bereits für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vorgetragen: Es trete kein automatischer Verzug ein, wenn der Gläubiger den Mangel nicht bemerke und die Leistung annehme. Zwar bestehe der Erfüllungsanspruch „gewissermaßen latent“ weiter. Aber dadurch, daß der Schuldner die Leistung als Erfüllung angeboten und der Gläubiger sie als Erfüllung angenommen habe, sei ein Verzug ausgeschlossen.404 Diesen Ausführungen ist beizupflichten. Betrachtet man die Schlechtleistung aus Sicht des Gläubigers, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Wenn der Gläubiger erkennt, daß die Leistung mangelhaft ist, kann er sie zurückweisen (§ 266 BGB). Nimmt er die Leistung an, tritt zwar keine vollständige Erfüllung i. S. 402

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 280 Rn. 57. MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 280 Rn. 56. 404 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 19 II 2; Bd. 2, § 45 II 1. Im Ergebnis ebenso RG (Urt. v. 3. 2. 1912) WarnR 1912 Nr. 204; OLG Hamburg (Urt. v. 14. 7. 1903) SeuffA 60 Nr. 29; Lesser, Das Rücktrittsrecht bei positiver Vertragsverletzung, S. 56 m.w.Nachw.; Oertmann § 326 Anm. 3 c) (vgl. auch Anm. 4. d) Vor §§ 275 bis 283 zur Unmöglichkeit). Aus jüngerer Zeit: OLG Karlsruhe (Urt. v. 5. 9. 1997) IBR (Immobilien und Baurecht) 1997, 507 (betr. Werkvertrag); Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl., § 326 Rn. 163; Soergel/Wiedemann § 326 Rn. 79. 403

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des § 362 Abs. 1 BGB ein. Der Erfüllungsanspruch besteht also weiter. Aus der Tatsache, daß der Schuldner zumindest teilweise geleistet hat, können jedoch unterschiedliche Ansprüche resultieren (Nacherfüllung, Neulieferung, Minderung usw.). Welche Ansprüche der Gläubiger wählen wird, ist zunächst noch offen. Entschließt sich der Gläubiger für die Nacherfüllung, so muß er diese verlangen.405 Anders gesagt: Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch besteht zwar weiter. Der Erfüllungsanspruch muß aber erst wieder durch den Gläubiger „aktiviert“ werden, indem er den Anspruch auf Nacherfüllung geltend macht. Solange er dies nicht tut, besteht zwischen Gläubiger und Schuldner eine Art „Waffenstillstand“. Von diesem Waffenstillstand profitiert in erster Linie der Gläubiger, denn er hat Zeit, den für ihn optimalen Rechtsbehelf zu wählen. Indes gibt es keinen Grund, ihm im Falle der nicht fi xierten Leistungszeit während dieses Zeitraums den Schutz des § 280 Abs. 1 BGB zu entziehen. Im Gegenzug sollte im Falle der fi xierten Leistungszeit auch der Schuldner während dieses Zeitraums nicht der Haftungsverschärfung des § 287 BGB ausgesetzt sein. Eine unangemessene Benachteiligung des Gläubigers liegt darin nicht, denn dieser hat es jederzeit in der Hand, den „Waffenstillstand“ zu beenden, indem er durch ein hinreichend bestimmtes Nacherfüllungsverlangen den Schuldner in Verzug setzt. Erkennt der Gläubiger aber nicht, daß die Leistung mangelhaft ist, so wird er die Leistung (wenn auch irrtümlich) als vollständige Erfüllung annehmen. Hier gilt das oben Gesagte erst recht. Gläubiger und Schuldner sind sich zunächst einig, daß offene Ansprüche des Gläubigers nicht mehr bestehen.406 Im Falle der fi xierten Leistungszeit gibt keinen Grund, den Schuldner, der ohnehin nach § 280 Abs. 1 BGB haftet, einer weiteren Haftungsverschärfung zu unterwerfen.407 War keine Leistungszeit bestimmt, würde der Gläubiger unangemessen benachteiligt. Ihm stünden Ansprüche auf Ersatz des Verzögerungsschadens erst zu, wenn er den Schuldner mahnt. Dies kann er jedoch erst, wenn er den Mangel entdeckt. In vielen Fällen wird er den Mangel aber erst dadurch entdecken, daß dieser Schäden verursacht hat. 405 Durch dieses Nacherfüllungsverlangen kommt der Schuldner dann allerdings sofort in Verzug, da ein (hinreichend bestimmtes) Nacherfüllungsverlangen die Mahnung mitenthält, MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 280 Rn. 59; U. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 532. Leistet der Verkäufer auf das Nacherfüllungsverlangen erneut schlecht und nimmt der Gläubiger die Schlechtleistung trotz § 266 BGB an, endet der Verzug. Der Schuldner kommt erst durch das erneute Nacherfüllungsverlangen wieder in Verzug. So auch U. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 533, zumindest für den Fall das der Käufer einer Gattungssache die Mangelhaftigkeit der als Ersatz gelieferten Sache nicht erkennt. 406 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 19 II 2. 407 Lediglich in dem Fall, in dem der Schuldner dem Gläubiger arglistig eine mangelhafte Sache unterschiebt, ist eine weitergehende Verschlechterung der Rechtsstellung des Schuldners grundsätzlich wünschenswert. Das Gesetz sieht diese Verschlechterung jedoch nicht beim Verzugseintritt, sondern z. B. bei der Verjährung vor (§§ 438 Abs. 3, 634a Abs. 3 BGB).

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Im Ergebnis eröffnet daher die Erbringung einer Schlechtleistung durch den Schuldner den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB nicht.408 Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob der Anwendungsbereich der Norm entsprechend der Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eröffnet ist, wenn der Schuldner zur Leistungszeit eine Teilleistung nicht erbringt. (bb) Verzögerte Teilleistung als „Verzögerung der Leistung“? Wie bereits dargestellt, kann eine nicht ordnungsgemäße Leistung in Form einer vollständigen Schlechtleistung, einer ordnungsgemäßen oder schlecht erbrachten Teil- oder Restleistung oder als eine Kombination aus den letzteren Fallgestaltungen bestehen. Bei der Diskussion um die Auslegung des Begriffs der „Verzögerung der Leistung“ wird in der Regel nur der Fall der vollständigen Schlechtleistung diskutiert. Dabei drängt sich im Hinblick auf § 326 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. an erster Stelle die Frage auf, ob der Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB den Fall erfaßt, daß der Schuldner eine Teilleistung nicht erbringt. In der Tat ist diese Frage von primärem Interesse. Denn im Rahmen des § 280 Abs. 2 BGB kommt es nicht darauf an, wie die defizitäre Leistung des Schuldners im einzelnen zu qualifizieren ist. Fraglich ist allein, wie groß ein Leistungsdefizit sein muß, um den Anwendungsbereich der Norm zu eröffnen. Nach dem für den Dienstvertrag vertretenen funktionalen Ansatz besteht das größte Leistungsdefizit nach der vollständigen Nichtleistung im Ausbleiben einer Teilleistung. Im Falle der völligen Nichtleistung kann der Gläubiger mit der Leistung „nichts“ anfangen, d. h. sie erfüllt weder die ihr zugedachte Gesamtfunktion noch eine Teilfunktion. Das nächstgrößte Leistungsdefizit ist gegeben, wenn der Schuldner eine Leistung erbringt, der eine Teilleistung fehlt. Diese Fallkonstellation unterscheidet sich von dem zuvor diskutierten Fall der Schlechtleistung dadurch, daß in der Regel das Fehlen einer Teilleistung für Gläubiger und Schuldner offensichtlich ist. Dem Schuldner, welcher eine Teilleistung nicht liefert, wird daher bewußt sein, daß er – wenn nicht weitere Umstände hinzutreten – die Teilleistung noch nachholen muß. Der Gläubiger wird das Fehlen der Teilleistung regelmäßig sogleich bemerken; er wird ohne weiteres davon ausgehen, daß er den fehlenden Teil nachfordern kann. Zu der Situation, daß Gläubiger und Schuldner sich einig sind, daß weitere Ansprüche des Gläubigers nicht mehr bestehen,409 kommt es also typischerweise nicht. Im Gegenteil wird den Vertragsparteien klar sein, daß die Teilleistung noch aussteht, daß also weitere Erfüllungsansprüche bestehen. Allein dieses Argument 408 Wie sogleich zu zeigen ist, findet § 280 Abs. 2 BGB jedoch Anwendung, wenn der Schuldner eine Teilleistung nicht erbringt. § 280 Abs. 2 BGB ist daher auch anwendbar, wenn der Schuldner eine teilweise Schlechtleistung erbringt, solange er nur eine Teilleistung nicht erbringt, vgl. sogleich im Text. 409 So für die vom Gläubiger nicht bemerkte Mangelhaftigkeit Huber oben bei Fn. 406.

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begründet freilich noch nicht, daß das Fehlen einer Teilleistung im Gegensatz zur Schlechtleistung dem Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB unterfällt. Für diese Differenzierung kommt es vor allem darauf an, wie man Teilleistung und Schlechtleistung voneinander abgrenzt. Denn von dieser Abgrenzung hängt wiederum ab, wie überzeugend dargetan werden kann, daß das Fehlen der Teilleistung für Gläubiger und Schuldner offensichtlich ist. Es kommt also wiederum auf die schwierige und schon im Grundsatz zweifelhafte410 Unterscheidung zwischen Teilleistung und Schlechtleistung an. Nach der hier zum Dienstvertrag vertretenen Ansicht liegt eine vollständige Schlechtleistung vor, wenn die Leistung zwar nicht ordnungsgemäß, aber doch geeignet war, die der Tätigkeit zugedachte Gesamtfunktion zu erfüllen.411 Demgegenüber liegt nach dem funktionalen Teilleistungsbegriff eine Teilleistung nur vor, wenn der Gläubiger mit der erbrachten Leistung eine eigenständige Teilfunktion erreichen kann; die Teilleistung ist dem Gläubiger also nicht nur „irgendwie nützlich“, sie bringt dem Gläubiger vielmehr einen tatsächlichen Vorteil.412 Nach dieser Abgrenzung von Teil- und Schlechtleistung fällt deren unterschiedliche Behandlung im Rahmen des § 280 Abs. 2 BGB verhältnismäßig leicht: Wenn der Gläubiger eine Leistung erhält, mit der er die Gesamtfunktion (und damit auch alle Teilfunktionen) der Leistung erreichen kann, wird er deren mangelnde Ordnungsgemäßheit möglicherweise erst nachträglich, möglicherweise auch nie bemerken. Bemerkt er, daß die Leistung nicht ordnungsgemäß ist, wird er feststellen wollen, welche der ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe der geeignetste ist. Erhält der Gläubiger jedoch eine unvollständige Leistung, mit welcher er eine Teilfunktion, die der Tätigkeit nach der vertraglichen Vereinbarung zugedacht war, nicht erreichen kann, so wird der Gläubiger das in aller Regel schon im Zeitpunkt der Leistungserbringung bemerken. Der in der Praxis ganz überwiegende Fall der fehlenden Teilleistung besteht beim Dienstvertrag darin, daß der Schuldner im Rahmen eines zeitbezogenen und daher substratabhängigen Dienstvertrages zwar im Rahmen des Leistungszeitraums tätig wird, daß er aber die geschuldete Leistungsdauer nicht erreicht. In diesem gängigen Fall der Teilleistung ist für Schuldner und Gläubiger offensichtlich, daß der Anspruch auf (Nach-)Erfüllung noch besteht.413 Die vorgeschlagene Abgrenzung zwischen Teil- und Schlechtleistung begründet also eine typischerweise unterschiedliche Situation zum Zeitpunkt der Fälligkeit, die eine Differenzierung zwischen beiden Konstellationen im Rahmen des § 280 Abs. 2 BGB rechtfertigen würde. 410

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 247. Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 f. 412 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1) und 2. (a), S. 247 ff. und S. 261 ff. 413 Der Anspruch geht freilich unter, wenn die nicht erbrachten Dienste nicht nachholbar sind, unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb) (a), S. 355 ff. 411

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Im Ergebnis trifft sich dieser Ansatz wohl mit dem Vorschlag, eine Verzögerung der Leistung nur anzunehmen, wenn die Leistung „nach ihrem äußeren Erscheinungsbild“ nicht bewirkt wird, wohingegen keine Verzögerung der Leistung vorliege, wenn die Leistung „wenigstens dem Anschein nach“ bewirkt sei. 414 Diesem Vorschlag liegt der auch für den hier vertretenen Ansatz maßgebliche Gedanke zugrunde, daß es auf die Offensichtlichkeit der Unvollständigkeit ankommt. Mit den Begriffen „Erscheinungsbild“ und „Anschein“ werden jedoch im Rahmen des § 280 Abs. 2 BGB Fallgruppen gebildet, die nur schwer subsumierbar sind. Es erscheint zudem nicht empfehlenswert, in dem ohnehin schon hinreichend komplexen System gesetzlich vorgegebener Fallkonstellationen defizitärer Leistungen eine weitere Fallgruppe zu etablieren. Dies gilt jedenfalls, sofern man unter einer Teilleistung eine Leistung versteht, bei welcher die Unvollständigkeit typischerweise offensichtlich ist.

Für die Anwendung des § 280 Abs. 2 BGB auf Fälle, in denen der Schuldner eine Teilleistung nicht erbringt, spricht im übrigen auch, daß der Teilverzug vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gem. § 326 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. anerkannt war, wobei er sich nach der herrschenden Ansicht auf den Fall des Ausbleibens einer Teilleistung beschränkte.415 Zwar hat der Gesetzgeber diese Norm nicht beibehalten; doch kann man daraus wohl kaum ableiten, daß er die Möglichkeit des Teilverzuges abschaffen wollte. Vielmehr ist anzunehmen, daß im Rahmen des mehr als zügigen Gesetzgebungsverfahrens die Frage des Teilverzuges überhaupt nicht bedacht wurde.416 Für ein Festhalten an der Rechtsfigur Teilverzug spricht immerhin auch, daß diese Rechtsfigur seit der Schaffung des BGB – soweit ersichtlich – keiner grundsätzlichen Kritik ausgesetzt war und sich die Rechtsprechung dieser Figur in nicht ganz unerheblichem Umfang bediente.417 Vor allem spricht für die Beibehaltung des Teilverzuges aber die Tatsache, daß die Zusammenfügung von mehreren Leistungspflichten in einem Vertrag vielfach nur zufällig erfolgt.418 Verpflichtet sich etwa der Verkäufer zur Lieferung einer Maschine, kann er mit dieser Verpflichtung in Verzug kommen. Verpflichtet er sich jedoch zur Lieferung einer Maschine und zur Einweisung des Personals in deren Benutzung,419 kann es für die Möglichkeit des Verzugseintritts nicht darauf ankommen, ob er diese Verpflichtungen in einem

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MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 275 Rn. 13. Oben S. 325. 416 §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB regeln zwar den Fall der Teilleistung und betreffen damit die teilweise Verzögerung der Leistung. Die Frage, ob Teilleistungen von § 280 Abs. 2 BGB erfaßt werden, ist damit nicht beantwortet. 417 Vgl. BGH (Urt. v. 14. 1. 2000) NJW 2000, 1332; BGH (Urt. v. 22. 7. 1998) NJW 1998, 3197; BGH (Urt. v. 27. 6. 1990) NJW-RR 1990, 2000; BGH (Urt. v. 7. 3. 1990) WM 1990, 987; BGH (Urt. v. 1. 2. 1962) BGHZ 36, 316. 418 Vgl. dazu auch oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (a), S. 252. 419 Beispiel nach MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 151, 143. Vgl. dazu bereits auch oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (2) (b) a. E. und 3. a) sowie 3. c) (2), S. 253, 279 f. und 291 ff. 415

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oder zwei getrennten Verträgen übernimmt. Dasselbe gilt beispielsweise, wenn sich der Verkäufer zur Lieferung mehrerer Maschinen verpfl ichtet. Für den Kauf- und den Werkvertrag wird sich an dieser Stelle freilich der Streit um die Anwendung der §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB auf die Normen des allgemeinen Schuldrechts fortsetzen. 420 Nimmt man an, daß § 280 Abs. 2 BGB auf fehlende Teilleistungen, nicht aber auf Schlechtleistungen anzuwenden ist, fragt sich, ob diese Normen, die die mangelhafte Leistung und die Lieferung einer „zu geringen Menge“ gleichsetzen, den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB auch für die fehlende Teilleistung verschließen. Dazu wäre wiederum zu entscheiden, ob und inwieweit die Begriffe Teilleistung und Lieferung einer „zu geringen Menge“ synonym sind. Diese Fragen sind hier nicht weiter zu verfolgen, da das Dienstvertragsrecht eine den §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB entsprechende Norm nicht kennt.

Auf der Grundlage der für das Dienstvertragsrecht entwickelten funktionalen Betrachtungsweise stellen sich diese Zusammenhänge folgendermaßen dar: Der Dienstberechtigte kann einmal mit der Tätigkeit einen einheitlichen Leistungszweck verfolgen; in diesem Fall kommt der Tätigkeit nur eine einheitliche Gesamtfunktion zu. Die Leistung läßt sich dann nicht in Teilleistungen zerlegen. In der Regel kann aber gerade die Gesamtfunktion, die der Gläubiger mit der aus einem Dienstvertrag geschuldeten Leistung verfolgt, in mehrere Teilfunktionen aufgespalten werden, insbesondere kommt beim zeitbezogenen Dienstvertrag eine Aufspaltung nach Zeiteinheiten in Betracht.421 Jede Teilfunktion ist aber eben eigenständig,422 d. h. sie hätte auch isoliert zum Gegenstand einer dienstvertraglichen Verpflichtung gemacht werden können. So darf es für die Anwendung des Verzugsrechts keinen Unterschied machen, ob sich der Nachhilfelehrer in zwei Verträgen zu je einer Unterrichtsstunde oder ob er sich in einem Vertrag zu zwei Unterrichtsstunden verpfl ichtet. Erscheint er zu einer Stunde nicht, liegt stets eine Verzögerung der Leistung i. S. des § 280 Abs. 2 BGB vor – solange die Leistungspflicht noch nicht erloschen ist. Unter einer „Verzögerung der Leistung“ sollte daher neben dem Ausbleiben der ganzen Leistung (Nichtleistung) auch das Ausbleiben einer Teilleistung verstanden werden. Für den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB ist es daher unerheblich, worin die defizitäre Leistung des Schuldners besteht. Seine Leistung mag in einer oder mehreren ordnungsgemäßen oder schlecht erbrachten Teilleistungen oder Restleistungen oder in einer beliebigen Kombination oder aber auch in „nichts“ bestehen. Der Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB ist immer eröffnet, wenn der fehlende Teil wenigstens als eine Teilleistung zu qualifizieren ist. 420

Dazu oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 205 f. Wiedemann betont die Möglichkeit des Teilverzugs, wenn die Leistung nach „Zeiteinheiten definiert“ werden könne, Soergel/Wiedemann § 326 Rn. 79 (zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz). 422 Dazu oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1) und 2 a), S. 246 ff. und S. 258 ff. 421

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Hat man bei der Prüfung des Verzögerungsschadens das Vorliegen von Teilverzug festgestellt, bedeutet das nicht automatisch, daß für die sonstigen Rechtsfolgen auch der Tatbestand der §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 5 S. 1 BGB vorliegt. Denn § 280 Abs. 2 BGB setzt das Fehlen einer Teilleistung voraus, wohingegen diese Normen voraussetzen, daß der Schuldner (zumindest) eine ordnungsgemäße Teilleistung erbracht hat. 423 Dazu die Abwandlung des Beispiels 424 : Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der dem Personal die Benutzung der Maschine an einem Montag von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr erläutern soll. C erscheint pünktlich, bricht die Tätigkeit aber nach einer Stunde ab. Dies führt dazu, daß das Personal nur die Grundzüge, nicht aber die Detailanwendungen der Maschine versteht. Es kommt zu Produktionsausfällen. U setzt C eine (angemessene) eintägige Frist. Als C wiederum nicht erscheint, erklärt U, er könne auf seine Dienste verzichten, und macht im übrigen Schadensersatz geltend. Der Produktionsausfallschaden bis zur Erklärung des Schadensersatzverlangens ist nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB geltend zu machen, da der verzögerte Leistungsteil (mindestens) eine Teilleistung ausmacht. Produktionsschäden, die nach der Erklärung des Schadensersatzverlangens entstanden sind, sind nach § 281 BGB zu ersetzen. Dafür ist zu prüfen, ob die erbrachte Leistung eine vollständige Nichtleistung oder eine ordnungsgemäße Teilleistung darstellt. Der einstündigen Einweisung läßt sich wohl eine eigenständige Teilfunktion zusprechen. C hat damit eine Teilleistung erbracht. U kann damit Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur geltend machen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Außerdem sind etwaige Schadensminderungspfl ichten des U zu beachten.

Es kann also auch für Schäden, die durch die Verzögerung einer Teilleistung entstehen, nur unter den Voraussetzungen des § 286 BGB Ersatz geltend gemacht werden. In diesem Rahmen existiert die Figur des Teilverzuges weiter.425 Demgegenüber könnte das Fehlen einer Restleistung die Anwendung des § 280 Abs. 2 BGB nicht rechtfertigen. Eine Restleistung ist ein „Teil“ der Leistung, dem keine eigenständige Teilfunktion zukommt. Die Restleistung ist dem Gläubiger nur „irgendwie nützlich“. Fehlt nur eine Restleistung, kann der Gläubiger die mit der Leistung verfolgte Gesamtfunktion in der Regel immer noch erreichen, eben nur nicht in der geschuldeten Weise. Es liegt eine vollständige Schlechtleistung vor.

(2) Ergebnis zu b) Im Ergebnis sollte daher § 280 Abs. 2 BGB auch auf Fälle Anwendung finden, in denen der Schuldner eine Teilleistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht erbringt (Teilverzug). Für den Ersatz von Verzögerungsschäden kommt es also 423

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3., S. 277 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. a), S. 323. 425 Auch Emmerich, Leistungsstörungen, § 18 VI. (S. 295 ff.), spricht weiterhin vom „Teilverzug“. Dabei behandelt er allerdings die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB. Diese Normen regeln zwar auch das teilweise Ausbleiben der Leistung („Verzögerung“), nicht aber den Verzug. Denn dieser ist lediglich in §§ 280 Abs. 2, 286 BGB geregelt; ob diese Normen Anwendung fi nden, ist aber gerade die Frage. Zudem behandeln sie nur die Rechtsfolge Verzögerungsschaden. 424

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

nicht darauf an, was der Schuldner an Leistung erbracht hat; es kommt nur darauf an, was er nicht erbracht hat. Besteht der fehlende Leistungsteil mindestens in einer Teilleistung, kann Ersatz für Verzögerungsschäden nur unter der Voraussetzung des § 286 BGB geltend gemacht werden. Macht der fehlende Leistungsteil jedoch weniger als eine Teilleistung aus, kann Ersatz für Verzögerungsschäden nach § 280 Abs. 1 BGB verlangt werden. Dieses Ergebnis ist nicht beschränkt auf das Dienstvertragsrecht, wenn auch in der Begründung häufiger auf dienstvertragliche Besonderheiten Bezug genommen wurde. Für den Dienstvertrag kann jedoch spezifiziert werden, daß die Verzugsregelungen Anwendung finden, wenn der Gläubiger eine Leistung erhält, mit welcher er mindestens eine eigenständige Teilfunktion der Tätigkeit nicht erreichen kann. Solange die erbrachte Tätigkeit geeignet ist, die ihr zugedachte Gesamtfunktion zu erfüllen, wenn auch nur schlecht, sind hingegen die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB nicht anwendbar. c) Neben die Verzögerung tretende Leistungsdefizite Bei der Anwendung der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ist zu beachten, daß neben die Verzögerung weitere Leistungsdefizite treten können. Diese müssen von der Verzögerung gedanklich getrennt werden.426 Im ärgsten Fall tritt neben die Verzögerung eine vollständige Nichtleistung. Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist zu differenzieren.427 Solange der Erfüllungsanspruch noch besteht, liegt eine Verzögerung der Leistung vor. Für den durch diese Verzögerung entstandenen Schaden (z. B. Betriebsausfallschaden, Nutzungsausfallschaden, entgangener Gewinn) sind die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB anwendbar, d. h. Schadensersatz wird erst ab Verzugseintritt gewährt. Dies gilt, solange der Verzug anhält. Erlischt der Erfüllungsanspruch, z. B. nach §§ 281 Abs. 4, 275 BGB, sind weitere Schäden als Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281 Abs. 1, Abs. 2 bis 5, 283 BGB geltend zu machen.428 Denkbar ist aber auch, daß neben die Verzögerung geringere Leistungsdefizite treten. Das nächstgrößere Leistungsdefizit ist das endgültige Ausbleiben einer Teilleistung in Kombination mit einer erbrachten Teilschlechtleistung. Die erbrachte defizitäre Leistung ist zunächst nach den unter II. und III. dargestellten Grundsätzen zu qualifizieren. Für die Geltendmachung des Verzögerungsschadens ist zu prüfen, ob während des Leistungszeitraums mindestens eine Teilleistung nicht erbracht wurde. Bejaht man dies, finden die §§ 280 Abs. 2, 286 Anwendung. Solange also der Anspruch auf Erfüllung der restli426 Vgl. zur Problematik der Mehrfachstörung schon oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b) (bb) und IV. 1, S. 294 und S. 319. 427 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 286 Rn. 118, § 281 Rn. 110 ff., § 280 Rn. 71. 428 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 112 ff.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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chen Leistung noch besteht, sind durch die Verzögerung entstandene Schäden nur zu ersetzen, wenn der Schuldner in Verzug war. Für alle anderen Schadensposten kommt es auf die §§ 280 Abs. 2, 286 BGB nicht an. Abwandlung des Beispiels 429 : Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der dem Personal die Benutzung der Maschine an einem Montag von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr erläutern soll. C erscheint pünktlich, geht aber irrtümlich davon aus, das Personal verfüge über Vorkenntnisse. Seine Einweisung ist daher nicht auf die Zuhörer abgestimmt. Diese verstehen zwar die Grundzüge, nicht aber die Detailanwendungen. Außerdem bricht er um 11:00 Uhr die Einweisung ab. Es liegt eine isolierte Teilschlechtleistung vor; der Anwendungsbereich von § 281 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht eröffnet, vielmehr fi ndet § 281 Abs. 1 S. 3 BGB Anwendung. 430 Außerdem liegt gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Teilverzug vor.

Entsprechend ist für sämtliche andere der unter III. beschriebenen Kombinationsfälle zu verfahren. Die Verzögerung ist zunächst wie ein „normales“ Leistungsdefizit zu einzuordnen. Erst für die Anwendung der Verzugsregelung ist maßgeblich, ob mindestens eine Teilleistung verzögert wurde.431 d) Ergebnis zu 2. Die verzögerte Leistung ist wie jede andere nicht ordnungsgemäße Leistung zu behandeln. Sie kann eine Nichtleistung, Schlechtleistung bzw. eine ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Teilleistung oder Restleistung oder eine Kombination aus diesen „Leistungsteilen“ darstellen. Auf diese Pfl ichtverletzungen finden, wie unter II. und III. beschrieben, die §§ 281, 323, 326 BGB Anwendung. Die verzögerte Leistung verlangt lediglich eine Sonderbehandlung, sofern der Gläubiger Ersatz für Verzögerungsschäden geltend macht. Solche Schäden kann der Gläubiger grundsätzlich nach § 280 Abs. 1 BGB oder im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB geltend machen. Diese Normen treten jedoch hinter den spezielleren §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB zurück. Für den Ersatz von Verzögerungsschäden ist daher vorrangig zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB eröffnet ist. Von einer „Verzögerung der Leistung“ i. S. dieser Vorschriften kann nur gesprochen werden, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Nichtleistung vorliegt bzw. wenn mindestens eine Teilleistung nicht erbracht wurde. Für den Dienstvertrag ist also zu fordern, daß der Dienstberechtigte mit der im Leistungszeitraum erbrachten Tätigkeit mindestens eine Teilfunktion nicht erreichen konnte. Die Verzögerung einer Teilleistung eröffnet die Möglichkeit eines Teilverzugs. Erbringt der Schuldner indes eine (vollständige) Schlechtleistung, kann von einer „Verzögerung der Leistung“ nicht gesprochen werden. §§ 280 429 430 431

Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. a), S. 323. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (1), S. 287 f. Vgl. auch den Beispielsfall oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b) (1) (b), S. 335.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Abs. 2, 286 BGB finden keine Anwendung, so daß Verzögerungsschäden nach § 280 Abs. 1 BGB oder § 281 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB zu ersetzen sind. Neben die Pflichtverletzung „Verzögerung“ können weitere Pflichtverletzungen treten. Da sich der Anwendungsbereich der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB aber tatbestandlich nur auf die Verzögerung erstreckt, muß die Verzögerung von den übrigen Pflichtverletzungen „getrennt“ werden, soweit der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung begehrt und soweit nach den obigen Grundsätzen eine Verzögerung der Leistung i. S. der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB vorliegt.

V. Ergebnis zu § 4 Nur durch eine ordnungsgemäße Leistung vermag der Schuldner seine dienstvertragliche Verpflichtung zu erfüllen. Für die nicht ordnungsgemäße Leistung sieht das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Es unterscheidet in den zentralen Vorschriften des Leistungsstörungsrechts zwischen der vollständigen Nichtleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 1. Halbs. BGB), der Teilleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB) und der nicht vertragsgemäßen Leistung (Schlechtleistung, §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieser gesetzlichen Vorgabe muß das Dienstvertragsrecht folgen. Die Regelungen des besonderen Schuldrechts, durch welche quantitative Leistungsdefi zite und aliud-Lieferungen der Schlechtleistung gleichgestellt werden (§§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 S. 3 BGB), sind auf das Dienstvertragsrecht nicht übertragbar. Die drei Fallgruppen „Nichtleistung“, „Teilleistung“ und „Schlechtleistung“ sind aber keineswegs die einzigen, die das reformierte Schuldrecht bereithält. Vielmehr muß differenziert werden: Zum einen zwischen den drei unterschiedlichen „Aggregatzuständen“, in denen jede Leistung auftreten kann. So kann jede Verpflichtung ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erfüllt werden. Jede Leistung kann also ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht sein. Zum anderen muß differenziert werden zwischen den drei möglichen „Teilen“ einer Leistung, die in diesen Aggregatzuständen vorliegen können. Es kann die vollständige Leistung ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht sein. Es kann aber auch eine Teilleistung ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht werden. Schließlich kann „irgendeine minimale Naturalerfüllung“432 vorliegen, d. h. eine Leistung, die weniger als eine Teilleistung ist. Sie wird hier als „Restleistung“ bezeichnet, und auch sie kann ordnungsgemäß, nicht oder schlecht erbracht sein. Diese bereits hinreichend komplexe Situation wird da432 Protokolle I, S. 1142, zit. nach Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432 BGB, S. 275. Wenn auch in einem anderen Zusammenhang verwendet, dürfte mit dieser Beschreibung in der Sache wohl dasselbe gemeint sein.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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durch weiter verkompliziert, daß eine Leistung aus beliebigen „Teilen“ zusammengesetzt sein kann. So kann eine Leistung aus mehreren Teilleistungen und/ oder mehreren Restleistungen bestehen, wobei jeder „Leistungsteil“ in jedem der drei Aggregatzustände vorliegen kann. Der Komplexität dieser Ausgangslage muß man sich im Dienstvertragsrecht – zumindest seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – stellen. Für anderen Vertragstypen mag das besondere Schuldrecht Regeln bereithalten, die eine solche Auseinandersetzung nicht erforderlich erscheinen lassen. Auch mögen in der Praxis die Fälle der Teilleistung (oder der Restleistung) bei diesen Vertragstypen weniger häufig anzutreffen sein. Für den Dienstvertrag gilt das nicht. Das Leistungsstörungsrecht des Dienstvertrages ist weitgehend auf die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts zurückgeworfen, und Fälle einer nur teilweise erbrachten Leistung sind alltäglich: Da die Leistung von Diensten – anders als die meisten anderen Leistungen – in der Dimension der Zeit „teilbar“ ist, liegt eine teilweise erbrachte Leistung immer vor, wenn der Dienstverpflichtete die geschuldete Leistungsdauer unterschreitet. Da die Dienstleistung aber auch – wie ein Sache – „räumlich“ erbracht wird, kann sie daneben hinsichtlich des Leistungsorts oder des Leistungsinhalts Defi zite aufweisen. Die Variationsbreite möglicher Leistungsdefizite ist mithin bei der Leistung von Dienste sehr groß. Diese Variationsbreite wird für den praktischen Fall noch gesteigert durch die große inhaltliche Vielgestaltigkeit der dienstvertraglichen Leistung. Das in der Praxis vorkommende enorm breite Spektrum defizitärer Dienstleistungen muß mit dem seinerseits komplexen System an Tatbeständen, die das allgemeine Schuldrecht bereithält, in Einklang gebracht werden. Für jede in der Praxis möglich erscheinende defizitäre Dienstleistung muß entschieden werden können, ob es sich um eine vollständige Nicht- oder Schlechtleistung oder um eine ordnungsgemäße oder schlecht erbrachte Teilleistung bzw. Restleistung bzw. um eine Kombination aus diesen Tatbestandsgruppen handelt. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe kann nur in sehr beschränktem Umfang mit der „Rechtsfolgenseite“ argumentiert werden. Denn die Zuordnung der Rechtsfolgen durch das Gesetz – aber auch die Rechtsfolgen selbst – erfolgt an vielen Stellen nicht mit wünschenswerter Klarheit, an anderen Stellen überhaupt nicht. Der Schluß von den Rechtsfolgen auf den Tatbestand verbietet sich insoweit. In der Regel kann allenfalls vergleichend argumentiert werden: Ordnet das Gesetz für eine Tatbestandsgruppe eine eindeutige Rechtsfolge an, kann für eine andere Tatbestandsgruppe weniger schwerer Leistungsdefizite jedenfalls keine härte Rechtsfolge in Betracht kommen. Die dargestellte Ausgangslage macht deutlich, daß für die rechtliche Behandlung nicht ordnungsgemäß erbrachter Dienstleistungen vor allem das Postulat weitestgehender rechtlicher Vereinfachung aufzustellen ist. Das vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltende allgemeine Schuldrecht hät-

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

te eine solche Vereinfachung im weiten Umfang erlaubt, da es die Möglichkeit bot, jede defizitäre Leistung als Teilleistung zu begreifen. Dieser Weg steht nun nicht mehr offen. Im Rahmen der lex lata ist eine Vereinfachung weniger leicht zu erreichen. Es gilt daher jedenfalls, eine Ausdifferenzierung, die über die gesetzlich vorgegebenen Anforderungen hinausgeht, zu vermeiden. Auch aus diesem Grunde wird beispielsweise dem Vorschlag, auf bestimmte Fallgruppen (wie z. B. die Teilschlechtleistung) die gesetzlichen Regelungen „gestuft-kumulativ“ anzuwenden, nicht gefolgt. Andererseits ist auch den herkömmlichen, schon vor der Schuldrechtsreform angewandten „einfachen“ Abgrenzungskriterien mit Vorsicht zu begegnen. So läßt sich die grundsätzliche Abgrenzung zwischen Schlechtleistung und Teilleistung nicht anhand grober Schlagworte wie „Qualität und Quantität“ treffen. Auch Ansätze, die eine Teilleistung an die Möglichkeit „technischer Teilbarkeit“, an „Meßbarkeit“ oder „Mengeneinheiten“ koppeln wollen, sind nur bei ohnehin eindeutigen Fällen hilfreich und gehen an den gesetzlichen Vorgaben vorbei. Mit dem hier vertretenen Lösungsansatz wird als maßgebliches Abgrenzungskriterium die „Funktion“ der Tätigkeit vorgeschlagen, d. h. die Funktion, die die Tätigkeit nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien haben soll. Das Kriterium geht auf gesetzliche Vorgaben für ähnliche oder parallele Abgrenzungsprobleme zurück. So wird in den §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 651c Abs. 1, 536 Abs. 1 S. 1 BGB für den Fehlerbegriff auf die Tauglichkeit der Leistung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, also auf die Geeignetheit für den Vertragszweck, abgestellt. Dieses Kriterium wurde für den Dienstvertrag – sprachlich – modifiziert. Maßgebend ist die Geeignetheit der Tätigkeit für die Funktion, die die Tätigkeit nach dem Willen der Vertragsparteien haben soll. Zur Bestimmung der Funktion bedarf es einer Auslegung der vertraglichen Vereinbarung; maßgebend ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Bestimmung der Funktion ist im Regelfall einfach, da mangels ausdrücklicher Absprache auf die Funktion zurückgegriffen werden kann, die die Tätigkeit ihrer groben Bezeichnung und den Umständen nach gewöhnlich hat. Die Geeignetheit zur Erfüllung der Funktion (natürlich nicht: zur Erreichung des Erfolgs) entscheidet über Nichtleistung und Schlechtleistung. Ist die erbrachte Tätigkeit nicht mehr geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, liegt eine Nichtleistung vor. Kann hingegen die Funktion noch erfüllt werden, wenn auch die Leistung nicht ordnungsgemäß ist, so liegt nur eine Schlechtleistung vor. Schon schwieriger – aber notwendig – ist es, zwischen der Gesamtfunktion und möglichen Teilfunktionen einer Tätigkeit zu unterscheiden. Die Gesamtfunktion ist die Funktion, die die gesamte geschuldete Tätigkeit nach dem Willen der Vertragsparteien haben soll. Die Geeignetheit zur Erfüllung einer Teilfunktion entscheidet hingegen darüber, ob ein „Leistungsteil“ als Teilleistung im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann oder nicht. Verfolgt der Dienst-

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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berechtigte einen „einheitlichen Leistungszweck,“ kann eine defizitäre Leistung von vornherein keine Teilfunktion erfüllen. Ansonsten kann sich eine Gesamtfunktion jedoch in – theoretisch unendlich viele – Teilfunktionen aufgliedern lassen. Nicht jeder beliebige Teil einer Leistung, der für den Dienstberechtigten „irgendwie nützlich“ ist, erfüllt jedoch eine Teilfunktion. Eine Teilleistung sollte nur angenommen werden, wenn der erbrachte Leistungsteil dem Dienstberechtigten einen tatsächlichen Vorteil bringt. Dies ist nur der Fall, wenn der erbrachte Leistungsteil „an sich“ für den Dienstberechtigten von Nutzen ist. Dafür wird der Begriff „eigenständige Teilfunktion“ verwendet. Eine solche Teilfunktion muß hinreichend klar bestimmbar sein. Erfüllt die erbrachte defizitäre Leistung eine eigenständige Teilfunktion in diesem Sinne, kann von einer Teilleistung gesprochen werden. Die Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßer und schlecht erfüllter Teilleistung ist nun einfach: Die Tätigkeit, mit der die Teilfunktion erfüllt wurde, kann ordnungsgemäß erbracht sein oder nicht. Im letzteren Fall wird von einer Teilschlechtleistung gesprochen. Vor diesem Hintergrund läßt sich jede auf eine dienstvertragliche Verpfl ichtung erbrachte Leistung – mit Ausnahme des Sonderfalls der verzögerten Leistung – durch maximal vier Fragen analysieren: Im ersten Prüfungspunkt ist festzustellen, daß es sich tatsächlich um eine nicht ordnungsgemäße, also defizitäre Leistung handelt. Dann ist durch die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zu ermitteln, welche Gesamtfunktion die Tätigkeit haben sollte. An zweiter Stelle ist zu prüfen, ob mit der erbrachten Tätigkeit diese Gesamtfunktion noch erreicht werden konnte. Ist dies zu bejahen, liegt „mindestens“ eine vollständige Schlechtleistung vor. Ist die Frage aber zu verneinen, liegt zunächst nur eine Nichtleistung vor. An dritter Stelle ist zu prüfen, ob die erbrachte Tätigkeit noch eine Teilleistung beinhaltet. Im Falle der vollständigen Schlechtleistung ist dies relevant, weil das Gesetz die Einbringung einer ordnungsgemäßen Teilleistung privilegiert. Es ist daher im letzten Schritt zu prüfen, ob der Schuldner im Rahmen der Schlechtleistung eine Teilleistung ordnungsgemäß erbracht hat. Ist dies der Fall, findet (nur) § 281 Abs. 1 S. 2 BGB (sowie außerhalb des Dienstvertragsrechts § 323 Abs. 5 S. 1 BGB) Anwendung; liegt keine ordnungsgemäße Teilleistung vor, ist (nur) § 281 Abs. 1 S. 3 BGB (und § 323 Abs. 5 S. 2 BGB) anzuwenden. Wurde dagegen im zweiten Schritt eine Nichtleistung festgestellt, so ist die Tätigkeit des Schuldners noch einmal daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht zumindest eine Teilleistung darstellt oder eine Teilleistung beinhaltet. Wurde dies mit dem dritten Schritt festgestellt, so ist an vierter Stelle wiederum danach zu fragen, ob diese Teilleistung ordnungsgemäß oder schlecht erbracht wurde. Wurde sie ordnungsgemäß erbracht, finden wiederum (nur) die Teilleistungsvorschriften Anwendung; wurde sie nur schlecht erbracht, sind (nur) die Regelungen über die Schlechtleistung anzuwenden.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Die Prüfung kann verkürzt werden, wenn man feststellt, daß die defizitäre Leistung des Dienstverpflichteten eine ordnungsgemäße Teilleistung darstellt oder beinhaltet, denn dann sind stets die § 281 Abs. 1 S. 3 BGB (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB) anzuwenden. Liegt keine ordnungsgemäße Teilleistung vor, ist man indes gezwungen, daß ganze Prüfungsschema zu durchlaufen. Die nachfolgende Graphik soll das Prüfungsschema veranschaulichen: PRÜFUNGSSCHEMA: 1. Wurde die Tätigkeit ordnungsgemäß erbracht? –

+

Zwischenergebnis: defizitäre Leistung

ordnungsgemäße Leistung

2. War die Tätigkeit dennoch geeignet, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Gesamtfunktion zu erfüllen?

+ Zwischenergebnis: Schlechtleistung

– Zwischenergebnis: Nichtleistung

3a. War die Tätigkeit (außerdem) geeignet, eine ihr von den Vertragsparteien zugedachte eigenständige Teilfunktion zu erfüllen, und wurde die Tätigkeit insoweit ordnungsgemäß erbracht?

3b. War die Tätigkeit (aber noch) geeignet, eine ihr von den Vertragsparteien zugedachte eigenständige Teilfunktion zu erfüllen?

+

+ Zwischenergebnis: Teilleistung





4. Wurde die Tätigkeit insoweit ordnungsgemäß erbracht? + vollständige Schlechtleistung Schlechtleistung mit integrierter ordnungsgemäßer Teilleistung

isolierte oder in Restleistung integrierte Teilleistung

– isolierte oder vollständige in Restleistung Nichtleistung integrierte Teilschlechtleistung

Anzuwenden sind die Regelungen über: Teilleistung

Schlechtleistung

Teilleistung

Schlechtleistung Nichtleistung

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Abgesehen von der vollständigen Nichtleistung, finden mithin allgemein auf alle Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistung die Regelungen über die Teilleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB) oder die Regelungen über die Schlechtleistung (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB) Anwendung. Für den Dienstvertrag scheidet ein Totalrücktritt allerdings aus. Zu einer „gestuftkumulativen“ Anwendung dieser Regelungen, wie sie in der Literatur für bestimmte Fallkonstellationen vorgeschlagen wird, kommt es nicht. Richtig ist allerdings, daß der Schuldner in den Fällen aus der ersten Spalte und teilweise in Fällen aus der dritten und vierten Spalte mehr geleistet hat als eine „isolierte“ Teilleistung bzw. Teilschlechtleistung. Bei der Ausübung der Totalrechte ist diese Mehrleistung durch eine weite Auslegung der §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB zu berücksichtigen. Dies geschieht, indem die gesamte erbrachte Leistung über den Fortfall des Gläubigerinteresses bzw. über die Unerheblichkeit der Pfl ichtverletzung entscheidet. Eine Pflichtverletzung kann auch darin bestehen, daß der Dienstverpfl ichtete den vereinbarten Leistungszeitraum verfehlt. Selten ist der Fall, daß der Schuldner die Leistung oder Teile der Leistung vorzeitig erbringt. Soweit die vorzeitige Leistungserbringung nicht gestattet (§ 271 Abs. 2 BGB) und damit nicht ordnungsgemäß ist, wird sie wie jede andere defizitäre Leistung entsprechend den genannten Grundsätzen geprüft. Die praktisch relevante Verzögerung der Leistung gestattet das Gesetz freilich nicht. Auch wenn die verzögerte Leistung im übrigen ordnungsgemäß erbracht wird, ist sie immer eine nicht ordnungsgemäße Leistung. Die Pflichtverletzung „Verzögerung“ ist ebenfalls wie jede andere defizitäre Leistung nach dem obigen Schema einzuordnen. Lediglich soweit der Gläubiger Ersatz für Verzögerungsschäden verlangt, sind die Sonderregelungen über den Verzug (§§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB) zu beachten. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist allerdings nicht bei jeder nicht ordnungsgemäßen Leistung eröffnet. Anwendbar sind die Verzugsregelungen nur, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit mindestens eine Teilleistung nicht erbracht wurde. Nach dem funktionalen Teilleistungsbegriff bedeutet das für den Dienstvertrag, daß im vereinbarten Leistungszeitraum eine defizitäre Leistung erbracht wurde, mit der der Dienstberechtigte eine eigenständige Teilfunktion nicht erreichen konnte. Praktisch werden davon vor allem die Fälle erfaßt, in denen der Dienstverpflichtete zwar zur rechten Zeit tätig wird, aber die vereinbarte Leistungsdauer unterschreitet. Erbringt der Schuldner eine defizitäre Leistung, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit weniger als eine Teilleistung fehlt, erbringt er insbesondere eine vollständige Schlechtleistung, finden die §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB keine Anwendung. Verzögerungsschäden sind für solche nicht ordnungsgemäßen Leistungen nach § 280 Abs. 1 BGB oder nach §§ 281 Abs. 1 S. 1, 283 BGB zu ersetzen.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

1. Beispielsfall zum zeitbezogenen Dienstvertrag: Der empfi ndliche Nachhilfelehrer433 V vereinbart mit N, dieser möge seinen Sohn S als Nachhilfelehrer in den Fächern Französisch und Englisch unterrichten. V, der Englisch für das wichtigere Fach hält, legt großen Wert darauf, daß N den S beim ersten Treffen am Montag von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr im Fach Englisch unterrichtet. Zwischen beiden Stunden soll eine kurze Pause stattfinden. Als N montags pünktlich eintrifft, unterrichtet er S zunächst irrtümlich in Französisch. In der Pause trifft N auf V. Im Gespräch erkennt V den Fehler des N. Er klärt N recht herablassend über seinen Irrtum auf und macht sich über dessen „Schusseligkeit“ lustig; meint aber, nun sei S in Englisch zu unterrichten. N ist über das Verhalten des V sehr verärgert. Als N zu seinem Schüler zurückkehrt, verstrickt er ihn zunächst in eine Grundsatzdiskussion über Höflichkeit und gutes Benehmen. Schließlich muß er feststellen, daß es bereits 16:30 Uhr geworden ist. Er unterrichtet S daraufhin noch bis 17:00 Uhr in Englisch. Da ihm jedoch die Lust vergangen ist, läßt er S hauptsächlich aus dem Englischbuch vorlesen. Die Leistung des N ist nicht ordnungsgemäß. Die Funktion der Tätigkeit wird zum einen durch den Inhalt (Fach Englisch bzw. Französisch) defi niert. Durch den Französischunterricht und das Gespräch wird die Gesamtfunktion der Tätigkeit nicht erfüllt. Beides ist eine Nichtleistung (aliud). Bei einem zeitbezogenen Dienstvertrag wird die Gesamtfunktion weiter durch die verabredete Leistungsdauer defi niert. Durch den halbstündigen Englischunterricht konnte die Gesamtfunktion der Tätigkeit mithin auch nicht erfüllt werden. Insgesamt war die Tätigkeit daher nicht geeignet, die Gesamtfunktion zu erfüllen. Nun ist zu prüfen, ob durch die Leistung des N zumindest eine eigenständige Teilfunktion erfüllt wird. Bei einem zeitbezogenen Dienstvertrag führt die Unterschreitung der Leistungsdauer zumeist zu einer Teilleistung. Dies ist auch hier der Fall, denn der halbstündige Unterricht in Englisch ist gemäß der nachträglichen Vertragsänderung für V auch isoliert betrachtet noch „brauchbar“. Die Tätigkeit, mit der N die eigenständige Teilfunktion erfüllt hat, entsprach jedoch nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Unterricht. Insgesamt besteht die Tätigkeit des N also in einer Teilschlechtleistung. Im Ergebnis liegt damit eine (isolierte) Teilschlechtleistung vor, auf die § 281 Abs. 1 S. 3 BGB anzuwenden ist.

433 Vgl. BAG (Urt. v. 5. 11. 1992) AuR 1993, 124 f.: Lehrer erzählt im Englischschulunterricht judenfeindliche „Witze“. Die Tätigkeit des Lehrers hat lehrende und erziehende Funktion. Die erzieherische Funktion wurde zumindest zeitweise nicht erreicht. Die Gesamtfunktion der Tätigkeit wurde also nicht erfüllt. Hinsichtlich der Funktion des Lehrens und außerhalb des betreffenden Zeitraums wurden keine Beanstandungen erhoben. Insgesamt liegt daher eine ordnungsgemäße Teilleistung vor. Das BAG spricht von „Vertragswidrigkeit“.

§ 4 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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2. Beispielsfall zum erfolgsbezogenen Dienstvertrag: Der unerfahrene Unternehmensberater Ein Unternehmer U betreibt eine Kette von Geschäften für exklusive englische Herrenmode. Der Gewinn geht zurück. Daraufhin ändert U zunächst die Produktpalette. Er beschließt weiter, ein „Informations- und Motivationsseminar“ für seine Filialleiter zu veranstalten. Dafür gewinnt er den jungen Unternehmensberater B. Auf sein Alter angesprochen, erklärt B, die Abhaltung eines solchen Seminars sei für ihn „kein Problem“. Er verfüge über ausreichende Erfahrung. Dies trifft jedoch nicht ganz zu. B soll zum einen die Filialleiter über die neue Produktpalette und einige Änderungen im Geschäftsablauf informieren, zum anderen soll er die Filialleiter motivieren und ihren Sinn für „corporate identity“ wecken. Es gelingt B, die Neuerungen angemessen und verständlich zu präsentieren. Hinsichtlich der Motivation ist B nicht ganz so erfolgreich. Einige Filialleiter merken ihm mangelnde Branchenkenntnis und Unerfahrenheit an und sind enttäuscht von der Veranstaltung; andere sind hingegen recht zufrieden. Die Leistung des B war nicht ordnungsgemäß. Die Gesamtfunktion der Tätigkeit bestand in der Abhaltung des „Informations- und Motivationsseminars“. Die von B erbrachte Tätigkeit war zur Erfüllung dieses Ziels geeignet, hinsichtlich des Aspekts der Motivation allerdings nur schlecht. Bezogen auf die Gesamtfunktion kann daher nur von einer Schlechtleistung ausgegangen werden. Es ist nun weiter zu fragen, ob die Leistung des B zumindest eine ordnungsgemäße Teilleistung beinhaltet. Ordnungsgemäß war die Tätigkeit, insoweit sie die Information über die Änderung der Produktpalette und den Geschäftsablauf betraf. Mit diesem Teil der Tätigkeit verfolgte U auch eine eigenständige Teilfunktion. Die Informationsvermittlung war auch „isoliert betrachtet“ für U brauchbar. Sie stellt daher eine Teilleistung dar, und zwar unabhängig von der Frage, ob sich der Leistungsteil „Informationsvermittlung“ von dem Leistungsteil „Motivation“ zeitlich abgrenzen läßt. B hat also eine Schlechtleistung mit integrierter ordnungsgemäßer Teilleistung erbracht. Es ist daher § 281 Abs. 1 S. 2 BGB anzuwenden. Dabei ist zu beachten, daß U Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur geltend machen kann, wenn er an der gesamten, von B erbrachten Leistung kein Interesse hat.

3. Beispielsfall zur Kombination von verzögerter und in sonstiger Weise defizitärer Leistung: Der unzuverlässige Computerfachmann Unternehmer U hat eine computergesteuerte Maschine erworben. Er engagiert den Computerfachmann C, der den beiden Arbeitern A und B, die die Maschine bedienen sollen, am Montag, den 1. 11. 2004 von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr die Benutzung erläutern soll. C hat die Umstellung auf die Winterzeit verpaßt und erscheint eine Stunde zu früh. Arbeiter A ist bereits anwesend, B jedoch nicht. C beginnt die Tätigkeit um 9:00 Uhr. Dabei geht er irrtümlich davon aus, A verfüge über Vorkenntnisse. Seine Einweisung ist daher nicht auf A abgestimmt. A, der von der Unternehmensleitung nicht informiert wurde, widerspricht nicht. Um 10:00 Uhr erscheint pünktlich B. C wird klar, daß er zu früh begonnen hat. Die kommende Stunde will er jedoch lieber für wichtige Telefonate und Erledigungen nutzen. Er erscheint erst um 11:30 Uhr wieder. Die Einweisung dauert bis 12:30 Uhr; sie entspricht jetzt dem Kenntnisstand der Zuhörer. Hinsichtlich der ersten Stunde hat C vorzeitig geleistet; § 271 Abs. 2 BGB greift nicht ein, d. h. schon wegen der vorzeitigen Leistung lag eine Schlechtleistung vor. Es

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

handelt sich auch deshalb um eine Schlechtleistung, weil die Einweisung nicht auf die Zuhörer abgestimmt war. Schließlich handelt es sich um eine Teilleistung, da C nur den A eingewiesen hat. Es liegt eine Teilschlechtleistung vor. Bezüglich der Zeit von 11:30 bis 12:00 Uhr hat C ordnungsgemäß geleistet. Für den Zeitraum von 12:00 bis 12:30 Uhr liegt jedoch eine verzögerte und damit eine Schlechtleistung vor. Die zweite Stunde setzt sich also aus einer ordnungsgemäßen Teilleistung und einer Teilschlechtleistung zusammen. Insgesamt liegen zwei Teilschlechtleistungen und eine ordnungsgemäße Teilleistung vor. Auf diese Kombination fi ndet § 281 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Bei der Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung kommt es wiederum darauf an, ob U an der gesamten, von C erbrachten Leistung kein Interesse hat. Wollte U einen Verzögerungsschaden geltend machen, wäre zu prüfen, ob C mindestens eine Teilleistung verzögert erbracht hat. Dies ist zu bejahen, denn C hat B erst eine Stunde eingewiesen, was für die Anwendung der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB bereits ausreichend wäre. Er hat weiterhin A und B eine halbe Stunde verspätet eingewiesen. Auch hierin liegt eine verzögerte Teilleistung.

§ 5 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

Leistet der Dienstverpflichtete nicht ordnungsgemäß, stehen dem Dienstberechtigten grundsätzlich verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung: Insbesondere kann er Nacherfüllung verlangen, die Gegenleistung zurückbehalten oder mindern, er kann sich von Teilen des Vertrags oder vom ganzen Vertrag lösen, und er kann Schadensersatzansprüche geltend machen. Gemäß der Zielsetzung der Arbeit werden im folgenden nur die Rechtsbehelfe untersucht, die unmittelbarer Ausfluß der synallagmatischen Störung sind. Dazu gehört in erster Linie der Anspruch auf Nacherfüllung, mit welchem das Zurückbleiben der Tätigkeitsleistung – soweit wie möglich – korrigiert werden soll. Daneben geht es um die Auswirkungen der Störung auf die Gegenleistung, also um die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten und an zentraler Stelle um die Frage der Minderung der Gegenleistung. Von den Schadensersatzansprüchen wird nur der Schadensersatz statt der Leistung behandelt, auf dessen Tatbestandsvoraussetzungen bereits unter § 4 ausführlich eingegangen wurde. Demgegenüber wird die allgemeine Haftung des Dienstverpflichteten auf Schadensersatz, insbesondere also die Haftung für Schäden an Rechtsgütern des Dienstberechtigten, nicht untersucht. Dieser Fragen wären allein für den selbständigen Dienstvertrag nur im Rahmen einer eigenen monographischen Arbeit darstellbar; entsprechende Arbeiten wurden in den letzten Jahren vorgelegt.1 Hinzu käme die schwierige Problematik der Arbeitnehmerhaftung, insbesondere die dogmatische Begründung ihrer Beschränkung, der sich noch in jüngerer Vergangenheit einige Autoren zugewandt haben. 2 1 Hirte, Berufshaftung, 1996; Gilcher, Produkthaftung für Dienstleistungen, 1994; Poll, Die Haftung der freien Berufe am Beispiel des Rechtsanwalts, 1992. Zahlreiche Nachweise zu Werken über die Haftung bestimmter Berufsgruppen bei Hirte, ebenda. Zudem: Katzenmeier, Arzthaftung, 2002. 2 Aus dem jüngeren monographischen Schrifttum vgl. nur Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001; Busemann, Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten, 1999; Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, 1998; Horbach, Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, 1996; Kothe, Arbeitnehmerhaftung und Arbeitgeberrisiko, 1981; Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, 1980; Reinhardt, Die dogmatische Be-

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

I. Nacherfüllung 1. Einleitung Es wurde oben 3 bereits dargelegt, daß die vollständige Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB nur durch eine ordnungsgemäße Leistung bewirkt wird. Jede vollständige Nichterfüllung oder jeder Fall einer „beschränkten Störung“ führt dazu, daß der ursprüngliche Erfüllungsanspruch, soweit die Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wurde, erhalten bleibt. Im Grundsatz kann der Dienstberechtigte demnach in allen Fällen der Leistungsstörung die noch ausstehenden Teil- oder Restleistungen fordern. Auch bei vollständig oder teilweise schlecht erbrachten Diensten kann der Dienstberechtigte verlangen, daß die Leistung „bis zur Behebung des Mangels“ nacherfüllt wird.4 Der in der Literatur anklingenden These, 5 im Falle der Schlechtleistung von Dienstverträgen sei ein Anspruch auf Nacherfüllung ausgeschlossen, weil in den §§ 611 ff. BGB, anders als in den §§ 437 Nr. 1, 439, 634 Nr. 1, 635 BGB, kein entsprechender Anspruch auf Nacherfüllung normiert sei, ist von vornherein entgegenzutreten. Der Anspruch auf Nacherfüllung ist kein besonderer Rechtsbehelf, der dem Gläubiger erst durch ausdrückliche Normierung für die entsprechenden Vertragsart verliehen werden müßte. Der Anspruch auf Nacherfüllung ist nach der einleuchtenden gesetzlichen Konzeption nichts als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch, der mangels Erlöschen durch Erfüllung einfach weiterbesteht.6 Der Nacherfüllungsanspruch wurde in den §§ 437 Nr. 1, 439, 634 Nr. 1, 635 BGB lediglich im Rahmen der Gesamtsystematik des Kaufund Werkvertragsrechts modifiziert. Freilich mag in der Sache die Pflicht zur Nacherfüllung, die bei anderen Vertragstypen kaum in Frage gestellt wird, für den Dienstvertrag weniger angemessen erscheinen. Der Grund für mögliche Zweifel an einer unbeschränkten Nacherfüllungspflicht des Schuldners liegt in der Zeit- und Personenbezogenheit des Dienstvertrages. Würde z. B. der Nachhilfelehrer, der den Unterricht schlecht erbracht hat, nacherfüllen, so wäre dies nur möglich, wenn er seine Arbeitskraft – vermutlich über die gesamte Leistungsdauer hinweg – erneut opferte.7 Ein Rechtssystem, daß solche Opfer verlangt, greift tief in die (zeitgründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers, 1977; Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, 1977. 3 Oben Erster Teil, § 3 I. 2., S. 92 ff. 4 Eine solche Nachbesserungspfl icht forderte schon Lieb, Gutachten, S. 183, 211. Für die neue Rechtslage Peukert, AcP 205 (2005), 430, 461. 5 Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 42. Diese Argumentation wurde schon nach der alten Rechtslage zur Minderung vorgetragen. Hier läßt sie sich freilich weiterhin hören, vgl. Otto, ebenda, und unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (b), S. 394 ff. 6 Vgl. dazu bereits oben Erster Teil, § 3 I. 2., S. 92 ff. 7 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 255: „Zur Debatte steht jetzt in erster Linie die Mehrinvestition von Zeit.“

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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liche) Souveränität einer Person ein. Das mögliche Unbehagen an einer unbeschränkten Nacherfüllungspflicht beim Dienstvertrag darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Nacherfüllung bei nicht ordnungsgemäßer Leistung aus einem Kauf-, Werk- oder Mietvertrag mit erheblichen Opfern, eben auch zeitlichen Opfern, des Schuldners einhergehen kann. Entsprechend stößt die Nacherfüllungspflicht bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen auf weniger Bedenken; nur bei zeitbezogenen Dienstverträgen, insbesondere bei Arbeitsverträgen, könnte Zurückhaltung geboten sein. In der Tat wird sich für den Arbeitsvertrag ein weitgehender Ausschluß der Nacherfüllungspfl icht als angemessen erweisen. 8 Im übrigen kann den Bedenken, eine Nacherfüllungspflicht etwa bei schlecht oder teilweise schlecht erbrachten Leistungen verlange dem Dienstverpflichteten zuviel ab, keinesfalls durch eine generelle Negation des Nacherfüllungsanspruchs begegnet werden. Ob und wo die Grenzen der rechtsgeschäftlichen Leistungspflicht erreicht werden, kann vielmehr nur im Einzelfall, insbesondere im Rahmen des § 275 BGB, geprüft werden.9 Letztlich bleibt das Persönlichkeitsrecht des Dienstverpfl ichteten jedoch stets wegen § 888 Abs. 3 ZPO, der die mangelnde Vollstreckbarkeit der (Nach-)Erfüllungspflicht festlegt, unangetastet. § 888 Abs. 3 ZPO darf allerdings auch nicht dazu verleiten, die Nacherfüllungspflicht des Dienstverpflichteten generell als praktisch irrelevant abzutun. Auch die ursprüngliche Erfüllungspfl icht ist nicht wegen § 888 Abs. 3 BGB bedeutungslos. Sie wandelt sich, wie der Nacherfüllungsanspruch, ggf. in einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Zudem vergißt der Jurist allzu leicht, daß Pflichten im praktischen Regelfall freiwillig erfüllt werden. Die Leistungsklage auf Nacherfüllung klärt die Rechtslage; ihr ist deshalb das Rechtsschutzbedürfnis nicht zu versagen.10 Schließlich kann der Dienstberechtigte, sofern die Dienste im konkreten Einzelfall als „vertretbare Handlung“ anzusehen sind, einen Antrag auf Ersatzvornahme gem. § 887 Abs. 1 ZPO stellen.11 Eine Ersatzvornahme durch den Dienstberechtigten wird dem Dienstverpflichteten als Erfüllung zugerechnet.12 2. Erlöschen der Nacherfüllungspfl icht Bevor auf die für das Erlöschen vertraglicher Leistungspfl ichten zentrale Vorschrift des § 275 BGB eingegangen wird, ist für den Dienstvertrag zunächst auf die Besonderheiten des § 615 BGB hinzuweisen. 8

Dazu unten Dritter Teil, § 7 I. 2., S. 450 ff. Vgl. unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (bb), S. 355 ff. 10 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 71. 11 Für das Arbeitsrecht MünchArb/Blomeyer § 50 Rn. 2 m.w.Nachw. zum Streit um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitsleistungen als vertretbare Handlungen i. S. der Norm anzusehen sind oder nicht. 12 Weiterführend Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 110 ff. 9

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

a) § 615 BGB Eine die Vorschrift des § 275 BGB verdrängende, weil speziellere Norm ist § 615 BGB. Wie oben dargelegt,13 werden von § 615 BGB sämtliche Fälle erfaßt, in denen die vom Gläubiger einzubringenden Leistungssubstrate im vereinbarten Leistungszeitraum versagen: Der Nachhilfeschüler erscheint nicht zum Unterricht, der Patient nicht zum Arzttermin bzw. er erscheint, ist aber schon genesen,14 der Operntenor muß feststellen, daß das Opernhaus niedergebrannt ist. Die Norm regelt freilich in erster Linie die Vergütungsgefahr: Der Gläubiger muß die Vergütung auch dann zahlen, wenn die Leistung nicht oder nicht vollständig erbracht werden kann, weil ein Umstand, der aus seiner Sphäre herrührt (z. B. eine Anweisung von ihm, das von ihm zu stellende Arbeitsmaterial, sein Betrieb oder seine eigene Person, wenn er selbst Leistungssubstrat ist), die Annahme der Leistung unmöglich macht (sog. Annahmeunmöglichkeit15). Gleichzeitig bestimmt die Norm aber in Satz 1, daß der Dienstverpflichtete die Vergütung verlangen kann, „ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein“. Die Norm läßt also auch die Leistungspfl icht entfallen. Der Anwendungsbereich der Norm beschränkt sich allerdings auf die Fälle, in denen der Dienstverpflichtete leistungsbereit und leistungsfähig im vereinbarten Leistungszeitraum die Tätigkeit aufnehmen will.16 Hat indes der Dienstverpflichtete seine Leistung nicht zur vereinbarten Zeit angeboten, sind die allgemeinen Vorschriften einschlägig. Kurz gefaßt: § 615 BGB läßt die Leistungspflicht entfallen, wenn der Dienstverpflichtete die Dienste ordnungsgemäß zur vereinbarten Zeit anbietet, der Dienstberechtigte sie hingegen nicht annehmen will oder die Dienste wegen eines fehlenden, vom Dienstberechtigten zu stellenden Leistungssubstrats nicht erbracht werden können. Dieser einfache, dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm angemessene Rechtssatz unterliegt freilich seit Schaffung des BGB einer heftigen, im Ergebnis allerdings wenig ertragreichen Diskussion, die bis heute anhält17 und die mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes erneut entfacht wurde.18 Es wurde bereits dargelegt, daß § 615 BGB den angeblichen Dualismus von Unmöglichkeit und Annahmeverzug zugunsten einer pragmatischen Lösung überwindet.19 § 615 BGB findet Anwendung, wenn die Leistung der Dienste unmöglich wurde (also bei sog. absoluter Fix13

Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), S. 71 ff. Zur Verbindlichkeit solcher Termine allerdings oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb), S. 234. 15 Picker, JZ 1985, 693, 698 ff. 16 Vgl. nur BAG (Urt. v. 19. 5. 2004) AP Nr. 108 zu § 615 BGB m.w.Nachw.; BAG (Urt. v. 24. 9. 2003) NZA 2003, 1387 f. 17 Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), S. 71 ff. Eine umfassende Aufarbeitung der Literatur findet sich bei Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, 1996. 18 Vgl. nur Hellfeier, Die Leistungszeit im Arbeitsverhältnis, 2003. 19 Vgl. Picker, JZ 1979, 285, 290 ff.; ders., JZ 1985, 693 ff.; ders., FS Kissel, S. 813, 816 ff.; 14

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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schuld); § 615 findet aber ebenfalls Anwendung, wenn die Leistung der Dienste nicht unmöglich wurde, wenn die Dienste also nachgeholt werden könnten. (1) Anwendung des § 615 BGB auf sog. absolute Fixschulden In der Literatur wird teilweise angenommen, § 615 BGB könne auf sog. absolute Fixschulden keine Anwendung finden, weil bei diesen die Leistungspflicht schon gem. § 275 BGB entfalle. Da § 615 BGB die Pflicht zur Nachleistung entfallen lasse, müsse in den Fällen des § 615 BGB stets eine solche Pflicht zur Nachleistung bestanden haben, „denn die Befreiung von einer nicht bestehenden Pflicht sei denklogisch ausgeschlossen.“20 Dem ist zu widersprechen: Ob die Befreiung von einer nicht bestehenden Pflicht wirklich rechtstheoretisch ausgeschlossen ist, bleibt angesichts der Lehre von den Doppelwirkungen im Recht 21 sehr zweifelhaft. „Je mehr man Rechtswirkungen als, sei es nun mechanische oder organische, jedenfalls körperweltliche Wirkungen auffaßt, desto mehr türmen sich Schwierigkeiten einer innerlich befriedigenden Auffassung mancher Probleme entgegen.“22 Die Überzeugungskraft dieser Lehre kann jedoch hier dahinstehen. Der Anwendungsbereich einer Norm regelt sich nach den Tatbestandsvoraussetzungen, nicht nach den Rechtsfolgen. Der vorrangige Sinn und Zweck des § 615 BGB ist es, dem Dienstverpflichteten die Vergütung für den vereinbarten Leistungszeitraum zu erhalten. Soweit die Verpflichtung zur Nachleistung noch besteht (weil keine Unmöglichkeit vorliegt), kann diese Rechtsfolge eben nur erreicht werden, indem die Nachleistungspfl icht aufgehoben wird. Ob im Einzelfall auch aus anderen Gründen – eben wegen des Bestehens einer sog. absoluten Fixschuld – die Dienste nicht mehr erbracht werden müssen, spielt für den Anwendungsbereich der Norm keine Rolle. (2) Anwendung des § 615 BGB auf nachholbare Dienste Es leuchtet aber auch nicht ein, daß § 615 BGB ausschließlich auf sog. absolute Fixgeschäfte Anwendung finden soll. 23 § 615 BGB enthält eine Gefahrtragungsregel für die Fälle, in denen die Erfüllung der Leistungspflicht unmöglich wird, weil die Dienste nicht nachgeholt werden können. Sie enthält aber auch eine Gefahrtragungsregelung für die Fälle, in denen die Nachholung der Dienste ders., Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 553 ff. Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), S. 71 ff. 20 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 337 f. m.w.Nachw. Ähnlich Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 122 ff. m.w.Nachw.; Hellfeier, Die Leistungszeit im Arbeitsverhältnis, S. 86 ff. m.w.Nachw.; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 12. 21 Grundlegend Kipp, FS Martitz, S. 211, 223 ff.: Weiterführend Flume, Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 11 ff. Diese Lehre ist freilich nicht unwidersprochen geblieben, vgl. MünchKomm/Mayer-Maly/Busche § 142 Rn. 11 m.w.Nachw. 22 Kipp, ebenda, S. 220. 23 Dahingehend aber Picker, FS Kissel, S. 813, 821 ff.

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noch möglich ist. „Der maßgebliche Grund“ für die Schaffung der Norm „ist auch heute noch derselbe, von dem auch schon die erste Kommission ausgegangen ist: Wenn der Dienstberechtigte den Dienstverpflichteten für feste Zeit angestellt hat, muß es nach dem Sinn des Vertrags sein Risiko sein, ob er für die Dienstleistung Verwendung hat oder nicht.“24 Es ist gar nicht notwendig, daß sich aus dem Charakter der Vereinbarung des Leistungszeitraums die Rechtsfolge der Unmöglichkeit ergeben kann. 25 Es genügt, daß die Vertragsparteien einen bestimmten Leistungszeitraum vereinbart haben. Der in § 615 BGB formulierte Annahmeverzug sollte unabhängig von einer etwaigen Unmöglichkeit eintreten; das bedeutet nicht, daß stets eine Unmöglichkeit vorliegen mußte. Für die Anwendung der Norm ist es daher auch gleichgültig, ob „das Leistungshindernis, das den Dienstberechtigten an der Annahme der Dienste hindert, ein vorübergehendes oder ein dauerndes ist.“26 Es ist zwar zutreffend, daß im Ausnahmefall die Gefahrtragungsregelung in § 615 S. 1 BGB die Interessen des Dienstberechtigten zu wenig schützt, nämlich dann, wenn dem Dienstverpflichteten die Verschiebung des Leistungszeitraums ohne weiteres zumutbar wäre, insbesondere weil er in diesem Zeitraum andere Tätigkeiten gewinnbringend ausüben könnte. Eine solche zeitliche Flexibilität ist indes bei zeitbestimmten Dienstverträgen, insbesondere bei Arbeitsverträgen, eher selten. 27 Bei erfolgsbestimmten Dienstverträgen kann dem Dienstverpflichteten die Verschiebung des vereinbarten (!) Leistungszeitraums eher zumutbar sein. Diese Konstellationen müssen im Wege einer weiten Auslegung des § 615 S. 2 BGB, notfalls gem. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB bewältigt werden. (3) Anwendung des § 615 BGB auf die Nacherfüllungspfl icht bei nicht ordnungsgemäß geleisteten Diensten § 615 BGB findet auch Anwendung, wenn der Dienstverpflichtete die Dienste nicht ordnungsgemäß geleistet hat. Satz 1 der Norm läßt den Anspruch auf Nacherfüllung, z. B. auf Erbringung einer fehlenden Teilleistung oder auf „Behebung des Mangels“ bei Schlechtleistung, entfallen, wenn die mangelnde Ordnungsgemäßheit der Leistung ihren Grund in einem Versagen des Gläubigersubstrats hat, der Dienstverpflichtete hingegen zur vereinbarten Leistungszeit erschienen war und er die Leistung ordnungsgemäß hätte erbringen kön24

Huber, Leistungsstörungen, § 10 V. 5., Hervorhebung d. Verf. Dies sieht an sich auch Picker, FS Kissel, S. 813, 823, wenn er ausführt, daß § 615 BGB auch Anwendung fi ndet, wenn die versprochenen Dienste zwar zeitweilig unerbringbar, aber tatsächlich noch nachgeholt werden können. Picker meint jedoch, aus der zeitweiligen Unerbringbarkeit die Unmöglichkeit normativ folgern zu müssen, damit die Gefahrtragungsregelung Anwendung fi nden könne. 26 Huber, Leistungsstörungen, § 10 V. 5. 27 So auch Picker, FS Kissel, S. 813, 824. 25

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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nen. Eine Nacherfüllung kommt also nicht in Betracht, wenn der Nachhilfeschüler nach der Hälfte des Unterrichts auf den Fußballplatz verschwindet oder wenn er seine Notizen, die eine konzentrierte Vorbereitung auf die Klausur hätten ermöglichen sollen, in der Schule vergißt, so daß die Vorbereitung stattfinden kann, aber – im Verhältnis zur vertraglichen Vereinbarung – nur schlecht. Soweit die besonderen Voraussetzungen des § 615 BGB nicht vorliegen, ist auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen. b) § 275 BGB Der Anspruch auf Erfüllung oder Nacherfüllung erlischt gem. § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit ex lege sowie gem. § 275 Abs. 2 und 3 BGB wegen besonderer Leistungserschwerung, wenn sich der Schuldner auf das ihm dort gewährte Leistungsverweigerungsrecht beruft. Die Vorschrift erfaßt den Fall der Unmöglichkeit der Erbringung der gesamten Leistung, aber auch die Fälle, in denen die Erfüllung oder Nacherfüllung nur partiell unmöglich ist. 28 § 275 BGB wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingefügt und hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einige Änderungen erfahren. 29 Mit der Einführung der Norm kann auf die bisherigen Kategorien der Unmöglichkeit nur noch mit Vorsicht zurückgegriffen werden. 30 Insgesamt sieht sich die Norm heftiger Kritik ausgesetzt. 31 Eine erste umfassende Darstellung der Problematik, die notwendigerweise auch die frühere Rechtslage und das historische Schrifttum berücksichtigt, ist bereits vorgelegt. 32 Grundsätzlich ist anzumerken, daß mit dem Ausschluß der Erfüllungspfl icht gem. § 275 BGB nicht mit zwingender Notwendigkeit zugleich festgestellt ist, daß der Dienstverpfl ichtete die Tätigkeit nicht mehr erbringen muß. Kann der Dienstberechtigte wegen der nicht oder defizitär geleisteten Dienste Schadensersatz verlangen, könnte er verpfl ichtet sein, den Schaden nach § 249 S. 1 BGB in natura zu ersetzen.33

28

In Abs. 1 und 2 der Norm wird dies durch die Konjunktion „soweit“ zum Ausdruck gebracht. In Absatz 3 fi ndet sich statt dessen „wenn“. Dazu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (3) (a), S. 365 f. 29 Ausführliche Darstellung bei Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 25 ff., 55 ff. 30 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 4. 31 U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2140 ff., insbes. 2147; ders., FS Schlechtriem, S. 521, 556 ff., insbes. S. 565; Picker, JZ 2003, 1035 ff. Vgl. auch Ackermann, JZ 2002, 378, 382 ff.; Richardi, NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14 ff. Umfassende Nachweise bei Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, insbesondere S. 75 Fn. 1, sowie Lobinger selbst. Der Kritik tritt vor allem entgegen Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, 5, 10 ff. m.w.Nachw.; ders., JZ 2004, 214, 220 ff.; ders., JZ 2001, 499 ff. 32 Lobinger, ebenda, 2004. 33 Dazu unten Zweiter Teil, § 5 II. 2., S. 371 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

(1) § 275 Abs. 1 BGB (a) „Unmöglichkeit für den Schuldner“ Nach § 275 Abs. 1 BGB erlischt der Erfüllungsanspruch, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich wird. In der Literatur werden die Fälle der Unmöglichkeit bei höchstpersönlichen Leistungspfl ichten teilweise der zweiten Alternative zugeordnet. 34 Dem ist jedenfalls für den Regelfall des Dienstvertrages zu widersprechen. Für die Verpflichtung zur Leistung von Diensten, die „im Zweifel“ eine höchstpersönliche Pfl icht ist (§ 613 S. 1 BGB), greift in aller Regel die erste Alternative, also die „Unmöglichkeit für den Schuldner“35 ein. 36 Die Verpflichtung zur Leistung von Diensten ist eben keine „Gattungsschuld“ in bezug auf die Person des Leistenden. Nach dem Willen der Vertragsparteien kommt es für die Tätigkeit gerade auf die Person des Schuldners an. Da der Dienstverpflichtete keinen Erfolg verspricht, will der Gläubiger zu einem gewissen Teil darauf vertrauen dürfen, daß der Dienstverpflichtete die Tätigkeit ordnungsgemäß verrichten wird. Da er die Leistungserbringung kontrollieren und steuern will, muß er darauf vertrauen, daß die Kooperation mit dem Dienstverpflichteten funktionieren wird. Eine „Auswechslung“ des Leistungserbringers entspricht den Interessen des Gläubigers also regelmäßig nicht. Wenn der Dienstverpflichtete verhindert ist, wird der Dienstberechtigte selbst – im Rahmen eines neuen Rechtsgeschäfts – einen anderen Vertragspartner suchen wollen. Und auch der Dienstverpfl ichtete ist im Regelfall nicht bereit, für den Fall eigener Verhinderung einen „Ersatzmann“ zu stellen. Anders als der Verkäufer einer Gattungssache beschafft er nicht nur abstrakten Ersatz für den Leistungsgegenstand; vielmehr wäre er gezwungen, einen eigenen Konkurrenten „ins Geschäft zu bringen“. Es entspricht daher regelmäßig dem Willen beider Vertragsparteien, daß ausschließlich der Dienstverpflichtete in eigener Person die Leistung erbringen können soll. Wenn aber nach dem Inhalt der Vereinbarung ausschließlich der Schuldner die Leistung erbringen darf, macht es keinen Sinn zu prüfen, ob die Leistung „für jedermann“ unmöglich geworden ist.

34

MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 38 f., vgl. aber andererseits Rn. 55. Zum Begriff MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 51, der überzeugend darlegt, daß die für die alten Rechtslage verwandten Begriffe der subjektiven Unmöglichkeit bzw. des Unvermögens nicht deckungsgleich sind. 36 So auch Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 90a; Richardi, NZA 2002, 1004, 1006; ders., NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14 f. 35

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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(b) Fälle der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB (aa) Unmöglichkeit wegen endgültigen Wegfalls der Leistungsfähigkeit des Schuldners Daraus ergibt sich als Konsequenz, daß Unmöglichkeit i. S. des § 275 Abs. 1 BGB jedenfalls vorliegt, wenn der Dienstverpflichtete in der Zukunft nicht mehr fähig sein wird, die Leistung zu erbringen. 37 Unmöglichkeit liegt also vor, wenn dem engagierten Pianist „die Hand abgenommen wird“38 oder wenn die Tätigkeit etwa wegen der Überschreitung einer Altersgrenze, des endgültigen Verlusts einer Qualifikation oder eines Amtes aus rechtlichen Gründen nicht mehr vorgenommen werden darf. 39 Der Erfüllungsanspruch des Dienstberechtigten entfällt. Auf die Frage, ob der Dienstverpfl ichtete den Verlust seiner Leistungsfähigkeit zu vertreten hatte, kommt es nach dem Wortlaut der Norm nicht an. Ein Grund, diese Wortlautgrenze durch Auslegung zu korrigieren – wie in der Literatur vorgeschlagen wird – 40 , ist für die genannten Fallgestaltungen nicht ersichtlich. (bb) Unmöglichkeit wegen fehlender Nachholbarkeit Bei der „Unmöglichkeit für den Schuldner“ gilt für den Dienstvertrag, was für alle Schuldverträge gilt: Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, daß ihm die Leistung unmöglich sei, weil der vereinbarte Leistungszeitraum mittlerweile in der Vergangenheit liegt; auch für den Dienstvertrag gibt es keine solche zeitliche Unmöglichkeit.41 Es ist deshalb mißverständlich, wenn be37

Vgl. bereits Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 56 I. 6. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 66, der allerdings das Beispiel eines Malers und damit einen Werkvertrag nennt. Vgl. auch AG Mannheim (Urt. v. 2. 10. 1990) NJW 1991, 1490 (betr. Unmöglichkeit eines Vertrags über den Besuch eines Konzerts [Werkvertrag] bei Tod des Dirigenten); P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2. Rn. 12. 39 Bamberger/H.Roth/Grüneberg § 275 Rn. 12; Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 616; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 390, 394. Kritisch zur Annahme „wirklicher Unmöglichkeit“ wegen der Möglichkeit der Übertretung rechtlicher Verbote, Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 83 m.w.Nachw. Vgl. dazu umfassend Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 29. 40 Allgemein Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 249 ff. 41 So bereits Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 67: „Diejenigen Hindernisse in der Person des Schuldners, welche nur eine vorübergehende Natur haben, wie z. B. die nothwendige Abwesenheit und in der Regel auch die Krankheit des Schuldners, können selbst bei solchen Leistungen, welche von dem Verpfl ichteten persönlich beschafft werden müssen, nur dann eine völlige Unmöglichkeit, wie sie zur Bewirkung einer vollständigen Befreiung des Schuldners erforderlich ist, herbeiführen, wenn die Erfüllung der Obligation in der Weise an einen bestimmten Zeitraum gebunden ist, daß sie nach Ablauf desselben nicht mehr erfüllt werden kann.“ Eine ausführliche Darstellung mit zahlreichen Nachweisen findet sich bei Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 64 ff. Die vorübergehende Nichterfüllung ist auch keine „Teilunmöglichkeit in der Zeit“, zutreffend Arnold, JZ 2002, 866, 868 f., anders noch die Begründung des Regierungsentwurfs, BT38

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

hauptet wird, die Verpflichtung zur Leistung von Diensten sei eine „zeitliche Speziesschuld“42 oder die nachgeholte Dienstleistung sei „eine andere als die ursprünglich geschuldete Dienstleistung“43. Dies ist zwar für die Frage der tatbestandlichen Nichterfüllung, die oben dargestellt wurde, (meist) zutreffend.44 Für die Frage der Unmöglichkeit muß hingegen die Leistungszeit als funktionsbestimmendes Leistungsmerkmal ausgeklammert werden. Nichterfüllung wegen des Versäumens der vereinbarten Leistungszeit bedeutet eben nach der gesetzlichen Wertung nur eine Verzögerung der Leistung, die Verzug begründen kann. Unmöglichkeit i. S. der Norm liegt nur vor, wenn die Dienste auch in der Zukunft nicht mehr erbracht werden können. Daneben ist § 275 Abs. 1 BGB auch auf die sog. vorübergehende Unmöglichkeit anwendbar. 45 Vorübergehende Unmöglichkeit liegt bei einem Dienstvertrag vor allem vor, wenn die Erbringung der Leistung wegen Krankheit vorläufig ausgeschlossen ist, etwa wenn der engagierte Schauspieler mit einem Beinbruch im Krankenhaus liegt. In der Regel ist jedoch § 275 Abs. 3 BGB einschlägig, weil es sich um ein vorübergehendes, unzumutbares Leistungshindernis handelt. 46

Zumeist werden die Dienste auch in der Zukunft nicht mehr nachholbar sein, wenn die Leistung überhaupt nur im Rahmen des festgelegten Leistungszeitraums erfolgen konnte, wenn also ein sog. absolutes Fixgeschäft vorliegt. Liegt der vereinbarte Leistungszeitraum dann in der Vergangenheit, tritt Unmöglichkeit ein. Zwingend ist diese Beschränkung auf den Leistungszeitraum jedoch nicht. Unmöglichkeit liegt auch vor, wenn nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums die Leistung noch hätte erbracht werden können, sie aber mittlerweile eben nicht mehr erbracht werden kann. Die Frage, unter welchen Umständen die versprochenen Dienste in der Zukunft nicht mehr erbracht werden können, insbesondere unter welchen Umständen also ein sog. absolutes Fixgeschäft vorliegt, läßt sich nicht allein durch die Zuordnung unter bestimmte Begriffe wie „wirkliche“ Unmöglichkeit47 oder „unüberwindbares Leistungshindernis“48 beantworten. Wirklich unüberwindbar ist nur Weniges. Der Begriff der Unmöglichkeit ist, wie im Schrifttum bereits hinreichend herausgearbeitet wurde, kein physikalischer. Drucks. 14/6040, S. 189. Vgl. auch oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (2) und III. 2. b) (1) (a) (bb), S. 220 ff. und S. 268 ff. 42 Vgl. oben die in § 3 Fn. 242, 243 und 251 Genannten. 43 Richardi, NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14, 15, Hervorhebung d. Verf. 44 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (bb), S. 232 ff. 45 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 308 ff. m.w.Nachw. auch zur Gegenansicht; Arnold, JZ 2002, 866, 868 ff.; Wieser, MDR 2002, 858, 861 f. Zur alten Rechtslage Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 3 I. 2. b), § 4 II. 2. A. A. Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitsspfl icht, S. 60 f. m.w.Nachw. 46 Vgl. daher unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (3) (c), S. 367 f. 47 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 129. 48 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 51.

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Er ist ein normativer.49 Beim Dienstvertrag geht es immer nur um die Frage: Schuldet der Dienstverpflichtete die Nachholung und schuldet er den Aufwand, der zur Ermöglichung der Nachholung notwendig ist? 50 Auf diese Frage muß durch Auslegung des § 275 Abs. 1 bis 3 BGB und des § 615 BGB eine angemessene Antwort gefunden werden. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, daß § 275 Abs. 1 BGB die Leistungspflicht des Schuldners entfallen läßt, ohne daß es auf das Vertretenmüssen des Schuldners oder die Interessen des Gläubigers an der Leistung ankommt. Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB sollte daher nur in Betracht kommen, wenn die Nachholung der Leistung nach der vertraglichen Vereinbarung und dem in dieser Vereinbarung zum Ausdruck kommenden Interesse des Gläubigers auch dann nicht geschuldet sein sollte, wenn der Schuldner das Leistungshindernis vorsätzlich herbeigeführt hätte. 51 Das gilt gerade auch für den Dienstvertrag. Es ist davor zu warnen, dem konkret zu beurteilenden Dienstvertrag ohne weiteres eine absolute Fixschuld zu entnehmen und damit den Schuldner von der Leistungspflicht zu befreien, obwohl der Gläubiger möglicherweise an der Erbringung der Leistung ein erhebliches Interesse hätte. 52 Beispiel: Für den sechzigsten Geburtstag seines Vaters ist es A gelungen, den bekannten Tenor X zu engagieren. X erkrankt jedoch am betreffenden Abend schwer und muß das Bett hüten. 53 Es liegt nahe, hier eine sog. absolute Fixschuld anzunehmen und mit diesem „Argument“ die Leistungspfl icht gem. § 275 Abs. 1 BGB entfallen zu lassen. § 275 Abs. 1 BGB greift jedoch unabhängig vom Verschulden ein. Auch wenn X also, z. B. um eine lukrativere Gelegenheit wahrzunehmen, nicht erschiene, würde ihn § 275 Abs. 1 BGB von der Leistungspfl icht befreien. Trotz des vorsätzlichen Verhaltens des X bliebe dann das Interesse des A daran, daß X die Tätigkeit nachholt, also z. B. bei einer anderen Feierlichkeit oder beim nächsten Geburtstag des Vaters auftritt, völlig unberücksichtigt.

Es gibt jedoch durchaus Fallgestaltungen, in denen die Nachholung der Leistung auch dann nicht geschuldet sein soll, wenn der Schuldner das Leistungshindernis vorsätzlich herbeigeführt hat. So scheidet eine Nachholung auch unter diesen Voraussetzungen aus, wenn die Rechtsordnung dem Schuldner 49 Vgl. nur Picker, FS Kissel, S. 813, 822. Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 163 ff.; Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 560 Fn. 105; Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl icht, S. 82 ff. Anders in der Tendenz die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 129, dem folgend Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 89. 50 Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 83 und ff. 51 Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 251 f. Der von Lobinger, ebenda, S. 249 ff., alternativ vorgeschlagene Lösungsweg über die Naturalrestitution ist m. E. abzulehnen, dazu unten Zweiter Teil, § 5 II. 2., S. 371 ff. 52 Für eine differenzierende Betrachtung auch Bamberger/H.Roth/Grüneberg § 275 Rn. 21; Arnold, JZ 2002, 866, 870. 53 Zur Qualifikation solcher Verträge als Dienst- oder Werkvertrag vgl. oben § 4 Fn. 27.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

die Tätigkeit nunmehr verbietet. 54 Die Nachholung scheidet aber auch dann aus, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung die Nachholung nach den im Vertrag zum Ausdruck kommenden Interessen des Gläubigers sinnlos wäre. Dies ist in der Tat bei den sog. absoluten Fixgeschäften vielfach der Fall. Ein sog. absolutes Fixgeschäft soll vorliegen, wenn der vereinbarte Leistungszeitraum für die Leistungserbringung „derart wichtig ist, daß die Leistung . . . danach . . . überhaupt nicht mehr erbracht werden kann, weil sie jetzt eine völlig andere wäre, mit der der Leistungszweck des Gläubigers nicht mehr erreicht werden kann.“55 Dieser Formulierung ist zuzustimmen, weil sie treffend auf den „Leistungszweck des Gläubigers“ abstellt; alles hängt nun von der richtigen – weiten – Interpretation des Begriffs „Leistungszweck“ ab. Der Begriff ist deshalb für die praktische Anwendung bei Dienstvertragsfällen weniger gut geeignet, weil er dazu verleitet, die Interessen des Gläubigers auf den konkreten zeitlichen Anlaß (sechzigster Geburtstag) zu beschränken. Dadurch werden jedoch die Interessen des Gläubigers, wie der Beispielsfall illustriert, zu stark verkürzt. Nach der eigenen oben 56 für den Dienstvertrag entwickelten Terminologie wäre demgegenüber von einer „Unmöglichkeit für den Schuldner“ auszugehen, wenn jede Leistung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr geeignet wäre, die vertraglich vereinbarte Funktion (sei es auch nur schlecht) zu erfüllen. Jede spätere Leistung wäre also eine Nichtleistung – ein aliud – zu der geschuldeten. Dabei bestimmt sich, wie oben ausgeführt, die Funktion nach den im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Interessen des Gläubigers. Im Beispielsfall besteht die Funktion der Tätigkeit im Auftritt des Tenors anläßlich einer Feierlichkeit. Anders als oben – für den Begriff der Nichtleistung – dargelegt, wird die Funktion an dieser Stelle nicht mehr, auch nicht für den zeitbezogenen Dienstvertrag, durch die zeitlichen Bestimmung des Leistungsrahmens defi niert, da es eben eine solche „zeitliche Unmöglichkeit“ nicht gibt. Die Funktion kann X immer noch erfüllen. Es steht den Vertragsparteien selbstverständlich frei, bei Vertragsschluß die Funktion durch die Bestimmung weiterer Eigenschaften zu verengen. So könnten sie auch vereinbaren, daß der Auftritt ausschließlich am sechzigsten Geburtstag stattfi nden soll. Jede derartige Einengung der Funktion müßte jedoch X darlegen und beweisen. Fälle, in denen die Leistungspflicht gem. § 275 Abs. 1 BGB entfiele, wären z. B.: Der Nachhilfelehrer sollte auf die Abiturprüfung vorbereiten, doch hat der Schüler das Abitur mittlerweile bestanden; der zu heilende Patient ist bereits wieder gesund bzw. verstorben; die zu beschattende Ehefrau hat den Detektiv in seiner Eigenschaft als solcher mittlerweile erkannt.

Eine „Unmöglichkeit für den Schuldner“ kann aber auch beim Dienstvertrag, wie bei anderen Vertragstypen, vorliegen, wenn die Funktion der Tätigkeit an sich noch erreicht werden kann, ihre Erreichung aber „praktisch“ unmöglich 54 55 56

Oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (aa), S. 355. MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 46. Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 f.

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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ist, weil der Leistungsaufwand so hoch wäre, daß die „Vergleichsrechnung“ des § 275 Abs. 2 BGB sinnlos erschiene.57 Das viel zitierte Beispiel des im See versunkenen Ringes, den der Verkäufer nun nicht mehr leisten muß, 58 ließe sich auch auf den Dienstvertrag übertragen: Der Statist, der zugesagt hat, an einer Fernsehproduktion in einer bestimmten eigenen historischen Ritterrüstung mitzuwirken, wird von seiner Leistungspflicht gem. § 275 Abs. 1 BGB frei, wenn der Dampfer, der die Rüstung zum Drehort transportiert, im Meer versinkt. Schwieriger wird die Zuordnung bereits, wenn der vom Dienstverpfl ichteten zu überwindende Leistungsaufwand darin besteht, für die Nachholung der Tätigkeit andere Personen oder Sachen, die für die Erreichung der Funktion der Tätigkeit notwendig sind, die aber ursprünglich der Dienstberechtigte hätte stellen müssen (Gläubigersubstrate), zu „beschaffen“. Beispiel: Musikstudent A verpfl ichtet sich als sog. Notenblattwender im Rahmen eines Klavierkonzerts des berühmten Pianisten P. Den betreffenden Abend verbringt er dann aber doch lieber im Kino. Die Nachholung der Tätigkeit ist nicht „wirklich“ unmöglich, nur müßte P, das Orchester, der Konzertsaal usw. erneut finanziert werden. Ein solch exorbitanter Aufwand führt zur praktischen Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB und läßt die Leistungspfl icht des A unabhängig von seinem Vertretenmüssen entfallen. 59

(2) § 275 Abs. 2 BGB (a) Anwendbarkeit der Norm auf die Verpfl ichtung zur Leistung von Diensten Bei der Verpflichtung zur Leistung von Diensten handelt es sich im Zweifel und im tatsächlichen Regelfall um eine Verpfl ichtung zur persönlichen Erbringung der Leistung gem. § 275 Abs. 3 BGB. Damit stellt sich die Frage, ob das Leistungsverweigerungsrecht aus dieser Norm lex specialis zu § 275 Abs. 2 BGB ist, so daß Absatz 2 für den Dienstvertrag praktisch bedeutungslos wäre. Ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Normen wird in der Literatur für möglich gehalten, 60 von einigen Autoren sogar ausdrücklich bejaht.61 Der wenig geglückte Wortlaut des Absatzes 3 läßt kein eindeutiges Urteil zu. Zwar ist 57

Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 560 Fn. 105; ähnlich Canaris, JZ 2001, 499, 502. Dazu erhellend Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 87 f. Schon Heck, Schuldrecht, S. 89, nennt das Beispiel „[V]iel gebraucht“. 59 Dies würde nicht gelten, wenn der Dienstberechtigte weitere Konzerte veranstaltete und A bei diesen mitwirken könnte. Dann gilt das zum Beispielsfall ebenda, S. 358, Gesagte. 60 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 110, 117. Dafür spricht immerhin die Verwendung des Begriffs „Sonderregelung“ in der Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks. 14/6040, S. 130. 61 Bamberger/H.Roth/Grüneberg § 275 Rn. 37, 42; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 97; Lindemann, AuR 2002, 81, 82; Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 II. 2. 58

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

der Ausdruck „ferner“ dem gebräuchlicheren „weiter“ i. S. von „außerdem“ ähnlich; andererseits scheint der nachfolgende konditionale Nebensatz auszudrücken, daß Absatz 3 ein weiteres Leistungsverweigerungsrecht für die Fälle, d. h. eben die von Absatz 2 noch nicht erfaßten Fälle, der höchstpersönlichen Leistungserbringung begründen soll. Zuzugeben ist, daß eine Verdrängung des Absatzes 2 durch Absatz 3 jedenfalls im Ergebnis unschädlich wäre, wenn sichergestellt werden könnte, daß die Anforderungen an das Leistungsverweigerungsrecht in Absatz 3 in keinem Anwendungsfall strenger wären als die Anforderungen, die sich nach Absatz 2 stellten. Denn Absatz 3 sollte nach der Gesetzgebungsgeschichte die Position des höchstpersönlich Verpfl ichteten nicht erschweren, sondern verbessern.62 Dieser Intention des Gesetzgebers ist beizupflichten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Schuldner einer höchstpersönlichen Leistungsverpflichtung bezüglich der Leistungsverweigerung schlechter zu stellen als andere Schuldner. Würde ihm das Leistungsverweigerungsrecht nach Absatz 2 genommen, hinge die Erreichung des Schutzniveaus von Absatz 2 von der weiteren, in ihren Einzelheiten bereits sehr umstrittenen Frage ab, ob und inwieweit auch im Rahmen des Absatzes 3 das Vertretenmüssen des Schuldners (insbesondere auch das Nicht-Vertretenmüssen) zu berücksichtigen ist.63 Schon um die Position des zu einer höchstpersönlichen Leistung Verpflichteten nicht von diesen Eventualitäten abhängig zu machen, wird man ihm die Berufung auf Absatz 2 nicht verwehren dürfen. 64 (b) Verweigerung der Nachholung der Leistung wegen „groben Mißverhältnisses“ (aa) Die „eigentlichen Mehrkosten der Nachholung“ Nach § 275 Abs. 2 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn das Leistungshindernis überwindbar ist, der Aufwand hierfür aber in einem groben Mißverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Für die Bewertung des groben Mißverhältnisses sind der Inhalt des Schuldverhältnisses, das Gebot von Treu und Glauben sowie der Umstand ausschlaggebend, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht. Die Auslegung dieser Vorschrift ist in ihren Einzelheiten stark umstritten, wobei die vertretenen Positionen wiederum von der dogmatischen Grundfrage des Verhältnisses von Schuld und Haftung bestimmt werden. Im folgenden ist auf die 62 Vgl. die Darstellung bei Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 65 ff. 63 Vgl. dazu Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (3) (e), S. 369. 64 Im Ergebnis offenbar auch Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 616 f.; Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 221; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 391. Auch P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2. Rn. 90, der allerdings die Frage für praktisch bedeutungslos hält, vgl. andererseits sein anschauliches Beispiel in Rn. 83, 86.

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Auslegung der Norm nur einzugehen, soweit dienstvertragliche Besonderheiten dies erfordern. Diese Besonderheiten ergeben sich, wenn im vereinbarten Leistungszeitraum die Leistung nicht erbracht wurde und nunmehr der Aufwand für die Nachholung der Leistung zu bemessen ist. Bei einer Sachleistungsschuld liegen die Leistungshindernisse regelmäßig in Schwierigkeiten, die Sache an sich zu beschaffen, begründet. Führt dies zu einer Verzögerung, wird allein diese im Regelfall nicht zu Schwierigkeiten führen. Beim Dienstvertrag liegen die Dinge anders: Die Dienste an sich kann der Dienstverpflichtete normalerweise ohne weiteres „beschaffen“. 65 Kann er es nicht, liegt dies zumeist im dauerhaften Versagen seiner eigenen Leistungsfähigkeit; doch ist dann ein Fall des § 275 Abs. 1 BGB gegeben. Das Leistungshindernis nach Absatz 2 kann daher regelmäßig nur in dem Umstand begründet liegen, daß der Dienstvertrag so gut wie stets die Mitwirkung des Gläubigers und/oder der Gläubigersubstrate erfordert. 66 Werden die Dienste nachgeholt, muß auch die Mitwirkung des Gläubigers oder seiner Substrate nachgeholt werden, und diese Nachholung kann mit erheblichen materiellen (aber auch immateriellen) Kosten verbunden sein. Für die Bemessung des Mißverhältnisses nach Absatz 2 ist damit entscheidend, wer diese Kosten trägt. Allgemein läßt sich sagen, daß der Dienstberechtigte die Kosten für die Mitwirkung seiner eigenen Person oder seiner Leistungssubstrate nach der vertraglichen Vereinbarung so gut wie immer selber zu tragen hat. Eine Verlagerung der Kosten auf den Dienstverpflichteten kommt daher ohnehin nur in Betracht, wenn aufgrund der Nachholung zusätzliche Kosten anfallen. Welches aber sind die für die Bestimmung des „Aufwands“ im Rahmen des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB maßgeblichen zusätzlichen Kosten? Zunächst sind die Kosten nicht zu berücksichtigen, die dadurch entstehen, daß der Dienstberechtigte die Leistungssubstrate bereits einmal, nämlich zum vereinbarten Leistungstermin, vergeblich bereitgestellt hat, und er sie also zur Nachholung der Leistung ein zweites Mal bereitstellen müßte. Ob der Dienstverpflichtete diese Kosten zu tragen hat oder nicht, entscheidet sich anhand der Frage, ob der Dienstberechtigte diese Kosten als Verzögerungsschaden gem. § 280 Abs. 1 oder §§ 280 Abs. 2, 286 BGB67 von ihm ersetzt verlangen könnte. Der Schaden besteht dabei in dem Kostenaufwand für die vergebliche Bereithaltung der Leistungssubstrate zum ursprünglich vereinbarten Leistungstermin. Dieser Schadensersatzanspruch steht dem Dienstberechtigten stets, d. h. unabhängig von der Frage, ob der Dienstverpflichtete die Leistung nachholt oder nicht, zu. 65 Einen Ausnahmefall bildet z. B. der mittlerweile nach den USA übergesiedelte Nachhilfelehrer, der für die versäumte Stunde nach Deutschland reisen müßte. 66 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. a) (1) und (2), S. 218 ff. 67 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2., S. 320 ff.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Maßgeblich sind daher nur die Kosten, die entstehen, wenn die erneute Bereitstellung der Gläubigersubstrate teurer ist bzw. wäre als die Bereitstellung der Gläubigersubstrate zum vereinbarten Leistungstermin. Nur diese Differenzkosten, also die eigentlichen Mehrkosten der Nachholung, sind als Aufwand i. S. des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB in Anschlag zu bringen, soweit sie der Dienstberechtigte als Verzögerungsschaden verlangen kann. Dies hängt vor allem davon ab, ob der Dienstverpflichtete die Verzögerung zu vertreten hat. Hat er das Versäumen der Leistung im vereinbarten Leistungszeitraum nicht zu vertreten, schuldet er die Mehrkosten nicht, so daß diese auch nicht zu seinen Gunsten als Aufwand im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB gewichtet werden können. Im Falle des Vertretenmüssens sind die eigentlichen Mehrkosten der Nachholung als Aufwand zu berücksichtigen, nur fällt eben dieses Vertretenmüssen gem. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB dann wieder zum Nachteil des Dienstverpflichteten ins Gewicht. (bb) Grobes Mißverhältnis bei Nacherfüllungspfl icht nach nicht ordnungsgemäß geleisteten Diensten Der Dienstverpflichtete kann sich auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 275 Abs. 2 BGB auch berufen, wenn er die Dienste nicht ordnungsgemäß erbracht hat, und nunmehr die fehlenden „Teile“ oder den „Rest“ seiner Tätigkeit nachholen soll. Dies wird durch die Konjunktion „soweit“ zum Ausdruck gebracht. Dabei ist zu differenzieren: Hat der Dienstverpflichtete eine Teilleistung nicht erbracht, d. h. kann der Gläubiger mit den bereits geleisteten Diensten eine hier sog. eigenständige Teilfunktion nicht erreichen, 68 wird sich die Interessenlage kaum von der bei vollständiger Nichterbringung der Leistung unterscheiden. Insbesondere wird es auf die Gewichtung im Rahmen der Norm wenig Auswirkung haben, ob der Dienstverpflichtete im Rahmen eines zeitbezogenen Dienstvertrages den gesamten oder nur Teile des Leistungszeitraums über nicht tätig geworden ist. Hat der Dienstverpflichtete hingegen eine vollständige Schlechtleistung (oder eine Schlechtleistung mit integrierter ordnungsgemäßer Teilleistung) erbracht, und soll er nunmehr die Leistung – soweit sie „mangelhaft“ war – nachholen, kann sich die Abwägung verschieben. Das Leistungsinteresse des Gläubigers mag im Einzelfall weitgehend befriedigt sein: Die Tätigkeit war geeignet, sämtliche Teilfunktionen zu erfüllen; allerdings wurden alle oder einige Teilfunktionen nur schlecht erfüllt. Das Interesse des Schuldners kann demgegenüber wesentlich gegen die Nacherfüllung sprechen, vor allem bei zeitbezogenen Dienstverträgen. Denn die „Behebung des Mangels“ ist oft nur möglich, indem der Schuldner die gesamte Leistung noch einmal erbringt. Der Nachhilfelehrer, dessen Unterricht als Schlechtleistung zu qualifizieren war, kann die68

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 f.

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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sen „Mangel“ in der Regel nur beheben, indem er den gesamten Unterricht oder zumindest Teile des Unterrichts wiederholt. Daß allerdings das Interesse des Dienstverpflichteten an der Nichterbringung des „Leistungsrests“ tatsächlich einmal ein Leistungsverweigerungsrecht begründet, wird aufgrund der strengen Anforderungen, die an die Tatbestandsvoraussetzungen gestellt werden, selten sein. Es kommt vor allem darauf an, welche Bedeutung dem Vertretenmüssen des Schuldners beigemessen wird.69 Die Fälle, in denen der Schuldner die Schlechtleistung nicht zu vertreten hat, und diese auch nicht auf ein Versagen des Gläubigersubstrats zurückgeht (dann greift § 615 BGB), werden gleichwohl sehr selten sein. Gewährt man dem Dienstverpflichteten hingegen mit der hier vertretenen Meinung das Leistungsverweigerungsrecht aus § 635 Abs. 3 BGB analog, 70 wird ihm die Geltendmachung unzumutbaren Aufwands etwas erleichtert. (c) Ergebnis zu (2) Auch der zur Leistung von Diensten persönlich Verpflichtete kann sich auf § 275 Abs. 2 BGB berufen, allerdings werden die Voraussetzungen dieser Norm selten vorliegen. Will er die Leistung vor Beginn des vereinbarten Leistungszeitraums verweigern, müßte er geltend machen, daß er die Dienste nur mit einem erheblichen „Aufwand“ erbringen könnte. Ein solcher Aufwand könnte allenfalls darin zu sehen sein, daß er für die Dienste selber Sachen oder Personen einsetzen muß, die sich nun nur noch mit großem Aufwand „beschaffen“ lassen. Das wird selten praktisch werden. Dies gilt auch für die Verweigerung der Nachholung der Leistung. Der „Aufwand“ besteht hier nicht etwa in den Kosten der Nachholung an sich, sondern nur in den eigentlichen Mehrkosten dieser Nachholung, soweit sie der Dienstberechtigte als Verzögerungsschaden gem. § 280 Abs. 1 bzw. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB vom Dienstverpflichteten verlangen könnte. (3) § 275 Abs. 3 BGB Für den aus dem Dienstvertrag persönlich Verpflichteten ist das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB von größerer praktischer Relevanz. Die Norm stellt ab auf die Zumutbarkeit der Leistung unter Abwägung des Leistungshindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers. Zutreffend wird in der Literatur auf die wenig geglückte Formulierung hingewiesen. 71 Der Umstand des Hindernisses und die Interessen des Gläubigers gehören unterschiedlichen phänomenologischen Kategorien an und sind daher kaum miteinander 69

Vgl. dazu die unter Fn. 31 Genannten. Unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. c), S. 370 f. 71 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 115. Zur Kritik auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 84 ff. 70

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

vergleichbar. Man wird dem Leistungsinteresse des Gläubigers das Interesse des Schuldners, das Hindernis nicht überwinden zu müssen, gegenüberstellen. Dieses Interesse des Schuldners ist nicht nur an dem Hindernis an sich fest zu machen, sondern an allen Umständen, die mit der Überwindung des Hindernisses verbunden sind, auch mit den negativen Folgen72 dieser Überwindung. Wegen des systematischen Zusammenhangs mit Absatz 1 und 2 der Norm wird für die Unzumutbarkeit der Leistung ein strenger Maßstab gefordert; die Erbringung der Leistung müsse für den Schuldner in hohem Maße belastend sein.73 Im übrigen ist ungeklärt, wie das Vertretenmüssen des Leistungshindernisses im Rahmen der Norm zu berücksichtigen ist. 74 Es besteht auch im Ergebnis keine Einigkeit darüber, ob sich die Sängerin, deren Kind lebensgefährlich erkrankt ist, 75 der türkische Arbeitnehmer, der zum Wehrdienst in der Heimat unter Strafandrohung einberufen wird, 76 der Arbeitnehmer, der nahe Angehörige versorgen muß bzw. selbst gezwungen ist, einen Arzt-, Behördenoder Gerichtstermin wahrzunehmen,77 oder der zur Wahl gehen möchte, 78 auf die Norm berufen können. Auch ist umstritten, ob die Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen von der Norm erfaßt wird.79 Einstimmig wird hinge72

Für deren Einbeziehung in die Abwägung auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 115. 73 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 116; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 99 m.w.Nachw. 74 Vgl. unten Unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. c) (3) (e), S. 369. 75 So Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 130; Grunewald, Bürgerliches Recht, § 12 Rn. 18; KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse § 275 Rn. 19; Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 90; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 112 m.w.Nachw. Dagegen Canaris, JZ 2001, 499, 501, aber in bezug auf § 275 in der Fassung des Kommissionsentwurfs (abgedruckt ebenda S. 524). Beispiel schon bei Heck, Schuldrecht, S. 89: Tänzerin mit sterbendem Kind. 76 So Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 130; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 114 m.w.Nachw.; Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 222 f.; Grunewald, Bürgerliches Recht, § 12 Rn. 18; KompaktKom-BGB/Willingmann/ Hirse § 275 Rn. 19; HWK/Krause, § 616 BGB Rn. 7; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1038; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, S. 283 ff. 77 So Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 130; KompaktKomBGB/Willingmann/Hirse § 275 Rn. 19; Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 90; Bamberger/ H.Roth/Grüneberg § 275 Rn. 42; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 111 m.w.Nachw. Wohl auch MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1038. Zweifelnd MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 118. 78 Dafür Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 90. 79 Dafür Henssler, RdA 2002, 129, 131 f. (auch zur Auslegung der Begründung des Regierungsentwurfs a.a.O.); Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 222 f.; Henssler, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 618, 620; Bamberger/H.Roth/Grüneberg § 275 Rn. 18; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 30, § 55 Rn. 25; Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 275 Rn. 36; Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, D. III. Rn. 72; KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse § 275 Rn. 20; Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 90; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 115 m.w.Nachw.; Lindemann, AuR 2002, 81, 82; Richardi, NZA 2002, 1004, 1007;

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gen angenommen, der Schuldner könne die Leistung nach Absatz 3 verweigern, wenn diese ihn in Gefahr für sein Leben, seine Gesundheit80 oder Freiheit bringt.81 Ob allerdings der Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit unter Absatz 3 oder unter Absatz 1 des § 275 BGB fällt, ist weiterhin umstritten.82 Von den zahlreichen Auslegungsproblemen, die sich im Rahmen des Absatzes 3 stellen, soll hier nur auf die eingegangen werden, die den Dienstvertrag betreffen. (a) Vollständige und „teilweise“ Verweigerung der Leistung Hinsichtlich der Nacherfüllung nach Leistung nicht ordnungsgemäßer Dienste gilt das zu Absatz 2 der Norm Gesagte.83 Allerdings wurde in Absatz 3 an Stelle des in den Absätzen 1 und 2 verwendeten „soweit“ die Konjunktion „wenn“ eingesetzt. Dieser sprachliche Unterschied bewirkt keinen Unterschied in der Sache.84 Der Dienstbverpflichtete kann, wenn ihm die Leistung z. B. nur an einem von mehrere Tagen wegen Krankheit unzumutbar ist, nicht die gesamten Dienste verweigern. Die Verweigerung der vollständigen Leistung würde in der Regel auch seinen Interessen nicht entsprechen, da er durch sie regelmäßig gem. § 326 Abs. 1 BGB den gesamten Vergütungsanspruch verlöre. Auch der Dienstberechtigte wird durch dieses Ergebnis nicht benachteiligt: Er

ders., NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14, 16; Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 II. 2.; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 98; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 397; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1038; Kothe, FS Rolland, S. 85, 93 ff.; Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 482. Anders Canaris, JZ 2001, 499, 501, aber in bezug auf § 275 in der Fassung des Kommissionsentwurfs (abgedruckt ebenda S. 524); SchmidtRäntsch, Schuldrecht, Rn. 286; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, S. 135 ff. m.w.Nachw. Vgl. auch grundsätzlich Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 90 ff., 173 ff. 80 Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 222; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 110; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 395; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1037; Kothe, FS Rolland, S. 85, 95 ff. 81 Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 91. 82 Für § 275 Abs. 1: Joussen, NZA 2001, 745, 747; Däubler, NZA 2001, 1329, 1332; dahingehend auch Kothe, FS Rolland, S. 85, 100 ff. Und Canaris, JZ 2001, 499, 501, 504, aber in bezug auf § 275 in der Fassung des Kommissionsentwurfs (abgedruckt ebenda S. 524). Für eine differenzierende Lösung: Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 100 ff. m.w.Nachw.; Lindemann, AuR 2002, 81, 82; Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 619; Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 223; Löwisch, FS Wiedemann, S. 311, 233 f.; Schulze/Ebers, JuS 2004, 265, 266; Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 II. 2.; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 393; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 117 ff. m.w.Nachw.; MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 1036; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, S. 296 ff. Zur Bedeutung des Aspekts im Rahmen der Entstehungsgeschichte Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 252 ff., insbes. Fn. 42. 83 Oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (2) (b) (bb), S. 362. 84 So auch HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 392.

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kann wie stets die Erbringung unvollständiger oder nicht vertragsgemäßer Dienste nach § 266 BGB ablehnen. (b) Endgültige oder „vorübergehende“ Verweigerung der Leistung Unklar ist auch, ob unter der Verweigerung der Leistung nur die endgültige oder auch die vorübergehende Verweigerung zu verstehen ist. Gerade die in der Gesetzesbegründung genannten Beispielsfälle zielen offenbar darauf ab, daß der Dienstverpflichtete die Erbringung der Leistung im vereinbarten Leistungszeitraum verweigern will. Damit ist über die Frage der Nachholung der Leistung nicht entschieden. Die Autoren der Gesetzesbegründung gingen offenbar schlicht von der Annahme aus, bei den von ihnen genannten Beispielsfällen handele es sich um sog. absolute Fixgeschäfte; 85 die Frage, ob die Leistung endgültig oder nur vorübergehend verweigert wird, konnte damit umgangen werden. Im Ergebnis dürfte die Norm nicht nur auf die endgültige, sondern auch auf die vorübergehende Leistungsverweigerung Anwendung finden. 86 Da die Gewichtung der Gläubigerinteressen in beiden Fällen zumeist ganz unterschiedlich ausfällt, ist bei einer Berufung des Dienstverpfl ichteten auf § 275 Abs. 3 BGB genau zu prüfen, ob sein Bestreben nur darauf gerichtet ist, die Leistung nicht im vereinbarten Leistungszeitraum erbringen zu müssen, oder ob er die Leistung endgültig verweigern will. Im Ergebnis gewährt § 275 Abs. 3 BGB dem Dienstverpflichteten damit das Recht, die Leistung (nach hinten) „zu verschieben“, wenn ihm die Erbringung im Leistungszeitraum unzumutbar ist. Das Versäumnis der Erbringung der Leistung im vereinbarten Leistungszeitraum stellt dann eine Verzögerung der Leistung i. S. des § 280 Abs. 2 BGB dar, die allerdings in der Regel keinen Verzug begründet, da die Unzumutbarkeit zur Schuldlosigkeit i. S. des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB führt. Der Verzug setzt jedoch ein, sobald die Unzumutbarkeit entfällt; einer Mahnung bedarf es regelmäßig nicht, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Da die Leistungspflicht fällig ist, muß der Dienstverpflichtete die Leistung also im Prinzip sofort nachholen. In der Praxis wird freilich zumeist wegen der notwendigen Mitwirkung von Gläubigersubstraten eine Vereinbarung über den Nachleistungstermin erfolgen. Lag allerdings tatsächlich ein absolutes Fixgeschäft i. S. des § 275 Abs. 1 BGB vor, ist

85 Gerade für den Schulfall der Sängerin ist das jedoch fraglich, vgl. dazu die Beispiele oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 86 So auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 133 f.; Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 308 ff. m.w.Nachw. auch zur Gegenansicht, die Verzugsrecht zur Anwendung bringen will, sowie zu den Folgeproblemen; Arnold, JZ 2002, 866, 870; Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 42. Anders wohl Richardi, NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14 f., vgl. oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (2) (b) (bb), S. 355 ff. mit Fn. 41. Auch § 275 a. F. fand auf die vorübergehende Unmöglichkeit Anwendung, vgl. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1 § 3 I. 2. b) m. zahlreichen Nachw. auch zur Gegenansicht.

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mit dem Verstreichen des Leistungszeitraums die Leistungspflicht ex lege weggefallen. (c) Unzumutbarkeit Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs, insbesondere für die Abgrenzung zu Absatz 1, ist zu beachten, daß über die Zumutbarkeit vor allem die immateriellen Belange des Schuldners geschützt werden sollen. Die Entscheidung, objektiv unzumutbare Opfer zu erbringen oder nicht, sollte grundsätzlich beim Schuldner verbleiben. 87 Der Schuldner mag sich Dinge zumuten wollen, die er sich vom Standpunkt der Rechtsordnung aus nicht zumuten müßte. Ihm ist letztlich nicht gedient, wenn die Rechtsordnung seine Leistungspfl icht ex lege gemäß Absatz 1 entfallen läßt, obwohl er selbst die Leistung trotz aller Hindernisse erfüllen will. Eine Gefahr eröffnete Absatz 3 für ihn nur, wenn man annähme, daß seine Leistungspflicht nur bei rechtzeitiger Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht entfiele. Läßt man indes mit der herrschenden Ansicht eine nachträgliche, rückwirkende Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht zu, 88 entfällt dieses Risiko. Für den Dienstvertrag bedeutet das im Ergebnis, daß der Anwendungsbereich des Absatzes 1 zunächst auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen der Schuldner die Fähigkeit, die Leistung (sei es auch nur schlecht) zu erbringen, nicht hat. Dies ist anzunehmen, wenn die Tätigkeit, die der Verpfl ichtete (unter Aufbietung aller Kräfte) erbringen könnte, nicht, d. h. auch nicht schlecht geeignet wäre, die vereinbarte Funktion der Tätigkeit zu erfüllen. Kann der Dienstverpflichtete die Tätigkeit hingegen (möglicherweise auch nur schlecht) erbringen, stellt dies aber eine Gefahr für seine Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre usf.) dar oder treten sogar mit Sicherheit Schäden an diesen Rechtsgütern ein, greift Absatz 3 ein.89 Diese Grundsätze gelten insbesondere für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, und sie gelten auch, wenn die Gefahr Rechtsgütern Dritter droht, insbesondere wenn Angehörige des Dienstverpflichteten betroffen sind. Soweit diese Fallkonstellationen allerdings als sog. Pflichtenkollision90 zu behandeln sind, ist ihre Einordnung unter den Begriff der „Zumutbarkeit“ zweifelhaft.91 87

Ähnlich Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 221. Dafür Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 101 m.w.Nachw.; Gotthardt/Greiner, DB 2002, 2106, 2110; P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 184; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 392. 89 Die Grenze zu Absatz 1 wird auch nicht dadurch überschritten werden, daß die „freiwillige“ Opferbereitschaft des Dienstverpfl ichteten so hoch ist, daß ihn die Erbringung der Tätigkeit in eine Objektrolle drängt. An dieser Stelle ist die Rechtsordnung zwar gehalten, die Leistungspfl icht entfallen zu lassen, vgl. dazu oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (b) (aa), S. 177 f. Einschlägig ist hier jedoch § 138 Abs. 1 BGB. 90 Vgl. schon Titze, Unmöglichkeit, 1900, S. 3: „Kollision von Elternliebe und Schuldverpfl ichtungen“. 91 Für den Begriff hatte Löwisch, NZA 2001, 465, 466, im Hinblick auf die Verweigerung 88

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Auf einige Aspekte dieser in der zivilrechtlichen Dogmatik wenig behandelten Frage konnte an anderer Stelle eingegangen werden.92 Der in der Gesetzesbegründung gewählte Beispielsfall der Sängerin, deren Kind lebensgefährlich erkrankt ist,93 zeigt die Fragwürdigkeit der Verortung des Problems unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit besonders deutlich auf. Das rechtliche Gebot, die Vertragspfl icht zu erfüllen, kollidiert mit dem Gebot, das Leben des Kindes zu erhalten, welches die Rechtsordnung der Schuldnerin – insbesondere durch Strafandrohung (§§ 212, 13 bzw. § 323c StGB) – auferlegt. Da die letztere Pfl icht höherrangig ist, kann die Rechtsordnung die niederrangige vertragliche Leistungspfl icht nicht aufrechterhalten.94 Die Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspfl icht ist damit nicht nur nicht vorwerfbar, sie ist erst gar nicht pfl ichtwidrig. Die Berufung des Dienstverpfl ichteten auf § 275 Abs. 3 BGB kann nur noch deklaratorischer Art sein. Von größerer Bedeutung ist dann die Frage, ob die Schuldnerin vertraglich verpflichtet war, das Entstehen der Pfl ichtenkollision zu vermeiden.

(d) Vorrang des § 616 BGB Nach § 616 S. 1 BGB verliert der Dienstverpflichtete seinen Anspruch auf Vergütung nicht, wenn er schuldlos für eine nur unerhebliche Zeit an der Dienstleistung verhindert ist. Die Norm regelt also wie § 615 BGB in erster Linie die Vergütungsgefahr.95 Demgegenüber enthält sie nicht wie § 615 S. 1 BGB eine Bestimmung, nach der der Dienstverpfl ichtete den Lohnanspruch behält, „ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.“ Dennoch läßt auch § 616 S. 1 BGB die Leistungs-, und damit auch die Nachleistungspflicht entfallen. Wie im Rahmen des § 615 S. 1 BGB entfällt die Leistungspflicht nicht etwa, weil die Pflicht zur Leistung von Diensten eine sog. absolute Fixschuld ist, so daß stets Unmöglichkeit einträte.96 Andererseits hindert eine etwaige Unmöglichkeit das Eingreifen der Norm auch nicht. In ihrem tatbestandlichen Anwendungsbereich bringt § 616 S. 1 BGB die Leistungspflicht zum Wegfall.97 Dabei geht sie als Spezialregelung des Dienstvertragsrechts den allgemeinen Regelungen, insbesondere § 275 Abs. 3 BGB, vor. Für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen § 275 Abs. 3 BGB und § 616 BGB ist zu beachten, daß durch die Einführung des § 275 Abs. 3 BGB die Rechtsposition des Schuldners nicht verschlechtert werden sollte. Daher sollder Arbeitsleistung wegen Krankheit, plädiert. In diesem Zusammenhang ist der Begriff durchaus passend. 92 Hanau/Strick, FS Wacke, S. 147, 153 ff., sowie bereits Henssler, AcP 190 (1990), 538 ff., und nunmehr Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, S. 205 ff. 93 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 130. 94 So für das Strafrecht Harro, Otto, Pfl ichtenkollision und Rechtswidrigkeitsurteil, S. 46. Vgl. dazu auch Hanau/Strick, FS Wacke, S. 147, 153 ff. m.w.Nachw. 95 Anders Kothe, FS W. Rolland, S. 85, 91. 96 Vgl. auch Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 156 ff. Anders W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 501. 97 Dazu bereits ausführlich und überzeugend Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 159 ff. Anders nunmehr MünchKomm/Henssler § 616 Rn. 3; wie hier Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, S. 378 ff.

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ten die Fälle, gerade auch die Fälle der Dienstverhinderung wegen Unzumutbarkeit,98 die vor der Schuldrechtsmodernisierung § 616 BGB unterfielen, weiterhin in dessen Anwendungsbereich verbleiben.99 Die Normen schließen sich jedoch nicht aus: Der Dienstverpflichtete kann sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB berufen, auch wenn „zusätzlich“ seine Leistungspflicht nach § 616 BGB entfallen ist bzw. entfallen sein könnte.100 Da die Anwendungsbereiche der Normen nicht deckungsgleich sind, sollte er dies auch (konkludent) tun. (e) Vertretenmüssen Teilweise wird angenommen, daß im Rahmen der Abwägung nach Absatz 3 zu berücksichtigen ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.101 Dem ist zuzustimmen; allerdings wird die Berücksichtigung des Vertretenmüssens das Ergebnis der Prüfung selten verändern. Die Überwindung des Leistungshindernisses würde in den genannten Beispielsfällen nicht „zumutbarer“, weil der Schuldner es vorsätzlich herbeigeführt hätte. Es sind auch nur schwer Fälle vorstellbar, in denen anzunehmen wäre, daß ein Leistungshindernis eher „unzumutbar“ würde, weil das Hindernis ohne Verschulden des persönlich Verpflichteten eingetreten ist. Die mangelnde Bedeutung des Vertretenmüssens geht darauf zurück, daß die eintretenden Leistungshindernisse regelmäßig vom Kreis der vertraglichen „Beschaffungspfl ichten“ nicht mehr erfaßt sind; vielmehr entstammen sie eher dem privaten Lebenskreis des Verpflichteten. Dies wird anhand der Ausnahmefälle deutlich, in denen es einmal anders ist: Erkrankt der Spitzensportler, der sich vertraglich zu einer gesundheitsschonenden Lebensführung verpfl ichtet hat, mag es für die Frage, ob ihm die Teilnahme an einem bestimmten Wettkampf zugemutet werden kann oder nicht, tatsächlich darauf ankommen, ob er die Entstehung der Krankheit verschuldet hat oder nicht. 98

Vgl. Staudinger/Oetker (1997) § 616 Rn. 54 ff. Anders wohl MünchKomm/Henssler § 616 Rn. 3 sowie ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 619, für die parallele Konstellation des Wegfalls der Leistungspfl icht bei Eingreifen der Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes, die ebenfalls die Leistungspfl icht entfallen lassen. Nach Ansicht Hensslers müßte man jedenfalls nach den Gesetzesmaterialien davon ausgehen, daß § 275 Abs. 3 BGB den bisherigen Regelungsgehalt des EFZG verdränge. M. E. ist dem an dieser Stelle (Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 47) eher unklaren „Willen“ des Gesetzgebers kein großes Gewicht zuzumessen. 100 Auch an dieser Stelle wird die Lehre von den Doppelwirkungen im Recht relevant, vgl. oben Fn. 21. 101 AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 275 Rn. 19; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 117. Dagegen Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 97; Henssler/Graf von Westphalen/Dedek § 275 Rn. 37; Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 221 f.; Henssler, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 615, 617; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 392. 99

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c) § 635 Abs. 3 BGB analog Gemäß § 635 Abs. 3 BGB kann bei einem Werkvertrag der Unternehmer, der ein mangelhaftes Werk geliefert hat, die Nacherfüllung verweigern, wenn sie „mit unverhältnismäßigen Kosten“ verbunden ist. Diese Vorschrift gilt „unbeschadet“ der § 275 Abs. 2 und 3 BGB. Für den Reisevertrag und den Kaufvertrag enthalten die §§ 439 Abs. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB ähnliche Regeln. In das Dienstvertragsrecht wurde eine entsprechende Vorschrift nicht aufgenommen. § 635 Abs. 3 BGB muß jedoch auf den Dienstvertrag erst recht Anwendung finden: Beide Verträge haben eine Tätigkeit zum Inhalt, nur geht die Verpflichtung des Werkunternehmers über die des Dienstverpfl ichteten noch hinaus, insoweit er auch den Erfolg dieser Tätigkeit verspricht.102 Wenn sich der Werkunternehmer von dieser noch weitergehenden Verpflichtung schon befreien kann, weil für ihn die Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre, muß dies für den Dienstverpflichteten erst recht gelten. Hat etwa eine Rohrreinigungsfirma im Rahmen eines Werkvertrages den Erfolg der Reinigung zugesagt,103 ist die Reinigung zwar erfolgt, aber mangelhaft, und würde die Beseitigung des Mangels mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein (z. B. weil sie die Anschaffung eines speziellen teuren Reinigungsgeräts erforderte), könnte die Firma die Nacherfüllung verweigern. Dasselbe Recht muß der Reinigungsfirma zustehen, wenn sie weniger, nämlich nur die Tätigkeit des Reinigens an sich im Rahmen eines Dienstvertrages zugesagt hat, und die Funktion der versprochenen Tätigkeit zwar erreicht wurde, aber nur schlecht, weil nach objektiver Auslegung des Vertrages der Dienstberechtigte den Einsatz eines effektiven Reinigungsgeräts hätte erwarten dürfen. Die Vorschrift mag neben § 275 Abs. 2 BGB praktische Bedeutung erlangen, da die Schwelle des groben Mißverhältnisses, von der diese Regelung den Wegfall der Leistungspflicht abhängig macht, sehr hoch ist; höher jedenfalls als die des § 635 Abs. 3 BGB.104 Die Berufung auf § 635 Abs. 3 BGB analog erscheint vor allem angemessen und nützlich, wenn im Rahmen eines zeitbestimmten Dienstvertrages eine (teilweise) Schlechtleistung erbracht wurde, und die „Behebung des Mangels“ einen erheblichen Aufwand bedeutete. Nach § 635 Abs. 2 BGB analog kann der Dienstberechtigte die Nacherfüllung verweigern, wenn sie „bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür mit Sicherheit zu erwartenden Geldaufwands 102

Oben 1. Teil, § 2 II. 1., S. 13 ff. Vgl. OLG Karlsruhe (Urt. v. 9. 9. 1999) OLGR 2000, 215; LG Frankfurt (Urt. v. 24. 6. 1986) VuR 1986, 105. Verträge über die Reinigung von Gebäuden und Sachen gehören zu den Grenzfällen von Werk- und Dienstvertrag, vgl. oben § 2 Fn. 36. 104 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 265; Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 24; MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 275 Rn. 70 f.; Bamberger/H.Roth/ Grüneberg § 275 Rn. 36; Bamberger/H.Roth/Voit § 635 Rn. 14. Kritisch AnwKom-BGB/ Raab § 635 Rn. 24. 103

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steht.“105 Dies nachzuweisen mag dem Dienstverpflichteten eher gelingen, insbesondere wenn mit der zutreffenden Ansicht106 auch das Vertretenmüssen des Schuldners an der Nicht-Ordnungsgemäßheit der Leistung berücksichtigt wird.

II. Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung 1. Einleitung Von den zahlreichen schadensersatzrechtlichen Problemen, die sich an eine nicht ordnungsgemäße Leistung knüpfen können, interessieren unter dem Blickwinkel des dienstvertraglichen Synallagmas vor allem folgende drei: Einmal die Frage, wie der Vergütungsanspruch des Dienstverpfl ichteten im Rahmen des Schadensersatzes statt der (ganzen) Leistung zu behandeln ist. Weiter ist zu untersuchen, ob im Wege des Schadensersatzes der Dienstverpflichtete zur Nachleistung der Dienste verpflichtet werden kann. Und schließlich ist zu fragen, ob der Ausfall der Dienste an sich als Schadensposten zu berücksichtigen ist. Zunächst aber soll kurz auf die Unterschiede zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz statt der ganzen Leistung eingegangen werden. 2. Die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung und von Schadensersatz statt der ganzen Leistung Zur Differenzierung der unterschiedlichen Arten der defizitären Leistung beim Dienstvertrag wurde oben bereits ausführlich auf die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs statt der ganzen Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB eingegangen.107 Der Dienstberechtigte, der den Anspruch auf Nacherfüllung nicht geltend machen möchte, kann sich jedoch auch mit den Diensten, soweit sie erbracht wurden, zufrieden geben, und nur hinsichtlich der noch ausstehenden Leistungsdefizite Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Voraussetzung für die Geltendmachung ist eine Fristsetzung, soweit diese nicht gem. Abs. 2 der Norm entbehrlich ist. In den Fällen, in denen der Schuldner gem. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, kann der Dienstberechtigte Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung gem. §§ 283, 280 Abs. 1, 3 BGB verlangen. Bei den beiden Arten des Schadensersatzes handelt es

105 Staudinger/Peters (2003) § 635 Rn. 9 m.w.Nachw.; Bamberger/H.Roth/Voit § 635 Rn. 14. 106 Staudinger/Peters (2003) § 635 Rn. 10; Bamberger/H.Roth/Voit § 635 Rn. 14. 107 Oben Zweiter Teil, § 4 III., S. 241 ff.

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sich im Groben um die zu § 463 a. F. BGB getroffene Unterscheidung zwischen dem „kleinen“ und dem „großen“ Schadensersatz. Zur Feststellung des Schadens ist die aktuelle Vermögenslage des Gläubigers mit der zu vergleichen, die bestünde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte.108 Der Dienstberechtigte kann daher im Falle nicht geleisteter Dienste z. B. Gewinnausfälle109 (§ 252 BGB), vor allem aber die Differenz zu der einer Ersatzkraft zu zahlenden höheren Vergütung als Schadensersatz statt der Leistung110 geltend machen. Nutzlose Aufwendungen, die vereinbarungsoder erwartungsgemäß für die Tätigkeit gemacht wurden (sog. Vorhaltekosten) sind gem. § 284 BGB zu ersetzen.111 Hat der Dienstberechtigte selbst die nicht erbrachten Dienste geleistet, hat er sich also gewissermaßen selbst als Ersatzkraft eingesetzt, sind die hierfür (hypothetisch) entstehenden Kosten ebenfalls ersatzfähig.112

Besonders für die Kosten des Deckungsgeschäfts erweist sich die Möglichkeit, Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend zu machen, für den Dienstberechtigten als besonders vorteilhaft. Kann der Dienstberechtigte nur den „kleinen Schadensersatz“ geltend machen, muß er darlegen und beweisen, daß das Leistungsdefizit die Anstellung einer Ersatzkraft notwendig machte. Es ist dies die Frage nach der haftungsausfüllenden Kausalität bzw. der Zurechenbarkeit des Schadens. Der Dienstberechtigte muß beispielsweise im Falle einer vollständigen Schlechtleistung darlegen, daß trotz der (wenn auch schlecht) erbrachten Tätigkeit der Einsatz einer Ersatzkraft in dem geltend gemachten Umfang notwendig war. Liegen indes die Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung vor und macht der Dienstberechtigte ihn geltend, entfällt der Leistungsanspruch, schon erbrachte Leistungen sind zurück zu gewähren (§ 281 Abs. 4 und 5 BGB). Unabhängig von der Frage, ob eine solche Rückabwicklung erbrachter Dienste zulässig ist, d. h. unabhängig von der Frage nach der 108

Vgl. nur MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 7 m.w.Nachw. Vom Schadensersatz statt der Leistung sind grundsätzlich auch die Folgeschäden umfaßt. In Abgrenzung zu § 280 Abs. 1 BGB ist problematisch, ob Schäden, die vor Untergang des Leistungsanspruchs durch das Schadensersatzverlangen entstanden sind, nunmehr auch über § 281 BGB geltend zu machen sind, dazu MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 280 Rn. 66 ff. 110 Vgl. BGH (Urt. v. 10. 5. 1960) BGHZ 32, 280, 284 ff.; MünchArb/Blomeyer § 59 Rn. 8, auch zu weiteren möglichen Schadenspositionen. 111 Dazu auch unten Zweiter Teil, § 5 II. 3., S. 373 ff. Zahlreiche Beispielsfälle aus dem Arbeitsrecht bei Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 149 ff. 112 Dahingehend Lieb, Anm zu BGH (Urt. v. 16. 2. 1971), JR 1971, 371 ff.; ders., Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 184; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 156 m.w.Nachw.; Staudinger/Schiemann (1998) § 249 Rn. 146. Anders die Lösung des BAG (Urt. v. 24. 8. 1967) AP Nr. 7 zu § 249 BGB. Zum ganzen umfassend Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 66 ff., 473 ff., der die Ersatzfähigkeit der hypothetischen Anstellungskosten jedoch ablehnt. 109

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

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Aufhebung des dienstvertraglichen Synallagmas,113 ist für die Geltendmachung von Schadensersatz die tatsächlich erbrachte Leistung nicht zu berücksichtigen. Beispiel: Für eine Konferenz mit ausländischen Geschäftspartnern schließt Unternehmer U mit dem Dolmetscher D einen Vertrag, nach dem dieser an drei Tagen tätig werden soll. Weiter stellt er D ein Hotelzimmer am Tagungsort zur Verfügung. Dafür muß er pro Tag 100,– Euro aufwenden. D erscheint am ersten Tag; an diesem Tag ist seine Tätigkeit als schlecht zu qualifizieren. U bemerkt dies und engagiert mit Hilfe der Hoteldirektion spontan eine Ersatzkraft. D ist verärgert und erscheint an den folgenden Tagen gar nicht mehr. Der als Ersatz gewonnene Dolmetscher wohnt am Tagungsort, so daß das für D gemietete Hotelzimmer nunmehr ungenutzt bleibt. Die Tätigkeit des D ist nach den oben dargestellten Grundsätzen114 lediglich als sog. isolierte Teilschlechtleistung gem. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB zu bewerten, so daß U Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend machen kann, da es D kaum gelingen wird darzulegen, daß seine Pfl ichtverletzung unerheblich war.

Zwar kann der Dienstberechtigte im Falle defizitärer Leistung die erhaltene Leistung nicht wie ein Sachleistungschuldner „zurückgeben“. Für die Berechnung des Schadensersatzes statt der Leistung ist er jedoch so zu stellen, als wären die Dienste gar nicht erbracht worden, als läge also eine vollständige Nichtleistung vor. Das bedeutet im Beispielsfall, daß U ohne weiteres sämtliche Kosten für das Hotelzimmer als nutzlose Aufwendungen sowie die gesamten Kosten für die Ersatzkraft als Schaden115 ersetzt verlangen kann. Allerdings kann er nur tatsächlich entstandene, keine hypothetischen Schäden geltend machen. Er kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, bei Hinwegdenken der erbrachten Tätigkeit wäre der Schaden (insbesondere entgangener Gewinn) noch höher gewesen. Auch kann sich der Dienstverpfl ichtete auf § 254 Abs. 2 BGB berufen und geltend machen, daß die Einschaltung einer Ersatzkraft nicht oder nicht in diesem Maße notwendig gewesen wäre. Die Darlegungsund Beweislast liegt dann aber beim Dienstverpflichteten. 3. Die Behandlung der Gegenleistung im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung Beim Schadensersatz statt der Leistung („kleiner Schadensersatz“) läßt der Dienstberechtigte die Dienste, so wie sie erbracht wurden, gelten und fordert nur einen Geldersatz zum Ausgleich der Störung an sich. Macht der Dienstberechtigte Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend, so lehnt er auch die erbrachte Leistung ab und fordert Ausgleich für die gesamte Leistung („großer Schadensersatz“). Mit der Formulierung, beim Schadensersatz statt der ganzen 113

Vgl. unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (c) und d) (2), S. 397 ff. und S. 420 ff. Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (1) und c) (1), S. 281 ff. und S. 287 ff. 115 Soweit allerdings U von seiner Vergütungspfl icht frei wird, mindert sich sein Schaden um diesen Betrag, vgl. dazu sogleich unter Zweiter Teil, § 5 II. 3. 114

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Leistung „lehne“ der Gläubiger auch die schon erbrachten Leistungsteile ab, deutet sich bereits eine bestimmte Rückwirkung, und damit die Notwendigkeit einer zumindest hypothetischen Rückabwicklung schon erbrachter, defizitärer Dienste an. Macht der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend, so hat er dem Schuldner grundsätzlich die schon erbrachten Leistungen zurück zu gewähren, und zwar nach §§ 346 bis 348 BGB (§ 281 Abs. 5 BGB). Gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB hätte der Dienstberechtigte den Wert der erbrachten Dienste in Geld zu ersetzen. Ob es zu einer solchen Rückabwicklung kommt, hängt jedoch davon ab, inwieweit der Dienstberechtigte im Falle defizitär erbrachter Dienste das partiell bereits verwirklichte vertragliche Synallagma aufheben kann. Die Frage einer rückwirkenden Aufhebung von Leistung und Gegenleistung ist primär eine Frage nach den Grenzen des Minderungsrechts beim Dienstvertrag. Diese Grenzen waren nach der Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz umstritten, und an der grundsätzlichen Uneinigkeit über diese Frage dürfte sich in der Zukunft nichts ändern.116 Neben der automatischen Minderung in § 326 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Minderung grundsätzlich gem. §§ 323, 326 Abs. 5 BGB durch Rücktritt bewirkt. Die Entscheidung über die Aufhebung des Synallagmas wird damit an der dogmatisch richtigen Stelle verortet: Als eine Entscheidung über die Grenzen des Rücktrittsrechts. Diese Grenzen dürfen durch eine „Verschiebung“ der Entscheidung in den Schadensersatz statt der Leistung nicht verwischt oder geändert werden. Schon zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde auf die insoweit bestehende Parallelität hingewiesen und daher der nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. zu zahlende Schadensersatz wegen Nichterfüllung entsprechend beschränkt.117 Nach aktueller Rechtslage ist die Einhaltung der dem Rücktrittsrecht gezogenen Grenzen – bei zutreffender Interpretation des Gesetzes – wesentlich erleichtert: Beispiel: Für eine Konferenz mit ausländischen Geschäftspartnern schließt Unternehmer U mit dem Dolmetscher D einen Vertrag, nach dem dieser an drei Tagen tätig werden soll. Das Honorar i.H.v. insgesamt 900,– Euro zahlt U vorab. Weiter stellt er D ein Hotelzimmer am Tagungsort zur Verfügung. Dafür muß er pro Tag 100,– Euro aufwenden. D erscheint überhaupt nicht, da er mit den 900,– Euro lieber Urlaub macht. U muß eine Ersatzkraft anwerben, die pro Tag 330,– Euro verlangt. Dieser Dolmetscher wohnt am Tagungsort, so daß das für D gemietete Hotelzimmer ungenutzt bleibt.

Es dürfte im Ergebnis wohl Einigkeit darüber bestehen, daß U von D 1290,– Euro verlangen kann. U steht gegen D ein Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung gem. §§ 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 BGB sowie Aufwendungsersatz zu. Allgemein ist zur Beurteilung des Schadens die aktuelle Ver116 117

Dazu unten Zweiter Teil, § 5 III., S. 383 ff. U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 46 I. 2.

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mögenslage des Dienstberechtigten mit derjenigen, die bestünde, wenn der Dienstverpflichtete ordnungsgemäß geleistet hätte, zu vergleichen. Vor allem die Kosten des Deckungsgeschäfts, als die einer Ersatzkraft zu zahlende Vergütung, wären bei ordnungsgemäßer Erfüllung nicht entstanden. Auch können nutzlos gewordenen Aufwendungen so im Rahmen der §§ 281, 280, 284 BGB geltend gemacht werden (früher sog. Rentabilitätsvermutung118).119 Eine andere Frage ist jedoch, ob die „umsonst“ gezahlte Vergütung als nutzlose Aufwendung im Rahmen des Schadensersatzes berücksichtigt werden kann. Dies wurde von der herrschenden Ansicht zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bejaht,120 und zwar ausdrücklich auch für den Dienstvertrag.121 Im Schrifttum122 zur Rechtslage nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wird nunmehr zutreffend darauf aufmerksam gemacht, daß der zur alten Rechtslage bestehende Streit um die Behandlung der Gegenleistung im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung (sog. Differenz- und Surrogationstheorie) seinen Grund darin fand, daß sich nach alter Rechtslage Rücktritt und Schadensersatzverlangen wechselseitig ausschlossen.123 Gemäß § 325 BGB kann der Gläubiger nunmehr Rücktritt und Schadensersatz miteinander kombinieren. Damit bestehe keine Notwendigkeit mehr, dogmatisch Verschiedenes unter einer einheitlichen Fragestellung zu beantworten. Die Frage des Synallagmas, also die Frage, welches Schicksal die Gegenleistung nimmt, wenn die Leistung gestört ist, kann von der wesensfremden Frage nach dem Ersatz für etwaige Schäden getrennt werden. § 281 BGB bezieht sich allein auf diese Schäden und bestimmt gleichzeitig in § 281 Abs. 4 BGB, daß die Leistungspflicht des Schuldners durch das Schadensersatzverlangen erlischt. Hingegen regelt § 281 BGB nicht die Gegenleistung. Das bedeutet, daß sich der Gläubiger von der Verpflichtung zur Zahlung der Gegenleistung nur durch Rücktritt befreien kann.124 Daß dafür die Willenserklärungen des Gläubigers 118

Dazu MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 34 f. mit zahlreichen Nachw. Die Rechte des Gläubigers werden durch § 284 BGB insoweit nicht beschränkt: LG Bonn (Urt. v. 30. 10. 2003) NJW 2004, 74, 75 f.; MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 31; P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 4. Rn. 47 ff.; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 223 ff., 542; Staudinger/Otto (2004) § 280 Rn. E 109, § 281 Rn. B 151. Anders AnwKom-BGB/Dauner-Lieb § 284 Rn. 5; Schellhammer, MDR 2002, 301, 305 f. Einschränkend auch Canaris, JZ 2001, 499, 517. 120 BGHZ (Urt. v. 22. 9. 1971) BGHZ 57, 78, 80 f.; BGH (Urt. v. 25. 3. 1998) BGHZ 138, 195, 209; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 37 II. m.w.Nachw.; Staudinger/Otto (2001) § 325 Rn. 85. Ebenso zur aktuellen Rechtslage Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 731. 121 BGH (Urt. v. 7. 12. 1987) NJW-RR 1988, 420 f. Ebenso zur aktuellen Rechtslage Peukert, AcP 205 (2005), 430, 461 f. Dagegen in der Sache AG Ludwigslust (Urt. v. 14. 10. 2003) NJW 2005, 610, 611. 122 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 325 Rn. 8 ff.; Soergel/Gsell § 320 Rn. 66; Bamberger/ H.Roth/Faust § 437 Rn. 132; Lorenz/Unberath, JuS 2005, 335, 338. 123 Vgl. nur U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 37 I. 124 Zu allem ausführlich und überzeugend MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 325 Rn. 8 ff. 119

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

seinen wirtschaftlichen Zielen entsprechend ausgelegt werden können und müssen, war auch nach alter Rechtslage nicht anders, denn auch hier mußte sich der Gläubiger entscheiden, ob der nach der Surrogations- oder nach der Differenztheorie vorgehen wollte. Gerade beim Dienstvertrag zeigt sich die Sinnhaftigkeit der dogmatischen Trennung des Schicksals von Gegenleistung und Schaden. Denn die Frage, ob der Dienstberechtigte bei defizitären Diensten die Gegenleistung mindern kann oder nicht, ist zweifelhaft. Die Entscheidung über diese Frage sollte jedenfalls nicht innerhalb der Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes fallen. Vielmehr gilt auch für den Dienstvertrag, daß sich der Gläubiger grundsätzlich nur durch „Rücktritt“ von der Gegenleistung befreien kann. Das bedeutet, daß die gezahlte Vergütung nicht als „nutzlose Aufwendung“ im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung oder des § 284 BGB berücksichtigt werden kann. Dies hindert aber nicht daran, die Erklärung des Dienstberechtigten, er mache Schadensersatz geltend, so auszulegen, daß eine etwaig gezahlte Vergütung zurück zu zahlen ist oder der Vergütungsanspruch gegebenenfalls erlischt, nämlich indem man seinem Schadensersatzverlangen auch einen (Minderungs-)Rücktritt oder (Minderungs-)Teilrücktritt125 entnimmt, soweit nicht die Vergütung bereits automatisch gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB gemindert ist. Diese Interpretation der Erklärung bietet sich freilich nur an, wenn die im Rahmen des Deckungsgeschäfts zu zahlende Vergütung niedriger ist als die dem Dienstverpflichteten zu zahlende. Im Ausgangsfall wäre es für U günstiger, D die 900,– gezahlten Euro zu belassen und die Kosten der Ersatzkraft als Schaden geltend zu machen. Hat der Dienstberechtigte in diesem Fall die Vergütung noch nicht gezahlt, kann er mit dem Schadensersatzanspruch gegen den Vergütungsanspruch aufrechnen. War die dem Dienstverpflichteten zu zahlende Vergütung höher als die der Ersatzkraft zu zahlende und hat der Dienstberechtigte diese Vergütung bereits gezahlt, sollte er einen (Minderungs-) Rücktritt erklären. Die schon gezahlte Vergütung kann er nach § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Die der Ersatzkraft zu zahlende niedrigere Vergütung kann er dann freilich nicht mehr als Schaden ersetzt erhalten, denn die Einsetzung der Ersatzkraft stellt sich für ihn dann rückwirkend nicht mehr als unfreiwilliges Vermögensopfer dar. Insoweit wird man dem Rücktritt seine üblichen Wirkungen belassen müssen. Demgegenüber sollte der Dienstberechtigte sonstige nutzlos gewordene Aufwendung weiterhin geltend machen können. Nicht entschieden wurde bisher, ob der Dienstberechtigte auch die nicht oder schlecht erbrachten Dienste „an sich“ als Schaden geltend machen kann; zu dieser Frage ist unten noch Stellung zu nehmen.126 125 126

Unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (c) und d) (2), S. 397 ff. und S. 420 f. Unten Zweiter Teil, § 5 II. 5., S. 380 ff.

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4. Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution? Wird der Dienstverpflichtete zum Schadensersatz statt der Leistung verurteilt, sind die Art und der Umfang des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB zu bestimmen. Nach §§ 249 S. 1, 251 BGB hat der Schuldner den Gläubiger grundsätzlich in natura zu entschädigen. Eine solche Entschädigung wäre im Falle des Dienstvertrages allein durch die Nachleistung der Dienste durch den Dienstverpflichteten (§ 613 S. 1 BGB) zu bewirken. Gleichwohl kann Schadensersatz statt der Leistung durch Naturalrestitution nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.127 Schadensersatz statt der Leistung kann der Schuldner entweder gem. §§ 283, 275 BGB verlangen, wenn die Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit gem. § 275 BGB erloschen ist, oder gem. § 281 BGB nach Fristsetzung, wobei dann das Schadensersatzverlangen die Leistungspflicht nach Absatz 4 der Norm entfallen läßt. Die Rechtsordnung hat also die Leistungspflicht entweder ipso iure gem. § 275 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht, oder sie hat sie zugunsten des Schuldners gem. § 275 Abs. 2 und 3 BGB entfallen lassen, oder aber sie hat dem Gläubiger gestattet, die Leistungspflicht zum Wegfall zu bringen. Es handelt sich eben gerade um Schadensersatz statt der Leistung.128 Dem entsprechen die §§ 249 ff. BGB, indem sie in § 251 Abs. 1 BGB die Entschädigung des Gläubigers in Geld anordnen, wenn die Herstellung in natura „nicht möglich . . . ist.“129 Die Verpflichtung zur Naturalherstellung im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung mutet daher seltsam an: „Erst wird behauptet, der Erfüllungsanspruch sei untergegangen . . . dann wird der Erfüllungsanspruch mit Hilfe des § 249 Satz 1 wie durch einen Zaubertrick wiederhergestellt.“130 Dennoch wird im Dienstvertragsrecht, namentlich im Arbeitsvertragsrecht, eine solche Pflicht des Schuldners zur Naturalherstellung durch „Nacharbeit“ 127 Ganz überwiegende Meinung zum alten Schuldrecht, vgl. nur Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 55 I. m.w.Nachw., insbesondere in Fn. 8 und 9; Soergel/Wiedemann § 280 Rn. 21. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Gebauer, Naturalrestitution beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung, vgl. S. 23 ff.; Gebauer selbst vertritt freilich selbst eine differenzierende Ansicht, vgl. S. 42 ff. Wie die frühere Meinung zur aktuellen Rechtslage MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 8 f., P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 182; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 207; Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 III. 1.; Staudinger/Otto (2004) § 281 Rn. 142. Anders wohl Staudinger/Löwisch (2004) § 275 Rn. 99 (bzgl. § 275 Abs. 2 und 3 BGB). 128 Auf die Terminologie weisen auch hin MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, Vor § 281 Rn. 8; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 207. 129 Als „nicht möglich“ ist die Naturalherstellung auch anzusehen, wenn die Leistungspfl icht nach Fristsetzung durch den Gläubiger erloschen ist, vgl. RG (Urt. v. 13. 10. 1905) RGZ 61, 348, 353 f.; MünchKomm/Oetker, Bd. 2a, § 251 Rn. 6 m.w.Nachw. 130 Zur alten Rechtslage Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 55 IV. Ähnlich Lieb, Anm. zu BAG (Urt. v. 27. 10. 1970) AP Nr. 44 zu § 4 TVG Ausschlußfristen. Und schon Schöller, Gruchot, 45 (1901) 511, 530 f.: „Denn hier erklärt das Gesetz die Erfüllung . . . als ausgeschlossen und es würde direkt dem Gesetze widersprechen, dieselbe auf dem Umwege der Naturalrestitution des § 249 wieder einzuschmuggeln.“

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diskutiert.131 Hinter dieser Ansicht steht das berechtigte Anliegen, den Arbeitnehmer dort zur Nachholung nicht erbrachter „Teile“ der Arbeit anzuhalten, wo ihm dies zumutbar und möglich ist und der Arbeitgeber ein anerkennenswertes Interesse an der Nachholung hat. Diesem Anliegen ist jedoch nicht auf der sog. Sekundärebene zu entsprechen; vielmehr ist bereits auf der sog. Primärebene eine Korrektur notwendig. Solange die Nachholung der Arbeit möglich (§ 275 Abs. 1 BGB) und dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Leistungsinteresses des Arbeitgebers zumutbar (§ 275 Abs. 2 und 3 BGB) ist, besteht der Erfüllungsanspruch weiter. Hier zeigen sich erneut die Vorteile des Abrückens von der These, die Arbeitspflicht habe stets den Charakter einer absoluten Fixschuld.132 Gerade in jüngster Zeit ist die „Nacharbeit“ im Wege der Naturalrestitution wieder neu zur Diskussion gestellt worden. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, Anwendungsprobleme des § 275 BGB zu überwinden; hierzu wird vor allem eine verstärkte Heranziehung des in § 251 Abs. 2 S. 1 BGB enthaltenen Verhältnismäßigkeitsmaßstabs vorgeschlagen.133 Die Anwendung dieser Norm ergibt sich dann auf der Sekundärebene von selbst. Zu der Berechtigung der Korrekturbemühungen des § 275 BGB ist hier nicht Stellung zu nehmen. Indessen sollten diese – zumindest für den Dienstvertrag – nicht zu zwei unterschiedlichen Verpflichtungen zur Leistung von Diensten führen: Eine Leistungspflicht aus dem Vertrag auf der Primärebene und eine zweite, von der ersten im Umfang ggf. abweichende Leistungspflicht als Naturalrestitution auf der Sekundärebene. Gerade auch für den Arbeitsvertrag wird dies jedoch postuliert: „Denn die Beschränkung der Leistungspflicht auf den vereinbarten Zeitraum ergibt sich allein aus dem Arbeitsvertrag als der zugrunde liegenden Leistungsvereinbarung. Sie trägt folglich auch nur, soweit es um die Einforderung gerade des vereinbarten Leistungsaufwands geht. Wo der Schuldner dagegen aufgrund einer durch sein Verschulden ausgelösten Schadensersatzpfl icht – und damit aus einem anderen Rechtsgrund – in Anspruch genommen wird, gelten nunmehr auch allein die Grenzen dieses anderen Rechtsgrundes, d. h. hier: die Grenzen des § 251 Abs. 2 BGB.“134 Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß der Schuldner im Rahmen des Schadensersatzes zu mehr verurteilt werden kann, als er auf der Primärebene schuldete. „Naturalrestitution und Naturalerfüllung sind . . . im deutschen Recht grundverschieden. Mit dem Anspruch auf Naturalrestitution sanktioniert die Rechtsordnung ein zurechenbares Unrecht; mit dem Anspruch auf Naturalerfüllung verwirklicht sie die aus einem 131 Freilich zur alten Rechtslage: Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 226 ff.; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 139. 132 MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 29 f. Oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), unten Dritter Teil, § 7 I. 1., S. 355 ff. und S. 449 f. 133 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 249 ff., 252 ff. 134 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 255; ähnlich Gebauer, Naturalrestitution beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung, S. 209 f.

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Schuldverhältnis resultierende Pflicht unabhängig von einem Unrecht. . .“.135 Auch der Dienstverpflichtete kann wegen des „Unrechts“ zu mehr verpfl ichtet sein, als er es aufgrund des Dienstvertrages war. Nur kann sich dieses „Mehr“ eben nur in Geldersatz, nicht aber in der Leistung der Dienste in natura verwirklichen. Denn die Verurteilung zur Leistung von Diensten ist – gleichgültig aus welchem Rechtsgrund sie erfolgt – in der Sache immer die Verurteilung zur Erfüllung der ursprünglichen Leistungspfl icht. Wer die Dienste nachleistet, erbringt die ursprünglich geschuldete Dienste – nicht „andere“.136 Dies gilt auch für den Arbeitsvertrag. Die „Nacharbeit“ ist keine „andere“ Arbeit,137 der Arbeitnehmer greift hier nicht „auf einen anderen Teil seiner Arbeitskraft“ zurück.138 Der Arbeitnehmer hat vielmehr nur eine Arbeitskraft, die er zu unterschiedlichen Zeiten einsetzen kann. Der vereinbarte Leistungszeitraum ist eben auch für Dienste im Sinne des Leistungsstörungsrechts nicht konstituierend, ansonsten gäbe es für den Dienstvertrag keinen Verzug. Der Dienstvertrag unterscheidet sich insofern nicht von anderen Tätigkeitsverträgen. Ein Schneider, der ein Anzug zu einem festen Termin zugesagt hat, leistet im Falle der Verzögerung keinen „anderen“ Anzug. Selbst wenn es sich z. B. im Falle eines Hochzeitsfracks um ein absolutes Fixgeschäft handelt, leistet der Schneider bei Verzögerung immer noch den ursprünglich vereinbarten Frack, nur kann dieser jetzt seinen Zweck nicht mehr erfüllen. Schadensersatz statt der Leistung wird jedoch gerade deshalb geschuldet, weil die Verpfl ichtung zur Erfüllung der ursprünglich versprochenen vertraglichen Leistung erloschen ist. Daher muß auch der Dienstverpfl ichtete von der Pflicht zur Leistung der Dienste endgültig frei sein. Auch der Dienstberechtigte hat daran grundsätzlich ein Interesse, weil er sofort Geldersatz verlangen kann und sich nicht auf die Bemühungen des Schuldners, die Leistung doch noch in natura zu erbringen, verweisen lassen muß.139 Gerade dem Gläubiger eines Dienstvertrages wird daran gelegen sein, weil er wegen der Substratabhängigkeit der Tätigkeit an diesen Bemühungen regelmäßig mitwirken müßte.

135

Ackermann, JZ 2002, 378, 380. Dem grundsätzlich zustimmend Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 163. 136 Vgl. oben § 5 I. 2. b) (1) (b) (bb), S. 355 ff. 137 So Röhsler, DB 1961, 878, und nunmehr offenbar Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 253 Fn. 42, S. 255 f. mit Fn. 52; ihm folgend Richardi, NZA 2003, Beilage Heft 16, S. 14, 15 und 18, vgl. auch ders., NZA 2002, 1004, 1011. 138 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 228, der Beuthien, RdA 1972, 20, 23, zitiert. Die Verwendung des Zitats verfälscht hingegen Beuthiens Standpunkt, der mit dem hier vertretenen übereinstimmt: „In Betracht ziehen kann eine Nacharbeit nur, wer den Fixschuldcharakter der Arbeitspfl icht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verneint. Dann folgt aber die Nachleistungspfl icht des Arbeitnehmers nicht aus § 325 BGB, sondern aus § 611 BGB. Nicht Schadensersatz ist dann zu leisten, sondern der Arbeitnehmer muß seine nach wie vor bestehende Arbeitspfl icht zu einer neuen Leistungszeit erfüllen.“ 139 Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 55 I. (S. 682).

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Eine andere Frage ist, ob nicht im Ausnahmefall die bereits erloschene Leistungspflicht im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wieder zum Leben erweckt werden kann. Solche Ausnahmefälle wurden auch schon nach der alten Rechtslage in engen Grenzen anerkannt, wenn „ein besonders schutzwürdiges Interesse des Gläubigers oder des Schuldners festzustellen ist, Naturalrestitution zu verlangen oder anzubieten, und wenn ein ins Gewicht fallendes Gegeninteresse der anderen Seite nicht ersichtlich ist.“140 Auch im Arbeitsrecht wurden solche Ausnahmen gefordert.141 Je stärker von der These des absoluten Fixschuldcharakters der Arbeitspfl icht abgerückt wird, desto weniger ist man gezwungen, solche Ausnahmefälle zuzulassen.142 All dies gilt freilich nur, solange man anerkennt, daß zwischen dem ursprünglichen Anspruch auf Erfüllung und dem schadensersatzrechtlichen Anspruch auf Naturalherstellung eine klare Grenze verläuft, wie sie – zumindest für das alte Schuldrecht – als grundlegend angesehen wurde.143 Einzuräumen ist, daß eine solche Grenze keine ist, die sich „denklogisch“144 zwingend in jeder Rechtsordnung fi nden müßte. Sofern für das „modernisierte“ Schuldrecht ihre Trennkraft zur Diskussion gestellt wird,145 erscheint immerhin Vorsicht angeraten. Solange andere Lösungswege zur Verfügung stehen,146 erscheinen diese zunächst vorzugswürdig. Für den Dienst- und Arbeitsvertrag wäre vor allem davon abzuraten, die Tätigkeitspfl icht zur absoluten Fixschuld zu erklären, nur um auf diesem Wege zum Schadensersatzanspruch und damit zu § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zu gelangen.

5. Schadensersatz in Geld für „entgangene Dienste“? a) „Entgangene Dienste“ als ersatzfähiger Schaden? Daß auf der Sekundärebene des Schadensersatzes der Bereich des dienstvertraglichen Synallagmas verlassen wird, zeigt sich auch anhand der weiteren Frage, inwieweit der Dienstberechtigte im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung Ersatz für die nicht geleisteten Dienste an sich verlangen kann. Die Bejahung eines solchen Anspruchs liegt zunächst einmal fern: Schadenser140

Formulierung von Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 55 I. (S. 682), der selbst einen sehr restriktiven Standpunkt bezieht. 141 Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 400; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Fn. 12. Auflage, 22 zu Rn. 686. 142 Auch das BAG hat sich in einer jüngeren Entscheidung gegen den absoluten Fixschuldcharakter (zur Entscheidung stand allerdings auch kein „Normalarbeitsverhältnis“) und für eine Verpfl ichtung zur Nachholung von Arbeitsleistung aus dem Vertrag entschieden, BAG (Urt. v. 25. 3. 1992–5 AZR 300/91), n.v. In früheren Entscheidungen wurde die Nacharbeitspfl icht teilweise aus Treu und Glauben hergeleitet, vgl. BAG (Urt. v. 25. 7. 1957) AP Nr. 1 zu § 4 AZO; dem folgend LAG Hamm (Urt. v. 30. 7. 1980) BB 1980, 1858. 143 Vgl. nur Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 55 I. m. zahlreichen Nachw. 144 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 249. 145 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 249 ff., 225 ff. 146 Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 251 ff.

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satz statt der Leistung bedeutet, daß der Gläubiger im Ergebnis so zu stellen ist, wie er ohne die Vertragsverletzung des Schuldners im jetzigen Zeitpunkt, d. h. im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, stünde. Dabei schlägt allein der Umstand, daß der Dienstverpflichtete die Tätigkeit nicht oder nicht ordnungsgemäß geleistet hat, bei der Differenzrechnung nicht zu Buche. Geleistete Dienste sind keine bleibenden Vermögenspositionen, deren Fehlen sich im Falle der Nichtleistung zum Zeitpunkt der Saldierung noch bemerkbar machen könnte. Die Rechtsentwicklung ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr dazu übergegangen, entgangene Gebrauchsvorteile im Wege wertender, „abstrakter“ Berechnung als erstattungsfähigen Schaden anzuerkennen.147 Vereinzelte Versuche, diese Rechtsprechung auch auf den Dienst- bzw. Arbeitsvertrag zu übertragen,148 sind jedoch zu Recht gescheitert.149 Wohl könnte man auch beim Ausfall der Dienste eines selbständigen Dienstverpflichteten oder eines Arbeitnehmers in der Sache von „entgangenen Gebrauchsvorteilen“ sprechen; wenn auch der Terminus durch einen geeigneteren ersetzt werden müßte. Auch ließen sich entsprechende Berechnungsmethoden zur Not finden. Entscheidend ist jedoch, daß der Dienstberechtigte bestrebt ist, sein Äquivalenzinteresse zu realisieren, während in den üblichen Fällen der sog. abstrakten Schadensberechnung das Integritätsinteresse des Gläubigers verletzt wurde und dieser nun entscheiden muß, ob er für die Zeit, für die ihm der Gebrauchsvorteil entgeht, einen Ersatz beschafft oder nicht. Für diesen Gläubiger stellt sich damit erstmals die Frage, ob er für diesen Ersatz (zunächst möglicherweise eigenes) Vermögen aufwendet.150 Der Dienstberechtigte hat sich jedoch ohnehin für den Vermögensaufwand entschieden, um in den Genuß der Dienste zu gelangen. Er profitiert entsprechend davon, daß bei oder mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung das dienstvertragliche Synallagma aufgehoben wird. Die Leistungspflichten sind entfallen; der Dienstberechtigte muß die Vergütung (im Grundsatz) nicht mehr zahlen; dafür gehen ihm aber auch die „Gebrauchsvorteile“ der Dienste endgültig verloren.

147

Vgl. die Darstellung von Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 6 VII., S. 273 ff. LAG Frankfurt (Urt.v. 5. 7. 1966) NJW 1967, 1103. In diese Richtung auch BAG (Urt. v. 24. 4. 1970) AP Nr. 5 zu § 60 HGB. Vgl. auch MünchKomm/Grunsky, 3. Aufl., Vor § 249 Rn. 24. 149 BAG (Urt. v. 6. 6. 1972) AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 23; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 150 f. m. w.Nachw.; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 467. Zur aktuellen Rechtslage Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 138. 150 Hier mag man argumentieren, der vorsichtige oder nicht vermögende Geschädigte dürfe nicht benachteiligt werden, vgl. dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 6 VII. 4. S. 284. 148

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b) Der „Minderwert der schlechten Arbeit“ als ersatzfähiger Schaden? Die Frage, ob die entgangenen Dienste als Schaden statt der Leistung geltend gemacht werden können, wird nur virulent, soweit die Vergütung trotz der Nichtleistung der Dienste nicht entfällt. Ein Schadensersatzanspruch für entgangene Dienste ist daher im Schrifttum immer wieder von Autoren vorgeschlagen worden, die eine Lohnminderung bei schlecht erbrachten Diensten ablehnen, denen aber andererseits das Ergebnis der vollen Lohnzahlungspflicht bei schlechter Dienstleistung unerträglich schien. Sie erreichten den Effekt der Minderung, indem sie in dem „Minderwert der schlechten Arbeit“151 einen Schaden sahen; der daraus bei Verschulden resultierende Schadensersatzanspruch könne mit dem Vergütungsanspruch des Dienstverpfl ichteten aufgerechnet werden.152 Dieser Weg ist abzulehnen. Zunächst liegt allein im „Minderwert der schlechten Arbeit“ kein Schaden. Lehnt man es ab, „entgangene Dienste“, also die vollständige Nichtleistung von Diensten, als Schaden zu qualifizieren, kann in der partiellen Nichtleistung von Diensten erst recht kein Schaden gesehen werden. Entscheidend ist jedoch, daß auf diesem Wege das Problem an der falschen Stelle verortet wird.153 Die Frage, ob und wie Leistung und Gegenleistung miteinander stehen und fallen, ist die Frage nach dem Konnex der ursprünglichen vertraglichen Leistungspflichten. Die Frage ist daher auf dieser Ebene, eben der Primärebene, zu entscheiden. Das Gesetz sieht dafür im Grundsatz gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB (§ 323 BGB a. F.) die einfache und überzeugende Regel vor, daß ein Ausbleiben oder ein Zurückbleiben der einen Leistung ein Ausbleiben oder Zurückbleiben der anderen zur Folge haben soll. Diese Art der Verknüpfung der Leistungspflichten wird allgemein als konditionelles Synallagma bezeichnet.154 Befriedigt das auf diesem Wege gefundene Ergebnis – z. B. aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes – nicht, mag eine Kor151 Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 134; dahingehend auch Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 415 ff., und offenbar nun auch Staudinger/Löwisch (2004) § 281 Rn. C7 „den durch den sinnlosen Arbeitsaufwand entgangenen Gewinn“. Ähnlich OLG Köln (Urt. v. 24. 11. 1993) MedR 1994, 198, 199, der Schaden bestehe darin, daß der Beklagte für eine im Ergebnis unbrauchbare ärztliche Behandlung eine Vergütung zahlen soll. Ähnlich auch Jauernig/Mansel § 611 Rn. 16. Dagegen Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. 2, 1. Teilbd., § 29 I. 1.: unzulässiger Trick; zustimmend Bamberger/H.Roth/Fuchs § 611 Rn. 32 mit Fn. 107. Ebenso Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 17 für den Arbeitsvertrag. Vgl. weiter die unten in § 6 Fn. 44 genannten Autoren, die einen Schadensersatzanspruch bei schlechter Arbeitsleistung bejahen, ohne (ausdrücklich) die Frage zu beantworten, ob auch der Minderwert schlechter Arbeit als Schadensposten geltend gemacht werden kann. 152 Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 134, 136 f.; Beuthien, ZfA 1972, 73, 75 ff.; dem folgend Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl, Rn. 196. 153 So auch Lieb, Gutachten, S. 183, 208, 210. 154 Vgl. nur MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, Vor § 320 Rn. 19 sowie in Rn. 12 ff. zu den unterschiedlichen Theorien der synallagmatischen Verknüpfung.

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rektur der Grundregel angebracht sein, die mit Hilfe des gängigen juristischen Auslegungsinstrumentariums bewältigt werden kann. Wurde jedoch auf der Primärebene einmal eine Entscheidung für oder gegen eine Durchbrechung des Synallagmas getroffen, sollte diese auf der Sekundärebene nicht mehr korrigiert werden. Schadensersatz ist die Sanktion für ein „zurechenbares Unrecht“.155 Eine „Minderung“ käme auf diesem Wege also nur im Falle des Verschuldens in Betracht.156 In § 326 Abs. 1 S. 1 BGB (§ 323 BGB a. F.) wurde das konditionale Synallagma aber im Grundsatz unabhängig vom Vertretenmüssen ausgestaltet. Die Gegenleistung entfällt oder mindert sich gerade unabhängig von der Frage, ob der Schuldner die Nichterfüllung oder die partielle Nichterfüllung zu vertreten hat.

III. Minderung der Vergütung 1. Einleitung Die Bestimmungen über den Dienstvertrag sehen für die Frage, welche Auswirkungen die nicht ordnungsgemäße Erbringung der Dienste auf die Gegenleistung haben soll, keine grundsätzliche Regelung vor. Eine solche findet sich nur in den allgemeinen Bestimmungen, insbesondere in § 326 BGB. Dieser findet Anwendung, wenn die Leistungspflicht vollkommen oder partiell gem. § 275 BGB erloschen ist. In diesem Fall kommt es nach § 326 BGB zu einer automatischen Befreiung von der Vergütungspfl icht, allerdings nach Absatz 1 Satz 1 nur, wenn die Leistungspflicht völlig entfallen ist bzw. „bei einer Teilleistung“. Wurde dagegen eine nicht vertragsgemäße Leistung erbracht und ist der Nacherfüllungsanspruch nach § 275 BGB erloschen, soll gem. Absatz 1 Satz 2 die automatische Befreiung nach Satz 1 nicht eingreifen. Absatz 5 verweist für alle Fälle des Ausschlusses der Leistungspflicht gem. § 275 BGB, also auch für den Fall der nicht vertragsgemäßen Leistung, auf den Rücktritt gem. § 323 BGB. Insoweit die Leistungspflicht nicht gem. § 275 BGB erloschen ist, muß der Gläubiger, um eine Befreiung von der Vergütungspfl icht zu erlangen, gem. § 323 BGB vom Vertrag zurücktreten. Es ist allerdings zweifelhaft, ob und inwieweit der Rücktritt dem Dienstberechtigten neben der Kündigung als Rechtsbehelf überhaupt zur Verfügung steht. Allgemein gilt: Hat der Schuldner partiell eine Leistung erbracht, kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 5 BGB zurücktreten. Will der Gläubiger indessen die Leistung, soweit sie erbracht ist, behal155

Vgl. oben Zweiter Teil, § 5 II. 4., S. 378 f. Gerade deshalb, d. h. insbesondere um auf diesem Wege die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung zu bringen können, hatte die Idee einer „Minderung“ durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen im Arbeitsrecht einige Anhänger gefunden, vgl. dazu unten Dritter Teil, § 7 III., S. 454 ff. 156

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

ten, kann er dies grundsätzlich erreichen, indem er einen Teilrücktritt erklärt. Seine Gegenleistung ist anteilig herabzusetzen. Er erreicht auf diesem Wege in der Sache ebenfalls eine Minderung. Insgesamt scheint die Befreiung von der Vergütungspflicht in den Fällen der vollständigen Nichtleistung bzw. „bei einer Teilleistung“ dem Grundsatz nach unproblematisch möglich zu sein. Allenfalls bei der Berechnung der Minderung könnten sich Schwierigkeiten ergeben. Demgegenüber ist die Rechtslage bei „nicht vertragsgemäßer Leistung“ für den Dienstvertrag offen. 2. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Nach altem Schuldrecht stellte sich die Rechtslage anders dar, allerdings waren die Probleme durchaus vergleichbar. Die §§ 323 Abs. 1, 325 BGB a. F. rückten – zumindest optisch – stärker die Unmöglichkeit der Leistung in den Vordergrund. Für den Fall der von keiner Seite zu vertretenden vollständigen oder teilweisen Unmöglichkeit der Leistung sah § 323 Abs. 1 BGB a. F. ebenfalls eine automatische Befreiung bzw. eine Minderung der Vergütung vor; hatte der Schuldner die vollständige oder teilweise Unmöglichkeit zu vertreten, konnte der Gläubiger gem. § 325 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. ebenfalls zu dieser Minderung gelangen. War die Leistungspflicht nicht wegen Unmöglichkeit erloschen, mußte der Gläubiger den Schuldner in Verzug setzen. Er mußte ihm dann weiter gem. § 326 Abs. 1 BGB a. F. eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen. Die Nachfristsetzung führte zum Wegfall des Erfüllungsanspruchs und damit auch zur Befreiung von der Vergütungspfl icht gem. § 323 Abs. 1 BGB a. F. Dies sollte auch für den Fall des Teilverzugs gelten.157 Auch nach altem Schuldrecht war also der Wegfall bzw. die Minderung der Vergütungspflicht bei Unmöglichkeit oder Verzug bzw. Teilunmöglichkeit oder Teilverzug unproblematisch. Die Behandlung der Schlechtleistung war dagegen nicht eindeutig geregelt. Entsprechend bestand für den Dienst- und auch für den Arbeitsvertrag keine Einigkeit: Eine starke Mindermeinung nahm an, daß auch die Schlechtleistung als teilweise Unmöglichkeit oder Teilverzug behandelt werden müsse.158 Der Wortlaut der §§ 323 ff. BGB a. F. ließ diese Interpretation ohne weiteres zu. Das Gesetz ordnete, zumindest im allgemeinen Schuldrecht, keine Durchbrechung des konditionalen Synallagmas für die Schlechtleistung an. Auf diesem Wege gelangte man für die Schlechtleistung im Dienstvertrag zu einem Minderungsrecht.159 Auch für den Arbeitsvertrag 157 Allerdings verwies § 326 Ab. 1 S. 3 BGB a. F. insoweit nicht auf § 325 Abs. 1 S. 3 BGB. Dennoch gelangte man im Ergebnis zu einer Minderung, vgl. MünchKomm/Emmerich, § 326 Rn. 40, 97, 106 m.w.Nachw. 158 Vgl. die in § 4 Fn. 3 (S. 204) Genannten. 159 Hirte, Berufshaftung, S. 370 ff., der den selbständigen Dienstvertrag im Recht der Freien Berufe als Werkvertrag qualifiziert, aber auch unabhängig von dieser Qualifikation eine Minderung zulassen will (S. 370); Hartung, Schlechtleistungs, S. 119 ff. In diese Richtung de

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wurde diese Ansicht – vor allem im älteren Schrifttum – von zahlreichen Autoren vertreten.160 Die herrschende Ansicht lehnte hingegen für den Dienstvertrag eine Minderung bei Schlechtleistung ab.161 Die Minderung wurde gem. §§ 323, 325, 326 BGB lediglich in den Fällen der Unmöglichkeit bzw. des Verzugs mit der ganzen Leistung sowie in den Fällen der Teilunmöglichkeit und des Teilverzugs zugelassen. Für die Teilunmöglichkeit bzw. den Teilverzug ging man dabei grundsätzlich von der Vorstellung aus, die Leistung sei „in der Zeit“ teilweise erbracht (wobei man insoweit wohl stets von einer ordnungsgemäßen Erbringung ausging) und teilweise nicht erbracht. Einige Autoren betonten sogar, eine Teilleistung sei für den Dienstvertrag nur als zeitweise Leistung möglich.162 Begründungen für eine Beschränkung der Teilunmöglichkeit bzw. des Teilverzugs auf „Teilleistungen in der Zeit“ finden sich – soweit ersichtlich – nicht. Auch finden sich – abgesehen von Schlagwörtern wie „qualitative“ und lege ferenda auch Lieb, Gutachten, S. 183, 210 ff. Weiter W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 498 ff., 600 ff., der insbesondere § 628 Abs. 1 BGB entsprechend zur Anwendung bringen will; ähnlich Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 411 ff. 160 Vgl. die unten in § 6 Fn. 39 (S. 440) Genannten. Vgl. auch das Gewerbegericht Berlin Urt. v. 11. 4. 1904, v. 1. 5. 1903, v. 15. 5. 1905, alle in: v. Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 123 ff. Nr. 46, 47, 49. Anders dann aber Urt. v. 31. 7. 1911 und v. 10. 10. 1912, zitiert in: v. Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 124 (Anm.). 161 BGH (Urt. v. 7. 3. 2002) NJW 2002, 1571, 1572; OLG München (Urt. v. 26. 5. 2000) OLGR München 2000, 286 f.; OLG Koblenz (Urt. v. 7. 1. 1993) NJW-RR 1994, 52 f.; OLG Frankfurt (Urt. v. 13. 6. 1991) MDR 1992, 347; OLG Köln (Urt. v. 22. 10. 1987) BB 1989, Beilage 4, S. 20; OLG Düsseldorf (Urt. v. 31. 1. 1974) NJW 1975, 595, 596; Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 102. Aus dem Arbeitsrecht vgl. nur: Hans OLG. (Urt. v. 12. 11. 1920) NZfA 1921, 167; RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 230, 231; RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606 ff.; BAG (Urt. v. 6. 6. 1971) AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; LAG Duisburg (Urt. v. 23. 2. 1928) ARS 3, 13, 14; LAG Hamm (Urt. v. 2. 3. 1956), DB 1956, 428; LAG Düsseldorf (Urt. v. 20. 11. 1957) DB 1957, 1132; LAG Stuttgart (Urt. v. 7. 3. 1950) AP 51 Nr. 98; LAG Köln (Urt. v. 3. 5. 1996–11 Sa 42/96), n.v.; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 40 ff.; Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 88 f.; Elster, DJZ 1910, 801, 802, 803; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 60 ff., 75 ff.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 136; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 68 ff.; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 188; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 6. (S. 236 f.); Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3. b); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 147; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 26 III., § 25 IV. 1. f), 2. b); Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 650 f.; Palme, BlStSozArb 1957, 27 f.; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, S. 14 ff., 95 f.; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 102 ff.; Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, § 18 III.; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 Rn. 5, 6 und 10; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 109; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1531 f.; Kasseler Handbuch/Künzel 2.1. C IV. 2. b); MünchKomm/Blomeyer § 58 Rn. 10, 18 f.; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 48 ff.; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 473. 162 Vgl. die oben in § 4 Fn. 202 (S. 259) Genannten.

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„quantitative“ Teilleistung – keine Erklärungen dafür, wie die Teilleistung von der Schlechtleistung abgrenzbar sein sollte. Der Ausschluß der Minderung für die Schlechtleistung wurde vor allem damit begründet, daß das Dienstvertragsrecht in den §§ 611 ff. BGB insoweit keine Regelung bereithalte, wohingegen die Regelungen für den Kauf-, den Miet-, den Pacht-, den Werk- und den Reisevertrag solche Bestimmungen vorsahen (§§ 459 ff., 537 ff., 581 Abs. 2, 634 ff., 651d ff. BGB a. F.).163 Mit dieser Regelungslücke habe der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, daß die Minderung im Falle der Schlechtleistung für den Dienstvertrag ausgeschlossen sein solle. Allerdings wurde, wie bereits erwähnt, das Ergebnis von einigen Autoren nicht als befriedigend empfunden; diese ließen daher die Minderung faktisch zu, indem sie dem Dienstberechtigten einen Schadensersatzspruch wegen des „Minderwerts der Arbeit“ zubilligten, mit dem dieser gegen den Vergütungsanspruch aufrechnen konnte.164 Gerade im Arbeitsrecht wurden aber auch zahlreiche andere Wege mit dem Ziel einer Herabsetzung des Lohns beschritten.165 In gewisser Hinsicht kann sich die früher herrschende Ansicht durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bestätigt sehen. Dieses hat zum einen die Trennung von Teilleistung und Schlechtleistung festgeschrieben;166 zum anderen enthält § 326 Abs. 1 S. 2 BGB eine (wenn auch beschränkte) Durchbrechung des konditionalen Synallagmas für Schlechtleistungen. Es verwundert daher nicht, daß sich auch im aktuellen Schrifttum die Meinung durchzusetzen scheint, daß eine Minderung im Dienstvertrag bei Nichtleistung oder Teilleistung möglich sei, wohingegen für die Schlechtleistung eine Minderung ausscheiden müsse.167 Dabei kann sich diese Ansicht nach wie vor darauf berufen, daß im Gegensatz zu anderen Vertragstypen (§§ 437 ff., 536 ff., 581 Abs. 2, 634 ff., 651d ff. BGB) die §§ 611 ff. BGB keine Bestimmungen für die Minde-

163

Vgl. unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (b), S. 394 ff. Oben Zweiter Teil, § 5 II. 3. b), S. 382 f. 165 Vgl. unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 440 ff., sowie die rechtspolitischen Vorschläge von Hueck/Molitor/Riezler/Molitor, Der Arbeitsvertrag, S. 124 ff. 166 Oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 205. 167 Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 42; Jauernig/Mansel § 611 Rn. 16; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 463, 480; Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 555 ff.; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 190; Preis, Individualarbeitsrecht, § 52 I. 1.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 845; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 412; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 6 Rn. 136; Lindemann, AuR 2002, 81, 83; Wedde, AiB 2002, 267, 270; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 137 f.; Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 245; Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 834, 836; Tschöpe, BB 2006, 213, 215. Soergel/ Gsell § 320 Rn. 66. Anders Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 1. (S. 74 f.); Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 377; Medicus, Schuldrecht Besonderer Teil, § 97 II. 1. c) (Rn. 323 ff.); Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. III. 1. b) (S. 415 f.). 164

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rung enthalten. Noch überzeugender scheint allerdings die direkte Berufung auf § 326 Abs. 1 S. 2 BGB zu sein.168 3. Die Anwendung der §§ 326, 323 BGB auf Dienstverträge Bei genauerer Betrachtung zeigt sich indes, daß die Lösung des Problems weitaus weniger eindeutig ist, als dies nach den Argumenten der herrschenden Meinung zunächst den Anschein haben mag. Das gilt schon für die Frage, ob und vor allem wie § 326 BGB auf Dienstverträge anzuwenden ist. Weiter bleibt die Bedeutung des in § 326 Abs. 5 BGB enthaltenen Verweises auf das Rücktrittsrecht dunkel. Vor allem aber enthebt alle juristische Auslegungskunst nicht von der Pflicht zur Beantwortung der Frage, aus welchem sachlichen Grund bestimmte Leistungsstörungen ohne weiteres zu einer Herabsetzung der Gegenleistung führen sollen, wohingegen dies auf andere Leistungsstörungen nicht zutreffen soll. Bevor jedoch auf diese Frage eingegangen wird, soll untersucht werden, welche Auslegungsmöglichkeiten des § 326 BGB sich nach Wortlaut, Systematik und der Entstehungsgeschichte der Norm ergeben. Noch zuvor soll zur Klärung des Anwendungsbereichs von § 326 BGB auf die vorrangigen Spezialregelungen eingegangen werden. a) Anwendungsvorrang der §§ 614 bis 616, 628 BGB § 326 BGB kann auf den Dienstvertrag im konkreten Fall überhaupt nur Anwendung finden, solange nicht eine speziellere Norm aus den §§ 611 ff. BGB den Wegfall oder Erhalt der Vergütungspflicht regelt. Als solche kommen die §§ 614 bis 616 sowie § 628 BGB in Betracht. Allerdings enthält § 614 BGB nur eine Fälligkeitsregel,169 und § 628 BGB kommt nur im Falle der Kündigung zur Anwendung. § 616 BGB regelt den Erhalt des Vergütungsanspruchs bei zeitlich unerheblichen schuldlosen Verhinderungen an der Dienstleistung, soweit diese ihren Grund in der Person des Dienstverpflichteten haben. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist damit weit, wenn er auch für den Arbeitsvertrag insbesondere durch die vorrangigen Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes stark reduziert wird. Demgegenüber ist man sich über den Anwendungsbereich des § 615 BGB uneinig. Sieht man § 615 BGB mit der auch hier

168 So nunmehr für das Arbeitsrecht: Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 190; Preis, Individualarbeitsrecht, § 52 I. 1.; Lindemann, AuR 2002, 81, 83; Wedde, AiB 2002, 267, 270; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 137 f.; ErfK/ Preis, § 611 BGB Rn. 846; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 412; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 17; Tschöpe, BB 2006, 213, 215. Für den Dienstvertrag allgemein Jauernig/ Mansel § 611 Rn. 16; Soergel/Gsell § 320 Rn. 66. 169 Dazu unten Zweiter Teil, § 5 IV., S. 424 ff.

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vertretenen Ansicht als eine generelle Regelung der Substratsgefahr an,170 verdrängt die Norm § 326 BGB in großem Umfang. § 615 BGB erhält nach dieser Lesart den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten in allen Fällen, in denen dieser die Leistung im vereinbarten Leistungszeitraum gar nicht, nicht vollständig oder nicht vertragsgemäß erbringen kann, weil entweder der Dienstberechtigte die Annahme ablehnt oder weil ein vom Dienstberechtigten zu stellendes Substrat (er selber, seiner „Sphäre“ zugehörige Personen oder Sachen) nicht bereitstehen. Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es nicht an. Damit wird ein großer Anteil der Fälle, die sonst über § 326 Abs. 2 BGB hätten gelöst werden müssen, dem Anwendungsbereich des § 326 BGB von vornherein entzogen.171 b) Zur ratio legis der §§ 326 Abs. 1 und 5, 323 BGB Aus § 326 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich zunächst, daß die Minderung kraft Gesetzes auf die vollständige Unmöglichkeit und die „Teilunmöglichkeit“ beschränkt ist. Bei unbefangener Lektüre des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB könnte daher der Eindruck entstehen, die Norm sehe genau für die Vertragstypen, für die ein gesetzliches Minderungsrecht bei Schlechtleistung nicht ausdrücklich normiert sei, den Ausschluß eines solchen Minderungsrechts vor.172 Nach der Entstehungsgeschichte der Norm verfolgte der Gesetzgeber allerdings ein anderes Ziel. Dem Gesetzgeber ging es allein um einen Ausschluß der gem. § 326 Abs. 1 BGB ipso iure eintretenden Minderung in den Fällen der Schlechtleistung, in denen eine Nacherfüllung unmöglich ist.173 Die Minderung sollte nicht automatisch erfolgen; der Gesetzgeber meinte, es würden sich ansonsten „Wertungswidersprüche zu den Vertragstypen ergeben, bei denen ein Minderungsrecht ausdrücklich vorgesehen ist, wie vor allem beim Kauf.“174 Man befürchtete, der Rechtsanwender könnte in den Fällen, in denen der Nacherfüllungsanspruch wegen § 275 BGB untergegangen ist, auf den Gedanken kommen, daß die Minderung nach den Gewährleistungsvorschriften des jeweiligen Vertragstyps nicht mehr möglich wäre, weil gem. § 326 Abs. 1 S. 1 170

Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c), und Zweiter Teil, § 5 I. 2., S. 70 ff. und 349 ff. Für das Arbeitsrecht Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 127 ff.; vorsichtig MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 326 Rn. 66. Eine völlige Verdrängung des § 326 Abs. 2 BGB durch § 615 S. 3 BGB bejaht Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 55 ff. Anders MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 13. 172 Nach Medicus, JuS 2003, 521, 526, wurde eine Vorschrift über die Minderung im allgemeinen Schuldrecht nicht aufgenommen, weil man vermeiden wollte, daß die Minderung als allgemeiner Rechtsbehelf auch beim Dienstvertrag anwendbar wird. Nachweise für einen dahingegenden Willen des Gesetzgebers bringt Medicus allerdings nicht. Vgl. nun auch ders., Schuldrecht Besonderer Teil, § 97 II. 1. c) (Rn. 323 ff.). 173 Bamberger/H.Roth/Grothe § 326 Rn. 23; KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse § 326 Rn. 6, 13; Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 40. 174 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 189. 171

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BGB schon eine automatische Minderung erfolgt sei.175 Diese Befürchtungen erscheinen wegen des dem Rechtsanwender bekannten lex specialis-Grundsatzes weniger begründet,176 doch kommt es darauf hier nicht an. Wichtiger ist, daß es selbst für diese Fallgestaltungen nur um einen Ausschluß der automatischen Minderung ging. Neben dieser automatischen Minderung in § 326 Abs. 1 S. 1 BGB sieht das Gesetz jedoch – zumindest im Ergebnis – eine Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB vor. Bei der Minderung nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB und der Herabsetzung der Vergütungspflicht durch Teilrücktritt bei Schlechtleistung handelt es sich „im Kern um dieselbe Sache.“177 Die Möglichkeit der „Minderung durch Teilrücktritt“ besteht also unabhängig von der Frage, ob die Nacherfüllungspflicht gem. § 275 BGB erloschen ist oder nicht. Mit dem Gesetz zur Schuldrechtsmodernisierung wurde „der Teilrücktritt als generelle Rechtsfigur, also nicht nur in den traditionellen Minderungsfällen, anerkannt“178. Diese Intention des Gesetzgebers belegt die Gesetzgebungsgeschichte.179 § 326 Abs. 5 BGB war im Regierungsentwurf zunächst als § 326 Abs. 1 S. 2 BGB geplant. Die Norm sollte heißen: „Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Fristsetzung entbehrlich ist.“180 Kurz gesagt: Für volle Unmöglichkeit und Teilunmöglichkeit findet eine automatische Minderung statt; für die Schlechtleistung ist die Minderung (lies: auch in den Fällen der Unmöglichkeit der Nacherfüllung) durch Rücktritt zu bewirken.181 § 326 Abs. 1 S. 2 des Regierungsentwurfs wurde dann in Absatz 5 verschoben, und gleichzeitig wurde die Rücktrittsmöglichkeit auf alle Fälle der Nichtleistung und beschränkten Störung ausgedehnt.182 Für die Schlechtleistung ändert sich durch diese Änderung der Entwürfe zu § 326 Abs. 1 und 5 BGB nichts. Gegen diesen eindeutigen Befund läßt sich nicht eine Textstelle aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kaufrecht anführen, in der es heißt: „Dabei ist zunächst die Frage zu behandeln, ob die Minderung als Rechtsbehelf in das allgemeine Leistungsstörungsrecht neben Rücktritt und Schadensersatz eingestellt werden soll. Entschei175

Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 III. 3. b) (S. 72). Hierauf weist auch Peukert, AcP 205 (2005), 430, 442, 448 ff., hin. 177 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 240. 178 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 240, 199. So in der Sache auch AnwKom/Dauner-Lieb § 326 Rn. 16; grundsätzlich auch P. Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 3. Rn. 203, 6. Rn. 10; Jauernig/Stadler § 326 Rn. 12; wohl auch Koller, in: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002, S. 45, 62. Unklar Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. F 27 „denkbar“. Anders Emmerich, Leistungsstörungen, § 19 V. 2. (S. 305 f.). Anders wohl auch, aber ohne klare Stellungnahme Bamberger/H.Roth/Grothe § 326 Rn. 34. 179 Ausführliche Darstellung bei AnwKom/Dauner-Lieb § 326 Rn. 16 ff. 180 Vgl. die Synopse BT-Drucks. 14/7052, S. 33. 181 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 326 Rn. 32; Erman/H. P. Westermann § 326 Rn. 8 (der aber den Dienstvertrag hiervon ausnehmen will). 182 Beschlußempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 14/7052, S. 193. 176

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dend dagegen spricht, dass die Minderung für einzelne Vertragstypen, insbesondere für den Dienstvertrag, als Rechtsbehelf ausgeschlossen bleiben muss.“183 Der Gesetzgeber hat hiermit lediglich auf seine Ansicht zum Ausschluss der automatischen Minderung gem. § 326 Abs. 1 S. 2 BGB verweisen wollen. Man kann dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er hätte an dieser speziellen Stelle grundsätzliche Ausführungen zu § 326 Abs. 1 S. 2 BGB machen wollen, die den dortigen widersprechen sollten.184

Das Gesetz hat also grundsätzlich die Möglichkeit der Minderung durch Teilrücktritt bei Schlechtleistung eröffnet. Wer dies bestreiten wollte, könnte allenfalls § 323 Abs. 5 S. 2 BGB anführen, nach dem der Gläubiger bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung vom Vertrag nicht zurücktreten kann, wenn die Pflichtverletzung unerheblich war. „Vom Vertrag“, so könnte man argumentieren, sei so zu lesen, daß der Gläubiger bei nicht vertragsgemäßer Leistung immer nur vom ganzen Vertrag zurücktreten könne.185 Für ein derart restriktives Verständnis ergeben sich indes keine Anhaltspunkte.186 Wenn man mit Teilen der Literatur187 annehmen darf, daß der Gesetzgeber mit den Bestimmungen Art. 51 Abs. 1 des Einheitlichen UN-Kaufrechts (CISG) folgen wollte, ging es ihm gerade auch darum, den Teilrücktritt bei nicht vertragsgemäßer Leistung zuzulassen. Allerdings hat der Gesetzgeber zu der eigentlich entscheidenden Frage nicht ausdrücklich Stellung genommen. Diese lautet: Kann der Gläubiger allein vom Leistungsdefizit der Schlechtleistung zurücktreten? Verspricht beispielsweise188 der Verkäufer 100 Ballen Baumwolle und sind 10 Ballen mangelhaft und daher nur die Hälfte wert, ist die Frage, ob unter Teilrücktritt der Rücktritt von dem „mangelhaften Teil“, also den 10 Ballen, zu verstehen ist, so daß der Kaufpreis um ein Zehntel zu reduzieren wäre, oder ob sich der Teilrücktritt auch „isoliert“ auf das Leistungsdefizit, also den vom Nacherfüllungsanspruch erfaßten „Teil“, beschränken kann, so daß der Käufer den Kaufpreis um ein Zwanzigstel reduzieren sowie die mangelhaften Ballen behalten könnte. Nur diese letzte Alternative entspricht dem klassischen Verständnis von der Minderung bei Schlechtleistung. Art. 51 Abs. 1 CISG bezieht sich seinem Wortlaut nach zunächst nur auf die erste Alternative: „If the seller delivers only a part of the goods or if only a part of the goods is not in conformity with the contract, art. 46 to 50 apply in respect of the part which is missing or which does not conform.“189 183

BT-Drucks. 14/6040, S. 223. Dahingehend aber Peukert, AcP 205 (2005), 430, 451 ff. 185 Dahingehend Peukert, AcP 205 (2005), 430, 440. 186 Vgl. auch die unterschiedliche Formulierung in S. 1 der Norm, dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (a), S. 393 f. 187 MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 199 m.Fn. 348. 188 Beispiel bei Schlechtriem/U. Huber, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG –, 3. Aufl., 2000, Art. 51 Rn. 12; nunmehr Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 51 Rn. 11. 189 Hervorhebung d. Verf. 184

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So wird die Norm isoliert betrachtet auch in der Literatur verstanden.190 Doch verweist Art. 51 Abs. 1 CISG nicht nur auf die Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG), sondern auch auf die Minderung (Art. 50).191 Im Ergebnis gestattet Art. 51 Abs. 1, 50 CISG damit, daß der Verkäufer die nicht vertragsgemäße Ware behält und die Gegenleistung nur bezüglich des Leistungsdefizits entfällt.192 Ein „Wille“ des Gesetzgebers zu einer restriktiveren Verwendung des Teilrücktritts hat sich nirgendwo niedergeschlagen. Gegenüber einem Gläubiger, der eine Minderung durch Teilrücktritt geltend machen will, stünde man angesichts des Wortlauts und der Gesetzgebungsgeschichte mit leeren Händen da. Eine Formulierung der ratio legis der §§ 326 Abs. 1 und 5, 323 BGB, die sich auf den Wortlaut und die Gesetzgebungsgeschichte stützt, würde daher lauten: Es findet keine automatische Minderung statt; vielmehr muß der Gläubiger die Minderung herbeiführen, indem er erklärt, daß er von dem noch ausstehenden „Anteil“ der Leistung zurücktrete. Dennoch bleibt eine gewisse Skepsis gegenüber der „Minderung durch Teilrücktritt“. Man mag bezweifeln, ob sie sich in das Gesamtgefüge des Schuldrechts einfügt. Diese Zweifel erheben sich weniger gegenüber den Vertragstypen, die eine besondere und damit vorrangige Regelung der Minderung kennen. Die Zweifel stellen sich vielmehr vor allem für die Vertragstypen, für die kein Minderungsrecht normiert ist und für die daher die „Minderung durch Teilrücktritt“ bei Schlechtleistung ein novum wäre. In erster Linie ist hier der Dienstvertrag betroffen. Bevor allerdings auf die Minderung durch Teilrücktritt für den Dienstvertrag eingegangen wird, ist zunächst noch zu untersuchen, ob und inwieweit es beim Dienstvertrag zu einer automatischen Minderung kommen kann. c) Minderung bei nicht vertragsgemäßer Leistung der Dienste gem. §§ 326, 323 BGB? (1) Minderung kraft Gesetzes gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB? Stellt man in den Vordergrund, daß § 326 Abs. 1 S. 2 BGB geschaffen wurde, um bei „Werk- und Kaufverträgen die Ausgestaltung der Minderung als Gestaltungsrecht“193 zu schützen, ließe sich der Umkehrschluß ziehen, daß die Norm nach Sinn und Zweck auf Vertragstypen keine Anwendung finden könne, die die Minderung nicht als Gestaltungsrecht kennen. Dieser Standpunkt 190 v. Caemmerer/Schlechtriem/U. Huber, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG –, 3. Aufl., 2000, Art. 51 Rn. 12; nunmehr Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 51 Rn. 11 191 Der Verweis ist allerdings nicht unumstritten vgl. MünchKomm/P. Huber Art. 51 CISG Rn. 12. Wie hier U. Huber und Müller-Chen, ebenda, Fn. 190. 192 Dies tut MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 240, gerade nicht. 193 Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 1. (S. 74); Krause, Jura 2002, 299, 303 f; zu Franchise-Verträgen Haager, NJW 2002, 1463, 1468 f.; Giesler, ZIP 2002, 420, 425.

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wird in der Literatur auch vertreten, namentlich auch für den Dienstvertrag.194 Allerdings bleibt die Frage, welche Regelungen dann anstelle dieser Norm greifen sollen. § 326 Abs. 1 S. 2 BGB enthält eine Einschränkung des Satzes 1 der Norm. Entfällt die Einschränkung, hätte dies an sich das Eingreifen der automatischen Minderung zur Folge. Gerade auch für den Dienstvertrag wird auf diesem Wege ein automatisches Minderungsrecht in den Fällen der Schlechtleistung begründet.195 Freilich steht der Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen, daß diese Norm die Minderung entsprechend § 441 Abs. 3 BGB nur „bei Teilleistung“ eingreifen läßt. Das neue Schuldrecht sieht, wie dargelegt, einen Dualismus von Teil- und Schlechtleistung vor.196 Nun könnte man allerdings behaupten, der Begriff „Teilleistung“ sei an dieser Stelle weiter zu verstehen als in den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB. Dies liegt zunächst nicht einmal fern, wenn man bedenkt, daß die herrschende Meinung den Begriff Teilleistung in § 266 BGB auch auf die Schlechtleistung erstreckt.197 Mehr als unbefriedigend wäre es jedoch, wenn man den Begriff „bei Teilleistung“ für Kauf- und Werkverträge auf die Teilleistung i. e. S. beschränken müßte, ihn aber bei Dienstverträgen auf Teil- und Schlechtleistungen zu erstrecken hätte. Dies ließe zudem die Absicht des Gesetzgebers unberücksichtigt, der wohl auch unabhängig von den Besonderheiten des Kauf- und des Werkvertragsrechts die Schlechtleistung aus dem Anwendungsbereich des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ausklammern wollte und sich damit dem Standpunkt der herrschenden Meinung zu § 323 Abs. 1 a. F. BGB anschloß.198 Angesichts des Zusammenspiels von Satz 2 und 1 in § 326 Abs. 1 BGB könnte man sich auch auf den noch weitergehenden Standpunkt stellen, der gesamte Absatz 1 des § 326 BGB (sowie in der Folge Absatz 5 der Norm) finde auf Dienstverträge keine Anwendung; eine Minderung ipso iure müsse sich gleichwohl per se aus dem Gedanken des konditionalen Synallagmas ergeben.199 Die 194 Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 1. (S. 74 f.). Dagegen ausdrücklich Staudinger/ Otto (2004) § 326 B 42. 195 Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 IV. 1. (S. 74 f.). Auch Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. III. 1. b) (S. 415), konstatieren eine Regelungslücke (dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (a), S. 394) und wollen daher § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB analog anwenden. 196 Oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 204 ff. Gerade Emmerich, Fn. 875, sieht die qualitative Unmöglichkeit, also die Schlechtleistung, aber grundsätzlich weiter als Teilunmöglichkeit an. 197 Vgl. die oben in § 1 Fn. 13 Genannten. Aus diesem Grund lehnt Peukert, AcP 205 (2005), 430, 439, die Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ab. 198 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 189. Eine Auseinandersetzung mit der maßgeblich von Emmerich zu § 323 Abs. 1 BGB a.F vertretenen Gegenauffassung, oben § 4 Fn. 3., fand freilich nicht statt. 199 Ähnlich wurde für die alte Rechtslage von einigen Autoren ein Minderungsrecht des Arbeitgebers begründet: Rabe, Lohnminderung, S. 48 ff., 54 (Minderung „aus dem das Arbeitsverhältnis beherrschenden Äquivalenzprinzip“); ähnlich Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f.; G. Jaerisch, DB 1953, 1091, 1092, der allerdings auch auf § 614 BGB abstellt.

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Einwände liegen auf der Hand: Selbst für die wichtigen Vertragstypen des Kauf- und Werkvertrages sieht das Gesetz eine automatische Minderung gerade nicht vor. Für die Fälle der schlecht erbrachten Dienste läßt sich eine Minderung kraft Gesetzes, wie sie z. B. im Mietrecht § 536 BGB vorsieht, mithin nicht überzeugend begründen. Will der Dienstberechtigte im Falle der Schlechtleistung eine Minderung herbeiführen, verbleibt ihm nur die Möglichkeit des Teilrücktritts gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB. (2) Minderung durch Teilrücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB? (a) Generelle Anwendbarkeit der Vorschriften Eine solche Minderung würde bewirkt, indem der Dienstberechtigte von dem Vertrag teilweise zurücktritt, nämlich soweit, wie die versprochenen Dienste infolge der Schlechtleistung nicht bzw. noch nicht erbracht sind. Hat in dem einfachen Beispielsfall der Nachhilfelehrer die versprochene Unterrichtsstunde in Englisch schlecht erbracht, weil er den Schüler nur aus dem Lehrbuch hat vorlesen lassen, besteht zunächst ein Anspruch des Dienstberechtigten auf Nacherfüllung. 200 Freilich kann dieser Nacherfüllungsanspruch gem. § 275 oder § 615 BGB untergegangen sein. 201 Für den Teilrücktritt ist das im Grundsatz unerheblich: Im Falle der Unmöglichkeit wäre der Teilrücktritt gem. § 326 Abs. 5 BGB möglich; die für den Teilrücktritt an sich notwendige Fristsetzung wäre angesichts der Unmöglichkeit entbehrlich. Besteht der Nacherfüllungsanspruch hingegen weiter, ist der Teilrücktritt gem. § 323 BGB möglich. Die hier notwendige Fristsetzung wird wiederum in den Fällen des Dienstvertrages wegen § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB oft entbehrlich sein. Ein Teilrücktritt – und damit die Minderung durch Teilrücktritt – wäre nur ausgeschlossen, wenn der Dienstberechtigte für den Umstand, der ihn zum Teilrücktritt berechtigt, „allein oder weit überwiegend verantwortlich“ wäre oder wenn der Umstand während des Gläubigerverzuges einträte (§§ 326 Abs.2, 323 Abs. 6 BGB). Außerdem könnte der Teilrücktritt ausgeschlossen sein, wenn sich die Schlechtleistung lediglich als unerheblich darstellt, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Allerdings ist nicht klar geregelt, ob sich diese Norm nur auf den Totalrücktritt bezieht, wie der Zusammenhang mit Satz 1 der Norm nahelegt, oder ob sie auch auf den Teilrücktritt anwendbar ist. Für Letzteres spricht aber vor allem, daß in Satz 1 ausdrücklich der Rücktritt „vom ganzen Vertrag“ benannt ist, wohingegen in Satz 2 nur davon die Rede ist, daß der Gläubiger „vom Vertrag“ zurücktritt. Mit dieser Formulierung erfaßt jedenfalls Absatz 1 des § 323 BGB auch den Teilrücktritt. Außerdem enthalten die §§ 441 Abs. 1 200

Dazu oben Zweiter Teil, § 5 I. 1., S. 348 f. Dazu oben Zweiter Teil, § 5 I. 2., S. 349 ff. Ist der Nacherfüllungsanspruch gem. § 615 BGB erloschen, kommt eine Minderung freilich nicht in Betracht. 201

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S. 2, 638 Abs. 1 S. 2 BGB jeweils die Bestimmung, daß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB keine Anwendung finden soll. Die Minderung beim Kauf- und Werkvertrag soll also auch bei Unerheblichkeit der Pfl ichtsetzung möglich sein. Diese Regelung wäre sinnlos, wenn § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ohnehin nur den Rücktritt vom ganzen Vertrag beträfe. Es sprechen daher die besseren Gründe dafür, daß eine Minderung durch Teilrücktritt ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner darlegen und nachweisen kann, daß die Pflichtverletzung unerheblich war. Liegen die Voraussetzungen der Minderung durch Teilrücktritt vor, bedürfte es einer Erklärung des Dienstberechtigten dahingehend, daß er von dem Vertrag teilweise, nämlich hinsichtlich des durch die Schlechtleistung entstandenen Leistungsdefizits, zurücktrete. Dahingehend dürfte man jede Erklärung auslegen können, mit der der Dienstberechtigte zum Ausdruck bringt, daß er die Dienste, so wie sie geleistet wurden, akzeptiert, und er lediglich wegen der Schlechtleistung die Vergütung herabsetzen möchte. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die §§ 326 Abs. 5, 323 BGB, wollte man sie auf die Minderung durch Teilrücktritt bei Schlechtleistung anwenden, zu diesem Zweck ein ausreichendes und angemessenes rechtliches Instrumentarium bereitstellen. Wenn in der Literatur für diese Frage eine Regelungslücke konstatiert wird, 202 ist dem zu widersprechen. Ob die Minderung durch Teilrücktritt gemäß dieser Vorschriften für den Dienstvertrag zugelassen werden kann, ist damit freilich noch nicht gesagt. Gegen eine Zulassung könnten unterschiedliche Gründe sprechen. (b) Ausschluß des Minderungsrechts durch die §§ 611 ff. BGB? Schon für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde gegen die Minderung in den Fällen der Schlechtleistung vor allem eingewandt, daß der Gesetzgeber in den §§ 611 ff. BGB kein solches Minderungsrecht vorgesehen habe. Eine Minderung scheide daher aus. 203 Für die aktuelle Rechtslage 202 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. III. 1. b) (S. 415). Gegen eine Minderung durch Teilrücktritt auch Peukert, AcP 205 (2005), 430, 439 f. 203 Vgl. für den Dienstvertrag nur: BGH (Urt. v. 7. 3. 2002) NJW 2002, 1571, 1572; OLG München (Urt. v. 26. 5. 2000) OLGR München 2000, 286 f.; OLG Koblenz (Urt. v. 7. 1. 1993) NJW-RR 1994, 52 f.; OLG Frankfurt (Urt. v. 13. 6. 1991) MDR 1992, 347; OLG Köln (Urt. v. 22. 10. 1987) BB 1989, Beilage 4, S. 20; OLG Düsseldorf (Urt. v. 31. 1. 1974) NJW 1975, 595, 596; Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 102. Aus dem Arbeitsrecht: RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 230, 231; RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606 ff.; LAG Düsseldorf (Urt. v. 20. 11. 1957) DB 1957, 1132; LAG Duisburg (Urt. v. 23. 2. 1928) ARS 3, 13, 14; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 59 f.; Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 88; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 58; Hueck/ Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 6. (S. 236 f.); Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3. b); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 147; Palme, BlStSozArb 1957, 27 f.; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, S. 14 ff., 95 f.; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 109; RGRK/ Schliemann § 611 Rn. 1531; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 10, 18 f.; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 473.

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wird diese Argumentation fortgeführt. 204 In der Literatur ist dagegen wiederholt und überzeugend vorgetragen worden, daß sich aus dem Schweigen des Gesetzgebers in den §§ 611 ff. BGB nur dann der Ausschluß des Minderungsrechts folgern läßt, wenn es sich um ein sog. beredtes Schweigen 205 handelt. 206 Für ein solches lassen sich indes keine Anhaltspunkte finden. 207 Aus der Nichtregelung des Minderungsrechts im Dienstvertragsrecht ließ und läßt sich damit nur auf die Anwendung der allgemeinen Vorschriften schließen. Und ganz selbstverständlich greift man auch heute auf diese allgemeinen Vorschriften zurück, soweit es um die Minderung der Gegenleistung bei vollständiger Nichtleistung oder „bei Teilleistung“ geht. Für die §§ 323 ff. a. F. BGB ließ sich allerdings das Minderungsrecht bei Schlechtleistung im Ergebnis nur begründen, indem man die Schlechtleistung als „teilweise Unmöglichkeit“ (§§ 323 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs., 325 Abs. 1 S. 2 und 3 a. F. BGB) auffaßte. 208 Diese Schwierigkeiten bestehen nun nicht mehr. Die Anwendung der allgemeinen Vorschriften läßt nach aktueller Rechtslage unmittelbar eine Minderung durch Teilrücktritt auch in den Fällen der Schlechtleistung zu. Ein Ausschluß des Minderungsrechts bei Schlechtleistung läßt sich auch nicht aus § 616 BGB herleiten. Nach dieser Norm bleibt der Lohnanspruch des Dienstverpflichteten erhalten, wenn dieser für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Jedenfalls bei zeitbezogenen Dienstverträgen begründet die Dienstverhinderung in aller Regel das Ausbleiben einer Teilleistung. Man könnte also argumentieren, wenn schon das Nichterbringen einer Teilleistung nicht zu einem Wegfall des Vergütungsanspruchs führe, könne ein Wegfall der Vergütungspflicht (jedenfalls bei schuldloser) Schlechtleistung erst recht nicht den Vergütungsanspruchs entfallen lassen. 209 Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wie in der Literatur überzeugend dargelegt wurde, ist § 616 BGB als Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes „minima non curat praetor“ zu verstehen. Dieser kommt im BGB in unterschiedlichen Nor204 Vgl. nur BGH (Urt. v. 15. 7. 2004) NJW 2004, 2817 f.; AG Ludwigslust (Urt. v. 14. 10. 2003) NJW 2005, 610, 611; Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 42; Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 555; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 Rn. 5, 6 und 10; Brox/ Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 245. 205 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, Kapitel 5. 2. a), S. 370 ff. 206 Für den Arbeitsvertrag Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 650 f.; ausführlich Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 174 ff. m.w.Nachw. Ebenso Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 III.; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 88; Hartung, Schlechtleistung, S. 103 ff. Für den Dienstvertrag Peukert, AcP 205 (2005), 430, 457, mit Hinweisen zu anderen Vertragstypen. 207 Ausführlich Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 174 ff. m.w.Nachw. Grundsätzlich auch Erman/Küchenhoff, 7. Aufl., § 611 Rn. 153; Küchenhoff, AuR 1965, 129, 134 f. (Ausschluß aber für das Arbeitsrecht wegen der Existenzsicherungsfunktion des Lohns). 208 Vgl. oben Zweiter Teil, § 5 III. 2., S. 384 ff. 209 So Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119.

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men 210 zum Ausdruck, in denen angeordnet wird, daß der Gläubiger aus einer nicht erheblichen Pflichtverletzung keine Rechtsfolgen gegen den Schuldner herleiten kann. 211 Mit diesen Normen, also auch mit § 616 BGB, zeigt der Gesetzgeber, daß er im Grundsatz gerade vom Gegenteil ausgeht. Jede beschränkte Störung ist eine Pflichtverletzung und hat damit Auswirkungen auf die Gegenleistung. § 616 BGB ist ein „Ausnahmerechtssatz, also . . . eine strikt zu interpretierende Regel“212. In ihr wird der partiellen Identität von Leistung und Leistendem Rechnung getragen: Der Dienstverpflichtete erbringt die Dienste in Person, d. h. er muß seine „eigene“ Zeit opfern. Dieses Opfer kann ihm unzumutbar sein, wenn er aus wichtigen in seiner Person liegenden Gründen die Zeit „für sich“ beanspruchen will. Auf die Schlechtleistung ist dieser Tatbestand nicht übertragbar. Es ist kein vergleichbares berechtigtes Interesse des Dienstverpflichteten erkennbar, aus in seiner Person liegenden Gründen eine Schlechtleistungen erbringen zu dürfen. Aus § 616 BGB lassen sich daher für die Zulässigkeit der Minderung keine Schlüsse ziehen. 213 Ein weiteres, sich aus den §§ 611 ff. BGB denkbarerweise ergebendes Argument könnte lauten, daß eine Minderung bei schlecht erbrachten Diensten nicht in Betracht kommen könnte, weil sich aus den §§ 611 ff. BGB auch für den umgekehrten Fall, nämlich dem der „Besserleistung“ der Dienste, keine Rechtsfolgen zugunsten des Dienstverpfichteten ergeben. Dieses Argument ist in ähnlicher Weise von Lotmar für den Zeitlohnvertrag angeführt worden. „Die Steigerung des Arbeitseffektes hat keine Zunahme des Lohns zu Folge.“214 Wenn aber die von Lotmar sogenannte „Überwirkung“ keinen (positiven) Einfluß auf die Lohnhöhe habe, könne auch die sog. „Unterwirkung“ die Lohnhöhe nicht (negativ) beeinflussen. Diesem denklogisch ansprechenden Argument kann nicht zugestimmt werden. Für keinen Vertragstyp sieht die geltende Rechtsordnung für den Fall einer „Besser-“ oder „Mehrleistung“ eine (automatische) Erhöhung der Gegenleistung vor. Dennoch werden für den Fall eines Leistungsdefizits Minderungsrechte bereitgestellt. Nach unserem Verständnis ist die „Besser-“ oder „Mehrleistung“ alleinige Sache des Schuldners.

210 Vgl. insbesondere die §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Für die Beschränkung des Wegfalls der Gegenleistung nur noch § 536 Abs. 3 S. 3 BGB. Im Kauf- und Werkvertragsrecht wird von diesem Grundsatz jetzt abgewichen (§§ 441 Abs. 1 S. 2, 638 Abs. 1 S. 2 BGB). 211 Staudinger/Oetker (1997) § 616 Rn. 14 ff. u. a. mit Hinweisen auf Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 1, 1853, S. 363, Anm. 12; Kisch, Unmöglichkeit, S. 182 Anm. 40. Zur historischen Entwicklung Walk, § 616 BGB und Leistungshindernisse in „neutraler“ Sphäre, S. 88 ff. 212 So schon Titze, Unmöglichkeit, 1900, S. 295, allerdings in anderem Zusammenhang. Zur freilich begrenzten Überzeugungskraft der mangelnden „Analogiefähigkeit“ von Ausnahmebestimmungen allgemein Larenz, Methodenlehre, Kapitel 4, 4. a), S. 355 f. 213 Im Ergebnis zustimmend W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 501. 214 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 40 ff., Zitat auf S. 41.

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(c) Dienstvertragsrecht und Teilrücktritt Ein größeres Hindernis auf dem Weg zur Minderung in den Fällen der schlecht erbrachten Dienste scheint allerdings auf den ersten Blick in der Notwendigkeit des teilweisen Rücktritts zu liegen. (aa) (Teil-)Rücktritt zum Zwecke der Minderung bei defizitären Diensten Die ganz überwiegende Ansicht in Rechtsprechung215 und Literatur216 geht davon aus, daß ein Rücktritt (vom ganzen) Dienst- bzw. Arbeitsvertrag nicht möglich sei. Der Rücktritt sei durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ersetzt. Die wenigen Vorschriften des Dienstvertragsrechts enthalten allein neun, die die Beendigung des Vertrages durch Kündigung regeln (§§ 620 bis 624, 626 bis 629 BGB); für den Arbeitsvertrag wurde für die Kündigung ein eigenes Gesetz geschaffen. Die Kündigung ist damit der zentrale Rechtsbehelf für die Aufhebung des Dienstvertrages und des Arbeitsvertrages. Es gehört heute zum gesicherten Bestand juristischen Wissens, daß die Kündigung vom Rücktritt wesensverschieden ist. „Denn während sie den Bestand des Vertrages nur für die Zukunft aufhebt, löst der Rücktritt den Vertrag auch für die Vergangenheit auf und entkräftet daher dessen schon eingetretene Wirkungen.“217 Überwiegend wird die Verdrängung des Rücktrittsrechts durch das Kündigungsrecht damit begründet, daß der Rücktritt infolge seiner ex tunc-Wirkung zu einem Rückgewährschuldverhältnis führe; eine Rückabwicklung habe aber erhebliche Durchführungsschwierigkeiten zur Folge. 218 Dieses Argument al215 Vgl. nur RG (Urt. v. 5. 2. 1918) RGZ 92, 158, 159 f.; BGH (Urt. v. 22. 5. 1990) NJW 1990, 2549, 2550. 216 Für den selbständigen Dienstvertrag Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 106; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 46 I. 2., § 47 I., warnend ders., in: Ernst/Zimmermann, S. 30, 38 f.;Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 465 (zum alten Schuldrecht). Für das Arbeitsrecht: Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 69 f.; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958), § 611 Rn. 141 m.w.Nachw.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 I. 4.; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 51 Rn. 10; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 7; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 I. 1.; Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl, Fn. 73 zu Rn. 181; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219; Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 49 f.; Preis, Individualarbeitsrecht, § 41. Für Dauerschuldverhältnisse allgemein Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 349 ff. Zum neuen Schuldrecht Ramming, ZGS 2003, 113, 114 f.; MünchKomm/MüllerGlöge § 611 Rn. 14, 1041; grundsätzlich auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 35 f. Anders noch Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 131: Rücktritt sei subsidiär zuzulassen. Dem folgend Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen ihrer Nichterfüllung, 1927, S. 68 f. m.w.Nachw. 217 v. Gierke, Jher.Jb. 64 (1914), 355, 387. Vgl. weiter Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 349 m. zahlreichen Nachw. in Fn. 23. 218 BGH (Urt. v. 10. 7. 1968) BGHZ 50, 312, 315 (bzgl. Mietvertrag). Der BGH hat diesen Standpunkt allerdings vor allem mit dem Vertragsinteresse der Parteien begründet, vgl. die Darstellung bei Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 350 f. Entsprechend hat er den Rücktritt zugelassen, wenn ein Interesse der Parteien an der Rückabwicklung bestand, vgl. BGH (Urt. v. 19. 2. 2002) NJW 2002, 1870 ff. m.w.Nachw.

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lein überzeugt jedoch einen Teil der Lehre nicht, da eben § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB (ähnlich § 346 S. 2 BGB a. F.) für erbrachte Dienste eine Rückabwicklung durch Wertersatz vorsieht. 219 Entscheidend ist, daß grundsätzlich die Pfl ichtverletzung allein kein hinreichender Grund ist, das in der Vergangenheit ordnungsgemäß abgewickelte Schuldverhältnis aufzuheben oder in ein Rückgewährschuldverhältnis zu verwandeln. 220 Hinsichtlich der in der Vergangenheit erbrachten Dienste ist bereits partiell Erfüllung eingetreten; der Rücktritt würde diese Erfüllungswirkung wieder beseitigen müssen. Wie in der Literatur überzeugend dargelegt wurde, ist die Kündigung daher ganz allgemein als spezieller Beendigungstatbestand für Dauerschuldverhältnisse, d. h. auch für den Dienstvertrag, geschaffen worden, und sie verdrängt damit das Rücktrittsrecht. 221 Diese Ansicht kann sich durch die Einführung des § 314 BGB bestätigt sehen. 222 Damit ist allerdings zunächst nur anzuerkennen, daß im Falle defizitär erbrachter Dienste ein Totalrücktritt grundsätzlich ausscheidet. 223 Es gibt jedoch in dieser Frage zwischen Teil- und Totalrücktritt keinen grundsätzlichen Unterschied. Auch der Teilrücktritt würde eine – eben teilweise – Rückabwicklung in der Vergangenheit erbrachter Dienste erfordern. Hat der Nachhilfelehrer zwei Stunden schlechten Nachhilfeunterricht erteilt, hindert den Vater das Verbot des Totalrücktritts daran, die partielle Erfüllung, die durch die Schlechtleistung eingetreten ist, aufzuheben. Das gilt ebenso, wenn der Nachhilfelehrer zunächst einige Stunden ordnungsgemäß unterrichtet, dann jedoch zwei Stunden schlechten Unterricht erteilt. Ein Teilrücktritt beschränkt auf die beiden schlecht erteilten Unterrichtsstunden kommt hier ebenso wenig in Betracht wie im ersten Fall. Eine Besonderheit besteht zunächst im Falle der nicht erbrachten bzw. nicht rechtzeitig erbrachten Teilleistung. Hat der Nachhilfelehrer eine Unterrichtsstunde versäumt und handelte es sich um ein absolutes Fixgeschäft, wird der Vater von der Verpflichtung zur Gegenleistung bezüglich dieser Unterrichtsstunde gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB frei. Diese Befreiung von der Gegenleistung muß der Dienstberechtigte auch erreichen können, wenn sein Nacherfüllungsanspruch noch nicht erloschen ist. Dies ist bei einer vollständigen Nichtleistung evident. Es kann dem Dienstberechtigten nicht zugemutet werden, auf den Zeitpunkt des Unmöglichwerdens hinzuwarten. Das Gesetz gewährt dem Gläubiger hierfür allgemein den Rechtsbehelf des Rücktritts oder 219 Zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 351 f. m.w.Nachw.; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 46 I. 2. Das Argument überzeugt allerdings, insoweit die Rückabwicklung eine Bewertung schlecht erbrachter Dienste erforderte, dazu unten Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d), S. 402 ff. 220 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 2, § 46 I. 2. 221 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 352 ff. m.w.Nachw. 222 Vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 177. 223 Anders offenbar MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 326 Rn. 24 (Detektivbeispiel); vgl. auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 273 ff.

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Teilrücktritts nach Fristsetzung gem. § 323 Abs. 1 und 2 BGB. Dieses Recht muß auch dem Dienstberechtigten – zumindest im Ergebnis – gewährt werden. Aus diesem Grunde ist ein Teilrücktritt – jedenfalls mit diesem Ziel – zuzulassen, soweit der Dienstverpflichtete eine Teilleistung nicht erbracht hat. Hat der Dienstverpflichtete eine vollständige Nichtleistung erbracht, muß ein entsprechender Rücktritt vom ganzen Vertrag möglich sein. Solange und soweit der Dienstvertrag nicht „in Vollzug“ gesetzt wird, bestehen in der Sache gegen die Zulassung eines solchen Rücktritts mit der Rechtsfolge der Herabsetzung der Gegenleistung keine Bedenken. Dieser Meinung werden sich allerdings diejenigen nicht anschließen, die einen Rücktritt beim Dienstvertrag selbst dann ablehnen, wenn dieser Vertrag noch nicht in Vollzug gesetzt ist. 224 Es wird insoweit vertreten, daß in den gerade behandelten Fällen statt des Rücktritts oder Teilrücktritts eine „Kündigung gemäß § 323 BGB in analoger Anwendung“ treten soll. 225 Diese Kündigung lasse die Vergütungspflicht entfallen. Seien bereits Teilleistungen erbracht, komme § 628 Abs. 1 BGB analog zu Anwendung. Nimmt man zunächst den Fall einer vollständigen Nichtleistung, würde der enttäuschte Dienstberechtigte also neben der Kündigung nach §§ 626, 627 BGB eine Kündigung gemäß den Tatbestandsvoraussetzungen des § 323 BGB, also der Voraussetzungen des Rücktritts, erklären können; diese Kündigung würde die Gegenleistungspflicht für den in der Vergangenheit zur Entstehung gelangten Vergütungsanspruch entfallen lassen. Eine derartige, in die Vergangenheit wirkende Kündigung ist ein Rücktritt i. S. des § 323 BGB. Allerdings ist es in der Tat nicht notwendig, dem Dienstberechtigten die volle, rückwirkende Aufhebung des Vertrages zu gestatten. Ausreichend ist, dem Dienstberechtigten die aus § 323 BGB resultierende Folge der Vernichtung des in der Vergangenheit zu Entstehung gelangten Vergütungsanspruchs zur Verfügung zu stellen. Es genügt also, dem Dienstberechtigten ein auf diese Rechtsfolge reduziertes Rücktrittsrecht zu gewähren. 226 Einen solchen Rücktritt könnte man als „Minderungsrücktritt“ bezeichnen. Demgegenüber erscheint der Begriff „Kündigung“ in diesem Zusammenhang nicht ganz glücklich, wenn man mit von Gierke das wesentliche Charaktermerkmal der Kündigung in ihrer reinen ex nunc-Wirkung sieht. Im Fall einer ausgebliebenen Teilleistung sollte ein solcher (Minderungs)Rücktritt – d. h. ein (Minderungs)Teilrücktritt – ebenfalls zulässig sein. 224 Für Dauerschuldverhältnisse allgemein Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 352 ff. m.w.Nachw. 225 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 D. III. 1. a) aa) (S. 412) und b) a. E. (S. 416). Vgl. auch Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 III. 1.: Kein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB oder § 323 BGB bei Verzug. 226 Allgemein bezweifelt MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 323 Rn. 36, daß sich die Vorrangigkeit des § 314 BGB vor dem regulären Rücktrittsrecht des § 323 BGB ausnahmslos durchhalten läßt.

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Eine analoge Anwendung des § 628 Abs. 1 BGB wird vielfach zu ähnlichen Ergebnissen führen, verkompliziert aber die Rechtsanwendung. Denn offenbar sollen nur die Rechtsfolgen des § 628 Abs. 1 BGB analog angewandt werden, die Tatbestandvoraussetzungen wären aber § 323 BGB zu entnehmen. Ein solcher Umweg über § 628 Abs. 1 BGB ist überflüssig. Der (Minderungs-)Teilrücktritt ist nach dem bisher Ausgeführten nur möglich, wenn eine Teilleistung ausgeblieben ist. Dies ist nach hier vertretener Ansicht der Fall, wenn der Dienstberechtigte mit der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion nicht, auch nicht schlecht, erreichen kann. 227 Die Rechtslage ist damit dieselbe wie beim Verzug: Auch ein Teilverzug sollte nur und nur insoweit anerkannt werden, als es den erbrachten Diensten an einer Teilleistung fehlt. 228 Der (Minderungs-)Teilrücktritt geht aber nur so weit, wie eben die geschuldete Teilleistung nicht erbracht wurde. Dies ist bei einer ausgebliebenen zeitlich definierten Teilleistung offenbar. Eine Teilleistung kann, vor allem bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen, aber auch außerhalb der Dimension der Zeit möglich sein. Hat der Rechtsanwalt zugesagt, innerhalb des laufenden Monats zwei Klagen anhängig zu machen, hat er jedoch nur eine erhoben, so kann der Dienstberechtigte nach Fristsetzung von der ausgebliebenen Teilleistung zurücktreten. Seinen etwaig schon gezahlten Vergütungsanteil kann er nach § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Dieser Lösung steht § 628 BGB nicht entgegen. Diese Norm erfaßt den Fall, daß der Dienstberechtigte den Vertrag fristlos kündigt, er sich also vom gesamten Vertrag endgültig lösen will. Darum geht es im Falle des Teilrücktritts bei fehlender Teilleistung jedoch nicht. Der Mandant mag Gründe haben, das Vertragsverhältnis im übrigen fortzusetzen. Der Minderungsteilrücktritt bei fehlender Teilleistung gibt dem Dienstberechtigten die Möglichkeit, sich von einem eigenständigen Teil des Vertrages loszusagen und seine Gegenleistung entsprechend zu reduzieren. (bb) Teilrücktritt zum Zwecke der Minderung bei schlecht erbrachten Diensten Ähnlich wie beim Teilrücktritt zum Zwecke der Herabsetzung der Gegenleistung bei fehlender Teilleistung könnte ein Teilrücktritt auch bei Schlechtleistung in Betracht kommen, wenn er sich allein auf das Leistungsdefizit an sich beschränkt. Auch dann wäre – jedenfalls in der Theorie – eine Rückabwicklung schon erbrachter Leistungen nicht erforderlich. Der Dienstberechtigte „verzichtete“ durch diesen Teilrücktritt nur auf den Nacherfüllungsanspruch 227 Oben Zweiter Teil, § 3 III. 2. a), S. 261 ff. Dagegen Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 278 f., die allerdings ebenfalls das Rücktrittsrecht des Dienstberechtigten erweitern will, vgl. ebenda S. 272 ff. 228 Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b) (2), S. 335 f.

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(soweit dieser nicht gem. §§ 275, 615 BGB untergegangen ist), also einen Anspruch, der erst in der Zukunft erfüllt worden wäre. Ein solcher Teilrücktritt führt insoweit nicht zu einer „Entkräftung schon eingetretener Wirkungen“229 und damit auch nicht zu Durchführungsschwierigkeiten bei der Rückabwicklung. Die „Minderung durch Teilrücktritt“ ist eben eine Minderung, die nur konstruktiv auf dem Wege des Rücktritts herbeigeführt wird. Die Erklärung des Teilrücktritts ist im Grundsatz dieselbe wie die Erklärung des Minderungsverlangens. Aber auch unabhängig von der Rückabwicklungsproblematik tritt der zu einer Minderung führende Teilrücktritt bei Schlechtleistung nicht in Konkurrenz zu den Kündigungsvorschriften des Dienst- und des Arbeitsvertrages. Die Kündigung in den §§ 620 bis 624, 626 bis 629 BGB bzw. im Kündigungsschutzgesetz bedeutet inhaltlich eine in die Zukunft wirkende endgültige Lossagung vom Vertrag. 230 Das gilt gerade auch für § 628 Abs. 1 BGB, dessen Regelungsgehalt dem der Minderung durch Teilrücktritt noch am ehesten vergleichbar ist. Erklärt der Dienstberechtigte hingegen einen Teilrücktritt, der zu einer Minderung führen soll, hat diese Erklärung keine Auswirkungen, die über das betreffende Leistungsdefizit hinausgingen. Der Bestand des Dienstvertrages – insbesondere der eines Arbeitsvertrages – wäre von dieser Erklärung gar nicht berührt. Nun ist im Arbeitsvertrag die Änderungskündigung (§ 2 KSchG) bekannt, und auch über sog. Teilkündigungen wird diskutiert 231. Hier löst sich (für die Änderungskündigung gilt dies freilich nur im Ergebnis) der Arbeitgeber für die Zukunft von Teilen des Vertrags. Daraus ließe sich, zumindest für den Arbeitsvertrag, schließen, daß jede teilweise Loslösung vom Vertrag stets nur für die Zukunft und daher nur durch Kündigung erfolgen dürfe. Doch trifft gerade das nicht zu. Hat der Arbeitnehmer eine Teilleistung nicht erbracht, weil er z. B. für einen nicht unerheblichen Zeitraum der Arbeit fern blieb, tritt bei Unmöglichkeit sogar die automatische teilweise Loslösung vom Vertrag gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. 1 BGB ein; besteht ein Nacherfüllungsanspruch des Arbeitgebers, 232 kann ihm – wie gesehen 233 – der (Minderungs-)Teilrücktritt nach Fristsetzung nicht verwehrt werden. Die Widerstände gegen die Minderung bei Schlechtleistung, die sich anhand des Begriffs Teilrücktritt im Dienstvertrags- und im Arbeitsrecht regen mögen, sind also inhaltlich unbegründet. Der Teilrücktritt ist funktional nichts anderes als ein Minderungsverlangen. Die Wertungen des Kündigungs229

Vgl. v. Gierke oben Fn. 217. Vgl. schon die Differenzierung bei MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 7. 231 Vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 255 ff. 232 Vgl. dazu Dritter Teil, § 7 I. 2., S. 450 ff. 233 Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (c) (aa), S. 397 ff. 230

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schutzes stehen nicht entgegen. Da das Gesetz diese Art der Minderung bei fehlender „Teilleistung“ neben den Kündigungsbestimmungen – jedenfalls im Ergebnis – zuläßt, muß unter diesem Gesichtspunkt die Minderung bei Schlechtleistung erst recht zulässig sein. (d) Schwierigkeiten der Bemessung der Minderung (aa) Die ursachenunabhängige Ermittlung der Höhe des Leistungsdefizits und der Gegenleistung Der eigentlichen Problematik der Minderung wegen schlecht erbrachter Dienste nähert man sich erst bei dem Versuch, das theoretisch Mögliche in ein praktisch Machbares zu verwandeln. In diesem Sinne ist gegen die Einführung eines Minderungsrechts bei schlecht erfüllten Dienstverträgen schon früh eingewandt worden, daß sich die Höhe der Minderung nicht oder nur schwer berechnen lasse. 234 Beispiel von Rümelin: 235 „Bei der Anwendung der Minderung auf den Fall, dass das Mindestmass nicht prästiert ist, könnte der Theaterdirektor der Sängerin, die er für ein Gastspiel engagiert hat, folgende Eröffnung machen: der übliche Preis für ein Gastspiel ist 100 Mark. Von einer richtigen Ahnung geleitet, habe ich Ihnen nur 50 Mark versprochen. Sie haben aber so miserabel gesungen, dass Ihre Leistung nur einen Wert von 5 Mark hat, so dass ich Ihnen auf Grund der §§ 472 und 634 2 Mark und 50 Pfennige Honorar anbiete.“

Entsprechend hatte auch das RAG in seiner Entscheidung vom 22. August 1929236 den Grund für den Ausschluß der Lohnminderung bei schlechter Arbeitsleistung darin gesehen, daß „es beim Stundenlohn schwierig, wenn nicht unmöglich ist, einen einigermaßen sicheren Maßstab für die – sachlich auch hier gerechtfertigte – Lohnminderung zu finden.“ Auch Rümelin hatte schon ausgeführt, „irgend ein Massstab, nach dem die für die Minderung notwendigen Zahlen gewonnen werden können“, werde „regelmäßig fehlen, wo nicht die Wertverhältnisse der bearbeiteten Sache einen Anhalt bieten.“237 Auf die „Wertverhältnisse der bearbeiteten Sache“ abzustellen, verbietet sich aller234

Zutreffend Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, Fn. 53 zu Rn. 377. Aus dem Arbeitsrecht Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 5; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 856 f.; Palme, BlStSozArb 1957, 27, 28; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 18: „unüberwindbare Probleme“, „praxisfern und lebensfremd“; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 109 „nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten“; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 50. Einschränkend auch Lieb, Gutachten, S. 183, 211: Einstandspfl ichten für fehlerhafte Dienstleistungen führen zu „unter Umständen außerordentlich schwierigen . . . Beurteilungsproblemen“. Dagegen halten diese Schwierigkeiten für überwindbar: Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 45 f.; Kreller, AcP 125 (1926), 1, 44 f.; Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 126; insbesondere Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 164 ff. 235 Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 204. 236 ARS 6, 605, 607. 237 Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 204.

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dings, da der Dienstverpflichtete eben das Ergebnis der Bearbeitung der Sache gar nicht schuldet. 238 Das Argument der mangelnden oder mit großen Schwierigkeiten verbundenen Berechenbarkeit der Höhe einer Forderung ist allerdings allgemein von begrenzter Überzeugungskraft. 239 In der Literatur ist es für die Minderung dennoch wiederholt mit den Hinweis darauf vorgetragen worden, daß es für die schlecht erbrachten Dienste keinen „Marktpreis“ gebe. 240 Doch kann allein das Argument des nicht ermittelbaren Marktpreises schon deshalb nicht überzeugen, weil das Gesetz eine Minderung für mangelhafte Werke, Kauf- oder Mietsachen auch zuläßt, wenn es – wie regelmäßig – keinen Marktpreis für die fehlerhaft erbrachte Leistung gibt. Gleichwohl beschränken sich die Schwierigkeiten nicht allein auf das Problem der Bewertung schlecht erbrachter Dienste an sich, wie es Rümelin in seinem Beispielsfall zum Ausdruck bringt. Für zeitbezogene Dienstverträge, bei welchen die „Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen ist“ (§ 614 S. 2 BGB), d. h. vor allem für Arbeitsverträge, ergeben sich weitere Schwierigkeiten durch die Abhängigkeit der Vergütung von der Zeitdauer der Tätigkeit, die eine Minderung pro rata temporis erfordert. Beispiel von Kappes: 241 „Ein Buchhalter begeht bei der Aufstellung einer Bilanz einen geringfügigen Rechenfehler, der sich erst im Endergebnis bemerkbar macht. Oft ist tagelanges Suchen und Vergleichen erforderlich, ehe der Fehler gefunden wird.“

Die Schlechtleistung kann sich zwar „folgenlos“ über einen gewissen Zeitraum hin erstrecken; dies ist insbesondere bei sog. Langsamarbeit 242 der Fall. Oft wird sie aber nur in einer „Nachlässigkeit von wenigen Minuten“243 bestehen, 238 Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 45 f. Anders für den Serienakkord RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607. 239 Vgl. auch Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 351, mit Hinweis auf BAG (Urt. v. 10. 8. 1987) AP Nr. 1 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung. Das BAG hatte dem Argument, die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung geleisteter Arbeit müsse wegen der sich ergebenden Schwierigkeiten entfallen, entgegen gehalten, daß die Gerichte nicht befugt seien, die Anwendung einer Norm zu verweigern, weil dies zu „Schwierigkeiten“ führe. Vgl. zur Berechnung auch Hanau/Rolfs, Anm. zu BAG (Urt. v. 12. 2. 1992), JZ, 1993, 321 ff. 240 Rabe, Lohnminderung, S. 30; vgl. auch Beuthien, ZfA 1972, 73, 78 mit Fn. 19. Die beiden ersten von Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 172, gewählten Beispielsfälle sind solche, in denen sich ausnahmsweise ein solcher Marktpreis ermitteln läßt. Bei den anderen beiden Beispielsfällen orientiert er sich am Arbeitsergebnis, das jedoch nach seiner eigenen Ansicht nur Indizfunktion haben soll (S. 164). 241 Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 86. Das Beispiel fi ndet sich schon bei Staub, Die positiven Vertragsverletzungen, S. 10 f. Ähnlich in der Sache Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 164 (zweifelhaft aber das Nachtwächter- und inkonsequent das Maler-Beispiel S. 167, 168 f.); Rabe, Lohnminderung, S. 56 f.; Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 44, und bereits Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 89 m. Fn. 1. 242 Dazu unten Dritter Teil, § 6 III. 2. c), S. 445 ff. 243 Daher liege nur für diese wenigen Minuten eine „unmöglich gewordene Teilleistung“

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ihre Auswirkungen werden sich dann über einen langen Zeitraum erstrecken. Schon das RAG sprach hier von einem „Abirren der Dienstleistung“244. Hat der Arbeitnehmer nur in der Sekunde, in der er die Weisung erhielt, die Wand blau zu streichen, nicht richtig zugehört, und streicht er die Wand daher gelb, wäre nur für diese „verhängnisvolle Minute“245 eine Lohnminderung zulässig. 246 Dies mag man isoliert betrachtet hinnehmen und damit die Lohnminderung – jedenfalls im Arbeitsvertrag – für praktisch nutzlos erklären. 247 Ein Vergleich mit dem erfolgsbezogenen Dienstvertrag zeigt jedoch die Zweifelhaftigkeit dieser Lösung auf. Hätte der Buchhalter als selbständiger Dienstverpflichteter die Erstellung der Bilanz im Rahmen eines Dienstvertrages248 übernommen und wäre die Bilanz wegen des (zeitlich geringfügigen) Fehlers nur beschränkt brauchbar, liegt eine solche minimale Kürzung des Honorars fern – auch wenn man berücksichtigt, daß der Buchhalter nicht den Erfolg der ordnungsgemäßen Bilanz schuldet. Für diese Einschätzung spielt die „Lohnberechnungsmethode“, also die Frage der Vereinbarung eines festen Honorars oder eines Stundensatzes, keine Rolle. Auch im Beispiel der Sängerin käme niemand auf den Gedanken einer Lohnkürzung, anteilig bezogen auf die Sekunden, in denen ihr die Stimme versagte. Für die Lohnminderung ist es daher notwendig, einzelne Handlungen „als Einheit“ aufzufassen. 249 Ob und unter welchen Voraussetzungen solche „Einheiten“ zu bilden sind, richtet sich allein nach der Parteivereinbarung. Eine Festlegung des Minderungszeitraums erforderte also wiederum die Bestimmung der Funktion, die die Tätigkeit nach dem Willen der Parteien haben soll. 250 Ist, wie meist bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen, die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, wäre eine Minderung ohne Feststellung der Funktionen, die die Tätigkeit haben soll, ohnehin ausgeschlossen.

vor, für die der Lohn gekürzt werden könne, Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 866. 244 RAG (Urt. v. 18. 12. 1940) ARS 41, 55, 58. Offenbar in Anlehnung an die strafrechtliche aberratio ictus (vgl. Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben, StGB-Kommentar, § 15 Rn. 57 f.). 245 Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 89. 246 Zu den für diesen Fall vertretenen Lösungen unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 439 ff. 247 So Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 90; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 87. 248 Regelmäßig wird freilich ein Werkvertrag vorliegen, vgl. OLG Celle (Urt. v. 26. 7. 1978) DStR 1978, 682 f.; OLG Saarbrücken (Urt. v. 12. 7. 1978) BB 1978, 1434, 1435 f.; OLG Koblenz (Urt. v. 22. 3. 1978) DStR 1979, 265 f. Die Parteien können aber auch die Erbringung der Tätigkeit im Rahmen eines Dienstvertrages vereinbaren, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2), S. 19 ff. 249 Dies muß auch Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 168 ff., einräumen. 250 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (1) (c), S. 226 f.

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Allgemein formuliert haben die Bemessungsschwierigkeiten, die insbesondere im Arbeitsvertrag bei der Lohnminderung konstatiert werden, ihre Ursache darin, daß sich „der Wert“ von Diensten – auch von solchen Diensten, die in zeitbezogenen Dienstverträgen erbracht werden – nicht ausschließlich über die Zeit ermitteln läßt. Der Wert der Dienste hängt vielmehr ab von der Geeignetheit der Tätigkeit zur Erfüllung der von den Parteien vereinbarten Funktion. Die Leistungszeit ist nur ein Faktor – der mehr oder weniger wichtig sein kann – über den sich die Funktion der Tätigkeit definiert. Nach hier vertretener Ansicht liegt eine Schlechtleistung ohnehin nur vor, wenn die Tätigkeit noch geeignet war, die vereinbarte Funktion zu erfüllen. Für die Ermittlung des Wertes der erbrachten Tätigkeit wäre die Frage zu stellen, wie sehr die Tätigkeit zur Erfüllung der vertraglich vereinbarten Funktion geeignet war. 251 Wurde die Grenze von der ordnungsgemäßen zur schlechten Tätigkeit gerade noch überschritten oder war die Tätigkeit schon fast „unbrauchbar“? Wie oben dargestellt, ist schon die Grenzziehung zwischen ordnungsgemäßer Leistung und Schlechtleistung sowie die Grenzziehung zwischen Schlechtleistung und Nichtleistung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Lohnminderung wegen Schlechtleistung würde es nun erfordern, innerhalb der Grenzen der Schlechtleistung weiter zu differenzieren. Im Falle der Sängerin bliebe es nicht bei der Frage, ob die Leistung noch „brauchbar“ war oder nicht. Es käme darauf an, wie brauchbar das Singen war. Im Falle des selbständigen 252 Bilanzbuchhalters wäre zu fragen, wie brauchbar das Erstellen der Bilanz war. Eine solche weitere Differenzierung mag nicht unmöglich sein, und auch Berechnungsmethoden mögen sich für die jeweiligen Typen von Verträgen entwickeln lassen. Zieht man allerdings in Betracht, daß die Ermittlung des Werts schon bei der Kaufsache, also einer Sache, die (in der Regel) zum Zeitpunkt der Streitentscheidung noch in Augenschein genommen werden kann, in der Praxis erhebliche Mühen bereitet, 253 verbleibt eine gewisse Skepsis. Selbst der – soweit ersichtlich – einzige Autor, der Grundsätze für die Berechnung der Minderung entwickelt hat, muß einräumen, daß in den meisten Fällen die exakte Bemessung des Arbeitsminderwerts ausgeschlossen sei; man müsse sich mit Nährungswerten zufrieden geben. 254 251 Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 46, hält es dagegen für möglich, die Lohnminderung danach festzustellen, „in welchem Grad und während welcher Zeitdauer innerhalb des Lohnbemessungsabschnitts von der Wahrung ordnungsgemäßer Sorgfalt abgewichen wurde.“ Nähere Hinweise gibt er dazu jedoch nicht. 252 In dem von Kappes gebildeten Fall des als Arbeitnehmer beschäftigten Buchhalters würde sich dessen Tätigkeit nach hier vertretener Auffassung als Kombination aus ordnungsgemäßer Teilleistung („Zur-Verfügung-Stellen“ seiner Arbeitskraft) und Teilschlechtleistung (schlechte Erstellung der Bilanz) darstellen (unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b, S. 439 ff.). Für diese Kombination scheidet eine Lohnminderung aus (Unten § 7 III., S. 454 ff.). 253 Vgl. nur Bamberger/H.Roth/Faust § 441 Rn. 11 ff.; MünchKomm/H. P. Westermann § 441 Rn. 12 ff. 254 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 172.

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Damit gelangt man zu der Frage, ob sich die Berechnungsschwierigkeiten nicht durch § 441 Abs. 3 S. 2 BGB überwinden lassen, nach dem die Minderung „soweit erforderlich“ durch Schätzung zu ermitteln ist. Die Vorschrift ist wohl ohne die strengeren Voraussetzung des nach alter Rechtslage herangezogenen § 287 Abs. 2 ZPO255 anwendbar. 256 Noch etwas weiter geht der schon 1926 für das Arbeitsrecht gemachte Normierungsvorschlag Krellers. In Anlehnung an eine in § 66 des Entwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes von 1923257 entwickelte Formulierung für den Gedingelohn sollte die Vorschrift ausschnittsweise lauten: Bleibt die Arbeit „. . . nach Art und Güte erheblich hinter den mit Rücksicht auf die Art der Beschäftigung billigerweise zu stellenden Anforderungen zurück, so ermäßigt sich der Entgeltanspruch auf einen angemessenen Betrag.“258 Auch auf diese Weise lassen sich die Probleme der Berechnung der Minderungshöhe hingegen nicht lösen. Die Schätzung oder die Entscheidung anhand des Maßstabs der Angemessenheit mögen für die Entscheidung durch ein Gericht als immerhin akzeptable Lösung bewertet werden. Für den praktischen Regelfall, in dem es der Arbeitgeber bzw. allgemein der Dienstberechtigte wäre, der einen Lohnabzug bei Schlechtleistung vornehmen müßte, ist dieser Weg nicht gangbar. Es wäre mehr als unbefriedigend, die Höhe der Gegenleistung einer Vertragspartei von ihrer eigenen Schätzung abhängig zu machen. Auch die tarifl iche Praxis vermied diese Lösung. In den Fällen des Akkordvertrages, in denen Lohnminderungen für Schlechtleistung insbesondere tarifvertraglich zugelassen wurden, entschied über die Höhe der Minderung nicht der Arbeitgeber, sondern sog. Akkord- bzw. Werkstattkommissionen. 259

(bb) Das Leistungsdefizit und seine Ursachen Die gerade beschriebenen Schwierigkeiten bei der Bemessung der Höhe der Minderung sind nicht die einzigen. Auf die eigentliche Problematik der Minderung bei schlecht erbrachten Diensten wirft Satz 2 des von Kreller gemachten Normvorschlags ein Licht: „Die Ermäßigung [des Entgeltanspruchs] tritt nicht ein, wenn die Minderleistung auf einen vom Arbeitgeber zu vertretenden Umstand, auf eine von ihm erteilte Anweisung oder auf Fehler des von ihm zu

255 BGH (Urt. v. 17. 12. 1996) NJW-RR 1997, 688, 689. Nach § 287 Abs. 2 ZPO ist eine Schätzung nur zulässig, wenn die vollständige Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. 256 Bamberger/H.Roth/Faust § 441 Rn. 14. Anders Gaier, ZRP 2001, 336, 338 f.; Erman/ Grunewald § 441 Rn. 8. 257 Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsarbeitsministeriums, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe, S. 125 ff. 258 Kreller, AcP 125 (1926), 1, 52, Hervorhebung d. Verf. 259 Vgl. A. Schneider, in: Kaskel, Der Akkordlohn, S. 179, 187.

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beschaffenden Stoffes oder Gerätes zurückzuführen ist und ein Umstand, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat, nicht mitgewirkt hat.“260 Oben wurde ausgeführt, daß ein Wegfall der Vergütung ausscheidet, wenn der Dienstverpflichtete die Dienste nicht erbringt, dies aber auf Umstände zurückzuführen ist, die „auf der Seite“ des Dienstberechtigten ihre Ursache haben. Der Vergütungsanspruch bleibt also erhalten, wenn die Dienste nicht geleistet werden können, z. B. wegen einer irrtümlichen Anweisung des Dienstberechtigten oder weil das von ihm zu stellende Arbeitsmaterial ungeeignet ist oder weil sein Betrieb nieder brannte. Nach hier vertretener Ansicht ergibt sich dies aus der Regelung der Substratsgefahrtragung in § 615 BGB. 261 Diese Grundsätze gelten auch für die Schlechtleistung. Wer sich diesem weiten Verständnis des § 615 BGB nicht anschließt, wird zu ähnlichen Resultaten gelangen, ggf. über eine erweiterte oder analoge Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB. Was für Kreller nun noch selbstverständlich schien, geriet später offenbar weitgehend in Vergessenheit. Da die herrschende Meinung die Lohnminderung bei Schlechtleistung ohnehin ablehnte, brauchte sie sich um diese Zusammenhänge keine Gedanken mehr zu machen. Die Mindermeinung, die sich für eine Lohnminderung aussprach, diskutierte diese ganz überwiegend für das Arbeitsrecht. Auch hier wurde gesehen, daß eine Minderung ausscheiden mußte, wenn die Schlechtleistung auf Umstände „aus dem Verantwortungsbereich“ des Arbeitgebers herrührte. Man löste das Problem jedoch nicht anhand der Regelung der Substratsgefahrtragung in § 615 BGB, denn das Wissen um den Grundsatz der Substratsgefahrtragung und seine Ausprägung in § 615 BGB war weitgehend versunken. 262 Es hätte daher nahe gelegen, die für das Arbeitsrecht entwickelte Betriebsrisikolehre auszudehnen, doch geschah dies nur im Ansatz. 263 Statt dessen wurde als Korrekturinstrument das Vertretenmüssen herangezogen. 264 Die Lohnminderung oder ihre Höhe vom Verschulden des Arbeitnehmers abhängig zu machen war attraktiv, da auf diese Weise die Grundsätze über die Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung gebracht werden konnten. 265 Mit Hilfe des relativ flexiblen Verschuldensmaßstabs ließ sich die Höhe der Lohnminderung stufen. Da sich diese Ansicht allerdings nicht durchsetzte, entstand nie die Notwendigkeit einer praktischen Durchführung dieser Vorschläge. 260 Kreller, AcP 125 (1926), 1, 52. § 66 des Entwurfs von 1923 enthielt eine ähnliche Bestimmung, gegen diese Kreller, ebenda, Fn. 258. 261 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa) und Zweiter Teil, § 5 I. 2. a), S. 71 ff. und S. 350 ff. 262 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), S. 72 ff. 263 Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 193 ff. Bei der Übertragung der Betriebsrisikolehre auf die Schlechtleistung verortet er die Lösung aber in § 324 Abs. 1 BGB a. F. und argumentiert damit letztlich doch mit dem Verschulden (S. 208 ff.) mit der wohl erwünschten Folge, die Grundsätze über die Arbeitnehmerhaftung anwenden zu können (S. 210 ff.). 264 Unten Dritter Teil, § 7 III, S. 454 ff. 265 Unten § 7 Fn. 105.

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Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Das Instrument des Verschuldens zur Korrektur und „Berechnungsregulierung“ der Lohnminderung ist indes verfehlt. Es berücksichtigt nicht ausreichend, daß das konditionale Synallagma unabhängig ist von der Frage, ob der Schuldner die Nichtleistung zu vertreten hat (§ 323 Abs. 1 S. 1 BGB). Dieser Grundsatz gilt gerade auch im Arbeitsrecht („Ohne Arbeit kein Lohn“). Der für den Opernabend engagierte Tenor erhält seine Gage auch dann nicht, wenn ihn ein Einbrecher in seiner Wohnung gefesselt zurückließ, und es ihm nicht rechtzeitig gelingt, sich von den Fesseln zu befreien. Dasselbe gilt, wenn er sich wegen eines offenstehenden Fensters erkältet hat, und daher schlecht singt. Die Lohnminderung hängt aber auch nicht davon ab, ob dem Dienstberechtigten ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. Das Verschulden ist Voraussetzung der Haftung, also der Frage des Einstehenmüssens für ein durch eine Pflichtverletzung begründetes Unrecht. Der Konnex von Leistung und Gegenleistung ist aber unabhängig von der Frage, ob die Pflichtverletzung (die eben auch eine unverschuldete Nichterfüllung sein kann) 266 ein Unrecht darstellt oder nicht. Es geht daher nicht darum, „über eine wie immer bestimmte ‚Veranlassung‘ oder ‚Verantwortlichkeit‘ als Brücke doch noch eine eigentliche Zurechnung zu begründen. Nach ihr [der Substratsgefahrregelung, Anm. d. Verf.] geht es gerade im Gegenteil darum, die Gefahrtragung als Konsequenz eines Unglücks zu sehen, das als solches nicht über auch noch so verdünnte Zurechnungsgründe positiv imputiert werden kann, das vielmehr negativ – und resignativ! – dort zu belassen ist, wo es als Zufall eintritt.“267 Es geht also darum, „Unglücke“, also Ursachen zu suchen, die zu der Nichterfüllung führten, und die Frage zu stellen, ob diese Ursachen in den Substraten des Gläubigers liegen. Dies erscheint verhältnismäßig einfach, wenn zu untersuchen ist, was die Ursache dafür war, daß der Dienstverpfl ichtete die Tätigkeit nicht aufnehmen konnte. Wenn ein Substrat des Dienstberechtigten dazu führt, daß die Tätigkeit gar nicht aufgenommen werden kann, also eine vollständige Nichterfüllung oder die zeitweise Nichterfüllung eintritt, liegen die Ursachen meistens offen zu tage: Der Betrieb brannte ab, das Arbeitsmaterial wurde nicht rechtzeitig geliefert oder ist ungeeignet, der Nachhilfeschüler verstarb, der Patient ist genesen usw. Dies ist bei der Schlechtleistung anders. 268 Wenn der Dienstverpflichtete die Tätigkeit erbringt, aber schlecht, bereitet die Kausalitätsanalyse wesentlich größere Schwierigkeiten. Wenn eine Schreibkraft, einen Brief „gespickt mit Rechtschreibfehlern“ schreibt, 269 mag dies darauf zurück zu führen sein, daß die Schreibkraft übermüdet, unkonzentriert, lustlos oder verärgert ist. Es mag aber auch darauf zurückzuführen sein, daß der verwendete Computer eine 266 267 268 269

Zu dem terminologischen Problem vgl. eingangs Erster Teil, § 1, S. 6 f. Picker, FS Honsell, S. 385, 395. Vgl. bereits Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 42. Beispiel bei Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 2.

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fehlerhafte Software hat, daß der zeitliche Druck zu hoch war, daß ständige Unterbrechungen durch Telefonanrufe usw. die Konzentration sehr erschwerten usf. 270 Die Lebenserfahrung zeigt, daß meist eine Mehrzahl solcher Ursachen zusammenwirken. In der Realität werden vielfältige Ursachen mit jeweils unterschiedlicher Wirkungskraft zu der Schlechtleistung führen. Diese Ursachen werden teilweise auf der Seite des Arbeitgebers liegen, teilweise nicht. Es ist nicht zu bestreiten, daß viele Schlechtleistungen keinerlei Ursache in den Leistungssubstraten des Dienstberechtigten haben. Auch dies läßt sich aber nur feststellen, indem die Ursachenzusammenhänge erforscht und denkbare Ursachen „auf Seiten“ des Arbeitgebers ausgeschlossen werden können. Anders als bei Verträgen, die auf eine Sachleistung gerichtet sind, sind beim Dienstvertrag das Wirken des Schuldners und das Wirken des Gläubigers auf das Engste miteinander verwoben. Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Sache, wird – abgesehen von ausnahmehaften Konstellationen – kein Zweifel daran bestehen, daß die Mangelhaftigkeit jedenfalls nicht auf Ursachen „von Seiten“ des Käufers zurückgeht. Beim Dienstvertrag sind solche Zweifel wegen der Verwobenheit von Tätigkeit und Mitwirken des Gläubigers die Regel. Diese Tatsache erschwert die Forschung nach der Ursache einer Schlechtleistung erheblich. Hinzu kommt, daß bei ex post Betrachtung diese Wirkungszusammenhänge oft nicht mehr rekonstruiert werden können. Die Tätigkeit und ihre Ursachen liegen in der Vergangenheit und sind damit per se dem Beweis nur noch begrenzt zugänglich. Weiter ist zu bedenken, daß die Ursachen der Schlechtleistung nicht nur darüber entscheiden, ob eine Lohnminderung stattfindet. Über sie definiert sich die Höhe der Lohnminderung. Dabei geht es nicht nur darum zu ermitteln, in welchem prozentualen Anteil Ursachen von Seiten des Dienstberechtigten an der Schlechtleistung mitgewirkt haben. Es geht auch darum, mit welcher Kraft diese Ursache auf die Tätigkeit und damit auf die Schlechtleistung einwirkte. Die Schwierigkeiten der Minderung (gem. § 441 Abs. 3 S. 1 BGB) lassen sich im Beispielsfall der Schreibkraft wie folgt zusammenfassen: Zunächst wäre zu ermitteln, wie hoch der objektive Wert einer Schreibleistung ist. Hier könnte bei einem Arbeitnehmer der Tariflohn herangezogen werden. Schwieriger schon wäre die Ermittlung des „wirklichen Werts“ der tatsächlich erbrachten Leistung. Zusätzlich erschwert wird die Festlegung des Werts, wenn die Schreibkraft im Zeitlohn tätig ist. Dann müßte festgestellt werden, wie lange es bei üblichem Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens des Dienstverpfl ichteten gedauert hätte, den Brief zu schreiben. Dies müßte dem 270 Vgl. auch die von Gamillscheg/Hanau, Haftung des Arbeitnehmers, S. 54 ff., beschriebene „Drucksitutation“ in der sich ein Arbeitnehmer befi ndet. „Zu berücksichtigen sind die Monotonie, das ewige Gleichmaß der Arbeit, die Gewöhnung an die Gefahr, das Arbeitstempo, das Betriebsklima, Gedränge bei der Arbeit, Übermüdung, Überlastung usw. usw.“, zitiert nach Hanau, Anm. zu BAG (Urt. v. 3. 2. 1970) AP Nr. 53 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.

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Zeitraum gegenüber gestellt werden, in dem der Brief tatsächlich geschrieben wurde. Zur vorläufigen Bestimmung der Minderungshöhe wäre das Produkt von tatsächlich gezahltem Lohn und wirklichem Wert der Arbeit durch den Wert der geschuldeten Arbeitsleistung zu dividieren. In einem zweiten Schritt wäre zu ermitteln, in welchem Umfang die Leistungssubstrate des Dienstberechtigten ursächlich für die Schlechtleistung waren. Um den hierfür ermittelten Prozentsatz wäre der zuvor gefundene Minderungsbetrag zu reduzieren.

(cc) Das Leistungsdefizit und das Steuerungsrecht des Dienstberechtigten An dieser Stelle ließe sich noch einwenden, daß fast alle diese Schwierigkeiten auch beim Werkvertrag bestehen, und für diesen dennoch eine Minderung in § 638 BGB zugelassen ist. Freilich kann das Werk in der Regel wie eine Kaufsache zum Zeitpunkt der Minderung noch in Augenschein genommen werden. Entscheidend aber ist, daß das Zusammenwirken von Tätigkeitsschuldner und Tätigkeitsgläubiger beim Werkvertrag einen anderen Charakter hat. Nach den Vorstellungen des gemeinen Rechts und der hier vertretenen Ansicht 271 unterscheiden sich Werk- und Dienstvertrag nicht nur anhand des Erfolgsversprechens, sondern auch danach, wer die „Leitung der Arbeit“ hat. Bei einem rechtsgeschäftlichen 272 Zusammenwirken von zwei Personen zur Erreichung eines bestimmten Zwecks obliegt in der Regel einer Partei die „Leitung“ der Tätigkeit. Dies ist beim Werkvertrag der Unternehmer. Er verfolgt zwar die Zwecke eines anderen, aber er tut dies in eigener Regie. Bleibt das erreichte Ergebnis hinter dem versprochenen Erfolg zurück, wird in aller Regel den Unternehmer die Verantwortung dafür treffen. Natürlich ist es auch möglich, daß der Besteller Ursachen für die Mangelhaftigkeit des Werks gesetzt hat. Das ist jedoch nicht der praktische Regelfall, es ist eher die Ausnahme. Das Gesetz hat aber auch für diesen Fall mit den §§ 645, 642 BGB Vorsorge getroffen. Beim Dienstvertrag ist es hingegen der Dienstberechtigte, dem die Leitung der Tätigkeit obliegt. Dies gilt nicht nur für den Arbeitsvertrag – auch wenn hier das Weisungsrecht des Dienstberechtigten besonders stark ausgeprägt ist –, es gilt auch für den selbständigen Dienstvertrag. Der Dienstvertrag ist ein Vertrag der vom Dienstberechtigten gesteuerten Leistungserbringung. Die erbrachte Tätigkeit ist – idealtypisch gedacht – das Resultat der Bemühungen von zwei Personen, dem Dienstverpflichteten und dem Dienstberechtigten, wobei im Zweifel der Dienstberechtigte entscheidet. Ist die erbrachte Tätigkeit eine Schlechtleistung, wird sich daher immer die Frage stellen, wer in welchem Umfang eine Ursache für die schlechte Erbringung gesetzt hat. Dabei geht es nicht nur um den in Krellers Normvorschlag273 genannten Fall, daß eine Anweisung des Dienstberechtigen zu der Schlechtleistung führte. Ge271

Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a), S. 23 ff. Bei Gefälligkeitsverhältnissen mag eine gleichberechtigte Kooperation auf Freundschaftsbasis häufiger vorkommen. 273 Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d) (bb), S. 406. 272

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rade im Arbeitsverhältnis erfolgt die Steuerung der Arbeit auch dadurch, daß der Arbeitgeber die „Umstände“ der Arbeitserbringung bestimmt. Darüber hinaus besteht die Steuerung in der Kontrolle und der darauffolgenden Entscheidung über die Erteilung einer Weisung. 274 D.h. die Ursache für die Schlechtleistung kann auch darin liegen, daß der Dienstberechtigte es versäumt hat, die Erbringung der Tätigkeit zu kontrollieren und dem Dienstverpflichteten ggf. korrigierende Weisungen zu erteilen. 275 Die Schlechtleistung mag nicht nur das Produkt eines „Zu wenig“-Tuns des Dienstverpflichteten sein; auch der Dienstberechtigte mag ihm obliegende Handlungen versäumt haben. Er kann sogar ausdrücklich auf ein Eingreifen verzichten, um das spätere Resultat als Schlechtleistung qualifizieren und damit seine Gegenleistung herabsetzen zu können. Das Fehlen eines Minderungsrechts in den §§ 611 ff. BGB mag also letztlich darin begründet liegen, daß die Gegenleistungsgefahr bei schlecht erbrachter Tätigkeit den Schuldner nicht treffen soll, wo er selbst die Erbringung der Tätigkeit nicht frei, jedenfalls nicht überwiegend frei steuern konnte. (dd) Ergebnis zu (d) Es liegt auf der Hand, daß diese Wertung umso weniger überzeugt, je weitgehender das Weisungsrecht des Dienstberechtigten beschränkt ist. Vor allem überzeugt die vorgetragene Argumentation weniger, wenn dem Dienstberechtigten schon faktisch aufgrund mangelnder Kompetenz die Möglichkeit der Leistungssteuerung weitgehend entzogen ist. Vor diesem Hintergrund treffen die Stimmen im Schrifttum, die gerade für das Recht der Freien Berufe eine Lohnminderung zulassen wollen, 276 das Richtige. So wäre es – wie vorgeschlagen wurde – möglich, die Freien Berufe aus dem Dienstvertragsrecht in das Werkvertragsrecht zu verlagern, und dem Dienstberechtigten damit das Minderungsrecht aus § 638 BGB zu eröffnen. 277 Immerhin denkbar wäre auch, die Frage der Lohnminderung davon abhängig zu machen, in welchem Maße der Dienstberechtigte auf die Tätigkeitserbringung im konkreten Fall einwirkt oder inwieweit er hätte einwirken dürfen. Man könnte auch die Lohnminderung nur im Arbeitsrecht verbieten, sie aber für das Recht der selbständigen Dienstverträge zulassen. All diese Vorschläge führen aber zu weiteren Abgrenzungsproblemen. Auch bietet die lex lata für diese Differenzierungen keinen Anhaltspunkt. Sie lösten zudem auch immer nur einen Teil der Probleme bei der Berechnung der Minderung. Für beinahe alle Dienstverträge gilt, daß 274 Auf die Bedeutung des Aufsichtsrechts weist in diesem Zusammenhang schon Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 48 ff., hin; vgl. auch Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 Rn. 5, 6. 275 Entsprechend zur Arbeitnehmerhaftung Hanau, FS Steffen, S. 177, 186 m.w.Nachw. 276 Dahingehend W.-H.Roth, VersR 1979, 494 ff., 600 ff., der ein „Bedürfnis nach Sanktionierung unprofessionellen Verhaltens“ konstatiert; Lieb, Gutachten, S. 183, 210 f.; Hirte, Berufshaftung, S. 372 ff. Ähnlich Leßmann, FS E. Wolf, S. 395 ff. 277 Vgl. oben Zweiter Teil, § 5 III. 2., S. 384 mit Fn. 159.

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die Tätigkeitserbringung mit und an den Substraten des Gläubigers erfolgt, so daß sich die oben 278 beschriebene Ursachenproblematik immer stellt. Demgegenüber sollte für die Minderungsproblematik eine Lösung gefunden werden, die sich in das geltende Recht einfügt, die den Parteiinteressen, so wie sie im Typus des Dienstvertrages zum Ausdruck kommen, Rechnung trägt, und die auch in der praktischen Anwendung – und zwar nicht nur in der Anwendung durch ein Gericht – durchführbar ist. Die aufgeführten Schwierigkeiten lassen die Minderung bei schlecht erbrachten Diensten in der Tat als „schwierig, wenn nicht unmöglich“279 erscheinen. Begreift man den Dienstvertrag als Vertrag der vom Gläubiger gesteuerten Leistungserbringung oder gesteht man auch nur zu, daß der Dienstvertrag ein Vertrag ist, in dem Tätigkeitsschuldner und Tätigkeitsgläubiger gemeinsam auf das vertraglich anvisierte Ziel hinwirken, erscheint das Versagen eines Minderungsrechts bei Schlechtleistung durchaus angemessen. Der Schuldner, der die Erbringung der Leistung nicht „in der Hand hat“, der vielmehr als „verlängerter Arm“ des Dienstberechtigten fungiert, mag davor geschützt werden, daß ihm der Dienstberechtigte nach Erbringung der Tätigkeit erklärt, diese sei zwar „tauglich“, aber doch nicht so gewesen, wie man es ihm versprochen habe. (3) Ergebnis zu c) In den Fällen der nicht vertragsgemäßen Erbringung der Dienste ist eine Minderung abzulehnen. Diese Ablehnung ergibt sich nicht zwingend aus dem Gesetz – weder aus § 326 Abs. 1 S. 2 BGB, noch aus den §§ 611 ff. BGB. Das Gesetz ließe vielmehr eine Minderung durch Teilrücktritt auch in den Fällen der Schlechtleistung zu. Zu einer Minderung durch Teilrücktritt gelangt man allerdings nur, indem man einen Teilrücktritt beschränkt auf das Leistungsdefizit zuläßt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lassen sich insofern keine eindeutigen Schlüsse ziehen; für den an dieser Stelle unklaren Willen des Gesetzgebers gilt dies erst recht. Die Frage, ob im Falle schlecht erbrachter Dienste eine Minderung durch Teilrücktritt zulässig ist, muß daher nach dem Sinn und Zweck der Normen entschieden werden. In diesem Zusammenhang sind die genannten Schwierigkeiten bei der Bemessung der Minderung sowie die Steuerung der Leistungserbringung durch den Dienstberechtigten Grund genug, dem Dienstberechtigten das Minderungsrecht zu versagen. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß eine Minderung durch den Dienstberechtigten nur in den (insbesondere zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) von der herrschenden Ansicht genannten Grenzen zulässig ist. Diese Grenzen sind in der Tat zu eng und daher zu sprengen – aber nicht durch eine Zulassung der Minderung bei Schlechtleistung. 278 279

Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (c) (2) (d) (bb), S. 406 ff. RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607.

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d) Die Minderung bei nicht ordnungsgemäß erbrachten Diensten gem. § 326 Abs. 1, 5 und § 323 BGB Vielmehr sind diese Grenzen durch die Heranziehung der oben unter § 4 gewonnenen Ergebnisse über die Art und Zusammensetzung nicht ordnungsgemäßer Leistungen zu erweitern. Für die Auslegung insbesondere des § 326 Abs. 1 BGB wurde bislang nicht auf die Frage eingegangen, wie der Ausdruck „bei einer Teilleistung“ im 2. Halbsatz des Satzes 1 der Norm zu verstehen ist, und wie er sich von der „nicht vertragsgemäßen Leistung“ in Satz 2 abgrenzt. Es wird sich zeigen, daß durch eine sinnvolle Auslegung beider Begriffe den berechtigten Bedenken, die von einigen Autoren gegen die Verweigerung des Minderungsrechts bei Schlechtleistung geltend gemacht werden, zu einem guten Teil Rechnung getragen werden kann. (1) Die Minderung gem. § 326 Abs. 1, S. 1, 2. Halbs. BGB (a) Zur Auslegung des § 326 Abs. 1 BGB nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte Die Gesetzesmaterialien geben so gut wie keinen Hinweis darauf, wie die Regelungen in § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. und S. 2 BGB zu verstehen sind. Man kann immerhin vermuten, daß sich die Verfasser der Gesetzesbegründung unter dem Ausdruck „nicht vertragsgemäße Leistung“ eine vollständige Schlechtleistung280 oder eine (hier sog.) integrierte Teilschlechtleistung vorstellten. 281 In dem in der Gesetzesbegründung an anderer Stelle gewählten Beispiel würden von den 100 geschuldeten Flaschen Wein also alle oder ein Teil der Flaschen mit verdorbenem Wein geliefert. 282 Mit dem Ausdruck „bei einer Teilleistung“ war wohl der Fall gemeint, daß der Schuldner „statt der 100 Flaschen Wein nur 90 geliefert“283 hat. Dieses Beispiel zeichnet sich dadurch aus, daß der Schuldner eine Teilleistung erbringt und das Leistungsdefizit ebenfalls in einer (fehlenden) Teilleistung besteht. Dem entspricht das gängige Verständnis von einer Teilleistung im Dienstvertragsrecht: Der Dienstverpflichtete unterschreitet die vereinbarte Leistungsdauer und erbringt daher nur eine Teilleistung; auch das Leistungsdefizit besteht entsprechend in einer (fehlenden) Teilleistung. 284 Unproblematisch sind zunächst die vollständige Nicht- und die vollständige Schlechtleistung. Die vollständige Nichtleistung unterfällt nach dem klaren 280 Dahingehend wohl die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 189 (Beispiel eines defekten PKW). 281 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. a), S. 281. 282 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 139 f. Zur Zweifelhaftigkeit dieses Beispiels oben § 4 Fn. 308. 283 In anderem Zusammenhang Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 139. 284 Vgl. Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 50.

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Gesetzeswortlaut § 326 Abs. 1 S. 1, 1. Halbs. BGB, die vollständige Schlechtleistung ist unter § 326 Abs. 1 S. 2 BGB zu subsumieren. Wie oben dargelegt, 285 führt indes der Dualismus von Teil- und Schlechtleistung sowie die Tatsache, daß nicht jede unvollständige Leistung eine Teilleistung i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB darstellt, zu einer (im Prinzip unendlichen) Vielzahl unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten von ordnungsgemäß, schlecht oder nicht erbrachten Teil- und sog. Restleistungen. Es ergeben sich 8 relevante Fälle möglicher Leistungsstörungen: 1. Teil: isolierte ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung isolierte schlecht erbrachte Teilleistung isolierte ordnungsgemäß erbrachte Restleistung isolierte schlecht erbrachte Restleistung ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung schlecht erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß erbrachte Restleistung

2.Teil: – – – – schlecht erbrachte Teilleistung ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung ordnungsgemäß oder schlecht erbrachte Restleistung schlecht erbrachte Restleistung

Die Gesetzesbegründung bezieht sich lediglich auf die Fallgestaltungen aus der ersten und der fünften Zeile. Auch alle anderen Fälle müssen unter § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs., S. 2 BGB gefaßt werden können. Lehnte man sich dafür an den Wortlaut des § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB „bei einer Teilleistung“ an, läge es nahe, alle Fälle, in denen zumindest eine Teilleistung ordnungsgemäß erbracht wurde, unter die Vorschrift zu fassen. Unklar bliebe, ob auch eine Teilschlechtleistung der Bestimmung unterfiele. (b) Eigenes Lösungskonzept (aa) Automatische Minderung, wenn mindestens eine Teilleistung unmöglich wird Eindeutig ist der Ausdruck „bei einer Teilleistung“ allerdings nicht. Liest man den 2. Halbsatz im Zusammenhang mit dem ersten, könnte man auch zu der Auffassung gelangen, daß es nicht auf die Erbringung einer Teilleistung ankommt, sondern auf ihr Fehlen. Denn man könnte den Ausdruck auch im Sinne von „bei einer Teilleistung, die der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht“ verstehen. Es ist einzuräumen, daß sich dieses Verständnis bei der ersten Lektüre der Norm nicht aufdrängen mag. Der Wortlaut läßt diese Interpretation aber zu, und für sie sprechen die besseren Gründe. 285

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. b) (2), S. 284 ff.

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Die Norm ist nach diesem Verständnis dann so zu verstehen: Wurde die gesamte Leistung oder mindestens eine Teilleistung unmöglich, findet eine automatische Minderung der Gegenleistung statt. 286 Wurde weniger als eine Teilleistung unmöglich, ist eine automatische Minderung ausgeschlossen. Hierunter fallen alle Konstellationen, in denen die Leistung schlecht oder teilweise schlecht erbracht wurde, aber das Leistungsdefizit nicht als Teilleistung verstanden werden kann. Für diese Lösung spricht vor allem die Systematik des Gesetzes. Wie oben dargestellt, 287 benachteiligt das Gesetz in den § 281 Abs. 1 S. 2 und § 323 Abs. 5 S. 1 BGB den Gläubiger, der (mindestens) eine ordnungsgemäße Teilleistung erhalten hat. Demgegenüber wird der Gläubiger, dem „nur“ eine Schlechtleistung erbracht wurde, durch die § 281 Abs. 1 S. 3 und § 323 Abs. 5 S. 2 BGB privilegiert. Diese verhältnismäßig klare Wertung des Gesetzes würde konterkariert, wollte man nun auch § 326 Abs. 1, 2. Halbs. BGB auf die Fälle beziehen, in denen der Gläubiger mindestens eine ordnungsgemäße Teilleistung erhalten hat. Denn § 326 Abs. 1, 2. Halbs. BGB benachteiligt den Gläubiger nicht, sondern bevorzugt ihn durch die automatische Minderung gegenüber demjenigen Gläubiger, der „nur“ eine Schlechtleistung erhalten hat und der daher eine Minderung – wenn überhaupt – nur durch Teilrücktritt erreichen kann. Wollte man sich dem beugen, stünden die §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB und § 326 Abs. 1 BGB in einem schwer auflösbaren wertungsmäßigen Widerspruch. Will man diesem Widerspruch durch Auslegung abhelfen, sollte die Korrektur nicht bei §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB ansetzen, sondern bei § 326 Abs. 1 BGB. Einmal läßt der Wortlaut des § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB eine Korrektur eher zu als die §§ 281 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 1 BGB, in denen davon die Rede ist, daß der Schuldner „eine Teilleistung bewirkt“ hat. Zum anderen läßt sich die Privilegierung eines Gläubigers, der eine ordnungsgemäße Teilleistung erhält, gegenüber einem Gläubiger, dem eine Schlechtleistung erbracht wurde, in der Sache kaum rechtfertigen. Auch inhaltlich läßt sich die vorgeschlagene Differenzierung gut begründen. Die Entscheidung über die Ausübung der Totalrechte, also über die Frage, ob der Gläubiger sich vom gesamten Vertrag lösen kann bzw. ob er Schadensersatz statt der gesamten Leistung geltend machen kann, ist durch eine Gewichtung dessen zu treffen, was der Gläubiger erhalten hat. Für diese Frage kommt es darauf an, ob die erbrachte Leistung von einer Art und einem Umfang war, daß man dem Gläubiger zumuten kann, sie zu akzeptieren und nur hinsichtlich des Leistungsdefizits Schadensersatz geltend zu machen oder einen Teilrücktritt zu erklären. 286 In diese Richtung auch MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 326 Rn. 18: § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB behandle den Fall, daß die „Verpfl ichtung einer der Vertragsparteien teilweise nicht erfüllt zu werden braucht.“ 287 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 1. b) (1), S. 246 ff.

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Für die Minderung gilt das Gegenteil. Entscheidet man über den Wegfall der Gegenleistung, kommt es nicht auf die erbrachte Leistung, sondern in erster Linie auf das Leistungsdefizit an, welches sich im Wegfall der Vergütung widerspiegeln soll. Die Frage ist insoweit vergleichbar mit der Entscheidung über das Eintreten des Verzugs gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Nach hiesigem Verständnis kommt es auch hier nicht darauf an, welche Leistung der Schuldner erbracht an. Entscheidend ist allein, ob der noch nicht erbrachte Leistungsteil mindestens in einer Teilleistung besteht. 288 (bb) Vorteile dieses Konzepts Eine automatische Minderung gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB findet also statt, wenn der Dienstberechtigte darlegen und beweisen kann, daß der erbrachten Leistung mindestens eine geschuldete Teilleistung fehlt. Nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff289 bedeutet das, daß der Gläubiger darlegen und beweisen muß, daß er mit den erbrachten Diensten mindestens eine eigenständige Teilfunktion nicht erreichen konnte. Eine eigenständige Teilfunktion fehlt den erbrachten Diensten nun nicht nur dann (und auch nicht immer), wenn der Dienstverpfl ichtete die geschuldete Leistungsdauer unterschreitet. Es stellt zwar den häufigsten Fall einer fehlenden Teilleistung dar, daß der Dienstverpflichtete die Tätigkeit zu spät beginnt, sie zu früh abbricht oder unerlaubte Pausen einlegt. Der funktionale Teilleistungsbegriff löst indes die Teilbarkeit der Dienste von der Dimension der Zeit. Welche Teilfunktionen die Tätigkeit haben soll, ergibt sich allein aus der Parteivereinbarung. Wer zwei Eingänge über zwei Stunden hinweg bewachen soll, aber irrtümlich nur den einen bewacht, erbringt ebenso eine Teilleistung (und eine fehlende Teilleistung) 290 wie derjenige, der nur eine Stunde lang tätig ist. Für die sog. zeitbezogenen Dienstverträge291 mögen Fälle, in denen sich das Fehlen einer Teilleistung in der Art und Weise – und nicht in der Leistungsdauer – der Tätigkeit manifestiert, die Ausnahme sein. Für die erfolgsbezogenen Dienstverträge gilt das Gegenteil. Erfolgsbezogene Dienstverträge sind solche, bei welchen sich der Leistungsumfang unabhängig von der Leistungsdauer bestimmt. 292 Zu den erfolgsbezogenen Dienstverträgen gehören vor allem die Tätigkeitsverträge der Freien Berufe. Der Leistungsumfang einer anwaltlichen Tätigkeit oder einer ärztlichen Behandlung ist grundsätzlich unabhängig von der Zeitdauer, die die Tätigkeit in Anspruch nimmt. Daher werden die Parteien in der Regel auch keine Vereinbarung über den geschuldeten Leis288

Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b) (1) (b) (bb), S. 331 ff. Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 ff. 290 Die Bewachung nur eines Eingangs kann aber auch zu einer vollständigen Nichtleistung führen, vgl. das Beispiel oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (b), S. 272. 291 Erster Teil, § 2 II. 2. b) (1), S.47 ff. 292 Erster Teil, § 2 II. 2. b) (2), S. 49 f. 289

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tungszeitraum treffen. Sie werden weder die Leistungsdauer an sich bestimmen, noch werden sie den Leistungszeitraum, also Anfang und Ende der Tätigkeit, fi xieren. Anders als bei zeitbezogenen Dienstverträgen, insbesondere dem Arbeitsvertrag, scheidet deshalb die Möglichkeit der Minderung wegen Nichterreichens der geschuldeten Leistungsdauer per se aus. Dieser Umstand in Kombination mit dem Ausschluß des Minderungsrechts bei Schlechtleistung führte dazu, daß eine Vergütungsminderung bei defizitären Diensten durch Angehörige der sog. Freien Berufe praktisch nicht stattfand. Dieses Ergebnis ist in der Tat unbefriedigend. 293 Wenn ein Werkunternehmer sich eine Herabsetzung der Vergütung selbst bei unerheblichen Mängeln des Werkes gefallen lassen muß (§ 638 Abs. 1 BGB) und ein Arbeitnehmer eine Lohnkürzung schon hinnehmen muß, wenn er sich bei Arbeitsantritt einmalig um 15 Minuten verspätet, erscheint es nicht hinnehmbar, daß die Minderung des Arzthonorars ausscheiden soll, selbst wenn die ärztliche Leistung nahezu 294 unbrauchbar war. 295 Schließlich ist es dem unbefangenen Rechtsinteressierten schlechthin nicht mehr zu vermitteln, wenn der BGH meint, die Herabsetzung des Rechtsanwaltshonorars komme nur in Betracht, wenn „der Rechtsanwalt über einen grob fahrlässigen Pflichtenverstoß hinaus einen nach § 356 StGB strafbaren Parteiverrat begangen hat.“296 Unabhängig von allen hier gemachten Vorschlägen, geriete es der Anwaltschaft zur Ehre, wenn eine §§ 16 Abs. 1, 143 Abs. 1 KostO entsprechende Bestimmung in das RVG übernommen würde. Nach dieser Bestimmung erhebt der Notar keine Kosten für Rechtsakte, „die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären.“

Die Diskrepanz in der Behandlung des konditionellen Synallagmas betrifft also in erster Linie die erfolgsbezogenen Dienstverträge. Die Rechtfertigung dieser Diskrepanz steht und fällt mit dem Argument, daß die Minderung in den Fällen schlecht erbrachter Dienste nicht durchführbar sei. Dem ist zwar – wie oben ausgeführt 297 – grundsätzlich zuzustimmen. Die dargestellten 293 Für die aktuelle Rechtslage fordern daher ein Minderungsrecht, wenn „die Pfl ichterfüllung ergebnisbezogen ist“ Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 377. Vgl. auch die unter Fn. 276 Genannten. 294 Bei völliger „Unbrauchbarkeit“, d. h. wenn die Tätigkeit nicht geeignet war, die Gesamtfunktion oder etwaige Teilfunktionen zu erfüllen, liegt nach hier vertretener Ansicht eine vollständige Nichtleistung vor. Vgl. entsprechend OLG Koblenz (Urt. v. 19. 12. 2002) VersR 2003, 1255 f.: Vollständige Nichtleistung bei unbrauchbarer Leistung eines Anwalts. 295 Vgl. OLG Düsseldorf (Urt. v. 31. 1. 1974) NJW 1975, 595, 596: Auch wenn der Arzt die vereinbarte Sterilisation nicht sachgerecht vorgenommen habe, schulde der Patient die volle Vergütung für den Eingriff. 296 BGH (Urt. v. 15. 7. 2004) NJW 2004, 2817 f.; BGH (Urt. v. 29. 4. 1963) NJW 1963, 1301 ff. Sowie BGH (Urt. v. 15. 1. 1981) NJW 1981, 1211 f.: „Nur der bewußte Verstoß gegen grundlegende anwaltliche Pfl ichten nimmt der Tätigkeit den Wert einer anwaltlichen Leistung.“ Großzügiger noch RG (Urt. v. 13. 12. 1923) RGZ 113, 264, 268 f.: Verwirkung des Honoraranspruchs nach § 654 BGB analog. 297 Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d), S. 402 ff.

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Schwierigkeiten bei der Bemessung der Minderung schlagen aber nicht immer, jedenfalls nicht immer mit gleicher Intensität durch. Bedenken gegen die Zulassung der Minderung bestehen weniger, wenn sich die Position des Dienstverpflichteten der eines Werkunternehmers annähert, d. h. wenn das Steuerungsrecht des Dienstberechtigten faktisch oder rechtlich stark eingeschränkt ist. 298 Dies gilt eben typischerweise für die Tätigkeitsverträge der Freien Berufe. In diesem Fall besteht die Tätigkeit auch weniger in einem Zusammenwirken von Dienstberechtigtem und Dienstverpfl ichteten; vielmehr ist die Rolle des Dienstberechtigten wesentlich passiverer Art. Daher wird sich auch die Frage nach der Ursache des Leistungsdefizits tendenziell leichter beantworten lassen. Dennoch sind diese Schwierigkeiten grundsätzlich anzuerkennen, ebenso wie die Tatsache, daß sich ein Maßstab für die Bewertung schlecht erbrachter Dienste nicht ohne weiteres finden läßt. 299 Auch dieses Argument schlägt aber nicht mehr durch, wenn das Leistungsdefizit inhaltlich definiert und abgrenzbar ist. Eben dies ist Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilleistung nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff. Danach liegt eine fehlende Teilleistung vor, wenn durch das Leistungsdefizit eine eigenständige Teilfunktion hätte erfüllt werden sollen. Es genügt nicht, daß die Erbringung dieses Leistungsdefizits für den Dienstberechtigten „irgendwie nützlich“ gewesen wäre. Vielmehr kann das Fehlen einer Teilleistung nur bejaht werden, wenn durch die erbrachten Dienste im Vergleich zu den vereinbarten eine abgrenzbare und beschreibbare Funktion nicht erfüllt werden konnte. Dabei kommt es, wie oben dargelegt, 300 auf die Vereinbarung der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Völlig unmaßgeblich ist, worin die erbrachte Leistung besteht. 301 Beispiel (1): 302 Zur Erweiterung seines eigenen Unternehmens will U, ein Amerikaner, ein Handelsgeschäft, zu dem mehrere Einzelhandelsgeschäfte gehören, von seinem deutschen Konkurrenten K erwerben. U läßt sich durch Rechtsanwalt R vertreten. Es kommt zu einem Vertragsschluß über das Grundstück, doch ist der Vertrag infolge Formmangels nichtig. Davon hatte R den U nicht in Kenntnis gesetzt. Als K das Grundstück nicht übereignen will, beantragt R eine einstweilige Verfügung. Sein Antrag ist nicht schlüssig. Für die Frage der Vergütungsminderung kommt es auf die von R erbrachten Leistungen nicht an. Maßgeblich ist nur, ob im Rahmen der von R geschuldeten Gesamtleistung mindestens eine Teilleistung nicht erbracht wurde. Im Rahmen des Vertrages kamen R und U überein, daß R für U einen Vertrag anfertigen sollten, mit dem U einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erlangten würde. Dieser Tätigkeit kommt 298

Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d) (cc), S. 410 f. Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d) (aa), S. 402 ff. 300 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 ff. 301 Solange nicht die gesamte Leistung als Nichtleistung zu qualifizieren ist. 302 Nach BGH (Urt. v. 29. 4. 1963) NJW 1963, 1301 ff. (vereinfacht und abgeändert). Der BGH hielt das Verhalten des Anwalts allerdings für standeswidrig und schloß daraus auf die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages. 299

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eine eigenständige Teilfunktion zu. Die Tätigkeit war nicht – auch nicht schlecht – geeignet, diese Funktion zu erreichen. Es liegt also eine fehlende Teilleistung vor. Wenn später R und U vereinbarten, daß R weitere Rechtsbehelfe zur Erlangung des Grundstücks ergreifen soll, war die von R entfaltete Tätigkeit wiederum nicht geeignet, diese Teilfunktion zu erfüllen.303 Wäre der Antrag fehlerhaft, aber noch schlüssig, wäre die Tätigkeit noch – wenn auch nur schlecht – geeignet gewesen, die Teilfunktion zu erreichen. Ein nicht schlüssiges Antragsbegehren ist jedoch nicht geeignet, die vereinbarte Teilfunktion zu erreichen.304 Es liegt mithin eine zweite fehlende Teilfunktion vor. U kann die Vergütung für beide nicht erbrachte Teilleistungen mindern. Beispiel (2) 305 : Assistenzarzt A nimmt erstmals bei einer Frau eine Sterilisation vor. Dabei durchtrennt er versehentlich statt des Eileiters das sog. Mutterband. Eine nachfolgende histologische Untersuchung über die sachgemäße Durchführung des Eingriffs nimmt er nicht vor. Für die Zulässigkeit der Vergütungsminderung kommt es nicht darauf an, welche sonstigen Leistungen A noch erbracht hat (Beratung, Nachsorge usw.). Eine Vergütungsminderung ist zulässig, weil durch die Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion nicht erreicht werden konnte. Allein aus dem Fehlschlagen der Operation ergibt sich freilich nicht, daß die Tätigkeit des A nicht geeignet war, die Funktion zu erfüllen. A schuldet keine „erfolgreiche“ Operation. 306 A schuldete jedoch eine Tätigkeit, die zumindest geeignet war, den Sterilisationserfolg herbei zu führen. Die entfaltete Tätigkeit war dazu nicht geeignet.

Bei der Bestimmung von Teilleistungen im Rahmen erfolgsbezogener Dienstverträge ist zu beachten, daß nicht durch jeden sprachlich abgrenzbaren Teil der Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion erfüllt wird. Nach dem oben Ausgeführten 307 ist zu differenzieren zwischen Tätigkeitsanteilen, mit welchen die eigentlich anzustrebende Funktion nur vorbereitet wird, und eigenständigen Teilleistungen. Als Teilleistung ist nur eine Tätigkeit anzusehen, die isoliert betrachtet für den Dienstberechtigten von Nutzen ist. Dies trifft gerade bei den Tätigkeitsverträgen der Freien Berufe nicht für jeden Tätigkeitsabschnitt zu. Gerade durch Beratungsgespräche, Eingangs- oder Zwischenuntersuchungen wird die eigentliche Funktion der Tätigkeit oft nur vorbereitet. War diese vorbereitende Tätigkeit unbrauchbar, konnte aber mit der später entfalteten Tätigkeit die Gesamtfunktion der Tätigkeit noch (möglicherweise auch nur schlecht) erreicht werden, liegt keine fehlende Teilleistung vor. Insgesamt vermittelt die hier vorgeschlagene Lösung also zwischen der herrschenden Meinung, die eine Minderung der Vergütung mehr oder minder 303 Das gilt auch, wenn bei objektiver Betrachtung alle möglichen Rechtsbehelfe aussichtslos gewesen wären. 304 Auch wenn das Gericht die mangelnde Schlüssigkeit nicht bemerkt und dem Antrag stattgibt, bleibt es bei der Ungeeignetheit der Tätigkeit und damit bei der Vergütungsminderung. Anders aber in der Tendenz Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 408 (zur fehlerhaften Arbeitsleistung). 305 Nach BGH (Urt. v. 18. 3. 1980) BGHZ 76, 259 ff. Der BGH hatte über die Minderung des Honorars nicht zu entscheiden. 306 Vgl. dazu oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (3), S. 38. 307 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (2) (b), S. 275 ff.

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nur bei zeitbezogenen Dienstverträgen zuläßt, wenn die geschuldete Leistungsdauer nicht erreicht wird, und der Mindermeinung, die schlechthin bei jedem Leistungsdefizit dem konditionalen Synallagma zum Durchbruch verhelfen will. Eine automatische Minderung nach § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB tritt immer ein, wenn der Dienstberechtigte darlegen und beweisen kann, daß er mit der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion nicht erreichen konnte, sei es, daß die Tätigkeit im Hinblick auf diese Funktion gar nicht erbracht wurde, sei es, daß sie insoweit unbrauchbar war. Eine automatische Minderung tritt weiter nur ein, wenn der hinsichtlich dieses Leistungsdefizits bestehende Nacherfüllungsanspruch des Dienstberechtigten gem. § 275 BGB erloschen ist. (2) Die Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB Es wird weiter vorgeschlagen, diese Grundsätze auf die Fälle zu erstrecken, in denen der Nacherfüllungsanspruch nicht gem. § 275 BGB erloschen ist, der Dienstberechtigte jedoch einen Teilrücktritt nach § 323 BGB erklären will. Ein solcher Teilrücktritt kommt also nur in Betracht, wenn der Dienstverpfl ichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Der Teilrücktritt erstreckt sich dann auch nur auf diese fehlende Teilleistung. In allen Fällen einer „schwächeren“ Leistungsstörung scheidet ein Teilrücktritt und damit eine Minderung aus. Dies ist anhand der unterschiedlichen Fallkonstellationen zu erläutern. Ist bei einer vollständigen Schlechtleistung (z. B. Nachhilfelehrer hat den Schüler über die vereinbarte Stunde hinweg nur aus dem Lehrbuch vorlesen lassen) der Nacherfüllungsanspruch gem. § 275 BGB erloschen, kommt nach dem oben Gesagten eine automatische Minderung nach § 326 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Auch eine Minderung durch Teilrücktritt scheidet aus. Das gilt auch in dem Fall, in dem der Nacherfüllungsanspruch noch nicht erloschen ist. Ein Teilrücktritt, bezogen allein auf das Leistungsdefizit, ist abzulehnen. 308 Denkbar wäre also nur ein Totalrücktritt, der gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB voraussetzte, daß die Pflichtverletzung nicht unerheblich war. Ein Totalrücktritt muß im Dienstvertragsrecht jedoch wegen des vorrangigen Rechtsbehelfs der Kündigung ausscheiden. 309 Die Formulierung in § 323 Abs. 1 BGB, nach der der Gläubiger auch zurücktreten kann, wenn die Leistung „nicht vertragsgemäß“ war, findet damit auf den Dienstvertrag keine Anwendung. Das gilt auch, wenn der Dienstverpflichtete nur einen Teil der Leistung schlecht erbrachte, im übrigen aber ordnungsgemäß leistete (sog. integrierte Teilschlechtleistung). Hat der Nachhilfelehrer den Schüler nur die Hälfte der Zeit aus dem Lehrbuch vorlesen lassen, konnte die Gesamtfunktion der Tätig-

308 309

Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2), S. 393 ff. Oben Zweiter Teil, § 5 III 3. c) (2) (c), S. 397 ff.

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keit noch erreicht werden. Der erbrachten Leistung fehlt demnach keine eigenständige Teilleistung. Damit scheidet ein Teilrücktritt aus. Im Falle einer fehlenden Teilleistung (z. B. Nachhilfelehrer hat nur die Hälfte der Zeit unterrichtet) tritt bei Wegfall des Nacherfüllungsanspruchs nach § 275 BGB gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB die automatische Minderung ein. Ist der Nacherfüllungsanspruch nicht erloschen, kann der Dienstberechtigte eine Minderung erreichen, indem er von dem Vertrag, insofern er die noch ausstehende Teilleistung betrifft, zurücktritt. § 323 Abs. 1 BGB ist demnach zu lesen: „Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung oder eine Teilleistung nicht . . .“. Ein Totalrücktritt ist für den Dienstvertrag wiederum ausgeschlossen. Nicht maßgeblich ist, wie die vom Dienstverpflichteten erbrachte Leistung zu qualifizieren ist. Der Rücktritt ist also auch möglich, wenn der Dienstverpflichtete nur eine sog. isolierte Teilschlechtleistung erbracht hat (z. B. Nachhilfelehrer unterrichtet nur die Hälfte der Zeit, wobei der den Schüler nur aus dem Lehrbuch vorlesen läßt). Der Rücktritt erstreckt sich nur auf die nicht erbrachte Teilleistung, nicht aber auf das weitere Leistungsdefizit, welches durch die Teilschlechtleistung begründet wird. Die Bedeutung der Beschränkung des Teilrücktritts auf die fehlende Teilleistung wird vor allem bei der Berechnung der Minderung deutlich. (3) Zur Berechnung der Minderung Die Höhe der Minderung ermittelt sich gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB in entsprechender Anwendung des § 441 Abs. 3 BGB. Bei entsprechender Umformulierung würde dies Norm lauten: „Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der vollständig erbrachten Dienste zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.“ Die Berechnung der Minderung macht in der Praxis wenig Schwierigkeiten, wenn das Fehlen der Teilleistung darin begründet liegt, daß der Dienstverpflichtete bei einem zeitbezogenen Dienstvertrag die geschuldete Leistungsdauer unterschritten hat, er im übrigen aber ordnungsgemäß tätig geworden ist. In allen anderen Fällen bereitet die Berechnung der Minderung gewisse Schwierigkeiten, auch wenn man die Minderung nur bei und wegen einer fehlenden Teilleistung zuläßt. Zum einen erstreckt sich nach hier vertretener Ansicht die Minderung nur auf die fehlende Teilleistung. Unterrichtet der Nachhilfelehrer nur die Hälfte der Zeit und dies auch noch schlecht, kann die Vergütung im Grundsatz nur auf die Hälfte reduziert werden. Wegen der erbrachten Teilschlechtleistung ist keine Minderung möglich. Alle Bemessungsschwierigkeiten, die gegen die

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Minderung im Falle der vollständigen Schlechtleistung geltend gemacht wurden, gelten auch hier. Das bedeutet, daß bei der Ermittlung des wirklichen Werts i. S. des § 441 Abs. 3 S. 1 BGB zu unterstellen ist, der Dienstverpfl ichtete habe die Leistung – abgesehen von der fehlenden Teilleistung – im übrigen ordnungsgemäß erbracht. Dies mag zunächst als weitere Komplikation erscheinen; tatsächlich wird es die Berechnung aber erleichtern, denn die Ermittlung des Werts einer Teilschlechtleistung wird grundsätzlich wesentlich schwerer fallen als die Ermittlung des Werts einer ordnungsgemäßen Teilleistung. Beim zeitbezogenen Dienstvertrag können sich vor allem zwei spezifische Schwierigkeiten ergeben. Erstens kann die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums, in dem der Dienstverpflichtete nicht tätig wurde, insbesondere dann problematisch sein, wenn er nicht eine „reine“ Nichtleistung, sondern eine aliud-Leistung erbrachte, wenn also die erbrachte Tätigkeit über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht geeignet war, die vertraglich vereinbarte Funktion zu erreichen. Eine etwaige Beweisnot hat sich der Dienstberechtigte aber letztlich selber zuzuschreiben. Gerade zeitbezogene Dienstverträge sind solche, die sich durch ein ausgeprägtes Steuerungsrecht des Dienstberechtigten auszeichnen. Unterläßt er entsprechende Kontrollen des Dienstverpfl ichteten, muß er die sich daraus ergebenden Nachteile tragen. Zum anderen bestimmt sich der Wert der Dienste eben nicht immer proportional zum Zeitablauf. 310 Die Minderung ist daher keineswegs immer zwingend pro rata temporis vorzunehmen. Unterrichtet der Nachhilfelehrer den Schüler in der ersten Stunde statt der vereinbarten 60 Minuten nur 20 Minuten lang, und entfallen auf diese 20 Minuten allein 10 auf das Bekanntmachen zwischen Lehrer und Schüler, mag der dienstberechtigte Vater mit Fug vortragen, er wolle weniger als ein Drittel der vereinbarten Vergütung zahlen. Beim erfolgsbezogenen Dienstvertrag bereitet die Berechnung der Minderung grundsätzlich mehr Mühe. Es ist festzustellen, worin die fehlende Teilleistung besteht, d. h. welche der bei Vertragsschluß vereinbarten Teilfunktionen die erbrachte Tätigkeit nicht erfüllen konnte. Dies gilt in gleicher Weise für zeitbezogene Dienstverträge, wenn das Leistungsdefizit kein zeitliches ist. Zur Ermittlung des wirklichen Werts ist darauf abzustellen, welchen Wert die vereinbarten Dienste ohne diese Teilleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehabt hätten. Im oben genannten ersten Beispielsfall311 wäre also zu unterstellen, daß der Rechtsanwalt hinsichtlich der Übertragung des Grundstücks gar nicht tätig geworden wäre und er auch keine einstweilige Verfügung beantragt hätte. Für die verbleibende Tätigkeit ist nach ihrem wirklichen Wert zu fragen, d. h. nach dem Wert, den diese Leistung bei Vertragsschluß gehabt hätte, wobei die ordnungsgemäße Erbringung dieser Leistungsteile ggf. zu unterstellen ist. 310 311

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 264 ff. Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. d) (1) (b) (bb), S. 418 f.

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Im zweiten Beispielsfall ist die durch den Arzt vorgenommene Operation, die zur Sterilisation der Patientin hätte führen sollen, hinweg zu denken. Es kommt dann darauf an, welchen Wert die sonstigen erbrachten Tätigkeiten (z. B. Beratung, Voruntersuchungen, sonstige Krankenhausleistungen) hatten. Es ist nicht zu verkennen, daß der wirkliche Wert dieser verbleibenden Leistungen für den Mandanten oder Patienten oft sehr gering sein wird. 312 Auch bei mangelhaften Werken ist anerkannt, daß eine Minderung ggf. „auf Null“ möglich ist. 313 Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Einschätzung des Dienstberechtigten, sondern auf den objektiven Verkehrswert, 314 den die verbleibende Leistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehabt hätte. Dies und die Tatsache, daß der Tatrichter in der Wahl des Wertermittlungsverfahrens frei ist, 315 läßt im Recht der Freien Berufe eine Orientierung an etwaigen Gebührensätzen als zulässig erscheinen. Zudem kann ggf. die Minderung durch Schätzung ermittelt werden. 316 Auch wenn dies im Gesetz nicht klar zum Ausdruck kommt, ist die Schätzung allerdings dem Richter vorbehalten. 317 4. Ergebnis zu III. Auch nach der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geänderten Rechtslage ist eine Minderung in allen Fällen defizitär erbrachter Dienste begründbar. Im Falle schlecht oder teilweise schlecht erbrachter Leistung müßte man dafür allerdings die Konstruktion einer Minderung durch Teilrücktritt allein bezogen auf das Leistungsdefizit zulassen. Man kann weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung eine klare Aussage zu dieser Frage entnehmen. Mithin ist der Weg frei, eine Entscheidung nach dem Sinn und Zweck der §§ 323, 326 und §§ 611 ff. BGB zu treffen. Dabei kann nicht unbeachtet bleiben, daß die herrschende Meinung, vor allem die Praxis, eine Minderung in den Fällen schlecht erbrachter Dienste seit Schaffung des BGB ganz überwiegend ablehnt, obwohl immer wieder beachtliche Vorstöße in Richtung auf eine Änderung dieser Praxis in der Literatur unternommen wurden. Diese Stimmen können – und haben – sich vor allem auf das konditionelle 312 Die verbleibende Tätigkeit muß stets noch als Teilleistung zu bewerten sein. Erfüllt die verbleibende Tätigkeit keine eigenständige Teilfunktion, auch nicht etwa schlecht, liegt eine bloße hier sog. Restleistung vor. Diese ist – wie eine aliud-Leistung – als vollständige Nichtleistung zu bewerten. Bestand z. B. die verbleibende Tätigkeit des Arztes ausschließlich in einem nur vorbereitenden Beratungsgespräch, wäre die Gesamtleistung als vollständige Nichtleistung zu werten (oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (2) (b), S. 275 f.), für die sich ohnehin eine Vergütungsminderung „auf Null“ ergibt. 313 BGH (Urt. v. 29. 10. 1964) BGHZ 42, 232, 234. 314 Soergel/U. Huber § 472 Rn. 9, 11; MünchKomm/H. P. Westermann, 3. Aufl., § 472 Rn. 7; Erman/Grunewald § 441 Rn. 6. 315 Soergel/U. Huber § 472 Rn. 9, 11. 316 Dazu oben § 5 III. 3. c) (2) (d) (aa), S. 406 f. 317 So wohl auch Erman/Grunewald § 441 Rn. 8 ; Bamberger/H.Roth/Faust § 441 Rn. 14.

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Synallagma berufen. In der Tat ist kaum einzusehen, warum bestimmte Leistungsdefizite auf die Gegenleistung durchschlagen sollen, andere jedoch nicht. Als Grund dafür kann allein die Schwierigkeit der Bestimmung eines Marktpreises für schlecht erbrachte Dienste nicht genügen. Entscheidend ist, daß die Erbringung von Diensten sich in der Regel als ein Zusammenwirken von Dienstberechtigtem (oder seiner Substrate) und Dienstverpfl ichtetem gestaltet. Werden die Dienste schlecht erbracht, ergeben sich stets Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Ursachen, die zu der Schlechtleistung führten. Weiter noch erhellt aus dem Verständnis des Dienstvertrages als einem Vertrag der vom Gläubiger gesteuerten Leistungserbringung, daß die Schlechtleistung in aller Regel zu einem gewissen Anteil dem Dienstberechtigten zuzurechnen ist. Die Berechnung der Minderung müßte damit aufgrund einer Vielzahl von Faktoren erfolgen, die letztlich alle – zumal die Dienste nunmehr in der Vergangenheit liegen – nur mit großen Schwierigkeiten bestimmt werden können. Die gem. § 441 Abs. 3 S. 2 BGB zulässige Schätzung kann hier nicht weiterhelfen, denn sie ist nur durch den Richter zuzulassen. Für schlecht erbrachte Dienste sollte daher die Minderung als Rechtsbehelf ausscheiden. Der Verzicht auf diesen Rechtsbehelf erscheint annehmbar, wenn man den Anwendungsbereich der Minderung in den Fällen der Teilleistung ausdehnt. Vor allem ist es notwendig, den Dienstvertrag nicht nur als einen in der Dimension der Zeit teilbaren Vertrag zu erkennen. Dabei wird vorgeschlagen, eine Minderung gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB bzw. eine Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB immer zuzulassen, wenn den erbrachten Diensten eine Teilleistung fehlt. Das ist der Fall, wenn der Dienstberechtigte mit den erbrachten Diensten eine nach der Parteivereinbarung geschuldete eigenständige Teilfunktion der Tätigkeit nicht erreichen konnte. Die Minderung erstreckt sich in der Konsequenz auch ihrer Höhe nach nur auf die fehlende Teilleistung. Auf diese Weise läßt sich auch bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen eine Minderung durchführen, für die sich die Berechnungsschwierigkeiten in tolerablen Grenzen halten.

IV. Zurückbehaltung der Vergütung Der Dienstberechtigte kann gem. § 320 BGB bis zur „Bewirkung der Gegenleistung“ die Zahlung der gesamten 318 Vergütung verweigern; gem. Absatz 2 der Norm gilt dies allerdings nicht, wenn der Dienstverpflichtete „teilweise“ geleistet hat, und die Verweigerung der Vergütung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, treuwidrig wäre. In diesem Fall kann der Dienstberechtigte auch nur den ent318

Vgl. MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, § 320 Rn. 51 ff.

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sprechenden Teil der Vergütung zurückbehalten. 319 Neben § 320 BGB bestimmt § 614 S. 1 BGB, daß die Vergütung „nach der Leistung der Dienste“ zu entrichten ist. Beide Normen finden unproblematisch Anwendung, wenn und solange eine vollständige Nichtleistung vorliegt. 320 Im übrigen stellt sich für § 320 BGB und § 614 BGB die zur Minderung parallele Frage, ob die Normen auf sämtliche Fälle defizitär erbrachter Dienste anzuwenden sind. Daneben wurde vor allem in der älteren Literatur versucht, das Minderungsrecht selbst aus § 320 BGB321 oder § 614 BGB322 herzuleiten. Dies wird heute zutreffend abgelehnt: § 320 BGB gewährt nur eine dilatorische Einrede, 323 § 614 BGB stellt eine reine Fälligkeitsbestimmung 324 dar.

Wenn in § 320 Abs. 1 BGB von dem Zeitpunkt bis zur „Bewirkung der Gegenleistung“ die Rede ist, knüpft das Gesetz offenbar an die in § 362 Abs. 1 BGB gewählte Formulierung an. Stellt man sich mit der überwiegenden Lehre auf den Standpunkt, daß die Erfüllung nur durch die Bewirkung einer ordnungsgemäßen, also vollständigen und vertragsgemäßen, Leistung eintritt, 325 ist § 320 Abs. 1 BGB in entsprechender Weise zu interpretieren. Das bedeutet, daß allgemein der Gläubiger die Gegenleistung in jedem Fall defizitär erbrachter Leistung zurückbehalten kann. 326 Doch ist dieses Ergebnis für den Dienstvertrag nur ein vorläufiges. Die Norm muß für die Fälle, in denen beim Dienstvertrag ein Minderungsrecht verneint wird, teleologisch reduziert 327 werden. 328 319

Vgl. MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, § 320 Rn. 5. OLG Koblenz (Urt. v. 19. 12. 2002) VersR 2003, 1255 f.: Berufung auf § 614 BGB bzw. § 320 BGB möglich, wenn anwaltliche Leistung unbrauchbar und damit „überhaupt nicht erbracht“ ist. 321 Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 121 ff.; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 651. 322 G. Jaerisch, DB 1953, 1091, 1092. 323 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 68, 72 ff.; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 30 f.; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 38 f.; Rabe, Lohnminderung, S. 26; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 181 f.; zweifelnd auch Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 193 f. Ablehnend im Ergebnis auch Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 7. 324 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 68; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 61; Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 6; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 181. Grundsätzlich auch Staudinger/Richardi (2005) § 614 Rn. 6 ff. 325 Dazu unten Erster Teil, § 3 I., S. 85 ff. 326 Vgl. nur RG (Urt. v. 7. 11. 1903) RGZ 56, 151, 153; Oertmann Anm. 8 b) zu § 320 m. w.Nachw.; Erman/Battes, 10. Aufl., § 320 Rn. 18. 327 Eine (andersartige) Reduktion des Zurückbehaltungsrechts für den Werkvertrag findet sich nun auch in § 641 Abs. 3 BGB. 328 So im Ergebnis auch HansOLG. (Urt. v. 12. 11. 1920) NZfA 1921, 167; OLG Hamburg (Urt. v. 17. 3. 1988) VersR 1989, 1169 f.; OLG Köln (Urt. v. 24. 11. 1993) MedR 1994, 198, 199; Soergel/Wiedemann § 320 Rn. 55; Ullrich, NJW 1984, 585, 587 f. Aus dem Arbeitsrecht LAG Stuttgart (Urt. v. 7. 3. 1950) AP 51 Nr. 98; Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, 320

426

Zweiter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Dienstvertrages

Die Zurückbehaltung der Vergütung und die Minderung sind derart miteinander verknüpft, daß die Zurückbehaltung solange möglich ist, wie der Nacherfüllungsanspruch noch besteht. Geht der Anspruch unter, z. B. gem. §§ 275, 615 BGB oder nach Ausübung des Rücktrittsrechts, hat sich die vorläufige Zurückbehaltung in eine endgültige verwandelt. Wenn aber die endgültige Zurückbehaltung ausgeschlossen ist, kann auch die vorläufige nicht gewährt werden. Aus Sicht des Dienstberechtigten stellt zwar die Zurückbehaltung der (gesamten!) Vergütung ein Druckmittel dar, mit welchem er versuchen könnte, den ihm in allen Fällen der nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung zustehenden Nacherfüllungsanspruch durchzusetzen. 329 Doch erscheint es aus der Sicht des Dienstverpflichteten unerträglich, daß der Dienstberechtigte die gesamte Vergütung zurückbehält, obwohl er – ist der Nacherfüllungsanspruch nur endlich erloschen – sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) 330 verpflichtet ist, die gesamte Vergütung zu zahlen. 331 Läßt man die Durchbrechung des konditionalen Synallagmas bei der Minderung zu, wäre es inkonsequent, dem Dienstberechtigten ein „überschießendes“ synallagmatisches Instrument in die Hand zu geben. Dies bedeutet für die hier vertretene Ansicht, daß der Dienstberechtigte die Vergütung nur zurückbehalten darf, soweit und solange der Dienstverpflichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Auf diese Weise wird ein Gleichlauf in den Tatbestandvoraussetzungen zwischen Verzug, 332 Minderung333 und Zurückbehaltung hergestellt. Zum Anwendungsbereich des § 614 S. 1 BGB ergibt sich dadurch ebenfalls eine Übereinstimmung. Auch diejenigen, die im Falle schlecht erbrachter Dienste eine Zurückbehaltung gem. § 320 BGB gestatten, erstrecken dieses Ergebnis nicht auf § 614 S. 1 BGB. Mit § 614 S. 1 BGB sei allein eine „Korrektur des Fälligkeitszeitpunktes des § 271 Abs. 1 angestrebt“334. Es wird auch nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes überzeugend dargelegt, daß es bei ähnlichen Fälligkeitsbestimmungen anderer Vertragstypen (§ 641 Abs. 1 BGB S. 90; Palme, BlStSozArb 1957, 27, 28; Kauffmann, AuR 1963, 267, 269; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, 1960, S. 37; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 6. (S. 236 f.); Für eine Anwendung des § 320 BGB in den Fällen schlecht erbrachter Dienste W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 496 ff.; Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 408 ff., Hartung, Schlechtleistung, S. 112 ff. Für Arbeitsverträge schon Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 68 ff. (differenzierend); Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, 1933 , S. 17 ff. Für die neue Rechtslage auch MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, § 320 Rn. 12; Soergel/Gsell § 320 Rn. 66; Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 376; Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 72 ff. Dagegen wiederum Staudinger/Otto (2004) § 320 Rn. 30. 329 Zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen unten Dritter Teil, § 7 IV., S. 458 f. 330 Zur Anwendung des § 614 BGB sogleich. 331 Dahingehend auch Ullrich, NJW 1984, 585, 588. Zustimmend Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 17. 332 Oben Zweiter Teil, § 4 IV. 2. b) (1) (b) (bb), S. 331 ff. 333 Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. d) (1) (b) und (2), S. 414 ff. und S. 420 f. 334 W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 497; vgl. auch die in Fn. 324 Genannten.

§ 5 Die Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Dienstvertrag

427

sowie §§ 556b Abs. 1, 579 BGB, § 551 BGB a. F.) nicht auf die Vertragsgemäßheit der erbrachten Leistung ankommen sollte. 335 Seien die Dienste „vollständig“ erbracht, wenn auch möglicherweise mangelhaft, scheide eine Berufung auf § 614 S. 1 BGB aus. 336 Demgegenüber ist nach hier vertretener Ansicht nicht auf die erbrachten Dienste zu schauen und nach deren (wohl vor allem „zeitlicher“) Vollständigkeit zu fragen, sondern es kommt maßgeblich darauf an, ob eine, ggf. auch nicht zeitliche, Teilleistung ausblieb.

335 336

W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 497; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 183 f. W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 497.

Dritter Teil:

Die Nicht- und die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

§ 6 Die Tatbestände der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag Der Arbeitsvertrag ist Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB; somit finden die im Zweiten Teil für den Dienstvertrag entwickelten Grundsätze Anwendung.

I. Einleitung Die Frage der Abgrenzung von vollständiger und teilweiser Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag wurde auch für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nur im Ansatz erörtert. Nach einer Mindermeinung war jeder Fall der nicht ordnungsgemäßen Leistung als teilweise oder vollständige Nichtleistung zu qualifizieren;1 diese Ansicht war möglich, weil das alte Schuldrecht die Kategorie der Schlechtleistung nicht ausdrücklich benannte. 2 Die herrschende Ansicht ging indes auch für den Arbeitsvertrag davon aus, daß die (teilweise und vollständige) Nichtleistung von der Schlechtleistung zu trennen sei. 3 Wie diese Abgrenzung für den Arbeitsvertrag vorzunehmen wäre, blieb allerdings weitgehend offen. 1 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 287 ff. und AcP 125 (1926), 1, 49 ff.; Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 17 ff. (bzgl. Akkordvertrag); Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 31 f.; Beuthien, ZfA 1972, 73, 74; Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 141 ff. Ähnlich Rabe, Lohnminderung, S. 48 ff. Ausführlich bereits Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 65 ff., 73 ff., 83 ff., in Anlehnung an Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 289, : „Lösen wir dagegen das Schuldverhältnis – dasselbe gilt für das Arbeitsverhältnis – in eine Reihe von Einzelpfl ichten auf, so kommen wir nur auf den Tatbestand der – vielleicht gleichzeitig mehrfachen – Nichterfüllung, aber nicht zu der Schlechterfüllung.“ Die (in dieser Hinsicht) gründliche Arbeit Kappes, in der er sich gegen die bereits damalig herrschende Meinung stemmt, geriet offensichtlich in Vergessenheit. 2 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 I., S. 204 f. 3 Vgl. nur RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606 ff.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 128 ff., 135; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 187 f.; Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 101 ff.; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 34 ff., 62 ff.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 I., II.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3.; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 26 III., § 25 IV. 1. f), 2. b); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 144 ff.; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646; Palme, BlStSozArb 1957, 27; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, S. 1 ff.; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeits-

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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Nach beiden Ansichten war es notwendig, vollständige und teilweise Nichterfüllung zu unterscheiden. Regelmäßig erstreckt sich die Störung nicht auf das gesamte Arbeitsverhältnis, sondern auf bestimmte Zeitabschnitte. Für die Fälle, in denen die Arbeitsleistung nur zeitweise als Nichtleistung zu qualifizieren ist, nahm eine überwiegende Ansicht „Teilunmöglichkeit“ an; 4 eine Mindermeinung sprach sich indes mit dem Ziel, bestimmte Rechtsfolgen des alten Schuldrechts zu vermeiden, für „Vollunmöglichkeit“ aus. 5 Auf die Abgrenzungsproblematik zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist hier nicht weiter einzugehen. Festzuhalten ist, daß sich die Kategorisierung der herrschenden Ansicht in ihren Grundzügen im neuen Schuldrecht fortsetzt. Insofern ist es von Interesse, die damaligen Anwendungsbeispiele einer Prüfung zu unterziehen. Vorschläge zur Methodik der Abgrenzung wurden im alten Schuldrecht und werden auch im neuen Schuldrecht so gut wie nicht unterbreitet. Im folgenden wird die Abgrenzung daher sogleich anhand der im Zweiten Teil entwickelten Grundsätze vorgenommen.

II. Vollständige Nichtleistung Die Leistung des Arbeitnehmers wird nur in wenigen Fallgestaltungen als vollständige Nichtleistung zu qualifzieren sein. Der Arbeitsvertrag ist in aller Regel ein zeitbezogener Dienstvertrag. 6 Zeitbezogene Dienstverträge sind vor allem – wenn auch nicht ausschließlich – in der Zeit teilbar.7 Die Gesamtfunktion der geschuldeten Tätigkeit läßt sich im Arbeitsvertrag so gut wie immer in eigenständige zeitliche Teilfunktionen zerlegen. Nach dem oben Gesagten scheidet nun eine vollständige Nichtleistung bereits aus, wenn die erbrachte Leistung geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. Jedem Arbeitnehmer dürfte es jedoch gelingen, die Tätigkeit zumindest über eine kurze Zeitspanne hinweg zu erbringen. Schon damit ist ihm eine Teilleistung gelungen. Gleichwohl ist auch und gerade für den Arbeitsvertrag zu beachten, daß die Teilbarkeit der Gesamtleistung nicht nur eine Teilbarkeit in der Zeit ist. Nach dem hier vertretenen funktionalen Teilleistungsbegriff kommt es darauf

vertragsrecht, S. 43; Kauffmann, AuR 1963, 267; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 102 ff.; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 471 ff.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 85 ff. 4 Die alternative Möglichkeit des Teilverzugs wurde seltener diskutiert, vgl. etwa Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 128 ff.; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 187 f.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 I 1. m. Fn. 1); v. Stebut, RdA 1965, 66 ff.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 87 ff. 5 Vgl. oben zu Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 264 f., die in Fn. 215 Genannten. 6 Oben Erster Teil § 2 II. 2. b) (1), S. 47 ff. 7 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a), S. 264 ff.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

an, ob die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. 1. Mögliche Fallgestaltungen Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit überhaupt nicht aufnimmt (sog. Vertragsbruch8).9 Fraglich ist indes, ob eine vollständige Nichtleistung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich eine „andere“ als die geschuldete Arbeit leistet. Dies nahm die überwiegende Meinung für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz an. Es liege ein (nicht genehmigungsfähiges) aliud und damit eine Nichtleistung vor, wenn der angestellte Maler die Wand blau statt gelb streiche oder die Sekretärin das falsche Tonbanddiktat abschreibe.10 Das würde bedeuten, daß die Leistung eines Arbeitnehmers, der – z. B. in einem befristeten Arbeitsverhältnis – konstant eine aliud-Leistung erbringt, als vollständige Nichtleistung zu bewerten wäre. Der Fall ist zwar eher theoretischer Natur; er ist jedoch für das Grundverständnis des hier vertretenen funktionalen Nichtleistungsbegriffs hilfreich. Beispiel: Händler H will seinen gesamten Kundenbestand elektronisch erfassen. Zu diesem Zweck stellt er befristet den Studenten A ein. Auf dem A zur Verfügung stehenden Computer befi ndet sich das Textverarbeitungssystem, mit welchem die Daten gespeichert werden sollen. Außerdem befi ndet sich dort noch ein weiteres, veraltetes System. A verwendet dieses alte System. Die gesamte Arbeit ist für H unbrauchbar, weil sich die Daten nicht in das neue System transferieren lassen. Der Irrtum des A beruhte auf a) seiner Schludrigkeit, b) auf der Tatsache, daß die ihn einweisende Sekretärin dieses Programm irrtümlich für das anzuwendende hielt.

Nach der obigen Definition kommt es darauf an, ob die erbrachte Tätigkeit noch geeignet war, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen.11 Zur Bestimmung der Funktion der Tätigkeit ist die vertragliche Ver8 Die Nichtaufnahme der Tätigkeit und das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers stellen die beiden Unterfälle des Vertragsbruchs dar. Dazu umfassend Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 6 ff., der den Vertragsbruch entsprechend als Fall der Nichtleistung behandelt, ebenda, S. 34 m.w.Nachw. 9 Im Ergebnis einhellige Meinung, vgl. nur Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 187; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3. a); MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 8; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1527; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 92. 10 Die Autoren beziehen diese Beispiele allerdings auf die nur zeitweise aliud-Leistung, vgl. die unten Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 439 ff., in Fn. 41 Genannten. 11 Die Prüfung wird unzulässig verkürzt, wenn einfach das Arbeitsergebnis mit dem Ergebnis, das die geschuldete Tätigkeit erbringen sollte, verglichen wird, vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 45 f. Der Arbeitnehmer schuldet dieses Ergebnis nicht. So schon zutreffend Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 34 ff. Auf der anderen Seite wird die Funktion der Tätigkeit durch das anzustrebende Ergebnis mitdefiniert; daher liegt – anders als Kappes dies annimmt (S. 35) – eine Falschleistung auch vor,

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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einbarung normativ auszulegen. Dabei wurde oben dargestellt,12 daß durch die Festlegung von bestimmten Eigenschaften, die die Tätigkeit haben soll, die Funktion zunehmend spezifiziert wird. Beim Arbeitsvertrag bleiben mehr noch als bei selbständigen Dienstverträgen viele Eigenschaften der Tätigkeit, insbesondere inhaltliche Eigenschaften, ungeregelt. Eine genauere Festlegung erfolgt dann erst im Wege arbeitgeberseitiger Weisung. Jede wirksame vertragliche Bestimmung von Eigenschaften und jede wirksame Arbeitgeberweisung verengt den Kreis an Tätigkeiten, die noch geeignet sind, die vertragliche Funktion zu erfüllen. Es kommt nicht darauf an, ob die jeweilige Konkretisierung im Sinne der vom Arbeitgeber verfolgten betrieblichen oder wirtschaftlichen Gesamtzielsetzung „richtig“ ist. Liegt – aus welchen Gründen auch immer – wie im Fall b) eine „falsche“ Weisung vor, konkretisiert diese die mit der geschuldeten Tätigkeit verfolgte Funktion. A hat daher eine ordnungsgemäße Leistung erbracht.13 Im Beispielsfall a) wurde die Funktion der Tätigkeit anhand des richtigerweise zu verwendenden Textverarbeitungssystems konkretisiert. Die von A erbrachte Tätigkeit war nicht geeignet, die Funktion zu erfüllen. Bezogen auf diese Funktion liegt also eine Nichtleistung vor. 2. Das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft als Teilleistung Damit ist die Prüfung jedoch nicht beendet. Entscheidend ist auch hier, ob die Tätigkeit des A geeignet war, andere, ebenfalls von der geschuldeten Tätigkeit zu erfüllende (Teil-)Funktionen zu erreichen. Dies wäre ohne weiteres anzunehmen, wenn A außer zu der genannten Aufgabe noch zu weiteren Arbeiten herangezogen worden wäre und er diese Arbeiten (möglicherweise auch nur schlecht) geleistet hätte. Die für den Arbeitsvertrag entscheidende Frage ist indes, ob der Arbeitnehmer allein dadurch, daß er sich in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers eingliedert und seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Disposition stellt, eine Teilleistung erbringt. Daß der Arbeitnehmer durch die bloße Arbeitsbereitschaft seine Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllt, wurde oben dargelegt.14 Damit ist aber nicht entschieden, ob die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft eine Teilleistung des Arbeitnehmers darstellt oder nicht. Für diese Frage kommt es nach der obigen Definition15 darauf an, wenn der Arbeitnehmer aus Nachlässigkeit die Maschine falsch einstellt und daher Wellen von 3 mm statt von 2 mm Umfang herstellt. 12 Oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b), S. 231. 13 Erkennt der Arbeitnehmer die „Fehlerhaftigkeit“ der Weisung, ist er verpfl ichtet, den Arbeitgeber aufzuklären. Denn der Arbeitnehmer schuldet – in einem gewissen Rahmen – die Mitwirkung bei der Erreichung „der arbeitgeberischen Gesamtaufgabe“ (Wlotzke, RdA 1965, 180, 183) und er kann in diesem Rahmen auch verpfl ichtet sein, eigene „Initiative“ zu entfalten (Wlotzke, ebenda, S. 182 f.). 14 Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (2) (a) (aa) und § 3 II. 3. b) (2) (cc), S. 25 f. und S. 181. 15 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. a), S. 261 ff.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

ob das Zur-Disposition-Stellen der Arbeitskraft eine eigenständige Teilfunktion erfüllt, ob dieser Aspekt der Tätigkeit also bei isolierter Betrachtung für den Arbeitgeber einen wirklichen Vorteil darstellt. Die Antwort hängt von der Auslegung des Vertrages im Einzelfall ab.16 Für den „typischen“ Arbeitsvertrag als einen „abstrahierten“,17 von den mit der Tätigkeit konkret angestrebten Erfolgen weitgehend losgelösten Dienstvertrag, ist sie zu bejahen: Typischerweise entscheidet sich der Tätigkeitsgläubiger gerade deshalb für den Arbeitsvertrag, weil es ihm auf ein weitgehendes Kontroll- und Weisungsrecht, also auf die Steuerbarkeit des Arbeitnehmers ankommt. Der Arbeitgeber hat ein vorrangiges Interesse daran, daß er den Arbeitnehmer nach eigenem Ermessen „einsetzen“, also über ihn „verfügen“18 kann. Aus diesem Grund sind die in der Literatur beschriebenen Fälle der aliud-Leistung nicht als Nichtleistung, sondern als Teilleistung zu begreifen. Der als Arbeitnehmer beschäftigte Maler, der die Wand blau anstatt wie angewiesen gelb streicht, leistet nicht „nichts“. Auch wenn die mit der Weisung definierte Teilfunktion der Tätigkeit nicht erreicht wurde, stand er dem Arbeitgeber ununterbrochen zur Verfügung. Damit hat er zumindest eine Teilleistung erbracht.19 Für den selbständigen Dienstvertrag scheidet eine derartige Teilleistung in aller Regel aus, weil der selbständige Dienstverpflichtete definitionsgemäß seine Arbeitskraft eben nicht bzw. in wesentlich schwächerem Umfang zur – vor allem zeitlichen – Disposition des Dienstberechtigten stellt. Ausnahmen sind denkbar, wenn sich der Dienstverpfl ichtete zu einer „Abrufbereitschaft“ verpfl ichtet, er nach Abruf aber weitgehend weisungsfrei die Dauer und den Inhalt der Tätigkeit bestimmten kann.

Eine solche Teilleistung liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer nicht eine „andere“, sondern bezogen auf die jeweilige Arbeitsaufgabe eine völlig unbrauchbare Leistung, die nach dem hier vertretenen funktionalen Nichtleistungsbegriff ebenfalls als Nichtleistung zu bewerten ist, erbracht hat; etwa wenn der Arbeitnehmer eine Wand so schief hochzieht, daß sie wieder abgerissen werden muß. 20 Die Tatsache, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellte, führt auch dann zu einer Teilleistung. Die Annahme, daß schon das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft eine Teilleistung darstellt, begründet sich auch anhand folgender Überlegung: Tritt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit rechtzeitig an, hat jedoch der Arbeitge16

Vgl. bereits Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 52. Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. 18 Zu diesem Begriff vgl. aber oben § 3 Fn. 201. 19 In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Hueck/Molitor/Riezler/Molitor, Der Arbeitsvertrag, S. 122; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 105. Vgl. auch bereits Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 83 ff. 20 Beispiel nach Staudinger/Otto, (2004) § 281 Rn. C 7, der eine mangelhafte Leistung animmt, vgl. auch oben Zweiter Teil, § 4 II. 2. b) (3) (b) (cc), S. 238. 17

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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ber z. B. wegen eines Auftragsmangels keine Aufgaben, die er ihm zuweisen könnte, so daß sich der Arbeitnehmer den Tag über arbeitsbereit, aber ohne konkrete Tätigkeit im Betrieb aufhält, hat er unstreitig seiner Arbeitspflicht vollständig genügt. Es liegt eine ordnungsgemäße Leistung bezogen auf den Arbeitstag vor. Die These, der Arbeitnehmer habe nur eine (freilich vom Gläubiger voll zu vergütende, § 615 BGB) defizitäre Leistung erbracht, wurde bislang – soweit ersichtlich – nicht vertreten, und zwar zu Recht. Zwar mag der Arbeitgeber verpflichtet sein, grundsätzlich den Arbeitnehmer zu beschäftigen. 21 Beruft sich der Arbeitnehmer auf dieses Recht jedoch nicht, und begnügt er sich damit, im Betrieb anwesend zu sein, leistet er alles, wozu er verpfl ichtet ist. Mit diesem Ergebnis wäre es unvereinbar, eine Tätigkeit eines Arbeitnehmers, die als aliud oder unbrauchbare Leistung zu bewerten ist, einer (bezogen auf den jeweiligen Tätigkeitszeitraum) vollständigen Nichtleistung gleichzustellen. Die „falsche“ oder unbrauchbare Erledigung einer Arbeitsaufgabe führt nicht etwa dazu, daß sich die Leistung des Arbeitnehmers, die in der Bereitstellung seiner Arbeitskraft besteht, „verbraucht“. Der Arbeitnehmer steht auch bei der Erledigung einer konkreten Arbeitsaufgabe dem Arbeitgeber weiterhin zu Verfügung, denn der Arbeitgeber kann ihn grundsätzlich jederzeit mit einer anderen Aufgabe betrauen. Die Bewertung des „Zur-Verfügung-Stellens“ der Arbeitskraft als Teilleistung wirkt sich auf die Rechtsfolgen, insbesondere auf den Nacherfüllungsanspruch und die Lohnminderung, entscheidend aus. Sie führt gerade in den genannten aliud-Fällen weg von den bislang vertretenen „Alles-oder-Nichts“Lösungen und eröffnet bei der Bewertung der Teilleistung22 einen Spielraum, der auch, z. B. von den Tarifvertragsparteien, rechtspolitisch genutzt werden kann. Von einem „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft kann freilich nicht gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer zwar erscheint, ihm aber z. B. infolge von Krankheit oder Alkoholgenuß das geschuldete objektiv-individuelle Leistungsvermögen 23 völlig fehlt, oder wenn er sich weigert, überhaupt tätig zu werden („Leistungsverweigerung“), 24 oder er sich der Kontrolle und dem Zugriff des Arbeitgebers entzieht, indem er Arbeit vortäuscht („Scheinarbeit“25). 21 Zum allgemeinen Beschäftigungsanspruch vgl. nur MünchArb/Blomeyer § 95 Rn. 6 ff. m.w.Nachw.; Hanau, ZfA 2003, 735, 765 ff. 22 Dazu unten Dritter Teil, § 7 III., S. 454 ff. 23 Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (1) (b), S. 166 ff. 24 Vgl. nur BAG (Urt. v. 19. 5. 2004) AP Nr. 108 zu § 615 BGB m.w.Nachw.; BAG (Urt. v. 24. 9. 2003) NZA 2003, 1387 f. 25 Vgl. Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 8, 22, 24, die ebenfalls eine Nichtleistung annimmt. Ebenso Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 14. Zur sog. „Scheinerfüllung“ beim Werkvertrag Soergel/Wiedemann, Vor § 275 Rn. 409, Wiedemann nimmt – zum alten Schuldrecht – einen Fall der Schlechtleistung an.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Ein „Vortäuschen“ von Arbeit ist nicht nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer in der Arbeitszeit privaten Angelegenheiten nachgeht. Wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich einer anderen Tätigkeit als der angewiesenen nachgeht, liegt stets „Scheinarbeit“ vor, auch wenn die Tätigkeit für den Arbeitgeber objektiv nützlich sein sollte. 26 In allen diesen Fällen ist die Leistung des Arbeitnehmers so zu bewerten, als wäre er dem vereinbarten Arbeitsort ferngeblieben. Ein schwieriger, aber wohl nur theoretischer 27 Grenzfall wäre die vorsätzlich schlechte Erbringung der Arbeitsleistung. Hier hat der Arbeitnehmer die Teilleistung, die im „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft liegt, nicht oder doch nur schlecht erbracht. Da auch die Tätigkeit an sich schlecht erbracht wurde, wäre die Leistung insgesamt als isolierte Teilschlechtleistung oder als vollständige Schlechtleistung zu bewerten.

3. Ergebnis Eine vollständige Nichtleistung kommt daher im Regelfall nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zu keiner Zeit zur Verfügung stand. Dies ist der Fall, wenn er dem vereinbarten Arbeitsort fernbleibt oder wenn er erscheint, er aber die Erfüllung der Arbeitspflicht – offensichtlich oder verdeckt – verweigert.

III. Beschränkte Störungen 1. Bewertung der Gesamtleistung des Arbeitnehmers Anders als beim selbständigen Dienstvertrag wird der Arbeitgeber selten Rechtsfolgen bezüglich der gesamten vom Arbeitnehmer erbrachten Leistung geltend machen wollen. Vielmehr wird er einzelne Zeitabschnitte oder einzelne Tätigkeitsbereiche herausgreifen und vortragen, daß der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum oder bezüglich einer übertragenen Aufgabe nicht oder schlecht gearbeitet habe. Bei der – eher theoretischen – Betrachtung der Gesamtleistung des Arbeitnehmers wird man feststellen müssen, daß es nur wenigen Arbeitnehmern gelingen dürfte, eine insgesamt ordnungsgemäße Leistung zu erbringen. Auch der pflichtbewußteste Arbeitnehmer wird z. B. nicht vermeiden können, daß er sich einmal (mehr als nur unerheblich) verspätet. Schon diese – auf das gesamte Arbeitsverhältnis gesehen – minimale Leistungsstörung bewirkt in der Regel, 26 Dies gilt natürlich nicht, wenn der Arbeitnehmer z. B. im Rahmen einer Nothilfesituation Gefahren für den Arbeitgeber abwendet. 27 Vgl. allerdings Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 42, der in Fn. 1, berichtet, daß bei der ersten Aufführung des Figaro in Wien „welsche Sänger aus Haß, Neid und niederer Kabale . . . durch vorsätzliche Fehler sich alle Mühe gegeben haben, die Oper zu stürzen.“

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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daß seine Gesamtleistung nur noch eine Teilleistung ist. Auf die Frage, wer die Leistungsstörungen zu vertreten hat, kommt es dafür nicht an 28. Abgesehen von den gerade behandelten Fällen der vollständigen Nichtleistung wird der Arbeitgeber möglicherweise geltend machen, der Arbeitnehmer habe ausschließlich schlecht (wenn er überhaupt gearbeitet habe) geleistet; es liege demnach eine vollständige Schlechtleistung (oder isolierte Teilschlechtleistung) vor. Die Folge wäre die Anwendbarkeit des § 281 Abs. 1 S. 2 BGB, d. h. der Arbeitgeber könnte Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen, es sei denn, die Pflichtverletzung wäre unerheblich. Eine derartige Qualifiation der Arbeitnehmerleistung wird indessen nur in seltenen Ausnahmefällen zutreffen. Dem Arbeitnehmer wird es nach dem gerade Gesagten so gut wie immer gelingen, eine Teilfunktion der Tätigkeit ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies ist schon der Fall, wenn er über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg ordnungsgemäß gearbeitet hat. Selbst wenn dies nicht zuträfe, läge eine ordnungsgemäße Teilleistung schon darin, daß er – in der geschuldeten Art und Weise – seine Arbeitskraft zur Disposition stellt. Eine vollständige Schlechtleistung oder eine isolierte Teilschlechtleistung wäre also nur gegeben, wenn dem Arbeitnehmer beides nicht gelänge, etwa wenn er stets alkoholisiert auf der Arbeitsstelle erschiene und seine Arbeitsleistung konstant nicht ordnungsgemäß wäre. Die oben im Zweiten Teil entwickelten Grundsätze führen damit im Ergebnis für den Arbeitsvertrag zu einer starken Vereinfachung. Wie dargelegt, 29 finden auf eine beschränkte Störung stets die Regelungen über die Teilleistung Anwendung, wenn die erbrachte Tätigkeit zumindest eine ordnungsgemäße Teilleistung beinhaltet. Dies wird für einen Arbeitnehmer, der die Arbeit aufgenommen hat, so gut wie immer zutreffen. Begehrt der Arbeitgeber Schadensersatz statt der ganzen Leistung, findet mithin stets die den Tätigkeitsschuldner begünstigende Regelung des § 281 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Darauf ist unten einzugehen. 30 2. Bewertung einzelner Störungstatbestände Im Regelfall wird der Arbeitgeber bestimmte Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers herausgreifen, an die er die Rechtsfolgen Schadensersatz oder Lohnminderung anzuknüpfen wünscht. Solange es für die Rechtsfolge nur auf den Tatbestand „Pflichtverletzung“, wie beim einfachen Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 und 2 BGB oder beim Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281 28 Oben Erster Teil, § 2 II. 2. b) (2), S. 227 f. Wenn seine Leistungspfl icht gem. § 275 BGB wegen Unmöglichkeit teilweise erlischt, z. B. wegen eines Krankenhausaufenthalts, liegt keine Pfl ichtverletzung vor. Dazu unten Dritter Teil, § 7 I. 1., S. 449 f. 29 Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2), S. 288 ff. 30 Unten Dritter Teil, § 7 II., S. 452 ff.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Abs. 1 S. 1, 283 S. 1 BGB), ankommt, genügt die Feststellung, daß die Leistung des Arbeitnehmers nicht ordnungsgemäß war. Hinsichtlich der Anforderungen an die ordnungsgemäße Leistung ist zu beachten, daß der Arbeitnehmer im Regelfall nur den üblichen Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens schuldet. 31 Im übrigen sind hinsichtlich der Voraussetzungen des Vertretenmüssens gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Grundsätze über die Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer heranzuziehen. Eine Lohnminderung kommt nach den hier vertretenen Grundsätzen nur in Betracht, wenn und soweit der Dienstverpflichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Das heißt, daß mit der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion der Leistung nicht – auch nicht nur schlecht – erreicht werden konnte. Die Minderung erfolgt nur für die fehlende Teilleistung. Auch für den Arbeitsvertrag besteht also ein Minderungsrecht des Arbeitgebers, wenn dieser darlegen und beweisen kann, daß der Arbeitnehmer eine Teilleistung nicht erbracht hat. Im folgenden werden die in Rechtsprechung und Literatur behandelten Fälle der Leistungsstörung daraufhin untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen die einzelne Leistungsstörung zum Fehlen einer Teilleistung führt. Dabei wird in Anlehnung an die Differenzierungen in der Literatur zwischen den Fällen unterschieden, in denen der Arbeitnehmer zwar ordnungsgemäß, aber zeitlich nicht in ausreichendem Umfang arbeitet, und den Fällen, in denen die Tätigkeit inhaltlich nicht ordnungsgemäß ist. Sodann wird auf die Fälle der sog. Langsamarbeit eingegangen. Methodisch ist eine solche Abgrenzung nicht notwendig; 32 sie dient hier jedoch dem leichteren Verständnis. a) Störungen hinsichtlich der Leistungsdauer Für den Arbeitsvertrag als zeitbezogenem Dienstvertrag besteht eine fehlende Teilleistung zumeist darin, daß der Arbeitnehmer die geschuldete Leistungsdauer unterschreitet, indem er zeitweise nicht am vereinbarten Arbeitsort anwesend ist. 33 Auch zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde von Rechtsprechung34 und Literatur35 eine teilweise Nichtleistung ange31

Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c), S. 186 ff. So schon Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288. 33 Vgl. oben Zweiter Teil, § 4 III. 2. b) (1) (a) (aa), S. 264 ff. 34 Alle Entscheidungen betreffen die Kündigung: BAG (Urt. v. 27. 2. 1997, 17. 1. 1991, 13. 8. 1987) AP Nr. 36, 25, 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG (Urt. v. 17. 3. 1988) AP Nr. 99 zu § 626 BGB; BAG (Urt. v. 24. 3. 1988–2 AZR 680/87), n.v.; LAG Berlin (Urt. v. 10. 10. 1997–6 Sa 92/97), n.v. Entsprechend zum Lohnanspruch: LAG Mannheim (Urt. v. 22. 7. 1953) DB 1953, 803. Vgl. weiter BAG (Urt. v. 8. 10. 1959) AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG. In der nationalsozialistischen Rechtsordnung war der Grundsatz zweifelhaft geworden, bejahend aber LAG Leipzig (Urt. v. 24. 1. 1941) ARS 41, 102 ff. m. zust. Anm. Hueck. 32

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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nommen, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheine, er sich verspäte oder er die Arbeit zu früh verlasse. Diese Teilunmöglichkeit führte nach einhelliger Ansicht zu einer Lohnminderung gem. §§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 BGB a. F., sofern nicht ausnahmsweise ein Teilverzug anzunehmen war. 36 Auch für die aktuelle Rechtslage wird angenommen, daß in diesen Fällen eine Lohnminderung gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erfolge. 37 Die Lohnminderung führe gem. §§ 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs., 441 Abs. 3 BGB dazu, daß für den Zeitraum des Fernbleibens von der Arbeit der Lohnanspruch in voller Höhe entfalle, sofern der Anspruch nicht im Einzelfall gem. §§ 615, 326 Abs. 2, 616 BGB, §§ 2, 3 EFZG usw. erhalten bleibe. 35

b) Störungen hinsichtlich des Inhalts der Arbeit Auch beim Arbeitsvertrag sind die Fälle des Fehlens einer Teilleistung und damit die Möglichkeit der Lohnminderung nicht auf die Fälle des zeitweisen Fernbleibens von der Arbeit beschränkt. Vielmehr kann der Arbeitgeber das Fehlen einer „nichtzeitlichen“ Teilleistung geltend machen. Der Arbeitnehmer hat sich zu einer Tätigkeit verpflichtet, mit der eine Vielzahl zeitlicher und inhaltlicher Teilfunktionen erreicht werden sollen. Eine fehlende „inhaltliche“ Teilleistung ist gegeben, wenn mit der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion nicht – also auch nicht schlecht – erreicht werden konnte.

35 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 38 ff., 100 ff.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 128 f.; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 38 f.; Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen der Nichterfüllung, 1927, S. 45; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 I. 1.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3. a); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 139; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 38 f.; Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen der Nichterfüllung, 1927, S. 45; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 43 ff.; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 144; Beuthien, ZfA 1972, 73, 79 f.; Kraft, NZA 1989, 777; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 II. 1.; Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 14, 18, 117; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 86; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 8; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 19, 21 f.; Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 333, 400. Teilweise abweichend Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219 f. 36 Dazu ausführlicher: Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 100 ff.; Elster, Arbeitsrecht, 1919, 26, 33 f.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 128 f., 165, 167; Beuthien, ZfA 1972, 73, 79 f.; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 140; BergerDelhey, DB 1989, 2171, 2172; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 2, 5, 9 ff.; Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 333. Differenzierend Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 254 ff., 266. Allerdings wendete das BAG in (Urt. v. 17. 9. 1998), AP Nr. 133 zu § 626 BGB Haftung des Arbeitnehmers, die Grundsätze über die positive Vertragsverletzung an. 37 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 126, 192; Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 542; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 841; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 399; Canaris, JZ 2001, 499, 508. Im Ergebnis auch Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 14.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Beispiel: 38 U beschäftigt den Anstreicher A. Als A morgens zur Arbeit erscheint, erhält er die Weisung, an diesem Tag eine bestimmte Wand gelb zu streichen. 1. A streicht die Wand blau, weil er a) nicht richtig zugehört hat, b) mit U eine „offene Rechnung“ begleichen will. 2. A streicht die Wand gelb, a) trägt aber die Farbe stark unregelmäßig auf, so daß der Besteller – zu Recht – einen Neuanstrich fordert, b) trägt die Farbe leicht unregelmäßig auf, so daß sich U eine Minderung seiner Werklohnforderung durch den Besteller gefallen lassen muß.

Für die Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurden derartige Fälle nicht einheitlich beurteilt. Nach der Mindermeinung, die auch eine Schlechtleistung des Dienstverpflichteten als teilweise Nichtleistung bewerten wollte, wäre grundsätzlich in allen genannten Beispielsfällen eine Minderung in Betracht gekommen. 39 Die herrschende Meinung, die zwischen Schlechtleistung und teilweiser Nichtleistung differenzierte, hätte nicht einheitlich entschieden. Fälle der Konstellation 1 wurden überwiegend als „aliud“-Leistung bewertet.40 Damit handelte es sich, bezogen auf das Gesamtarbeitsverhältnis, um eine teilweise Nichtleistung, so daß der Lohnanspruch des Arbeitnehmers für den betreffenden Zeitraum grundsätzlich in voller Höhe entfiel.41 Andere wollten auch die Fälle der „Falschleistung“ als Schlechtleistung behandeln.42 38

Beispiel nach MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 8, bzw. Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116,

119. 39 Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 17 ff. (bzgl. Akkordvertrag); Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 43 ff.; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 22 (aliud), S. 33 ff. (Schlechtleistung); Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 63 f., 85 ff.; ähnlich auch Rabe, Lohnminderung, S. 48 ff.; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119. Ausführlich Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 141 ff., 159 ff. Ihm im Ergebnis weitgehend zustimmend Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 408; ders., AcP 189 (1989), 182, 184. Teilweise zustimmend auch Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 III.; Kraft, NZA 1989, 777, 781. 40 Schwierig ist die Abgrenzung von „überflüssigen“ Tätigkeiten eines Arbeitnehmers, vgl. Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93; vgl. dazu allgemein auch W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 495 f. Zur Bewertung objektiv überflüssiger Tätigkeiten ist auf die ex-ante Sicht des handelnden Arbeitnehmers bei üblicher Anspannung seines objektiv-individuellen Erkenntnisvermögens abzustellen. 41 Gewerbegericht Berlin (Urt. v. 16. 5. 1902), in: v. Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 123 Nr. 44 (betr. Zettelverteilung in falscher Straße); Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 70 m. Fn. 2; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 61; Elster, DJZ 1910, 801, 802 f.; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 68 f., 72 m. weiteren Beispielen; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 188; Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, S. 3 f. m. Fn. 13; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 34 ff.; Dietz/ Wiedemann, JuS 1961, 116, 119; Rabe, Lohnminderung, S. 7, 56; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 8, 19, § 57 Rn. 49; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 23. Ebenso ausdrücklich Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 22. 42 RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1529; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219 f.; wohl auch Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 94, 109. Auch das BAG nahm im Fall einer Arbeitnehmerin, die sich, statt eine Tätigkeit als „bilanzsichere Buchhalterin“ zu ent-

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Die Fälle der Konstellation 2 wurden ganz überwiegend als Schlechtleistung eingeordnet; eine Lohnminderung sollte damit ausscheiden43 oder doch zumindest nur im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht werden können.44 Etwas mißverständlich ist es, wenn das BAG in seiner Entscheidung zur Mankohaftung45 formuliert: „Das Risiko der Schlechtleistung trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.“, denn es ist unklar, ob es sich um das Risiko fehlerhafter Tätigkeit oder lediglich um das Risiko eines fehlerhaften Arbeitsergebnisses handelt. Gemeint ist offenbar nur letzteres: Das Gericht verweist auf sein Urteil vom 15. 3. 1960 46 , in dem die Zulässigkeit einer tarifl ichen Akkordvereinbarung in Frage stand, nach welcher – wie vielfach üblich – nur für ordnungsgemäße Arbeitsprodukte ein Akkordlohn zu zahlen war. In diesem Zusammenhang stellt das BAG fest, daß grundsätzlich der Arbeitgeber „die Gefahr des Misslingens der Arbeit“ trägt. Die Ausführungen beziehen sich also lediglich auf das Arbeitsergebnis, das der Arbeitnehmer (eben auch beim Akkordvertrag) nicht schuldet.

Führte indes die Tätigkeit zu einem Arbeitsergebnis, daß als „endgültiger Ausschuß“47 bezeichnet werden konnte, wurde eine Lohnminderung vereinzelt falten, im wesentlichen damit beschäftigte, die Firmenräume zu säubern, nur Schlechtleistung an, BAG (Urt. v. 6. 6. 1971) AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 43 HansOLG. (Urt. v. 12. 11. 1920) NZfA 1921, 167; RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606 ff. (für Zeitlohnvertrag); folgend LAG Hamm (Urt. v. 2. 3. 1956), DB 1956, 428 und LAG Düsseldorf (Urt. v. 20. 11. 1957) DB 1957, 1132; BAG (Urt. v. 6. 6. 1971) AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (Schadensersatzanspruch offengelassen); LAG Köln (Urt. v. 3. 5. 1996–11 Sa 42/96), n.v.; Wölbling, Der Akkord- und Tarifvertrag, 1908, S. 88 f.; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 10, 14 ff.; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 48 ff.; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 473 ff.; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 Rn. 5, 6 und 10. Demgegenüber nahm das Gewerbegericht Berlin teilweise Lohnkürzungen bei mangelhafter Arbeit ohne nähere Begründung vor: Urt. v. 11. 4. 1904, v. 1. 5. 1903, v. 15. 5. 1905, alle in: v. Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 123 ff. Nr. 46, 47, 49. Anders dann aber Urt. v. 31. 7. 1911 und v. 10. 10. 1912, zitiert in: v. Schulz/ Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 124 (Anm.). 44 LAG Duisburg (Urt. v. 23. 2. 1928) ARS 3, 13 ff.; RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 230 ff.; folgend LAG Stuttgart (Urt. v. 7. 3. 1950) AP 51 Nr. 98; Elster, DJZ 1910, 802, 803; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 82 ff.; Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 60 ff., 75 ff.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 136; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 68 ff.; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 188; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. (S. 226 ff.); Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3. b); Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 145 und 147; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 26 III., § 25 IV. 1. f), 2. b).; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 650 f.; Palme, BlStSozArb 1957, 27 f.; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, S. 14 ff., 95 f.; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 102 ff.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 18 III.; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 109; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1531 f.; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 29 ff. 45 BAG (Urt. v. 17. 9. 1998) AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung. 46 BAG (Urt. v. 15. 3. 1960) AP Nr. 13 zu § 611 Akkordlohn. 47 RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607, und RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 234, 235, (beide für Akkordvertrag).

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

trotz der Qualifikation als Schlechtleistung zugelassen.48 Rechtskonstruktiv wurde dieses Ergebnis u. a. über § 614 BGB49, § 320 BGB50 oder § 634 BGB51 erreicht52 oder indem in die vertragliche Abrede eine konkludente Minderungsvereinbarung bei Schlechtleistung hineingelesen wurde. 53 Von einigen wird die „völlig unbrauchbare Arbeit“ aber auch als (wohl teilweise) Nichtleistung gewertet. 54 Schließlich behelfen sich in allen Fällen inhaltlicher Leistungsstörungen Rechtssprechung und Literatur, indem sie auf das Instrument des Rechtsmißbrauchs zurückgreifen. 55 Für die aktuelle Rechtslage wird überwiegend angenommen, daß § 326 Abs. 1 S. 2 BGB einen ausdrücklichen Ausschluß des Minderungsrechts im Falle der Schlechtleistung beinhalte.56 Danach würde jedenfalls für die Fallgruppen der 2. Kategorie ein Minderungsrecht ausscheiden. Ob auch eine Lohnminderung durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen ausscheidet, wird bislang wenig diskutiert. 57 Nach den hier entwickelten Grundsätzen ergibt sich ein anderes Bild. Es ist zu fragen, ob der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion, die die geschuldete Tätigkeit hätten haben sollen, fehlte. Im Arbeitsvertrag entstehen 48

Tröbst, Die Arbeitsleistungspfl icht des Arbeitnehmers und die Folgen der Nichterfüllung, 1927, S. 45. Weitergehend Elster, DJZ 1910, 802, 804 bzgl. Akkordvertrag. 49 G. Jaerisch, DB 1953, 1091, 1092. 50 Sigel, Der gewerbliche Arbeitsvertrag, 1903, S. 121 ff.; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 651. Nachweise aus der älteren gewerberechtlichen Judikatur bei Rabe, Lohnminderung, S. 16 Fn. 2. 51 Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 195 ff. 52 Gegen diese Versuche bereits ausführlich und zutreffend Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 180 ff., sowie schon Maguhn, in: Praxis des Gewerbegerichts Berlin 1913, S. 56, 60 ff. 53 RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605 ff.; RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 234 ff.; folgend LAG Hamm (Urt. v. 2. 3. 1956), DB 1956, 428; abweichend LAG Düsseldorf (Urt. v. 28. 3. 1950) AP 51 Nr. 281. 54 RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1531; Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 557; Canaris, JZ 2001, 499, 504. Einschränkend MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 16: nur wenn Arbeitsleistung weisungswidrig erfolgte. Differenzierend auch Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 27. Für den Dienstvertrag Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460 f. 55 BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG; BAG (Urt. v. 26. 1. 1983) AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; vgl. auch BAG (Urt. v. 9. 2. 1983) AP Nr. 46 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 19; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 52. 56 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 40, 190; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 845 f.; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 400, 412; Preis, Individualarbeitsrecht, § 52 I. 1.; Lindemann, AuR 2002, 81, 83; Wedde, AiB 2002, 267, 270; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 137 f. Außerdem lehnen eine Minderung bei schlechter Arbeitsleistung ab Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 6 Rn. 136; Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 245. Allgemein zum Dienstvertrag Staudinger/Otto (2004) § 326 Rn. B 42; Jauernig/Mansel § 611 Rn. 16; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 463, 480 (für Dienstvertrag). 57 Dahin gehend HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 412. Nicht eindeutig Richardi, NZA 2002, 1004, 1011.

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derartige eigenständige Teilfunktionen vor allem durch Weisung. Um eine eigenständige Teilfunktion handelt es sich dabei nur, wenn die Funktion klar definiert werden kann und die diese Funktion erfüllende Tätigkeit bei isolierter Betrachtung einen „wirklichen Vorteil“ für den Dienstberechtigten darstellt, wobei es sich bei einem Arbeitsvertrag in aller Regel um einen wirtschaftlichen Vorteil handeln wird. 58 Eigenständige Teilfunktionen werden insbesondere durch die Übertragung einer bestimmten Arbeitsaufgabe begründet. Demgegenüber führen Weisungen, die die Tätigkeit nur „begleiten“, wie etwa die Weisung, bestimmte Schutzkleidung zu tragen oder in einem bestimmten Arbeitstempo zu arbeiten, nicht zu einer eigenständigen Teilfunktion der jeweiligen Tätigkeitsaspekte. Die Lohnminderung setzt nun voraus, daß die eigenständige Teilfunktion nicht, d. h. auch nicht schlecht, erreicht wurde. Dies läßt sich nur durch eine normative Betrachtung feststellen. Für die als „aliud“ bezeichneten Beispielsfälle ist das Fehlen einer Teilfunktion zu bejahen. Im Beispielsfall 1 macht es (für die Gegenleistung) keinen Unterschied, ob A die Wand in der falschen Farbe oder die falsche Wand streicht, ob er die Wand abreißt, statt sie anzustreichen, oder ob er statt dessen mit dem Auftraggeber Kaffee trinkt. Für die Feststellung des Fehlens einer Teilleistung kommt es auch auf das Vertretenmüssen, also insbesondere auf den Grad des Verschuldens, nicht an. Aber auch im Beispielsfall 2 a) war die Tätigkeit nicht geeignet, die Teilfunktion, also die übertragene Arbeitsaufgabe, zu erfüllen. Die Tätigkeit war „unbrauchbar“. In allen Fällen wurde eine Teilleistung nicht erbracht. Es ist daran zu erinnern, daß für die Beurteilung der Geeignetheit der Tätigkeit zur Erreichung einer Funktion nicht auf das Arbeitsergebnis abzustellen ist, denn der Arbeitnehmer schuldet keinen Erfolg. 59 Ein unbrauchbares Arbeitsergebnis kann allenfalls Indiz für eine unbrauchbare Tätigkeit sein. Stellt sich im Beispielsfall 2a) nach Abschluß der Arbeit heraus, daß die Malfarbe fehlerhaft ist und verläuft, ohne daß A dies während der Tätigkeit bemerken konnte, war die Tätigkeit des A ordnungsgemäß. 60 Im Beispielsfall 2 b) war die Tätigkeit des A noch – wenn auch nur schlecht – geeignet, die Teilfunktion zu erfüllen. Die übertragene Arbeitsaufgabe „Wandanstrich in Gelb“ wurde ausgeführt.

58 Ein bestimmter Handgriff im Rahmen eines Arbeitsablaufs ist demnach keine Teilleistung. So aber Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 26 ff. 59 Vgl. oben Erster Teil, § 2 II. 2. a), S. 45 f. In den Fällen des RAG, (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605 ff., und (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 234 ff., war der Arbeitnehmer im Akkord tätig. 60 Auf die Frage des Substratversagens kommt es deshalb nicht mehr an, vgl. auch oben Dritter Teil, § 6 II. 1., S. 432, (Beispiel b)).

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Für die fehlende Teilleistung kann der Arbeitgeber den Lohn mindern. Im Gegensatz zur bisherigen Lehre bedeutet das Fehlen einer „inhaltlichen“ Teilleistung jedoch nicht, daß der Lohn für den gesamten Zeitraum, in dem die Tätigkeit „falsch“ erbracht wurde, in voller Höhe entfällt. 61 Wie oben ausgeführt, 62 besteht eine Teilleistung des Arbeitnehmers schon darin, daß er dem Arbeitgeber „zur Disposition“ steht. Dadurch unterscheidet sich die Leistung des Arbeitnehmers, der erst gar nicht auf der Arbeitsstelle erscheint, von derjenigen eines Arbeitnehmers, der erscheint und arbeitswillig ist, aber eine unbrauchbare Arbeitsleistung erbringt. Auf den jeweiligen Zeitraum gesehen, liegt nicht eine völlige Nichtleistung, sondern zumindest eine Teilleistung vor. Die Minderung erfaßt daher nicht zeitanteilig den vollen Lohn, sondern nur einen zeitanteiligen Lohnanteil, der dem Wert der fehlenden Teilleistung entspricht. 63 Im Fall 1 b) ist hingegen eine Lohnkürzung in voller Höhe vorzunehmen, weil A seine Arbeitskraft – obwohl er anwesend und „tätig“ ist – nicht zur Disposition stellt. Er täuscht nur vor, den Weisungen des U nachkommen zu wollen; es liegt ein Fall der „Scheinarbeit“ vor. 64

Auf diese Weise können auch Fälle gelöst werden, in welchen der Arbeitnehmer innerhalb desselben Zeitraums mehrere Arbeitsaufgaben bewältigen soll, er aber nicht hinsichtlich aller Aufgaben tätig wird. Beispiel: Der Ladenangestellte A wird angewiesen, an einem bestimmten Arbeitstag die Ladenregale aufzufüllen und – ausnahmsweise – die Kundschaft zu bedienen. Die letztere Arbeitsaufgabe hat A gleich wieder vergessen und verweist Kunden daher auf die anwesenden Verkäufer.

Schuldet der Arbeitnehmer eine Tätigkeit, mit der innerhalb desselben Zeitraums zwei oder eine Vielzahl von Teilfunktionen erreicht werden soll, kann die Tätigkeit bezüglich jeder dieser Teilfunktionen „unbrauchbar“ sein. Für jede dieser fehlenden Teilleistungen kann der Lohn gemindert werden. 65 Es macht also im Grundsatz keinen Unterschied, ob dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben zur sukzessiven Bearbeitung übertragen werden, oder ob er die Aufgaben „gleichzeitig“ oder in abwechselnder Reihenfolge erledigt. Voraussetzung ist nur, daß die jeweiligen Teilfunktionen klar definierbar, also auch voneinander abgrenzbar sind. Bei einheitlichen Arbeitsaufgaben scheidet die Bildung von Teilfunktionen aus. 66 Nur für eine klar definierte Teilfunktion 61 Die herrschende Meinung gelangt teilweise durch die Heranziehung des Verschuldenserfordernisses zu ähnlichen Ergebnissen, dazu unten Dritter Teil, § 7 III., S. 454 ff. 62 Oben Dritter Teil, § 6 II. 2., S. 433 ff. 63 Dazu unten Dritter Teil, § 7 III., S.454 ff. 64 Oben Dritter Teil, § 6 II. 2., S. 435 f. 65 Dahin gehend auch Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f. 66 So wird man die Aufgabe eines Werkmeisters in einem Produktionsbetrieb nicht in die Teilleistungen „Überwachung der Maschinen“ und „Menschenführung“ aufgliedern können, vgl. den Fall des LAG Düsseldorf (Urt. v. 16. 5. 1952) DB 1952, 635. Auch die allgemeine

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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läßt sich entscheiden, ob die jeweilige Tätigkeit geeignet war, diese Funktion zu erreichen oder nicht. Die Lohnminderung erfolgt auch in diesem Fall nur für die fehlende Teilleistung. Erfüllt der Arbeitnehmer nur eine von mehreren im gleichen Zeitraum zu erbringenden Arbeitsaufgaben nicht, fällt die Minderung also anteilig geringer aus. c) Störungen hinsichtlich der Relation von Zeit und Arbeit (sog. Langsamarbeit) Die Fälle der sog. Langsamarbeit, „Arbeitsbummelei“67 bzw. der sog. passiven Resistenz68 haben in der Literatur eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren. Es handelt sich um einen Störungstatbestand, dem – wie der sog. Bummelstreik69 zeigt – aus Sicht des Arbeitgebers ein gewisses Gefährdungspotential zukommt, gerade auch deshalb, weil er sich dogmatisch nicht leicht einordnen läßt. Die Langsamarbeit wurde überwiegend als Schlechtleistung, 70 aber auch als teilweise Nichtleistung71 eingestuft. Hinsichtlich der sog. passiven Resistenz, also dem „bewußten Zurückhalten der Arbeitskraft“, war ebenfalls umstritten, ob es sich um eine Schlechtleistung72 oder um eine Nichtleistung73 der Ar„Sauberhaltung“ des Geschäfts durch den Filialleiter, vgl. LAG Duisburg (Urt. v. 23. 2. 1928) ARS 3, 13 ff., und die höfl iche Behandlung der Kunden durch einen Verkaufsleiter, vgl. BAG (Urt. v. 26. 6. 1997–2 AZR 502/96), n.v., sind keine Teilleistungen. 67 Begriff z. B. in BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG. 68 Begriff nach RG (Urt. v. 9. 6. 1925) RGZ 111, 105, 111. Nach der Sachverhaltswiedergabe des Gerichts lag hier weniger eine Langsamarbeit als eher eine Nichtleistung vor: Die Arbeitnehmer „standen in den Räumen herum, plauderten und arbeiteten trotz wiederholter Ermahnungen der Aufseher und anderer Angestellter der Klägerin entweder gar nicht oder so wenig, daß eine ordnungsgemäße Aufrechterhaltung des Betriebes unmöglich war.“ 69 Vgl. nur RG (Urt. v. 9. 6. 1925) RGZ 111, 105, 111 f. „verschleierter Streik“; LAG Bayern (Urt. v. 22. 11. 1959) Der Arbeitgeber 1960, 124: Heimliche Aufforderung des Betriebsrats, die Arbeitsleistung zurückzuhalten. 70 LAG Mannheim (Urt. v. 22. 7. 1953) DB 1953, 803; ArbG Ulm (Urt. v. 14. 2. 1967–1 Ca 410/66), n.v.; Fritz, Die Schlechtleistung im besonderen Teil des Schuldrechts, S. 102; Hueck/ Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II 1.; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl., (1958) § 611 Rn. 144; Palme, BlStSozArb 1957, 27; Thewalt, Schlechterfüllung des Arbeitnehmers, S. 15; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 117 f.; Kauffmann, AuR 1963, 267, 268; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 102 ff. (allerdings in der Rechtsfolge abweichend); Wertheimer/Eschbach, JuS 1997, 605, 610; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1529. Dahin gehend auch Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 193, 198 f. 71 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 45 f.; Beuthien, ZfA 1972, 73, 80 ff.; Rabe, Lohnminderung, S. 50 ff. 72 LAG Mannheim (Urt. v. 22. 7. 1953) DB 1953, 803; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II 1.; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl. (1958), Vor § 611 Rn. 144; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118; Knevels, DB 1970, 1388, 1391; Hessel, Anm. zur BAG (Urt. v. 17. 7. 1990) AuR 1971, 64; Lieb, Gutachten, S. 183, 207 Fn. 83; Kraft, NZA 1989, 777 f.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 95. 73 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 36 ff.; Ni-

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

beit handelte. Die Differenzen scheinen sich für die aktuelle Rechtlage fortzusetzen.74 Der Erörterung ist vorauszuschicken, daß für die dogmatische Erfassung die Heranziehung von Begriffen wie „Arbeitsunlust“75 oder „Resistenz“ wenig hilfreich ist. Die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung besteht in einer Tätigkeit, nicht in einer bestimmten psychischen Disposition. Der Arbeitnehmer schuldet kein „subjektives Gutwilligsein“. 76 Zwar ist eine bestimmte Motivationslage faktische Voraussetzung für das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft. Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Motivationslage zum Schuldinhalt gehört. Welche Einstellung der Arbeitnehmer gegenüber seiner Arbeitspfl icht hat, spielt juristisch keine Rolle, solange er nur dem äußeren Tatbestand nach seine Arbeitskraft zur Disposition stellt und die Arbeitsleistung selbst ordnungsgemäß erbringt. Weiter ist daran zu erinnern, daß eine nicht ordnungsgemäße Leistung nur vorliegt, wenn die erbrachte Arbeitsleistung hinter der geschuldeten zurückbleibt. Nach den oben entwickelten Grundsätzen kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer sein objektiv-individuelles Leistungsvermögen im geschuldeten Maße eingesetzt hat, wobei für den Arbeitsvertrag regelmäßig auf den Maßstab der Üblichkeit zu rekurrieren ist. Gerade für die „Intensität“ der Arbeitsleistung ist daran zu erinnern, daß unter dem üblichen Einsatz des Leistungsvermögens nicht der „durchschnittliche“ Einsatz des Leistungsvermögens zu verstehen ist. Der Begriff „üblich“ umreißt eine Schwankungsbreite. Daher ist auch ein Einsatz „am unteren Limit“ noch üblich; der Arbeitnehmer ist deshalb auch nicht verpflichtet, eine eigene frühere Durchschnittsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann den Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens bis zu dem Maße absenken, daß „gerade noch üblich“ ist. Für die Einzelheiten wird auf die obigen Ausführungen77 verwiesen. Für die Frage der Lohnminderung ist darüber hinaus erforderlich, daß die Pflichtverletzung (mindestens) als Fehlen einer Teilleistung zu bewerten ist. Es kisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 1. Fn. 46; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 21 f.; Fenn, Anm. zu BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG; Staudinger/Richardi (1999) § 611 Rn. 452; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 22, differenzierend aber § 58 Rn. 12, 19. Differenzierend auch Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 3, 25. Zur Nichtleistung tendierend auch BAG (Urt. v. 17. 7. 1970) AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG. 74 Vgl. Staudinger/Richardi (2005) § 611 Rn. 545; ders., NZA 2002, 1004, 1111: Langsamarbeit sei Schlechtleistung, bewusste Zurückhaltung sei Nichtleistung. Ähnlich Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13, 14. Nach Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 834, sei „Bummelei“ Schlechtleistung. Für (wohl teilweise) Nichtleistung ArbG Frankfurt (Urt. v. 14. 7. 2004–2 Ca 254/04), n.v. 75 Beuthien, ZfA 1972, 73; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 27. 76 So aber z. B. Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 116 f., vgl. dazu oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (a), S. 170 ff. 77 Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c), S. 186 ff.

§ 6 Die Tatbestände der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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kommt also wiederum darauf an, ob die Langsamarbeit dazu führte, daß mit der Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion nicht mehr erreicht werden konnte. Gerade an dieser Stelle wird die Notwendigkeit der Definierbarkeit der eigenständigen Teilfunktion relevant. Der Arbeitgeber muß den entgangenen wirklichen (wirtschaftlichen) Vorteil genau bestimmen und abgrenzen können. Dies ist ihm zum einen möglich, indem er darlegt, daß der Arbeitnehmer während eines zeitlich fi xierten, nicht unerheblichen Leistungszeitraums eine Nichtleistung erbrachte; entweder indem er dem Arbeitsort fernblieb oder indem er eine Tätigkeit ausführte, die als Nichtleistung zu bewerten ist, weil es sich um eine aliud-Leistung oder um eine völlig unbrauchbare Leistung handelte. Hierunter fallen die in der Literatur als „Arbeitsunterbrechung“ bezeichneten Fälle. Die Höhe der Lohnminderung hängt davon ab, ob die Arbeitsunterbrechungen auf Arbeitsverweigerung beruht („eigenmächtige Arbeitspausen“78) oder nicht. Im Falle der Arbeitsverweigerung hat der Arbeitnehmer auch die Teilleistung, die im Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft besteht, nicht mehr erbracht. Folglich ist der Lohn für den Zeitraum der Unterbrechung in voller Höhe zu mindern. Stand der Arbeitnehmer hingegen trotz der Unterbrechung dem Arbeitnehmer weiterhin zur Disposition, kommt bezogen auf den Unterbrechungszeitraum nur eine anteilige Minderung in Betracht. Auch an dieser Stelle ist das Fehlen einer Teilleistung aber nicht auf die zeitliche Dimension beschränkt. Ebensogut ist möglich, daß die Teilfunktion „inhaltlich“ nicht erreicht wurde. So kann der Arbeitnehmer eine Teilleistung auch schuldig bleiben, wenn er infolge der Langsamarbeit nur eine von zwei übertragenen Aufgaben nicht erfüllt. Das Fehlen einer Teilleistung kann auch darin bestehen, daß er das abzuarbeitende Maß an Arbeit unterschreitet.79 Von einem „Fehlen“ eines Leistungsanteils kann aber nur gesprochen werden, wenn überhaupt eine Leistungsstörung vorliegt. Da auch ein Arbeitseinsatz am „unteren Limit“ des Üblichen noch ordnungsgemäß ist, liegt ein Störungstatbestand erst ab diesem Maßstab vor. Daher ist es nicht zulässig, schlicht die übertragene mit der erbrachten „Arbeitsmenge“ zu saldieren. Vielmehr ist die „Arbeitsmenge“, die bei einer Tätigkeit am „unteren Limit“ des Üblichen erreicht worden wäre, mit der erbrachten Arbeitsmenge zu vergleichen. Beispiel 1: U weist Arbeitnehmer A an, von 8:00 Uhr bis 17:00 eine Wand zu streichen. Nachdem die reguläre Mittagspause vorbei ist, und zwar von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr a) geht A ins Eiscafé, b) telefoniert er privat mit einem Bekannten, c) streicht er die Wand blau statt wie angewiesen gelb. Die Nichtleistung von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr stellt eine fehlende Teilleistung dar. 78

Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl, Rn. 198. Anders im Ergebnis RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 606. Grundsätzlich zustimmend MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 9. 79

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Beispiel 2: U weist den Arbeitnehmer A an, von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr zwei Wände/eine Wandfläche von x qm zu streichen. Nach dem objektiv-individuellen Leistungsvermögen des A wäre die Arbeit selbst bei einem Arbeitseinsatz am „unteren Limit“ des Üblichen zu schaffen. A streicht jedoch nur eine Wand/nur die Hälfte der Fläche. Das „Nichtstreichen“ der zweiten Wand/anderen Hälfte stellt eine genau abgrenzbare eigenständige Teilfunktion dar, die der Tätigkeit fehlt. 80 In den Fällen 1. und 2. ist wiederum zu berücksichtigen, daß schon das „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft während der vereinbarten Leistungszeit eine Teilleistung darstellt. In den Fällen 1. c) und 2. stand A dem Arbeitgeber ununterbrochen zur Verfügung. Eine Minderung auf die Hälfte des auf diesen Tag entfallenden Arbeitslohns scheidet daher aus. Beispiel 3: Wie 2. A streicht beide Wände bzw. die gesamte Wandfläche, allerdings hat er unkonzentriert gearbeitet, so daß der Anstrich unregelmäßig ist. Das „bessere“ Streichen der Wände wäre für U zwar „irgendwie vorteilhaft“, es erfüllt jedoch keine eigenständige Teilfunktion, so daß das Fehlen einer Teilleistung verneint werden muß; eine Minderung scheidet aus.

80 Ähnliches Beispiel und Ergebnis schon Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288, und Ludwig, Zurückbehaltung unpfändbaren Lohnes, S. 45 f.

§ 7 Die Rechtsfolgen der vollständigen und teilweisen Nichtund Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

I. Nacherfüllung Auch die Verpflichtung zur Leistung von Diensten aus einem Arbeitsvertrag erlischt nur durch Erfüllung, wenn die Dienste ordnungsgemäß erbracht werden. 81 Wird der Arbeitnehmer hingegen im vereinbarten Leistungszeitraum nicht oder zeitweise nicht tätig oder erbringt er die Tätigkeit schlecht oder zeitweise schlecht, steht dem Arbeitgeber grundsätzlich ein Anspruch auf Nacherfüllung hinsichtlich des nicht geleisteten „Teils“ zu. Der Anspruch auf Nacherfüllung kann jedoch gem. §§ 615, 275 BGB sowie nach hier vertretener Ansicht gem. § 635 Abs. 3 BGB analog erlöschen. Dabei wurde auf die wesentlichen Aspekte bereits bei der Darstellung zum Dienstvertrag eingegangen. 82 1. Erlöschen der Nacherfüllungspfl icht Für den Arbeitsvertrag ist vor allem die Frage nach dem Bestehen einer absoluten Fixschuld und damit nach dem Wegfall der Arbeitspfl icht gem. § 275 Abs. 1 BGB von großem praktischen Interesse. Vorrangig ist jedoch zu prüfen, ob die Arbeitspflicht bereits gem. § 615 BGB entfallen ist. Diese Norm findet immer dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit pünktlich aufnehmen wollte und er in der Lage war, sie ordnungsgemäß auszuführen, der Arbeitgeber hingegen die Annahme verweigerte oder er die notwendigen Arbeitssubstrate nicht bereitstellen konnte. Auf die Frage, ob sich die Arbeitspfl icht als absolute Fixschuld darstellte oder nicht, kommt es im Rahmen des § 615 BGB nach hiesigem Verständnis nicht an. 83 Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 615 BGB ist die für den Wegfall der Leistungspflicht entscheidende Frage, ob im konkreten Einzelfall die Tatsache, daß der vereinbarte Leistungszeitraum nunmehr in der Vergangenheit liegt, die Nacherfüllung unmöglich macht. Im Schrifttum hat sich über die 81 82 83

Vgl. auch die oben in § 3 Fn. 5 für den Arbeitsvertrag Genannten. Oben Zweiter Teil, § 5 I. 2., S. 349 ff. Oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. a) (2), S. 351 f.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

vergangenen Jahre die zutreffende Einschätzung durchgesetzt, daß auch für die Arbeitspflicht pauschale Kategorisierungen zu vermeiden sind. 84 Die generelle Bewertung sämtlicher arbeitsvertraglicher Pflichten als sog. absolute Fixschuld entspricht dem Interesse des Arbeitgebers oft nicht, vielfach läuft sie aber auch den Interessen des Arbeitnehmers zuwider. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 615 BGB verliert dieser nämlich seinen Lohnanspruch gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn nicht ausnahmsweise § 326 Abs. 2 BGB eingreifen sollte. Auch der Arbeitnehmer mag daher ein berechtigtes Interesse am Erhalt des Lohnanspruchs durch Nacharbeit haben. Ob und inwieweit also mit dem Verstreichen des vereinbarten Leistungszeitraums Unmöglichkeit eintritt, kann nur durch Auslegung der konkreten arbeitsvertraglichen Vereinbarung ermittelt werden.85 Maßgeblich dafür ist der Grad an Flexibilisierung der Arbeitszeit (z. B. Gleitzeitmodelle, Arbeitszeitkontenmodelle, Telearbeit), der Umfang der Arbeitszeit (z. B. Voll- oder Teilzeit), die allgemeine betriebliche Einsetzbarkeit (z. B. Gruppenarbeit), aber auch die allgemeine physische und psychische Belastung des konkreten Arbeitnehmers durch die Tätigkeit. Es kommt auch darauf an, ob der Arbeitnehmer bei Vertragsschluß oder später erklärt hat, daß ihm (z. B. wegen familiärer Pfl ichten) eine Nacharbeit nicht möglich sein werde, und der Arbeitgeber sich damit (konkludent) einverstanden gezeigt hat. 2. Nacherfüllungspfl icht bei beschränkten Störungen Nach dem oben zum Dienstvertrag Ausgeführten hat der Dienstberechtigte in allen Fällen der nicht ordnungsgemäßen Leistung einen Anspruch auf Nacherfüllung. Auch der Nachhilfelehrer oder der Rechtsanwalt, dessen Unterricht bzw. dessen Beratung als Schlechtleistung zu qualifizieren ist, bleibt verpflichtet, „den Mangel zu beheben“, d. h. er muß ggf. die ganze oder auch nur Teile der Tätigkeit nachholen. Für den Arbeitnehmer gilt das nur eingeschränkt: Wie dargestellt, 86 erbringt der Arbeitnehmer eine Teilleistung schon dadurch, daß er dem Arbeitgeber im vereinbarten Leistungszeitraum zur Verfügung steht. Eine Nacherfüllung 84 Vgl. Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 106 ff., sowie die auführliche, auch historische Darstellung von Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 87 ff., 101 ff., 168 ff. mit zahlreichen Nachweisen auch zur Gegenansicht; später Hellfeier, Die Leistungszeit im Arbeitsverhältnis, S. 46 ff. Vgl. auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspfl ichten, S. 252 Fn. 42, 255 f. Enger aber MünchKomm/Müller-Glöge § 611 Rn. 14, 1040; Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13 „regelmäßig Fixschuldcharakter“. 85 BAG (Urt. v. 25. 3. 1992–5 AZR 300/91), n.v.; Erman/Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 333; ebenso Erman/Edenfeld § 611 Rn. 333; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 10 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 839; Preis, Individualarbeitsrecht, § 42 II. 1.; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 390; Söllner/Waltermann, Grundriss des Arbeitsrechts, § 30 II. 1. b). 86 Oben Dritter Teil, § 6 II. 2., S. 433 ff.

§ 7 Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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durch den Arbeitnehmer ist aber nur möglich, indem er am vereinbarten Arbeitsort erscheint und den nicht erbrachten „Teil“ seiner Arbeitspfl icht nachholt. Allein dadurch, daß er wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, fl ießt dem Arbeitgeber jedoch nicht nur der fehlende „Teil“ der Arbeitsleistung zu, sondern er erhält auch erneut die Teilleistung, die in dem „Zur-Verfügung-Stehen“ der Arbeitskraft besteht. Hat beispielsweise im obigen Fall87 der Arbeitnehmer an einem Arbeitstag eine Wand „schlecht“ gestrichen, weil er unkonzentriert gearbeitet hat, ist seine Arbeitsleistung als ordnungsgemäß erbrachte Teilleistung („Zur-Verfügung-Stehen“) und als (Teil-)Schlechtleistung zu bewerten. Der Nacherfüllungsanspruch des Arbeitgebers bezieht sich nur auf das in der Schlechtleistung liegende Defizit. Dieses Defizit kann aber im Arbeitsvertrag nicht „isoliert“ behoben werden. Würde der Arbeitgeber die Schlechtleistung am Ende des Arbeitstages bemerken und würde er den Arbeitnehmer zur „Nacherfüllung“ auffordern (z. B. Nacherfüllung durch erneuten deckenden Anstrich innerhalb der nächsten zwei Stunden), erhielte der Arbeitgeber nicht nur das noch ausstehende „Leistungsdefizit“; er erhielte vielmehr zusätzlich noch die Teilleistung des „Zur-Verfügung-Stellens“ der Arbeitskraft innerhalb der nächsten zwei Stunden – eine Teilleistung, die der Arbeitnehmer gar nicht mehr schuldet. Der Ausgleich des Leistungsdefizits wäre in diesen Fällen also nur möglich, indem der Arbeitnehmer ein plus erbrächte. Die Erbringung eines solchen plus geht jedoch über die Grenzen dessen hinaus, was der Arbeitnehmer nach der vertraglichen Vereinbarung an Leistungsaufwand zu erbringen verpfl ichtet ist. Man wird dem Arbeitnehmer daher in diesen Fällen das Recht einräumen müssen, die Leistung zu verweigern. Als gesetzliche Grundlage kommt § 275 Abs. 2 BGB in Betracht, ggf. auch § 635 Abs. 3 BGB analog.88 Demgegenüber wäre eine pauschale Lösung über den angeblichen „absoluten Fixschuldcharakter“ der Arbeitspfl icht abzulehnen.89 Soweit die einem konkreten Arbeitsvertrag entspringende Arbeitspflicht tatsächlich als absolute Fixschuld anzusehen ist, wäre der Nacherfüllungsanspruch stets gem. § 275 Abs. 1 BGB erloschen. Es ist jedoch erneut davon abzuraten, die Arbeitspflicht zu einer absoluten Fixschuld zu deklarieren, um auf diesem „einfachen“ Weg die Nacherfüllungspflicht entfallen zu lassen. Dabei würde unberücksichtigt bleiben, daß – nach hier vertretener Ansicht – das Leistungsdefizit auch als fehlende Teilleistung zu qualifizieren sein kann (z. B. wenn der Arbeitnehmer die Wand gar nicht oder gelb statt blau streicht), so daß der Lohnanspruch des Arbeitnehmers zum Teil entfällt. In diesem Fall kann dem Arbeitnehmer an der Nacherfüllung zur Erhaltung seines vollen Lohnanspruchs durchaus gelegen sein. 87 88 89

Dritter Teil, § 6 III. 2. b), S. 440, Beispiel 2b). Dazu oben Zweiter Teil, § 5 I. 2. b) (2) und c), S. 359 ff. und S. 370 f. So aber für das neue Recht nun Maschmann, NZA 2006, Beilage Nr. 1, S. 13 und 16.

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Dritter Teil: Die Nicht- und Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages

Das bedeutet im Ergebnis: Eine Nacherfüllung kommt im Arbeitsvertrag nur für Zeiträume in Betracht, in denen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stand, etwa weil er dem Arbeitsort fern blieb, weil er die Arbeitsleistung verweigerte, weil er nur „zum Schein“ arbeitete usf.90 Die Nacherfüllung wegen Schlechtleistung wird allgemein mit denselben Argumenten abgelehnt wie die Entgeltminderung. Dabei wird betont, daß der Arbeitgeber zwar Nachbesserung verlangen könne, aber eben nur innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit.91 Dies ist zwar zutreffend, doch hat diese Art der „Nachbesserung“ nichts mit Nacherfüllung zu tun.

II. Schadensersatz statt der Leistung Es wurde auch für den Arbeitsvertrag bereits oben92 dargelegt, daß Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung im Grundsatz nicht durch Naturalherstellung, also durch Nacharbeit, geleistet werden muß bzw. darf und daß der Schadensersatzanspruch nicht den Wert der „entgangenen Dienste“ umfaßt. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend machen kann, ist zunächst auf die Ausführungen im Zweiten Teil, § 4 zu verweisen. Auch hier wirkt sich allerdings die Bewertung des „Zur-Verfügung-Stellens“ der Arbeitskraft als Teilleistung zugunsten des Arbeitnehmers aus. Ist die Gesamtleistung des Dienstverpflichteten als Schlechtleistung oder als sog. isolierte Teilschlechtleistung zu bewerten, kann der Dienstberechtigte Schadensersatz statt der ganzen Leistung stets geltend machen, solange nicht der Dienstverpfl ichtete darlegt und nachweist, daß seine Pflichtverletzung unerheblich war.93 Bewertet man es aber schon als Teilleistung, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg zur Disposition stellte, greift diese Regel für den Arbeitnehmer, der zumindest am Arbeitsort erschienen ist und sich „bemüht“ hat, nicht ein. Der Arbeitgeber kann daher Schadensersatz statt der ganzen Leistung gem. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB nur fordern, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht am Arbeitsort erschienen war oder er zwar erschien, aber nicht oder nur zum Schein bereit war, nach den Weisungen des Arbeitgebers tätig zu werden. In allen anderen Fällen 90

Zur Frage der Vollstreckung vgl. oben Zweiter Teil, § 5 I. 1., S. 349. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 2.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 703; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 845; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 54; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 411. Anders bzgl. Anspruch auf Naturalrestitution Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 231 ff. Anders für den Serienakkord RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607. 92 Oben Zweiter Teil, § 5 II. 4. und 5., S. 377 ff. und S. 380 ff. 93 Auf die hierin für den Arbeitnehmer liegende Gefahr weisen schon Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 91, für die alte Rechtslage hin. 91

§ 7 Rechtsfolgen der Nicht- und Schlechterfüllung beim Arbeitsvertrag

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greift § 281 Abs. 1 S. 2 BGB, d. h. der Arbeitgeber müßte darlegen, daß er an der vom Arbeitnehmer erbrachten Teilleistung kein Interesse hat. Dabei fällt wiederum zugunsten des Arbeitnehmers ins Gewicht, daß unter „Teilleistung“ i. S. der Norm nach hier vertretener Auffassung die gesamte vom Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeit anzusehen ist.94 Der Arbeitgeber kann Schadensersatz statt der ganzen Leistung anläßlich einer Kündigung oder nach sonstiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen. Das Schadensersatzverlangen erstreckt sich dann auf den gesamten vergangenen Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis bestand. Auch der sog. Auflösungsschaden kann über § 281 BGB geltend gemacht werden,95 doch geht für den Arbeitsvertrag insofern § 628 Abs. 2 BGB vor. Für andere Schadenspositionen (z. B. entgangener Gewinn) bleibt es bei § 281 BGB. Der Arbeitgeber kann sein Verlangen aber auch auf einen bestimmten Zeitraum beschränken. Er kann aus dem laufenden Arbeitsverhältnis einen Zeitraum herausgreifen und Schadensersatz statt der ganzen Leistung, bezogen auf diesen Zeitraum, geltend machen.96 Die Voraussetzungen der § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB sind dann (bezogen auf diesen Zeitraum) zu prüfen. Beispiel: Facharbeiter A erfüllt seit vielen Jahren zuverlässig eine wichtige Funktion im Unternehmen des U. Anfang Februar gerät er jedoch in eine persönliche Krise. Er erscheint nur noch sporadisch und arbeitet dann entweder schlecht oder gar nicht. Nach fünf Wochen hat er sich wieder gefangen. U ist bereit, auf eine Kündigung zu verzichten. U kann (unter den Voraussetzungen der § 281 Abs. 1 S. 2 bzw. 3 BGB) Schadensersatz statt der ganzen (während der fünf Wochen zu erbringenden Leistung) geltend machen.

Die Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung hat für den Arbeitgeber den Vorteil, daß er bei der Berechnung des Schadensersatzes die vom Arbeitnehmer erbrachten Leistungsteile nicht berücksichtigen muß.97 Hatte U im Beispielsfall eine Ersatzkraft für die fünf Wochen angestellt, kann er die Kosten für diese Ersatzkraft voll als Schadensersatz geltend machen. Würde U nur Schadensersatz statt der (nicht erbrachten) Leistung geltend machen, sähe er sich dem Einwand des A ausgesetzt, daß der Einsatz der Ersatzkraft teilweise nicht notwendig gewesen wäre, da er die Tätigkeit partiell ausgeübt habe. Diesen Schwierigkeiten kann der Arbeitgeber ausweichen, wenn er geltend machen kann, daß er an der Leistung des Arbeitnehmers über einen bestimmten Zeitraum hinweg kein Interesse hatte. Die erbrachten Leistungsteile sind dann für die Schadensberechnung hinweg zu denken.

94

Oben Zweiter Teil, § 4 III. 3. c) (2) (b), S. 291 ff. MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 14. 96 Anders Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 201. Wie hier für Dauerschuldverhältnisse allgemein MünchKomm/Ernst, Bd. 2a, § 281 Rn. 14, 140 ff. 97 Dazu oben Zweiter Teil, § 5 II. 2., S. 371 ff. 95

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III. Minderung der Vergütung Wie oben dargelegt wurde, sollte beim Dienstvertrag eine Minderung im Falle der Schlechtleistung ausscheiden.98 Die hierfür zum Dienstvertrag entwickelte Begründung ist auf den Arbeitsvertrag ohne weiteres zu übertragen, bzw. gilt sie hier erst recht.99 Eine automatische Minderung nach § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB findet nur statt, wenn der Dienstverpflichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Auch die bei nicht untergegangenem Nacherfüllungsanspruch mögliche Minderung durch Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB ist nur bezogen auf die nicht erbrachte Teilleistung möglich. Allerdings kann von einer fehlenden Teilleistung nicht nur gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer der Arbeit vereinbarungswidrig zeitweise fernblieb. Eine fehlende Teilleistung kann auch darin bestehen, daß die vom Arbeitnehmer entfaltete Tätigkeit nicht, auch nicht schlecht, geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. Dies ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine nach dem Arbeitsvertrag angemessene Aufgabe übertragen wurde und die Tätigkeit schlechthin untauglich zu Erfüllung dieser Aufgabe war, z. B. weil sie schlicht unbrauchbar oder weil sie in bezug auf die übertragene Aufgabe ein aliud darstellt. Der funktionale Teilleistungsbegriff führt damit im Vergleich zur Definition der Teilleistung der überwiegenden Ansicht zu einer Erweiterung der Minderungsmöglichkeit für den Arbeitgeber. Auch hiergegen könnte der allgemeine Einwand geltend gemacht werden, daß „der Streit um Güte“ der Erfüllung „nicht auf der Lohnseite ausgetragen werden“ dürfe, da „der Arbeitnehmer auf möglichst ungeschmälerten Arbeitslohn angewiesen“ sei.100 Eine Möglichkeit, die Rechtsfolge der Lohnminderung einzuschränken, bestünde darin, sie von der weiteren Tatbestandsvoraussetzung des Vertretenmüssens abhängig zu machen101 und dabei die Grundsätze der Haftungsmilderung für Arbeitneh98

Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3., S. 383 ff. Vgl. Oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d) (cc), S. 410 f. 100 So die Formulierungen von Beuthien, ZfA 1972, 73, 74 und 76. 101 So RAG (Urt. v. 22. 8. 1929) ARS 6, 605, 607 f.; RAG (Urt. v. 30. 4. 1930) ARS 9, 230 ff.; LAG Düsseldorf (Urt. v. 28. 3. 1950) AP 51 Nr. 281; Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 82 ff.; Elster, DJZ 1910, 801, 803, Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 136; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 188; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 40 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 27 V. 3.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 35 II. 3., Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, 1938, S. 12; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Aufl. (1958), § 611 Rn. 145 und 147; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, § 26 III., § 25 IV. 1. f), 2. b).; Below, FS Lehmann II, 1956, S. 646, 648 ff.; Palme, BlStSozArb 1957, 27 f.; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f.; Söllner, in: Tomandl (Hrsg.), Entgeltprobleme, S. 93, 102 ff.; RGRK/Schliemann § 611 Rn. 1531 f.; MünchArb/Blomeyer § 57 Rn. 17 ff., sowie die in Fn. 102 Genannten. De lege ferenda dagegen Lieb, Gutachten, S. 183, 213 f., mit dem zutreffenden Hinweis, daß bei Bejahung der Pfl ichtverletzung (gerade beim Dienstvertrag) in der Regel auch immer ein Verschulden vorliege. 99

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mer heranzuziehen, mit dem Ergebnis, daß eine Lohnminderung bei einfacher Fahrlässigkeit ausschiede, daß bei mittlerer Fahrlässigkeit eine Quotelung vorzunehmen wäre und daß bei grober Fahrlässigkeit in der Regel sowie bei Vorsatz stets die Lohnminderung zuzulassen wäre.102 Zu diesem Ergebnis können jedenfalls diejenigen gelangen, die eine Lohnminderung wegen Schlechterfüllung auf dem Wege der Aufrechnung mit einem Schadensersatz für nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung zulassen wollen.103 Rechtspolitisch ist darüber hinaus die Forderung nach der „Angemessenheit“ der Lohnkürzung geltend gemacht worden.104 Die solchen Vorschlägen zugrundeliegende Intention ist vollkommen berechtigt. Der Arbeitnehmer ist auf den Lohn angewiesen, um seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie zu bestreiten. Er hat also ein fundamentales Interesse daran, Lohnminderungen abzuwehren. Diesem berechtigten Interesse kann indes auf dogmatisch befriedigenderem Weg entsprochen werden. Auch beim Arbeitsvertrag verbietet sich für die Lohnminderung ein Rückgriff auf das Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens, also des Verschuldens. Der Arbeitsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung im synallagmatischen Verhältnis stehen. Leistung und Gegenleistung stehen und fallen miteinander – auf die Frage des Verschuldens kommt es dafür nicht an. Dieser in § 326 Abs. 1 S. 1 BGB (§ 323 Abs. 1 BGB a. F.) normierte Grundsatz hat auch für das Arbeitsrecht seine Gültigkeit bewahrt. Unstreitig wird davon ausgegangen, daß das Prinzip „Ohne Arbeit kein Lohn“105 auch für die Fälle der zeitweisen, nicht nur unerheblichen Abwesenheit vom Arbeitsort gilt: „Weniger Arbeit“ führt also auch zu „weniger 102 Beuthien, ZfA 1972, 73, 74 ff. Beuthien geht bei seinen Ausführungen von der damals herrschenden Meinung aus, die eine Haftungsmilderung nur bei Schadensgeneigtheit der Tätigkeit zuließ(vgl. zur Änderung der Rechtsprechung des BAG Hanau/Rolfs, NJW 1994, 1439 ff.). Dieses Kriterium will er durch die Frage ersetzen, ob die Fehlleistung „arbeitstypisch“ war. Dem weitgehend folgend Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 196. Vgl. auch Erman/ Hanau, 10. Aufl., § 611 Rn. 408 (a. E.), ders./Adomeit, Arbeitsrecht, 12. Auflage, Rn. 691 Fn. 26, der im Falle von vorsätzlicher und grobfahrlässiger Schlechterfüllung eine Lohnminderung für angemessen hält. Dahin gehend auch Kauffmann, AuR 1963, 267, 268 ff.; Otto, Gutachten E 56. DJT, S. 76; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 94. Demgegenüber will MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 17 ff., ausdrücklich auch bei grobfahrlässiger Schlechtleistung eine Lohnminderung ausschließen. Dagegen auch Richardi, NZA 2002, 1004, 1011. 103 Vgl. die in § 6 Fn. 44 Genannten. Der „Minderwert der schlechten Arbeit“ stellt jedoch keinen Schaden dar, vgl. oben Zweiter Teil, § 5 II. 5. b), S. 382 f. 104 Kreller, AcP 125 (1926), 1, 49 ff. Dazu oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (d) (aa), S. 406. 105 Vgl. nur BAG (Urt. v. 17. 12. 1959) AP Nr. 21 zu § 616 BGB (unter B. IV); Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 165; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 220; MünchArb/ Blomeyer § 57 Rn. 28. Nunmehr auch Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 47 f. Kritisch Sommer, Die Nichterfüllung der Arbeitspfl icht, S. 242 ff., m. zahlreichen Nachw.

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Lohn“, § 326 Abs. 1, S. 1, 2. Halbs. BGB (§ 323 Abs. 1, 2. Halbs. BGB a. F.).106 Die Begrenzung dieser Minderungsmöglichkeit auf die Fallgruppen der fehlenden Teilleistung ist auch für den Arbeitsvertrag anzuerkennen; indes ist kein Grund ersichtlich, die Teilleistung tatbestandlich auf die Fälle der Abwesenheit vom Arbeitsort zu beschränken. Es ist verfehlt, den zu Recht eingeforderten Arbeitnehmerschutz über eine Manipulation der Rechtsfolgen erreichen zu wollen. Vielmehr bewirkt der Arbeitnehmer seinen Schutz durch sein vertragliches Versprechen selbst: Zum einen verspricht er nur eine Arbeitsleistung nach seinem eigenen objektiv-individuellen Leistungsvermögen. Dieses Leistungsvermögen muß er i.d.R. nur im „üblichen“ Maße zum Einsatz bringen, wobei auch das „untere Limit“ des Üblichen noch zu einer ordnungsgemäßen Leistung führt.107 Zudem bemißt sich seine Gesamtleistung nicht allein durch die Arbeitsleistung „an sich“, also das eigentliche, aufgabenbezogene Tätigwerden. Der Arbeitnehmer verspricht auch eine Unterwerfung unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers, d. h. er verspricht, dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen. Dieses Versprechen geht er nur ein, weil er dafür eine weitgehende Befreiung vom Erfolgs- und Wirtschaftsrisiko seiner Tätigkeit erhält.108 Der Arbeitgeber ist mit der Übernahme dieser Risiken einverstanden, weil das „Zur-Disposition-Stellen“ der Arbeitskraft für ihn einen wirtschaftlichen Vorteil und damit eine eigenständige Teilleistung darstellt. Eine Minderung führt daher, solange der Arbeitnehmer tatsächlich dem Arbeitgeber noch zur Verfügung stand, immer nur zu einem teilweisen Wegfall des zeitanteiligen Lohns. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Lohn nicht entfällt, wenn das Fehlen einer Teilleistung, also die Nichtgeeignetheit der Tätigkeit zur Erreichung einer Teilfunktion, auf Umstände aus der Risikosphäre des Arbeitgebers zurückzuführen ist (§§ 615, 326 Abs. 2 BGB). Da der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, bleibt der Lohnanspruch gem. § 615 BGB109 in voller Höhe erhalten, wenn die Nichterreichung der Teilfunktion darauf zurückzuführen ist, daß der Arbeitgeber ein fehlerhaftes Arbeitssubstrat (z. B. Arbeitsmaterial110 ) zur Verfügung stellte oder weil er Anweisungen gab, bei deren Befolgung die anzustrebende Teilfunktion nicht zu erreichen war. Zu einem derartigen „Substratversagen“ sind auch die Fälle zu zählen, in denen die Arbeitsorganisation insgesamt die Teilleistung unmöglich machte, etwa weil die Mitarbeit von anderen Arbeitnehmern notwendig war, diese jedoch nicht bereitstanden. Das Betriebsrisiko verwirklicht sich aber nicht nur im Falle fehlender „gleichrangiger“ Mitarbeit, sondern auch, wenn der Arbeitgeber selbst oder vorge106 107 108 109 110

Ähnlich Motzer, „Positive Vertragsverletzung“, S. 162 f. Oben Erster Teil, § 3 II. 3. b) (2) (c), S. 186 ff. Oben Erster Teil, § 2 II. 1. b) (4), S. 40 ff. Dazu oben Erster Teil, § 2 II. 2. c) (2) (c) (aa), S. 71 ff. So im Fall des LAG Düsseldorf (Urt. v. 28. 3. 1950) AP 51 Nr. 281.

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setzte Arbeitnehmer, die aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers die Erfüllung der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabe hätten überwachen und steuern sollen, fehlten oder nicht tätig wurden. Die Beweislast für das Fehlen von arbeitgeberseitigen Ursachen für die Nichterreichung der Teilfunktion sollte dabei gem. § 619a BGB analog der Arbeitgeber tragen. Insgesamt führt die Anwendung der hier vertretenen Grundsätze damit zu Ergebnissen, die auf der Skala der Ergebnisse anderer in Literatur und Rechtsprechung vertretener Ansätze eine mittlere Position einnehmen. Beispiel: 111 Bauunternehmer B gibt Baggerführer A die Weisung, an einem bestimmten Arbeitstag eine auf einem Plan eingezeichnete Grube auszuheben. A hebt die Grube an der falschen Stelle aus, weil a) er den Plan versehentlich falsch gelesen hat; b) er den Plan im Büro des B vergessen hat. Er glaubt irrig, sich an die Zeichnung erinnern zu können; c) er den Plan gar nicht versteht. Weil er dies jedoch nicht zugeben mag, wählt er selbst eine Stelle in der Hoffnung, es sei die richtige; d) er wütend auf B ist, der seinem Urlaubsverlangen nicht entsprochen hat. Teile des Schrifttums würden in allen Fällen zu einem vollständigen Wegfall des Lohnanspruchs für diesen Tag gelangen, weil die Arbeitsleistung des A eine aliud-Leistung und damit eine Nichtleistung sei.112 Die Teile der Literatur, die eine Kürzung des Lohns im Wege der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers erreichen, könnten unter Heranziehung der Grundsätze über die Haftungsmilderung zu dem differenzierenden Ergebnis kommen,113 daß im Fall a) wegen einfacher Fahrlässigkeit keine Kürzung erfolgt, im Fall b) bei mittlerer Fahrlässigkeit eine anteilige Kürzung möglich wäre, und im Fall c) und d) aufgrund von grober Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz der Lohn ganz entfiele. Nach hier vertretener Ansicht ist eine Lohnminderung wegen der fehlenden Teilleistung „Ausheben der Grube“ in allen Fällen möglich, allerdings ist nur im Fall d) der volle auf den Arbeitstag entfallende Lohn zu kürzen. In allen anderen Fällen hat A nämlich dadurch, daß er seine Arbeitskraft B zur Disposition stellte, mindestens eine Teilleistung erbracht. Es ist also in den Fällen a) bis c) nur eine anteilige Kürzung des auf den Arbeitstag entfallenden Lohns möglich.

Bei der Berechnung der Minderung ist gem. § 326 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BGB auf § 441 Abs. 3 BGB abzustellen. Dabei ist grundsätzlich der Zeitraum in den Blick zu nehmen, in welchem der Arbeitnehmer die übertragene Aufgabe nicht erfüllte. Es ist zu ermitteln, welchen objektiven Wert die Arbeitsleistung in diesem Zeitraum bei ordnungsgemäßer Tätigkeit gehabt hätte. Zur Ermittlung des wirklichen Werts der erbrachten Tätigkeit ist die fehlende Teilleistung hin111

Beispiel nach MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 8. Elster, DJZ 1910, 801, 802 f.; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; W. Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 68 f., 72 m. weiteren Beispielen; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 1927, S. 188; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 22; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119; MünchArb/Blomeyer § 58 Rn. 8, § 57 Rn. 49. 113 Vgl. die oben bei Fn. 102 hierfür Genannten. 112

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weg zu denken. Zu bewerten sind dann die verbleibenden während des Zeitraums vom Arbeitnehmer erbrachten Leistungen, wobei für die Bewertung zu unterstellen ist, daß diese Teilleistungen ordnungsgemäß waren.114 Neben der im Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft erbrachten Teilleistung sind alle weiteren Leistungen zu berücksichtigen, so in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer „gleichzeitig“ mehrere Aufgaben erledigen sollte, und er nur bei einer Aufgabe scheiterte. Bei der Bewertung dieser verbleibenden Leistungen kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers an, sondern auf den objektiven Verkehrswert, den die verbleibende Leistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehabt hätte. Der Richter ist in der Wahl des Wertermittlungsverfahrens frei.115 Es ist keineswegs gesagt, daß der Wert, der im Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft liegt, etwa dem hälftigen Wert der ordnungsgemäßen Arbeitsleistung entspricht. Dies kann durchaus variieren, vor allem danach, wie stark die Weisungsunterworfenheit im Einzelfall ist. Auch kann der Richter (nicht aber der Arbeitgeber!) gem. § 441 Abs. 3 S. 2 BGB, wenn notwendig, diesen Wert durch Schätzung ermitteln.

IV. Zurückbehaltung der Vergütung Wie oben dargelegt wurde,116 kommt beim selbständigen Dienstvertrag eine Zurückbehaltung der (gesamten) Vergütung gem. § 320 BGB (sowie der Nichteintritt der Fälligkeit gem. § 614 BGB) beim Dienstvertrag nur in Betracht, solange und soweit der Dienstverpflichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Daß der soziale Schutzzweck des Arbeitsrechts eine Besserstellung des Arbeitnehmers notwendig macht, wird auch von denjenigen, die für eine Anwendung des Zurückbehaltungsrechts im Falle einer Schlechtleistung eintreten, anerkannt. Eine Lohnzurückbehaltung bei schlecht erbrachter Arbeitsleistung sei daher abzulehnen.117 Darüber hinaus sollte die Zurückbehaltung des Lohnes gem. § 320 BGB selbst im Falle einer (mindestens) ausgebliebenen Teilleistung weiter eingeschränkt werden. § 320 BGB gewährt dem Gläubiger im Falle defizitär geleisteter Dienste ein – vorübergehendes – 114

Dazu oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. d) (3), S. 421 ff. Dazu oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. d) (3), S. 423. 116 Oben Zweiter Teil, § 5 IV., S. 424 ff. 117 MünchKomm/Emmerich, Bd. 2a, § 320 Rn. 12 (§ 242 BGB); Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 376 (ohne Begründung); Leßmann, FS E. Wolf, S. 395, 408 ff.; wohl auch W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 501 f.; Hartung, Schlechtleistung, S. 113 f.; Staudinger/Otto (2004) § 320 Rn. 30; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, 1960, S. 37. Für eine Anwendung des § 320 Abs. 1 BGB auch im Falle schlecht erbrachter Arbeitsleistung allerdings Zemlin, Die Haftung des Arbeitnehmers für fehlerhafte Arbeit, 1933, S. 17 ff., der dann aber dem Arbeitnehmer über § 320 Abs. 2 BGB entgegenkommen will. 115

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„Druckmittel“, mit welchem er vor allem auf die Erbringung des Nacherfüllungsanspruchs hinwirken kann. Der Arbeitgeber kann, soweit der Nacherfüllungsanspruch nicht untergegangen ist, den Lohn einbehalten und dadurch den Arbeitnehmer, der typischerweise auf den – regelmäßigen – Erhalt der vollen Vergütung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist, zur Nacharbeit drängen. Dies ist hinzunehmen, wenn das Ausbleiben einer Teilleistung offenbar und damit die Möglichkeit der – endgültigen – Minderung auch für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Fehlen einer inhaltlichen Teilfunktion, z. B. wegen Langsamarbeit oder Scheinarbeit, geltend macht, ist dies nicht immer gewährleistet. Aus diesem Grunde sollte in entsprechender Anwendung des § 619a BGB der Arbeitgeber stets die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Teilleistung auch im Rahmen der Entscheidung über die Zurückbehaltung des Lohns tragen; dies dürfte auch deshalb zumutbar sein, weil er bei der Entscheidung über die (endgültige) Lohnherabsetzung ebenfalls darlegungs- und beweisbelastet ist.118

118 Dagen wird die durch § 320 BGB mögliche „Umkehr der Beweislast“ zugunsten des Dienstberechtigten für den freien Dienstvertrag von W.-H. Roth, VersR 1979, 494, 497, und Hartung, Schlechtleistung, S. 116, gerade begrüßt.

Schluß Der Schuldinhalt des Dienstvertrages besteht in einer erfolgsgerichteten Tätigkeit, nicht in der Erfolgserreichung. Dem Tätigkeitsgläubiger, der – wie jeder Gläubiger – die Gegenleistung nur für eine bestimmte Zweckerreichung erbringen will, muß der Dienstvertrag damit als eine denkbar unattraktive Alternative erscheinen. Dennoch hat der Dienstvertrag, vor allem in seiner Ausprägung als Arbeitsvertrag, nach seiner praktischen Bedeutung dem Werkvertrag den Rang abgelaufen. Dies liegt nicht nur daran, daß viele von Tätigkeitsgläubigern angestrebte Erfolge sprachlich kaum faßbar sind oder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht feststehen. Es ist auch nicht allein ausschlaggebend, daß die Tätigkeitsschuldner bestimmte Erfolgsversprechen scheuen, weil ihnen die Möglichkeit der Erfolgsherbeiführung zu ungewiß erscheint. Die Erfolgsgeschichte des Dienstvertrages beruht vielmehr auch auf dem Umstand, daß der Dienstberechtigte ein alternatives Mittel der Interessensicherung hat, nämlich das Recht, auch noch nach Vertragsschluß die Leistungserbringung durch Kontrolle und Weisung zu steuern. Dieser im Pandektenrecht noch geläufige Aspekt trat mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu stark in den Hintergrund. Das Leistungssteuerungsrecht des Dienstberechtigten ist nicht allein ein Charakteristikum des Arbeitsvertrages. Zwar mag dieses Recht bei den unterschiedlichen Dienstvertragstypen verschieden stark ausgeprägt sein; in Teilbereichen wurde es durch eine Selbststeuerung der Dienstverpflichteten weitgehend abgelöst, und bisweilen mag es dem Dienstverpflichteten auch gelingen, sich der Steuerung sehr weitgehend zu entziehen. Diese Ausnahmefälle vermögen jedoch am Grundbild des Dienstvertrages als einem Vertrag der gesteuerten Leistungserbringung nichts zu ändern. Es wird daher vorgeschlagen, die Frage nach der vertraglichen Vereinbarung eines Leistungssteuerungsrechts als die spiegelbildliche Seite der Frage nach dem Vorliegen eines Erfolgsversprechens für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag heranzuziehen. Der Begriff „Leistungssteuerung“ ist ein Euphemismus. Kontrolliert und angewiesen wird nicht die Leistung, sondern der Mensch, der die Leistung erbringt. Der Dienstvertrag zeichnet sich durch die partielle Identität von Leistung und Leistendem aus. Dienstverträge sind damit Verträge, die die Ausübung von Macht über Menschen ermöglichen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man auch diese Besonderheit zu den wesentlichen Ursachen der Erfolgs-

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geschichte des Dienstvertrages zählt. Die Art und Weise der Machtausübung durch Dienstverträge, insbesondere durch Arbeitsverträge, ist von großer Bedeutung für die Bildung der Gesellschaftsstruktur.119 Vor allem aber ist sie von Bedeutung für den einzelnen Menschen. In dem berechtigten und unterstützenswerten Kampf gegen die Schatten des vergangenen Jahrhunderts, aber auch in dem anerkennenswerten Bestreben, z. B. die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts für den Dienst- und Arbeitsvertrag fruchtbar zu machen, sind – auch in jüngerer Zeit wieder – Stimmen gegen Rechtsfiguren wie das „Herrschaftsverhältnis“, das „arbeitsrechtliche Gemeinschaftsverhältnis“, gegen die Betonung von personalen oder personenrechtlichen Elementen im Arbeits- und Dienstvertrag laut geworden. Wenn man auch die jeweilige Zielrichtung solcher Äußerungen unterstützen möchte – die Reduktion des Dienst- oder Arbeitsvertrages auf seine Funktion im wirtschaftlichen Tauschverkehr verengt die Sichtweise und geht damit an der Komplexität des Phänomens vorbei. Das „personale Element“ des Dienstvertrages kommt an unterschiedlichen Stellen zum Tragen: Zunächst darf die Leistungssteuerung den Dienstverpflichteten nicht zum Objekt, zur Marionette des Dienstberechtigten machen. Auch dem Arbeitnehmer muß ein gewisser „weisungsfreier Eigenbereich“ bleiben; es ist dies der Rest an Freiheit, die jedem Dienstverpfl ichteten bei der Erfüllung dienstvertraglicher Verpflichtungen verbleibt. Hier kommt zugunsten des Dienstverpflichteten eine allgemeine Regel zum Tragen, die bei Verträgen über Sachleistungen in den Hintergrund tritt: Soweit die Unbestimmtheit der vertraglichen Vereinbarung reicht, ist der Schuldner frei, die Leistung nach eigenem, freien Belieben zu erbringen. Diese (Leistungs-)Konkretisierungsbefugnis spielt für den Dienstverpflichteten gerade im Bereich der Freien Berufe eine große Rolle. Nur aufgrund des „personalen Elements“ des Dienstvertrages wird ferner erklärbar, daß die Leistungssteuerung und die verschiedenen Substitute des Erfolgsversprechens, also die erfolgs- oder „leistungs“-abhängigen Vergütungssysteme, nur begrenzt kompatibel sind. Der Dienstverpfl ichtete, der weisungsgemäß, aber erfolglos tätig wurde, hat Arbeitskraft, d. h. vor allem Arbeits- und damit Lebenszeit, vergeblich geopfert. Die Vertragsfreiheit zieht der Risikobereitschaft des selbständigen Dienstverpflichteten im Grundsatz keine Grenzen. Im Arbeitsrecht sind solche Risikoverlagerungen hingegen nur in engen Schranken möglich. Es wird vorgeschlagen, den Anteil einer vom Erfolg abhängigen Vergütung für Arbeitnehmer nur beschränkt auf 10% bis 30% des Gesamtlohns zuzulassen, je nachdem, wie weit der Arbeitnehmer den Erfolgseintritt steuern kann. 119 van der Ven, FS Nipperdey II, 2. Bd., S. 681, 685 m.w.Nachw., und bereits Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2 , S. 643.

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Schließlich und vor allem ist Bestrebungen eine Absage zu erteilen, die bei der Beurteilung der Ordnungsgemäßheit von Diensten auf die für Sachleistungsschulden entwickelten Maßstäbe zurückgreifen wollen. Dienst- und Arbeitsverpflichtung sollten nicht ohne Not in die für Sachleistungen entworfenen Schablonen, wie die Kategorien von Spezies- und Gattungsschuld, gepreßt werden. Die versprochenen Dienste sind an das sie ausführende Individuum gekoppelt, und sie nehmen daher an der Komplexität dieses Individuums teil. Als Phänomen in der Zeit unterliegen sie den für Menschen typischen kurz-, mittel- und langfristigen Schwankungen. Auch wenn der Dienstberechtigte nicht jedes Schwankungsrisiko hinnimmt: Sein Schutz kann in ausreichender Weise verwirklicht werden, indem im Einzelfall die Frage gestellt wird, welche berechtigten Erwartungen er aufgrund des Vertragsschlusses und dessen Umstände an die Dienste haben durfte. Im Arbeitsrecht mißt die Rechtsprechung der Ermittlung der berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers tendenziell zu wenig Gewicht bei. Es wird daher vorgeschlagen, den Dienstverpflichteten an den Einsatz seines sog. objektiv-individuellen Leistungsvermögens zu binden. In welchem Maße der Dienstverpflichtete zum Einsatz dieses Leistungsvermögens verpflichtet ist, läßt sich nicht für alle Dienstvertragsarten einheitlich entscheiden; es bleibt dies eine Frage der normativen Vertragsauslegung. Für den Arbeitsvertrag sollte in der Regel der übliche Einsatz des objektiv-individuellen Leistungsvermögens genügen. Die Grenze zwischen ordnungsgemäßen und nicht mehr ordnungsgemäßen Diensten mag nicht leicht zu ziehen sein: Befindet man sich jedoch einmal auf der Seite der Nicht-Ordnungsgemäßheit, sind zur Ermittlung der sich an die Pflichtverletzung knüpfenden Rechtsfolgen weitere Grenzziehungen notwendig. Für das Dienstvertragsrecht wird bislang nur vereinzelt gesehen, daß das sog. modernisierte Schuldrecht für fast alle relevanten Rechtsfolgen die Entscheidung fordert, ob die nicht ordnungsgemäße Leistung eine Nichtleistung, eine nicht vertragsgemäße – also eine Schlechtleistung – oder eine Teilleistung ist. Und ganz zutreffend wird aus der Existenz einer von der Teilleistung zu scheidenden Kategorie der Schlechtleistung gefolgert, daß auch Teilleistungen nicht oder schlecht (oder ihrerseits nur teilweise) erbracht werden können. Diese feinen Unterscheidungen mögen für Sachleistungsschulden von geringerer Bedeutung sein, zumal häufig für die entsprechenden Vertragstypen spezielle Rechtsfolgenanordnungen getroffen sind. Für den Dienstvertrag sieht sich der Rechtsanwender hingegen größtenteils auf das allgemeine Schuldrecht zurückgeworfen. Es kommt hinzu, daß die Teilleistung im Dienstvertragsrecht aufgrund der Tatsache, daß sich die Dienste auch in der Dimension der Zeit definieren, durchaus kein Ausnahmefall ist. Schließlich kann aber nicht jede Leistungsanstrengung als Teilleistung angesehen werden; hier wird von sog. Restleistungen gesprochen. Geht man nun davon aus, daß sich jede defizitäre Dienstleistung in x-fache ordnungsgemäß, schlecht oder nicht erbrachte Teil-

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oder Restleistungen zerlegen ließe, drängt sich vor allem ein Postulat für die Zuordnung der Rechtsfolgen auf: Vereinfachung! Und in der Tat läßt auch das modernisierte Schuldrecht einige Vereinfachungen zu. Zunächst ist aber noch auf den Tatbestand zu schauen: Für die Abgrenzung zwischen Nicht-, Schlecht- und Teilleistung ist – wie auch das Gesetz bei anderen Vertragstypen zeigt – in der Sache der Zweck entscheidend, den der Gläubiger mit der Leistung verfolgt. Ein (begriffl iches) Abstellen auf den Zweck ist für den Dienstvertrag allerdings gefährlich: Schon immer und bis heute besteht eine Neigung, die Leistung eines Dienstverpfl ichteten an dem von ihm erreichten Arbeitsergebnis zu messen. Doch schuldet der Dienstverpflichtete dieses Arbeitsergebnis und damit die „Zweckerreichung“ gar nicht. Daher wird hier vorgeschlagen, auf die Funktion abzustellen, die der Dienstberechtigte mit der geschuldeten Tätigkeit verfolgt. Demnach liegt eine Nichtleistung vor, wenn die erbrachte Tätigkeit nicht mehr geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugedachte Funktion zu erfüllen (sog. funktionaler Nichtleistungsbegriff). Dabei ist ganz gleich, ob es sich bei der erbrachten Tätigkeit um ein aliud, eine „unbrauchbare“ Leistung oder um eine sog. reine Nichtleistung handelt. Die Dienste sind nicht mehr vertragsgemäß, also schlecht erbracht, wenn sie zwar nicht mehr als ordnungsgemäß gelten können, aber andererseits die Tätigkeit noch geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Von besonderer Bedeutung für den Dienstvertrag ist weiter die Frage, wann eine Teilleistung vorliegt. Es gibt Fälle, in denen der Dienstberechtigte mit der Tätigkeit einen einheitlichen Leistungszweck verfolgt. Dann scheidet eine Teilleistung von vornherein aus. In der Regel aber läßt sich die (Gesamt-)Funktion der Tätigkeit in einzelne, oft zeitliche Teilfunktionen zerlegen. Dabei ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB, daß eine Teilleistung nur anzunehmen ist, wenn die defizitäre Leistung an sich für den Gläubiger einen wirklichen Vorteil darstellt, d. h. sie muß für den Dienstberechtigten eine sog. eigenständige Teilfunktion erfüllen (sog. funktionaler Teilleistungsbegriff). Die Teilfunktion muß klar definier- und abgrenzbar sein, und die Erfüllung der Teilfunktion muß isoliert betrachtet für den Gläubiger einen Nutzen bringen. Die Teilleistung kann nun ordnungsgemäß erbracht sein; ist sie es nicht, kann aber mit der erbrachten Tätigkeit die Teilfunktion noch erreicht werden, liegt eine sog. Teilschlechtleistung vor. Umgekehrt betrachtet kann das Defizit einer Leistung auch in einer ausgebliebenen Teilleistung bestehen, nämlich dann, wenn der Dienstberechtigte mit der erbrachten Leistung eine eigenständige Teilfunktion nicht erreichen kann. Nun zu den Rechtsfolgen: Für die wichtigsten Rechtsfolgen (Minderung, Rücktritt, Schadensersatz statt der Leistung) differenziert das „modernisierte“ Schuldrecht dem klaren Wortlaut der Normen nach zwischen Teilleistung und Schlechtleistung (§§ 326 Abs. 1, 325 Abs. 5, 281 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Für die

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Rechtsfolgen des Verzugs und der Zurückbehaltung der Gegenleistung gibt der Wortlaut eine solche Differenzierung nicht vor. Grundlegend für das hiesige Verständnis dienstvertraglicher Leistungsstörungen ist die klare Trennung zwischen den unmittelbar das dienstvertragliche Synallagma betreffenden Rechtsfolgen und der Rechtsfolge des Schadensersatzes statt der (ganzen) Leistung. Verlangt der Dienstberechtigte Schadensersatz statt der ganzen Leistung, kommt es maßgeblich auf das „Haben“ an, d. h. auf die Art und den Umfang der erbrachten Leistung. Demgegenüber ist für die unmittelbaren Auswirkungen einer synallagmatischen Störung nach dem „Soll“ zu fragen. Entscheidend ist also die Art und der Umfang des Leistungsdefizits. Die Rechtsfolge des Schadensersatzes statt der (ganzen) Leistung ist zwar für den Dienstvertrag von geringerer praktischer Relevanz. Sie muß dennoch Ausgangspunkt der Überlegungen sein, da das Gesetz nur an dieser Stelle hinreichend eindeutige Schlüsse auf den Tatbestand zuläßt. Im Ergebnis sollte die Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung von den erschwerten Bedingungen des § 281 Abs. 1 S. 2 BGB abhängig sein, wenn der Dienstberechtigte mindestens eine Teilleistung erhalten hat. Hat der Dienstverpflichtete hingegen nur eine vollständige Schlechtleistung oder ein Teilschlechtleistung erbracht, kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung schon unter den erleichterten Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB verlangen. Dieses Auslegungsmodell läßt sich durchaus auf andere Vertragstypen (und in diesem Zusammenhang auf die Voraussetzungen des Totalrücktritts gem. § 323 Abs. 5 BGB) übertragen. Auch für den Dienstberechtigten erweist sich allerdings die Möglichkeit, Schadensersatz statt der ganzen Leistung (Vorhaltekosten, Kosten eines Deckungsgeschäfts, entgangener Gewinn usw.) geltend zu machen, im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast als durchaus vorteilhaft. Blickt man nun auf die andere Seite der unmittelbaren Auswirkungen synallagmatischer Störungen, lassen sich dem Gesetz kaum noch Vorgaben entnehmen. Abzustellen ist nun auf das Defizit der erbrachten Leistung. Ob und inwieweit eine entsprechende Rechtsfolge gewährt werden kann, entscheidet sich nach der Art und dem Umfang dieses Defizits. Dies ist für den Anspruch auf Nacherfüllung offensichtlich. Für den Dienstvertrag wie für den Arbeitsvertrag sollte gelten, was nunmehr im Grundsatz für alle Schuldverträge gilt: Der Anspruch auf Nacherfüllung besteht hinsichtlich jedes Leistungsdefizits. Auch wenn der Dienstverpflichtete eine Schlechtleistung erbracht hat, kann der Dienstberechtigte „Nacharbeit“ verlangen. Der Anspruch auf Nacherfüllung findet sein Ende erst, indem er erlischt. Für den Dienstvertrag kommt es dafür vorrangig auf § 615 BGB an. § 615 BGB wird nach zutreffender, mittlerweile wohl überwiegender Literaturansicht als grundlegende Regelung über die Tragung der Substratsgefahr angesehen. Sie

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greift für alle Fälle defizitär erbrachter Dienste, und sie ist nach hier vertretener Ansicht sowohl auf sog. absolute Fixschuldgeschäfte wie auf nachholbare Dienstverpflichtungen anwendbar. Im übrigen erlischt der Nacherfüllungsanspruch automatisch oder nach Einrede gem. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB sowie nach § 635 Abs. 2 BGB analog. Die Auslegung der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts geschaffenen Tatbestände des § 275 BGB wird der Forschung noch auf längere Zeit ein reiches Betätigungsfeld bieten. Für den Dienstvertrag ist für die zutreffende Auslegung des § 275 Abs. 1 BGB vor der vorschnellen Qualifizierung einer dienstvertraglichen Verpflichtung als sog. absolute Fixschuld zu warnen. Es wird weder der vertraglichen Vereinbarung im Einzelfall gerecht, noch unterstützt es klare dogmatische Grenzziehungen, den Anspruch auf Nacharbeit untergehen zu lassen, um ihm dann mit dem Vehikel des Schadensersatzes im Wege der Naturalrestitution erneut zum Leben zu verhelfen. Für die anderen Rechtsfolgen einer Leistungsstörung (Minderung und Zurückbehaltung, auch Verzug) gilt eine einfache Grundregel: Sie sind dann zulässig, wenn das Leistungsdefizit mindestens in einer Teilleistung besteht. Die Rechtsfolge des Verzugs (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) besteht im Ersatz für Verzögerungsschäden. Es ist freilich einzuräumen, daß es sich bei der Gewährung von Schadensersatz wegen Verzögerung nicht um die unmittelbaren Auswirkungen einer synallagmatischen Störung handelt. Dennoch gilt die genannte Grundregel auch hier. Dies beruht auf den besonderen Rechtsfolgen des Verzugs. Der (Teil-)Verzug sollte nur eintreten, wenn die Nichterbringung eines Anteils der Leistung für beide Vertragsparteien – typisierend betrachtet – offensichtlich ist. Dies ist z. B. bei vollständig, aber schlecht erbrachten Diensten in der Regel nicht der Fall. Demgegenüber wird das Fehlen einer Teilleistung, d. h. die Tatsache, daß der Dienstberechtigte mit den erbrachten Diensten eine eigenständige Teilfunktion nicht erreichen kann, beiden Vertragsparteien deutlich vor Augen treten. Im Ergebnis gibt es auch nach der Änderung des Schuldrechts also weiterhin einen Teilverzug. Er setzt eine Verzögerung mit mindestens einer Teilleistung voraus. Insbesondere für die Zurückbehaltung und für die Minderung der Vergütung sollte auf das Fehlen einer Teilleistung abgestellt werden. Daß auf diese Weise ein Einklang zwischen diesen Rechtsfolgen und dem Verzug hergestellt wird, erweist sich im Hinblick auf das Postulat rechtlicher Vereinfachung als vorteilhaft. Die (vorläufige) Zurückbehaltung und die (endgültige) Minderung der Vergütung sind nur und nur insoweit zulässig, als der Dienstverpfl ichtete mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Dieses Ergebnis scheint der ganz überwiegenden Lehre und Praxis im Dienstvertrags- und im Arbeitsvertragsrecht zur Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu entsprechen. Dieser Schein trügt jedoch.

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Zunächst ist gleichwohl einzuräumen, daß die zur alten Rechtslage gegen eine Vergütungsminderung bei Schlechtleistung vorgebrachten Argumente im Kern viel Wahres enthielten. Wenn allerdings aus den neu geschaffenen Normen, maßgeblich aus § 326 Abs. 1 S. 2 BGB, ein Verbot der Minderung bei schlecht erbrachten Diensten gefolgert wird, ist dem entgegen zu treten. Das geänderte Schuldrecht gewährt neben der Minderung ipso iure gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB bei Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs gem. § 275 BGB die Möglichkeit der Minderung durch Teilrücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB für den Fall des weiterbestehenden Nacherfüllungsanspruchs. Auch wenn der Rücktritt neben der Kündigung im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht grundsätzlich keinen Platz hat, muß er als sog. Minderungsrücktritt zumindest in allen Fällen möglich sein, in denen es zu einer automatischen Minderung nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB käme, d. h. nach hier vertretener Ansicht, wenn der Dienstverpflichte eine vollständige Nichtleistung erbringt oder er mindestens eine Teilleistung schuldig bleibt. Dagegen wäre im Falle der Schlechtleistung eine Minderung nur möglich, wenn man einen Rücktritt beschränkt auf das Leistungsdefizit, also die Negativ-Seite der Schlechterfüllung, zuließe. Das Gesetz macht insoweit keine zwingenden Vorgaben, und dies erlaubt es, der Frage nach der Minderung bei Schlechtleistung nach Sinn und Zweck auf den Grund zu gehen. Für die Minderung spricht in erster Linie das konditionelle Synallagma, das im Dienst- wie im Arbeitsvertrag Gültigkeit beansprucht und dem daher – soweit wie möglich – zum Durchbruch zu verhelfen ist. Im Falle vollständig oder teilweise schlecht erbrachter Dienste ist die Umsetzung dieses Postulats nicht möglich, denn die Höhe der Minderung läßt sich – bei typisierender Betrachtung – nicht oder doch so gut wie nicht ermitteln. Dabei fallen die Schwierigkeiten in der Bestimmung eines „Marktpreises“ für fehlerhafte, nunmehr in der Vergangenheit liegende Tätigkeiten weniger ins Gewicht. Entscheidend sind zwei weitere Aspekte, die freilich miteinander verwoben sind. Der erste Aspekt betrifft die Tragung der Substratsgefahr. Eine Minderung der Vergütung muß ausscheiden, soweit das Leistungsdefizit auf einen Umstand von Seiten des Gläubigers zurückzuführen ist. Auch hier fi ndet § 615 BGB Anwendung. Es geht nicht um das Vertretenmüssen; es geht darum, welche Ursache zu dem Leistungsdefizit führte. Bei Sachleistungsschulden wird die Suche nach der Ursache des Leistungsdefizits meist verhältnismäßig leicht fallen; bei Werken fällt sie schon schwerer. Der Dienstvertrag ist aber ein Vertrag, bei welchem in aller Regel der Dienstberechtigte (oder seine Substrate) und der Dienstverpflichtete (oder seine Substrate) zusammenwirken. Die Grundannahme, daß allein der Dienstverpflichtete „die Tätigkeit erbringt“, beschreibt zwar rechtlich zutreffend den Schuldinhalt. Tatsächlich aber wird regelmäßig auch der Dienstberechtigte tätig. Die Suche nach der Ursache für die Schlechtleistung ist also eine Suche nach den Ursachen, die von der Gläubi-

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ger- oder der Schuldnerseite stammen können. Es ist zudem eine Suche, die sich an vergangenen Handlungen und Umständen orientiert, welche zum JetztZeitpunkt kaum noch rekonstruierbar sind. Außerdem kommt nicht jeder Ursache dasselbe Gewicht zu. Für die Bemessung der Minderung müßten also die Ursachen zusätzlich in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden. Schon daraus resultiert, daß die Minderung wegen schlecht erbrachter Dienste in der Regel eine reine Schätzung wäre. Der zweite Aspekt betrifft den Charakter des Dienstvertrages als einem Vertrag der vom Gläubiger gesteuerten Leistungserbringung. Nach hier vertretenem Verständnis wirken im Dienstvertrag Gläubiger und Schuldner nicht nur zusammen, vielmehr ist es der Gläubiger, der dieses Zusammenwirken leitet. Der Dienstverpflichtete fungiert als der „verlängerte Arm“ des Dienstberechtigten; der Dienstberechtigte bleibt „der Kopf“ der Unternehmung. Bleibt nun die Tätigkeit des Dienstverpflichteten hinter dem vereinbarten Maß zurück, stellt sich nicht nur die Frage, ob der Dienstberechtigte selbst Ursachen für dieses Defizit gesetzt hat. Es ist auch zu fragen, ob nicht der Dienstberechtigte ihm obliegende Kontrollen und Anweisungen versäumt hat. Damit ginge es nicht nur um die Ermittlung und Gewichtung mitverursachenden Gläubigerhandelns, sondern auch um die Bewertung des Gläubigerunterlassens. Insgesamt erscheint es unter diesem Aspekt auch inhaltlich vertretbar, dem Dienstverpflichteten, der die Leistung nicht wie ein Werkunternehmer „nach eigener Regie“ ausführen kann, vor einer Herabsetzung der Vergütung zu bewahren, wenn die Leistung das versprochene Maß doch nicht erreicht. Die Grenze dieser zulässigen „Schonung“ des Dienstverpfl ichteten ist erreicht, wenn den erbrachten Diensten eine Teilleistung, also nach hier vertretenem Verständnis ein „wirklicher Vorteil“ für den Dienstberechtigten fehlt. Mit der Definition der Teilleistung als Anteil der Dienste, mit welchen der Dienstberechtigte eine klar abgrenzbare, eigenständige Teilfunktion erreichen kann, soll an ein Leistungsdefizit angeknüpft werden, für welches sich die genannten Schwierigkeiten bei der Berechung der Minderung typischerweise weniger stellen. Eine Teilleistung liegt meist vor, wenn die geschuldete Leistungsdauer unterschritten wird. Die Teilbarkeit in der Zeit ist aber nicht das Ende der Bestimmung von Teilleistungen, es ist der Anfang. Wer die Nichterbringung einer Teilleistung und damit die Minderung auf die zeitweise nicht erbrachten Dienste beschränkt, privilegiert in einem schwer erträglichen Maße die erfolgsbezogenen Dienstverträge, d. h. vor allem die Freien Berufe, bei welchen sich der Tätigkeitsschuldner erst gar nicht zu einer bestimmten Leistungsdauer verpflichtet. Der Wert einer Dienstleistung bemißt sich nicht nur – oft sogar überhaupt nicht – anhand des Indikators „Zeit“. Ein abgrenzbarer „Wertanteil“ läßt sich nur anhand der unterschiedlichen vom Dienstberechtigten verfolgten Zwecke ermitteln. Der entscheidende Vorteil des sog. funktionalen Teilleistungsbegriffs liegt darin, daß sich Teilleistungen „aufgabenbe-

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zogen“ abspalten lassen, so daß eine Herabsetzung der Vergütung für nicht oder unbrauchbar erledigte Aufgaben auch im Rahmen erfolgsbezogener Dienstverträge möglich wird. Freilich ist der funktionale Teilleistungsbegriff nicht auf erfolgsbezogene Dienstverträge zu beschränken. Auch für den Arbeitsvertrag wirkt es sich aus, wenn eine ausgebliebene Teilleistung daran festgemacht werden kann, daß der Arbeitnehmer ihm übertragene Aufgaben nicht oder unbrauchbar erfüllt. Der funktionale Teilleistungsbegriff führt aber im Vergleich zur derzeit herrschenden Ansicht nicht nur zu einer möglichen Schlechterstellung des Arbeitnehmers in bezug auf die Minderung. Vielmehr kommt der funktionale Teilleistungsbegriff dem Arbeitnehmer auch zugute, wenn man anerkennt, daß eine zentrale Aufgabe des Arbeitnehmers darin besteht, während der Arbeitszeit dem Arbeitgeber „zur Verfügung“, also zum jeweiligen Arbeitseinsatz bereit zu stehen. Das bedeutet, daß der Arbeitnehmer immer schon dann (mindestens) eine Teilleistung erbringt, wenn er arbeitsfähig und -willig am vereinbarten Ort erscheint. Diese Teilleistung schützt ihn im Falle einer Pflichtverletzung weitgehend davor, Schadensersatz statt der ganzen Leistung zahlen zu müssen. Sie führt ferner dazu, daß im Falle unterbliebener oder unbrauchbarer Aufgabenerledigung eine Zurückbehaltung oder Minderung der Vergütung niemals die volle, zeitanteilige Lohnhöhe erreichen kann. Insgesamt wird auf diesem Wege eine vermittelnde Lösung erreicht. Vermittelt wird zwischen Mindermeinung und herrschender Ansicht, zwischen den gerechtigkeitsgetriebenen Anforderungen des konditionalen Synallagmas und dem praktisch Machbaren bzw. dem Dienstverpfl ichteten Zumutbaren. Daß der Dienstberechtigte die volle Vergütung auch für eine „Unterwirkung“ bezahlen muß, erklärte Lotmar120 in der Hauptsache damit, daß es auch im Falle der „Überwirkung“ nicht zu einer Aufstockung der vereinbarten Vergütung komme. Darin liegt der richtige Kern: Wegen der Unbestimmtheit der versprochenen Leistung erwirbt der Dienstberechtigte Risiko und Chance. Der Jurist kennt nur die Fälle des verwirklichten Risikos; die Besserleistung gelangt niemals vor den Richter. Will man die Unterwirkung sanktionieren, muß man Maßstäbe benennen und Kontrollen einführen. Zu bemessen und zu kontrollieren ist dabei die menschliche Tätigkeit, also der Mensch selbst. Menschlich ist es auch, daß sich durch solche Maßnahmen, die Chancen des Dienstberechtigten auf eine Besserleistung ganz erheblich vermindern. Letztlich ist also die Wahl zu treffen zwischen dem (generalisierten) Vertrauen in menschliche Leistung oder der Kontrolle menschlicher Leistung. Die vorliegende Arbeit versteht sich als Plädoyer für die erste Option.

120 Lotmar, Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 40 ff. Vgl. dazu oben Zweiter Teil, § 5 III. 3. c) (2) (b), S. 396.

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Sachregister absolute Fixschuld 72, 141, 351, 357, 368, 449 aliud 88 ff., 210 ff., 215 f., 221, 224 ff., 237 ff., 422, 432 ff., 440, 443 Akkord 50, 68 f. Annahmeverzug 71 ff., 352 Arbeitsbereitschaft 25 f., 181, 433 ff. Arbeitsbummelei 267, 445 Arbeitsvertrag 40 ff., 52 ff., 429 ff. Arbeitsverweigerung 171, 445 f. Berufshaftung 347 beschränkte Störung 9 Bestimmtheitserfordernis 100, 106 ff., 117, 121 f. Betriebsrisikolehre 72 ff. bewegliches System 186 Dauerschuldverhältnis 47 f., 100 ff., 259 Dienste, Charakteristika der Leistung 258 ff. Dienstmiete 14, 30, 83, 116 Dienstvertrag – erfolgsbezogen 46, 49 ff., 81 f., 209 f., 218 ff., 240, 273 ff., 308, 345, 416 ff., 422, 424 – Entstehungsgeschichte 13 ff., 71 ff., 96, 102 ff., 134 ff., 139, 145, 388 f., 413, 426 – zeitbezogener 46, 47 ff., 65, 82 f., 209, 218 ff., 227, 233, 264 ff., 308, 316, 321, 334, 344 ff., 395, 416 ff., 422 f., 431 Differenztheorie 376 Doppelstatus 58 f. Doppelwirkungen im Recht 351, 369 Durchschnittsleistung 152 ff., 160 ff., 189 ff. Eigenschaften der Tätigkeit 220 ff., 237 ff. Entgangene Dienste 380 f. erfolgsabhängige Vergütung 18, 50 ff., 75 ff., 80 ff. Erfolgsrisiko 37, 44 ff., 56, 61 ff., 75 ff.

erfolgsgerichteter Vertrag 44 ff., 226 Erfolgsversprechen 23 ff., 52 ff., 62, 80 ff., Erfüllung 10 ff., 120 ff., 217 ff., 340, 380, 396 – durch nicht ordnungsgemäße Dienste 85 ff. – Beweislast (§ 363 BGB) 89 Ermessen 99, 108, 110 ff., 114 ff., 130 f. Falschleistung, siehe aliud Fixschuld 24, 117 ff., 122 ff., 350 ff., 449 f. Freie Berufe 14, 32 f., 37 ff., 43, 82, 116 f.,164, 179 ff., 275, 411 f., 416 ff. Funktion der Tätigkeit 228 ff. funktionaler Nichtleistungsbegriff 226 ff. funktionaler Teilleistungsbegriff 261 ff. Gattungsschuld 134 ff., 354 Gefahrtragung 18, 71 ff., 137 ff., 142, 351 f., 408 „gegriffene Größe“ 66 Gemeinschaftsverhältnis 102 ff. Geschäftsbesorgungsvertrag 49 f., 116 f. Gewinnbeteiligung 50 ff., 66 ff. Grenzlosigkeitsschluß 239 Höchstpersönlichkeit 136, 141, 302, 354 Kompetenzgefälle 179 ff. Konkretisierungsbefugnis, siehe Leistungskonkretisierungsbefugnis Kündigung 138, 144, 171, 190 f., 397 ff., 453 Langsamarbeit 267, 445 ff. Leistung – Durchschnittsleistung, siehe Normalleistung – individuelle, siehe Leistungsvermögen – mittlere Art und Güte (§ 234 Abs. 1 BGB) 134 ff., 199 f. – übliche 186 ff. – subjektiv-optimale 149 f.

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Sachregister

– Normalleistung 150 ff. Leistungsbestimmung – Auslegung des Leistungsversprechens 157 ff. – de lege ferenda 148 ff – durch Gesetz 133 ff. – im Dienstvertrag 96 ff. – im Arbeitsvertrag 122 ff. – zunehmende Konkretisierung 231, 433 Leistungsfähigkeit, siehe Leistungsvermögen Leistungserfolg 10 ff. Leistungsinhalt 96 ff., 172 f., 220 ff., 237 ff., siehe weiter Leistungsbestimmung – Begriffe 97 Leistungskonkretisierungsbefugnis 111 ff., 145 ff., 175 ff., siehe weiter Leistungsbestimmung Leistungsort 218 ff., 231 f. Leistungsrahmen 77, 96 ff., 118, 122, 199 Leistungssubstrat 27, 64, 71 ff., 178 f., 218 ff., 227, 283 Leistungsvermögen 149 ff., 160 ff., 194 f., 197 ff., 446, 456 – Einsatz 169 ff., 186 ff. – individuelles 161 ff. – objektiv-individuelles 162 ff. – Schwankungen 165 f. Leistungsversprechen 4, 157, 157 ff., 166 ff. Leistungsverweigerung 359 f., 362, 364 f., 365 ff. Leistungswille 170 ff., 197, 213 f., 445 f. Leistungszeit 46 f., 142, 220, 232 ff., 264 ff., 318 ff., 356 f., 379, 404 f. Leistungszweck, siehe Zweck Lieferung einer zu geringen Menge 205 f., 211 Mankohaftung 67 f., 441 Mehrfachstörung 294, 319, 336 Minderung 383 ff. – kraft Gesetzes 391 ff., 413 ff. – durch Teilrücktritt 393 ff., 420 ff., 454 ff. – automatische 416 ff., 454 ff. – und Vertretenmüssen 93, 407, 454 ff. Minderwert der Arbeitsleistung 382 ff.

Nacharbeit 377 f., 450 Nacherfüllung 92 ff., 329 ff., 348 ff., 388 ff., 393 f., 398, 400, 420 f., 425 ff., 435 f., 449 ff., 458 f. Naturalrestitution 377 ff., 465 Nebenpfl ichten 7 nicht ordnungsgemäße Dienste 6 ff., 85 f., siehe Schlecht-, Teil und Nichtleistung nicht vertragsgemäße Dienste 9, siehe Schlechtleistung nicht vollständige Dienste 9 Nichterfüllung, Nichtleistung 6 ff., 86 ff., 205 ff., 226 ff., 348, 408, 431 – Abgrenzung von Schlechtleistung 215 ff. – funktionaler Nichtleistungsbegriff 226 ff. – vollständige 215 ff. – teilweise 241 ff. Normalleistung 150 ff., 189 ff. Ordnungsgemäßheit der Dienste 6 ff., 45, 95 ff., 462 „Passive Resistenz“ 267, 445 ff. Persönlichkeitsrecht des Dienstverpfl ichteten 114 ff., 128 ff., 167, 177 f. Prämienlohn 50 ff., 68 ff. Provision 50 ff., 53 ff., 63 f., 69 f., 75 ff. Pfl ichtverletzung 6 ff. „Prinzip der Einzelbetrachtung“ 294, 319 Relational contracts theory 100 ff. Restleistung 249 f., 285 ff., 288 ff., 307, 313, 316, 335, 338 Rücktritt 300 f., 374 ff., 390, 393, 369 ff. Schadensersatz 300 ff., 371 ff., 452 ff. – Haftung 4, 156, 168 f., 171 ff., siehe auch Mankohaftung – statt der Leistung 371 ff., 373 ff. – statt der ganzen Leistung 371 ff., 452 ff. Scheinarbeit 215, 435 f., 444 Schlechterfüllung, Schlechtleistung 6 ff., 85 ff., 204 ff., 347 ff., 430 ff., 449 ff. – Abgrenzung von Nichterfüllung 215 ff. – Notwendigkeit der Abgrenzung von Teilleistung 205 f. – Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 204 f., 384 ff. Sorgfaltsmaßstab 156, 171 f.

Sachregister

Souveränitätseinbuße 35 ff., 42, 176, 177 Speziesschuld 90, 113, 137 ff., 355 f., 462 Standesrecht 37 ff., 134, 182 ff. Steuerungsrecht 23 ff., 42, 65 f., 410 ff., 460 ff. Stückschuld, siehe Speziesschuld subjektiv optimale Leistung 149 ff. Synallagma 2, 53 ff., 157, 347 ff., 371 ff., 382 f., 384 ff., 417 ff., 460 ff. Teil, Begriff 9, 245 Teilbarkeit der Leistung 242 ff., 416 – technische, natürliche, tatsächliche 243 ff. – im Rechtssinne 246 ff. – nach dem Parteiwillen 246 ff. – bei zeitbezogenen Dienstverträgen 264 ff. – bei erfolgsbezogenen Dienstverträgen 273 ff. – von Diensten 258 ff. – zeitliche 259 ff. Teilleistung 6 ff., 86 ff., 204 ff., 241 ff., 318 ff., 385 f., 392, 395, 398 ff., 413 f., 414 ff., 433 ff., 438 ff., 450 ff. – funktionaler Teilleistungsbegriff 248 ff., 261 f. – Notwendigkeit der Abgrenzung von Schlechtleistung 205 f. – Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 204 f., 384 ff. Teilrücktritt 389, 393 ff., 420 ff., 466 ff., Teilschlechtleistung 208 ff., 261, 277 ff., 288 ff., 303, 312 ff., 341, 421 f., 463 – isolierte 281 ff., 287 f. – integrierte 284 ff. Teil-Teilleistungen 307 ff. Totalrechte 260 f., 294 ff., 300 f, 305 ff., 314 ff., 342

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Übernahmeverschulden 163, 168 f. Überwirkung 396, 468 Üblichkeit 186 ff., 446 Unmöglichkeit 72 ff., 250 f., 350 ff., 354 ff., 384 ff., 431, 438 ff., 450 – vorübergehende 355 ff., 366 f. Unterlassen 11 f. Unternehmerische Risiken 41 f., 56, 59, 61, 64, 78 f., 176 Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 3 BGB) 131, 363 ff., 367 f., 396 Vergeblicher Aufwand eigener Arbeitskraft 65 Vergleichbarkeit 139 ff., 153 Vergütung 53 ff., 383 ff., 424 ff., 454 ff. Vergütungsgefahr 57, 64 f., 71 ff., 350, 368 Vertragszweck, siehe Zweck Vertragsbruch 432 Vertretenmüssen 227 f., 263, 328 ff., 347, 362, 364, 369, 407, 454 f. Verzug 142, 232 ff., 268, 271 f., 320 ff., 342 ff., 366 f., 384 f., 400, 464, 465 verzögerte (verspätete) Leistung, siehe Verzug vorzeitige Leistung 232 ff., 236, 318 ff. Weisungsbefugnis, – recht 24 f., 28, 32 f., 52 ff., 69 ff., 80, 83, 118 f., 123 ff., 174 f., 187 f., 197 f., siehe auch Steuerungsrecht weisungsfreier Eigenbereich 127 ff., 176, 461 Werkvertrag 10 f., 13 ff., 205 f., 334, 410, 460 Zeitliche Dimension 259 ff. Zielvereinbarung 51, 62 f. Zweck 23 ff., 40, 43 ff., 108 ff., 159, 174 ff., 197, 223 ff., 228 ff., 246 ff., 315 ff., 358