Strukturbildung und Simulation technischer Systeme: Band 2, Teil 2: Elektrische und mechanische Dynamik [1. Aufl.] 978-3-662-48267-4;978-3-662-48268-1

Strukturbildung ist Modellbildung. Durch Strukturen können technische Systeme wie mit einem Teststand simuliert, dimensi

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Strukturbildung und Simulation technischer Systeme: Band 2, Teil 2: Elektrische und mechanische Dynamik [1. Aufl.]
 978-3-662-48267-4;978-3-662-48268-1

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Front Matter ....Pages I-XIV
Elektrische Dynamik - Teil 2 (Axel Rossmann)....Pages 1-360
Mechanische Dynamik (Axel Rossmann)....Pages 361-609
Back Matter ....Pages 610-629

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Axel Rossmann

Strukturbildung und Simulation technischer Systeme Band 2, Teil 2: Elektrische und mechanische Dynamik

Strukturbildung und Simulation technischer Systeme

Axel Rossmann

Strukturbildung und Simulation technischer Systeme Band 2, Teil 2: Elektrische und mechanische Dynamik

Axel Rossmann Hamburg, Deutschland

ISBN 978-3-662-48267-4 https://doi.org/10.1007/978-3-662-48268-1

ISBN 978-3-662-48268-1 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort zu allen Bänden Das Thema dieser Reihe ist die

‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ Durch Simulation werden Systemeigenschaften durch Daten und Kennlinien bestimmt (z.B. Dämpfung und Resonanzfrequenz). Das ermöglicht ihre Dimensionierung gemäß den Forderungen der Anwendung. Durch Simulation werden auch die Daten ermittelt, die zum Bau von Systemen und zur Beschaffung ihrer Komponenten bekannt sein müssen. Bei den Systemanalysen werden die Beziehungen zwischen den Bauelementen eines Systems (Massen, Federn, Dämpfer – Induktivitäten, Kondensatoren, Widerstände) graphisch dargestellt (Strukturbildung = Modellbildung). Durch die Strukturen lassen sich alle Fragen zur Funktion eines Systems wie mit einem Teststand beantworten. Simuliert werden elektrische, magnetische, mechanische, hydropneumatische und beliebig gemischte Systeme. Durch ihre Kennlinien werden sie wie durch reale Messungen verstanden. Reale Systeme sind viel zu komplex, um sie ohne Rechnerunterstützung analysieren zu können. Dazu ist Strukturbildung unbedingt erforderlich. Das Hauptanliegen des Autors ist, dem Leser zu zeigen, wie die Strukturen realer Systeme gebildet werden. Das soll ihn in den Stand versetzen, eigene Systeme zu simulieren. Dazu dienen zuerst die Grundlagen mit einfacheren Anwendungen und danach eine Vielzahl realer Beispiele. Strukturen lassen sich durch alle gängigen Simulationsprogramme berechnen. Der Autor verwendet SimApp, denn es ist einfach zu erlernen, leistungsfähig und preiswert. In Bd.1/7, Kap. 1.1 finden Sie eine Schnellanleitung zu SimApp. Eine Beschreibung von SimApp finden Sie unter http://www.simapp.com/simulation-software-description.php?lang=de Eine Kurzfassung der Gesamtausgabe der ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ finden Sie unter folgendem Link: http://strukturbildung-simulation.de/ Sie heißt Simulation ohne Ballast, Grundlagen und Anwendungen für Ingenieure und Studenten Falls Sie selbst über Erfahrungen zu den behandelten Themen verfügen, würde sich der Autor über Rückmeldungen freuen. Für alle Hinweise auf Fehler, Kritik und Verbesserungsvorschläge bin ich meinen Lesern dankbar. Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich bei diesem Projekt unterstützt haben, insbesondere meiner Frau Gudrun Likus als Lektorin und den Firmen, deren Abbildungen und technische Daten ich benutzen durfte. Axel Rossmann

Hamburg, im Mai 2017

V

VI

Zur Nomenklatur Konstanten erhalten wenn möglich große Buchstaben, z.B. der elektrische Widerstand R. Arbeitspunktabhängige Konstanten erhalten kleine Buchstaben, z.B. der differenzielle Diodenwiderstand r.AK. Signale erhalten, wenn es nicht anders üblich ist, auch kleine Buchstaben, z.B. der elektrische Strom i. Ausnahmen: Die konstante Masse heißt traditionsgemäß klein m. Das Drehmoment, eine Variable (=Signal), heißt dagegen groß M. Schreibweisen von Zahlenwerten  dezimal: 123456,789 – ist scheinbar genau, aber unübersichtlich  exponentiell: 123,456789·10Exp  123E(exp)ist übersichtlich und mit an die Mess-praxis angepasster Genauigkeit. Die dritte Ziffer hat eine Unsicherheit von höchstens 1%.  Abkürzung für den exponentiellen Faktor ist E=10 Exp (Abb. 0-0-1).

Zahlenwert 3

Exp 6

Einheit

Messgröße

10 x

Abb. 0-0-1 Simulation einer Messgröße, bestehend aus Zahlenwert und Einheit

Den Grundeinheiten (m, s, kg, N, V, A) werden Abkürzungen werden vorangestellt (Tab. 0-0-1). So ist z.B. die Kraft N/1000=1mN. Dagegen ist 1Nm ein Drehmoment. Tab. 0-0-1 Abkürzungen für Zehnerpotenzen

Abkürzungen und Einheiten Verwendet werden die allgemein üblichen Abkürzungen, z.B. M für Drehmomente, n für Drehzahlen, U oder u für Spannungen, I oder i für Ströme und f für Frequenzen Für spezielle Fälle werden sie entsprechend indiziert, z.B. die Resonanzfrequenz ist f.0 oder f.Res. Größen, die individuell verschieden sein können, sind als ‚ind‘ bezeichnet.

VII

Tab. 0- 0-2 Die Kurzzeichen von Messgrößen und Parametern und ihre Einheiten Abkürzg   , phi α=dΩ/dt   λ .me .el δ δ   Ω=Om ω=om

Einheit 1 °C rad∙, ° rad/s² ppm 1 m kg/m³ Ω∙m 1/s mm Ω∙m N/m² rad/s 1/s

Größe Winkel Temperatur Winkel Winkelbeschleunigung Dehnung Änderung Wellenlänge mech. Dichte Spez. el. Widerstand Abklingrate Eindringtiefe Spez. el. Widerst. Mech. Spannung Winkelgeschwind. Kreisfrequenz

γ ϕ ψ A B C DT d dT F.ind h H lit i i.Nen k.F k.R L L l

1/s Vs Vs ind T=Vs/A F=As/V ind/K

MSV n om=ω

Magnet. Spann.-Verhältnis Upm Drehzahl rad/s Kreisfrequenz

Dämpfgsgeschwind. Windungsfluss phi Spulenfluss psi Amplitude Flussdichte Elektr. Kapazität Temp.-Durchgriff Kleine Änderung K Temperaturänderung ind Absoluter Fehler m Höhe A/m Magn. Feldstärke dm³ Liter A Elektrischer Strom A Nennstrom N/m Federkonstante Ns/m Reibungskonstante Nm∙s Drehimpuls H=Vs/A Induktivität m Länge

Abkürzg ppm=10-6 ppk=‰ P p p ppm om Om Vol/t q Q RÜ R r S SQR t T T TE TK Tol T.el U; u V Vol/t WL=λ

Einheit

Größe millionstel tausendstel W Leistung Pa, bar Druck Ns Impuls ppm=10-6 1/s Kreisfrequenz 1/s Drehzahl lit/s Volumenstrom As Ladung Q=1/2d Spulengüte RÜ=Q Resonanzüberhöhg. Ω Elektr. Widerstand Ω Nichtlin. Widerst. μW/m² Intensität Quadratwurzel s Zeit s Zeitkonstante °C Absolute Temperatur Thermoelement ppm/K Temperaturkoeff. % Toleranz s Elektr. Zeitkonstante V Elektr. Spannung Verstärkung lit/s Volumenstrom m Wellenlänge entspricht geometrische Add. rad = Bogen/Radius in m/m=1 – von Radiant = Radius=Strahl

Vorwort zu Band 2 Im ersten Teil von Bd. 2 der ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ wurde die Dynamik elektrischer Systeme behandelt (z.B. Transformatoren, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung HGÜ). Dabei lag der Schwerpunkt auf der anschaulichen, aber nur schwer zu berechnenden Darstellung im Zeitbereich. Der zweite Band behandelt die Zeit- und Frequenzabhängigkeit elektrischer und mechanischer Systeme. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der zunächst weniger anschaulichen, aber leichter zu berechnenden Darstellung im Frequenzbereich. Der Frequenzbereich wird in Kap. 3.13 erklärt und dann in Kap. 3.13.1 auf elektrische Systeme angewendet (u.a. Richtfunk, Rauschfilter). Die dynamische Analyse mechanischer Systeme in Kap. 4 bildet den Hauptteil und Schluss dieser dynamischen Analyse technischer Systeme. Behandelt werden u.a. ein Rauschfilter, ein Transmissionsantrieb, der Kreisel und die Berechnung von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Axel Rossmann

Hamburg, im Mai 2018

Anmerkungen zu Band 2, Teil 2 In Bd. 1/7 wurden lineare elektrische Systeme im anschaulichen Zeitbereich simuliert. Die darin vorgestellten Berechnungsmethoden sollen nun schwerpunktmäßig auf lineare und nichtlineare Systeme angewendet werden. Dazu wird die hochauflösende Frequenzgangmethode verwendet. Sie ist – im Gegensatz zu den anschaulichen Messungen im Zeitbereich – fast beliebig genau. In den folgenden Bänden werden die hier vermittelten Grundlagen auf diese Themen angewendet:  Magnetismus in Bd. 3/7  Elektromotoren und Transformatoren in Bd. 4/7  Halbleiter in Bd. 5/7  optische Sensoren, akustische Sensoren und Aktoren in Bd. 6/7,  hydropneumatische Verstärker in Bd. 7/7 und  thermodynamische Systeme (Kühlschränke, Wärmepumpen) auch in Bd. 7/7 Das hier praktizierte Verfahren der Strukturbildung stammt ursprünglich aus der Regelungstechnik. Die Professoren Oppelt (* 5. Juni 1912 † 4. Oktober 1999) und Föllinger (* 10. Oktober 1924 † 18. Januar 1999) gehörten zu den ersten, die es konsequent angewendet haben. Ich habe es in der ‚Simulierten Regelungstechnik‘ ausführlich, praxisnah und verständlich dargestellt (d.h. ohne höhere Mathematik), zu finden auf meiner Webseite: http://strukturbildung-simulation.de/index.php

IX

Inhaltsverzeichnis VORWORT ZU ALLEN BÄNDEN ............................................................................. V VORWORT ZU BAND 2 ............................................................................................. IX INHALTSVERZEICHNIS ........................................................................................... XI 1

ELEKTRISCHE DYNAMIK – TEIL 2 ............................................................... 1

1.1 Vom Zeit- zum Frequenzbereich.......................................................................... 2 1.1.1 Der Sinus als Testfunktion .................................................................................. 9 1.1.2 Frequenzgänge .................................................................................................. 12 1.1.3 Fourieranalyse und -synthese ........................................................................... 14 1.1.4 Die Laplace-Transformation ............................................................................. 18 1.1.5 Komplexe Rechnung ........................................................................................ 24 1.2 Das Bode-Diagramm ........................................................................................... 30 1.2.1 Die Basisoperationen P I D im Bode-Diagramm ............................................. 32 1.2.2 Messung von Frequenzgängen.......................................................................... 40 1.2.3 Frequenzgang und Sprungantwort (Ersatztransformation) ............................... 46 1.2.4 Graphisches Rechnen im Bode-Diagramm ....................................................... 49 1.2.5 Normalisierte Frequenzgänge ........................................................................... 52 1.2.6 Optimale Dynamik im Frequenzbereich ........................................................... 62 1.2.7 Dynamische Entflechtung ................................................................................. 64 1.2.8 Zusammenfassung: Bode-Diagramme .............................................................. 75 1.3 Elektrische Systeme im Frequenzbereich ......................................................... 76 1.3.1 Filterschaltungen .............................................................................................. 76 1.3.2 Tiefpässe 1. Ordnung (Verzögerungen) ............................................................ 82 1.3.3 Hochpässe 1. Ordnung (Vorhalte) .................................................................... 89 1.3.4 Bandpass, Bandsperre (Notchfliter) und Allpass ............................................. 93 1.3.5 Allpass 1. Ordnung ......................................................................................... 100 1.3.6 Verzögerungen höherer Ordnung ................................................................... 103 1.3.7 Strom- und Spannungsresonanzen ................................................................. 110 1.3.8 L-C-R-Tiefpass (P-T2-System) ...................................................................... 116 1.3.9 L-C-R- Hochpass (D2-T2-System) ................................................................ 124 1.3.10 L-C-R-Bandpass (D-T2-System) .......................................................... 127 1.3.11 Spule mit Wicklungswiderstand und -kapazität .................................. 133#

XI

XII

1.4 Antennensimulation .......................................................................................... 138 1.4.1 Die Grundlagen zur Antennenberechnung...................................................... 140 1.4.1.1 Sendefrequenzen und Wellenlängen ..................................................... 144 1.4.1.2 Amplituden- und Frequenzmodulation ................................................. 146 1.4.1.3 Elektrische und magnetische Feldstärken ............................................. 148 1.4.1.4 Wellenwiderstände ................................................................................ 154 1.4.1.5 Koaxial- und BNC-Kabel ..................................................................... 158 1.4.1.6 Die Fußpunktwiderstände von Antennen ............................................. 161 1.4.1.7 Impedanzanpassung .............................................................................. 163 1.4.1.8 Leistung, Wirkungsgrad und Bandbreite ............................................. 167 1.4.1.9 Elektrische Antennenverlängerung und -verkürzung ............................ 171 1.4.2 Die Theorie zur Antennenberechnung ............................................................ 176 1.4.2.1 Feldstärken und Strahlungsintensität (Pointingvektor) ......................... 178 1.4.2.2 Strahlungsdiagramm und Wirkfläche .................................................... 182 1.4.2.3 Gewinn und Richtempfindlichkeit ........................................................ 185 1.4.2.4 Bandbreite und Rauschabstand ............................................................. 194 1.4.3 Antennenberechnung ...................................................................................... 202 1.4.3.1 Dipolantennen ....................................................................................... 203 1.4.3.2 UKW-Rahmenantenne .......................................................................... 214 1.4.3.3 Eine DCF 77 Ferritantenne .................................................................. 219 1.4.4 Hochleistungsantennen ................................................................................... 222 1.4.5 Eine Richtfunkstrecke ..................................................................................... 240 1.5 Simulation nichtlinearer Frequenzgänge ........................................................ 247 1.5.1 Elektrische Frequenzgänge im Zeitbereich ..................................................... 249 1.5.1.1 Reihenschaltungen, reell berechnet ....................................................... 249 1.5.1.2 Parallelschaltungen, reell berechnet ...................................................... 253 1.5.1.3 Resonanzkreise im Zeit- und Frequenzbereich ..................................... 256 1.5.2 Rauschfilter ..................................................................................................... 269 1.5.3 Ferritperlen (GHz-Filter) ................................................................................ 277 1.5.3.1 Analyse von Ferritperlen ....................................................................... 285 1.5.3.2 Die Ersatzschaltung einer Ferritperle .................................................... 293 1.5.3.3 Skineffekt und Eindringtiefe ................................................................. 301 1.5.3.4 Simulation von Ferritkernspulen ........................................................... 308 1.5.3.5 Skineffekt und Skinwiderstand ............................................................. 328 1.5.3.6 Simulation von Ferritperlen .................................................................. 335

XIII

2

MECHANISCHE DYNAMIK ......................................................................... 361

2.1 Translation ......................................................................................................... 363 2.1.1 Energie und Materie ....................................................................................... 365 2.1.2 Kinetik und Kinematik ................................................................................... 370 2.1.3 Kraft und Impuls ............................................................................................. 376 2.1.4 Potentielle Energie und mechanische Arbeit .................................................. 378 2.1.5 Kinetische Energie .......................................................................................... 382 2.1.6 Arbeit und Leistung ....................................................................................... 384 2.1.7 Mechanische Reibung und Erwärmung .......................................................... 387 2.1.8 Der mechanische Wirkungsgrad ..................................................................... 394 2.2 Dynamische Analyse mechanischer Systeme .................................................. 398 2.2.1 Federn (Speicher potentieller Energie) ........................................................... 399 2.2.2 Massen (Speicher kinetischer Energie) ........................................................... 402 2.2.3 Dämpfer (Energieverbraucher) ....................................................................... 405 2.2.4 Mechanische Serien- und Parallelanordnungen .............................................. 407 2.2.5 Mechanische Frequenzgänge .......................................................................... 412 2.2.6 Feder mit Dämpfer (statischer Speicher) ........................................................ 417 2.2.7 Dämpfer mit Masse (dynamischer Speicher) .................................................. 420 2.2.8 Translations-Oszillator ................................................................................... 423 2.3 Trägheitsnavigation........................................................................................... 430 2.3.1 Inertiale Wegmessung .................................................................................... 431 2.3.2 Inertiale Geschwindigkeitsmessung ............................................................... 435 2.3.3 Navigationsfehler ............................................................................................ 442 2.4 Rotation .............................................................................................................. 447 2.4.1 Kräfte und Drehmomente ............................................................................... 448 2.4.2 Rotations-Massen, -Federn und –Dämpfer ..................................................... 452 2.4.3 Rotationsoszillatoren (Drehschwinger) .......................................................... 454 2.4.4 Transmissionsantrieb ...................................................................................... 457 2.4.5 Dynamische Entflechtung ............................................................................... 465 2.5 Kreisel ................................................................................................................. 471 2.5.1 Der Kreiselspin H ........................................................................................... 477 2.5.2 Der freie Kreisel (Lagekreisel) ....................................................................... 482 2.5.3 Der Wendekreisel ........................................................................................... 488 2.5.3.1 Messung inertialer Winkelgeschwindigkeiten ..................................... 490 2.5.3.2 Die Frequenzgänge eines Wendekreisels .............................................. 495 2.5.4 Der Kreiselkompass ........................................................................................ 503 2.5.4.1 Aufbau und Funktion des Kreiselkompasses ........................................ 504 2.5.4.2 Simulation des Kreiselkompasses ......................................................... 515

XIV

2.6 Kfz-Simulation ................................................................................................... 523 2.6.3 Verbrennungsmotoren (V-Motoren) .............................................................. 523 2.6.3.1 Vergleich von V- und E-Motoren ........................................................ 527 2.6.3.2 Getriebeuntersetzungen ......................................................................... 535 2.6.3.3 Antriebsleistung und Wirkungsgrad ...................................................... 539 2.6.3.4 Drehmoment und Motorleistung (messtechnisch) ................................ 544 2.6.3.5 Reibungswiderstände ............................................................................ 548 2.6.4 Antriebsalternativen ........................................................................................ 553 2.6.4.1 Kfz-Verbrauchsermittlung (praktisch) .................................................. 554 2.6.4.2 Welche Benzinsorte sollte man tanken? ................................................ 558 2.6.5 Hubkolbenmotoren ......................................................................................... 561 2.6.5.1 Zylinder, Kolben und Kurbel (HKV, PKV, KKV) ............................... 566 2.6.5.2 Drehmoment und Motorleistung (physikalisch) .................................... 577 2.6.6 Kfz-Verbrauchsberechnung ............................................................................ 586 2.6.7 Das Betriebsverhalten eines Kfz .................................................................... 599

Elektrische Dynamik - Teil 1 Im ersten Teil der ‚Simulierten Dynamik‘ wurden elektrische Systeme im Zeitbereich behandelt. Testsignal ist ein Einschaltvorgang. Die Sprungantworten sind zwar anschaulich, aber nur in einfachen Fällen zu leicht berechnen.

1. Systemanalyse 2. Magnetische Induktion 3. Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) 4. Elektromagnetismus 5. Ferromagnetische Kerne 6. Spulendimensionierung 7. Wechselstrom 8. Spulen für Wechselströme 9. Spulen ohne ferromagnetischen Kern (Luftspulen) 10. Spulen mit ferromagnetischem Kern ohne Luftspalt 11. Spulen mit ferromagnetischem Kern und Luftspalt 12. Elektrische Systeme im Zeitbereich Teil 1 der ‚Simulierten Dynamik‘ endet mit der Simulation elektrischer Systeme im Zeitbereich. In den folgenden Abschnitten wird das Wichtigste aus diesen Abschnitten, da wo es gebraucht wird, kurz wiederholt. Dieser zweite Teil simuliert elektrische und mechanische Systeme im Frequenzbereich. Testsignal ist eine Sinusschwingung. Es wird gezeigt, dass nicht nur lineare, sondern auch nichtlineare Systeme im Frequenzbereich berechenbar sind.

1 Elektrische Dynamik – Teil 2 Dieser zweite Teil beginnt mit dem letzten Kapitel von Teil 1. Es erklärt den Frequenzbereich, der im nächsten Kapitel ‚4 Mechanische Dynamik‘ und in allen folgenden Bänden dieser Reihe ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ zur Systemanalyse gebraucht wird.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 A. Rossmann, Strukturbildung und Simulation technischer Systeme, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48268-1_1

1

2

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.1

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

Dynamische Systeme können als Funktion der Zeit oder der Frequenz berechnet und dargestellt werden (Abb. 1-1). Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile. Wenn man sie kennt, kann man Systemanalysen mit geringstem Aufwand und größter Anschaulichkeit durchführen. Einschaltvorgang (Schritt=Sprung) x.e(t) H 1

Zeitbereich Sprung

Frequenzbereich Sinus

Sprungantwort f(t)

x.e(f)

Testfrequenz f/Hz

f

Frequenzgang F(j )

Abb. 1-1 Tests eines dynamischen Systems mit Energiespeichern und -verbrauchern im Zeit- und Frequenzbereich

Zum Zeitbereich Bisher haben wir Systeme mit Energiespeichern (Verzögerung, Vorhalt) und -verbrauchern im Zeitbereich untersucht. Die gebräuchlichsten Testfunktionen sind Rampe und Sprung:  Die Rampe dient zum Test der (statischen) Linearität.  Der Sprung dient zum Test von Schnelligkeit und Stabilität. Ein Einschaltvorgang erzeugt eine Sprungantwort (Abb. 1-3):  Bei starker Reibung verläuft sie kriechend.  Bei geringer Reibung verläuft sie frei schwingend. Die Vorteile des Zeitbereichs:  Der Zeitbereich ist anschaulich (e-Funktionen, freie Oszillationen).  Die Sprungantworten zeigen die statischen und dynamischen Eigenschaften der Systeme sofort: kriechendes oder schwingendes Verhalten. Die Nachteile des Zeitbereichs:  Im Zeitbereich ändert sich die Signalform bei Differenzierung und Integration. Das macht die Berechnung schwierig.  Weil sich die Signalform außer bei reiner Proportionalität (Kennzeichen: linear und unverzögert) ändert (e-Funktionen, Schwingungsfunktionen), ist der Zeitbereich viel schwerer zu berechnen und zu interpretieren als der Frequenzbereich. Berechnungen im Zeitbereich sind, außer bei Systemen 1. Ordnung, so schwierig, dass sie allenfalls für Mathematiker interessant sind. Im Zeitbereich sind Differenzialgleichungen (Dgl‘s) durch Integration zu lösen (das ist höhere Mathematik). Dgl‘s werden umso komplizierter, je mehr Speicher ein System hat (je höher seine Ordnung ist). Kompliziertheit der Berechnungen ist oft das Kennzeichen für ungeeignete Verfahren. Gezeigt werden soll, dass entsprechende (komplexe) Berechnungen im Frequenzbereich wesentlich einfacher als im Zeitbereich sind.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

3

Beispiel: Verzögerungen Dynamische Systeme werden durch ihre Zeitkonstanten T beschrieben. Abb. 1-2 zeigt elektrische Verzögerungen 1. und 2. Ordnung. Abb. 1-3 zeigt die Sprungantworten dazu.

verlustreich

verlustarm

Abb. 1-2 links: RC-Verzögerung 1. Ordnung – rechts: LC-Verzögerung 2. Ordnung

Wenn es auf Schnelligkeit ankommt, sind Verzögerungen unerwünscht. In Regelkreisen erzeugen sie Stabilitätsprobleme (Teil 1, Kap. 1.7.2). Wenn Signale geglättet werden sollen, dienen Verzögerungen zur Mittelwertbildung. Dann ist T an die benötigte Glättungszeitkonstante T.Gl anzupassen (T≈3∙T.Gl). Zeitkonstanten T beschreiben die Trägheit von Systemen quantitativ. Die Systemanalyse muss klären, wie T von den Bauelementen eines Systems abhängt. In elektrischen Systemen sind dies die Bauelemente 1. 2. 3.

der Widerstand R=ρ·l/A (Verbraucher, Bd. 1, Kap. 2.3) der Kondensator C=ε·A/d (statischer Speicher, Bd. 1, Kap. 2.4) die Induktivität L=μ·l/A (dynamischer Speicher, siehe Teil 1, Kap. 3.2.2)

Abb. 1-3 zeigt die Sprungantworten eines stark und eines schwach gedämpften Systems. Der Übergang zwischen beiden heißt ‚aperiodischer Grenzfall‘. Er ist bei Regelkreisen eine oft gewünschte Einstellung. Seine Dämpfung ist d=1. RC-Glied (Verzögerung 1. Ordnung): Große Zeitkonstanten C∙R sind einfach zu realisieren, aber verlustbehaftet. Deren Simulation wurde in Band 1, Kapitel 2, behandelt. zum L-C-R-Glied (Verzögerung 2. Ordnung): Die Glättung ist besser als die einer Verzögerung 1. Ordnung. Der Spulenwiderstand R bestimmt die Dämpfung und die Verluste. Sie sind geringer als die von RC-Gliedern. Ihre Simulation folgt unter 1.3.7.

P-T2 d=0,5 P-T1 PT2 Test =Schritt =Sprung

P-T2 d=2

H1

PT2

K 1 T 1 s d 0,5

PT1 PT1

K 1 T 1 s

Zeit t/s

Abb. 1-3 Simulierte Sprungantworten von Verzö-gerungen erster und zweiter Ordnung mit unter-schiedlichenDämpfungen

4

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zum Frequenzbereich Im Frequenzbereich ist das Testsignal eine Sinusschwingung. Die sinusförmige Ansteuerung mit steigender Frequenz erzeugt phasenverschobene erzwungene Schwingungen. Der Frequenzgang zeigt den Charakter des Systems, z.B:  

verzögernd oder vorhaltend (siehe Teil 1, Kap. 3.12.1) je nach Dämpfung keine oder ausgeprägte Resonanz (siehe Teil 1, Kap. 3.12.2).

In linearen Systemen, die im Frequenzbereich berechnet werden, sind alle internen und externen Signale auch sinusförmig. Deshalb sind keine Kurvenformen, sondern nur Frequenzgänge mit Amplitudenverhältnissen (Beträge) und Phasenverschiebungen zu berechnen. Das geht mit einfacher Mathematik. Das Verfahren heißt ’komplexe Rechnung‘. Wir erklären sie in Abschnitt 1.1.5. Sie wird mit steigendem Umfang des zu analysierenden Systems nur aufwändiger, aber nicht grundsätzlich komplizierter. Das kennzeichnet leistungsfähige Verfahren. Techniker benötigen Analyseverfahren, mit denen sie Systeme möglichst einfach dimensionieren können. Das leisten nur Berechnungen im Frequenzbereich (Abb. 1-4). Die Methode wird zuerst erklärt und auf Filter angewendet. Danach steht sie für Berechnungen in allen Bereichen der Physik und Technik zur Verfügung.

Abb. 1-4 Verbreiterung der Audiobandbreite durch Tief-, Mittel- und Hochton-Lautsprecher

Zur komplexen Rechnung: Unter 1.1.5 wird gezeigt, dass sich das Frequenzverhalten linearer Systeme komplex d.h. in einer Gleichung mit Betrag und Phasenverschiebung - berechnen lässt. Dadurch können dynamische Systeme analysiert und ihre Spektren nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden. Weil nichtlineare Systeme komplex nicht zu berechnen sind, wird in 1.5 ein Verfahren beschrieben, mit dem Frequenzgänge im Zeitbereich (der Nichtlinearitäten zulässt), berechnet werden können. Wie man Frequenzgänge misst, zeigen wir in Abschn. 1.2.2. Sie werden in BodeDiagrammen getrennt nach Betrag und Phase dargestellt. Das Bode-Diagramm wird in Abschn. 1.2 erklärt. Was bei Frequenzgängen zu beachten ist, zeigt das folgende Beispiel.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

5

Eine Schallübertragungsstrecke Als erstes Beispiel zur Anwendung des Frequenzbereichs betrachten wir mit Abb. 1-5 eine Schallübertragungsstecke aus Mikrofon, Verstärker und Lautsprecher. Die Aufgabe besteht darin, den Schall naturgetreu, aber mit geringstem Aufwand zu übertragen.

Schall-Quelle

Sensor

Verstärker

Empfänger

Aktor

Abb. 1-5 Eine Schallübertragungsstrecke wird am besten im Frequenzbereich beschrieben. Wie in Abb. 1-6 gezeigt, soll sie in im rotpunktierten Bereich proportional arbeiten. Die Frequenzgänge zeigen die Grenzfrequenzen der einzelnen Komponenten, deren Empfindlichkeit und - falls vorhanden – die Resonanzen.

In Abb. 1-6 sind die Amplitudengänge aller Komponenten von Abb. 1-5 von der Schallerzeugung bis zum Schallempfang dargestellt. Man erkennt, dass jede einzelne Komponente eine untere und eine obere Grenzfrequenz besitzt (f.1 und f.2). Die Frequenzgänge der Schallübertragungsstrecke Untereinander dargestellt sind die Amplitudengänge aller Komponenten von der Schallerzeugung bis zum Schallempfang. Man erkennt, dass jede einzelne Komponente eine untere und eine obere Grenzfrequenz besitzt (f1 und f.2). Das System ist dann richtig bemessen, wenn alle vom Empfänger wahrgenommenen Frequenzen mit gleichbleibender Stärke übertragen werden.

f1

Quelle

f2 f1

Mikrofon

f2

Verstärker f1

Das bedeutet, dass alle vom Sender erzeugten Frequenzen mit konstanter Amplitude (proportional) übertragen werden müssen.

f2 f1

Lautsprecher f2

Empfänger

Abb. 1-6 Die Frequenzgänge einer Schallübertragungsstrecke: Sie soll im rotpunktierten Bereich proportional arbeiten.

Wesentlich über die kleinste und größte erzeugte Frequenz hinaus gehende Grenzfrequenzen der Audiokomponenten haben keinen Nutzen. Sie verteuern nur die ganze Anlage. Grenzfrequenzen sollen durch Berechnung ermittelt und durch Messung der Frequenzgänge überprüft werden. Wie man das macht, zeigen wir unter 1.2.2.

6

Elektrische Dynamik – Teil 2

Frequenzgang und Spektrum Systeme mit Energiespeichern verarbeiten Signale in Abhängigkeit von deren Geschwindigkeit. Ihr Übertragungsfaktor, der statisch G=x.a/x.e genannt wurde, ist frequenzabhängig und heißt nun Frequenzgang F(jω). Er enthält eine Betragsaussage |F|() für die Amplitudenverhältnisse und eine Phasenaussage () für die Phasenverschiebung des Ausgangs gegen den Eingang.. Beide Aussagen zusammen nennt man ‚komplex‘. Komplexe Funktionen enthalten als Argument die imaginäre Frequenz jω. Ihr Betrag ist die Kreisfrequenz ω, der Vorsatz j kennzeichnet Phasenverschiebungen von 90° (Einzelheiten folgen unter 1.1.5 beim Thema ‚komplexe Rechnung‘). Zur Auswertung von Frequenzgängen Im Frequenzbereich ist der Sinus die Testfunktion. Wenn bei der Signalverarbeitung keine Verzerrungen auftreten, ist das System linear. Davon wird im Folgenden ausgegangen. Durch die Variation von f von kleinsten bis zu größten Frequenzen wird das SystemVerhalten quasistatisch (f → 0) und dynamisch (f → ) untersucht (Abb. 1-7). Eine feste Frequenz f entspricht dabei einer Zeit t=1/f bei einer Sprunganregung. Das bedeutet, dass die flüchtige Zeit t im Frequenzbereich an beliebiger Stelle angehalten werden kann. Dadurch entsteht die hohe Auflösung im Frequenzbereich.

Abb. 1-7 Die Amplituden eines verrauschten Signals: links im Zeitbereich, rechts im Frequenzbereich dargestellt. Die Berechnung des Antennenrauschens folgt in Abschn. 1.5.2.

Im Zeitbereich (Abb. 1-7, links) ist zu erkennen, dass das Rauschen aus einem niederfrequenten Anteil mit großen Amplituden und einem höherfrequenten Anteil mit kleinen Amplituden besteht. Technische Daten, die die Berechnung vor und nach einer Rauschunterdrückungsmaßnahme ermöglichen würden, sind hier nicht zu erkennen. Der Frequenzbereich (Abb. 1-7, rechts) zeigt das Spektrum des verrauschten Signals (im doppellogarithmischen Maßstab, der unter 1.2 ‚Bode-Diagramm‘ erklärt wird). In Abb. 1-7 ist Folgendes zu erkennen  die großen Amplituden des Nutzsignals bei tiefen Frequenzen und  die kleineren Amplituden des Rauschens bei hohen Frequenzen. In Abb. 1-7 ist auch der Übergangsbereich zwischen tiefen und hohen Frequenzen auszumachen. Das gestattet die Angabe von unteren und oberen Grenzfrequenzen für die Signalverarbeitung.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

7

Zur Systemanalyse Bei der Analyse linearer Systeme hat man zwei Alternativen: 1. im Zeitbereich und 2. im Frequenzbereich. Abb. 1-8 zeigt die Sprungantworten der Operationen proportional P, integral I und differential D im Zeitbereich: |F|=x.a/x.e proportional P |F|=x.a/x.e integral I |F|=x.a/x.e differenzial D

k.P

Sprungantwort: x.e=konstant

Impulsantwort x.e*T.D=konstant

x.a

x.e*T.D

Sprungantwort: x.e=konstant x.a(t)

x.a=k.P*x.e Zeit t T.I

Zeit t

x.a=T.D*dx.e/dt

T.D

Zeit t

Abb. 1-8 die P-I-D-Operationen im Zeitbereich, dargestellt im linearen Maßstab

Wie gezeigt, ist der Zeitbereich, außer in einfachsten Fällen, nur schwer oder gar nicht zu berechnen. Deshalb soll hier gezeigt werden, wie der Frequenzbereich (Testsignal Sinus mit frei wählbarer Frequenz) mittels komplexer Rechnung ohne höhere Mathematik analysierbar ist. Dass die Messung von Frequenzgängen messtechnisch wesentlich aufwändiger ist als die Messung von Sprungantworten, spielt bei Simulationen keine Rolle. Mit komplexer Rechnung lassen sich nur lineare und linearisierte Systeme berechnen. Diese Einschränkung werden wir im letzten Abschnitt 1.5 dieses Kapitels fallen lassen, wo am Beispiel einer Ferritperle gezeigt wird, wie die Frequenzgänge beliebiger linearer und nichtlinearer Systeme im Zeitbereich simuliert werden. Zeitkonstante und Grenzfrequenz Durch Berechnungen soll gezeigt werden, wie die Zeitkonstante T von den Bauelementen eines Systems abhängt (z.B. T=C∙R oder T=L/R). T bestimmt die Zeitskala einer Sprungantwort. Durch dynamische Systemanalysen werden die Frequenzgänge F von Systemen ermittelt. Die Grenzfrequenz f.g, bzw. die Grenzkreisfrequenz ω.g=2π∙f.g, bestimmt die Schnelligkeit von Systemen 1. Ordnung. Bei Systemen höherer Ordnung ist dies die Resonanzfrequenz ω.0. Deshalb interessiert der Zusammenhang zwischen T und ω.g. Je kleiner T, desto größer wird ω.g: ω.g=1/T. Abb. 1-10 symbolisiert die Umrechnung: T/s

berechnet:

Inverter

1

.g

Division 1 2

Berechnung von Grenz-Frequenzen

f.g

Darstellung im Bode-Diagramm

2*Pi 6,28

Abb. 1-9 Berechnung der Grenzkreisfrequenz .g und der Grenzfrequenz f.g eines Systems 1. Ordnung mit der Zeitkonstante T, die von den Bauelementen bestimmt wird

8

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zeitkonstante und Grenzfrequenz Kennt man T, ergibt sich daraus die Grenzkreisfrequenz .g=1/T (in rad/s) und daraus zuletzt die Grenzfrequenz f.g=.g/2 (in Hz=Perioden/s). f.g/Hz

gefordert:

1

2*Pi 6,28

Produkt

.g

Inverter

T

Realisierung durch R-C-L

Berechnung von Zeitkonstanten T

Abb. 1-10 Berechnung der Grenzkreisfrequenz .g und der Zeitkonstante T zu einer geforderten Grenzfrequenz f.g

Anwendungen des Frequenzbereichs  Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit EMV  Störfrequenzmessung bei hochfrequenten Geräten (Mikrowellen, Handy’s)  Frequenzgänge von Audiokomponenten und -anlagen (Mikrofone, Lautsprecher). Sie werden in Bd. 6/7, Kap 11 simuliert. Die hier an elektrischen Beispielen angewendeten Methoden (komplexe Rechnung, Bode-Diagramme) zur Analyse dynamischer Systeme im Frequenzbereich gelten ganz allgemein für alle linearen Systeme mit Energiespeichern (mechanisch, thermisch, optisch, akustisch, hydraulisch und pneumatisch). Deshalb gehören sie zu den Grundlagen der Dynamik. Simulationen im Frequenzbereich Bei allen Anwendungen, bei denen es auf Geschwindigkeit ankommt, interessiert nicht das Zeit-, sondern das Frequenzverhalten, z.B.  bei Übertragern (Band 4, Kapitel 7),  bei Quarzoszillatoren (Band 3, Kapitel 5.4),  bei Filtern für Lautsprechersysteme (bestehend aus Hoch-, Mittel- und Tieftöner – siehe Band 3, Kapitel 5.4). In diesen Fällen interessieren die Frequenzgänge, denn sie zeigen Grenz- und Resonanzfrequenzen.  Die Verzögerung heißt im Frequenzbereich ‚Tiefpass‘.  Der Vorhalt heißt im Frequenzbereich ‚Hochpass‘.  Durch die Kombination von Hoch- und Tiefpässen entstehen Bandpässe oder Bandsperren. Dafür werden nun Frequenzgänge berechnet und simuliert. Die Simulationen veranschaulichen das Zeit- und Frequenzverhalten, die Berechnungen klären die Zusammenhänge zwischen den Systemdaten (Verstärkung, Grenzfrequenz) und den Bauelementen der Systeme (hier R, C und L). Damit können die Bauelemente so dimensioniert werden, dass die geforderten Systemdaten entstehen.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

9

Ausblick Mit den in diesem Kapitel 1 untersuchten Systeme werden  elektrische Grundschaltungen durch ihre Frequenzgänge dynamisch analysiert,  Spulen für Gleich- und Wechselströme als Funktion von Nennspannungen, -strömen und -leistungen berechnet,  Antennen für hohe Frequenzen (MHz-Bereich) und Filter für höchste Frequenzen (GHz-Bereich) im Zeit- und im Frequenzbereich optimiert. Im anschließenden Kapitel 2 werden mit den gleichen Methoden mechanische Systeme (Transmission, Kreisel) analysiert und dimensioniert. Durch die hier propagierte Methode der Strukturbildung und Simulation verfügen Sie über einfache und leistungsfähige Verfahren zur statischen und dynamischen Analyse und Optimierung beliebiger linearer und nichtlinearer Systeme (auch hydropneumatische und thermodynamische in Bd. 7/7).

1.1.1

Der Sinus als Testfunktion

Durch sinusförmige Ansteuerung lassen sich die Eigenschaften schwingungsfähiger Systeme hochaufgelöst messen und besonders einfach berechnen. Abb. 1-12 zeigt die Simulation im Frequenzbereich, Abb. 1-11 zeigt die dazu erforderliche Parametereinstellung in SimApp.

Abb. 1-11 Sinusschwingungen: ein Oszillator in Resonanz – rechts: Parametereinstellungen für den Frequenzbereich

Die Methode zur Berechnung von Amplituden und Phasengängen heißt ‚komplex‘. Sie klärt die Zusammenhänge zwischen den Systemeigenschaften und seinen Bauelementen. Sie müssen zur Systemdimensionierung bekannt sein.

Frequenz Amplitude=1

2. Zeile mit Strg-Taste SinusFrequenz

ohmsches Gesetz

f Frequenzsonde i.R/A

u.R/V

Amplitude und Phase

P

K 2

R 5 Ohm

Abb. 1-12 zeigt die SimApp-Zeichnung der Parametereinstellung zu Abb. 1-11.

Wir behandeln die komplexe Rechnung in Abschnitt 1.1.5. Die Frequenzdarstellung erfolgt als Bode-Diagramm, d.h. getrennt nach Betrag und Phasenverschiebung über einer logarithmisch geteilten Frequenzachse.

10

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Betrag wird in dezi Bel (dB) angegeben. Welche Vorteile das Bode-Diagramm gegenüber dem linearen Maßstab hat, erfahren Sie in Abschnitt 1.2. Abb. 1-13 zeigt die Diagramme zu Abb. 1-12 im Zeit- und im Frequenzbereich: Bode-Diagramm

Amplitudengang

Frequenz f/Hz Phasengang

Abb. 1-13 links: eine Sinusschwingung mit stetig ansteigender Frequenz – rechts: das BodeDiagramm einer Proportionalität: Sie arbeitet frequenz- und zeitunabhängig.

Der Sinus im Zeit- und Frequenzbereich Im Frequenzbereich ist die Testfunktion eine Sinusschwingung (Abb. 1-14). Die Frequenz f in Hz bzw. die Kreisfrequenz ω=2π∙f in rad/s ist die unabhängige Variable. Amplitude=1

Zeit-Bereich: Periode Eigenzeit

1rad =57°

0 T.0

t.0

Zeit t

Frequenz-Bereich: Kreis-Frequenz Phase 0 1

Phase phi/rad

Abb. 1-14 die Zusammenhänge zwischen Frequenzbereich (links) und Zeitbereich (rechts): Die Sinusschwingung ist die Projektion eines mit der Drehzahl ω (genannt Kreisfrequenz) rotierenden Zeigers auf die Zeitachse.

Ziele sind die Messung und Berechnung von Frequenzgängen  Die Berechnungen sollen zeigen, wie die Daten eines Systems von seinen Bauelementen abhängen. Z.B. ist die Zeitkonstante eines RC-Gliedes T= R∙C.  Die Messungen sollen die Berechnungen kontrollieren. Messmittel sind das Oszilloskop oder ein Spektrumanalysator (→ Abschn. 1.1.3). Anwendungen des Frequenzbereichs: 1. Filter, z.B. Verzögerung = Tiefpass, Vorhalt = Hochpass, Bandpass = Hochpass ·Tiefpass (Hintereinanderausführung) 2. Trafos und Übertrager

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

11

Das Ziel der Systemanalyse ist die Berechnung von Frequenzgängen. Sie zeigen, wie die Bauelemente eines Systems seine Eigenschaften bestimmen, z.B. verzögernd oder vorhaltend, stark oder schwach gedämpft. Zur Systemanalyse im Frequenzbereich wird hier nur die komplexe Rechnung verwendet. Durch sie werden aus den Differenzialgleichungen des Zeitbereich s, die nur mit höherer Mathematik zu lösen sind, algebraische Gleichungen, für die einfache Mathematik ausreicht. Die Vorteile des Frequenzbereichs 1. In linearen Systemen bleibt die Sinusform erhalten. Das vereinfacht die Berechnung entscheidend, denn zu berechnen sind nur die Amplituden und Phasenverschiebungen als Funktion der Frequenz f in Hz (oder Kreisfrequenz =2f in rad/s). Das entsprechende Verfahren heißt ‚komplexe Rechnung‘ (Abschnitt 1.1.5). 2. In komplexer Darstellung werden verlustbehaftete Energiespeicher wie Widerstände oder Leitwerte behandelt und nach Real- und Imaginärteil ohne höhere Mathematik berechnet (Beispiele folgen auch unter 1.1.5). Durch Variation der Referenzfrequenz kann das Verhalten des Systems von langsamsten bis zu schnellsten Signalen im eingeschwungenen Zustand (quasistatisch) untersucht werden. Dadurch werden die Grenz- und Resonanzfrequenzen der Systeme erkannt.Zur Bestimmung des Simulationsbereichs muss eine Start- und eine Stoppfrequenz eingestellt werden. Das zeigt Abb. 1-15: Amplitude(t)

Amplitude(f)

Frequenz

f

Amplitude P

A.0 = 1

A.0

Zeit t

Oszillator

f 0 0,1 Hz A 1

Frequenz-Bereich Zeit-Bereich

Start

Frequenz f

Stopp

Abb. 1-15 Im Zeitbereich können beliebige Signale dargestellt werden. Das ist sehr anschaulich, aber meist schwer zu berechnen. Im Frequenzbereich werden nur sinusförmige Signale dargestellt. Das ist bedeutend leichter zu berechnen und zu interpretieren.

Abb. 1-16 zeigt die Überlagerung von Sinusschwingungen im Zeit- und Frequenzbereich:

Abb. 1-16 Grundwelle und Oberwellen: links im Zeitbereich , rechts im Frequenzbereich

12

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Nachteile des Frequenzbereichs 1. Messungen und Simulationen im Frequenzbereich sind zunächst weniger anschaulich als im Zeitbereich. Deshalb müssen die Zusammenhänge gezeigt werden. Das wird hier in Abschnitt 1.1.4 beim Thema ‚Laplace-Transformation‘ geschehen. 2. Die Messung von Frequenzgängen ist viel aufwändiger als die von Sprungantworten. Bei Simulationen spielt dieser Aspekt natürlich keine Rolle. In dieser ‚Strukturbildung …‘ werden wir Systeme im Zeitbereich und Frequenzbereich simulieren, aber nur im Frequenzbereich komplex berechnen. Außerdem werden wir unter der Überschrift ‚Frequenzgang und Sprungantwort‘ zeigen, wie der Zusammenhang zwischen beiden Bereichen zumindest näherungsweise hergestellt werden kann. So werden die Vorteile beider Bereiche genutzt.

1.1.2

Frequenzgänge

Immer wenn es auf Geschwindigkeit ankommt, wird das Systemverhalten als Funktion der Frequenz f (unabhängige Variable) für sinusförmige Anregung als Funktion für konstante Eingangsamplituden berechnet und dargestellt. Als Beispiel zeigt Abb. 1-17 den Amplitudengang eines Mikrofons. Abb. 1-17 Frequenzgang eines dynamischen Mikrofons: Zu erkennen sind der Proportionalbereich und zwei Resonanzen.

Das Amplitudenverhältnis x.a;max/x.e;max =x.a;eff/x.e;eff, genannt Amplitudengang |F|(ω), gibt Auskunft über den Charakter eines Systems, z.B.  proportionierend P, integrierend I oder differenzierend D  verzögernd oder vorhaltend  kriechend (stark gedämpft) oder schwingend (schwach gedämpft). Entwicklungsziele:  Audioverstärker und Übertrager mit möglichst niedriger unterer und möglichst hoher oberer Grenzfrequenz (siehe Bd. 6/7, Kap. 11)  Filter mit einstellbaren Grenzfrequenzen (Kap. 1.3.1)  Spulen mit einstellbarer Resonanzfrequenz und Dämpfung (siehe Bd. 4/7, Kap. 7) Wie gut diese Ziele erreicht worden sind, zeigen die Messungen von Frequenzgängen. Wie Systeme optimiert werden, zeigen die Simulationen im Zeit- und Frequenzbereich. Die Entwicklung der dazu nötigen Strukturen ist das Ziel von Systemanalysen. Signale können im linearen und logarithmischen Maßstab dargestellt werden. Das soll nun gezeigt werden.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

13

Amplitudengänge im linearen Maßstab Abb. 1-18 zeigt den Abfall der Ausgangsspannung und -leistung mit ansteigender Frequenz bei einem Tiefpass 1. Ordnung (ein Energiespeicher, hier L oder C und ein Energieverbraucher, hier R) im linearen Maßstab. Amplitudengänge x.g/x.max

Abb. 1-18 Frequenzgänge von Ausgangsspannung und -leistung bei einem einfachen Tiefpass im linearen Maßstab: Der proportionale Bereich ist nicht und der integrale Bereich ist nur schlecht zu erkennen. Das ändert sich im Bode-Diagramm (Abb. 1-19).

P.g/P.max

71% 50%

P(f)

Grenze: f.g

von Leistungen P und Signalen x im linearen Maßstab

x(f) ~1/f

f/f.g

Zur Systemanalyse und -dimensionierung Systeme 1. Ordnung haben eine Zeitkonstante T (z.B. C∙R oder R/L). Daraus fogen die Grenzkreisfrequenz ω.g=1/T und die Grenzfrequenz f.g= ω.g/2π. Im linearen Maßstab können entweder nur kleine, mittlere oder große Zahlenbereiche dargestellt werden. Wenn man sich z.B. für große Bereiche entschieden hat, sind mittlere oder gar kleine Bereiche nicht zu erkennen. Der logarithmische Maßstab rafft große Zahlenbereiche und dehnt kleine. Dadurch werden alle Zahlenbereiche in einem Diagramm überschaubar. Amplitudengänge im doppellogarithmischen Maßstab In dieser ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ sollen die komplexen Frequenzgänge beliebiger Systeme (elektrisch, mechanisch, magnetisch, hydropneumatisch) im Bode-Diagramm dargestellt werden. Dadurch können Signalverhältnisse über viele Dekaden von kleinsten bis zu größten Werten übersichtlich dargestellt werden. Abb. 1-19 zeigt die Frequenzgänge von Ausgangsspannung und -leistung bei einem einfachen Tiefpass im doppellogarithmischen Maßstab.

Abb. 1-19 Frequenzgänge von einem einfachen Tiefpass im doppellogarithmischen Maßstab

14

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-20 zeigt die Berechnung der logarithmierten Leistung und Spannung: lg(f) f.min lg

0,01

lg(P) f

lg(P)/dB

lg f f.g

A 1 s-1

c=a+b

f

K 10

P(f) P.max

P.max 1

P(f) und x(f) X3

Y1

Y3

lg(x) Betrag(x-T1)

X2 Y2

f

f.g 1

f.g

c²=a²+b²

X1

K 20

x(f) x.max

lg(x)/dB

lg

x.max 1

Abb. 1-20 Struktur zur Simulation doppellogarithmischer Amplitudengänge von Leistung und Spannung als Funktion der ebenfalls logarithmisch aufgetragenen Frequenz f/f.g: Im Bode- Diagramm (Abb. 1-19) wird der Phasenverlauf angegeben.

1.1.3

Fourieranalyse und -synthese

Als einer der Ersten hat der französische Mathematiker und Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier (· 21. März 1768 - 16. Mai 1830) den Zusammenhang zwischen Signalen im Zeit- und im Frequenzbereich erkannt und berechnet:

Abb. 1-21 Das Fourierintegral für den Zusammenhang zwischen Zeit- und Frequenzbereich: Dank Simulation müssen wir es nicht per Hand lösen. Rechts: Der Begründer der Fourieranalyse

Die Fourierintegrale wurden für alle technisch wichtigen Funktionen berechnet. Dadurch erkennt der Fachmann (der Sie auch bald sind) die Zusammenhänge zwischen dem Frequenz- und dem Zeitbereich. Damit Sie die Hin- und Rücktransformation auf einfache Weise herstellen können, werden wir beim Thema ‚Frequenzgang und Sprungantwort‘ eine einfache Näherung durch eine Ersatztransformation angeben (Kap. 1.1.4).

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

15

Anwendungen: 1. Signalverarbeitende Systeme haben immer obere Grenzfrequenzen. Durch die fehlenden Oberwellen werden die Signale verschliffen und geglättet (Abb. 1-169). 2. Filter (1.3.1) können störende Signale ausblenden. Z.B. lässt sich in Audioanlagen ein störender Netzbrumm mit einem Bandfilter (Notchfilter, 1.3.4) unterdrücken. Fouriertransformation periodischer Vorgänge Mittels Fourieranalyse werden periodische Signale in eine Summe von Sinusschwingungen unterschiedlicher Amplitude und Frequenz zerlegt. Dadurch kann angegeben werden,  welchen Frequenzbereich ein Übertragungssystem besitzen muss, wenn eine bestimmte Übertragungsqualität gefordert wird oder umgekehrt,  welche Übertragungsqualität zu erwarten ist, wenn das Übertragungssystem eine bestimmte untere und obere Grenzfrequenz hat. Die reellwertige Fourieranalyse stellt wie die komplexe Laplacetransformation den Zusammenhang zwischen Zeit- und Frequenzbereich her (Beispiele: Abb. 1-30). Die wichtigsten Resultate der Fourieranalyse sollen uns den Zugang zum Frequenzbereich vermitteln. Sie wird uns die Erklärung (Interpretation) von Messungen und Simulationen ermöglichen. Dazu zeigen wir nun typische Beispiele. 1.

Eine reine Sinusschwingung (Abb. 1-22)

A.eff

t.0

Grundwelle

f.0 Abb. 1-22 Die Fourieranalyse einer einzelnen Sinusschwingung ist ein Ausschlag mit dem Effektivwert der Grundwelle bei der Frequenz f=1/t.0.

2. Eine Rechteckschwingung (Abb. 1-23) Nach Fourier erzeugt eine Rechteckschwingung eine Summe von Sinusund Cosinusschwingungen. Umgekehrt kann eine Rechteckschwingung aus Sinus- und Cosinusschwingungen erzeugt (synthetisiert) werden.

Abb. 1-23 Synthetisieren einer Rechteckfunktion durch die Überlagerung von Sinus- und Cosinusschwingungen

16

Elektrische Dynamik – Teil 2

Das Spektrum einer Rechteckschwingung (Abb. 1-24) Nach Fourier lassen sich beliebige periodische Vorgänge durch eine sinusförmige Grundwelle mit der Frequenz f.0 und Oberwellen zusammensetzen, die ein Vielfaches von f.0 sind. Abb. 1-24 zeigt die Zerlegung eines periodischen Rechtecks im Zeit- und Frequenzbereich:

Grundwelle und Oberwellen

Abb. 1-24 Periodische Funktionen mit einer Periode t.0 haben ein diskretes Spektrum: Bei Rechtecken umfasst es den Frequenzbereich von der Grundfrequenz f.0 bis  in Abständen von 2∙f.0.

Hin- und Rücktransformation Die Fourieranalyse beschreibt die Zerlegung eines beliebigen periodischen Signals in eine Summe von Sinus- und Cosinus-Funktionen (Fourierreihe, Abb. 1-25).

Hin-Transf.

Rück-Transf.

Abb. 1-25 Periodische Vorgänge sind aus diskreten Sinusschwingungen zusammengesetzt. Ihre Frequenzen sind ein ganzzahliges Vielfaches der Grundschwingung.

Synthesizer Umgekehrt lassen sich durch Fouriersynthese beliebige periodische Signale aus reinen Sinus- und Cosinusfunktionen erzeugen. Im Audiobereich (20Hz bis 20kHz) werden dazu Synthesizer angeboten. Sie erzeugen quarzgenau aus Rechtecksignalen Sinussignale im Audiobereich (20Hz bis 20kHz) in HiFi-Qualität. (Rechtecksignale lassen sich verlustarm durch elektronische Schalter erzeugen).

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

17

Fouriertansformation nichtperiodischer Vorgänge Bei nichtperiodischer Anregung sind die Fourierspektren kontinuierlich (Abb. 1-26).

Abb. 1-26 kontinuierliches Spektrum eines Rechteck-Impulses

Die kontinuierlichen Spektren nichtperiodischer Funktionen werden im Abschnitt ‚Laplace-Transformation‘ noch eingehender behandelt. Der Spektrumanalysator (Abb. 1-27) dient zur Messung von Frequenzgängen. Er stellt Signale (Amplituden |F|(f) und Phasenverschiebungen φ(f)) nicht im Zeit-, sondern im Frequenzbereich dar. Spektrumanalysatoren verwendet man auch zur Fourieranalyse. Dadurch erkennt man die in einem Signal enthaltenen Frequenzen, die dann besonders verstärkt oder herausgefiltert werden können. Der Spektrumanalysator ist in der Nachrichten- und HF-Technik eine wichtige Ergänzung zum Oszilloskop (Abb. 1-42). Abb. 1-27 diskretes periodischen Vorgangs

Spektrum

eines

Es gibt digital arbeitende, schnelle Fourieranalysatoren (FFT) und analoge Analysatoren, die nach dem Prinzip des Überlagerungsempfängers (Heterodynempfänger) arbeiten. Die Erläuterung der Funktion des Spektrumanalysators erfolgt in Abschn. 1.2.2 beim Thema ‚Automatische Frequenzgangmessung‘. Zur Fourieranalyse ist zweierlei zu tun: 1. die komplexe Berechnung von Frequenzgängen mit den Bauelementen als Parameter 2. ihre Darstellung nach Betrag und Phase im Bode-Diagramm. Das ist das Handwerkszeug zur dynamischen Analyse beliebiger Systeme. Es wird nachfolgend erklärt.

18

1.1.4

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Laplace-Transformation

Gefordert werden Systeme, die vorgegebene Eingangssignale in gewünschter Weise verarbeiten (z.B. Filter, P-I-D-Verhalten, Verzögerung oder Vorhalt). Zum Entwurf dynamischer Systeme müssen die Zeitkonstanten zu den benötigten Grenz-, Resonanzund Durchtrittsfrequenzen berechnet werden. Die Berechnungen erfolgen am Einfachsten komplex im Frequenzbereich. Die Oszillogramme von Sprungantworten zeigen das Systemverhalten sehr anschaulich im Zeitbereich . Die Laplace-Transformation berechnet den Zusammenhang zwischen dem Zeit- und dem Frequenzbereich. Das war früher – als es noch keine Simulation gab – die einzige Möglichkeit, das Zeitverhalten zu berechneten Frequenzgängen zu erkennen. In früheren Jahrhunderten hatte man weder Oszilloskope noch die Möglichkeit der Simulation. Deshalb haben Mathematiker - unter ihnen der Marquis de Laplace (* 1749 †1827) - eine Transformation vom Zeitbereich in den Frequenzbereich (und wieder zurück) ersonnen. Sie ermöglicht die Berechnung des Zeitverhaltens x.a(t) dynamischer Systeme für beliebige Eingangsfunktionen x.e(t). Heute wird die Laplace-Transformation eigentlich nicht mehr gebraucht. Wir besprechen sie hier dennoch, um Ihnen ein weiteres Beispiel für die Leistungsfähigkeit der komplexen Rechnung zu geben. Falls Sie daran nicht interessiert sind, können Sie diesen Abschnitt überspringen. Hin- und Rücktansformation (Abb. 1-28) Die Laplace-Transformation stellt den Zusammenhang zwischen dem Zeit- und dem Frequenzbereich her. Wir gehen unter Punkt 1.1.4 nur kurz darauf ein, da der mathematische Aufwand in keinem vertretbaren Verhältnis zum praktischen Nutzen steht. Als Alternative bieten wir Ihnen unter 1.2.3 eine reelle Ersatztransformation an. Die Laplace-Transformation und auch die Ersatztransformation erfolgen mittels einem Differenzial-Operator s=jω.  Die Kreisfrequenz ω berechnet den Betrag der Differenzierung im Frequenzbereich,  der Phasenfaktor j dient zur Berechnung von Phasenverschiebungen (siehe Abschn.1.1.5).

Abb. 1-28 Transformation mit der Kreisfrequenz s=jω vom Zeit- in den Frequenzbereich (oben) und wieder zurück (unten) – rechts: Pierre Simon Laplace (1749 bis 1827)

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

19

Wir beginnen das Thema ‚Frequenzgänge‘ mit der Klärung der Begriffe ‚Differenzierung‘ und ‚Integration‘. Danach folgt die anschauliche Systemdarstellung im Zeitbereich .Zum Abschluss zeigen wir die einfache Näherung zur Systemberechnung im Frequenzbereich. Danach verfügen Sie über einfache und leistungsfähige Handwerkszeuge zur dynamischen Analyse beliebiger physikalischer Systeme. Beispiele dazu folgen in allen Kapiteln dieser ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ (Magnetismus in Kapitel 5, Elektronik in Kapitel 6, Pneumatik in Kapitel 12). Der Laplace’sche Algorithmus (Abb. 1-29) Bekannt ist der komplexe Frequenzgang F(j) eines dynamischen Systems. Gewählt wird die Testfunktion x.e(t) am Systemeingang. Gängig sind der Sprung und die Rampe. Gesucht wird die Ausgangszeitfunktion x.a(t). Zu ihrer Berechnung gibt es zwei Möglichkeiten:  die direkte Methode Lösung der Differenzialgleichungen des Systems oder  die indirekte Methode mit Hilfe der Laplace-Transformation. Die dazu benötigten Integrale sind bereits gelöst und in einer Korrespondenztabelle (Tab. 1-1) abgelegt. Die Lösung von Differenzialgleichungen ist - außer in einfachen Sonderfällen (e-Funktionen) - so kompliziert, dass sie für Techniker nicht in Frage kommt. Zur Laplace-Transformation genügt dagegen die komplexe Rechnung.

Abb. 1-29 Oberer Zweig: Die direkte Berechnung des Ausgangssignals im Zeitbereich erfordert die Lösung einer Differenzialgleichung. Unterer Zweig: die Berechnung des Ausgangssignals in Frequenzbereich mit Hilfe der Laplace-Transformation und der Rücktransformation

Achtung: s ist hier die Abkürzung für j! Es hat die Einheit rad/s=1/s ≠ Hz Die komplexe Rechnung ist der Teil des Laplace’schen Algorithmus, der den eingeschwungenen Zustand beschreibt. Der Laplace‘sche Algorithmus berechnet auch die Übergangszustände zwischen zwei eingeschwungenen Zuständen komplex. Zur Systemanalyse wird dieses aufwändige Verfahren heute nicht mehr gebraucht.

20

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Laplace-Transformation wichtiger Testsignale Abb. 1-30 zeigt die Transformation der wichtigsten Testfunktionen Sprung und Rampe. 1. Die Rampe dient zur Überprüfung der Linearität eines Systems (Anstiegsantwort). 2. Der Sprung dient zum Test seiner Dynamik (Sprungantwort). Wenn im Frequenzbereich gearbeitet wird, muss man wissen, welche Frequenzen der Sprung und die Rampe enthalten. Das entsprechende Berechnungsverfahren zur Frequenzanalyse nichtperiodischer Zeitfunktionen ist die Laplace-Transformation.

(t)

1

(t)

1/j

*t

1/(j ) 2

Abb. 1-30 die Transformation wichtiger Testsignale in den Frequenzbereich

Beispiel: Sprung und Rampe im Zeit- und im Frequenzbereich (Abb. 1-31)

Die nicht-periodischen Funktionen Sprung und Rampe im Zeit-Bereich

Die kontinuierlichen Spektren von Sprung und Rampe im Frequenz-Bereich

Abb. 1-31 links: die Sprungantwort eines Integrators im Zeitbereich – rechts: der Betrag eines Integrators im Frequenzbereich

Auflösung Δt und Bandbreite Δf Den idealen Sprung gibt es nicht, denn eine Amplitude kann nicht gleichzeitig 0 und 1 sein. Entsprechend gibt es auch keine unendlichen Frequenzen und Amplituden. Aber: Je höher die Frequenzen werden, desto kürzere Zeiten können analysiert und synthetisiert werden. Das zeigt die Transformationsvorschrift Δf=1/Δt:  Je kürzere Zeiten Δt dargestellt werden sollen, desto größer muss die Bandbreite Δf der Übertragungssysteme sein.  Je größer die Bandbreite Δf, desto höher ist die Auflösung Δt im Zeitbereich.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

21

Auszug aus einer Korrespondenztabelle Die folgende Tabelle Tab. 1-1 enthält nur die Korrespondenzen, die zur Berechnung von Verzögerungen 1.und 2. Ordnung benötigt werden. Sie lässt sich sowohl zur Hin- als auch zur Rücktransformation verwenden. Tab. 1-1 Auszug aus einer Korrespondenztabelle zur Laplace-Transformation: Die Zeilen 4 oder 5 werden zur Berechnung einer Verzögerung 1. Ordnung gebraucht, die Zeilen 6 oder 7 für eine Verzögerung 2. Ordnung. Man sieht, dass die Berechnung im Frequenzbereich übersichtlich bleibt und wie kompliziert die Berechnung im Zeitbereich wird.

Durch die Laplace‘sche Integration wird aus Differenzialgleichungen die komplexe Rechnung:  Die Differenzierung d/dt wird zur Multiplikation mit j.  Die Integration dt wird zur Division durch j. Die Laplace-Transformation multipliziert die Einheit der Zeitfunktion f(t) mit der Zeiteinheit. Durch die Rücktransformation wird durch die Zeiteinheit geteilt, sodass die Ausgangsfunktion x.a(t) dieselbe Einheit wie x.e(t) hat. Die Berechnung periodischer Funktionen (z.B. eine einfache Sinusschwingung) durch Laplace-Transformation ist viel komplizierter als die komplexe Berechnung. Besonders einfach ist jedoch die Berechnung nichtperiodischer Funktionen, wie z.B. die der wichtigen Testsignale Sprung und Rampe. Das soll nun gezeigt werden. Beispiel für eine Laplace’sche Hin- und Rücktransformation (Abb. 1-32) Auf eine Verzögerung 1. Ordnung (=Tiefpass) wird eine Sprungfunktion geschaltet (Einschaltvorgang: x.e(t) = Schritt). Über eine Laplace Hin- und Rücktransformation soll die Sprungantwort x.a(t) ermittelt werden.

22

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-32 zeigt die Hin- und Rücktransformation einer Sprungfunktion.

Abb. 1-32 Das Schema der Laplace-Transformation hin und zurück am Beispiel einer Sprungfunktion mit der zugehörigen Sprungantwort

Der Symbolwechsel von der Sprungantwort zum komplexen Frequenzgang erfolgt in SimApp durch die rechte Maustaste (Auswahlmenü). Bei praktischen Transformationen gehen die Amplituden hoher Frequenzen wegen unvermeidlicher Tiefpässe verloren: Die Sprungantwort ist verschliffen. Das zeigte Abb. 1-32. Tab. 1-2 zeigt drei Testsignale auf eine Verzögerung 1. Ordnung. Tab. 1-2 Linke Spalte: 3 Testsignale im Zeitbereich und ihre Laplace-Transformationen – Mitte: der Frequenzgang der Ausgangssignale eines Tiefpasses als Multiplikation der Frequenzgänge – Rechte Spalte: die durch Rücktransformation gefundene Ausgangszeitfunktion x.e(j )

x.e(t) Impuls

(t)

Sprung

(t)

Rampe

*t

x.a(j )

1

Sprung -Antwort

1/j

1/(j

x.a(t) Impuls -Antwort

)2

Rampen -Antwort

Korrespondenzen:

Achtung: s ist hier die Einheit Sekunde, nicht die imaginäre Frequenz j! Um Verwechslungen mit der Sekunde s zu vermeiden, wird der Autor die Abkürzung s für j nicht verwenden. Die Rechenschritte zur Hin- und Rücktransformation 1. x.e(j) ermitteln: Für x.e(t)=1 wird nach Zeile 2 der Korrespondenztabelle in den Frequenzbereich transformiert: x.e(j) = 1/ j. 2. x.a(j) komplex berechnen: Für den Tiefpass F(j) = 1/(1+j∙T) wird x.a(j) = F(j)∙ x.e(j) berechnet: x.a(j) = (1/j) ∙ 1/(1+j∙T). 3. x.a(t) ermitteln: Abb. 1-33 Die Rücktransformation in den Zeitbereich erfolgt nach F(s) in Zeile 5 der Korrespondenztabelle: x.a(t) = 1-e-t/T – eine aufklingende Exponentialfunktion. In gleicher Weise verfährt man bei anderen Eingangssignalen. In obiger Tabelle sind noch ein Impuls und eine Rampe angegeben. Wie die Messergebnisse dazu aussehen würden, ermitteln wir durch Simulation.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

23

Beispiel: Die Impulsantwort einer Verzögerung Ein Impuls auf eine Verzögerung ist die Hintereinanderausführung der Funktionen δ(t) und ε(t). Das Ergebnis in Abb. 1-33 erhalten wir einfach durch Simulation.

Abb. 1-33 Die Zeitkonstante T des Verzögerungsgliedes bestimmt den e-förmigen Verlauf der Ausgangsfunktion.

Zum weiteren Vorgehen: Als Beispiele dazu folgen nun die Untersuchungen elektrischer Systeme 1. und 2. Ordnung. Zuerst werden deren Frequenzgänge F(jω) mit dem Frequenzoperator jω komplex berechnet. Den näherungsweisen Verlauf der Sprungantwort f(t) erhält man durch Ersetzung von jω durch 1/t. Zur einfacheren Diskussion von f(t) müssen dann nur noch die Doppelbrüche von t beseitigt werden. Beispiele dazu sind der unter 1.3.2 behandelte Tiefpass 1. Ordnung und der Tiefpass 2. Ordnung in Abschnitt 1.3.8. In Abschnitt 1.2.3 werden Sie eine einfache Ersatztransformation kennenlernen, die die Umwandlung eines Frequenzgangs in seine Sprungantwort näherungsweise ohne höhere Mathematik beschreibt. Das Laplace’sche Integral und der Laplace-Operator Die Laplace-Transformation ist die theoretische Basis der komplexen Rechnung. Der Vollständigkeit halber geben wir hier die Laplace’sche Transformationsgleichung einer Zeitfunktion f(t) in Operator- und integraler Schreibweise an. 

(

)

{ ( )}

∫ ( )



Durch die Laplace-Integration der reellen Zeitfunktion f(t) entsteht eine komplexe Frequenzfunktion F(jω) mit der imaginären Kreisfrequenz jω als unabhängiger Variablen. Durch die Integration über die gesamte Zeit t von 0 bis  entsteht die im Allgemeinen komplexe Funktion F(j) mit der Frequenz j als Parameter. F(j) ermöglicht nur die Analyse relativ einfacher, ausschließlich linearer Systeme im Frequenzbereich. Die Lösung von Laplace-Integralen ist nur für Mathematiker interessant. Wir analysieren beliebig komplexe lineare und nichtlineare Systeme durch Strukturbildung, Simulation und Parametervariation. Deshalb wird die Laplacetransformation hier nicht benötigt.

24

1.1.5

Elektrische Dynamik – Teil 2

Komplexe Rechnung

Die Funktionen mess- und regelungstechnischer Systeme werden im Zeitbereich untersucht und aufgezeichnet, z.B. mit yt-Schreibern oder Oszilloskopen. Entsprechend denken wir zunächst im Zeitbereich. Die Berechnung im Zeitbereich erfolgt durch Differenzialgleichungen (Dgl). Sie wird bereits bei der Zusammenschaltung weniger Komponenten unübersichtlich und schwierig zu berechnen.

Abb. 1-34 Zeigerdiagramme für Spannungen U und Ströme I von R, C und L: Parameter ist eine feste Frequenz f (nicht angegeben). Die Amplitudenverhältnisse der Impedanzen sind bei C und L frequenzabhängig, die Phasenverschiebungen sind für R, C und L konstant und charakteristisch.

Viel einfacher gestalten sich die Berechnungen im Frequenzbereich, denn da sind, zumindest in linearen Systemen um die es hier geht, alle Signale - die extern steuernden und die internen - sinusförmig. Damit entfällt die Berechnung komplizierter Zeitverläufe. Zur Beschreibung des Systems müssen nur noch Amplituden und Phasenverschiebungen berechnet werden. Dazu sind keine Differenzialgleichungen erforderlich. Das Ziel ist hier die komplexe Beschreibung von Systemen aus Speichern, Verbrauchern und Verstärkern (Abb. 1-35) für erzwungene, sinusförmige Signale.

u.e

Z.R

Z.2

u.a Z.1

Z.E

u.e

u.0->0mV

-

u.a

+ Abb. 1-35 links: komplexer Spannungsteiler – rechts komplexe Verstärkung

Im Frequenzbereich werden Differenzierungen zu Multiplikationen mit der Frequenz und Integrationen zu Divisionen durch die Frequenz. Differenzialgleichungen müssen nicht mehr gelöst werden. Das Verfahren, das dieses ermöglicht, heißt ‚komplexe Rechnung‘.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

25

Zu Operationsverstärkern (OP’s): Behandelt wurden sie in Bd.1, Kap 2.2. Hier daraus das Wichtigste in Kürze: Der invertierende OP stellt seinen Ausgang so ein, dass der invertierende Eingang wie der nichtinvertierende auf Nullpotential liegt. Dadurch wird die Eingangsspannung u.e der Eingangsimpedanz Z.e eingeprägt. Der sich daraus ergebende Eingangsstrom wir der Rückführimpedanz Z.R eingeprägt. Dadurch bestimmt das Impedanzverhältnis Z.R/Z.e den Frequenzgang –u.a/u.e. Elektrische Speicher als imaginäre Widerstände Nun ist zu klären, wie die Parameter des Systems (L, R und C) seine Eigenschaften (Eigenfrequenz, Dämpfung) bestimmen. Schaltungsausgang kann die Spannung an L, an R oder an C sein. An der Induktivität L erzeugen hohe Frequenzen hohe Spannungen (Hochpass), an der Kapazität C erzeugen tiefe Frequenzen hohe Spannungen (Tiefpass), am Widerstand R erzeugen nur mittlere Frequenzen hohe Spannungen (Bandpass). Um die Systemeigenschaften (Grenzfrequenz, Dämpfung) einstellen zu können, wird der Frequenzgang für den Tiefpass, den Hochpass und den Bandpass in normalisierter Form berechnet. Dazu werden L und C als (Blind-)Widerstände betrachtet: X.L = j∙L

Gl. 1-1

und

X.C = 1/(j∙C)

Durch komplexe Rechnung erhalten wir die Frequenzgänge. In normalisierter Form geschrieben, erkennen wir die System-Parameter: Statische Teilung V oder K, EigenZeitkonstante T.0 und die Dämpfung d. Der Kehrwert der doppelten Dämpfung heißt Schwingkreis-Güte Q=1/(2d). Dies sind die allgemeinen Frequenzgänge von Spannungsteiler (

)

und

( )

Operationsverstärker (

)

Um Frequenzgänge berechnen zu können, müssen komplexe Zahlen eingeführt werden. Komplexe Zahlen (Abb. 1-36) Durch komplexe Rechnung wird der gesuchte Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Bauelemente und dem frequenzabhängigen Verhalten des Systems berechenbar. Z

b

a Zeit t/s

Abb. 1-36 Komplexe Zahlen – als Zeitfunktion und in Komponenten- und Exponentendarstellung

26

Elektrische Dynamik – Teil 2

Darstellung komplexer Zahlen Komplexe Zahlen Z bestehen aus einem Realteil (für die Energieverbraucher) und einem Imaginärteil (für die Energiespeicher). Der Imaginärteil wird vom Realteil durch den Vorsatz i oder j unterschieden:

Z  a  jb  Z  (cos   j sin  ) Eine komplexe Zahl Z kann  in Komponentenform als Realteil Re(Z) und Imaginärteil Im(Z) oder  in Exponentenform als Betrag |Z| und Phasenverschiebung φ geschrieben werden. (Die Bezeichnung Exponentenform rührt daher, dass cosφ + j sinφ = ej φ geschrieben werden kann). In der Exponentenform ist der Betrag |Z| = x.a;max/x.e;max die Ausgangsamplitude, bezogen auf die Eingangsamplitude (statisch auch Übertragungsfaktor G genannt). Die Phasenverschiebung φ = 2rad‘∙t/t.0 repräsentiert die relative zeitliche Verschiebung der Ausgangsschwingung gegen den Eingangssinus. Der Periodendauer t.0 entspricht dabei dem Vollwinkel 2rad=360°. Abb. 1-37 Wegen der Phasenverschiebung um 90° stehen Imaginärteile senkrecht auf dem Realteil.

Berechnung der komplexen Komponenten Winkel werden im Komplexen durch ihren Cosinus für den Realteil und ihren Sinus für den Imaginärteil ausgedrückt. Das ermöglicht deren Berechnung, wenn Betrag und Phase z.B. durch Messung bekannt sind: Gl. 1-2 Umrechnungen

a = Re(Z) = |Z| ∙ cosφ

und

b = Im(Z) = |Z| ∙ sinφ

Der Realteil a und der Imaginärteil b enthalten die Parameter der beteiligten Bauelemente: a sind Energieverbraucher, b sind Energiespeicher (Beispiele folgen). Sie fallen bei Berechnungen an, sind aber meist schlecht zu messen. Leichter zu messen sind Amplitudenverhältnisse und Phasenverschiebungen. Um den Zusammenhang zwischen den Bauelementen (Re und Im) und den Messwerten (Betrag und Phase) zu erkennen, muss die Umrechnung von Komponenten- in Exponentenform - und umgekehrt - bekannt sein. Die obige Abb. 1-37 zeigt die Zusammenhänge. Geometrische Addition komplexer Zahlen nach Pythagoras Die Umrechnung von Komponenten in Exponentendarstellung erfolgt nach dem Satz des Pythagoras Gl. 1-3 Betrag und Phase



und

( ⁄ )

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

27

In Abb. 1-38 ist ein Sonderfall dargestellt: Re(Z) = Im(Z). Dann ist der Betrag | | √ , der tan φ = 1 und die Phasenverschiebung φ=45°. Abb. 1-38 zeigt die Berechnung der Betrages c des Realteils a und des Imaginärteils b:

Abb. 1-38 Symbole zur geometrischen Addition nach Pythagoras Pythagoras: Differenz Bei der reellwertigen Berechnung von Gegenkopplungen müssen geometrische Differenzen gebildet werden. Dabei muss die Wurzel einer Differenz gezogen werden, die nicht negativ werden darf. Abb. 1-39 zeigt den Algorithmus der geometrischen Differenzbildung: a²

a

sig(b)

sig(b)

sign



c

|b²|

Pythagoras Dif: b²=c²-a² b

|b|

b

|x| K -1

Abb. 1-39 Anwenderblock zur geometrischen Differenzbildung nach Pythagoras

Abb. 1-40 zeigt die geometrische Differenzbildung mit einen Anwenderblock:

c

c

1 c

|b.1| |b|

Pyth

-

a

a

b

b

|b.2|

c |b|

c#

Pyth

-

a

c#

b -b

b

b²=|c²-a²|

2 Abb. 1-40 Berechnung einer geometrischen Differenzbildung nach Pythagoras

28

Elektrische Dynamik – Teil 2

Komplexe Integration und Differenzierung Nach der zweimaligen Integration hat sich die Sinusschwingung invertiert. Eine Phasenverschiebung von zweimal j=90° nacheinander ergibt eine Phasenverschiebung um 180° =  rad. Das entspricht einer Multiplikation mit 1 = j∙j. Danach ist j selbst als Wurzel aus -1 zu interpretieren: +90° = (+j) =  (-1) = +/2 rad. Daraus folgt 1/j = j und die symbolische Beschreibung einer Phasennacheilung um 90°: Abb. 1-41 Einfache Integration (blau) und 90° = (-j) = - (-1) = -/2 rad. zweifache Integration (rot) einer Sinusschwingung (grün)



Die Differenzierung eines zeitlichen Sinussignals wird auf die Multiplikation mit der imaginären Frequenz j zurück geführt. Z.B wird aus einem Weg x die Geschwindigkeit v(j)= j∙x (Differenzierung im Frequenzbereich).



Die Integration eines zeitlichen Sinussignals wird auf eine Division durch die imaginären Frequenz j zurück geführt. Z.B wird aus einem elektrischen Strom i die Ladung q(j) = i/j (Integration im Frequenzbereich).

Frequenzgänge berechnen nur Wechselanteile. Eventuell vorhandene Gleichstromanteile (Nullpunktsverschiebungen = Offsets) fallen weg. Das entspricht dem AC-Betrieb bei Oszilloskopen (Abb. 1-42). Dann messen sie nur die Wechselanteile eines Signals. Bei ihnen ist der Offset durch Pegelverschiebung einstellbar.

Abb. 1-42 60MHz –Oszilloskop von HAMEG

Damit fasst die komplexe Schreibweise die Betragsfunktion (z.B. q = i/) und die Phasenverschiebung  in einer Gleichung zusammen. Im Bode-Diagramm werden beide Funktionen wieder getrennt dargestellt. Wir erklären es im nächsten Abschnitt.

Vom Zeit- zum Frequenzbereich

29

Die imaginäre Phase j Zur vollständigen Beschreibung der Differenzierung und Integration einer Sinusschwingung gehört noch die Angabe der Phasenverschiebung: bei Differenzierung 90° voreilend, bei Integration 90° nacheilend. Phasenverschiebungen um 90° werden durch den Buchstaben j (in der Mathematik i) gekennzeichnet. j wird imaginäre Einheit genannt und hat den Wert Gl. 1-4 Phasenvoreilung





Um zu erklären, warum das so ist, führen wir zwei Differenzierungen (oder zwei Integrationen) hintereinander aus (Abb. 1-41). Die imaginäre Frequenz j Damit wird die Phasenverschiebung der Differenzierung durch den Faktor (∙j)=(+90°) und die der Integration durch den Faktor 1/j=(-90°) beschrieben. Durch diese einfache Konstruktion ist es möglich, die Differenzierung als Multiplikation mit der imaginären Frequenz j und die Integration einer Sinusschwingung als Division durch die imaginäre Frequenz j zu schreiben: Gl. 1-5 komplexe Differenzierung und Integration

Z.Dif = A ∙jω und

Z.int = A/jω

Die komplexe Schreibweise fasst die Amplitudenaussage A und die Phasenaussage j in einem Ausdruck zusammen. So ist die Differenzierung einer Sinusschwingung mit der Kreisfrequenz  auf eine Multiplikation und die Integration auf eine Division durch j zurück geführt. In der Mathematik und in SimApp wird die imaginäre Frequenz jω als Differenzialoperator und 1/jω als Integrationsoperator bezeichnet und durch den Buchstaben s=j abgekürzt. Eine Verwechslung mit der Zeiteinheit s ist jedoch nicht zu befürchten.

Frequenz

f D D

TD 1 s

I I

Abb. 1-43 Differenzierung und Integration: symbolisch und analytisch (komplex)

Reset Hold

Ti 1 s

30

1.2

Elektrische Dynamik – Teil 2

Das Bode-Diagramm

Bode-Diagramme stellen komplexe Frequenzgänge linearer Systeme getrennt nach Betrag und Phase über einer logarithmisch geteilten Frequenzachse dar. Für die Amplitudengänge werden die Betragsachse und die Frequenzachse logarithmiert. So erhält man Frequenzfunktionen und ihre Asymptoten. Deren Schnittpunkte markieren Systemparameter (Grenz- und Resonanzfrequenzen), ihre Steigungen lassen den Charakter eines Systems erkennen (z.B. proportional P, integrierend I, differenzierend D oder P-T1=Verzögerung 1. Ordnung). Abb. 1-44 zeigt die Bode-Diagramme für wichtige Systeme.

System F kompl. Amplitudengang |F| P D I

Ampl.-Verh.

=+90°

-

=+90°

I g g

P-T1 Verzögerg

dB

D

PD

Vorhalt

Phasengang

g g

Abb. 1-44 Wichtige Frequenzfunktionen und ihr Bode-Diagramm: Vorteile: Die Graphen der Asymptoten sind Geraden, ihre Schnittpunkte kennzeichnen Systemdaten.

Zitat: https://de.wikipedia.org/wiki/Hendrik_Wade_Bode Hendrik Wade Bode (* 24. Dezember 1905 in Madison, Wisconsin; † 21. Juni 1982 in Cambridge (Massachusetts)) war ein US-amerikanischer Elektrotechniker. Bode führte wichtige, heute u.a.in der Regelungstechnik genutzte Analyseverfahren für elektrische Netzwerke ein. 1938 entwickelte er sein bahnbrechendes Bode-Diagramm (Abb. 1-45). Die Frequenzachse wird zur besseren Übersicht mit den nichtlogarithmierten Werten beschriftet. Die Frequenz 0 ist logarithmisch nicht darstellbar, kann aber durch Hinzufügen weiterer Dekaden nach links beliebig angenähert werden. Die fehlende Null passt jedoch zum Frequenzgang, der auch nur Schwingungsverhältnisse (AC=Wechselstrom) und keine Arbeitspunktverschiebungen (DC=Gleichstrom) beschreibt. Ein Vorteil der Logarithmierung: Große und kleine Zahlenbereiche sind gut überschaubar. Sie werden in allen Bereichen mit gleicher relativer Genauigkeit dargestellt. Das ist wichtig, um ein Gefühl für Größenordnungen zu bekommen.

Das Bode-Diagramm

31

Als erstes Beispiel für ein Bode-Diagramm zeigt Abb. 1-45 einen Bandpass. Er ist die Hintereinanderausführung von Hoch- und Tiefpass.

Abb. 1-45 Bandpass aus HP und TP: Tiefe Frequenzen = D: +20dB/Dek und +90°, mittlere Frequenzen = P: 0dB/Dekade und 0°, hohe Frequenzen = I: -20dB/Dekade und -90°

Wie wir anhand vieler Beispiele zeigen werden,  ist der Frequenzgang charakteristisch für das System (z.B. Verzögerung, Vorhalt),  kennzeichnet der Schnittpunkt der Asymptoten im Bode-Diagramm die gesuchten Systemdaten (Grenz- und Resonanzfrequenzen von Tief- und Hochpässen, Durchtrittsfrequenzen von Integratoren und Differenzierern).  Die Schnelligkeit von Integratoren und Differenzierern wird durch deren Durchtrittsfreqenzen ω.D und ω.I, bei denen Ihr Betrag 1=0dB ist, beschrieben. Der doppellogarithmische Maßstab ist immer dann angebracht, wenn die additive Änderung der Ursache eine multiplikative Änderung der Wirkung erzeugt, denn dann ändert sich der Logarithmus ebenfalls additiv und die Asymptoten der Graphen verlaufen linear. Das ist wesentlich einfacher zu interpretieren als die Kurven des linearen Maßstabs. Musterbeispiele dafür sind rationale Frequenzgänge (Abb. 1-44). Der Exponent eines Amplitudengangs ist die Steigung seiner Tangente. Beispiele: y = x2 → lg(y) = 2x - die Steigung ist 2 Dekaden von y pro Dekade von x oder y = ex → ln(y) = x - die Steigung ist proportional zu x. Der Autor unterscheidet gut und schlecht interpretierbare Diagramme. In schlechten Diagrammen erscheinen Funktionen als Kurven, die umso komplizierter werden, je komplexer ein System ist. (z.B. Ortskurven). In guten Diagrammen werden Funktionen durch ihre Asymptoten, also Geraden, angenähert dargestellt. Das bleibt auch bei komplexen Systemen übersichtlich (z.B. Bode-Diagramme).Die Schnittpunkte der Asymptoten markieren die Kennwerte des Systems. In diesem Sinne ist die Darstellung von Frequenzgängen im linearen Maßstab schlecht, denn es entstehen kaum interpretierbare Kurven. Deshalb ist es besonders in der Regelungstechnik üblich, Amplitudengänge doppellogarithmisch, d.h. im BodeDiagramm, darzustellen (Abb. 1-45). Wegen der unübertroffenen Vorteile gegenüber allen linearen Darstellungen verwendet diese Schrift ausschließlich das Bode-Diagramm zur Darstellung von Frequenzgängen. Die Vorteile der doppellogarithmischen Darstellung algebraischer Funktionen werden anhand ungezählter Beispiele verdeutlicht.

32

1.2.1

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Basisoperationen P I D im Bode-Diagramm

Operatoren sind Rechenvorschriften. Sie betreffen das nachfolgende, oft in Klammern gestellte Argument, z.B. die Logarithmierung y=lg(x). Für die Rechenoperationen ‚proportional‘ – ‚integral‘ und ‚differenzial‘ heißen die Operatoren P.Op = proportioniere – I.Op = integriere - D.Op = differenziere Operatoren sind immer auf die nachfolgende Funktion (das Argument) anzuwenden. Das kann bei der Simulation im Zeit- oder im Frequenzbereich erfolgen (Tab. 1-3). P-I-D im Zeitbereich x.a = k.P∙x.e

x.a = x.e∙dt / T.I

P-I-D im Frequenzbereich x.a = k.P∙x.e x.a = x.e / (j∙T.I)

x.a = T.D ∙ dx.e / dt x.a = x.e∙ j∙T.D

In der Literatur heißt die imaginäre Frequenz s= j. Gemessen wird sie in rad/s = 1/s oder Untereinheiten davon, z.B. 1/ms für Systeme, die im kHz-Bereich arbeiten, 1/μs für Systeme, die im MHz-Bereich arbeiten oder 1/ns für Systeme, die im GHz-Bereich arbeiten. Differenzierung und Integration als Umkehrfunktionen im Frequenzbereich Die Operatorschreibweise passt genau zur Strukturdarstellung, denn sie trennt Signale und Funktionen, die auf sie angewendet werden. Ein Beispiel, das dies verdeutlicht, folgt im Anschluss zu diesen allgemeinen Erläuterungen. Tab. 1-3 Gegenüberstellung der Basissysteme im Zeit- und im Frequenzbereich: Der Differenzialoperator wird mit s=jω abgekürzt.

Ein Beispiel, das den Vorteil der Operatorschreibweise deutlich macht, finden Sie am Schluss dieses Abschnitts. Dort wird gezeigt, dass die Hintereinanderausführung von D-Operator D.Op=d/dt und I-Operator I.Op=dt bis auf konstante Anfangswerte die Konstante 1 ergibt: OPR. 1 Hintereinanderausführung von I.Op und D.Op

I.Op ∙ D.Op = D.Op ∙ I.Op = 1

Das Bode-Diagramm

33

Die Füllstandshöhe eines Tanks Die Differenzierung (hier nach der Zeit t) ist die Umkehrung der Integration. Das soll nun am Beispiel einer sinusförmigen Tankfüllung und -entleerung nach Abb. 1-47 gezeigt werden. Abb. 1-46 zeigt einen undurchsichtigen Tank, dessen Füllstand als Funktion des Zu- und Abflusses (Messgrößen) berechnet werden soll. Gemessen werden sinusförmige Änderungen der Strömungsgeschwindigkeiten v.zu und v.ab im Zu- und Abfluss eines Tanks. Gesucht werden die Änderungen der Füllhöhe h und des Tankvolumens Vol.

v.ab A.1

h.Tank

v.zu

A.2 h

Vol

A.Tank

Abb. 1-46 Tank mit den zur Simulation des Füllstands benötigten Messgrößen

Füllstandsberechnung Zur Füllstandsberechnung in Abb. 1-47 wird das Kontinuitäsgesetz Gl. 1-6 verwendet: Gl. 1-6 Kontinuitätsgesetz für inkompressible Medien

Bei inkompressiblen Medien (Flüssigkeiten, entsprechend Ladungen in elektrischen Leitern) sind die Volumenänderungen im Tank das Integral der Differenz aus Zu- und Abflüssen. Das zeigt die Struktur der Abb. 1-47: v.zu/(dm/s)

t/t.0

f0 0,0001 Hz A 1

A 0,01 s-1

Vol.zu/(lit/s)

K 0,001

A.zu/(cm²)

v.ab/(cm/s) 0

Vol.ab/(lit/s)

K 0,001

Delta Vol A.ab/(cm²) /(lit/s)

1

1

v.Tank/(cm/s) Delta h.Tank/cm A.Tank/dm² 10

1 2

K 10

I Reset Hold

Abb. 1-47 Tankfüllung zur Veranschaulichung der Integration durch den Füllstand eines Tanks, berechnet aus gemessenen Strömungsgeschwindigkeiten v.zu und v.ab

Erläuterungen zu Abb. 1-47: 1. die Schwankungen der Füllhöhe h für sich sinusförmig ändernde Zu- und Abflüsse und umgekehrt 2. die Differenz der Zu- und Abflüsse aus den Schwankungen der Füllhöhe h. Daraus folgt durch Differenzierung und Integration im Frequenzbereich:

Δ

( (

⁄ ⁄

) )



34

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Nachteile des linearen Maßstabs 1. ist der überschaubare Bereich gering (Frequenzen, Amplituden) und 2. lassen sich keine Asymptoten erkennen, deren Schnittpunkte Systemparameter markieren. Der doppellogarithmische Maßstab, wie er im Bode-Diagramm verwendet wird, beseitigt die Nachteile des linearen Maßstabs. Die Operationen P,I,D im Bode-Diagramm Nun folgen Beispiele zu den wichtigsten linearen Systemen. Wir beginnen mit den linearen Basissystemen Proportional P, Integral I und Differenzial D. Das proportionale (P)-System: Bei proportionalen Systemen ist der Ausgang ein direktes Abbild des Eingangs.

x.a=k.P∙x.e

Eine oft dimensionsbehaftete Konstante k.P ist das Verhältnis der Einheiten, in denen das Ausgangs- und das Eingangssignal angegeben werden. Beispiel: Temperaturmesser mit Spannungsausgang: u.a/V = k.P ∙ T/°C. Haben Ausgang und Eingang die gleiche Dimension, so ist die Proportionalitätskonstante eine Verstärkung bzw. Abschwächung: k.P => V.P. Ein ideales P-System hat keine Grenzfrequenzen. Der Amplitudengang hat den konstanten Wert 20∙lg(V.P)∙dB. (Steigung = 0 dB/Dekade). Die Phasenverschiebung ist 0° oder, bei invertierenden Systemen, 180°. Das integrierende (I)-System: Die Ausgangsgeschwindigkeit eines Integrators ist proportional zum Eingangssignal:

x.a/dt=x.e/T.I

Kennzeichen:  im Zeitbereich die Integrations-Zeitkonstante T.I und  im Frequenzbereich die Durchtrittsfrequenz ω.I Der Amplitudengang fällt reziprok zur Frequenz mit -20dB/Dek gegen null ab. Die Phasenverschiebung ist frequenzunabhängig +90°. Die Lage der abfallenden Amplituden wird durch die Durchtrittsfrequenz ω.I = 1/T.I festgelegt. Je größer T.I, desto langsamer ist der Integrator und umso kleiner ist ω.I. Das differenzierende (D)-System: Bei differenzierenden Systemen zeigt das Ausgangssignal die Geschwindigkeit des Eingangs an:

x.a/T.D=dx.e/dt

Die Schwierigkeiten bei der Berechnung der Integration und der Differenzierung entstehen durch die Änderung der Signalform. Sie lässt sich vermeiden, wenn man als Testsignal eine Sinusschwingung wählt (Abb. 1-48).

Das Bode-Diagramm

35

Abb. 1-48 zeigt die Simulation der P-I-D-Funktionen bei sinusförmiger Ansteuerung:

D D x.e(t)

T.D 0,5 s

Sinus x.e(t)

P

f0 1 Hz A 1

k.P 2

P

I I Reset

T.I 0,5 s

P-, I-, und D-Systeme bei sinusförmiger Ansteuerung

Zeit t/s

Abb. 1-48 Zeitfunktionen: Eine Sinusschwingung bleibt auch bei Integration und Differenzierung sinusförmig.

Hintereinanderausführungen im Frequenzbereich Bei der Hintereinanderausführung von Differenzierung und Integration entsteht Proportionalität (OPR. 1). Im Frequenzbereich interessieren nur Amplituden und Phasenverschiebungen. Konstante Pegel spielen keine Rolle. Deshalb ist hier die Reihenfolge der Operationen egal: 1. 2.

zuerst I.op und danach D.op oder D.op zuerst und danach I.op

Frequenz

f

I.1

D.a

1 sTi

TD s

Reset Hold

Ti 1 s

TD 1 s

D und I in Serie

D.1

I.a

TD s

1 sTi Reset

TD 1 s

Hold

Ti 1 s

Abb. 1-49 Die Hintereinanderausführung von I und D ergibt Proportionalität.

36

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Proportionaloperator einer Hintereinanderausführung von I und D: (

)

Dazu gehört der Übertragungfaktor der Hintereinanderausführung von I und D: ∫ Durch Variation der Testfrequenz  kann das Verhalten des Systems von langsamsten bis zu schnellsten Vorgängen untersucht werden. Dabei werden die gesuchten Grenzund Resonanzfrequenzen erkannt. Die Frequenzgänge der Basissysteme P, I und D Wie gezeigt, ist die Sinusschwingung ein hervorragendes Signal zur Berechnung und Analyse dynamischer Systeme. In der Praxis ist die Messung von Frequenzgängen im Allgemeinen sehr aufwändig und - wenn starke Resonanzen zu befürchten sind - auch gar nicht zulässig. Deshalb wird die Methode der komplexen Rechnung in diesem Abschnitt erklärt. Als Beispiele dienen die wichtigsten dynamischen Systeme (Tiefpass, Hochpass, Bandpass). Die komplexen Frequenzgänge dieser Systeme zeigen die Zusammenhänge zwischen den Systemparametern (Grenz- und Resonanzfrequenzen und -amplituden) und den Bauelementen der Systeme. Sind diese bekannt, lassen sich die Bauelemente so dimensionieren, dass die Systeme gewünschte Eigenschaften erhalten. Abb. 1-50 zeigt die Amplitudengänge der Basissysteme P-I-D im linearen Maßstab: Amplitudengänge - linear Frequenz

A 1 s-1

f.Start 0,1

Amplitude D.op P

K1

P.op

H 1 TD 0 s

I.op: -90° D.op: +90°

I-op

P.op: 0° 1/T

Kreisfrequenz

Abb. 1-50 die Amplituden von P-I-D als Funktion der Frequenz im linearen Maßstab

*s

Das Bode-Diagramm

37

Phasengänge Der Phasengang wird auch mit linearer Skala dargestellt. Dadurch bleibt dieser eine Kurve. Das ist meist ohne praktische Bedeutung, denn die Darstellung des Phasengangs ist bei linearen Systemen eigentlich verzichtbar. Der Grund: Bei linearen Systemen erkennt man die Phasenverschiebung an der Steigung bzw. dem Gefälle der Asymptoten. System differenzierend proportional integrierend

Asymptote im Amplitudengang +20 dB/Dek 0 dB/Dek -20dB/Dek

Phase +90° 0° -90°

Daher ist die Darstellung des Phasengangs bei linearen Systemen verzichtbar. Nichtlineare Systeme sind daran zu erkennen, dass die genannten Zusammenhänge zwischen den Steigungen der Asymptoten und der Phasenverschiebung nicht gelten. Die Basissysteme P-I-D im Frequenzbereich Nun sollen einige Vorteile der Darstellung von Frequenzgängen im doppellogarithmischen Maßstab anhand der Basissysteme P-I-D gezeigt werden. Die Umwandlung der Symbole zur Simulation der Basissyteme P-I-D vom Zeit- in den Frequenzbereich erfolgt in SimApp mittels rechter Maustaste. Abb. 1-51 zeigt das Ergebnis:

Die Basis-Systeme P, I und D im Frequenz-Bereich Proportionalität P

Integration I

K

1 sTi

x.e

x.a

k.P 1

x.e

Reset

x.a

Hold

Differenzierung D

x.e

TD s

x.a

T.D 1 s

T.I 1 s

x.a = k.P*x.e

x.a = x.e / (j*T.I)

x.a = x.e* j*T.D

Abb. 1-51 Die Basisoperationen P, I und D mit den Symbolen des Frequenzbereichs: In SimApp sind sie per rechter Maustaste über das Kontextmenü einstellbar.

Abb. 1-51 zeigt Umkehroperationen im Frequenzbereich:  

Differenzierung erzeugt die Geschwindigkeit eines Signals. Sie ist die Umkehrung der Integration. Bei der Differenzierung geht der Anfangswert (eine Konstante) am Eingang verloren. Integration erzeugt die Zeitfläche (den Impuls) eines Signals. Sie ist die Umkehrung der Differenzierung. Am Integrationsausgang muss der Anfangswert (die Vorgeschichte) hinzugefügt werden.

Um mit Differenzierungen und Integrationen besser vertraut zu werden, besprechen wir nun typische Fälle und veranschaulichen sie durch Simulation im Zeit- und im Frequenzbereich.

38

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-52 zeigt die Bode-Diagramme der Basisoperationen I und D und ihre Hintereinanderausführung:

D~f

I~1/f Kreisfrequenz om*s

Abb. 1-52 Die Hintereinanderausführung von Differenzierung und Integration ergibt proportionales Verhalten. Eventuell vorhandene additive Konstanten erscheinen bei Frequenzgängen nicht.

Reale lineare Systeme sind Kombinationen der drei Grundsysteme P, I und D (Abb. 1-53). Ihre Grenzfrequenzen geben an, wo ein Bereich endet und ein anderer beginnt. Zu ihrer Berechnung werden die Beträge der angrenzenden Systeme gleichgesetzt. Dazu folgen nun typische Beispiele.

Abb. 1-53 Die Basissysteme P-I-D im Bode-Diagramm: Das Frequenzsymbol ist Sinusquelle und Messmittel in einem (Wobbelgenerator).

Das Bode-Diagramm

39

Amplituden und Phasen bei einfacher und doppelter Differenzierung Aus einem gemessenen Weg wird durch einfache Differenzierung die Geschwindigkeit und durch nochmalige Differenzierung die Beschleunigung. Für sinusförmige Signale sieht dies so aus: Sinus

Differenzierung einer Sinus-Funktion

f

einfach und doppelt-differenzierend

D

D

D

D

TD 1 s

TD 1 s

Abb. 1-54 Einfache und doppelte Differenzierung einer Sinusschwingung

Abb. 1-55 zeigt die Amplituden- und Phasengänge zur graphischen Differenzierung: D.op*D.op D.op

*s D.op*D.op D.op

Einfache und doppelte Differenzierung einer Sinusschwingung im doppelAbb. 1-55 logarithmischen Maßstab: An der Steigung der Amplituden und der Phasenverschiebung ist zu erkennen, wie viele Differenzierungen nacheinander erfolgt sind. Rechts: Asymptoten und Phasen bei einfacher und doppelter Differenzierung

Beispiel für einen Differenzierer: der Tachogenerator: Die Ausgangsspannung u.T eines Tachos ist proportional zur Drehzahl Ω = dφ/dt: u.T = k.T∙ Ω. Wenn Ausgang und Eingang eines Systems dieselbe Dimension haben, hat die Differenzierkonstante die Dimension einer Zeit und heißt Zeitkonstante T.D: u.a=T.D·jω·u.e. Bei verschiedenen Dimensionen tritt anstelle von T.D eine allgemeine Konstante: x.a=k.D·jω·x.e. Aus T.D wird hier die Tachokonstante k.T. Im Bode-Diagramm wird die Lage der Amplituden durch die Durchtrittsfrequenz festgelegt: ω.D = 1/T.D. Je stärker ein Differenzierer, desto größer ist T.D und umso kleiner wird ω.D. Bei Differenzierung steigt der Amplitudengang frequenzproportional an. Im Bode-Diagramm ist Δ|F|/Δω = +20dB/Dek. Die Phasenverschiebung φ ist frequenzunabhängig: φ.D = +90°.

40

1.2.2

Elektrische Dynamik – Teil 2

Messung von Frequenzgängen

Ein praktischer Nachteil des Frequenzbereichs gegenüber dem Zeitbereich ist der beträchtliche Aufwand der Frequenzgangmessung. Im interessierenden Frequenzbereich, der durch die Zeitkonstanten des Messobjekts bestimmt wird, sollten pro Frequenzdekade ca. 10 Amplitudenverhältnisse und Phasenverschiebungen gemessen werden, die dann im Bode-Diagramm darzustellen sind. Bei Simulationen interessiert der zu treibende messtechnische Aufwand nicht. In den folgenden Beispielen variieren wir die Frequenz eines Funktionsgenerators durch ein Rampensignal (f~t). Diese Anordnung heißt Wobbelgenerator. Mit ihnenlassen sich Sinusschwingungen mit einstellbaren Frequenzen undAmplituden erzeugen. Erzeugung von Frequenzgängen Der Sinus eines Winkels  in einem rechtwinkligen Dreieck ist das Verhältnis von Gegenkathete/Hypotenuse. Sinusschwingungen x(t)=x.max∙sin t (mit dem Winkel (t)=∙t in rad) entstehen durch die Projektion einer Drehbewegung mit der Frequenz f (in Hz = Perioden/s) oder der Kreisfrequenz =2f ( in Winkeleinheiten rad/s) auf die Zeitachse. Abb. 1-56 zeigt einen elektrisch und einen manuell betriebenen Sinusgenerator:

Abb. 1-56 Mechanischer Sinusgenerator mit Kurbelschleifengetriebe zur Erzeugung erzwungener Schwingungen: Die Drehzahl des Antriebs bestimmt die Frequenz des Sinus.

Durch Variation der Referenzfrequenz  kann das Verhalten des Systems von langsamsten bis zu schnellsten Signalen untersucht werden. Dabei werden die Grenzund Resonanzfrequenzen der Systeme erkannt. Wesentlich einfacher als mechanische sind elektrische Frequenzgänge zu messen. Dazu benötigt man einen durchstimmbaren Sinusgenerator (Wobbelgenerator) und ein Speicheroszilloskop (Abb. 1-42).

Das Bode-Diagramm

41

Manuelle Auswertung von Frequenzgängen im Zeitbereich Zur Auswertung einer Messung (Sprungantwort oder Frequenzgang) müssen die Systemdaten (statischer Übertragungsfaktor und die Zeitkonstanten) bestimmt werden. Die Kenntnis dieser Parameter wird z.B. in Kapitel 9 für die Reglerdimensionierung benötigt. Abb. 1-57 zeigt die Messung elektrischer Frequenzgänge:

Funktions-Generator u.e(t) Ampl. Frequ.

Sinus

Oszilloscop Test-Objekt

u.a(t)

Amplitude

Phase

Abb. 1-57 Aufbau einer Frequenzgangmessung im Zeitbereich

Die einfache Messbarkeit elektrischer Größen ist der Grund für die Entwicklung elektronischer Messwandler. Durchführung und Auswertung einer Frequenzgangmessung Bei einem elektrischen Vierpol (Testobjekt) sollen als Funktion der Frequenz f gemessen werden:  

der Amplitudengang der Phasengang

|F| = |u.a| / |u.e| und φ = 360° ∙ t/t.0 = φ = 360° ∙ t∙f.0

Zur Auswertung von Frequenzgängen müssen Amplitudenverhältnisse |F|(f) und Phasenverschiebungen φ(f) über der Frequenz f aufgetragen werden: Dazu benötigt man, wie oben abgebildet, einen Funktionsgenerator und ein Oszilloskop (Abb. 1-42) als Messmittel. 1. 2. 3. 4.

Die Eingangsamplitude wird so groß wie möglich eingestellt, aber immer so klein, dass keine Signalverzerrungen entstehen. Die Frequenz f wird in einem Bereich f.min → f.max variiert, in dem das Testobjekt frequenzabhängig arbeitet. Wie viele Frequenzen eingestellt werden, hängt vom Testobjekt ab und muss individuell entschieden werden. Zur Bestimmung des Amplitudengangs |F|(ω) wird die Ausgangsamplitude |u.a| durch die Eingangsamplitude |u.e| geteilt. Zur Ermittlung des Phasengangs φ (ω) wird die Zeitverschiebung t gemessen und mit der Frequenz f.0=1/t.0 multipliziert. Die ganze Periodendauer t.0 entspricht 360°, t entspricht der Phasenverschiebung φ=360°∙Δt/t.0.

Man sieht, dass der Aufwand einer Frequenzgangmessung beträchtlich ist. Deshalb wird man in der Praxis versuchen, die gleichen Informationen (statischer Übertragungsfaktor, Grenz- und Resonanzfrequenzen) durch die Messung einer Sprungantwort zu erhalten. Das ist zwar weniger genau als der hochauflösende Frequenzgang, reicht aber in vielen Fällen aus. Einzelheiten zu diesem Thema besprechen wir in Abschnitt 1.3.

42

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-58 zeigt das Oszillogramm eines gewobbelten Frequenzgangs. Amplitude-linear

Zeit t/s

Frequenz-linear

Abb. 1-58 links: Wobbeln = quasistatische Erhöhung der Frequenz – rechts: der Amplitudengang im Zeitbereich

Amplitudenverhältnisse und Phasenverschiebungen Für jede eingestellte Frequenz , mit der das Testobjekt beaufschlagt wird, erhält man eine Ausgangsschwingung (Abb. 1-59). Sie ist durch ihre Form, Amlitude und einen zeitlichen Versatz gegen die Eingangsschwingung (genannt Phase φ) gekennzeichnet. 1. Das Amplitudenverhältnis heißt Betrag |F|()=x.a;max/x.e;max. 2. Die relative zeitliche Verschiebung heißt Phase φ. Abb. 1-59 zeigt zwei um Δt zeitlich verschobene Sinusschwingungen. Gl. 1-7zeigt, wie daraus die Phasenverschiebung φ berechnet wird.

Gl. 1-7

Phase, mit φ.Ref=360°=2πrad

Abb. 1-59 zeigt eine Phasenverschiebung von 60°. 0°

|u.e|

100%

rot: Ausgangssignal Amplitude und Phasenverschiebung sind frequenzabhängig. Abb. 1-59 Zu bestimmen sind die Amplitudenverhältnisse und Phasenverschiebungen zwischen dem Ein- und Ausgangssignal als Funktion der Frequenz.

rad

Phase

=

* t in rad

|u.a| 60°



180°

360°

t

Oszillator

f0 1 Hz A 1

t.0=1/f.0

blau: Eingangssignal = Referenzamplitude

Zeit t/s

In Kapitel 1 wurde zur Charakterisierung der statischen Funktion eines Systems dessen Übertragungsfaktor G=x.a/x.e definiert. Durch die Berechnung von G wurde gezeigt, wie er von den Bauelementen des Systems abhängt. Dadurch wurde es möglich, die Bauelemente so zu bemessen, dass geforderte Systemeigenschaften entstehen (vergleiche: Teil 1, Kap. 2.6 Spannungsteiler). Wenn G frequenzabhängig ist, heißt er Frequenzgang F. Zuerst zeigen wir, wie |F| und  manuell bestimmt werden. In Abschn. 1.2.2 wird gezeigt, wie Frequenzgänge automatisch gemessen werden können.

Das Bode-Diagramm

43

Manuelle Frequenzgangmessung Zur Messung von Frequenzgängen müssen Betrag |F| und Phase φ für ausgewählte Frequenzen f im interessierenden Frequenzbereich bestimmt werden – ein äußerst aufwändiges Verfahren, das in den Punkten 1 bis 5 beschrieben ist. Als Werkzeuge werden dazu ein Funktionsgenerator und ein Oszilloskop benötigt. Damit erhält man Abb. 1-60, die folgendermaßen auszuwerten ist: Eingestellt werden 1. eine Eingangsamplitude u.e;max, die so groß ist, dass noch keine Verzerrungen (hier die Begrenzungen) erkennbar sind, 2. die Anfangsfrequenz, die so niedrig ist, dass sich die Verzögerung noch nicht bemerkbar macht. Kennzeichen: →0. 3. Dann wird die Frequenz in Schritten vergrößert, die die Amplitude erkennbar absinken lassen. 4. Zu jeder Frequenz f wird die Amplitude u.a;max und die zeitliche Verschiebung t gemessen. 5. Berechnet werden  der Betrag |F|=x.a;max/x.e;max  die Phase =360°∙t/T=360°f∙t Diese beiden Graphen ergeben den Amplitudengang |F|(f) und den Phasengang (f).

1,57=

/2

=2 *f f=1/T

= * t u.e;max

90° /2

u.a;max T=1/f

0 t

=360°* t/T

Abb. 1-60 die Signale zur Auswertung einer Frequenzgangmessung

Zeit t/s

Abb. 1-61 zeigt die Amplitudengänge eines einfachen Hoch- und Tiefpasses:

70%

HP

TP

T ie f p a s s u n d Ho c h p a s s

Abb. 1-61 Hoch- und Tiefpass ergänzen sich bei einem System zu 100%=0dB.

44

Elektrische Dynamik – Teil 2

Automatische Frequenzgangmessung Wenn das immer wieder verlangt wird, sollte ein Frequenzgangmessplatz eingerichtet werden. Dazu werden Frequenzgangmessegeräte angeboten, die die gesamte Messung automatisch erledigen (Abb. 1-62). Quelle: http://www.newtons4th.com/products/frequency-response-analyzers/psm1700/ Abb. 1-62 Frequenzgangmessgerät, auch Wobbelmessplatz genannt

FG-Messplätze enthalten einen automatischen Wobbelgenerator und die Betrags- und Phasenberechnung. Die Darstellung des Amplituden- und Phasengangs erfolgt mit einem Oszilloskop, die Zeitachse t ist nun die Frequenz f~1/t.

Frequenz-stufig Wobbel-Generator

Test-Signal

Test-Objekt PT1

Iz Reset Hold

Ti 1 Ts 0,1

f0 1 Hz A 1

Referenz

K1 T 1 s

Messung

automatische Frequenzgang-Messung

Re |x| Im

Betrag

Phase

Frequenz~Zeit

Referenz

Frequenz

Abb. 1-63 Aufbau eines Frequenzgangmessers: Ein Wobbelgenerator variiert die Frequenz, mit der das Testobjekt angesteuert wird, schrittweise. Die Auswertungselektronik bestimmt Betrag und Phase des Objektausgangs und stellt die Ergebnisse als Frequenzdiagramm dar.

Zur Erläuterung der Funktionen eines Frequenzgangmessplatzes soll dieser simuliert werden. Dazu muss der Auswertungsalgorithmus gezeigt werden. Dadurch wird auch klar, dass Frequenzgangmesser nicht billig sein können. Messung von Betrag und Phase eines Zweipols (Abb. 1-64): Die Effektivwertildung erfordert die Mittelung der Sinusquadratsignale. Deshalb muss für jeden Messwert der stationäre Zustand abgewartet werden. Wir zeigen dies hier für ein P-T1-Glied bei Grenzfrequenz. Abb. 1-64 Einstellung der Parameter einer Frequenzgangsimulation: Es sind die gleichen, die auch bei einem Messplatz einzustellen sind.

Das Bode-Diagramm

45

Die Struktur eines Frequenzgangmessers Frequenzgangmesser stellen im vorgegebenen Messbereich eine Frequenz nach der anderen ein und bestimmen Amplitudenverhältnisse und Phasenverschiebungen. Die folgende Struktur Abb. 1-65 zeigt die Berechnungen im Einzelnen. Sie werden in älteren Frequenzgangmessern durch elektronische Schaltungen realisiert. Heute erledigt dies eine Sotfware. Cosinus Blind-Anteil

Im

Im.eff PT2

f0 1 Hz A 1 Ph -90 °

Sinus

Test-Objekt I

K 2 T.mit 10 s 0,5 Amplitude d

Bertag

Reset

Ti 1 s

Test-Frequenz -langsame Variation-

Re Wirk-Anteil

K 2 T.mit 10 s d 0,5

Sättigung

1

OF

2

UF

phi/rad arcsin

SU 1 SL -1

phi/100°

Re.eff PT2

Frequenzgang -Messung

Phase sin phi

cal.I 0,69 T.mit 10 s d 0,5

Hold

f/Hz 0,16

Betrag.eff PT2

I

f0 1 Hz A 1 Ph 0 °

Imaginärteil

PT2

Realteil

K 0,66 T.mit 10 s d 0,5

Abb. 1-65 Berechnung von Betrag und Phase eines Messsignals: Die Proportionalitätsfaktoren K dienen zur Kalibrierung der Messungen. Die P-T2-Glieder dienen zur Mittelwertbildung. Ihre Zeitkonstanten T.Mit müssen umso größer eingestellt werden, je tiefer die Messfrequenz ist.

Erläuterungen zu Abb. 1-65  Den Effektivwert des Betrags |F| erhält man durch die Quadrierung und Mittelung des Amplitudenverhältnisses (siehe Kapitel 1).  Den Effektivwert des Imaginärteils erhält man durch die Multiplikation des Ausgangssignals mit dem Eingangssignal. Bei einer Phasenverschiebung von 0° ist der Mittelwert maximal, bei einer Phasenverschiebung von 90° ist er null.  Den Sinus der Phasenverschiebung  erhält man aus dem Verhältnis von Imaginärteil Im und dem Betrag des Ausgangssignals: Aus sin =Im(F)/|F| folgt =arc sin . Als Beispiele zeigen wir die Frequenzgänge eines proportionalen Systems mit Verzögerung (P-T1) und eines differenzierenden Systems mit Verzögerung (D-T1). Bei Systemen 1. Ordnung ist dies sowohl im Zeit- als auch im Frequenzbereich noch leicht möglich, für die nur der statische Übertragungsfaktor K und nur eine Zeitkonstante T bestimmt werden muss. Bei Systemen höherer als 2. Ordnung (Abschn.1.3.6) ist die Bestimmung von Zeitkonstanten im Zeitbereich schwierig und ungenau. Wie dies im Frequenzbereich mit Hilfe des Bode-Diagramms gelingt, soll nun gezeigt werden.

46

1.2.3

Elektrische Dynamik – Teil 2

Frequenzgang und Sprungantwort (Ersatztransformation)

Gegeben sei ein berechneter Frequenzgang F(jω). Gesucht wird die Sprungantwort f(t) dazu. Sie kann nach Laplace mittels Transformationstabelle ermittelt werden. Durch Simulation haben wir es einfacher. Was aber, wenn dieses Werkzeug nicht zur Verfügung steht und man sich eine schnelle Übersicht des Systemverhaltens verschaffen möchte? Dann genügt eine Näherung der Sprungantwort. Wie sie aus dem Frequenzgang erzeugt wird, soll nun gezeigt werden. Für den Praktiker sind Laplace-Transformationen mit Tabellen zu rechenaufwändig. Er möchte meist schnell und einfach erfahren, wie sich ein System, dessen Frequenzgang F(j) er komplex berechnet hat, nach der Aufschaltung eines Testsprungs im Zeitbereich verhält. Dafür verwendet der Autor eine einfache Ersatztransformation (Abb. 1-66):

Abb. 1-66 Zur näherungsweisen Berechnung der Sprungantwort eines Systems aus dessen Frequenzgang wird die imaginäre Frequenz j durch 1/t ersetzt. Elektrische Beispiele dazu finden Sie im nächsten Abschnitt.

Begründung der Ersatztransformation: Aus der Fourieranalyse weiß man, dass sich die Rechteckfunktion aus der Überlagerung von Sinusfunktionen mit passenden Frequenzen und Amplituden zusammensetzen lässt. In der Nähe des Zeitnullpunkts, wo die Flanken steil sind, müssen die Frequenzen hoch sein. Abb. 1-67 zeigt: t→0 bedeutet f→. Bei großen Zeiten (statisch) ist der Sprung konstant, seine Flankensteilheit geht gegen null. Dies entspricht niedrigen Frequenzen: t →  bedeutet f→0.

Abb. 1-67 Fouriersynthese - links: Erzeugung eines angenäherten Rechtecks aus Grundund Oberwellen

Das heißt: Wenn die Zeit t von 0 nach  läuft, laufen die Frequenzen f von  nach 0. So entspricht f~1/t oder t~1/f. Wenn wir in einem Frequenzgang F(jω) die imaginäre Frequenz jω durch 1/t ersetzen, erhalten wir eine Zeitfunktion, die die Sprungantwort näherungsweise wiedergibt.

Das Bode-Diagramm

47

Beispiel: Verzögerung 2. Ordnung (P-T2): Dies ist ihr Frequenzgang: (

)

(

)

Wir ersetzen die imaginäre Kreisfrequenz jω durch 1/t. Nach Beseitigung der Doppelbrüche von t/T.0 und Normalisierung erhalten wir die erste Näherung der Sprungantwort: ( ⁄ ) ( ) ( ⁄ ) ( ⁄ ) Zum Vergleich sollen die genaue Sprungantwort und ihre erste Näherung simuliert werden. Wir wählen z.B. die Dämpfungen d=1/2 (optimale Dynamik) und d=1 (aperiodischer Grenzfall). t/s

t/T.0

Sprungantwort näherungsweise

(t/T.0)²

1

P-T2

t

2

A 1 s-1

~f(t)

T..0/s

Konstante

1

1

1

2

Schritt

2d*(t/T.0) d

= f(t)

2d

PT2

1 K 2

H 1

Verzögerung (Tiefpass) 2.Ordnung

K 1 T.0 1 s d 1

Abb. 1-68 Struktur zur Simulation der 1.Näherung der Sprungantwort eines P-T2-Systems

f(t)

f(t)

genau

genau 1. Näherung

1. Näherung Sprungantworten einer Verzögerung 2.Ordnung

Sprungantworten einer Verzögerung 2.Ordnung d=1

d=1/2 Zeit t/T.0

Zeit t/T.0

Abb. 1-69 Simulation der Sprungantwort eines P-T2-Systems und seiner 1.Näherung für die Dämpfungen d=1/2 und d=1

Vergleich: Die erste Näherung stimmt mit der genauen Sprungantwort bei großen und kleinen Zeiten überein. In der Umgebung von π∙T.0 ist der Fehler am größten. Schwingungen kann die Näherung nicht wiedergeben.

48

Elektrische Dynamik – Teil 2

Amplituden und Phasen bei einfacher und doppelter Integration Zu Abb. 1-70: Aus einer gemessenen Beschleunigung wird durch einfache Integration die Geschwindigkeit und durch nochmalige Integration der Weg. Eine Anwendung dazu ist die Trägheitsnavigation. Ihr ist der Abschnitt 2.3 gewidmet. Abb. 1-70 zeigt die Struktur zur Berechnung der Amplituden- und Phasengänge von Geschwindigkeit und Weg bei sinusförmiger Beschleunigung. I

Sinus

Integration einer Sinus-Funktion

f

einfach und doppelt-integral

I I

I

Reset

Reset

Ti 1

Ti 1

Abb. 1-70 Untersuchung der einfachen und doppelten Integration im Frequenzbereich

Abb. 1-71 zeigt die Amplituden- und Phasengänge bei einfacher und doppelter Integration:

I.op

I.op*I.op

*s I.op*I.op

I.op

Abb. 1-71 einfache und doppelte Integration - oben die Amplituden, unten die Phasenverschiebungen - rechts: Asymptoten und Phasen bei einfacher und doppelter Integration

Erläuterungen zu Abb. 1-71: oben: Die Fläche unter dem Sinus (das Integral) sinkt bei einfacher Integration mit 1/ ~ -20db/Dek und bei doppelter Integration mit 1/² ~ -40dB/Dek ab. unten: Dazu gehört bei einfacher Integration eine Phasenverschiebung von -90° = -/2 rad und bei doppelter Integration eine Phasenverschiebung von -180° = -  rad.

Das Bode-Diagramm

1.2.4

49

Graphisches Rechnen im Bode-Diagramm

Ein gegenüber allen linearen Darstellungen von Funktionen besonderer Vorteil des Bode-Diagramms ist, dass dessen Asymptoten graphisch berechnet werden können. Das wird u.a. in Bd. 5/7, Kap. 9 zur Dimensionierung von PID-Reglern gebraucht. Hier soll gezeigt werden, wie elementare Rechenoperationen für Amplituden im BodeDiagramm ausgeführt werden. Unabhängige Variable ist die Frequenz f (in Hz/1/s) bzw. die Kreisfrequenz ω=2π∙f (in rad/s=1/s). Gezeigt werden sollen die 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Multiplikation eines Frequenzgangs |F.1| mit einer Konstante K Division eines Frequenzgangs |F.1| durch eine Konstante K Differenzierung eines Frequenzgangs |F.1| Integration eines Frequenzgangs |F.1| Addition eines Frequenzgangs |F| und einer Konstante K Subtraktion eines Frequenzgangs |F| von einer Konstante K

Als Testobjekt, auf das diese Operationen angewendet werden sollen, wählen wir z.B. einen Tiefpass PT1 (Verzögerung 1. Ordnung). Sein Betrag heißt |F.1|. Der Betrag der Konstante K muss größer als null sein: |K|>0. Im Bode-Diagramm hat sie den Wert k/dB=20∙lg(K). Zu 1: Multiplikation eines Frequenzgangs |F.1|(ω) mit einer Konstante K (Abb. 1-72) Auszuführen ist die Multiplikation |F.2| = |F.2| ∙ K Daraus wird im Bode-Diagramm |F.2| /dB = 20∙lg |F.1| + 20∙lg |K| Für K>1 wird F parallel nach oben verschoben. Für K>K oder |F.1|>K, |F.1| D-T1, Verzögerung 2. Ordnung => P-T2.

Vor dem Bindestrich steht der Charakter des Systems (z.B. P, I oder D), danach folgt seine Ordnung (T1, T2). Sie bezeichnet die Anzahl der entkoppelten Energiespeicher (z.B. C oder L). Die Entkopplung erfolgt z.B durch Widerstände R oder Verstärker.

G(s)

b0  b1s  bmsm K a0  a1s  ansn b0: 1 a0: 1

Abb. 1-79 nicht normalisierter Frequenzgang

Berechnung normalisierter Frequenzgänge Zur Dimensionierung komplexer Systeme müssen die Zusammenhänge zwischen den Grenz- und Resonanzfrequenzen und den Bauelementen bekannt sein. Um sie zu ermitteln, müssen die komplex berechneten Frequenzgänge in 1-normalisierter Form geschrieben werden. Was darunter zu verstehen ist, zeigen wir im folgenden Abschnitt. Um ein System aus Bauelementen dimensionieren zu können (d.h., die Bauelemente so zu bemessen, dass geforderte Systemzeitkonstanten entstehen), muss der normalisierte Frequenzgang berechnet werden. Um einen Frequenzgang nach Abb. 1-80 zu normalisieren, müssen die Konstanten a.0 im Zähler und b.0 im Nenner vorgezogen (ausgeklammert) werden. Abb. 1-80 Realisierung beliebiger Frequenzgänge in nichtnormalisierter Form durch SimApp: Die imaginäre Frequenz wird als s = jω geschrieben. Rechts: ein Bandpass als Beispiel

Jede Zählerzeitkonstante T.Z bringt im Amplitudengang ab Grenzfrequenz 1/T.Z einen zusätzlichen, asymptotischen Anstieg um 20dB/Dekade und eine zusätzliche Phasenverschiebung um +90°. Jede Nennerzeitkonstante T.N bringt im Amplitudengang ab Grenzfrequenz 1/T.N einen zusätzlichen, asymptotischen Abfall um 20dB/Dekade und eine zusätzliche Phasenverschiebung um -90°. Deshalb stellt nur das Bode-Diagramm normalisierte Frequenzgänge adäquat dar.

56

Elektrische Dynamik – Teil 2

Frequenzgang eines P-T1-Gliedes (Abb. 1-81) Beim idealen Proportionalglied ist der Betrag des Frequenzgangs frequenzunabhängig. Der Imaginärteil und die Phasenverschiebung sind null. Reale P-Systeme haben immer noch eine Verzögerung oder einen Vorhalt. Diese treten erst bei höheren Frequenzen in Erscheinung.

Abb. 1-81 Betrag und Phase eines P-Gliedes mit Verzögerung: Kennzeichen sind die Grenzfrequenz und die statische Konstante K, die im Bode-Diagramm als 20dB∙lg(K) erscheint.

Bei Systemen 1. Ordnung ist dies sowohl im Zeit- als auch im Frequenzbereich noch leicht möglich, da nur der statische Übertragungsfaktor K und nur eine Zeitkonstante T bestimmt werden müssen. Bei Systemen höherer als 2. Ordnung (Abschn. 1.3) ist die Bestimmung von Zeitkonstanten im Zeitbereich unmöglich. Wie dies im Frequenzbereich mit Hilfe des Bode-Diagramms gelingt, soll gezeigt werden. Frequenzgang eines D-T1-Gliedes (Abb. 1-82) Beim idealen Differenzierer ist der Betrag des Frequenzgangs frequenzproportional. Der Betrag ist gleich dem des Imaginärteils. Die Phase ist frequenzunabhängig +90°. Das Kennzeichen eines Differenzierers ist seine Durchtrittsfrequenz ω.D. Bei ω.D=1/T.D ist |F|=1. Reale D-Systeme haben immer noch eine Verzögerung. Diese treten erst bei höheren Frequenzen in Erscheinung. Abb. 1-82 Betrag und Phase eines D-Gliedes: Bei der Durchtrittsfrequenz ω.D=1/T.D ist |F|=1.

Das Bode-Diagramm

57

1. Schwingungsfähiges System mit zwei Integratoren (Abb. 1-84) Schwingende Systeme werden durch zwei Parameter charakterisiert Abb. 1-83):  die Eigenzeitkonstante T.0: Sie ist etwa das 2π≈7-fache der leicht messbaren Eigenperiode t.0.  durch ihr relatives Überschwingen ÜS über den Endwert (=100%). Zu zeigen ist, wie Schwingungen mit der Eigenperiode t.0=2π·T.0 entstehen Abb. 1-83) und - wie aus dem Überschwingen ÜS der Dämpfungsparameter d bestimmt wird. d wird zur Simulation des Frequenz-gangs gebraucht (Abb. 1-84). Abb. 1-83 Sprungantwort eines schwingenden Systems aus zwei Integratoren

Abb. 1-84 zeigt die Entstehung der Dämpfung durch die Gegenkopplung eines Integrators, der dadurch zu einer einfachen Verzögerung wird. inp

I.1

I.2

I

I

Reset

H 10 TD 0 s

T.1 1 s

out

Reset

T.2 1 s

Dämpfung P

d 0,5

Abb. 1-84 Struktur eines schwingungsfähigen Systems mit zwei Integratoren

 

Schwingungen entstehen durch die Signalverzögerung im Kreis durch die Integratoren. Sie repräsentieren die Energiespeicher eines Systems. Dämpfung entsteht durch Gegenkopplung der Geschwindigkeit. Der Propotionalitätsfaktor repräsentiert die Reibung eines Systems (den Energieverbraucher).

58

Elektrische Dynamik – Teil 2

Berechnung des Frequenzgangs mit der Eigenfrequenz ω.0 und der Dämpfung d: ⁄ ⁄ und F.R=1 ergibt den Gl. 1-12 normalisierten Frequenzgang einer Verzögerung 2. Ordnung

F

1 1  1  j  T .1  k .D  ( j )2  T .1  T .2 1  j  2d  T .0  ( j  T .0) 2

Der Vergleich des 1-normalisierten Frequenzgangs mit der allgemeinen Form (Gl. 1-12) für T2-Verzögerungen ergibt die Eigenperiode







und die Dämpfung



.

In der Sprungantwort Abb. 1-83 erkennt man die Eigenperiode t.0 = ∙T.0/2 und das maximale relative ( ) . Überschwingen: Daraus lässt sich die Dämpfung d des Systems in guter Näherung berechnen: 

Gl. 1-13 Dämpfung und Überschwingen



Wenn man Integratoren zur Erzeugung schwingungsfähiger Systeme verwendet, kann sowohl der Sprung als auch der Sinus als Testsignal verwendet werden. Der Grund: Die Simulation startet bei t=0 - und da sind die Integratorausgänge ebenfalls gleich null. Ein Beispiel zur Dimensionierung eines elektrischen Systems 2. Ordnung aus Induktivität L, Kapazität C und Widerstand R finden Sie in Kapitel 5 ‚Magnetismus‘, ‚DC-DC-Wandler‘. Die im nächsten Kapitel behandelten mechanischen Systeme aus Masse, Feder und Dämpfer verhalten sich analog, sofern die Haftreibung vernachlässigbar ist. 2. Schwingungsfähiges System mit zwei Differenzierern Ein schwingungsfähiges System entsteht auch durch differenzierende Rückkopplungen. Warum das so ist, zeigt die Berechnung Abb. 1-85: x.a(f )

x.e(f) f

Dämpfung P x.e(f )

k.d = 0,5

D D

TD 1 s

D D

TD 1 s

Abb. 1-85 Struktur eines schwingungsfähigen Systems mit zwei Differenzierern

Das Bode-Diagramm

59

Abb. 1-86 zeigt den Frequenzgang eines schwingungsfähigen Systems mit Differenzierern:

~1/f²= -40dB/Dek

Kreisfrequenz om*s

Abb. 1-86 schwingungsfähiges System mit zwei Differenzierern und sein Frequenzgang (BodeDiagramm)

Berechnung des Frequenzgangs mit Eigenfrequenz ω.0 und Dämpfung d

F .V 

1 1  jT .1  k.d und

F.R  j  T .1* j  T .2

ergibt wie vorher F

1 1  1  j  T .1  k.d  ( j ) 2  T .1  T .2 1  j  2d  T .0  ( j  T .0) 2

die Eigenperiode





und die Dämpfung





Verwendet man Differenzierer zur Simulation, kann eine Sprungantwort nicht berechnet werden. Der Grund: Bei t=0 werden die Differenziererausgänge unendlich, was zu einer Fehlermeldung führt (algebraische Schleife). Daher wählen wir den Sinus als Testfunktion und lassen uns den Frequenzgang durch Simulation ermitteln. Zusammenfassung von Frequenzgängen Während die Berechnungen dynamischer Systeme im Zeitbereich durch Differenzialgleichungen umso komplizierter werden, je umfangreicher ein System ist, werden die Berechnungen im Frequenzbereich in komplexer Form nur aufwändiger, aber prinzipiell nicht schwieriger. Der Grund dafür ist, dass sich in linearen Systemen die Sinusform nicht ändert (Sinus bleibt Sinus). Dadurch reduzieren sich die Berechnungen auf die Angabe von Amplituden (Beträge) und Phasenverschiebungen. Auf letztere kann, wie noch gezeigt werden wird, bei linearen Systemen verzichtet werden, denn der Phasenverlauf ist durch die Steigung des Betragsverlaufs festgelegt (Abb. 1-110).

60

Elektrische Dynamik – Teil 2

Wie bereits in Kapitel 1 gezeigt, multiplizieren sich die statischen Übertragungsfaktoren (da G.1 und G.2) bei Hintereinanderschaltung und addieren sich bei Parallelschaltung. Das gilt auch, wenn diese (durch Energiespeicher) komplex und frequenzabhängig werden. F21

F.1 PT1

Schritt x.e

H 10 TD 0 s

PT1

K.1 1 T.1 1 s

x.a-ser1

K 1 T2 1 s

Zusammenfassung einer Serienschaltung F=F.1*F.2

K

zeitlich richtig

1 sT11 sT2 

x.a-ser2

K 0,99 T1 1 s T2 1 s

Abb. 1-87 Zusammenfassung einer Serienschaltung durch Multiplikation der Frequenzgänge: Zwei in Serie liegende Zeitkonstanten ergeben eine kriechende Sprungantwort mit waagerechter Anfangstangente. In SimApp werden sie durch den Block P-T1 (unten) dargestellt.

Der Symbolwechsel von der Sprungantwort zum komplexen Frequenzgang erfolgt in SimApp durch die rechte Maustaste (Auswahlmenü). Die Serienschaltung von F.1 und F.2 ist das Produkt beider: F(Ser) = F.1 ∙ F.2 Im Frequenzbereich ist die Serienschaltung das Produkt der Frequenzgänge. Serienschaltungen werden in Exponentenform (cos φ + j sin φ = ej φ) berechnet: |

| |

|

(

)

(

)

Parallelschaltungen (Abb. 1-88) werden in Komponentenform (Realteile a.1 und a.2, Imaginärteile b.1 und b.2) berechnet: Zum Glück müssen wir dies dank SimApp nicht selbst erledigen.

Abb. 1-88 Zusammenfassung einer Parallelschaltung durch Addition der Frequenzgänge – und zwar getrennt nach Real- und Imaginärteil: In SimApp gibt es keinen vordefinierten Block für diesen Fall. Er muss durch → Blockbildung erzeugt werden.

Das Bode-Diagramm

61

Hintereinanderausführung von Integration und Differenzierung Frequenzgänge lassen sich elektronisch durch Operationsverstärker realisieren (Abb. 1-35). Als Beispiel zeigt Abb. 1-89 proportionales Verhalten mit induktiver und kapazitiver Beschaltung. L.R

C.R

C.E L.E

u.e

0mV

-

u.a

u.e

0mV

-

u.a

+

+

Abb. 1-89 proportionale Inverter: links: Der induktiv beschaltete Inverter wird mit steigender Frequenz hochohmiger - rechts: Der kapazitiv beschaltete Inverter wird mit steigender Frequenz niederohmiger - im Eingang: Die ansteuernde Spannung u.e ist sinusförmig.

I- und D-Operationen im Frequenzbereich (Abb. 1-90) Durch Variation der Testfrequenz  kann das Verhalten des Systems von langsamsten bis zu schnellsten Variationen untersucht werden. Dadurch werden der Charakter eines Systems und die gesuchten Grenz- und Resonanzfrequenzen erkannt. Abb. 1-90 zeigt einige Beispiele: Abb. 1-90 Symbole für den Frequenzbereich - oberer Zweig: Differenzierung und Integration – unterer Zweig: Vorhalt und Verzögerung

Die Operatorschreibweise Ähnlich übersichtlich wie die Blockdarstellung in der Struktur ist die Schreibweise von Integration und Differenzierung als Operator. Die Nacheinanderausführung beider Operationen ergibt wieder Proportionalität: I.Op = dt, D.Op = d/dT Der Integrator:

→ (d/dt)∙(dt) = 1 = D.Op∙I.Op

-u.a/u.T = (1/T.I) ∙I.Op∙u.T – mit T.I = C.R∙R.E

D.Op = d/dt → -u.a/u.e = T.D ∙D.Op∙u.e – mit T.D = C.E∙R.R P-I-D im Zeitbereich : x.a = k.P∙x.e x.a = x.e∙dt / T.I

x.a = T.D ∙ dx.e / dt

P-I-D im Frequenzbereich: x.a = k.P∙x.e x.a = x.e / (j∙T.I)

x.a = x.e∙ j∙T.D

62

1.2.6

Elektrische Dynamik – Teil 2

Optimale Dynamik im Frequenzbereich

Aus Teil 1, Kap. 1.7.3 ist das Zeitverhalten von Systemen 2. Ordnung bekannt. Wir zeigen es hier noch einmal in Abb. 1-91. Abb. 1-91 zeigt die Möglichkeiten der Dämpfungseinstellung im Zeitbereich. Ein Kreis mit optimaler Dynamik (d=0,5) schwingt bei Sprunganregung maximal um 15% über seinen Endwert hinaus. Abb. 1-91 die Sprungantworten eines Tiefpasses 2. Ordnung mit den Frequenzgängen von Abb. 1-92

Zeit t/T.0

Nun soll das Frequenzverhalten eines entsprechenden Tiefpasses 2. Ordnung bei großer, mittlerer und kleiner Dämpfung untersucht werden. Gesucht werden der Betrag und die Phasenverschiebung für kleine, mittlere und große Dämpfung. Abb. 1-92 zeigt die Simulation des Amplitudengangs und die zugehörigen Phasenverschiebungen:

P.T2 als Tiefpass

K 1 2dTs  T2s2 K 1 T.0 1 s d 0,5

20*lg(k) -90°

.0=1/T.0

-20dB/Dek -90°

Kreisfrequenz

-40dB/Dek -180°

in rad/s

Abb. 1-92 Die Amplitudengänge von drei P-T2-Systemen mit unterschiedlicher Dämpfung – blau: schwach – rot: optimal – grün: stark

Zur Erläuterung des P.T2 Tiefpasses sollen nun die in Abb. 1-92 dargestellten Fälle, die sich durch ihre Dämpfung unterscheiden, beschrieben werden.

Das Bode-Diagramm

63

1. Träges System: d>>1, -90° Dann verhalten sich der offene Kreis – und damit auch der geschlossene Kreis – wie eine Verzögerung 1. Ordnung. Trägheit ist eine Sicherheitseinstellung. Sie wird immer dann gewählt,  wenn Geschwindigkeit nicht so wichtig ist oder  wenn befürchtet werden muss, dass sich die Reibung im System während des Betriebs verringert (= verschlechtert). Das wirkt entdämpfend und birgt die Gefahr der Instabilität. 2. Instabilität: d=0, ±180° . Gl. 1-9 zeigt, dass der Frequenzgang bei ω.0 gegen ∞ geht. Damit ist Dieser Resonanzfall ist in der Praxis unbedingt zu vermeiden, denn dann oszilliert der Ausgang des Systems um seinen Mittelwert. Die Höhe des Mittelwerts und die Ausgangsamplitude sind proportional zur Höhe des Anstoßes x.e. 3. Optimale Dynamik: φ.0 = -135° Dieser Fall ist das Optimum zwischen Stabilität einerseits und Geschwindigkeit andererseits, siehe Abb. 1-76. Abb. 1-91 hat gezeigt: Bei optimaler Dynamik ist das maximale Überschwingen ca. 15% über den Endwert (100%). Dieser Fall wird bei Regleroptimierungen angestrebt. Einzelheiten dazu finden Sie in Kapitel 9 ‘PID-Regelungen‘ und in der ‚Simulierten Regelungstechnik‘. Nun sollen Betrag und Phase des geschlossenen Kreises den Fall optimaler Dynamik komplex berechnet werden.

|

| (

Der offene Kreis hat |F.0|=1 und φ.0=-135°. Die komplexe Grenze ist F.g setzen wir in die Gegenkopplungsgleichung Gl. 1-9 ein und erhalten die Grenzwerte der optimalen Dynamik:

) für

√ √ √

|F.g|=1,3=+2,3dB und φ.gr=-113° Der geschlossene Kreis hat an der Grenze zwischen Steuerung und Regelung (|F.0|=1) den Betrag |F.g|=1,3=2,3dB und die Phasenverschiebung φ.g = -113°. Bei schwingungsfähigen Systemen zeigt sich optimale Dynamik  im Zeitbereich durch ein Überschwingen von 15% und  im Frequenzbereich durch eine Resonanzüberhöhung von 2,3dB. Dieser Fall wird durch die optimale Dämpfung d.opt=0,5 simuliert.

64

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.2.7

Dynamische Entflechtung

Durch Systemanalyse soll der Zusammenhang zwischen den Eigenschaften eines Systems (stationärer Übertragungsfaktor K, Zeitkonstanten T, Dämpfung d) und seinen Bauelementen (in diesem Kapitel elektrisch R, L und C, im nächsten Kapitel die dazu analogen mechanischen Konstanten für Dämpfer, Masse und Feder) geklärt werden. Dazu muss der Frequenzgang F (jω)=x.a(jω)/x.e komplex berechnet werden. Klassisch müssten dazu Gleichungen umgeformt und aufgelöst werden. Bei Frequenzgängen wird das schnell unübersichtlich und ist entsprechend fehlerträchtig. In Bd. 1/7, Kap. 1.4, haben wir gezeigt, wie statische Übertragungsfaktoren G=x.a/x.e symbolisch berechnet werden können. Dort waren die einzelnen Übertragungsfaktoren des Systems Konstanten k.i, z.B. ohmsche Widerstände R. Hier soll gezeigt werden, wie komplexe Frequenzgänge F=(jω) von dynamischen Systemen nach dem gleichen Verfahren berechnet werden können. Dann sind die einzelnen Übertragungsfaktoren Frequenzgänge F.i(jω) z.B. induktive Blindwiderstände X.L= jω∙L oder kapazitive Blindwiderstände X.C=1/(jω∙C). Dazu benötigen wir die Gegenkopplungsgleichung für unverschachtelte dynamische Systeme: Gl. 1-10

komplexer Frequenzgang mit dem Kreisfrequenzgang F.0=F.V∙F.R

(

)



Abb. 1-93 zeigt die Umwandlung einer Gegenkopplung in eine Hinereinanderausführung zweier Frequenzgänge nach Gl. 1-9. Bei Regelungen geht der zweite Term gegen 1.

Abb. 1-93 Berechnung des Frequenzgangs einer Gegenkopplung nach Gl. 1-9: Das gegengekoppelte Bezugssystem (links) muss verzögert sein, d.h. es darf keine algebraische Schleife enthalten, um simulierbar zu sein.

Gl. 1-9 ist der Frequenzgang einer Gegenkopplung mit mit dem Vorwärtsfrequenzgang F.V und dem Rückwärtsfrequenzgang F.R. Sein Verhalten hängt vom Betrag |F.0| des Kreisfrequenzgangs ab. Gl. 1-14

Frequenzgang der Kreisverstärkung



Das zeigt die folgende Diskussion. Bei Kreisverstärkungen |F.0| sind zwei Fälle und ein Sonderfall möglich: 

Steuerung:

|F.0|1 → F→1/k.R; x.a→ x.max=x.e/k.R

→ |F|0

Hoch-Pass

+

Hochpässe dienen zur Unterdrückung des statischen Anteils (Gleichanteil) eines Signals. Danach kann der Wechselanteil allein verstärkt werden. Von welcher Frequenz ab Signale weiterverarbeitet werden, bestimmt die Grenzfrequenz .g des Hochpasses, die als Funktion seiner Bauelemente zu berechnen ist. Abb. 1-120 zeigt die Simulation des aktiven Hochpasses 1. Ordnung (Abb. 1-120)

Schritt

DT1 DT1

H1

Vorhalt

TD 1 s T1 0,1 s

Frequenz

f

DT1 Amplitude

Hochpass

TDs 1  T1s TD 1 s T1 0,1 s

Abb. 1-120 links: Struktur eines Vorhalts im Zeitbereich – rechts: das gleiche System als Hochpass im Frequenzbereich (Die Umschaltung des Symbols erfolgt in SimApp durch die rechte Maustaste.)

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

81

Abb. 1-121 zeigt den Amplitudengang eines Hochpasses 1. Ordnung und die zugehörige Sprungantwort:

t Abb. 1-121 Hochpass und Vorhalt 1. Ordnung: links der Frequenzgang und rechts die Sprungantwort: Aus beiden lässt sich die Grenzfrequenz ω.g=1/T entnehmen.

Der komplexe Frequenzgang des aktiven Hochpasses 1. Ordnung Rückführwiderstand: Eingangsimpedanz: Frequenzgang:

Z.R = R.R Z.E = R.E + 1/(jC) 

Das ist der Frequenzgang eines Hochpasses 1. Ordnung mit der Zeitkonstante T=C.E∙R.E. Frequenzgang und Sprungantwort des Hochpasses 1. Ordnung ( )



( )

Diskussion des Hochpasses im Zeit- und im Frequenzbereich für T.D=T.1: T.D bestimmt die Durchtrittsfrequenz des Hochpasses: .D = 1/T1. T1 bestimmt die Grenzfrequenz des Hochpasses: .g=1/T. Frequenzen  1/T1 --->

*s

K 1 T 1 s

Abb. 1-122 Tiefpass 1. Ordnung: Der Amplitudenverlauf kann für die Bereiche hoher und tiefer Frequenzen durch Asymptoten angenähert werden. Deren Schnittpunkt kennzeichnet die Grenzfrequenz des Systems. Einstellbar sind die statische Verstärkung K und die Zeitkonstante T.

Nun ist für konkrete Beispiele zu klären, wie die Zeitkonstanten des Tiefpasses von den Bauelementen abhängen. Das ermöglicht  die Berechnung der Systemdaten bei bekannten Parametern der Bauelemente oder  die Dimensionierung der Bauelemente bei geforderten Systemdaten. Beispiel 1: Ein kapazitiv belasteter Spannungsteiler erzeugt eine Verzögerung, denn der Kondensator macht Spannungsänderungen träge. Abb. 1-123 Der kapazitiv belastete Spannungsteiler ist ein Tiefpass (analoge Verzögerung).

RC-Tiefpass

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

83

Berechnung und Simulation eines kapazitiv belasteten Spannungsteilers Der statische Spannungsteiler ist Ihnen bereits bekannt (Abb. 1-124). Seine Spannungsteilung v.u wird durch das Widerstandsverhältnis bestimmt:

Sein Ausgangswiderstand ist die Parallelschaltung beider Widerstände: = R1//R2 Durch einen Ausgangs-Kondensator C entsteht eine Verzögerung mit der Zeitkonstante T=C∙R.a. Im Frequenzbereich bildet er einen Tiefpass mit der Grenzfrequenz .g=1/T. Zur Simulation des kapazitiv belasteten Spannungsteilers benötigen wir dessen Struktur: u.e i.e u.a u.a/V

P

I Reset

H 10 V TD 0 s

1/R.1 1 mS

1/C 1 1/µF=V/(µAs)

i.R2 u.e/V

i.e/mA

P

1/R2 1 1/kOhm

Abb. 1-124 Tiefpass 1. Ordnung durch proportionale Gegenkopplung eines Integrators

Das Zeitverhalten einer Verzögerung Die Struktur des RC-Tiefpasses (Abb. 1-124) zeigt im Vorwärtszweig einen proportional gegengekoppelten Integrator (den Kondensator C). Dieser stellt seinen Ausgang (hier u.a) im statischen Fall (u.e und alle anderen Signale konstant) so ein, dass sein Eingang (der Strom i.C) zu null wird. Daraus ergibt sich die statische Spannungsteilung. Bei sprungförmiger Änderung der Eingangsspannung verharrt der Integratorausgang (u.a) zunächst auf seinem Anfangswert (hier z.B. null). Dadurch wird er mit maximalem Strom (u.e/R1) geladen, was maximale Ladegeschwindigkeit bedeutet (Δu.a/Δt).max=u.e/(C∙R1). Dann läuft der natürliche Ausgleichsvorgang ab: u.a steigt an, i.e wird kleiner, ebenso die Ladegeschwindigkeit des Kondensators, bis die Endwerte erreicht sind.

84

Elektrische Dynamik – Teil 2

Frequenzgang und Sprungantwort eines kapazitiv belasteten Spannungsteilers Den Frequenzgang F des kapazitiv belasteten Spannungsteilers erhalten wir entweder durch die komplexe Berechnung der Schaltung oder durch die Zusammenfassung der Struktur. Durch die Beseitigung der Doppelbrüche erhält man F in normalisierter Form: (

)

(



)

… und die zugehörige Sprungantwort: ( )

( )

⁄(



)

Die Asymptoten des Amplitudengangs Wichtiger als der genaue Verlauf eines Frequenzgangs ist die Lage der Asymptoten des Amplitudengangs (Abb. 1-125), denn deren Schnittpunkte markieren Systemdaten.

F 0dB

u.e/V

g

i.e/mA

20*lg V

u.a/V

-20dB/Dek

T

Tiefpaß 1.Ordnung

Zeit t/s

Abb. 1-125 Die Asymptoten des kapazitiv belasteten Spannungsteilers: Zu erkennen sind die statische Spannungsteilung (P-Verhalten) und der Amplitudenabfall mit 1/ = -20dB/Dek ab Grenzfrequenz .g (I-Verhalten).

Der genaue Verlauf weicht an diesen Schnittpunkten maximal von den Asymptoten ab und wird dafür exakt berechnet. Die Systemdaten des Tiefpasses 1. Ordnung Zwei Systemdaten sind zu bestimmen: die statische Teilung v.u und die Grenzfrequenz ω.g=1/T. Sie lassen sich aus dem in Normalform geschriebenen, komplexen Frequenzgang ablesen: v.u=R2/(R1+R2)

und

T = C∙(R1//R2)

… mit der Abkürzung R1//R2 für die Parallelschaltung der beiden Widerstände R1 und R2: R1//R2=R1∙R2/(R1+R2). Bei der Grenzfrequenz ist ω.g∙T=1. Dann ist das Amplitudenverhältnis ⁄√ =70% vom statischen Maximum. 70% sind im Bode-Diagramm -3dB. Die Phasenverschiebung ist bei ω.g genau -45°, die Mitte zwischen 0 für den P-Bereich bei tiefen Frequenzen und -90° für den I-Bereich bei hohen Frequenzen (siehe oben).

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

85

Beispiel 2: ein RL-Tiefpass (Abb. 1-126) Eine Verzögerung entsteht auch durch eine Induktivität L im Eingang eines Spannungsteilers, denn Induktivitäten machen Stromänderungen träge.

RL-Tiefpass Abb. 1-126 Tiefpass

induktiver Spannungsteiler als

Berechnungsgrundlage ist wieder die Struktur der Schaltung (Abb. 1-127): u.e

i.e

P

I

P

u.a/V Reset

H 10 V TD 0 s

R2 1 ko

1/L 1 mH

u.RL u.e/V

i.e/mA

P

R1 0,1 ko

Abb. 1-127

Tiefpässe 1. Ordnung aus induktivem Spannungsteiler

Frequenzgang und Sprungantwort zu Abb. 1-127: (

)

( )

(



Die Systemdaten des induktiven Tiefpasses (Abb. 1-128) Wieder sind zwei Systemdaten zu bestimmen: die statische Teilung v.u und die Grenzfrequenz ω.g=1/T. Der Koeffizientenvergleich ergibt: v.u = R2/(R1+R2)

und

T = L/(R1+R2)

Abb. 1-128 zeigt den Amplitudengang eines Spannungsteilers mit induktiver Verzögerung:

F 0dB

g

20*lg V -20dB/Dek

Tiefpaß 1.Ordnung

Zeit t/s

Abb. 1-128 Die Asymptoten des induktiven Spannungsteilers: Zu erkennen sind die statische Spannungsteilung und der Amplitudenabfall mit 1/ = -20dB/Dek ab Grenzfrequenz .g.

86

Elektrische Dynamik – Teil 2

Beispiel 3: Hochspannungstastkopf Hochspannungstastköpfe sollen hohe Spannungen herunterteilen, sodass sie mit handelsüblichen Oszilloskopen (r.e=1MΩ, C.e≈30pF) gemessen werden können. Abb. 1-129 zeigt den Spannungsteiler:

Quelle: https://www.messtech-24.de/ Abb. 1-129 Hochspannungstastkopf: Schaltung und seine Realisierung

Oszilloskope (Abb. 1-42) sollen schnell sein und hochohmig im Eingang, um das Messsignal nicht durch Belastung zu verfälschen. Abb. 1-130 zeigt die Eingangsschaltung mit Hochspannungstastkopf.

Abb. 1-130 Hochspannungstastkopf eines Oszilloskops: Der einstellbare Hochpass mit C.2 kompensiert den unvermeidlichen Tiefpass durch C1: Vorhalt kompensiert Verzögerung.

 

Als Maß für die Schnelligkeit wird die Grenzfrequenz angegeben. Sie liegt bei einfachen Geräten bei 20MHz und kann bis in den GHz-Bereich reichen. Als Maß für die Hochohmigkeit des Eingangs wird der Eingangswiderstand R.e angegeben. Er beträgt standardmäßig 1MΩ.

Die geringste Eingangsempfindlichkeit der Strahlauslenkung ist 20V/cm. Damit kann die Netzwechselspannung, die maximal etwa 350V erreicht, nicht direkt gemessen werden. Deshalb wird als Zubehör ein Hochspannungstastkopf angeboten. Das ist ein Vorwiderstand von 9MΩ. Dadurch wird die Empfindlichkeit auf 200V/cm herabgesetzt. So können Spannungen bis ±1000V gemessen werden. Die Grenzfrequenz der Messanordnung soll sich durch den Tastkopf nicht ändern.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

87

Wenn kurze Spannungsimpulse aus hochohmigen Spannungsquellen gemessen werden sollen, muss das Oszilloskop auch mit Messteiler schnell sein. Allerdings besitzt der Verstärkereingang nicht nur einen Widerstand, sondern auch noch eine Kapazität (C.e, typisch 10pF). Die bildet mit dem Vorwiderstand einen Tiefpass mit viel niedrigerer Grenzfrequenz. Nun soll gezeigt werden, wie diese durch einen einstellbaren Vorhalt auf den alten Wert gebracht werden kann (Abb. 1-131). Abb. 1-131 zeigt die Struktur zum Tastkopf von Abb. 1-130: i.C2

i.R1

DT1

P

C2 2E-6 µF T1 0,01 us

u.e/V

u2

i.R2 P

Grp TD

1 100 V 0 s

1/R1 1 1/Mo

1/R2 0,11 1/Mo

u.o

i.e/µA

I Reset

u.a/V

1/C1 1E-5 1/µF

u.e/V

Abb. 1-131 Struktur zum Tastkopf: Die Verzögerung durch R1∙C1 wird durch den Vorhalt R2’C2 kompensiert.

Abb. 1-132 zeigt den Frequenzgang eines Tastkopfs für leichte Überkompensation:

Abb. 1-132 Frequenzgänge eines Hochspannungstastkopfs: ohne Kompensation und mit leichter Überkompensation

88

Elektrische Dynamik – Teil 2

Berechnung der Tastkopfkompensation Die abgebildete Struktur des Tastkopfes zeigt eine Gegenkopplung mit einer Parallelschaltung und einer Verzögerung im Vorwärtszweig. R2 und C2 bilden die Ströme zur Kompensation der Verzögerung aus R1 und C1. R1 und C1 sind die bekannten Eingangsdaten des Oszilloskops. R2 wird so bemessen, dass die geforderte statische Spannungsteilung von 1:10 entsteht. Da R1=1MΩ ist, muss R2=9MΩ sein. Die Berechnung des Frequenzgangs soll zeigen, wie C2 zu bemessen ist, damit die Teilung auch dynamisch erhalten bleibt. Mit den Zeitkonstanten T1=C1∙R1 und T2=C2∙R2 ergibt die Zusammenfassung der Struktur den Frequenzgang in normalisierter Schreibweise: F 

u.a R1   u.e R1  R 2

1  jT 2 R1 1  j (T 1  T 2) R1  R 2

Der erste Faktor beschreibt den statischen Teiler, der hier auf 1/10 eingestellt ist. Der Zählerfrequenzgang mit der Zeitkonstante T2 bildet den Vorhalt, der die Verzögerung durch die Nennerzeitkonstante, gebildet aus dem statischen Teiler und T1+T2, kompensieren soll. Die Gleichsetzung von Zähler- und Nennerzeitkonstanten liefert die Dimensionierung für den Kondensator C2. Aus T2/T1 = R1/R2 folgt T2 und C2 = T2/R2. Zahlenwerte: T1 = C1∙R1 = 10pF∙1MΩ = 10μs. T2 = T1∙R1/R2 = 1μs → C2 = T2/R2 = 1pF. Abb. 1-133: C2 wird als Trimmer ausgeführt. Als Test dient ein Rechteck, das die meisten Oszilloskope bereitstellen. Zum Abgleich wird C2 so eingestellt, dass das Oszilloskop ein Rechteck anzeigt. Abb. 1-133 zeigt die mit Abb. 1-131 simulierte Frequenzgangkompensation: Kompensationen beseitigen Einstellfehler sofort. Das unterscheidet sie von Regelungen, die erst einen Fehler feststellen müssen, bevor sie reagieren. Allerdings sind Kompensationen genau einzustellen. Andernfalls können sie mehr schaden als nützen.

Abb. 1-133 Sprungantwort eines leicht überkompensierten Tastkopfs, simuliert durch die Struktur von Abb. 1-131

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

1.3.3

89

Hochpässe 1. Ordnung (Vorhalte)

Ein Hochpass entsteht, wenn einem Differenzierer (mit der Zeitkonstante T.D) ein Tiefpass (mit der Zeitkonstante T.1) nachgeschaltet wird. Die HintereinanderAusführung stellt sich komplex als Produkt beider Frequenzgänge dar: Gl. 1-21 Hochpass (=Vorhalt)

Diskussion: Tiefe Frequenzen –> D: +20dB/Dek und +90°, hohe Frequenzen –> P: 0dB/Dekade und 0° Die Zeitkonstanten eines Hochpasses Differenzierer verarbeiten Signale Frequenzproportional, Verzögerungen arbeiten oberhalb ihrer Grenzfrequenz .g=1/T.1 integrierend. Dadurch arbeitet der Hochpass oberhalb von .g proportional. Das Verhältnis der Zähler- und Nennerzeitkonstanten bestimmt die Verstärkung bei hohen Frequenzen: V.HP=T.D/T.1 Bei der Durchtrittsfrequenz .D=1/T.D wird der Betrag |F.HP| des Zählers gleich 1. Je größer die Differenzierzeitkonstante T.D, desto kräftiger ist der Differenzierer und desto kleiner wird .D. Zur Erläuterung des Frequenzgangs der Gl. 1-21 variieren wir zuerst die Differenzierzeitkonstante T.D des Hochpasses. Dadurch ändert sich die Durchtrittsfrequenz .D=1/T.D. Das zeigt Abb. 1-134:

Hochpass 1.Ordnung

TD T1

TD-Variation DT1 DT1

1/T1

*s

TD 1 s T1 1 s

Frequenz f

Abb. 1-134 Die Differenzierzeitkonstante T.D ist das Maß für die Stärke des Differenzierers: Je größer T.D, desto niedriger ist die Durchtrittsfrequenz .D=1/T.D und desto größer wird die Verstärkung bei hohen Frequenzen.

90

Elektrische Dynamik – Teil 2

Variation der Grenzfrequenz des Hochpasses Nun variieren wir in Gl. 1-21 die Verzögerungszeitkonstante T.1.Dadurch ändert sich die Grenzfrequenz .g=1/1/T.1.Das zeigt Abb. 1-135.

Hochpass 1.Ordnung T1-Variation DT1 DT1

---> 1/T1 --->

*s

TD 1 s T1 1 s

Frequenz f

Abb. 1-135 Die Verzögerungszeitkonstante T1 bestimmt die Grenze .g=1/T1 zwischen Dund P-Bereich.

Nun ist wieder anhand von Beispielen zu klären, wie die Zeitkonstanten des Hochpasses von den Bauelementen abhängen. Das ermöglicht  die Berechnung der Systemdaten bei bekannten Parametern der Bauelemente  oder die Dimensionierung der Bauelemente bei geforderten Systemdaten. Der passive RC-Hochpass (Abb. 1-136) Der Widerstandsausgang ist kaum belastbar, denn das würde die Grenzfrequenz verändern. Um das zu verhindern, müsste ein Impedanzwandler (Einheitsverstärker mit hochohmigem Eingang und niederohmigem Ausgang) nachgeschaltet werden. Abb. 1-136 Kapazitiver Hochpass: So heißt er im Frequenzbereich. Im Zeitbereich heißt er Vorhalt.

RC-Hochpass (Vorhalt)

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

91

Die Struktur des RC-Hochpasses (Abb. 1-137) u.e u.a/V

i.e/mA

H 10 V TD 0 s

u.a

i.e

I

P

u.e/V Reset

1/R.V 1 mS

1/C 1 1/µF

Abb. 1-137 RC-Hochpass 1. Ordnung

Frequenzgang und Sprungantwort des RC-Hochpasses (Abb. 1-138) Die Struktur des RC-Hochpasses zeigt im Rückwärtszweig einen Integrator (den Kondensator C). Dieser stellt seinen Ausgang (hier u.a) im statischen Fall (u.e und alle anderen Signale konstant) so ein, dass sein Eingang (der Strom i.C) zu null wird. Bei sprungförmiger Änderung der Eingangsspannung ist C zunächst noch ungeladen (u.C=0). Dadurch springt u.a auf u.e. Danach läuft der natürliche Ausgleichsvorgang ab: u.C steigt an, i.e wird kleiner, ebenso die Ladegeschwindigkeit des Kondensators, bis alle Signale außer u.e null geworden sind. Frequenzgang und Sprungantwort eines RC-Hochpasses: (

( )

)

( )



Abb. 1-138, links, zeigt die Asymptoten des Amplitudengangs eines Hochpasses:

F

g

0dB

20*lg V +20dB/Dek

Hochpass 1.Ordnung

Abb. 1-138 Amplitudengang eines Hochpasses: Verbraucher und Speicher erzeugen eine Zeitkonstante, die sich im Frequenzbereich als Grenzfrequenz .g zeigt. Bis zu .g verhält sich der Hochpass differenzierend, ab .g proportional. – rechts: Strom und Spannung bei einem RC-Vorhalt

92

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Systemdaten des RC-Hochpasses Da bei hohen Frequenzen keine Spannungsteilung auftritt, ist nur die Grenzfrequenz ω.g=1/T zu bestimmen: T=C∙R. Bei der Grenzfrequenz ist ω∙T=1. Dann ist das Amplitudenverhältnis 1/√2≈70% vom Maximum bei hohen Frequenzen (-3dB). Die Phasenverschiebung ist bei ω.g genau +45°, die Mitte zwischen +90° für den D-Bereich bei tiefen Frequenzen und 0° für den P-Bereich bei hohen Frequenzen. Der RL-Hochpass (Abb. 1-139) Eine Induktivität L im Ausgangszweig eines Spannungsteilers macht ihn zum Hochpass. Er verhält sich bei tiefen Frequenzen wie ein Spannungsteiler. Ab einer oberen Grenzfrequenz verschwindet die Teilung.

RL-Hochpass (Vorhalt)

Abb. 1-139 RL-Hochpass

Abb. 1-140 zeigt die Struktur und Berechnung des RL-Hochpasses von Abb. 1-139: u.e u.a/V

u.R1 H 10 V TD 0 s

i.e/mA

P

R1 0,1 ko

u.e/V

u.R2 P

i.e I Reset

R1 1 ko

( ( )

) ( )

1/L 1 mH

⁄(

) ⁄ (

)

Abb. 1-140 RL-Hochpass 1. Ordnung: oben seine Struktur, darunter die Berechnung im Frequenz- und Zeitbereich

Der komplexe Frequenzgang ergibt sich aus Abb. 1-139 einfach dadurch, dass man die Widerstände, über denen u.a und u.e abfallen, ins Verhältnis setzt. Die genaue Berechnung der Sprungantwort ist bei diesem Beispiel so kompliziert, dass wir darauf verzichten wollen. Man findet die angegebene Formel f(t) in Korrespondenztabellen zur Laplace-Transformation (Abschn. 1.1.4, Tab. 1-1).

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

93

Abb. 1-141 zeigt die Asymptoten des Amplitudengangs zum RL-Hochpass von Abb. 1-139: RL-Hochpass 1.Ordnung

u.e/V i.e/mA

u.a/V Zeit t/s

Abb. 1-141 Amplitudengang eines RL-Hochpasses: Verbraucher und Speicher erzeugen Zeitkonstanten, die sich im Frequenzbereich als Grenzfrequenzen .Z und .N zeigen. Bis zu .Z und .N verhält sich der Hochpass differenzierend, vor .Z und nach .N proportional.

Dimensionierung des RL-Hochpasses Gefordert werden die Teilung V und die Grenzkreisfrequenzen ω.Z und ω.Z. Gesucht werden die Induktivität L und die Teilerwiderstände R.1 und R.2. Aus dem Frequenzgang der Abb. 1-140 folgen die Systemdaten (1) ω.Z=(R1+R2)/L

(2) V=R1/(R1+R2)

und

(3) ω.N=R1/L

Es scheint so, als könnten die drei Unbekannten L, R.1, R.2 mit diesen drei Gleichungen berechnet werden. Das ist jedoch nicht der Fall, denn ω.Z/ω.N=1+R.2/R.1=1/V. Daher muss ein Bauelement gewählt werden, z.B. R.1=1kΩ. Aus (3) folgt L=R.1/ω.N. Aus (1) folgt R.1+R.2=ω.Z·L und R.2=ω.Z·L-R.1.

1.3.4

Bandpass, Bandsperre (Notchfliter) und Allpass

Bandpass und Bandsperre übertragen nur einen eingeschränkten Frequenzbereich: Der Bandpass betont ihn, die Bandsperre unterdrückt ihn. Der Allpass verschiebt bei steigender Frequenz nur die Phase, ohne an der Amplitude etwas zu verändern. Das soll nun durch Simulation veranschaulicht werden. Anwendung: Jede Audioanlage (Abb. 1-146) ist ein Bandpass (Kap. 1.3.10). Der Hochpass im Audioverstärker hält Gleichströme von den Lautsprechern fern. Ein Tiefpass hält die Bässe von den Hochtonlautsprechern fern und verhindert so deren Übersteuerung. Der aktive RC-Bandpass Bandpässe entstehen durch die Hintereinanderausführung eines Hoch- und eines Tiefpasses (Abb. 1-142). Deshalb sind deren Freqenzgänge im Frequenzbereich zu multiplizieren (Gl. 1-23 Bandpass). Wir untersuchen hier zunächst den einfachsten Fall, einen Bandpass aus zwei durch einen Operationsverstärker entkoppelten Systemen 1. Ordnung (T1-Gliedern). Abb. 1-142 zeigt einen aktiven Bandpass. Wie er funktioniert und dimensioniert wird, soll nun gezeigt werden.

94

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-142 zeigt Schaltung, Struktur und das Bode-Diagramm eines aktiven Bandpasses:

Abb. 1-142 Simulation eines Bandpasses durch die Hintereinanderausführung von Hochund Tiefpass

Zur Schaltung des Bandpasses von Abb. 1-142: Der invertierende OP stellt seine Ausgangsspannung immer so ein, dass der invertierende Eingang wie der nichtinvertierende auf null liegt. Daraus folgt:  Der Kondensator C.E überträgt hohe Frequenzen.  Der Kondensator C.R schließt hohe Frequenzen kurz.  In der Umgebung einer Mittenfrequenz ist die Verstärkung maximal. Zur Dimensionierung des Bandpasses muss bekannt sein, wie die Verstärkung in Bandmitte und die untere und obere Grenzfrequenz von den Widerständen R.R und R.E und den Kondensatoren C.R und C.E abhängen. Zur Klärung berechnen wir den komplexen Frequenzgang zu Abb. 1-142. Der komplexe Frequenzgang des aktiven Bandpasses von Abb. 1-142: Ihm entnehmen wir den Rückführwiderstand

.0

v.u=R.R/R.E

BandPass .1

( ⁄

1 C.E*R.E

)

und die Eingangsimpedanz: Z.E = R.E + 1/(jC).

.2 1 C.R*R.R

Abb. 1-143 Asymptoten und Grenzfrequenzen eines breitbandigen Passes

Der Bandpass ist die Multiplikation (Hintereinanderausführung) eines Hoch- und eines Tiefpasses. Daraus folgt der Gl. 1-22 komplexe Frequenzgang des elektrischen Bandpasses von Abb. 1-142

 (

) (

)

Das ist das Produkt der Frequenzgänge eines Hochpasses mit der Zeitkonstante T.E=C.E∙R.E und eines Tiefpasses mit der Zeitkonstante T.R=C.R∙R.R.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

95

Die Daten des aktiven RC-Bandpasses Die Schaltungsdaten des aktiven RC-Bandpasses entnehmen wir dem Frequenzgang Gl. 1-22:  die untere Grenzfrequenz ω.1=1/(C.E∙R.R) → f.1= ω.1/2π  die obere Grenzfrequenz ω.2=1/(C.R∙R.E) → f.2= ω.2/2π  Die Bandmitte ist √(f.1∙f.2). Die Bandbreite ist B=f.2-f.1.  Die Verstärkung in Bandmitte ist v.u=R.R/R.E. Durch den gegengekoppelten OP geht der Ausgangswiderstand des aktiven Bandpasses gegen null (siehe Bd. 1, Kap. 2.2.4). D.h., die Belastung des Verstärkerausgangs ändert die Schaltungseigenschaften nicht. In Abschnitt 1.3.10 wird ein passiver L-C-R-Bandpass berechnet. Dort ist der Ausgangswiderstand R.a ein frei wählbarer Parameter. Er bestimmt die Lastabhängigkeit der Ausgangsspannung und die Hochohmigkeit der Schaltung. Angenäherte Sprungantwort des Bandpasses 1. Ordnung: Der Tiefpass habe die Zeitkonstante T.R, der Hochpass habe die Zeitkonstante T.E. Dann ist dies sein Frequenzgang und die daraus mit jω=1/t abgeleitete Sprungantwort in 1.Näherung: Gl. 1-23 Bandpass

( )



( )

Simulation der angenäherten Sprungantwort: Zum Vergleich der angenäherten mit der korrekten Sprungantwort soll die Näherung [≈f(t)] der Sprungantwort eines Bandpasses simuliert werden. Das zeigt Abb. 1-144: angenäherte Sprung-Antwort ~f(t)

2.Faktor T.R/s 1

T.R+t

1 2

Zeit t/s 1.Faktor

A 1 s-1

1 2

T.E/s 1

~f(t)

Zeit t/s

T.E+t

Abb. 1-144 angenäherte Sprungantwort des Bandpasses von Abb. 1-142: links die Struktur nach Gl. 1-23 – rechts der Graph dazu

Diskussion der angenäherten Sprungantwort: Bei t→0 geht f(t) durch den Hochpass gegen null, bei t→ geht f(t) durch den Tiefpass gegen null. Bei ist f(t) maximal. √ Die Dimensionierung eines aktiven Bandpasses: Gefordert werden die Band-Grenzen .2 und .1 und die Verstärkung v.u in Bandmitte. v.u = R.R/R.E ---- .2 = 1/(C.R∙R.R)

---- .1 = 1/(C.E∙R.E)

96

Elektrische Dynamik – Teil 2

Für kleine Eingangsströme und Kondensatoren wird R.R=100kΩ gewählt. Daraus folgt R.E = R.R/v.u, C.E = 1/(.1∙R.E) und C.R = 1/(.2∙R.R) Diskussion eines schmalbandigen Frequenzgangs (Abb. 1-145) 

T.E bestimmt die Grenzfrequenz des Hochpasses: .1=1/T.E  T.R bestimmt die untere Grenzfrequenz des Tiefpasses: .2=1/T.R.  Die Mittenfrequenz des Bandpasses ist √  Der Proportionalbereich hat die Grenzen .2 (oben) und .1 (unten). Er ist breit, wenn .2 > .1 ist und schmal, wenn .2 < .1 ist.

.1 1 C.E*R.E

.0

.2 1 C.R*R.R

v.u=R.R/R.E

BandPass

Abb. 1-145 Asymptoten und Grenzfrequenzen eines schmalbandigen Bandpasses

Beispiel: Audio-Frequenzweiche Lautsprecher können nur tiefe, mittlere und hohe Töne optimal wiedergeben. Für optimalen Klang müssen sie parallel geschaltet werden. Audioverstärker verstärken alle hörbaren Frequenzen ab ca. 10Hz bis über 10kHz. Damit sich die Lautsprecher nicht gegenseitig kurzschließen, müssen Filter vorgeschaltet werden:  

für den Tieftöner ein Tiefpass für den Hochtöner ein Hochpass

Das ist die Aufgabe von Frequenzweichen.

Abb. 1-146 Schaltschema einer Frequenzweiche zur Trennung hoher und tiefer Töne

Abb. 1-147 zeigt die Schaltung einer Audiofrequenzweiche und ihre Frequenzgänge für Hoch- und Tieftöner:

1

2

Spannung U.LS vom Lautsprecher -Verstärker

f.u~1/C*R

1

2

Hochpass +20dB/Dek=+12dB/Okt

f.o~R/L

Tiefpass -20db/Dek=-12dB/Okt

Abb. 1-147 Schaltung einer Audiofrequenzweiche – rechts: ihr Frequenzgang als Hintereinanderausführung von Hoch- und Tiefpass

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

97

Abb. 1-148 zeigt die Platine einer Audiofrequenzweiche und wichtige technische Daten:

FREQUENZWEICHE HW 3/120 NG / 4 OHM

Abb. 1-148 Audiofrequenzweiche der Fa. VISATON

1. Die Bandsperre (Notchfilter) Bandsperren reduzieren die Verstärkung in einem bestimmten Frequenzbereich um ihre Mittenfrequenz .0. Sie werden z.B. in Verstärkern zur Unterdrückung des Netzbrumms (50Hz) eingesetzt (Notchfilter). Sie sind die Ergänzung des vorher besprochenen Bandpasses zu 1. Ein Inverter wird zur Bandsperre, wenn die Eingangsimpedanz durch die Parallelschaltung eines Hoch- und eines Tiefpasses gebildet wird. Der Tiefpass kann entweder durch eine Spule mit der Induktivität L oder durch ein RC-Glied realisiert werden. Abb. 1-149: Die Schaltungseigenschaften sollen für beide Fälle untersucht werden. R.C u.e

Band-Sperre

R.R

C

R.E R.L

L

u.a

u.d->0

+

Band-Sperre RC-Tiefpass

10

DT1

Eingang

f

TD 0,32 ms T2 0,32 ms

RL-Tiefpass

100

1k

10k

Bandsperre P

K -1

PT1

v.u 1 T1 32 ms

Simulation einer LC-Bandsperre als Parallelschaltung (NebeneinanderAbb. 1-149 ausführung) eines Hoch- und eines Tiefpasses

*s

98

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Funktion der LC-Bandsperre  Bei tiefen Frequenzen ist der Kondensator C hochohmig. Dann bestimmt R.L die Eingangsimpedanz. Dann ist die Spannungsverstärkung v.uR.R/R.L.  Bei hohen Frequenzen ist die Induktivität L hochohmig. Dann bestimmt R.C die Eingangsimpedanz. Die Spannungsverstärkung ist v.uR.R/R.C. Soll die Verstärkung bei hohen und tiefen Frequenzen gleich groß sein, muss R.C=R.L sein. Diesen gemeinsamen Wert nennen wir R.E. Bei einer mittleren Frequenz .0 (Sperrfrequenz), die zu bestimmen ist, sind sowohl der Kondensator C als auch die Induktivität L hochohmig. Dann werden der Eingangsstrom - und damit auch die Ausgangsspannung u.a - minimal. 50Hz-Filter mit der LC-Bandsperre? Geprüft werden soll, ob es möglich ist, mit der LC-Bandsperre ein Sperrfilter für die Netzfrequenz von 50Hz realisieren zu können. Bei 50Hz ist die Kreisfrequenz 0=314rad/s. Dazu gehört die Zeitkonstante T.0=1/0=3,2ms. Ein RL-Tiefpass, der diese Frequenz beispielsweise um den Faktor 10 unterdrücken soll, muss eine um den Faktor 10 größere Zeitkonstante T.L=L/R.L besitzen. Induktivitäten mit so großen Zeitkonstanten bietet z.B. die Fa. Jahre an (Abb. 1-150):

Quelle: http://www.jahre.de/produkt-katalog/induktivitaeten/entstoerdrosseln/bauform-7750/ Abb. 1-150 Die Zeitkonstante T=L/R bestimmt die untere Grenzfrequenz .g=1/T beim Einsatz als Filter.

Die erste Spule in dieser Liste hat eine Induktivität von 10mH und einen Widerstand von 3,2Ω. Ihre Zeitkonstante ist 31ms. Damit könnte ein Netzbrummfilter gebaut werden. Allerdings ist diese Schaltung so niederohmig, dass sie als Eingangsimpedanz für Operationsverstärker ungeeignet ist. Deshalb zeigen wir nun ein Sperrfilter, das nur mit RC-Gliedern beschaltet ist (Abb. 1-151). Es eignet sich sowohl für tiefe als auch für hohe Sperrfrequenzen.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

99

Abb. 1-151 zeigt die OP-Schaltung einer Bandsperre:

R.E

C.2

R.R

32nF

10k

u.e

R.E/2

100k

R.E/2

5k

5k

Band-Sperre

C.1

f.0=50Hz

u.a

u.d->0

13µF

+

Abb. 1-151 Bandsperre auch für tiefe Frequenzen: hier dimensioniert für die Netzfrequenz von 50Hz

Zu den Zeitkonstanten von Hoch- und Tiefpass:  Bei hohen Frequenzen ist der RC-Hochpass leitend, die Spannungsverstärkung ist R.R/R.E.  Die Zeitkonstante des Hochpasses ist T.2=C.2∙R.E.  Die Spannungsverstärkung bei tiefen Frequenzen soll genauso groß sein. Deshalb haben die beiden Widerstände des RC-Tiefpasses den Wert R.E/2.  Der Kondensator C.1 wird über die Parallelschaltung von R.E/2 ge- und entladen. Er hat den Wert R.E/4. Deshalb ist die Zeitkonstante des Tiefpasses T.1=C.1∙R.E/4. Die Dimensionierung der CR-Bandsperre erfolgt nach dem in Abb. 1-152 dargestellten asymptotischen Frequenzgang. Gefordert wird  die Spannungsverstärkung für tiefe und hohe Frequenzen: v.u=R.R/R.E  die Sperrfrequenz .0 und  die Sperrabschwächung v.Sperr1/2 F 0dB

1

breitbandig: d>1/2

F 2

0

20*lg(2d) +20dB/Dek

+20dB/Dek

0

2

-20dB/Dek

-20dB/Dek

Tiefpass 2.Ordnung für d1/2

links: schmalbandiger und rechts: breitbandiger Tiefpass 2. Ordnung

Ein Tiefpass 2. Ordnung ist gekennzeichnet durch  sein proportionales Verhalten bei tiefen Frequenzen,  eine Resonanzfrequenz .0, bei der die Phasenverschiebung -90° ist und  den Amplitudenabfall mit 1/² (-40dB/Dek) ab ω.0. Die Dämpfung d bestimmt die relative Resonanzüberhöhung RÜ=1/2d bei ω.0. Abb. 1-186 zeigt die Sprungantworten und Frequenzgänge von T2-Systemen. Wenn man einen Frequenzgang komplex berechnet hat, möchte man sehen, wie die Sprungantwort f(t) verläuft. Drei Fragen sind zu beantworten: 1. 2. 3.

Wie sieht der Anfangsverlauf aus? Welcher Endwert stellt sich ein? Wie ist das System gedämpft?

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

123

Abb. 1-186 zeigt die Sprungantworten und Amplitudengänge von Verzögerungen 2. Ordnung für große, mittlere und kleine Dämpfungen: u.e(t)

PT2: u.a(f)

PT2: u.a(t)

u.e(f)

Sprung 1 V

K 1 T.0 1 s d 0,5

K 1 T.0 1 s d 0,5

Überschwingen ÜS d=0,2

Sinus f

RÜ=Güte 100%

u.a(f)

K 1 2dTs  T2s2

PT2

d=0,2

d=0,5 d=1

Laplace

d=0,5

d=5

d=1

Transformation d=5

Zeit t/s

T

1/T

Kreisfrequenz

*s

Abb. 1-186 Tiefpass 2. Ordnung: Frequenzgang und Sprungantwort eines Tiefpasses 2. Ordnung: Wenn d 1 zumindest näherungsweise aus der Sprungantwort gewinnt, wird im Text beschrieben.

Frequenzgang und angenäherte Sprungantwort Für den Fall, dass Sie kein SimApp zur Verfügung haben und Ihnen die LaplaceTransformation (auch mit Tabellen) zu aufwändig ist, soll hier eine Näherung für die Sprungantwort angegeben werden. Um die Näherung zu erhalten, ersetzen Sie im komplexen Frequenzgang die imaginäre Frequenz jω durch 1/t. Tiefpass 2. Ordnung  Gl. 1-41

Verzögerung 2. Ordnung:

Frequenzgang einer Verzögerung 2. Ordnung

F ( j ) 

1 1  j  2d  T  ( jT ) 2

… und seine Sprungantwort als Näherung → Näherung:

f (t ) 

(t / T ) 2 1  2d  t / T  (t / T ) 2

Die Näherung stellt wieder keine Oszillationen dar. Sie gilt in der Umgebung von T daher nur für d > 1. Auch für d < 1 ist die Näherung immer kleiner als der tatsächliche Wert. Für d = 1 und ω∙T=1 ist f(T) =1/3.

124

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.3.9

L-C-R- Hochpass (D2-T2-System)

Abb. 1-187 zeigt einen L-C-R-Schwingkreis als Hochpass. Hier ist die Spannung an der Induktivität L der Ausgang. Abb. 1-187 L-C-R-Hochpass: Ausgang ist die in L induzierte Spannung.

Aus dem Verhältnis der komplexen Widerstände X.L und Z.ges=X.C+R+X.L folgt der Frequenzgang des RCL-Hochpasses: (

(

)

( (

) (

)

)

Abb. 1-188 zeigt das Bode-Diagramm des L-C-R-Hochpasses:

Hochpass 2.Ordnung PT2

D

D

PT2

D

D

K 1 T 0,01 s d 0,5

TD 1 s

TD 1 s

Frequenz f

Abb. 1-188

Frequenzgänge von Hochpässen 2. Ordnung mit verschiedenen Dämpfungen

Abb. 1-189 zeigt die Asymptoten eines Hochpasses 2. Ordnung

F

RÜ=Güte

20*lg(1/2d)

F 0dB

0dB

1

0

2

0 20*lg(1/2d) +40dB/Dek

+40dB/Dek

Hochpss 2.Ordnung für d1/2

Abb. 1-189 Hochpass 2. Ordnung: Der Amplitudengang ist anfangs proportional zu ², die Phase beginnt bei 180°. Bei Resonanz .0 ist die Amplitude reziprok zur Dämpfung d. Die Phasenverschiebung beträgt+90°. Bei d>1 kann das System aus der Hintereinanderausführung von zwei Hochpässen 1. Ordnung gebildet werden.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

125

Abb. 1-190 zeigt die Struktur zur Simulation eines Hochpasses 2. Ordnung im Frequenzbereich: x.e(f)

Frequenz

f

D

D

D

D

TD 1 s

TD 1 s

Tiefpass T2

K 1 2dTs  T2s2

Hochpass T2

K 1 T.0 1 s d 0,5

Abb. 1-190 (Ersatz-) Struktur eines Hochpasses 2. Ordnung mit dem Parameter d für optimale Dämpfung

Abb. 1-191 zeigt das mit Abb. 1-190 erzeugte Bode-Diagramm eines Hochpasses 2. Ordnung:

Hochpass D2-T2 (f) Amplitudengang Kreisfrequenz

*s

Phasengang

Abb. 1-191 Amplituden- und Phasengang eines Hochpasses 2. Ordnung bei optimaler Dämpfung (d=1/2)

Merkmale von Hochpässen 2. Ordnung:  Die Amplituden steigen bis zur Resonanzfrequenz ω.0 quadratisch mit der Frequenz an (+40dB/Dek).  Bis ω.0 ist eilt die Phase des Ausgangssignals dem Eingangssignal fast 90° voraus.  Ab ω.0 verhält sich dieses System proportional. Kennzeichen: frequenzunabhängige Amplituden und keine Phasenverschiebung.

126

Elektrische Dynamik – Teil 2

Sprungantworten eines Vorhalts 2. Ordnung Nun fehlt noch die Sprungantwort f(t) des Hochpasses 2. Ordnung. Wir berechnen sie näherungsweise aus dem Frequenzgang, indem wir jω durch 1/t ersetzen: Gl. 1-42 komplexer Hochpass 2. Ordnung

Gl. 1-43 angenäherte Sprungantwort dazu

Die Näherung beschreibt wiederum keine Oszillationen. Sie gilt in der Umgebung von T also nur für d > 1. Für d < 1 ist f(t) immer etwas kleiner als der tatsächliche Wert. Für d = 1 und ω∙T=1 ist f(T)≈1/3.

Abb. 1-192 Sprungantworten eines Vorhalts 2. Ordnung - links: Die genaue Simulation nach Gl. 1-42 für drei verschiedene Dämpfungen – rechts: die 1. Näherung nach Gl. 3-43. Sie ähnelt dem aperiodischen Grenzfall (d=1).

Abb. 1-193 zeigt die Struktur zur genauen Simulation der Sprungantwort eines Vorhalts 2. Ordnung: Schritt

H1

PT2

D

PT2

D

D

T.D 1 s

T.D 1 s

T.0 1 s d 0,5

Vorhalt T2

Abb. 1-193 Struktur zur Simulation der Sprungantwort eines Vorhalts 2. Ordnung: Sie entsteht durch zweifache Differenzierung einer Verzögerung 2. Ordnung nach Gl. 1-42.

Abb. 1-194 zeigt die Struktur zur Simulation der Sprungantwort eines Vorhalts 2. Ordnung in 1. Näherung: t/s

t/T

(t/T)²

Näherung f(t)

2d*t/T

Näherung f(t)

1 2

A 1 s-1

T/s 1

d

t

1 K2

Abb. 1-194 Struktur zur näherungsweisen Simulation der Sprungantwort eines Vorhalts 2. Ordnung nach Gl. 1-42: Den Anfangs- und Endbereich stellt sie richtig dar. Schwingungen kann sie nicht berechnen.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

127

1.3.10 L-C-R-Bandpass (D-T2-System) Bandpässe unterdrücken sowohl hohe als auch tiefe Frequenzen. Frequenzen um eine Resonanzfrequenz f.0 herum lassen sie passieren (Abb. 1-196). Zu zeigen ist, dass sie durch die Dimensionierung breit- und schmalbandiger gebaut werden können.

f

u.e

L

Abb. 1-195

u.LRC

i.e

R.L

u.a

C

R.a

Elektrischer Bandpass aus C, L und R: Ausgang ist die Spannung an R.a.

Zur Funktion des L-C-R-Bandpasses: Bei einem RCL-Reihenschwingkreis (Abb. 1-195) ist der Strom i.e ein Bandpass, denn bei tiefen Frequenzen wirkt der Kondensator C und bei hohen Frequenzen wirkt die Induktivität L strombegrenzend. Er wird durch den Ausgangswiderstand R.a (die geforderte Last) als Spannung u.a abgebildet. Bei Resonanz kompensieren sich der induktive und der kapazitive Widerstand. Dann bilden R.a und der Wicklungswiderstand R.L der Spule einen Spannungsteiler. Die folgende Analyse zeigt, wie elektrische Bandpässe dimensioniert werden, so dass  sie breitbandig mit geforderten unteren und oberen Grenzfrequenzen  oder um ihre Resonanzfrequenz f.0 schmalbandig sind. Der Frequenzgang eines Bandpasses im linearen Maßstab Abb. 1-196 zeigt den Übertragungsfaktor v.u(f)=u.a/u.e eines L-C-R-Bandpasses über der Frequenz f im linearen Maßstab. Bandbreite und Halbwertsbreite In der Filtertechnik wird meist mit Grenzfreqrenzen f.g gerechnet. Kennzeichen: Amplitudenabfall auf 70%. Die Bandbreite B=f.2-f.1 ist die Differenz aus oberer Grenzfrequenz f.2 und unterer Grenzfrequenz f.1. Wie in 1.4 gezeigt wird, rechnet man in der Antennentechnik, wie allgemein in der Strahlungs-technik, mit Halbwertsbreiten HWB. Kennzeichen: Amplitudenabfall auf 50%.

Abb. 1-196 Frequenzgang eines Bandpasses mit Serienresonanzkreis nach Abb. 1-195 und seine Parameter

Abb. 1-196 entnehmen wir den Zusammenhang: Gl. 1-44 HWB ≈ 1,6∙B ↔ B ≈ 0,6∙HWB

128

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Parameter von passiven Bandpässen Um einen Bandpass dimensionieren zu können, muss bekannt sein, wie seine Parameter (Resonanzteilung v.0, Resonanzfrequenz f.0. Bandbreite B) von den Bauelementen abhängen ( in Abb. 1-195 L, S, R.L und R.a). Das soll nun gezeigt werden.

Bandpass

R.L/R.a

Abb. 1-197 links: Frequenzgänge zu Abb. 1-195 für drei Fälle von R.L/R.a – rechts: ExcelAnalyse daraus für die relative Bandbreite B/f.0 und die Resonanzteilung v.0 als Funktion des Teilerverhältnisses R.L/R.a

Berechnung der drei Parameter des passiven Bandpasses von Abb. 1-195: Gl. 1-37 Resonanzfrequenz

Gl. 1-45 bei Serienresonanz



Spannungsteilung

Gl. 1-45 zeigt: Wenn der Spulenwiderstand R.L=0 ist, wird die Resonanzteilung v.0=1. Gl. 1-46 Bandbreite eines Bandpasses

⁄(

)

Gl. 1-46 zeigt: Je kleiner die Resonanzteilung v.0, desto größer wird die Bandbreite B. Für v.0=1 folgt die minimale Bandbreite von passiven Bandpässen: B.min=f.0/3. Dimensionierung eines passiven Bandpasses nach Abb. 1-195: Gefordert wird der Ausgangwiderstand R.a=100Ω und die Resonanzfrequenz f.0=50kHz. Gegeben bzw. gewählt worden ist der Serienkondensator C=10nF. Aus Gl. 1-37 folgt die benötigte Induktivität L=1/(ω.0²∙C)=1mH. Gefordert sei eine Bandbreite B=2/3∙f.0=17kHz. Aus Gl. 1-45 erhält man dafür die Resonanzteilung v.u=f.0/(3∙B)= 0,55. Nun fehlt noch der Serienwiderstand R.L. Zu seiner Berechnung wird Gl. 1-45 nach R.L umgestellt: R.L=R.a∙(1/v.u-1)=80Ω.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

129

Simulation des Frequenzgangs eines Bandpasses im linearen Maßstab Nun soll der in Abb. 1-196 gezeigte Amplitudengang eines passiven Bandpasses im linearen Maßstab berechnet werden. Parameter sind die Speicher L und C und die Verbraucher R.L und R.a. Komplex können Frequenzgänge nur dann simuliert werden, wenn sie keine Nichtlinearitäten enthalten. Nichtlinearitäten sind z.B.  Multiplizierer und Dividierer  geometrische Additionen und Differenzbildungen nach Pythagoras Abb. 1-199 zur Erzeugung von Bode-Diagrammen vermeidet alle Nichtlinearitäten. Darin sind die Parameter aber nicht separat einstellbar. Die Struktur von Abb. 1-198 berechnet nur Amplitudengänge (keine Phasenverschiebungen) des passiven Bandpasses von Abb. 1-195 im Zeitbereich, in dem Nichtlinearitäten erlaubt sind. Sie wird anschließend kurz erläutert. Ausführlich behandelt wird die Simulation nichtlinearer Frequenzgänge in Abschnitt 1.5. u.e/V 1

i.e/mA 1

u.a/V

lg(u.a/V) lg

2

Z.ges/kOhm R.ges/kOhm

0,1

lg(f/kHz)

f/MHz

R.L/kOhm

lg K 0,001

f/kHz

A 1 s-1

f.min/kHz 10

L/mH f/kHz

om*ms

X.L/kOhm

K 0,001

MOhm/X.C

c

X.LC/Ohm

1

K 6,28

b

a

0

0-0,1-0,3

Pyth. Sum

c²=a²+b²

R.a/kOhm

X.C/kOhm

Bandpass linear X1

X3

Y1

Y3

X2 Y2

C/nF 10 K 1000

Abb. 1-198 Struktur zur linearen Simulation des Frequenzgangs eines Bandpasses nach Abb. 1-195

Erläuterungen zur Struktur Abb. 1-198 der Schaltung eines Bandpasses von Abb. 1-195:  Wegen der Phasenverschiebung um 180° der kapazitiven Ströme gegen die induktiven müssen kapazitive Blindwiderstände X.C von induktiven Blindwiderständen X.L abgezogen werden: X.LC=X.L-X.C.  Wegen der Phasenverschiebungen zwischen Wirk- und Blindwiderständen müssen diese nach Pythagoras addiert werden: Z²=R²+X².

130

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der komplexe Frequenzgang eines Bandpasses Nun sollen Bandpässe im Bode-Diagramm, d.h. getrennt nach Betrag und Phase, dargestellt werden. Dazu wird der Frequenzgang eines L-C-R-Bandpasses nach Abb. 1-187 komplex berechnet. Ausgang ist die Spannung am Widerstand R.a. In normalisierter Darstellung zeigt sich, wie die zur Simulation gebrauchte Resonanzfrequenz f.0 und Dämpfung d von den Bauelementen abhängen: (

)

(

)

(

)

Durch Koeffizientenvergleich erhalten wir die Berechnung der Bandpass-Parameter:  L∙C bestimmt die Eigenzeitkonstante √  L/C bestimmt den Kennwiderstand √ ⁄ ⁄  und die Dämpfung Der Frequenzgang eines Bandpasses im Bode-Diagramm Mit dem Widerstand R kann die Breit- oder Schmalbandigkeit des Bandpasses durch die Dämpfung d eingestellt werden. Das zeigt Abb. 1-199: DT1

PT2

DT1

PT2

T 1 s d 0,5

TD 1 s T1 0,1 s

0,1 - 0,5 - 5

Bandpass

u.e/V

Frequenz

f

u.a/V

v.0 1

Abb. 1-199 Frequenzgang von stark und schwach gedämpften Bandpässen

Abb. 1-199 zeigt die Asymptoten von L-C-R-Bandpässen für kleine, mittlere und große Dämpfung:  Die Amplitude steigt bis zur Grenzfrequenz ω.0 mit 20dB/Dek an (Phase = +90°) und fällt ab ω.0 mit 20dB/Dek ab (Phase = -90°).  Bei ω.0 ist |F| = 1, unabhängig von der Dämpfung.  Die Asymptote für tiefe Frequenzen (D-Bereich) hat die Durchtrittsfrequenz ω.DD=ω0/2d.  Die Asymptote für hohe Frequenzen (I-Bereich) hat die Durchtrittsfrequenz ω.DI=ω.0∙2d.  Die Resonanzfrequenz ist das geometrische Mittel der √ Durchtrittsfrequenzen.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

131

Abb. 1-200 zeigt die Asymptoten der Amplituden von Bandpässen mit starker und schwacher Dämpfung. Die Asymptoten eines breit- und schmalbandigen Passes schneiden sich bei der Resonanzfrequenz ω.0 (Bandmitte). F F 0dB

DI

DD

0

0dB

DI

1/2d

1/2d

20*lg(2d)

20*lg(2d) +20dB/Dek

DD

0

-20dB/Dek

-20dB/Dek

+20dB/Dek

Bandpass für d > 1/2

Bandpass für d < 1/2

Abb. 1-200 Bandpass eines Systems 2. Ordnung: Bei d>1 kann er aus der Hintereinanderausführung eines Hoch- und eines Tiefpasses 1. Ordnung gebildet werden. Dann lässt er das Frequenzband von .1 bis .2 passieren (breitbandiges Filter). Bei d 1) liegt ω.DI höher als ω.DD. Dann arbeitet der Pass zwischen ω.DD und ω.DI proportional. In diesem Fall ließe sich der Bandpass auch durch die Hintereinanderschaltung eines Hochpasses (Zeitkonstante T.1) und eines Tiefpasses (Zeitkonstante T.2) simulieren. Das wird nun gezeigt. Die Daten T.0 und d des Bandpasses erhalten wir durch den Vergleich der Hintereinanderausführung von Tief- und Hochpass mit dem normalisierten Bandpass

F

x.a 1 j  T 2   x.e 1  jT1 1  jT 2

Eigenzeitkonstante T 0  T1 T 2

F

x.a j  T 0  x.e 1  j  2d  T 0  ( j ) 2  T 0 2

Dämpfung

(

)⁄

Frequenzgang und angenäherte Sprungantwort eines L-C-R-Bandpasses Durch die Ersetzung jω ↔1/t folgt aus dem Frequenzgang F(jω) die angenäherte Sprungantwort f(t):

F ( j ) 

jT 1  j  2d  T  ( jT ) 2

f (t ) 

t /T 1  2d  t / T  (t / T ) 2

Der Hochpass verhält sich komplementär zum Tiefpass: Bis zur Resonanzfrequenz steigt die Asymptote der Amplitude mit 40dB/Dek an, die Phase ist annähernd +180°. Ab ω.0 arbeitet der Hochpass proportional. Bei Grenzfrequenz ist |F| = 1/2d, die Phase ist +90°.

132

Elektrische Dynamik – Teil 2

Dämpfung und Resonanzüberhöhung Aus einer gemessenen Resonanzüberhöhung RÜ (=Güte Q) kann auf die zur Simulation von Systemen 2. Ordnung benötigte Dämpfung d geschlossen werden: 2d=1/RÜ. Abb. 1-201 zeigt gemessene Resonanzkennlinien über der Kreisfrequenz ω im linearen Maßstab:

5

Parameter: die Dämpfung d

4

Resonanz-Überhöhung RÜ=1/2d

3 2 1

Abb. 1-201 Resonanzüberhöhung im linearen Maßstab: Parameter ist die Dämpfung d. Die Darstellung im linearen Maßstab ist zwar anschaulich, aber zur Berechnung untauglich, denn sie lässt außer ω.0 keine Systemparameter erkennen.

Damit ist für Systeme 2. Ordnung gezeigt worden,  wie die Parameter des einfach zu berechnenden Frequenzgangs (die Resonanzfrequenz ω.0 und die Resonanzüberhöhung RÜ=Güte Q) aus denen einer leicht zu messenden Sprungantwort (Eigenperiode t.0 und Dämpfung d) berechnet werden können … und umgekehrt  wie die Parameter einer Sprungantwort (Eigenperiode t.0 und Dämpfung d) aus denen des Frequenzgangs (die Resonanzfrequenz ω.0 und die Resonanzüberhöhung RÜ=Güte Q) berechnet werden können. Dadurch ist der Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis, Rechnung und Messung für schwingende Systeme hergestellt. Das Verfahren wird insbesondere in der Regelungstechnik angewendet. Fazit zur Filterberechnung Mit den hier verwendeten Methoden zur Filteranalyse (Sprungantwort, komplexer Frequenzgang, Bode-Diagramm) ) identifizieren Sie beliebige Tiefpässe, Hochpässe und Bandpässe und berechnen ihre Parameter aus einer Sprungantwort (geringer Aufwand, weniger genau) oder einem gemessenen Frequenzgang (messtechnisch großer Aufwand, dafür aber hochauflösend und genau).

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

133

1.3.11 Spule mit Wicklungswiderstand und -kapazität Abb. 1-202 zeigt eine Spule mit der Induktivität L, einem Wicklungswiderstand R.W und ihrer Wicklungskapazität C.W. Zu zeigen ist, wie diese Bauelemente den Frequenzgang der Spulenimpedanz Z.Spu(f)=u/i bestimmen.

i.Spu

u.Spu

L CW

RW

Abb. 1-202 Eine Spule und ihre Ersatzschaltung mit Induktivität L und Wicklungswiderstand R.W in Reihe und parallel dazu die Wicklungskapazität C.W

i.e

Abb. 1-203 zeigt die Ersatzschaltung einer realen Spule und ihre Messgrößen. Der Wicklungswiderstand R liegt in Reihe mit der Induktivität L. Die Wicklungskapazität C liegt parallel zu L und R. Zur Erklärung der realen Spule soll ihr Frequenzgang komplex berechnet und im Bode-Diagramm dargestellt werden.

i.e(f)

u.R

R

i.C

C

i.L u.L

L

Abb. 1-203 Ersatzschaltung einer Spule mit Wicklungswiderstand und -kapazität

Berechnung der komplexen Spulenimpedanz Der komplexe Leitwert ist die Parallelschaltung von Spule (L und R)und Kondensator C: Gl. 1-47 Spulenadmittanz (komplexer Leitwert)

(

)

Die Invertierung von Y (jω) ergibt die komplexe Impedanz Z(jω). Nach Beseitigung des Doppelbruchs und Vorziehen des Widerstands R erhalten wir sie in Normalform: (

)

⁄ (

⁄ )



(



)

134

Elektrische Dynamik – Teil 2

Durch Koeffizientenvergleich des speziellen Frequenzgangs (links) mit der normalisierten Form (rechts) erhalten wir die Parameter der Spule. Die Spulengrenzfrequenz kennzeichnet den ⁄ Übergang vom ohmschen in den induktiven Bereich: Die Eigenfrequenz der Spule ist die Grenze zwischen induktivem und kapazitivem Bereich:

⁄√

Die Resonanzimpedanz ist das Maß für die Hochohmigkeit eines Schwingkreises aus L und C:

√ ⁄

Tendenzen:  Wenn sich die Induktivität L vergrößert, vergrößert sich Z.0 und verkleinert sich ω.0 (gegenläufige Änderung).  Wenn sich die Kapazität C vergrößert, verkleinern sich Z.0 und ω.0 (gleichläufige Änderung). Das wird in Kapitel 1.5.3.1 bei der Analyse einer Ferritperle (GHz-Filter) noch eine Rolle spielen. Die Dämpfung d ist das Maß für die Stabilität eines Schwingkreises. 2d ist proportional zum Spulenwiderstand R:



Zum Betrag der Spulenimpedanz: Simuliert werden soll eigentlich der logarithmische Frequenzgang der relativen Spulenimpedanz Z(ω)/R im Frequenzbereich: ( ) ( )⁄ Das ist hier jedoch nicht möglich, da bei der Berechnung linearer Frequenzgänge nach Gl. 1-47 Nichtlinearitäten durch Invertierungen von Y nach Z=1/Y vorkommen. Nichtlinearitäten sind in komplexen Frequenzgängen verboten, denn komplexe Rechnung ist eine lineare Methode. Wie Frequenzgänge mit Nichtlinearitäten im Zeitbereich simuliert werden, wo Nichtlinearitäten erlaubt sind, erfahren Sie in Kapitel 1.5. Ersatzweise simulieren wir hier die Spannungen an L und R und die Spannung u.e der realen Spule. Zu deren Darstellung ersetzen wir in Gl. 1-47 die Impedanz Z(ω) durch u.e/i.e und erhalten zuletzt den Amplitudengang der Eingangsspannung u.e: Gl. 1-48 die Spannung einer Spule bei Stromsteuerung

( )

(

)

In Gl. 1-48 ist R∙i.e die Referenzspannung. Sie definiert in Abb. 1-205 die 1, bzw. den 0dB-Pegel. Zahlenwerte: i.e=1mA; R=50Ω → u.Ref=50mV

100%=0dB

In Abb. 1-204 ist die Berechnung der Spannung u.e zusammen mit den Spannugen an R und L dargestellt. Sie sollen im Folgenden erklärt werden.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

135

1. Simulation der Spule bei Stromsteuerung Bei Stromsteuerung ist die Spulenspannung als Funktion der Frequenz gesucht. Der Quotient ist die Spulenimpedanz Z.Spu(f)=u.e/i.e. Der Amplitudengang Abb. 1-205 zeigt den Verlauf von Z.Spu(f). Er wurde mit der Struktur von Abb. 1-204 erzeugt. f/MHz

i.e(f)/mA

i.L/mA

f di.L/dt /(mA/s) D

u.L/nV

u.L/V u.L/mV

K 0,001

u.e/V

P

L 60 µH

K 1E-06

K 0,001

u.R/mV

u.R/V

P

i.C/mA

i.C/pA P

K 1E-09

R.W 50 Ohm

K 0,001

du.e/dt/(V/s) D

C 30 pF

Abb. 1-204 zeigt die Struktur der Spulenspannung als Funktion des Spulenstroms. Der Quotient ist die Spulenimpedanz Z.Spu(f).

Erläuterungen zum Amplitudengang zu Abb. 1-204 in Abb. 1-205 Abb. 1-205 zeigt die Frequenzgänge der Spulenspannungen nach Betrag und Phasenverschiebung. Vier Bereiche sind zu unterscheiden: 1. 2. 3. 4.

der ohmsche Bereich bei tiefen Frequenzen: Er endet bei der Grenzfrequenz ω.g. der induktive Bereich bei mittleren Frequenzen ω>ω.0 der Resonanzbereich um die Resonanzfrequenz ω.0 und der kapazitive Bereich bei hohen Frequenzen ω>ω.0.

Die Amplitudenreferenz (0dB-Pegel) Um die Amplitudengänge von Bode-Diagrammen zu verstehen, muss die Bedeutung der Bezugsgröße 1=0dB bekannt sein. Sie muss immer individuell bestimmt werden. Bei der Spule von Abb. 1-203 soll die Impedanz Z.Spu=u/i nach Gl. 1-48 dargestellt werden. Darin ist das Produkt aus u.Ref=R∙i.e die Referenzspannung. Zahlenwerte: R=50Ω; i.e=1mA → u.Ref=50mV. Im folgenden Bode-Diagramm Abb. 1-205 beziehen sich alle Spannungspegel auf u.Ref=50mV.

136

Elektrische Dynamik – Teil 2

Frequenzgang der Spannung bei Stromsteuerung Abb. 1-205 zeigt die Spannungen in und an der Spule. Bezogen auf den eingeprägten Strom stellen sie ihre Impedanzen dar. ohmsch

induktiv

resonant

kapazitiv

s

Abb. 1-205 Frequenzgänge der Spannungen in Abb. 1-203 an der Induktivität L, dem Widerstand R.W und der parallelen Wicklungskapazität C.W: Alle Spannungspegel beziehen sich auf u.Ref=50mV.

Abb. 1-205 zeigt oben den Betrag der Spulenimpedanz Z(ω) und darunter den Phasengang φ(ω) über der Kreisfrequenz ω. Zu zeigen ist, wie die Parameter der Spule (L, R und C.W) den Verlauf des Amplitudengangs und des Phasengangs bestimmen (Impedanzen und Kennfrequenzen). Damit können Spulen so dimensioniert werden, dass gewünschte Impedanzverläufe entstehen Erläuterungen zum Amplitudengang der Spulenimpedanz (Abb. 1-205)  Bis zur unteren Grenzfrequenz ω.g=R/L bestimmt der Spulenwiderstand R die Impedanz der Spule: Z.Spu≈R. Dann geht die Phasenverschiebung φ(f) von u gegen i gegen null. Zwischen f.g und und der Resonanzfrequenz ω.0 hat die Spule den induktiven Widerstand Z.Spu≈X.L= ω∙L. Dann geht φ gegen +90°.  Bei Resonanz ist Z.Spu maximal und reell. Dann ist die Phase φ=0°.  Ab ω.0 bestimmt die Wicklungskapazität die Impedanz: Z.Spu~1/f. Dann geht φ gegen -90°. Oberhalb der Resonanz bestimmt die Wicklungsimpedanz X.C=1/ωC die Impedanz. Das vergrößert die Phasenverschiebung um weitere 90°: φ geht von 90° gegen 180°.

Elektrische Systeme im Frequenzbereich

2.

137

Simulation des Spulenstroms bei Spannungssteuerung

Bei Spannungssteuerung ist der Spulenstrom als Funktion der Frequenz gesucht. Der Quotient Y(f)=i.e/u.e heißt Spulenadmittanz Y.Spu(f)=i.e/u.e Abb. 1-206 zeigt die Struktur zur Simulation des Leitwerts Y(f). Der Amplitudengang Abb. 1-207 zeigt den Verlauf von Y(f) über der Frequenz f.

om*s

f K 1

u.e(f)/V

i.e/mA

du.e/dt/(V/ms)

i.C/nA

D

P

0,001

C.W 30 pF

i.C/mA K 1E-06

i.L/mA

u.R/V

P

1/R.W 20 /kOhm

Abb. 1-206 Struktur des Spulenstroms bei Spannungssteuerung

u.L/V K 1E-06

u.L/µV

di/dt/(mA/ms)

P

D

L 60 µH

0,001 s

Abb. 1-207 zeigt den Frequenzgang des Spulentroms bei Spannungssteuerung (Leitwert=Admittanz) Spulenstrom bei Spannungssteuerung

s

Abb. 1-207 Die Spulenströme bezogen auf i.e=1mA als Funktion der Frequenz bei konstanter Spannungsamplitude: Alle Leitwertspegel beziehen sich auf 1/R=1/50Ω.

Fazit zu Abschnitt 1.3.11: Spulen mit Wicklungskapazität haben eine Resonanzfrequenz f.0, die das Ende der Induktivität L markiert. Bei Stromsteuerung hat die Impedanz der Spule Z.Spu bei f.0 ein Maximum Z.max. Der Quotient Q=Z.max/R heißt Spulengüte.

138

1.4

Elektrische Dynamik – Teil 2

Antennensimulation

Antennen erzeugen oder empfangen elektromagnetische Felder. In Sendern werden sie mit Informationen moduliert, die in Empfängen wieder demoduliert werden. Die Berechnung der zur Funkübertragung erforderlichen Antennen ist das Thema dieses Kapitels. Nachrichten und Bilder lassen sich drahtlos nur durch modulierte, hochfrequente elektromagnetische Wellen übertragen. Antrieb dieser Wellen sind gekoppelte elektrische und magnetische Felder, die in Sendeantennen von beschleunigten Ladungen abgestrahlt werden oder umgekehrt in Empfängern elektrische Ladungen in Leitern beschleunigen. Das erzeugt die Antennenspannungen und -ströme. Abb. 1-208 Beschleunigte Ladungen erzeugen elektromagnetische Felder mit elektrischen Feldern E und magnetischen Feldern H.

Die zum Bau und der Beschaffung von Antennen benötigten Grundlagen müssen so erklärt werden, dass damit ihr elektromagnetisches Verhalten simuliert werden kann. Das ist die Aufgabe dieses Abschnitts. Abb. 1-209 zeigt das Schema eines historischen Senders. Die Komponenten eines historischen Senders lassen den Aufwand erahnen, der zum Bau leistungsfähiger Sender erforderlich ist.

Quelle: http://www.radiomuseum.org/forumdata/upload/167-136.pdf Abb. 1-209 Historische Funktechnik: Hohe Frequenzen werden durch Funkenbildung erzeugt. Ein Spartransformator erzeugt hohe Spannungen und Ströme, die von einer Antenne in Resonanz abgestrahlt werden.

Antennensimulation

139

Entdecker der elektromagnetischen Wellen ist der Physiker Heinrich Hertz (* 22. Februar 1857; † 1. Januar 1894). Erfinder der Funktechnik ist der Italiener Guglielmo Marconi (Patent 1896). Abb. 1-210 Beim Untergang der Titanic 1913 konnten 712 Menschen durch den SOS-Funkruf gerettet werden. Danach wurde die Funktechnik im Schiffsverkehr gesetzlich vorgeschrieben.

Wer sich für die Geschichte der Funktechnik interessiert und wissen möchte, woher der Name Funktechnik kommt, dem sei der Artikel ‚Frühe Funktechnik‘ von Rudolf Grabau empfohlen: https://www.radiomuseum.org/forum/geschichte_der_funkpeiltechnik.html Eine praxisorientierte Einführung in die Antennentechnik finden Sie bei Max Rüegger http://www.qth.at/oe3dsb/Teil4.pdf. Moderne Funktechnik Um die zur Nachrichtenübertragung nötigen Sender und Empfänger installieren und warten zu können, muss bekannt sein, wie Sende- und Empfangsstationen im Prinzip funktionieren und welche Signale dabei verarbeitet werden. Das wird zunächst erklärt.

http://www.franz-computer.com/bbinfo.html

Abb. 1-211 Richtfunkanlage der Fa. Franz Computer in Georgensgmünd

Antennenspannungen liegen im mV-Bereich und darunter. Deshalb müssen sie verstärkt werden. Um die dazu nötigen Verstärker entwickeln zu können muss bekannt sein, wie die Antennenspannungen von der Stärke des Senders und vom Abstand zwischen Sender und Empfänger abhängen. Das soll nun berechnet werden.

140

1.4.1

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Grundlagen zur Antennenberechnung

Sendeantennen verbreiten mit Signalen modulierte elektromagnetische Strahlung in ihre Umgebung. Empfangsantennen entziehen ihrer Umgebung Strahlungsleistung. Die nachgeschalteten Empfänger filtern daraus die gesendeten Signale. In diesem Kapitel sollen nur Empfangsantennen berechnet werden. Die meisten der dazu verwendeten Begriffe und Algorithmen gelten auch für Sendeantennen. Zur Funktechnik gibt es vielfältige Spezialliteratur. Hier interessieren insbesondere die Antennenspannungen, denn diese müssen zum Entwurf der Antennenverstärker bekannt sein. Die zur Antennensimulation erforderlichen Grundlagen sollen in diesem Abschnitt gelegt werden. Abb. 1-212 zeigt die hier zur Berechnung gewählten Beispiele:

Abb. 1-212 Bauformen - links: Dipolantenne mit ‚Gummiwurst‘ (Spule zur magnetischen Verlängerung, Abschn. 1.4.3) – Mitte: Richtantenne für terrestrischen Empfang DVB-T (Abschn. 1.4.4) – rechts: Parabolantenne für den Satellitenempfang (auch Abschn. 1.4.4)

Berechnet werden soll die Ausgangsspannung u.Ant dieser Antennen als Funktion  der Leistung des Senders und seiner Frequenz  der Entfernung r zwischen Sender und Empfänger  der Ausrichtung α der Empfängerantenne zum Sender Wenn diese drei Funktionen bekannt sind, hängt die Antennenspannung entscheidend von den Eigenschaften der Antenne ab. Diese sind  

die Bauform: Durch sie wird der Umgebung mehr oder weniger Strahlungsleistung entzogen. Das Maß dafür ist der Wirkungsgrad. die Filterung der Sendefrequenz und die Trennung von benachbarten Sendern: Das Maß dafür ist der Signalgewinn bezüglich einer einfachen Dipolantenne.

In diesem Kapitel sollen die technischen Daten der in Abb. 1-212 abgebildeten Antennen berechnet werden. Das soll die Auswahl einer Antenne für besten Empfang ermöglichen. In diesem ersten Abschnitt werden die dazu erforderlichen Grundlagen zusammengestellt.

Antennensimulation

141

Zu den Antennenanlagen Gefordert wird ein empfangbares Frequenzband mit den gewünschten Sendern. Der projektierende Ingenieur muss wissen, wie Daten der Antennenanlage dazu optimiert werden. Wie diese Daten berechnet werden, soll in diesem Kapitel gezeigt werden. Wichtigste Planungskriterien für Antennenanlagen sind die örtlichen Empfangsverhältnisse sowie der Aufbau der zur Weiterleitung der empfangenen Signale erforderlichen Verteiler- und Kabelnetze. Je nach Art des Gebäudes bzw. der Bebauung und der Empfangsverhältnisse ist die entsprechende Antennenart für die geforderten Sender auszuwählen. Hier sollen die Grundlagen dazu gelegt werden.

Langwelle Mittelwelle Kurzwelle Ultrakurzwelle

Für optimalen Empfang  müssen die zu den gewünschten Sendern passenden Antennen ausgewählt werden,  müssen die Impedanzen der Komponenten aufeinander abgestimmt sein,  muss der Vorverstärker dimensioniert werden. Quelle: https://www.heinze.de/alleszu/antennenanlagen/5265945/

(230V)

Abb. 1-213 Aufbau einer Antennenanlage mit den Komponenten Antennen, Vorverstärker und Anschlusskabeln

Die von Sendern abgestrahlte Leistung verteilt sich - je nach Abstrahlcharakteristik - in den umgebenden Raum. Deshalb ist die Strahlungsdichte (nach Abb. 1-273 im Bereich pW/m²) am Empfangsortsort äußerst gering. Wie daraus möglichst große Antennenspannungen erzeugt werden, soll in diesem Kapitel zur Antennensimulation gezeigt werden.

142

Elektrische Dynamik – Teil 2

Was ist ein LNB? Im Brennpunkt einer Parabolantenne , die auf einen geostationären Satelliten ausgerichtet ist, befindet sich ein LNB (rauscharmer Signalumsetzer, Low Noise Block). Die Stromversorgung des LNB erfolgt über das Antennenkabel. Nach rauscharmer Vorverstärkung setzt ein Überlagerungsempfänger das Satellitenfrequenzband von 10,7GHz bis 12,75GHz auf den Bereich der Zwischenfrequenz von 0,95 bis 2,15GHz um. Dann kann das empfangene Signal über ein Koaxialkabel verlustarm an einen Satellitenreceiver weitergeleitet werden. Das zeigt Abb. 1-214:

Quelle: Conrad electronic Abb. 1-214 Satellitenantenne mit LNB: Um die Signale verlustarm zu übertragen, werden diese im Hochfrequenzbereich (10,70-12,75 GHz) gesendet. Das LNB verschiebt die Satellitensignale um ca. 9GHz in einen niedrigeren Frequenzbereich.

Um die Verstärker von LNB’s bauen zu können, muss bekannt sein, mit welchen Leistungen, Spannungen und Strömen an ihrem Eingang zu rechnen ist. Das soll in diesem Kapitel gezeigt werden.

Antennensimulation

143

Die Themen der Antennenberechnung Die zur Antennenberechnung erforderlichen Grundlagen werden in zehn Punkten behandelt. Wir nennen hier die in der HF-Technik benötigten Begriffe: 

Die Antennenersatzschaltung für Resonanz Bei Resonanz lassen sich HF-Schaltungen wie alle Wechselstromschaltungen berechnen. Berechnungsgrundlage ist die angegebene Antennenersatzschaltung.



Der Wirkungsgrad η.Ant einer Antenne in Resonanz η.Ant beschreibt die Umsetzung der empfangenen Strahlungsleistung in die Eingangsleistung am Antennenverstärker



Intensität und Strahlungswiderstände Zur Berechnung der Antennenleistung werden die Strahlungsintensität S in der Umgebung und die Antennenimpedanzen benötigt



Feldstärken und Intensitäten Antennen können elektrische und magnetische Feldstärken messen. Gezeigt wird, wie damit die Strahlungsintensität berechnet wird.



BNC-Kabel Dieser Abschnitt behandelt HF-Koaxialkabel und ihre Bajonettstecker.



Messung von HF-Impedanzen Um Antennen berechnen zu können, müssen ihre Impedanzen bekannt sein.



Reflexionen und Impedanzanpassung mit Balun (Abb. 1-256) In HF-Anlagen treten an den Verbindungsstellen der Komponenten Reflexionen auf. Hier wird gezeigt, wie sie gemessen und minimiert werden.



Ein Geradeausempfänger Das ist ein einfachster HF-Verstärker, der zur Feldstärkemessung benutzt wird.



Strahlungsintensitäten Antennen können elektrisch, magnetisch oder für beides empfindlich gebaut werden. Welche Bauform gewählt wird, hängt von der Entfernung zum Sender ab. Das Auswahlkriterium ist die Strahlungsintensität am Empfangsort.



Berechnung vom Antennenspannungen Zum Abschuss dieser Einführung in die HF-Technik werden die Leistungen und Spannungen von der Antenne bis zum Antennenverstärker berechnet.

Mit diesen Grundlagen werden in diesem Kapitel folgende Punkte behandelt:    

Intensitätsmessung mit Geradeausempfänger Entfernungsabhängigkeit der Antennenspannung und ihre Stabilisierung Richtdiagramme (Strahlungsdiagramme) der (=Leistungs-) Gewinn von Hochleistungsantennen

Hinweis: Auf die praktischen Aspekte der Antennentechnik wird hier nur am Rande eingegangen. Wer daran interessiert ist, dem sei die Webseite ‚Kfz Mess- und Diagnosetechnik‘ der Fa. Dörfler-Elektronik empfohlen: http://www.doerfler-elektronik.de/

144

1.4.1.1

Elektrische Dynamik – Teil 2

Sendefrequenzen und Wellenlängen

Elektromagnetische Wellen breiten sich im Vakuum ohne eigenen Träger mit Lichtgeschwindigkeit c.0 aus. Gl. 1-49



Lichtgeschwindigkeit

Die Lichtgeschwindigkeit c.0 ist das Produkt aus Frequenz f und Wellenlänge λ. Im Vakuum und in Luft ist sie eine Naturkonstante. c.0 ist die absolute Maximalgeschwindigkeit für Strahlung, Materie und Informationen im Universum. Sie wird nur durch masselose Elementarteilchen (Photonen) erreicht. Zum Mond, der von der Erde 380Mm entfernt ist, benötigen Licht ca. 1,3s. In Luft ist die Lichtgeschwindigkeit c nur 0,3 ‰ kleiner als im Vakuum. Deshalb kann in Luft mit c=c.0 gerechnet werden. Dass Radiowellen wie auch Licht und Wärme elektromagnetischen Ursprungs sind, erkennt man daran, dass sich die Lichtgeschwindigkeit c.0²=1/(μ.0·ε.0) im Vakuum aus zwei Naturkonstanten berechnet:  der elektrostatischen Feldkonstante ε.0=8.85pF/m und  der magnetischen Feldkonstante μ.0=1,26μH/m

Abb. 1-215 Berechnung der Lichtgeschwindigkeit aus Naturkonstanten

⁄√

Mit Abb. 1-217 lässt sich die



Abb. 1-216 Wellenlängen und Frequenzen elektromagnetischer Strahlung Gl. 1-50 Wellenlänge

λ=c/f

errechnen, wenn die Sendefrequenz f gegeben ist oder die Frequenz f=c/λ errechnen, wenn die Wellenlänge λ z.B. durch Messung bekannt ist.

Abb. 1-217 Wellenlängen und Frequenzen, berechnet nach Gl. 1-50

Antennensimulation

145

Abb. 1-218 zeigt, für welche Frequenzbereiche Antennen ausgelegt werden müssen: B.Ant(Richtantenne)

50MHz 87-108 177-226

UKW VHF

780MHz

300-450

474-786

UHF

DVB-T

900

800

700

600

500

400

300

200

100

0

f.Send/MHz

Terrestrische Frequenzbänder: Grenzfrequenzen und Frequenzbänder für Abb. 1-218 Rundfunk und Fernsehen

Zu den Reichweiten elektromagnetischer Strahlung Funkwellen werden mit steigender Distanz zwischen Sender und Empfänger immer schwächer. Ihre Reichweite wird durch das atmosphärische und thermische Rauschen begrenzt. Wie weit sie reichen, zeigt Abb. 1-219. Abb. 1-219 Je höher die Frequenz eines Senders, desto geringer ist seine Reichweite: Ursache ist die Absorption von Strahlung durch Wasserdampf (Luftfeuchtigkeit). Um die Reichweite von Funkwellen angeben zu können, müssen Antennenspannungen u.Ant(r) als Funktion der Entfernung r vom Sender berechnet werden. Das zeigen wir in Abschnitt 1.4.2.1.

 

davon hängt die Verstärkung V.Amp des Antennenverstärkers ab und sie bestimmen die Reichweiten eines Senders. Sie endet da, wo u.Ant kleiner als das thermische und atmosphärische Rauschen ist.

Rauschspannungen u.Rausch wurden in Teil 1, Abschn. 2.9 berechnet. Sie liegen im μVBereich. Ein Rauschfilter mit Ferritperle werden wir in Abschn. 1.5.2 behandeln.

Intensität S

Wirkungsgrad eta

Antennenspannungen u.Ant müssen dem Entwickler bekannt sein, denn

P.Ant

Wirkfläche A.W u.Rausch

u.Ant

u.Amp

v.Amp

Abb. 1-220 Das Rauschen der Antennensignale begrenzt die Reichweite.

146

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.4.1.2

Amplituden- und Frequenzmodulation

Um niederfrequente Informationen (NF) hochfrequent (HF) zu übertragen, muss die HF mit der NF moduliert werden. Dazu bestehen hauptsächlich zwei Möglichkeiten: Amplituden- und Frequenzmodulation (AM und FM). Abb. 1-221 zeigt deren Wirkungsweise:

AM

FM

Amplituden- und Frequenzmodulation eines hochfrequenten Trägers: Die Abb. 1-221 gezeigten Funktionen wurden mit der Struktur von Abb. 1-224 und Abb. 1-222 erzeugt.

 

Bei der Amplitudenmodulation überlagern sich Signal- und Trägerfrequenz additiv. Abb. 1-221 zeigt das Ergebnis. Es wurde mit der Struktur von Abb. 1-224 simuliert. Bei der Frequenzmodulation überlagern sich Signal- und Trägerfrequenz multiplikativ. Abb. 1-221 zeigt das Ergebnis. Es wurde mit der Struktur von Abb. 1-222 simuliert.

Abb. 1-222 zeigt die Struktur zur Frequenzmodulation. Die Einzelheiten der Funktechnik sind hier nicht das Thema. Deshalb soll auf die Struktur zur Demodulation frequenzmodulierter Signale verzichtet werden. FM F-Modulation Träger(FM)

t

Abb. 1-222 Struktur zur Simulation der Frequenzmodulation: Signal und Träger werden multipliziert.

f0 0,1 Hz A 1 OS 2

f0 1 Hz A 1

Störungen auf dem Übertragungsweg wirken sich hautsächlich auf die Amplituden der elektromagnetischen Wellen aus. Deshalb ist die Frequenzmodulation das meistbenutzte Verfahren. Davon soll im Folgenden ausgegangen werden.

Antennensimulation

147

Demodulation In Empfängern muss die modulierte HF wieder demoduliert werden, um die gesendeten Nachrichten oder Töne bis zu ca. 10kHz wieder zurückzugewinnen. Abb. 1-223 zeigt die Verfahren für AM und FM:

Abb. 1-223 Links: Demodulation einer amplitudenmodulierten HF durch Gleichrichtung: Ein Hochpass beseitigt den Mittelwert. Rechts: Demodulation einer frequenzmodulierten HF an der Flanke eines Hochpasses: Am Ausgang variieren die Amplituden mit den Tonfrequenzen. Um sie hörbar zu machen, muss noch ein Tiefpassfilter nachgeschaltet werden.

Zur Demodulation amplitudenmodulierter Signale müssen diese gleichgereichtet und geglättet werden. Das tut ein Geradeausempfänger, dessen Schaltschema in Abb. 1-230 angegeben ist. Abb. 1-224 zeigt die Struktur zur Modulation und Demodulation von Amplituden. Abb. 1-225 zeigt die Messgrößen dazu.

Modulation

Träger(FM)

AM

t f0 0,1 Hz A 1 OS 2

Träger(AM)

f0 1 Hz A 1

AM

Gleichrichter als Demodulator |x|

f0 1 Hz A 1

Amplituden-Modulation und -Demodulation

Glättung PT1

K 1 T 1 s

Abb. 1-224 Struktur zur Amplituden-Modulation und -Demodulation

Abb. 1-225 zeigt die mit Abb. 1-224 simulierten Messgrößen zur Amplituden-Modulation und -Demodulation. Das demodulierte und geglättete Signal sieht dem ursprünglichen Dreieck nur entfernt ähnlich. Der Grund dafür ist, dass sich hier die Signal- und Modulationsfrequenz nur um den Faktor 10 unterscheiden. Bei Funkübertragungen liegen die Trägerfrequenzen im MHz-Bereich und die Signalfrequenzen im kHz- bis GHzBereich. Dann ist das Verhältnis 103 bis 106. Entsprechend besser sehen die demodulierten Signale aus.

Zeit

Abb. 1-225 simulierte Amplituden-Modulation und -Demodulation

148

1.4.1.3

Elektrische Dynamik – Teil 2

Elektrische und magnetische Feldstärken

Antennen emittieren oder absorbieren elektromagnetische Strahlung. Antrieb dieser Wellen sind elektromagnetische Felder. Abb. 1-226 zeigt, dass sie senkrecht zueinander stehen. v=c=300Mm/s

E.el

v

transversale elektromagnetische Welle

H.mag

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Antennentechnik Abb. 1-226 Elektromagnetische Welle: Ein elektrisches und ein magnetisches Feld sind senkrecht zueinander verkettet und breiten sich gegen den Wellenwiderstand Z.0 der Luft oder des Vakuums mit Lichtgeschwindigkeit c aus.

Abb. 1-227 Radio Tirol-Antenne, ein 90kW UKW-Sender

Abb. 1-228 zeigt die elektrischen Feldstärken in der Umgebung des Mikrowellensenders Beromünster: http://fmkompakt.de/index.php/zirog-alm

Quelle: https://www.srf.ch/wissen/technik/elektrosmog-hoechste-strahlenbelastungkommt-vom-eigenen-handy Abb. 1-228 zeigt die gemessenen Feldstärken des Schweizer Senders Radio Beromünster. Am Sender (rot) sind sie am größten, in abgeschatteten Tälern sind sie am kleinsten. Ein mittlerer Wert, mit dem hier oft gerechnet wird, ist E=1V/m.

Antennensimulation

149

Elektromagnetische Feldstärken Elektrische Felder E erzeugen die Kräfte zwischen Ladungen. Kondensatoren C speichern elektrostatische Energie. Magnetische Felder H speichern die Bewegungsenergie rotierender Ladungen. Ihr Auf- und Abbau kostet Energie und Zeit. Dabei werden hochfrequente Spannungen und Ströme (HF im MHz- bis GHz-Bereich) induziert, die sich durch Antennen zur drahtlosen Nachrichtenübertragung nutzen lassen. Abb. 1-229 zeigt die einfachsten Formen eines elektrischer Dipole:

elektrische Feldstärke E magnetische Feldstärke H Kurzschussstrom i.Dip

Dipolspannung u.Dip

Abb. 1-229 elektrischer und magnetischer Dipol: Die Abmessungen bestimmen die Sendeoder Empfangsfrequenz.

Feldstärken und Strahlungsleistung Hochfrequente Spannungen und Ströme sind nicht so einfach zu messen wie niederfrequente. Ein Grund sind Reflexionen an den Verbindungsstellen der Leitungen. Um sie zu vermeiden, müssen Leitungen mit ihren Wellenwiderständen abgeschlossen sein. Was darunter zu verstehen ist, wird im nächsten Abschnitt erläutert. Hier wollen wir uns vorwiegend mit Empfangsantennen befassen. Das dazu Gesagte gilt aber auch für Sendeantennen. Für besten Empfang müssen die Abmessungen einer Antenne auf die Wellenlänge des Senders mit der Wellenlänge λ=c/f abgestimmt sein. E=u.Dip/(λ2)

Gl. 1-51 Dipol: elektrische Feldstärke und Leerlaufspannung Gl. 1-52

Dipol: magnetische Feldstärke und Kurzschlussstrom H=i.Dip/(λ2)

Nach Gl. 1-53 kann die Strahlungsleistung aus den Feldstärken E und H und der durchstrahlten Fläche A.Str=l·r errechnet werden. Gl. 1-53

Strahlungsleistung

(

) (

)

Zu zeigen ist, wie aus den gemessenen Feldstärken E und H die Strahlungsleistung und daraus wiederum die Antennenspannung u.Ant wird. Die Strahlungsintensität S ist die Strahlungsleistung pro Fläche (S.Str=Int) Gl. 1-54 Strahlungsintensität



S.Str charakterisiert die Stärke von Strahlung. Sie ist am Empfangsort nur ein winziger Bruchteil der Intensität am Sender. Die Strahlungsleistung P.Str=S.Str· A.Str ist proportional zur Größe einer Antenne. Zu zeigen ist, wie die Absorptionsfläche (=Wirkfläche A.W) von der Antennengröße und -bauform abhängt.

150

Elektrische Dynamik – Teil 2

Strahlungsdruck und -intensität Strahlung ist ein masseloser Energiefluss, die den freien Raum mit Lichtgeschwindigkeit c und transparente Materie mit vZ.0 sein. Das ist in der Hochfrequenz (HF)Technik wegen der dann aufretenden Reflexionen nicht erlaubt. Dort muss mit dem Strahlungswiderstand Z.0=377Ω und einem Fußpunktwiderstand R.Fuß gerechnet werden, der von der Bauart der Antenne abhängt. Abb. 1-248 zeigte einige Beispiele. In Abb. 1-255 rechnen wir z.B. mit R.Fuß=150Ω. Damit wird v.Ant=0,28. Zur Berechnung der Länge l.Trans der Transmissionsleitung nach Abb. 1-255 werden die Eingangsimpedanz Z.1 und die Ausgangsimpedanz Z.2 benötigt. Z.2 ist hier der Eingangswiderstand R.Amp=50Ω des Antennenverstärkers. Z.1 ist der Ausgangswiderstand der Antenne. Er ist nach Bd.1, Abschn. 2.1.7 ⁄

Gl. 1-68 AntennenInnenwiderstand

Für Z.0=377Ω und R.Fuß=250Ω wird Z.1=150Ω. Abb. 1-255 zeigt damit die Berechnung der Länge l.Trans einer Transformationsleitung nach Gl. 1-66. Z.2/Ohm 50

Z.1/Ohm

ü²=Z.2/Z.1 1 2

sin(ü²)

l.Trans/m

sin

ü

150

Z.0//R.Fuß/Ohm c/MHz*m 300

f/MHz

lambda/m 1 2

lambda/4m K 0,25

50

Abb. 1-255 Berechnung der Länge einer Transformationsleitung nach Gl. 1-66 - oben: das Übersetzungsverhältnis ü eines Übertragers zur Impedanztransformation mit den Windungszahlen N.1 (primär) und N.2 (sekundär) nach Gl. 1-69

Zum Übersetzungsverhältnis ü: Mit Transformationsleitungen lassen sich Impedanzen nur herabsetzen, nicht heraufsetzen. Das Übersetzungsverhältnis ü=Z.2/Z.1 ist immer kleiner als 1. Wenn ü>1 gefordert wird, muss ein HF-Übertrager (Balun) eingesetzt werden. Wir besprechen ihn im nächsten Punkt.

166

Elektrische Dynamik – Teil 2

2. Impedanzanpassung mit Balun Antennenspannungen werden potentialfrei erzeugt und über BNC-Kabel, dessen Mantel geerdet sein kann, zum Antennenverstärker, dessen Differenzeingang auch potentialfrei ist, weiterverarbeitet. Der Verstärkerausgang ist massebezogen, also unsymmetrisch. Die Impedanzanpassung zwischen Antenne und der Anschlussleitung erfolgt über einen HF-Transformator (Balun). Das zeigt Abb. 1-256: Leitungs-Symmetrierung

1:1 Current-mode Balun

i.Ant

Z.Ltg

v.Amp

Antenne potentialfrei

BNC-Kabel: Mantel eventuell geerdet

Z.Amp

Z.Ant N.2=2 - N.1=1

Dif-Amp

u.Ant

u.Amp

Verstärkerausgang unsymmetisch

Abb. 1-256 HF-Übertragungsstrecke aus Antenne, HF-Übertrager (Balun) und BNC-Kabel mit Abschluss

Zur Symmetrierung der Antennenspannung und zur Impedanzanpassung wird ein Kopplungselement benötigt. Es heißt Balun (von balanced-unbalanced). Baluns machen je nach Anschluss  aus massebezogenen (unsymmetrischen) Spannungen symmetrische oder  aus massefreien (symmetrischen) Spannungen unsymmetrische. Symmetrische Spannungen haben den Vorteil, dass sich externe Störungen kompensieren. In Verstärkern werden Spannungen massebezogen weiterverstärkt. Um die erforderliche Spannungsverstärkung angeben zu können, muss die maximale Antennenspannung u.Ant bekannt sein. Wie u.Ant von der Leistung des Senders und der Entfernung zur Antenne abhängt, soll berechnet werden. Dabei wird von Impedanz angepassten Leitungen und Verstärkern ausgegangen. Baluns (Abb. 1-354) sind Spartransformatoren (Spule mit Mittelanzapfung) ohne ferromagnetischen Kern. Indem sie Spannungen transformieren, transformieren sie auch Impedanzen. Das lässt sich zur Impedanzanpassung in Antennenanlagen nutzen. Wie, zeigt die Berechnung der Leistungsverhältnisse: Gl. 1-69

Impedanz-Transformation: ü=u.2/u.1=(N.2/N.1)²

⁄ ⁄

(

)

(

)

Man sieht: Die Impedanzverhältnisse können über die Windungszahlen eingestellt werden. Im Strommodus des Spartrafos ist N.1=1 und N.2=2. Dann ist Z.2=N.2²∙Z.1. Dann muss an der symmetrischen Seite eine viermal so große Impedanz angeschlossen werden wie an der unsymmetrischen.

Antennensimulation

1.4.1.8

167

Leistung, Wirkungsgrad und Bandbreite

Um eine Antenne auswählen oder bauen zu können, müssen die Parameter bekannt sein, die sie charakterisieren. Die wichtigsten sind  

Nennleistung P.Nen und Wirkungsgrad η Resonanzfrequenz f.Res und Bandbreite B

Hier soll gezeigt werden, wie diese Parameter aus den Komponenten einer Antenne berechnet werden können. Berechnungsgrundlage ist die in Abb. 1-257 gezeigte, vollständige Ersatzschaltung: freie elektromagnetische Welle

u.0

P.Str

drahtgebundene elektromagnetische Welle

C.Ant

i0

u.Ant

R.Fuß

L.Ant elektrisch Dipol magnetisch

Z.Ltg

u.Amp R.Amp

P.Ant

C.Amp

Abb. 1-257 Vollständige Ersatzschaltung einer Antenne: Aus den Messgrößen sollen ihre Spannungsteilung v.u von u.0 nach u.Amp, die Resonanzfrequenz f.0 und die Bandbreite B berechnet werden.

Mit der Ersatzschaltung Abb. 1-257 sollen folgende Antennenparameter berechnet werden: 1.

Der Wirkungsgrad η.Ant einer resonanten Antenne ist bei Impedanzanpassung das Produkt aus dem Leerlaufwirkungsgrad η.0 (nach Gl. 1-63) und dem durch die Anschlussleitung Z.Ltg und dem Eingangswiderstand R.Amp entstehenden Spannungsteiler. Zu seiner Berechnung nach Gl. 1-70 wird der Innenwiderstand Z.Ant benötigt. Er ist nach Abb. 1-257 die Parallelschaltung Z.Ant = Z.Feld // R.Fuß

Gl. 1-70 Wirkungsgrad einer Antenne: η.Ant=η.0·v.Ant

Zahlenwerte zu Gl. 1-70: R.Fuß = 250Ω; Z.Feld = 377Ω → η.0 = 0,4 = v.u Z.Ant = Z.Feld//R.Fuß = Z.Feld·v.u = 150Ω R.Amp = Z.Ltg = 50Ω → v.Ant = 0,2 → η.Ant = η.0·v.Ant = 0,4·0,2 = 8% Das Beispiel zeigt, dass der Wirkungsgrad einer Antenne durch die Belastung gegenüber dem theoretischen Leerlaufwirkungsgrad η.0≈50% drastisch sinkt. Das ist jedoch wegen der unbedingten Forderung nach Impedanzanpassung nicht zu ändern.

168

Elektrische Dynamik – Teil 2

2. Resonanzfrequenz und Bandbreite Antennen haben einen Frequenzgang mit einer unteren Grenzfrequenz f.u und einer oberen Grenzfrequenz f.o. Das zeigt Abb. 1-258.

Res

f.u

f.o

UKW-Bandbreite

f.Res

Abb. 1-258 der Wirkungsgrad einer breitbandigen UKW-Antenne in der Umgebung ihrer Resonanzfrequenz mit seiner oberen und unteren Grenzfrequenz

Antennen werden bei ihrer Resonanzfrequenz f.Res betrieben, denn dann ist der Energietransfer zwischen den Medien maximal. Um f.Res an die Frequenz des Senders anpassen zu können, muss der Antennenentwickler wissen, wie groß Induktivitäten, Kapazitäten und Impedanzen einer Antenne als Funktion Ihrer Abmessungen sind. Diese Parameter müssen auch zur Simulation der Antenne bekannt sein. Die Antennenkapazität C.Ant und ihre Induktivität L.Ant erzeugen die Eigenzeitkonstante . Daraus folgen die Resonanzkreisfrequenz √ ω.Res=1/T.Ant und die Resonanzfrequenz f.Res=1/(2π·ω.Res). Die Eingangskapazität C.Amp und der Eingangswiderstand R.Amp des Antennenverstärkers erzeugen die obere Grenzfrequenz: f.o=1/(2π·C.Amp·R.Amp). Die Resonanzfrequenz f.Res der Antenne ist das geometrische Mittel der Grenzfrequenzen f.u und f.o: √ Die Bandbreite B.Ant der Antenne ist die Differenz aus oberer und unterer Grenzfrequenz. Sie bestimmt die Anzahl N der empfangbaren Sender mit dem Abstand B.Send. B = f.o - f.u ≈ f.o = N · B.Send Der Innenwiderstand Z.Ant=Z.Feld//R.Fuß der Antenne und ihre Belastung Z.Last=Z.Ltg+R.Amp bedämpfen den Antennenschwingkreis: 2d=Z.Ant/Z.0 – mit





und Z.0=Z.Ant+Z.Last

Damit ist der in Abb. 1-258 gezeigte Frequenzgang einer Antenne erklärt. Mit den Daten η.Ant, f.Res und B können Antennen gemäß den Forderungen der Anwendung geplant oder beschafft werden.

Antennensimulation

169

3. Nennleistung und Nennwirkungsgrad einer Dipolantenne Die Nennleistung P.Nen einer Antenne ist bei gleicher Bauart das Maß für ihre Größe. Hier soll gezeigt werden, wie sie aus der Leerlaufspannung u.0=E·λ/2 und dem Kurzschlussstrom i.K=H·λ/2 berechnet werden kann. Gl. 1-71 Quellenspannung u.0 = E·λ/2 = Z.Feld · H · λ/2.

Bei Reflexionsfreiheit, d.h. Impedanzanpassung, ist die Antennenspannung u.Nen=u.0/2 und der Antennenstrom i.Nen=i.K/2. Daraus folgt die Nennleistung P.Nen=u.0·i.K/4. Nach Gl. 1-71 erhält man die magnetische Feldstärke H=E/Z.Feld aus der elektrischen Feldstärke E und der Feldimpedanz Z.Feld=277Ω. Damit können wir die Nennleistung einer Antenne aus der Empfangsfeldstärke E (einer Messgröße) berechnen (

Gl. 1-72 Dipolantenne, Leistung

)

Zahlenwerte: Eine mittlere Empfangsfeldstärke ist nach Abb. 1-228 E=1V/m. Bei der UKW-Frequenz f=100MHz ist λ=c/f=3m. Z.Feld=377Ω → 16·Z.Feld=6kΩ. Damit wird P.Dip=1,5mW. Berechnung des Nennwirkungsgrades Der Wirkungsgrad η.Ant ist neben Resonanzfrequenz f.Res und Bandbreite B einer ihrer wichtigsten Parameter. Um η.Ant beim Bau von Antennen maximieren zu können, muss bekannt sein, wie er berechnet wird. Das soll nun gezeigt werden. Dabei wird immer von Reflexionsfreiheit, d.h. Impedanzanpassung, ausgegangen. Abb. 1-259 zeigt die Ersatzschaltung einer in Resonanz betriebenen Antenne, deren Nennwirkungsgrad aus der gemessenen Antennenspannung u.Ant berechnet werden soll.

i0

u.Ant

R.Fuß

P.Nen

u.0

Z.Ltg

u.Amp R.Amp

P.Ant

Abb. 1-259 Ersatzschaltung einer impedanzangepassten, resonanten Antenne: Für diesen Fall soll ihr Wirkungsgrad aus der gemessenen Antennenspannung u.Ant berechnet werden.

Ströme, Spannungen und Leistung einer Antenne Zur physikalischen Berechnung des Wirkungsgrades η.Ant = P.Amp/P.Ant einer resonanten Antenne muss der Signalpfad von der Quellenspannung u.0 über die Spannung u.Ant am Antennenausgang über die Anschlussleitung bis zur Spannung u.Amp am Eingang des Antennenverstärkers verfolgt werden.

170

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-260 zeigt die Struktur zur Berechnung des Wirkungsgrads einer Antenne. Aus einer gemessenen Antennenspannung u.Ant berechnet sie für Abb. 1-259 die Spannungen, Ströme und Leistungen mit den Impedanzen als Parameter. E/(µV/m)

lambda/2m

1

1

2

c/(m/µs) f/MHz

300

100

2

K 0,5

K2

lambda/m

Z.0/Ohm

u.Z0/µV

377

u.0/µV

dBm: Ref=1mW P.Ant/dBm

lg(P.Ant/mW)

P.Ant/mW

P.Ant/pW

lg K 10

K 1E-09

i.Fuß/µV Z.Fuß/Ohm

1

250

2

u.Ant/µV 10

Messgröße

i.Ltg/µV 1

i.0/µA

u.Amp/µV

v.Ant/%

2

1

eta.Ant/%

2

Z.Ltg/Ohm

R.Amp/Ohm

50

50

K 100

Abb. 1-260 Antennenanschluss: Berechnung der Antennenleistung, des Antennenteilers und des Wirkungsgrads aus der Antennenspannung u.Ant

Erläuterungen zu Abb. 1-260: Der untere Teil berechnet den Antennenteiler v.HF von der Leerlaufspannung u.Ant der Antenne über die Anschlussleitung bis zum Verstärkereingang. Sie ist der gesuchte Wirkungsgrad nach Gl. 1-70. Der obere Teil von Abb. 1-260 berechnet die die Antenne erreichende Feldstärke E. Daraus berechnet der mittlere Teil die logarithmische Leistung am VerstärkerEingangswiderstand R.Amp in dBm (bezogen auf 1mW): (



)

Zahlenwerte zur Antennenleistung: 0 dBm sind 1mW, 20 dBm sind 100mW, -10 dBm sind 0,1mW, -60 dBm sind 1nW.

Antennensimulation

1.4.1.9

171

Elektrische Antennenverlängerung und -verkürzung

Bei optimal angepassten Antennen ist die Länge l.Ant gleich der halben Wellenlänge λ/2 des Senders. Je nach Frequenz des Senders führt dies zu nicht realisierbaren Antennenlängen. Deshalb soll nun gezeigt werden, wie die Resonanzfrequenz einer Antenne durch in Reihe oder parallel geschaltete Induktivitäten oder Kapazitäten an die Frequenz des Senders f.Send angepasst werden kann. Das Ziel ist der Bau von Antennen mit gewünschten Abmessungen.  

L.Ant

C.Ant

C.Ser

L.Ser

Abb. 1-261 Antenne mit Verlängerungsspule und Verkürzungskondensator

Wenn die gewünschte Dipollänge l.Res größer als λ/2 des Senders ist, wird der Verkürzungsfaktor k.Verk = (λ/2)/l.Ant gesucht. Wenn die gewünschte Dipollänge l.Res kleiner als λ/2 des Senders ist, wird der Verlängerungsfaktor k.Verl = (λ/2)/l.Ant gesucht.

Zuerst berechnen wir, wie die Resonanzlänge l.Res einer Antenne von ihrer Induktivität L und Kapazität C abhängt. Dazu gehen wir von Gl. 1-50 aus (λ=c/f=c∙2π/ω) und ersetzen die Kreisfrequenz ω durch ω.Res=1/√(L∙C). Damit erhalten wir die Resonanzwellenlänge √ Gl. 1-73 Resonanzlänge eines Dipols Aus Gl. 1-73 ersehen wir, dass die Resonanzlänge l.Res einer Antenne durch L und C eingestellt werden kann:  l.Res wird verlängert, wenn die Grundinduktivität L.0 der Antenne entweder durch eine Serieninduktivität L.Ser vergrößert oder durch eine Parallelkapazität C.Par vergrößert wird. Dann ist entweder L=L.0+L.Ser oder C=C.0+C.Par. Das zeigt Abb. 1-264. Zur Berechnung der Zusatzinduktivität oder -kapazität ersetzen wir in Abb. 1-264 L oder C durch L→L.0+L.Ser oder C→ C.0+C.Par 

l.Res wird verkürzt, wenn die Grundinduktivität L.0 der Antenne entweder durch eine Parallelinduktivität L.Par oder durch eine Serienkapazität C.Ser verkleinert wird. Dann ist entweder L=L.0//L.Ser oder C=C.0//C.Par. Das zeigt Abb. 1-261.

Zur Berechnung der Zusatzinduktivität oder -kapazität ersetzen wir in Gl. 1-73 L oder C durch Gl. 1-74 parallele Induktivitäten



Gl. 1-75 parallele Kapazitäten



Nun soll gezeigt werden, wie Antennen mit Gl. 1-74 und Gl. 1-75 elektrisch auf gewünschte Abmessungen verlängert oder verkürzt werden können.

172

Elektrische Dynamik – Teil 2

1. Elektromagnetische Antennenverkürzung Abb. 1-262 zeigt einen Faltdipol mit seriellem Verkürzungskondensator C.Ser und paralleler Verkürzungsinduktivität L.Par. Welche Variante einfacher zu realisieren ist, entscheidet der Anwender. (Sender)*Verkürzungsfaktor

zu langer Faltdipol Verkürzungs -Induktivität

C.Ser L.Par

VerkürzungsKondensator

Z.0

Abb. 1-262 elektrische Verkürzung einer Dipolantenne durch eine Serienkapazität und/oder eine Parallelinduktivität

Ermittlung eines Verkürzungskondensators C.Ser Durch eine Parallelkapazität am Ausgang einer Antenne wird die Gesamtkapazität verkleinert, was die Resonanzfrequenz vergrößert. Das entspricht einer Verkürzung der elektromagnetisch wirksamen Länge einer Antenne. Mit C.Ser wird eine zu lange Antenne an kürzere Wellenlängen angepasst. Gl. 1-76 Antennenverkürzung durch L.Par

(

)













Gl. 1-77 Antennenverkürzung durch C.Ser

(

)

Abb. 1-263 zeigt die Berechnung einer Serienkapazität C.Ser für eine vorgegebene Frequenz f.Res und eine gewählte Antennenlänge L.Ant:

Antennenverkürzung durch C.Ser

Abb. 1-263 Berechnung der Antennenverkürzung durch eine Serienkapazität

Antennensimulation

173

2. Elektromagnetische Antennenverlängerung Abb. 1-264 zeigt einen Faltdipol mit parallelem Verkürzungskondensator C.Par und serieller Verkürzungsinduktivität L.Ser. Welche Variante einfacher zu realisieren ist, entscheidet wieder der Anwender. (Sender)*Verlängerungsfaktor

VerlängerungsSpule

L.Ser C.Par

zu kurzer Faltdipol VerlängerungsKondensator

Z.0

Abb. 1-264 elektrische Verlängerung einer Dipolantenne durch eine Serieninduktivität und/oder eine Parallelkapazität

Dimensionierung der Verlängerungsinduktivität L.Ser Durch eine Parallelkapazität zum Ausgang einer Antenne wird die Gesamtkapazität vergrößert, was die Resonanzfrequenz verkleinert und die zugehörige Wellenlänge verkleinert. Das entspricht einer Verkürzung der elektromagnetisch wirksamen Länge einer Antenne. Mit C.Ser wird eine zu lange Antenne an kürzere Wellenlängen angepasst. Gl. 1-78 Antennenverlängerung durch L.Ser

(

)













Gl. 1-79 Antennenverlängerung durch C.Par

(

)

Abb. 1-265 zeigt die Berechnung einer Serieninduktivität für eine vorgegebene Frequenz f.Res und eine gewählte Antennenlänge L.Ant:

Antennenverlängerung durch L.ser

Abb. 1-265 Berechnung der Antennenverlängerung durch eine Serieninduktivität L.Ser

174

Elektrische Dynamik – Teil 2

Dimensionierung einer Verlängerungsspule Induktivitäten L mit der Länge l und dem Querschnitt A werden allgemein nach Gl. 1-80 berechnet: Gl. 1-80 Induktivität, allgemein

Gl. 1-80 zeigt, dass die Induktivität bei Vergrößerung der Spulenlänge l erhalten bleibt, wenn das Quadrat der Windungszahl N gleichermaßen vergrößert wird.

A.Spu

Umgekehrt verkürzt sich die Spule für die gleiche Wellenlänge, wenn ihre Windungszahl N vergrößert wird. Für maximale Empfindlichkeit wird l=λ/2 gefordert. Gewählt wird die Spulenlänge l.Spu. Dann gilt ⁄ Daraus folgt die erforderliche Gl. 1-81 Windungszahl einer elektrischen Dipolantenne

√( ⁄ )⁄ Zahlenwerte: UKW-Band, f=94MHz, λ=3,2m → λ/2=160cm. Gefordert wird l.Spu=10cm. Aus Gl. 1-81 folgt N=16. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Verl%C3%A4ngerungsspule

Abb. 1-266 Stabantenne für DVB-T mit Verlängerungsspule und Fußpunktkondensator

Die Ziele der Antennendimensionierung sind 1. die Resonanzfrequenz der Antenne an die Sendefrequenz anzugleichen 2. ihre Bandbreite festzulegen und 3. die Ausgangsimpedanz der Antenne an den Wellenwiderstand des Anschlusskabels (meist 50 Ω) anzupassen. Praktische Antennentechnik von Max Rüegger, HB9ACC http://www.qth.at/oe3dsb/Teil4.pdf Antennensimulation von EZNEC von Roy Le wallen,W7EL http://www.eznec.com/ Kostenlos, dafür aber auf 20 Segmente beschränkt, ist die EZNEC-Demo-Version 5.0. Auch mit ihr lassen sich (zeitlich unbefristet) viele im Amateurfunk praktisch vorkommende Antennentypen problemlos modellieren. https://www.youtube.com/watch?v=N8Muudm5DdM

Antennensimulation

175

Windungszahl N und Fußpunktkapazität C.0 einer Antenne Wenn die Windungszahl N nach Gl. 1-81 festliegt und ihr Radius r.Spu gefordert wird, liegt nach Gl. 1-80 auch die Induktivität L.Ant der Antenne fest. Ihre Mittenfrequenz f.0 wird durch das Frequenzband gefordert. Abb. 1-267 zeigt, wie mit diesen Angaben die Fußpunktkapazität C.0 der Antenne ermittelt wird. µ.0/(µH/m)

UKW-Band bis 100MHz VHF-Band bis 150MHz UHF-Band bis 300MHz

r.Spu/cm

1,3

A.Spu/cm²

k.geo/cm

1

L.Wdg/nH

L.Ant/nH

1 2

K 3,14

K 10

N.Spu² l.Spu/cm 10

2

(lambda/2)/cm c/(Mm/s) 300

N.Spu

1

K 50

lambda/m

X.L/Ohm

1

(A/V)/X.C

2

f/MHz

C.0/pF 1

om*µs

2

K 0,001

100

K 1000000

K 6,28

Abb. 1-267 Berechnung der Windungszahl N einer Verlängerungsspule und der Fußpunktkapazität C.0 einer DVB-T Antenne: Bei einer Stabantenne für das UKW-Band wird eine Verlängerungsspule mit N=4 Windungen und einer Fußpunktkapazität C.0=41pF benötigt (inklusive Schaltkapazitäten).

Ausblick: Hiermit schließt die Zusammenstellung der Grundlagen zur Antennenberechnung. Welche theoretischen Kenntnisse dazu noch benötigt werden, zeigen wir im folgenden Abschnitt. Dies sind seine Themen: 1. 2. 3. 4.

Leistung und Wirkungsgrad Strahlungsdiagramm und Wirkfläche Gewinn und Richtungsempfindlichkeit Bandbreite und Wirkungsgrad

Damit werden anschließend Dipolantennen, Rahmenantennen und Ferritantennen analysiert und dimensioniert. Zum Abschluss bringen wir noch die Berechnung einer Richtfunkstrecke mit Parabolantennen.

176

1.4.2

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Theorie zur Antennenberechnung

Antennen sind im einfachsten Falle Dipole, also Leitungen mit zwei Anschlüssen. Sie können langgestreckt oder flächig ausgebildet sein.  Langgestreckt detektieren sie Feldstärken E. Wenn ihre Länge λ/2 beträgt, erzeugen sie daraus die Leerlaufspannung u.0=E· λ/2.  Flächig ausgebildet, detektieren sie magnetische Feldstärken H. Wenn ihre Fläche (λ/2)² beträgt, erzeugen sie daraus den Kurzschlussstrom i.0=H· λ/2. Zwei Antennentypen sind möglich: der elektrische und der magnetische Dipol.  Im Nahbereich (Abb. 1-277) sind magnetische Antennen empfindlicher.  Im Fernbereich sind elektrische und magnetische Antennen gleich empfindlich. Wir beginnen die Antennenberechnung mit Dipolen. Ihre geringe Signalausbeute und der schlechte Rauschabstand hat die Entwicklung leistungsfähigerer Antennen nötig gemacht. Wir werden ihre Eigenschaften (z.B. Wirkungsgrad, Gewinn und Rauschabstand) in den folgenden Abschnitten berechnen. Dann dient der Dipol als Referenz zum Vergleich der erzielten Verbesserungen. Die Resonanzeigenschaften einer Antenne Bei realen Antennenanlagen muss R.Amp den Wellenwiderstand der Zuleitungen haben (z.B. 50Ω bei BNC-Kabeln). Dann ist der Wellenwiderstand einer Dipolantenne (Z.0=377Ω) der größte Widerstand im Kreis. Das bedeutet, dass die Antenne als Stromquelle aufzufassen ist. Dadurch wird ihr Wirkungsgrad klein gegen 1. Nicht abgestimmte Langdrahtantennen erreichen Wirkungsgrade von Abb. 1-268 Resonanzkennlinie einer schmalbandigen Langwellenantenne einigen 1 %. Berechnung der Antennenparameter Die Speicher L.Ant und C.Ant einer Antenne bestimmen ihre Resonanzfrequenz und Bandbreite: Resonanzfrequenz ⁄√ Dämpfung

Kennimpedanz √ ⁄ Abb. 1-269 Ersatzschaltung und Daten eines Antennenschwingkreises

Antennensimulation

177

Die Resonanzfrequenz soll auf die Sendefrequenz eingestellt werden.  Die Kapazität C wird durch die Antennenanschlüsse bestimmt. Typische Werte liegen zwischen 10 und 100pF.∙  Die Induktivität L.Ant hängt von den Dimensionen der Antenne ab. Wir werden sie in Abb. 1-369 berechnen. Typische Werte liegen in μH-Bereich.  Durch die Dämpfung der Antenne kann ihre Breit- oder Schmalbandigkeit eingestellt werden: Bei schmalbandigen Antennen ist Z.ResR.L. Abb. 1-270 zeigt die Berechnung der Resonanzimpedanz und -frequenz eines Antennenschwingkreises aus L.Ant und C.Ant: L.Ant/µH 0,065

(Z.Res/kOhm)²

Z.Res/Ohm

1 2

Antennen -Resonanz

K 1000

(T.Res/ns)² T.Res/ns C.Ant/pF

om.Res*µs f.Res /MHz

10 K 1000

K 0,16

Abb. 1-270 Berechnung der Resonanzimpedanz Z.Res und der Resonanzfrequenz f.Res aus den Speichern der Antenne: L.Ant (magnetisch) und C.Ant (elektrostatisch)

Bei der Realisierung einer Antenne muss bekannt sein: ⁄  R und L bestimmen die untere Grenzfrequenz ⁄(  R und C bestimmen die obere Grenzfrequenz )  Die Resonanzfrequenz ω.0 ist das geometrische Mittel von ω.1 und ω.2: ⁄√



 Der Widerstand R.D bestimmt die Dämpfung d und damit die Bandbreite B=f.2-f.1 der Antenne. Der Kehrwert der Dämpfung heißt Güte Q=1/2d.  

Je größer R gegen Z.0, desto kleiner wird f.1 gegen f.0: ⁄ ( ⁄ ) √ ⁄ Je größer Z.0 gegen R, desto größer wird f.2 gegen f.0: ⁄

( ⁄(

)) √



Antennen besitzen eine Induktivität L, eine Kapazität C und Verlustwiderstände R. Dadurch bilden sie einen gedämpften Schwingkreis, der zur Maximierung des Leistungstransfers in Resonanz betrieben werden soll. : X.L=X.C → Z.LC=0 Nun soll gezeigt werden, wie der Wirkungsgrad einer Antenne für den Resonanzfall aus den Impedanzen des Antennenkreises berechnet werden kann.

178

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.4.2.1

Feldstärken und Strahlungsintensität (Pointingvektor)

Die Höhe einer Antennenspannung hängt von der Stärke S des sie umgebenden Feldes ab. Das Maß für S ist die Leistung pro Fläche, genannt Intensität S=P.Str/A. Antennen detektieren je nach Bauform und Ausrichtung entweder elektrische oder magnetische Felder (E und H) oder beide. Gezeigt werden soll, wie E und H die Strahlungsintensität S bestimmen. Flache Antennen erzeugen oder empfangen gekoppelte, senkrecht zueinander stehende elektrische und magnetische Felder. Bei flacher Bauform sind sie – je nach Aufstellung – horizontal oder vertikal polarisiert. Abb. 1-271 zeigt die Abstrahlung eines polarisierten elektromagnetischen Feldes.

+q-

u,E

i H

elektrisches Feld

magnetisches Feld

Abb. 1-271 horizontale und vertikaler Felder

Elektrische Dipole mit der Länge λ/2 erzeugen die Dipolspannung u.Dip=E∙λ/2. Wenn die Frequenz f des Senders – und damit seine Wellenlänge λ=c/f - bekannt ist, folgt daraus die Gl. 1-82 elektrische Feldstärke





Magnetische Dipole messen die Spannung i.Dip=H∙λ/2. Wenn die Frequenz f des Senders – und damit seine Wellenlänge λ=c/f - bekannt ist, folgt daraus die Gl. 1-83

magnetische Feldstärke







Antennen sind auch Feldstärkemesser. Das zeigt Abb. 1-230. Ob der elektrische oder der magnetische Teil der Strahlung vorzugsweise zur Induktion der Antennenspannung genutzt wird, hängt nach vom Abstand r des Empfängers vom Sender ab. Wenn r groß gegen die Wellenlänge λ ist, sind die elektrischen und magnetischen Intensitäten gleich groß. Dann sollte eine Kombination aus elektrischen Dipolen und magnetischen Dipolen als Antenne gewählt werden (Hochleistungsantenne, Abb. 1-355 in Abschn. 1.4.4). Die leichter messbare Ausgangsspannung u.Ant einer Antenne ist proportional  zu den Feldstärken E und H und  zur Wurzel aus der Strahlungsintensität S. Deshalb soll zuerst die Antennenspannung und daraus ihre Leistung, z.B. als Funktion des Abstands zwischen Sender und Empfänger, berechnet werden Aus Gl. 1-58 für den Wellenwiderstand Z.Feld=E·H und Gl. 1-54 für die Strahlungsintensität S folgt die Berechnung der Feldstärken E und H durch Gl. 1-84.

Antennensimulation

179

Feldstärken und Poyntingvektor Nach Abb. 1-272 zirkulieren die elektrische Feldstärke E und die magnetische Feldstärke H einer elektromagnetischen Welle. Deshalb sind ⃗ und ⃗ zwei Zeiger, deren geometrische Addition ein Vektor ist. Er ist nach dem britischen Physiker Poynting (1852 bis S 1914) benannt und beschreibt den Leistungsfluss von elektromagnetischen Wellen pro Fläche. Abb. 1-272 Poyntingvektor und Leistungsfluss Die Intensität S=E∙H ist der Betrag des Poyntingvektors ⃗ . Mit elektrischen und magnetischen Dipolen werden elektrische und magnetische Strahlungsdichten (S.el und S.mag) ermittelt. Zur Berechnung elektromagnetisch empfindlicher Hochleistungsantennen wird Strahlungsdichte S im Raum benötigt. Nach Abb. 1-272 muss sie nach Pythagoras berechnet werden: Gl. 1-84 effektive Strahlungsintensität



Strahlungsintensität und Antennenleistung Meist wird nur die elektrische Feldstärke E am Empfangsort gemessen. Mit Abb. 1-273 wird gezeigt, wie mit der Feldimpedanz Z.Feld des Vakuums (der Luft) die magnetische Feldstärke H im Fernfeld eines Senders und die zugehörigen Strahlungsintensitäten S.el, S.mag, die messbare Gesamtintensität S und die Antennenleistung P.Ant berechnet werden können. [E/(µV/m)]²

S.el/(pW/m²)

A.Wirk/m²

P.Ant/nW

200

1 2

K 0,001

E/(µV/m)

S/(pW/m²)

25

Z.Feld/Ohm

H/(µA/m) 1

[H/(µA/m)]²

S.mag/(pW/m²)

Pythagoras a b

c²=a²+b²

377

c

2

Abb. 1-273 Berechnung der Strahlungsintensität nach Gl. 1-84 aus der gemessenen Feldstärke E: Die magnetische Feldstärke H wird mit Gl. 1-83 aus E berechnet. Die elektrische und magnetische Strahlungsdichte werden aus Gl. 1-82 und Gl. 1-83 errechnet.

180

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-274 zeigt den Algorithmus zur Intensitätsberechnung. Auch er soll in den folgenden Abschnitten im Einzelnen erklärt werden.

Abb. 1-274 Berechnung von Antennenspannungen und -leistungen aus der gemessenen Feldstärke E bei einer Frequenz f

Erläuterungen zu Abb. 1-274:  Elektrische und magnetische Feldstärken E sind durch Wellenwiderstände Z verknüpft. Ihr Produkt ist die Strahlungsintensität S=P.Ant/A.W. Sie ist das Maß für die Stärke eines elektromagnetischen Feldes.  Zur Berechnung der Strahlungsintensität S.Str=P.Ant/A.W wird die Wirkfläche A.W einer Antenne benötigt. In 1.4.2.2 wird gezeigt, dass A.W die effektive Absorptionsfläche ist. Abb. 1-274 zeigt, wie man mit A.W die Empfangsleistung berechnet.  Feldstärken E sind von dem Abstand zwischen Sender und Empfänger und der Ausrichtung der Antenne zum Sender abhängig. 1.4.2.3 klärt die Einzelheiten.  Die gesendete oder empfangene Strahlungsleistung ist das Produkt aus Intensität und Wirkfläche. P.Ant=S.Str·A.W. Sie wird bei Resonanz der Antenne mit der Sendefrequenz gemessen. In 1.4.2.2 wird gezeigt, wie aus P.Ant die Antennenspannung u.Ant berechnet wird. Sie wird zur Auswahl des Antennenverstärkers (HF-Amp) benötigt. Statt eines Verstärkers kann auch ein Diodengleichrichter angeschlossen werden. Abb. 1-275 zeigt die Schaltung einer Diodensonde. Sie kann extrem klein gebaut sein und für Frequenzen bis zu einigen GHz eingesetzt werden.

Abb. 1-275 Diodensonde mit Resonanzfilter

Antennensimulation

181

Die Empfangsintensität als Funktion der Entfernung Abb. 1-276 zeigt Abstrahlkeulen von Sendeantennen mit den zugehörigen Intensitäten als Funktion der Entfernung zur Empfangsantenne. Daraus soll die Entfernungsfunktion der Intensität S(r) gewonnen werden.

Quelle: http://www.ralf-woelfle.de/elektrosmog/redir.htm?http://www.ralfwoelfle.de/elektrosmog/technik/basis_b_2.htm Abb. 1-276 Intensitätskeule eines Rundfunksenders: Ihr kann die Intensität als Funktion des Abstands zum Empfänger entnommen werden.

Nahfeld und Fernfeld Für Antennensimulationen benötigen wir die Intensität als Funktion des Abstands zum Empfänger. Um sie zu erzeugen, tragen wir die Angaben von Abb. 1-276 in eine Exceltabelle ein und lassen uns den Graph dazu zeichnen. Abb. 1-277 zeigt das Ergebnis. Abb. 1-277 Intensität als Funktion des Abstands r zwischen Sender und Empfänger

Abb. 1-277 zeigt: Mit steigender Entfernung vom Sender nimmt die Strahlungsintensität rapide ab.  In der direkten Umgebung eines Senders sinkt die Intensität mit 1/r². Das heißt, dass sich die Strahlung im Nahbereich auf der Oberfläche einer Kugel verteilt.  In der weiteren Umgebung eines Senders sinkt die Intensität mit 1/r³ ab. Das heißt, dass sich die Strahlung im Volumen einer Kugel verteilt. Bei Längsstrahlern liegt die Grenze zwischen Nah- und Fernfeld bei r.grz = 2. Bei Kurzwellensendern mit Frequenzen im 100-kHz-Bereich liegen die Wellenlängen im km-Bereich. Dafür müssen großflächige magnetische Antennen gebaut werden. Bei UKW-Sendern mit Frequenzen im 100-kHz-Bereich liegen die Wellenlängen von einigen Metern. Dafür reichen elektrische Antennen mit Längen im Meterbereich.

182

1.4.2.2

Elektrische Dynamik – Teil 2

Strahlungsdiagramm und Wirkfläche

Der Gewinn G einer Antenne mit Richtcharakteristik beschreibt die Vergrößerung der Leistung von Richtantennen, entweder bezogen auf der Leistung eines Isotropenstrahlers gleicher Größe oder eines der Dipole, aus der sie besteht. Gl. 1-85 Antennengewinn: Definition und Berechnung

(

)

Abb. 1-278 Beispiele für den Richtgewinn

Die Hersteller von Richtantenennen geben ihren Gewinn in Vorzugsrichtung an (Abb. 1-278). Bei Formänderungen einer Antenne vergrößert sich das Intensitätsmaximum in der Hauptabstrahlrichtung gegenüber einer in alle Richtungen gleich (isotrop) abgestrahlten Intensität. Der Intensitätsgewinn G beschreibt die Abweichung der Abstrahlcharakteristik einer Antenne von der Kugelform (Isotropenstrahler=Referenz). Das Verhältnis dieser Intensitäten ist der Gl. 1-86 Intensitätsgewinn

Abb. 1-279 Richtdiagramm einer Richtantenne und das eines Isotropenstrahlers als Referenz

Zur graphischen Ermittlung des Antennengewinns G.Richt muss die Intensitätskurve des Richtdiagramms auf einen Kreis gleicher Fläche (entsprechend gleicher Leistung) verteilt werden. Isotrop

A.Wirk

P.Ant

Abb. 1-280 Zur Bestimmung des Antennengewinns G muss nach Gl. 1-86 die Wirkfläche A.Wirk für eine gewählte, konstante Feldstärke E bestimmt werden. Das könnte mit dem in Abb. 1-288 gezeigten Planimeter gemacht werden.

Antennensimulation

183

Die Wirkfläche A.W (=Absorptionsfläche) einer Antenne Bei Antennen mit Richtcharakteristik ändert sich die elektromagnetisch wirksame Fläche A.Wirk der Abstrahlung gegenüber der Kreisform eines Isotropenstrahlers. Dadurch wird ihre Reichweite auf Kosten der Rundumbestrahlung erhöht. Die Empfangsleistung einer Antenne ist proportional zur Strahlungsintensität S.max(r) und einem Geometriefaktor, genannt Wirkfläche A.W. Das zeigt Gl. 1-87: Gl. 1-87

Antennenleistung Keule und Fläche einer Richtantenne

( ) Die Strahlungsintensität S.max in Richtung des Senders und das Richtdiagramm sind durch Messung bekannt. Die Intensitätskeule hat die Form einer Ellipse mit der Länge l und der Breite b. Daraus folgt die Gl. 1-88 Abschätzung der Wirkfläche

P.Ant=Int.max*A.Wirk



Abb. 1-281 Strahlungsdiagramm und Wirkfläche Für Sendeantennen soll die Wirkfläche möglichst groß sein. Das wird durch hohe Sendeleistung erreicht. Die Wirkfläche eines Isotropstrahlers Die Wirkflächen von Antennen müssen für gleichmäßige Abstrahlung in alle Richtungen als Referenz berechnet werden. Bei Isotropstrahlern (fiktiver Kugelstrahler) sind die Wirkflächen am kleinsten. Sie dienen bei der Beschreibung von Antennen als Referenz. Isotropstrahler sind Antennen, die in alle Richtungen mit gleicher Stärke abstrahlen oder empfangen. Ihre Abstrahlcharaktertistik ist den Kreis mit dem Radius r und der Fläche π·r² ( Abb. 1-282). Isotropstahler haben die Länge λ/2, ihr Radius ist λ/4. Ihre Wirkfläche A.Iso ist daher ein Kreis mit diesem Radius.

l.Dip=

A.Wirk

Int S

d.Dip

Gl. 1-89 Wirkfläche eines Isotropstrahlers (

)

Abb. 1-282 Die Abstrahlcharakteristik einer Dipolantenne weicht etwas von der Kugelform ab: l/b≈1,6.

u.Dip~Int

184

Elektrische Dynamik – Teil 2

Wirkflächen A.W müssten eigentlich für jeden Antennentyp von den Herstellern angegeben werden. Dann könnte die zu erwartende Antennenleistung P.Ant aus gemessenen Strahlungsintensitäten S(r) berechnet werden. Da das üblicherweise nicht gemacht wird, soll A.W berechnet werden. Das soll hier zuerst am Beispiel einer Dipolantenne gezeigt werden (Abb. 1-294). Die Wirkfläche einer λ/2-Dipolantenne Eine leistungsangepasste Antenne entnimmt einer aus der Hauptrichtung einfallenden ebenen Welle eine Leistung, die ihrer Wirkfläche A.W entspricht. Für den λ/2-Dipol errechnet sich die Wirkfläche nach Gl. 1-90: Gl. 1-90 Wirkfläche eines λ/2-Dipols

Nach Gl. 1-118 sind Dipolspannungen u.Dip=E∙λ/2 bei einer Antennenlänge von der Hälfte der Empfangswellenlänge λ proportional zur Empfangsfeldstärke E. Abb. 1-283 zeigt die Berechnung einer Wirkfläche mit bekanntem Gewinn G. c/(Mm/s) 300

lamda/m

(lamda/m)²

1

(A.Wirk/G)/m² 1

2

A.Wirk/m²

2

f/MHz

4*Pi

100

12,6

dBd->dBi 2,15

G/dB.d

G/dB.i

G/10dB.i

0,3

G.lin

10 x

K 0,1

Abb. 1-283 Berechnung der Wirkfläche einer Antenne als Funktion der Frequenz bei bekanntem Gewinn G: Hersteller geben ihn entweder in dBd (bezogen auf einen Dipol) oder in dBi bezogen auf einen Kugelstrahler (Isotropstrahler) an. Der Unterschied beträgt 2,15dB.

Dipole mit der Länge λ/2 strahlen leicht elliptisch (G=2,15dB). Im nächsten Abschnitt wird gezeigt, wie die Antennenleistung auch ohne Kenntnis der Wirkfläche berechnet werden kann.

Antennensimulation

1.4.2.3

185

Gewinn und Richtempfindlichkeit

Als Gewinn G einer Antenne bezeichnet man die Eigenschaft, die abgestrahlte oder empfangene Energie zu bündeln. Im Gegensatz zu Isotropstrahlern, die die Strahlungsleistung in alle Richtungen mit gleicher Stärke abgeben, wird sie von Richtantennen in einer Vorzugsrichtung als Keule abgestrahlt (Abb. 1-284). Entsprechendes gilt für die Empfindlichkeit von Empfangsantennen, von denen hier die Rede sein soll. Bei Richtantennen hat die Intensität S des Empfangs eine Hauptrichtung zum Sender mit maximaler Intensität S.max und eine Nebenrichtung quer zum Sender mit minimaler Empfangsintensität S.min. Das Intensitätsverhältnis heißt Gewinn G. Gl. 1-91 Antennengewinn (linear)





Der Gewinn G ist ein Leistungsverhältnis. Dies wird werden üblicherweise logarithmiert in dezi Bel (dB=B/10) angegeben:

Abb. 1-284

Gewinn einer Richtantenne

Gl. 1-92 Antennengewinn (log.)

(

)



Drei dB-Angaben, die sich durch den Bezug unterscheiden, sind gebräuchlich: das mW (dBm), der Isotropstrahler (dBi) und der einfache Dipol (dBd)  Das dBm dient zur Berechnung absoluter Leistungen. Bezug das mW.  Relative Leistungssteigerungen werden in dBi (bezogen auf einen fiktiven Isotropstrahler) oder in dBd (bezogen auf einen fiktiven Dipol) angegeben. Die Wirkflächen A.W (Abschn. 1.4.2.2) von Antennen müssen mit dBi errechnet werden. Weil Dipolantennen eine geringe Richtwirkung von 2,15dB haben, sind die auf die am schwächsten strahlende Isotropantenne bezogenen dBi-Werte um 2,15dB höher: dBi= dBd + 2,15.

In Abb. 1-283 wurde ein Beispiel dazu gezeigt.

Tab. 1-7 zeigt die Gewinnangaben häufig verwendeter Empfangsantennen, bezogen auf einen fiktiven Isotropstrahler in dBi.

Quelle:: https://de.wikipedia.org/wiki/Antennengewinn

186

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Richtungsempfindlichkeit einer Antenne Den Anwender interessiert die Reichweite einer Antenne. Sie hängt stark von ihrer Richtempfindlichkeit ab. Richtantennen besitzen eine mehr oder weniger ausgeprägte Richtcharakteristik. Als Beispiele sollen hier die Eigenschaften (Gewinn, Richtfaktor, Frequenzgang) einer Parabolantenne und einer Hochleistungsantenne als Funktion ihrer Form und Abmessungen berechnet werden. Die Richtungsempfindlichkeit G(α) beschreibt die Abweichung der Empfangscharakteristik von der Kugelform (Isotropie) in Abhängigkeit vom Winkel α gegen die Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger. Bei Richtantennen hängt die empfangene Strahlungsleistung von der Ausrichtung zum Sender ab. Um sie berechnen zu können, wird eine Winkelfunktion benötigt, die dies beschreibt. Gezeigt werden soll, wie sie aus einer gemessenen Richtcharakteristik gewonnen wird.

Flächennormale

Empfangswinkel Flächenantenne (magnetischer Dipol)

Abb. 1-285 Zur Messung der Richtungsempfindlichkeit wird die Antenne um 360° gedreht. Gemessen wird die elektrische Feldstärke E. Aufgezeichnet wird die Intensität s~E².

Der Winkel α zwischen der Verbindung zum Sender und der Richtung der Empfindlichkeitskeule ist die unabhängige Variable der Gl. 1-93 Definition der Richtungsempfindlichkeit

Empf=S(α)/S.max

Richtungs- oder Strahlungsdiagramme Abb. 1-286 zeigt den Empfindlichkeitsabfall bei Drehung einer Antenne. Das ist anschaulich und die Basis zur Berechnung der Antennenspannung als Funktion des Winkels α zur Hauptrichtung bei 0°. Bei Drehung einer Antenne gegen ihre Hauptrichtung zum Sender verringert sich die Spannung der Antenne charakteristisch. Bei Annäherung an den Sender lässt sich dies ausgleichen. Abb. 1-286 zeigt ihr Richtungsdiagramm: Abb. 1-286 Richtungsdiagramm einer Parabolantenne

y

r(alpha)

x

Antennensimulation

187

Messung von Richt (=Strahlungs)-Diagrammen Feldstärkemesser dienen zur Erzeugung von Richtdiagrammen (Abb. 1-294). Sie zeigen die Empfindlichkeit einer Antenne im Ortsbereich als Funktion der Ausrichtung α zum Sender gegen die Richtung des Intensitätsmaximums (Abb. 1-287). Zu Berechnung der Antennenleistung genügt die Draufsicht auf eine Intensitätskeule.

Sender P.Ant Intensitätskeule radialsymmetrisch Leistung im Volumen

E Abb. 1-287 Richtkeule: Die Antennenleistung verbreitet sich bei Richtantennen im Volumen einer Intensitätskeule. An ihren Grenzen ist die Feldstärke E konstant.

H

S

Die von einer Antenne an den Verstärker abgegebene Leistung P.Ant hängt außer von der Empfangsfeldstärke E noch von zwei Faktoren ab:  dem Wirkungsgrad η: Wie er aus den Impedanzen der Antenne, der Zuleitung und des Antennenverstärkers berechnet wird, haben wir in 1.4.1.8 berechnet.  der Ausrichtung α der Antenne zum Sender: Die Winkelabhängigkeit der Antennenleistung wird in Abb. 1-286 gezeigt und mit Gl. 1-94 berechnet. Hier wird zunächst von ihrer perfekten Ausrichtung zum Sender ausgegangen. Dann sind Leistungen und Spannungen maximal. Wie die Intensität S als Funktion der Feldstärken in der Umgebung der Antenne berechnet wird, zeigen wir im nächsten Punkt. Für die Auslegung oder Auswahl des Antennenverstärkers muss die bei einer Messfeldstärke E.Mess zu erwartende Ausgangsspannung u.Amp einer Richtantenne bekannt sein. Abb. 1-297 zeigt die Berechnung von u.Amp mit Hilfe der aus einem Strahlungsdiagramm für E.Mess=konstant ermittelten Wirkfläche A.Wirk. Die Antennenleistung ist die Fläche der Intensitätskurve. Zur Ausmessung von Flächen mit beliebigen Grenzlinien müssen diese  entweder mit einem Planimeter (Abb. 1-288) vermessen  oder mit kleinen Rechtecken bekannter Fläche ausgefüllt und ausgezählt werden. Da graphische Verfahren sehr mühselig sind, zeigt Abb. 1-297, wie Antennenspannungen auch ohne den Gewinn berechnet werden können.

Abb. 1-288 Planimeter: Ein Messrad integriert die umfahrene Fläche.

188

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-289 zeigt den Aufbau einer Richtfunkstrecke zu Trainingszwecken, mit der auch die Winkelabhängigkeit der Übertragung gemessen werden kann.

Quelle: https://www.lucas-nuelle.de/218/pid/10660/apg/5651/WLAN-Richtfunk-Trainer.htm Abb. 1-289 Richtfunkstrecke der Fa. Lucas-Nülle

Erzeugung der Empfindlichkeitsfunktion Empf(α) Um die Richtungsempfindlichkeit einer Antenne simulieren zu können, wird in Abb. 1-289 die auf das Einstrahlungsmaximum in der Hauptrichtung (0°) bezogene Antennenspannung als Funktion des Winkels α benötigt. Abb. 1-290 zeigt die mit Excel berechnete Richtungsfunktion Gl. 1-94: Abb. 1-290 Die Richtungsempfindlichkeit Empf(α) einer Antenne als Funtion der Ausrichtung α zum Sender

Dazu misst man die Intensitäten S in konstantem Abstand des Detektors bei vorgegebenen Winkeln von -90° über 0° bis +90°. Die Empfindlichkeitsfunktion erhält man durch Division der Messwerte durch S.max in der Vorzugsrichtung bei α=0°. Die so erhaltenen Messwerte trägt man in eine Excel-Tabelle ein und lässt sich den Graph dazu anzeigen (Abb. 1-290). Zur Simulation der Richtungsempfindlichkeit wird eine möglichst einfache Beziehung zwischen S und α gesucht. Das leistet hier die Cosinusfunktion Gl. 1-94: Gl. 1-94 Richtungsempfindlichkeit von Antennen

( )

(

)

Erste Prüfung der Empfindlichkeitsfunktion Gl. 1-94 anhand zweier Sonderfälle: 1. 2.

Hauptrichtung: α= 0° → Empf=100% Querrichtung: α=90° → Empf= 0%

Das ist natürlich nur eine Näherung. Sie ist zulässig, weil Antennen nicht in Querrichtung (α=90°), wo der Fehler maximal ist, betrieben werden.

Antennensimulation

189

Durch Simulation soll die Richtungsempfindlichkeit der Gl. 1-94 gezeigt werden. Abb. 1-292 zeigt die Struktur dazu. Abb. 1-291 zeigt den damit simulierten Graphen. Abb. 1-291 Die nach Gl. 1-94 simulierte Richtungsempfindlichkeit einer Antenne

Abb. 1-292 zeigt die Struktur zur Simulation der Richtungsempfindlichkeit. Sie enthält Gl. 1-94 als Anwenderblock. Antenne Antenne Sense(alpha) alpha/° Sense(alpha)

alpha/° alpha/°

X1

X3

Y1

Y3

X2 Y2

alpha.min/° -90

A 1 s-1

Abb. 1-292 Simulation der Richtungsempfindlichkeit mit der Cosinusfunktion Abb. 1-293 zeigt die Struktur zur Berechnung der Richtungsempfindlichkeit nach Gl. 1-94: alpha/° 2*alpha/rad

cos(2*alpha)

Sense

Empf(alpha)

cos K 0,035

K 0,5

Konstante 1

Abb. 1-293 Struktur des Anwenderblocks in Abb. 1-292

Strahlungs(=Richt)-diagramme Berechnet werden soll die Spannung u.Amp am Eingang des Antennenverstärkers. Sie hängt von der Antennenleistung P.Ant ab. P.Ant ist das Produkt aus der Intensität S der Strahlung und der Wirkfläche A.W der Antenne. Gl. 1-95 Sende- und Empfangsleistung

Wirkflächen A.W (Absorptionsflächen) hängen von den Abmessungen einer Antenne ab. Sie müssen für jeden Antennentyp individuell bestimmt werden. Wie das mittels Richtdiagramm (Abb. 1-294) gemacht wird, wird in den folgenden Abschnitten für die in Abb. 1-212 angegebenen Antennen gezeigt.

190

Elektrische Dynamik – Teil 2

Kugel- und Richtstrahler Die Bauform einer Antenne entscheidet, ob sie ihre Leistung gleichmäßig in alle Richtungen (isotrop, Abb. 1-294) oder bevorzugt in eine Richtung abstrahlt.

Quelle: http://beta.ivc.no/wiki/index.php/Cloverleaf_FPV_antenna Abb. 1-294 Isotropstrahler und sein Richtungsdiagramm: Die blaue Linie zeigt die Orte gleicher Intensität an.

Bei Isotropstrahlern verteilt sich die Strahlungsleistung gleichmäßig in alle Richtungen. Ihre Intensität ist der Bezug zur Angabe des Intensitätsgewinns G=S.max/S.Iso von Richtstrahlern. Deshalb muss die Intensität S des Isotropstrahlers aufwändig gemessen oder - einfacher - mit Gl. 1-96 mit der Feldstärke E (aus Gl. 1-82) oder H und der Feldimpedanz Z.Feld, berechnet werden. Gl. 1-96 Strahlungsintensität und Feldstärke



Abb. 1-295 zeigt, wie die Antennenleistung bei Richtantennen durch die Formgebung auf eine Richtung konzentriert wird:

S.Iso G.Iso=1

Richtantenne Gewinn G.Ant>1

Abb. 1-295 Bei Isotropstrahlern ist die durchstrahlte Fläche maximal und die Intensität minimal. Bei Richtantennen ist die Intensität in ihrer Vorzugsrichtung vergrößert. Dafür verkleinert sich die überstrahlte Fläche (Wirkfläche) gegenüber dem Isotropstrahler.

Antennensimulation

191

Der Gewinn einer Strahlungskeule Die Abstrahlcharakteristiken realer Antennen weichen je nach Form mehr oder weniger von der Kugelform der fiktiven Isotropstrahlers ab. Im Allgemeinen haben sie die Form einer Keule mit der Länge l und der Breite b (Abb. 1-279). Die Fläche unter der Intensitätskeule ist die abgestrahlte oder empfangene Antennenleistung P.Ant=S.max∙A.W. Die maximale Intensität der Strahlung in Richtung des Senders ist größer als die eines Isotropstahlers gleicher Leistung. Den Intensitätsquotienten G=S.Ant/S.Iso bezeichnet man als (Intensitäts- oder Antennen-) Gewinn. Wenn die Abstrahlkurve einer Antenne gemessen worden ist, lässt sich G aus den Abmessungen der Keule (Länge l.Keule, Breite b.Keule) abschätzen: Gl. 1-97 Gewinn einer Strahlungskeule nach Abb. 1-280



Gl. 1-97 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Gewinn einer Antenne und der geometrischen Abstrahlkurve. Die Näherung gilt, weil hier nur die Hauptkeule berücksichtigt worden ist und eventuelle Nebenkeulen vernachlässigt sind. Deshalb ist der gemessene Gewinn kleiner als der berechnete Gewinn der Keule. Je größer G, desto besser ist der Empfang, aber umso kritischer ist die Ausrichtung einer Antenne zum Sender. Deshalb werden Antennen mit großem Gewinn als Richtantennen bezeichnet.  

Ein typisches Beispiel sind zu Richtantennen kombinierte Dipole. Wir simulieren sie in 1.4.4. Ein extremes Beispiel dazu sind Parabolantennen. Wir werden sie in Abschnitt 1.4.5 beim Thema ‚Richtfunkstrecke‘ simulieren.

Gl. 1-97 ermöglicht die Berechnung von Wirkflächen, deren Gewinn G z.B. durch Intensitätsmessung (Abb. 1-280, längs/quer) bekannt ist. Für beliebige Antennen erhalten wir die Gl. 1-98 Wirkfläche beliebiger Antennen

Nach Abb. 1-296 soll die Länge l.Dip des Dipols gleich λ/2 sein. Dann hat sein Empfangskreis die Fläche eines Isotropstrahlers A.Iso=π∙( λ/4)². Daraus folgt die Gl. 1-99

Intensität des Isotropstrahlers



( ⁄ )

Da die Abstrahlcharakteristik von Dipolen leicht elliptisch ist, ist ihr Gewinn etwas größer als 1. Gemessen wird ( ⁄ )

Vollwinkel srad

Abb. 1-296 Dipol und Isotropstrahler als Gewinnreferenz (0dB)

192

Elektrische Dynamik – Teil 2

Berechnung des Intensitätsgewinns G mit dem Richtungsfaktor D Gl. 1-100 zeigt, dass der Antennengewinn G das Produkt aus dem Wirkungsgrad η (einer Antenneneigenschaft) und dem Richtungsfaktor D (einer Geometrieeigenschaft) ist: ⁄ ⁄ Gl. 1-100 Intensitätsgewinn

Mit dem Richtungsfaktor D lässt sich der Richtungsgewinn G auch ohne die Kenntnis der Wirkfläche A.W berechnen. Wenn D>1/η ist, wird der Antennengewinn G>1=0dB. Das ist konstruktiv anzustreben, z.B. durch mehrere in Reihe und parallel geschaltete Dipole oder Parabolspiegel. Gl. 1-101 Gewinn und Halbwertsbreite



Aus Gl. 1-101 folgt, dass die Halbwertsbreite HWB=f.Res∙G/D einer Antenne mit dem Gewinn G größer und dem Richtfaktor D kleiner wird. Abb. 1-297 zeigt die Berechnung einer Antennenspannung als Funktion einer am Rand einer Messfläche bestehenden konstanten Empfangsfeldstärke: E.Mes/(µV/m) 100

Z.0/Ohm 377

H/(µA/m)

S/(pW/m²)

P.Ant/pW

1 2

Strahlungsdiagramm

S=konst A.Mes u.Amp/µV (u.Amp/µV)²

Z.Ant/Ohm 50

A.Mes/m² 2

Planimeter (u.Amp/µV)²

eta.Ant 0,2

Abb. 1-297 Berechnung von Antennenleistung und Antennenspannung u.Amp aus der gemessenen Feldstärke E: Die Strahlungsintensität ist S~E². Die Eingangsspannung des Verstärkers ist u.Amp~E.

Antennensimulation

193

Berechnung des Antennengewinns mit der Wirkfläche A.W Die Struktur von Abb. 1-298 berechnet den Gewinn einer Dioplantenne: B/MHz

eta/%

50

G.lin

K 100

lg(G)

G/dB

lg

HWB/MHz

sigma

K 10

1

K 2,5

f.Res/MHz

2

WL=Wellenlänge

200

c/(Mm/s) 300

WL/m WL/2m

K 2

(WL/2m)²

1 2

A.W~1/G bestimmt den Gewinn G A.W/m² 0,2

P.Ant/µW 10

K 0,5

S.Ant/(µW/m²) 1 2

D.Richt 1 2

S.Iso/(µW/m²) 1 2

A.Iso/m² K 3,14

Abb. 1-298 Berechnung des Antennengewinns G aus der Bandbreite B: Die Wirkfläche A.W wurde so eingestellt, dass der berechnete Gewinn dem eines Dipols (ca. 2,5dB) entspricht.

Der lineare Richtgewinn G.lin entsteht durch N.ser in Serie geschalteten Dipole: Gl. 1-102 Anzahl serieller Dipole

⁄ Üblich ist es, den Gewinn logarithmiert anzugeben: ( ) Zahlenwerte: Der Richtgewinn einer Antenne wird mit 7dB angegeben. Dazu gehört der lineare Gewinn G.lin = 107/10 ≈ 5. Das ist nach Gl. 1-102 die Anzahl N.ser der in Serie geschalteten Dipole.

Abb. 1-299 Richtdiagramm mit Hauptund Nebenkeulen

194

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.4.2.4

Bandbreite und Rauschabstand

Zum Abschluss dieses Abschnitts sollen alle Ströme, Spannungen und die Leistung einer Antenne berechnet werden. Damit kann dann auch der Rauschabstand SNR=S/R (Signalleistung S / Rauschleistung R) angegeben werden. Dabei wird sich zeigen, dass Dipole nur in der Nähe starker Sender zu gebrauchen sind. Spektrale Antennenleistung und -energie Die Antennenleistung ist bei der Resonanzfrequenz f.0 reell und maximal. In der Umgebung von f.0 sinkt sie nach einer Gauß’schen Normalverteilung gegen null ab. Normalverteilungen sind durch ihre Halbwertsbreiten, bei der die Strahlungsleistung auf die Hälfte ihres Maximalwerts abgesunken ist, gekennzeichnet. Das zeigt Abb. 1-300. Wie breit das abgestrahlte Spektrum ist, beschreiben die Halbwertsbreiten HWB im Frequenzbereich und σ im Ortsbereich. Abb. 1-300 zeigt die Normalverteilung von Strahlungsleistung in der Umgebung der Resonanzfrequenz f.Res: oben die Winkelverteilung der Strahlungsleistung P(α), unten die spektrale Energieverteilung W.Ant(f) einer Antenne. Die Fläche unter den Verteilungskurven ist die Gesamtenergie W.Ant=P.max/HWB der abgestrahlten Leistung. P.max

Strahlungsleistung

oben: die Winkelverteilung der Strahlungsleistung P.Str(α) im Ortsbereich als Funktion der Drehung der Antenne um einen Winkel α. Ihr Bezug ist die direkte Ausrichtung des Empfängers auf den Sender (α=0 mit P.max) und die Halbwertsbreite σ, bei der die Leistung auf die Hälfte abgesunken ist.

Gauß(f)

Drehung

Stahlungsenergie W.Strlg

W.max

unten: die Winkelverteilung der Strahlungsenergie W.Str(f) im Frequenzbereich als Funktion der Frequenz f. Ihre Kennzeichen sind die Resonanzfrequenz f.Res und die Halbwertsbreite HWB. Abb. 1-300 Normalverteilungen im Ortsund Frequenzbereich

Frequenz

 

Gauß(f)

f.Res

f/MHz

Die Halbwertsbreite HWB bestimmt, wie viele Sender eine Antenne abstrahlen oder empfangen kann. Die Halbwertsbreite σ bestimmt, wie genau eine Empfangsantenne auf den Sender ausgerichtet sein muss, um seine Signale zu empfangen.

Die Resonanzfrequenz f.Res einer Antenne wird nach Gl. 1-37 aus L und C berechnet. Damit erhält man den Zusammenhang der Gl. 1-103

Halbwertsbreiten im Orts- und Frequenzbereich σ = HWB/f.Res

Antennensimulation

195

Halbwertsbreite und Gewinn Um die Strahlungsleistung im Frequenzbereich simulieren zu können, soll die Halbwertsbreite HWB aus den Abmessungen einer Strahlungskeule (Abb. 1-301: Länge l, Breite b) berechnet werden. Dazu muss der Zusammenhang zwischen der Halbwertsbreite HWB in Abb. 1-300 und dem Richtgewinn G=l/b (Gl. 1-106) geklärt werden. Dies ist das Ergebnis: Gl. 1-104 Halbwertsbreite und Gewinn HWB=f.Res/G

Gl. 1-104 besagt: Je größer der Gewinn G einer Antenne, desto schmalbandiger ist sie. Beim Isotropstrahler ist G=1 und HWB=f.Res. Wirkungsgrad und Halbwertsbreite Durch den Vergleich der Normalverteilungen im Orts- und Frequenzbereich (Abb. 1-300) lassen sie sich ineinander umrechnen. Wie – zeigt Gl. 1-105: Gl. 1-105 Alternativen zur Halbwertsbreitenberechnung

Gl. 1-105 zeigt die Gleichheit von Wirkungsgrad und Halbwertsbreite: η = σ. Die in den Punkten 1 bis 5 angegebene Verhältnisse werden wir bei den folgenden Antennensimulationen verwenden. Dort finden Sie die Zahlenwerte zu den nun vorgestellten fünf Funktionen. 1.

2. 3.

4. 5.

Bei Drehung der Antenne gegen ihre Hauptstrahlrichtung um einen Winkel α (Abb. 1-299) ist die Antennenleistung bei ±σ/2 auf 50% abgesunken. Dadurch ist die Halbwertsbreite σ=P.Ant(100%)/P.Ant/50%) durch den Abfall der Antennenleistung im Ortsbereich definiert. Im Frequenzbereich sinkt die Strahlungsleistung - ausgehend von ihrem Maximalwert P.max=W.Ant∙HWB - bei Variation der Sendefrequenz um ±HWB/2 auf 50% ab. Das zeigt Abb. 1-300, unten. Wenn eine gemessene Strahlungskeule P(α) für konstante Intensität als Funktion der Verdrehung α gegen die Hauptstrahlrichtung vorliegt (Abb. 1-299, direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger), sind die Länge l und Breite b der Strahlungskeule bekannt. Dann ist σ≈l/b. Durch die Antennenimpedanzen für Resonanz ist das Verhältnis v.Ant=u.Amp/u.Ant aus der Verstärkerspannung u.Amp zur Antennenspannung u.Ant bestimmt. v.Ant bestimmt die Halbwertsbreite σ v.Ant. Nach Gl. 1-63 ist der Wirkungsgrad η=v.Ant. Daraus folgt die Abhängigkeit der Halbwertsbreite vom Wirkungsgrad η: σ≈η. Wenn der Antennengewinn G=P.Ant/P.Iso als Antennenleistung P.Ant, bezogen auf die Leistung eines Kugelstrahlers P.Iso, bekannt ist, ist σ der reziproke Richtungsgewinn: σ≈1/G. Das soll nun näher erklärt werden.

196

Elektrische Dynamik – Teil 2

Antennenleistung und Halbwertsbreite Da zum Zusammenhang zwischen Halbwertsbreite und Gewinn von Antennen sowohl theoretische Untersuchungen (Transformation zwischen Orts- und Frequenzbereich) als auch Messungen fehlen, soll versucht werden, Gl. 1-104 durch folgende Überlegungen plausibel zu machen: 1.

Keulenform und Richtgewinn ⁄

Gl. 1-106

Gewinn G = l / b G = f.Res/HWB



Beim Iotropenstrahler ist l=b und G=1. 2.

Wirkfläche A.W= *l*b

Strahlungsgeschwindigkeit P.Ant

⁄ Je größer der Gewinn einer Antenne, desto kleiner wird die Strahlungsgeschwindigkeit. Beim Isotropstrahler ist G=1 und v.Strlg=c. Abb. 1-301 Intensität

A.Wirk

Keule: Länge l, Breite b

Strahlungskeule für konstante

Die von der Antenne bei ihrer Resonanzfrequenz f.Res abgestrahlte oder absorbierte Strahlungsleistung ist proportional zur Resonanzfrequenz f.Res und zur Halbwertsbreite σ: Gl. 1-107 Strahlungsleistung

P.Ant=W.Ant ∙ f.Res∙σ

Zur Erklärung von Gl. 1-107 vergleichen wir die Normalverteilungen der Strahlungsintensität im Orts- und im Frequenzbereich (Abb. 1-300). In beiden Bereichen ist die Fläche unter den Normalverteilungen der Antennenleistung P.Ant und der Strahlungsenergie W.Ant gleich der effektiven Antennenleistung. Die Aus- oder Eintrittsarbeit W.Ant ist die Arbeit,  die bei Sendeantennen von den beschleunigten Ladungen abgestrahlt wird und  die bei Empfangsantennen dem elektromagnetischen Feld entzogen wird. W.Ant beschleunigt die Ladungen im Leiter, was die Antennenspannung erzeugt. Gl. 1-108 Antennenleistung

P.Ant=W.Ant ∙ HWB=P.Ant.max ∙ σ

Die Halbwertsbreite σ im Ortsbereich ist der Kehrwert des Richtgewinns: Gl. 1-109 Halbwertsbreite im Ortsbereich und Richtgewinn σ=1/G

Gl. 1-109 in Gl. 1-108 eingesetzt, liefert den in Gl. 1-105 angegebenen Zusammenhang zwischen Gl. 1-110 Halbwertsbreite im Frequenzbereich und Richtgewinn

HWB=f.Res/G.

Antennensimulation

197

Richtgewinn und Wirkungsgrad Das Verhältnis HWB/f.Res beschreibt die Schmalbandigkeit einer Antenne. Nach Gl. 1-112 ist sie reziprok zum Richtgewinn G. Mit Gl. 1-110 folgt daraus der Zusammenhang zwischen der Schmalbandigkeit und dem Wirkungsgrad einer Antenne: Gl. 1-111 Halbwertsbreite, Gewinn, Wirkungsgrad

Nach Gl. 1-63 ist der Antennenteiler v.Ant auch der Wirkungsgrads η. Daraus folgt der Zusammenhang zwischen Gl. 1-112

Richtgewinn und Wirkungsgrad:



Wenn die Wirkfläche einer Antenne unbekannt ist, lässt sich ihr Richtgewinn auch mittels Wirkungsgrad η berechnen. Abb. 1-302 berechnet den Wirkungsgrad η aus Wirkfläche und Antennenleistung: B/MHz

eta/%

50

K 100

G.lin

lg(G)

G/dB

lg

HWB/MHz

sigma

K 10

1

K 2,5

2

f.Res/MHz

WL=Wellenlänge

200

c/(Mm/s) 300

WL/m WL/2m

K 2

(WL/2m)²

1 2

A.W~1/G bestimmt den Gewinn G A.W/m² 0,2

P.Ant/µW 10

K 0,5

S.Ant/(µW/m²) 1 2

D.Richt 1 2

S.Iso/(µW/m²) 1 2

A.Iso/m² K 3,14

Abb. 1-302 der Dipolgewinn G nach Gl. 1-101 als Produkt von Wirkungsgrad η und Richtfaktor D.Richt

Die Berechnung des Richtgewinns gilt für einen einzigen Dipol. In Abschn. 1.4.4 folgt die entsprechende Berechnung für eine Richtantenne aus mehreren Dipolen.

198

Elektrische Dynamik – Teil 2

Halbwertsbreite σ, Wirkfläche A.W und Wirkungsgrad η Im Frequenzbereich beschreibt eine Gaußverteilung den Abfall der Leistungsfähigkeit einer Antenne in der Umgebung ihrer Resonanzfrequenz f.Res. Je größer die Halbwertsbreite HWB ~ σ ist, desto mehr Sender kann eine Antenne senden oder empfangen. Das Gleiche gilt für den Wirkungsgrad η. Je größer η, desto breitbandiger ist eine Antenne – und umgekehrt. Der Wirkungsgrad η bestimmt die Halbwertsbreite σ=HWB/f.Res (Abb. 1-358) und damit die Breitbandigkeit der Antenne. Bei η=1 wäre die Halbwertsbreite HWB gleich der Resonanzfrequenz f.Res. Bei η=0 wäre die Halbwertsbreite HWB ebenfalls null. Deshalb vermutet der Autor die Gleichheit von η und σ. Gl. 1-113 Wirkungsgrad und Halbwertsbreite





Im Abstand ±HWB /2 ist die Leistung der Antenne im Frequenzbereich auf die Hälfte abgesunken. Im Abstand ±σ/2 ist die Leistung der Antenne im Ortsbereich auf die Hälfte abgesunken. Das hat Abb. 1-300 gezeigt. Der Wirkungsgrad η errechnet sich nach Gl. 1-63 aus dem Spannungsteiler am Eingang einer Antenne. Damit liegt auch ihre Halbwertsbreite im Ortsbereich fest.

Gl. 1-114

σ=HWB/f.Res

Im Ortsbereich ist die Leistung P.Ant=S.max·A.W die Fläche der Intensitätsverteilung S(α). Sie errechnet sich aus dem Intensitätsmaximum S.max in Richtung des Senders und der Wirkfläche A.W: P.Ant=S.max∙A.W. Im Frequenzbereich wird die Leistung P.Ant=W.max·HWB durch die maximale Strahlungsenergie W.max=P.max·f.Res und die Halbwertsbreite HWB bestimmt. Aus S.max·A.W=W.max·HWB folgt die Proportionalität zwischen Halbwertsbreite HWB und Wirkfläche A.W: Gl. 1-115

(



)

Damit sind die in Gl. 1-105 angegebenen Alternativen zur Berechnung des Antennengewinns G, des Wirkungsgrads η und der Wirkfläche A.W erklärt. Wie damit die zu erwartenden Antennenspannungen aus ihrer Bauart berechnet werden, soll nachfolgend anhand wichtiger Beispiele gezeigt werden. Rauschabstand und Halbwertsbreite Zur Berechnung des Rauschabstands wird die effektive Rauschspannung U.R benötigt. Abb. 1-303 zeigt die Berechnung von Rauschspannungen u.R eines Widerstands R mit der absoluten Temperatur T als Parameter. Zur Berechnung von u.R wird die Thermisches Rauschen bei 1GHz Bewegungsenergie von Elektronen pro Quelle: https://archive.is/NL53 Temperaturintervall benötigt. Sie heißt Boltzmannkonstante k.B=1,38·10-23J/K.

Abb. 1-303 Berechnung einer Rauschspannung nach Gl. 1-57

Antennensimulation

199

Hier soll gezeigt werden, wie groß ein Antennensignal sein muss, damit es noch klar empfangen werden kann. Das Maß dafür ist der Rauschabstand S/R=Signalleistung/Rauschleistung, englisch das ‚signal to noise ratio‘ SNR=S/R. Zur Berechnung des SNR muss gezeigt werden, wie es von der Bandbreite B, bzw. der Halbwertsbreite HWB≈1,6·B, einer Antenne abhängt. Abb. 1-304 zeigt die Verbesserung eines Signals mit steigendem Rauschabstand S/R. Eingezeichnet sind Vielfache der Halbwertsbreite im Ortsbereich: σ=HWB/f.Res. Abb. 1-304 zeigt, dass Signale umso besser zu erkennen sind, je größer ihre Leistung P.Ant gegen die Rauschleistung P.Rausch sind. Das führt zur Definition und Gl. 1-116 Berechnung des Rauschabstands Abb. 1-304 Verbesserung eines Signals mit steigendem Rauschabstand SNR=S/N

Quelle: http://www.statistics4u.info/fundstat_germ/ee_detection_limit.html Rauschabstände SNR werden meist logarithmiert angegeben: SNR.log=10dB·lg(SNR). Die Struktur der Abb. 1-305 zeigt die Berechnung der Spannungen, Ströme und Leistungen einer Dipolantenne und ihres Rauschabstands SNR. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die in Abb. 1-306 gezeigte Ersatzschaltung einer Antenne mit ihrer Eingangsrauschleistung P.Rausch. Erläuterungen zu Abb. 1-305: unten: Vorgegeben wird die gemessene Antennenspannung u.Ant. Um daraus den Wirkungsgrad η.Ant nach Gl. 1-63 berechnen zu können, muss die Leerlaufspannung u.0=E·λ/2 errechnet werden. Mitte: u.0=u.Ant+Z.Feld·i.0 - mit dem Antennenstrom i.0=i.Fuß+i.Ltg - mit dem Fußpunktstrom i.Fuß=u.Ant/R.Fuß und i.Ltg=u.Ant/(R.Ltg+R.Amp) Aus der Antennenspannung u.0 und dem Antennenstrom i.0 folgt P.Ant=u.0·i.0. Mit u.0 wird die Feldstärke E=u.0/(λ/2) in der Umgebung der Antenne berechnet. oben: Dort werden die thermische Rauschleistung P.R und der Rauschabstand SNR=P.Ant/P.R errechnet. Für P.R nach Gl. 1-63 wird die Bandbreite B≈f.g der Antenne benötigt. Sie ist fast gleich ihrer oberen Grenzfrequenz f.g, die sich aus der Antennenzeitkonstante T.Ant=C.0·Z.inn errechnet - mit der Parallelschaltung Gl. 1-117

Z.inn=Z.Feld // R.Fuß // (Z.Ltg+R.Amp).

200

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-305 zeigt die Messgrößen einer Dipolantenne und ihres Rauschens: lg/(S/R)

E.th/(10^-21Ws)

SNR/dB

lg

300

K 10

S/R

K 0,04

P.R/pW

P.Ant

1

k.B/(10^-23Ws/K) T.abs/K 1,38

f.g/GHz

T.g/ps

C/pF 10

2

B/MHz

K 160

Z.inn/Ohm K 1000

E/(µV/m) 1

lambda/2m 1

2

300

K 0,5

lambda/m

u.Z0/µV

377

parallel

u.0/µV

P.Ant/pW

R.3/Ohm R.par/Ohm

f/MHz 100

2

K 2

Z.Feld/Ohm

c/(m/µs)

R.1/Ohm

P.Ant

R.2/Ohm

i.Fuß/µV R.Fuß/Ohm

1

250

2

u.Ant/µV

i.Ltg/µV

10

1

Messgröße

Z.0/Ohm i.0/µA

1 2

u.Amp/µV

2

eta.Ant/% 1 2

(Z.Ltg+R.Amp)/Ohm

K 100

Z.Ltg/Ohm

R.Amp/Ohm

50

50

Abb. 1-305 Berechnung der Spannungen, Ströme und Leistungen und des Rauschabstands für Dipolantennen

Antennensimulation

201

Berechnung von Rauschleistungen Zum Abschluss des Themas ‚Antennenrauschen‘ soll noch der allgemeine Fall betrachtet werden: Mehrere Rauschquellen überlagern sich. Dann addieren sich ihre Rauschleistungen. Berechungsgrundlage ist die in Abb. 1-306 gezeigte Ersatzschaltung: Abb. 1-306 zeigt die ResonanzErsatzschaltung einer elektrischen Dipolantenne mit Anschlussleitung und Verstärker unter Berücksichtigung der Rauschleistung. Die Antennenkapazität C.Ant bestimmt die Bandbreite B.

P.Ant

Z.Feld

P.Rausch C.Ant

u.Ant

u.Amp Z.Ltg

Abb. 1-307 zeigt dazu die Berechnung der Spannungen, Ströme und Leistungen.

R.Amp

R.Fuß

Abb. 1-306 Antenne mit Rauschleistung

Abb. 1-307 zeigt die Überlagerung der Rauschleistungen am Eingang einer Antenne: P.Ant/pW

P.Rext/pW

35

P.R;int/pW

5

P.R;total/pW

9

30

P.R;therm/pW 2,6

25 20 15

10 5 0

Abb. 1-307 Überlagerung der drei wichtigsten Rauschquellen

Abb. 1-308 zeigt die Berechnung der thermischen Rauschleistung mit Gl. 1-149: k.B/(10^-23Ws/K) T/K 1,38

E.th/(10^-18Ws)

300 K 4E-05

C/pF

T.g/ns

f.g/MHz

K 0,001

1000/2Pi 160

P.R;therm/pW

10

R/Ohm 100

B/MHz

Abb. 1-308 Berechnung des thermischen Rauschens nach Gl. 1-149 mit der Bandbreite Δf=f.g=1/T.g

202

1.4.3

Elektrische Dynamik – Teil 2

Antennenberechnung

Zur Auslegung von Antennenverstärkern werden die Antennenspannungen und Impedanzen benötigt. Deshalb sollen sie hier als hier Funktion der Empfangsfeldstärken berechnet werden. Die Parameter dazu hängen von der Bauform der Antenne ab. Wie wird anhand typischer Beispiele untersucht: Dipol- und Rahmenantennen, Ferrit- und Richtantennen. Durch die Analyse wichtiger Antennentypen soll gezeigt werden, welche Strahlungsleistungen sie umsetzen und welche Wirkungsgrade sie erreichen können. Das soll ihre Auswahl erleichtern. Antennen lassen sich mittels ihrer Ersatzschaltungen berechnen. Wie – zeigt ihre Struktur. Das soll zuerst für elektrische Dipole (1.4.3.1.1) und magnetische Dipole (1.4.3.1.2) und anschließend für die oben genannten Antennentypen gezeigt werden. Abschließend wird in 1.4.5 gezeigt, wie die Messgrößen einer Richtfunkstrecke mit Parabolspiegeln berechnet werden. Zu Optimierung des Empfangs werden elektrische und magnetische Antennen kombiniert. Als Beispiel zeigt Abb. 1-309 eine Zimmerantenne. Sie wird mit und ohne Verstärker angeboten. A.Dip

Intensität Int=S

P.Dip

P.Ant

Wellenlänge lambda Frequenz f

u.Amp v.Amp

Abb. 1-309 Zimmerantenne für Radio und Fernsehen und analogen und digitalen Empfang

Zum Antennenverstärker: Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, liegen Dipolspannungen im μV-Bereich. Hier wird gezeigt, dass sie bei kombinierten Antennen den mV-Bereich erreichen. In jedem Falle ist zur Weiterverarbeitung ein Antennenverstärker erforderlich. Um ihn bauen zu können muss bekannt sein, mit welchen Eingangsspannungen u.Amp zu rechnen ist. Zur Antennenberechnung mit Ersatzschaltungen: Ersatzschaltungen dienen zunächst zur verbalen Erklärung der Funktion elektrischer Systeme. Ob sie richtig sind, muss die Berechnung ihrer Eigenschaften zeigen. Sie müssen mit den zugehörigen Messungen kompatibel sein. Oft fehlen diese Berechnungen. Dann ist die Ersatzschaltung nicht mehr als eine Hypothese. Hier ist die Ersatzschaltung der erste Ansatz zur Strukturentwicklung. Damit können die Schaltungsdaten errechnet und die Schaltungseigenschaften z.B. durch Parametervariation veranschaulicht werden.

Antennensimulation

1.4.3.1

203

Dipolantennen

Antennen sind im einfachsten Fall elektrische oder magnetische Dipole. Abb. 1-310 zeigt einen Halbwellendipol zum Empfang elektrischer Felder im GHZ-Bereich. Quelle: https://de.wikipedia.org/zwiki/Dipolantenne Abb. 1-310 4GHz

Halbwellendipolantenne für 1 bis

Hier sollen die Leistung und Energie der absorbierten Strahlung von elektrischen und magnetischen Dipolen berechnet werden. Daraus folgen dann ihr Gewinn und ihr Wirkungsgrad. Abb. 1-311 zeigt die Ersatzschaltung dazu:

Abb. 1-311 links gestreckter Dipol: Er empfängt vorzugsweise das elektrische Feld - rechts Faltdipol: Er empfängt das elektrische und das magnetische Feld.

Abb. 1-312 zeigt die Berechnung der Empfangsleistung und -energie einer Dipolantenne. S.max/(µW/m²)

P.Ant/µW

10

f.u/MHz

f.o/MHz

1

Messung

230

A.W/m² B/MHz

0,5

W.Ant/pWs 2

Rechnung HWB/MHz

250 K 2,5

Abb. 1-312 Ermittlung der Energie der Einstrahlung am Ort einer Antenne

204

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.4.3.1.1

Elektrische Dipole

Die Ladungen des Leiters oszillieren zwischen seinen Enden mit der Frequenz des Senders. Dadurch bauen sie elektrische und magnetische Felder auf und ab, die detektiert werden können. Der einfachste Fall ist eine Wurfantenne. Das ist eine Litze, die λ/2 lang sein soll. Dann erzeugt sie die Gl. 1-118 Dipol-Leerlaufspannung

Jeder Draht ist ein elektrischer Dipol. Seine Länge l.Ant muss an die Wellenlänge λ=c/f.Send des Senders angepasst sein. Maximale Antennenspannung erfordert l.Dip=λ/2.

/4

/4

Abb. 1-313 Dipol als Feldstärkemesser

Beispiel: Für einen UKW-Sender mit f.Send=100MHz wäre l.Ant/2=1,5m. So lange Antennen wären in Fahrzeugen nicht zu gebrauchen. Zur elektrischen Antennenverlängerung und -verkürzung: Immer dann, wenn die räumlich mögliche Antennenlänge nicht zur Wellenlänge des gewünschten Senders passt, kann die elektromagnetisch wirksame Antennenlänge durch Spulen und Kondensatoren angepasst werden. Das haben wir in Abschnitt 1.4.1.9 gezeigt. Die Ausgangsspannung eines elektrischen Dipols In Strukturen werden wir Z.Feld zur Berechnung der schwerer messbaren magnetischen Feldstärke H=E/Z.0 aus der durch einen einfachen Dipol leichter messbaren elektrischen Feldstärke E verwenden. E.Ant/(mV/m)

u.0/mV

i.Ant/µA

1

1

u.Ant/mV

2

lambda/2m

K 0,5

Z.ges/Ohm

K 1000

K 0,001

Z.0/Ohm

R.L/Ohm

377

50

lambda/m 1 2

c/(Mm/s) 300

f/MHz 100

Abb. 1-314 Struktur und simulierte Messwerte eines Halbwellendipols

Antennensimulation

205

Die Impedanz eines Halbwellendipols Antennen können sich je nach Länge kapazitiv, reell oder induktiv verhalten. Das zeigt die Ortskurve ihrer Impedanz in Abb. 1-315. Quelle: http://www.informationsuebertragung.ch/Extr as/Antennen.pdf Abb. 1-315 Gemessene Antennenimpedanz, dargestellt als Ortskurve Blindwiderstand (y=Imaginärteil) über dem Wirkwiderstand (x=Realteil)

Die Antennenimpedanz kann in Resonanznähe durch einen reellwertigen Resonanzkreis dargestellt werden (Abb. 1-316).

http://www.wolfgang-rolke.de/antennas/ant_200.htm#211 Abb. 1-316 Die möglichen Antennen-Betriebsarten als Ortskurven

Das Verhältnis l.Ltg/λ = n bestimmt, ob sich diese leerlaufende Leitung wie eine Kapazität, eine Induktivität oder ein Schwingkreis verhält: Für 1/4 > n > 0 ist sie eine Kapazität. Für 1/4 = n ist sie ein Reihenschwingkreis mit den Resonanzwellenlängen λ; λ/2; λ/4; … Für 1/2 > n > 1/4 ist sie eine Induktivität. Für 1/2 = n ist sie ein Parallelschwingkreis mit den Resonanzwellenlängen λ; λ/3; λ/5; … Für 3/4 > n > 1/2 ist sie eine Kapazität. Quelle:

https://www.youtube.com/watch?v=I6kVVru7RUQ

Optimal sind Antennen, die auf die halbe Wellenlänge eingestellt sind. Wie das mit einer Antennenspule erreicht wird, haben wir beim Thema ‚Antennenverlängerung und -verkürzung‘ in Abschnitt 1.4.1.9 gezeigt.

206

Elektrische Dynamik – Teil 2

Passive DVB-T Antenne DVB-T (Abkürzung für Englisch „Digital Video Broadcasting – Terrestrial“; deutsch etwa: „Digitale erdgebundene Videoübertragung = Antennenfernsehen“) UKW-Band bis 100MHz – λ/2 um 1,5m VHF-Band bis 150MHz – λ/2 um 1m UHF-Band bis 300MHz – λ/2 um 0,5m Kanäle für DVB-T: Sender: Frequenz ≈ Kanalnummer × 7,5 MHz + 142 MHz UHF Band IV und V Kanal 21 bis Kanal 60 - VHF Band III Kanal 5 bis Kanal 12 Für eine passive und eine aktive DVB-T-Antenne soll nun gezeigt werden, wie groß die Ausgangsspannungen u.Ant als Funktion der sie umgebenden Feldstärken E und H sind. Die Daten einer passiven DVB-T-Antenne  omnidirektionaler Empfang über 360° (für alle Richtungen)  Empfangsbereich: VHF 174-230 MHz, UHF 470-862 MHz  Richtungscharakteristik: 3 dB Die Verdickung im Antennenstab (Gummiwurst) ist eine Spule (Drahtfeder) zur magnetischen Verlängerung der geometrisch zu kurzen Stabantenne. Durch diese Verlängerungsspule wird die effektive Länge der Stabantenne an die mittlere DVB-TWellenlänge angepasst. Wie sie funktioniert, erläutern wir auf der nächsten Seite. In Abb. 1-321 folgt die Berechnung der Ausgangsspannung u.Amp. Abb. 1-317 Dipolantenne mit geringer Richtwirkung

Zur Ersatzschaltung einer Dipolantenne (Abb. 1-319)  Betrieben wird die Antenne in Resonanz. Dann heben sich die induktiven Blindwiderstände von L.Ant und C.0 auf.  Im Resonanzfall bestimmen die Antennenwiderstände Z.0 (Strahlung), R.Verl (Verluste durch Anschlüsse und den Skineffekt) und R.Amp (Antennenverstärker) die Aufteilung der Antennenspannung u.Ant.  Bei Antennen ist der Strahlungswiderstand Z.0 dominant. Er bestimmt den Antennenstrom, der den beiden Widerständen R.Verl und R.Amp eingeprägt wird. Stromeinprägung bedeutet geringe Reflexion an der Einspeisestelle zum Antennenverstärker (geringe Anpassungsprobleme), aber auch niedrigen Wirkungsgrad.

Antennensimulation

207

Die Ersatzschaltung eines elektrischen Dipols Ein kurzer elektrischer Dipol polarisiert die Kapazität C.Dip seiner Anschlussklemmen. Die dadurch erzeugte Leerlaufspannung u.0 ist maximal, wenn die Antennenlänge l≈ λ/2 und der Klemmenabstand D in der Mitte klein gegen l ist.   

Frequenzbereich: einige kHz bis 100MHz Strahlungswiderstand: R.Str = 80π2(l/λ)2W Die Antennenkapazität C.Dip bestimmt die Impedanz Z.Ant der Antenne. Sie wird mit steigender Antennenlänge immer kleiner:

C.Dip

C.Dip ≈ 1…10pF Abb. 1-318 elektrischer Dipol

Um die Leerlaufspannung u.0 optimal zu nutzen, müsste der Antennenverstärker hochohmig im Eingang sein. Dabei dürfen aber keine Reflexionen auftreten. Deshalb muss die Eingangsimpedanz Z.M möglichst gleich der Ausgangsimpedanz der Antenne sein: Z.i ≈X.i=1/jω·C.i. Vereinfachte Ersatzschaltung einer Dipolantenne Abb. 1-319 zeigt, dass Dipolantennen als Bandpässe (Serienschwingkreise, Abschn. 1.3.10) zu verstehen sind. Die Speicher L.Ant (magnetisch) und der Fußpunktkondensator C.0 bestimmen die Resonanzfrequenz f.Res. Die ohmschen Verlustwiderstände, hier R.Amp und der Leitungswiderstand R.Ltg, bestimmen die Bandbreite und Güte der Antenne. Die Eigenschaften von Antennen werden in Abb. 1-321 nach der nebenstehender Ersatzschaltung berechnet.

Abb. 1-319 Ersatzschaltung eines Halbwellendipols

Der Leitungswiderstand R.Ltg enthält den ohmschen Widerstand der Leitungsdrähte, berücksichtigt aber auch den Skineffekt und die Verluste im Anpassungsnetzwerk. Typischerweise ist R.Ltg klein gegen die Feldimpedanz Z.Feld=377Ω und ist damit vernachlässigbar. Verstärker-Eingangswiderstände R.Amp (meist 50Ω) sorgen für Reflexionsfreiheit mit dem Antennen-Anschlusskabel. Antennen für mobile Funkgeräte haben Abschlusswiderstände von ca. 50 Ω. Die Impedanzen von Sendern haben ebenfalls 50 Ω. Nur in der Unterhaltungselektronik (z. B. beim terrestrischen Fernsehempfang) sind die Antennen für eine Impedanz von 75 Ω ausgelegt. Hier rechnen wir mit R.Amp=50Ω.

208

Elektrische Dynamik – Teil 2

Dipol mit Anschlussleitung und Antennenverstärker Abb. 1-320 zeigt die Ersatzschaltung eines elektrischen Dipols mit den dazu gehörenden Messgrößen. u.Ant

Z.0

el. Dipol

1...10pF

~100

C.Dip /pF 377 E E* /2 u.0

Z.1=Z.0//R.Fuß=79 N.1 Z.Ltg=50 N.2

u.Amp

Antennen -Verstärker

Z.2=Z.Ltg+R.Amp=100 R.Amp 50

Leitungstransformation: ü=N.2/N.1=SQR(Z.2/Z.1)

R.Fuß

Abb. 1-320 Ersatzschaltung eines elektrischen Dipols mit Anschlussleitung und Antennenverstärker: Er ist eine kapazitive niederohmige Spannungsquelle.

Abb. 1-321 zeigt die Berechnung der Daten des elektrischen Dipols: c/(m*MHz) 300

lamda/m 1

u.0/mV

elektrischer Dipol u.Ant:0/mV

2

1

f/MHz 100

E/(mV/m)

K 0,5

10

lambda/2 -Dipol

R.Fuß/Ohm 100

v.u1 1 2

Z.0/Ohm 377

u.Ant/mV u.Amp;0/mV u.Amp/µV K 0,5

2

ü=N.2/N.1 1,7

R.Amp/Ohm 50

v.u2

K 500 wg. Leistungs - Anpassung

1 2

Z.Ltg/Ohm 377

Abb. 1-321 Berechnung der Messgrößen eines elektrischen Dipols: Er ist eine niederohmige kapazitive Spannungsquelle.

Abb. 1-321 hat gezeigt: Dipolspannungen liegen, wie das thermische Rauschen, im μVBereich. Das bedeutet:  Einfache Dipole sind nur für starke Sender in der Nähe geeignet.  Im Allgemeinen ist eine Nachverstärkung erforderlich. Die Schwächen einfacher Dipole haben die Entwicklung von Hochleistungsantennen erforderlich gemacht. Welchen Gewinn sie gegenüber einem einfachen Dipol bringen, berechnen wir in Abschnitt 1.4.4.

Antennensimulation

209

Abb. 1-322 zeigt die Berechnung der Länge l.Ltg einer Transformationsleitung nach Gl. 1-66. Sie stimmt genau genommen nur für eine einzige Frequenz. Bei breitbandigen Antennen gilt diese Leitungslänge aber auch für ihr Frequenzband in der Umgebung der Resonanzfrequenz.

Abb. 1-322 Berechnung der Länge einer Transformationsleitung nach Gl. 1-66 - oben: Das Übersetzungsverhältnis ü eines Übertragers zur Impedanztransformation mit den Windungszahlen N.1 (primär) und N.2 (sekundär) nach Gl. 1-119

Zur Impedanztransformation wird in Abb. 1-322 ein Übersetzungsverhältnis ü berechnet. Wie es durch eine Transformationsleitung für ü 20μV/m) vorteilhaft. Als Sendeantennen sind sie wegen ihres geringen Wirkungsgrades weniger geeignet.

k.geo cm d.Dr

Rahmen-Antenne d.Dr=0,1mm

d.Ra

k.geo

d.Ra d.Ra/cm

Quelle: http://www.viehl-radio.de/ Abb. 1-332 Rahmenantenne: Die Simulation wird zeigen, dass ihre Geometriekonstante A/l – und damit die Induktivität L – besonders groß ist, weil die Spulenlänge l gegen null geht.

Berechnet werden soll wieder die Eingangsspannung des Antennenverstärkers. Dazu wird hier die Stromquellenersatzschaltung Abb. 1-333 verwendet:

Z.Ant u.Ant

u.Amp

Z.Ltg

Abb. 1-333 Resonanz-Ersatzschaltung einer Rahmenantenne als Stromquelle

Der Innenwiderstand einer Rahmenantenne Jede Windung einer Rahmenantenne hat den Feldwiderstand Z.0=377Ω als Innenwiderstand für Hochfrequenz. Bei N Windungen ver-N-fachen sich die Quellenspannung u.0=E∙λ/2 und der gesamte Innenwiderstand Z.i=N∙Z.0. Dadurch wird die Rahmenantenne zur Stromquelle, die der angeschlossenen Last (BNC-Kabel und ihr Abschluss, der Verstärker-Eingangswiderstand R.Amp) den Kurzschlussstrom i.K=u.0/Z.Feld einprägt. Das vereinfacht die Berechnung der Eingangsspannung: u.Amp=R.Amp∙E∙λ/2. Stromeinprägung reduziert die Reflexionen gegenüber Spannungseinprägung auf Kosten des Wirkungsgrads.

Antennensimulation

215

Leerlaufspannung und Kurzschlussstrom einer Rahmenantenne Um die Rahmenantenne mit anderen vergleichen zu können, soll die von ihr induzierte und an den Antennenverstärker abgegebene Spannung berechnet werden. Der Durchmesser einer Rahmenantenne soll λ/4 sein. Ihr Feldwiderstand Z.Feld≈377Ω ist der Innenwiderstand einer Leiterschleife in Luft für induzierte Leerlaufspannungen u.0=E∙λ/2

oder

Kurzschlussströme

i.K=H∙ λ/2.

Abb. 1-334 berechnet die Spannung einer Rahmenantenne als Funktion der magnetischen Feldstärke H: S/(pW/m²) H/(µA/m)

P.Ant/pW

(u.Ant/µV)² u.Ant/µV

E/(µV/m)

0,1

R.Amp/Ohm

Z.Feld/Ohm

50

377

c/(Mm/s)

WL/2m

300

A.Ant/m²

1 2

f/MHz

K 0,5 K 2

200

l.Ant/m

Abb. 1-334 Die Spannung einer Rahmenantenne als Funktion der magnetischen Feldstärke

Abb. 1-335 berechnet die Strahlungsdichte und Feldstärke einer Rahmenantenne als Funktion der Distanz d zum Sender: Richtgewinn

G/db

Konstante

13

lg(G.lin) 1

10

2

G.lin

10 x

P.Keule/kW

S(r)/(mW/m²) 1 2

P.Kugel/kW Distanz

d/km

1

(d/km)²

Kugel-OF/(km)²

Flächenleistung

1 4 Pi 12,6

E(d)/(V/m)

u(d)/V

(u/V)² Z.0/Ohm

1 2

K 0,001

K 1000

377 FeldWellenwiderstand

Abb. 1-335 Strahlungsdichte und Feldstärke einer Rahmenantenne als Funktion des Abstands zum Sender: Der Richtgewinn G wurde so eingestellt, dass gemessene Feldstärken E berechnet werden.

216

Elektrische Dynamik – Teil 2

Sendereinstellung Zur Abstimmung einer Antenne auf die Frequenz eines Senders wird ein LC-Schwingkreis aufgebaut. ⁄√ Seine Resonanzkreisfrequenz ist . Sie muss auf die Frequenz des Senders abgestimmt werden. Um den dafür benötigten Kondensator C bemessen zu können, muss die Induktivität L.Ant der Antenne bekannt sein. Deshalb soll sie aus ihren Abmessungen berechnet werden. Abb. 1-336 Drehkondensator mit stimmskala f.Res(C) ~ Winkel

linearisierter Ab-

Abb. 1-337 zeigt die Berechnung der Ausgangsspannung einer UKW-Rahmenantenne: u.0/nV c/(Mm/s) 300

lambda/m 1

(u.0/mV)²

1

2

2

f.UKW/MHz 80

u.0/mV

K 1000

E.Ant/(µV/m)

K 0,001

10

P.Ant/µW Z.Raum/Ohm

1

377

2

1/4Pi 0,08

(u.Ant/mV)²

u.Ant/µV

R.Amp/Ohm

K 1000

50

Abb. 1-337 Berechnung einer Ausgangsspannung u.Ant aus der Feldstärke E.Ant in ihrer Umgebung

Um den Resonanzkreis mit der einstellbaren Kapazität auf die Frequenz des UKWSenders abstimmen zu können, wird die Antenneninduktivität L.Ant=μ.0∙k.geo gesucht. Die Geometriekonstante k.geo kann nach dieser Formel aus den Abmessungen der Antenne berechnet werden: Gl. 1-123 Geometriekonstante einer Rahmenantenne

(

)

Nach Gl. 1-123 bestimmt der Logarithmus des Verhältnisses aus Rahmendurchmesser d.Ra und Drahtdurchmesser die Geometriekonstante. Eine Excelanalyse ergab für d.Ra>30cm und d.Dr=0,1mm folgende Näherung: k.geo ≈ 9∙d.Ra - 18cm Angestrebt wird ein linearer Zusammenhang zwischen der Resonanzfrequenz und dem Einstellwinkel. Das lässt sich bei Drehkondensatoren näherungsweise durch eine Kreisform der Aluminiumplatten erreichen.

Antennensimulation

217

Die Resonanzfrequenz f.0 einer Rahmenantenne kann durch einen variierbaren Kondensator auf die Senderfrequenz abgestimmt werden. Die folgende Struktur Abb. 1-339 zeigt die Berechnung: Zahlenwerte: Rahmendurchmesser d.Ra=50cm → k.geo≈ 432cm

f.0/MHz Resonanzkreis mit Rahmen-Antenne d.Ra=50cm

Mit der Permeabilität μ.0=0,013μH/cm wird ihre Windungsinduktivität L/N≈ μ.0∙k.geo=5,6μH. Abb. 1-338 Die Resonanzfrequenz einer Rahmenantenne sinkt mit der Wurzel aus der Schwingkreiskapazität.

C/pF

Abb. 1-339 zeigt die Berechnung der Resonanzfrequenz einer Rahmenantenne:

Sender-Einstellung

Rahmen-Antenne

G.mag/µH

k.geo/cm

A.Ra/dm²

A.Ra/cm²

K 0,01

1 2

h.RA/cm

K 0,1

1 2

ln(D.Ra/D.Dr) D.Ra/D.Dr 1

ln

µ./(µH/cm)

K 10

µ.r 1

L.Ant/µH

(T.0/ns)²

T.0/µs

K 0,001



N

omega.0*µs

10

2

µ.0/(µH/cm) 0,013

D.Ra cm

d.Dr/mm 0,1

f.0 MHz K 0,161

C/pF 100

1

Abb. 1-339 Resonanzkreis mit Rahmenantenne - oben: Der magnetische Leitwert mit der Geometriekonstante k.geo - unten: die Antenneninduktivität und die Resonanzfrequenz nach Gl. 1-37. Die Berechnung ihrer Induktivität L erfolgt nach Gl. 1-80: L=N²∙G.mag.

218

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-340 zeigt die Berechnung der Spannung einer Rahmenantenne als Funktion der Sendeleistung P.Send und der Distanz r zwischen Sender und Antenne: f.min/MHz f.Send/MHz

c/(Mm/s)

1

300

lamda/m 1

u.0(lamda)/mV

2

I Res et Hol d

[E.el/(V/m)]²

Ti 0,1 s

E.el/(V/m)

K 0,25

H.mag/(µA/cm)

Z.0

1

Sender

Z.0

2

K 10

P.Send/kW

Int(r)/(µW/m²)

3

1

P.Ant/µW

2

i.Ant/µA u.0/mV 1

i.Ant/mA 1

0,25

Entfernung r/km

f(r)

xA

4

A 2,3

O.Keule/km² 4*Pi 12,6

Nahfeld: A=2 - Fernfeld: A=3

2

Antenne

A.Ant/m²

Konstante 0,001

Z.ges/Ohm i.Ant/mA PT1

Z.0/Ohm

T1s

Z.Amp/Ohm

377

50

Z.Ltg/Ohm Z.0

l.Ant

u.Amp/mV

2

K 1000

Antennenlänge l.Ant ω.gr=106rad/s=1/μs ein Ferritkern mit der kleinsten Kantenlänge s=1cm. Der Ferrit soll eine relative Permeabilität μ.r=1000 haben. Dann ist μ.max=μ.0∙μ.r=1300μH/m.

3

[A/cm]

Gesucht wird der erforderliche spezifische elektrische Widerstand. Aus Gl. 1-124 folgt .

Quelle: DGZfP (Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Materialprüfung) Abb. 1-344 relative Permeabilitäten μ.r verschiedener Ferrite

Antennensimulation

221

Zur Spule der DCF-Antenne Nach Gl. 1-81 wird die Spule durch die N Windungen magnetisch auf eine viertel Wellenlänge des Senders verlängert. Das ist das Kriterium für die Windungszahl N. √( ⁄ )⁄

Gl. 1-125 Windungszahl einer magnetischen Dipolantenne

Zahlenwerte: UKW-Band, f=150MHz, λ=2m → λ/4=50m. Gefordert wird l.Spu=5cm. Aus Gl. 1-125 folgt N≈3. Höhere Windungszahlen erhöhen die Antennenspannung und machen die Antenne hochohmiger. Deshalb ändern sie am Kurzschlussstrom nichts. Hochohmige Antennen bedeuten geringere Reflexionen. Das ist der Vorteil höherer Windungszahlen. Die Resonanzfrequenz einer Ferritstabantenne Abb. 1-345 berechnet die magnetischen und elektrischen Messgrößen einer Ferritantenne. Sie kann dazu verwendet werden, ihre Parameter an die Sendefrequenz anzupassen. E.FA/(V/m)

u.Spu/mV

1

i.SpuA 1 2

l.Spu/cm

K 10

1

Spule

µ.r/k

µ/(mH/m)

10

G.mag/µH

L.FA/mH

K 0,001

om.0*µs

X.L/Ohm

K 0,001

L.FA/µH

K 159

f.0/kHz

(T.0/ns)²

T.0/µs

µ.0/(µH/m) 1,3

A.FA/cm² 0,8

l.FA/cm 9

Ferrit

K 10

k.geo/cm

Spule

1

C.FA/pF 36

K 0,001 für DCF-Zeitsignal: f.Send=77,5kHz

2

N 100



(Z.0/kOhm)² 1 2

Abb. 1-345 Berechnung von Spule und Ferritstab einer Ferritantenne

Z.0/kOhm

222

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.4.4

Hochleistungsantennen

Das Thema dieses Abschnitts sind Richt- und Parabolantennen. Sie besitzen immer eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Richtwirkung:    

Parabolantennen ( Abb. 1-346) haben eine extrem ausgeprägte Richtwirkung. Das bedeutet  dass Empfangsantennen genau auf den Sender ausgerichtet sein müssen und  dass sie nach Gl. 1-114 relativ schmalbandig sind. Hornstrahler (Abb. 1-353) nutzen die einfallende Strahlung bis zu 80% aus. Das bedeutet höchste Wirkungsgrade bis zu 80%. Hochleistungsantennen (Abb. 1-355) sind eine Zusammenschaltung mehrerer Dipolantennen. Ihre Richtwirkung ist schwach. Damit können sie Sender aus mehreren Richtungen mit gegenüber einem Dipol vergrößerter Empfindlichkeit empfangen.

Um die Anwendungen dieser drei wichtigen Antennentypen beurteilen, sollen ihre Eigenschaften untersucht werden. 1. Parabolantennen Richtfunkantennen haben eine stark gebündelte Richtcharakteristik, da sie genau ausgerichtet nur eine einzige, ihr zugeordnete Gegenstelle erreichen müssen, zu der Sichtverbindung bestehen muss. Die Spiegelfläche A.1 konzentriert die parallel einfallende Strahlungsleistung P.1=P.2 auf einen Sender bzw. einen Empfänger mit der Fläche A.2 in ihrem Brennpunkt. Dabei ändert sich die Strahlungsintensität (S=P.Str/Fläche A) quasioptisch reziprok zum Verhältnis dieser Flächen. Das zeigt Gl. 1-126. Gl. 1-126 Richtgewinn einer Parabolantenne





Entsprechend dem Verhältnis A.1/A.2 ist der Richtgewinn groß gegen 1=0dB. Erreicht werden Werte bis zu 80dB=10k. Quelle:

Abb. 1-346 Parabolantennen für Telefonie, Funk https://snellstar.de/richtfunk/ und Fernsehen

Parabolantennen fokussieren einfallende elektromagnetische Strahlung in ihren Brennpunkt (Empfangsantennen) oder strahlen Strahlung in ihrem Brennpunkt parallel ab (Senderantennen). Dabei bleibt die Strahlungsleistung P.Str fast unverändert.

Antennensimulation

223

Abb. 1-347 zeigt die Berechnung der Intensitäten einer Parabolantenne nach Gl. 1-126:

Parabol -Antenne Int.1 P.1/µW 10

Int.1/(µW/m²) 1

Int.2/(mW/m²)

P.2/µW

2

Int.2

A.1/m² 0,5

K 0,001

V.Opt

K 0,1

1 2

A.2/cm²

K 10000

10

Abb. 1-347 Parabolantennen fokussieren die mit dem großen Spiegel empfangene Leistung auf die kleine Fläche eines magnetischen Dipols (strahlungsempfindlicher Sensor).

Leistung und Intensität einer Parabolantenne Sendende Parabolantennen lenken die in ihrem Brennpunkt emittierte Strahlung in einen zu ihrer optischen Achse parallelen Zylinder (Abb. 1-348). Umgekehrt konzentrieren empfangende Parabolantennen die parallel einfallende Strahlung in ihrem Brennpunkt. So lassen sich mit Parabolantennen Richtfunkstrecken höchster Effizienz aufbauen. Wir behandeln sie im nächsten Abschnitt 1.4.5.

A.Ant

Sender

Empfänger

Abb. 1-348 Richtfunkstrecke mit der verwendeten Wellenlänge

Zur Berechnungsmethode: Abb. 1-349 berechnet aus der abgestrahlten Leistung P.Send die empfangene Leistung P.Ant. Die Struktur enthält als freien Parameter den Übertragungswirkungsgrad eta.Trans. Er kann so eingestellt werden, dass Messung und Rechnung übereinstimmen. Bei konstruktiven Änderungen an einer Antennenanlage wird eta.Trans immer wieder gemessen. Dann zeigt es den erzielten Fort- oder Rückschritt an.

224

Elektrische Dynamik – Teil 2

Berechnung einer Parabolantenne Berechnet werden soll die Strahlungsintensität Int.Para=P.Strlg/A.Str von Antennen mit starker Richtwirkung. Aus der vom Sender emittieren Strahlungsleistung P.Str und dem Strahlungsquerschnitt A.Str folgt die Strahlungsintensität Int in den Brennpunkten der Parabolantennen: Gl. 1-127 Strahlungsintensität einer Parabolantenne

⁄( ⁄ )

Die Größe einer Parabolantenne muss an die zu übertragende Wellenlänge λ angepasst sein. Gl. 1-127 dient zur Berechnung der Intensität der gesendeten Parabolstrahlung. Abb. 1-349 zeigt die Berechnung der Intensitäten einer Richtfunkstrecke mit Parabolantennen nach Abb. 1-348. Sie wird für das Senden und den Empfang zur Berechnung der Strahlungsleistung gebraucht.

Abb. 1-349 Berechnung der Leistungsübertragung mit Parabolantennen vom Sender bis zum Empfänger nach Abb. 1-348

Abb. 1-349 zeigt, dass der Durchmesser der die sendende Parabolantenne einhüllenden Kugel gleich der zu emittierenden Wellenlänge sein soll. Dann ist der Durchmesser der Parabolantenne gleich der halben Wellenlänge und der Brennpunkt liegt bei einer viertel Wellenlänge. Der abgestrahlte Zylinder hat den Radius r=λ/4, sein Querschnitt ist A.Str=π∙ (λ/4)². Mit π≈4 erhalten wir dann Gl. 1-127. Zum Übertragungswirkungsgrad η.Trans Bei der Entwicklung von Antennenanlagen interessiert, wie η.Trans=Int.Empf/Int.Send maximiert werden kann. Dazu muss berechnet werden, wie die Emission und Absorption elektromagnetischer Strahlung durch Antennen von ihrer Bauform, den verwendeten Materialien und der Frequenz abhängen. Die hier vermittelten Grundlagen, insbesondere aber die Strukturmethode, ermöglichen dies. Die Ausführung würde den hier gesteckten Rahmen sprengen.

Antennensimulation

225

zu Abb. 1-350: Von der abgestrahlten Intensität S.Send erreicht nur ein Teil die empfangende Antenne. Ursachen sind 1.

Unterschiedliche Querschnitte von Sende- und Empfangsantennen: Maßgeblich ist der kleinere von beiden. Im Allgemeinen ist dies die Empfangsantenne.

2.

Verluste auf dem Übertragungsweg: η.Trans berücksichtigt diese Verluste. Sie müssen individuell bestimmt ⁄ werden.

3.

Mit η.Trans errechnet sich die empfangene Strahlungsleistung P.Ant aus der vom Sender abgestrahlten Leistung P.Send:

P.Ant= η.Trans∙P.Send.

Abb. 1-350 zeigt die Berechnung der Ausgangsspannung einer Parabolantenne:

P.Ant/µW

P.Amp/µW

K 0,001

Int.Ant/(nW/m²) 1

c/Mm/s 300

K 0,01

eta.Ant/%

R.Amp/Ohm

20

50

lambda/2m

(lambda/2m)²

1 2

f/MHz

(µ.Amp/mV)² µ.Amp/mV

K 0,5

lambda/m

K 0,5

1/4Pi 0,08

200

A.1/m² A.2/cm² 10

A.Wirk/m²

1

Gewinn G.lin 1 2

K 10000

G.log lg

G/dB K 10

Abb. 1-350 Berechnung des Intensitätsgewinns und der Ausgangsspannung einer Parabolantenne: Gegeben sind die Empfangsintensität und ihr Wirkungsgrad.

226

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Richtungsempfindlichkeit von Parabolantennen Bei Richtantennen wird die emittierte oder absorbierte Strahlungsleistung durch Formgebung auf einen kleinen Raumbereich konzentriert. Das bedeutet geringe Verluste auf dem Übertragungsweg, aber auch größere Richtungsempfindlichkeit. Deshalb muss bei Richtantennen Sichtverbindung bestehen. Richtantennen haben eine Achse größter Empfindlichkeit. Sie muss zur Empfangsoptimierung auf den Sender justiert werden. Am Beispiel von Parabolantennen soll gezeigt werden, dass die Justierung umso schwieriger wird, je größer der Abstand zwischen Sender und Empfänger ist. Abb. 1-351 zeigt die geometrischen Verhältnisse bei der Drehung einer Parabolantenne:

P.Empf

P.Send Sender

Empfänger

Abb. 1-351 Parabolantennen konzentrieren die Strahlungsleistung auf ihren Brennpunkt. Das bedeutet geringe Verluste auf dem Übertragungsweg, aber auch große Richtungsempfindlichkeit.

Berechnet werden soll der Winkel θ.max, bei der eine Antenne vom Sender überhaupt keine Strahlung mehr empfängt. Gl. 1-128 zeigt, dass θ.max mit dem Abstand r zwischen Sender und Antenne immer kleiner und dem Radius r.Ant der Antenne immer größer wird: Gl. 1-128 Grenzöffnungswinkel



… in mrad, μrad, nrad

Zahlenwerte: Antennen mit Durchmessern im Meterbereich und Abständen im km-Bereich müssen auf 10-3rad = 1m/km (= 1 optischer Strich: ‘ ) genau ausgerichtet werden. Bei Radioteleskopen zur Sternbeobachtung betragen die Abstände bis über zehn Milliarden Lichtjahre, während die Sternabstände bei einigen tausend Lichtjahren liegen können. Endsprechend klein sind die aufzulösenden Winkel und riesig müssen die Teleskopdurchmesser sein, damit dies technisch realisierbar ist.

Antennensimulation

227

Zur Vergrößerung der Beobachtungsbasis werden mehrere Antennen zu Überlagerungs-empfängern (Interferrometerarrays) zusammengeschaltet und auf einen Punkt im Universum ausgerichtet. Die Belichtungszeiten für Fotographien des Alls betragen mehrere Tage bis zu Wochen. So werden Bilder aus der Anfangszeit des Universums (vom Urknall) gemacht. Ihre Spektren verraten uns die vor ca.13Mrd Jahren vorhandenen Atome und Moleküle. Abb. 1-352 Radioteleskop zur visuellen und spektralen Sternbeobachtung

2. Hornstrahler Durch spezielle Formgebung einer Antenne kann die empfangene Strahlungsleistung auf eine kleine Fläche konzentriert werden. Das erzeugt Intensitätsverstärkung und kleinere Wellenwiderstände Z.Ant f.max-f.min

Durch den nachgeschalteten Antennenverstärker mit den Grenzfrequenzen f.2 (oben) und f.1 (unten) verringert sich die Bandbreite auf die des Verstärkers B.Amp=f.2-f.1. Zur Dimensionierung einer Antenne muss ihre Resonanzfrequenz f.Res aus ihrer  Induktivität L.Ant und  Fußpunktkapazität C.Ant berechnet werden. Aus Gl. 1-29 folgt die Gl. 1-132 Resonanz-Kreisfrequenz

E, H, f.Send Richtantenne Z.Feld Z.Ltg

u.Gen Z.Gen

C.Ant

√ Erreichbar sind Fußpunktkapazitäten ab C.Ant=10pF. Mit diesem Wert soll hier gerechnet werden.

Abb. 1-357 Beispiel zur Installation einer Richtantenne

Damit fehlt zur Berechnung der Antennenresonanz noch ihre Induktivität L.Ant. Wie sie aus den Abmessungen einer Richtantenne berechnet wird, zeigen wir nun. Der Geometriefaktor der Antennen-Induktivität Induktivitäten L=N²∙G.mag errechnen sich aus dem Quadrat der Windungszahl N und dem magnetischen Leitwert G.mag=μ∙k.geo. In Luft ist die Permeabilität μ≈1,3μH/m. Der Geometriefaktor k.geo=A.Ant/l.Ant ist der Quotient aus der Antennenfläche A.Ant und der Antennenlänge l.Ant. A.Ant=b.Ant∙d.Dip ist das Produkt aus der Antennenbreite b.Ant und dem Abstand d.Dip der Dipole untereinander. Daraus folgt die Gl. 1-133 Geometriekonstante einer Richtantenne

Zahlenwerte zu Gl. 1-133: l.Ant=100cm, b.Ant=l.Ant/2=50cm, d.Dip=l.Ant/10=10cm → k.geo=5cm ≈ l.Ant/20. Damit können wir den magnetischen Leitwert der Antenne angeben: G.mag=1,3µH/m∙5cm=65nH=L.Ant/N². Wenn Antennen keine integrierte Spule zur magnetischen Verlängerung haben, ist die Windungszahl N=1. Dann ist G.mag auch die Induktivität L.Ant der Antenne.

Antennensimulation

231

Die Verteilung der Strahlungsleistung im Frequenzbereich Die Strahlungsleistung P.Str einer Antenne ist bei ihrer Resonanzfrequenz f.Res am größten. Bei größeren und kleineren Frequenzen sinkt sie nach einer Gauß‘schen Glockenkurve (Normalverteilung) gegen null ab.

Die Fläche unter der Normalverteilung ist die breitbandig (B.mess>>HWB) gemessene Gl. 1-134 effektive Strahlungsleistung

Abb. 1-358 Verteilung der Sende- oder Empfangsleistung in der Umgebung der Resonanzfrequenz

P.max

Strahlungsleistung

Abb. 1-358 zeigt die schmalbandig gemessene (B.mess>Z.0 eine Rolle. Deshalb muss erklärt werden, was die Resonanzimpedanz Z.0 ist und wie die Dämpfung d mit R und Z.0 berechnet wird. Dimensionierung elektrischer Resonanzkreise Bei der Dimensionierung von Resonanzkreisen werden die Resonanzfrequenz f.0=ω.0/2π und die Dämpfung d gefordert. Dazu muss bekannt sein, wie sie von den Komponenten des Kreises (hier die Speicher L und C und der Verbraucher R) abhängen. Das soll nun berechnet werden. 1.

die Resonanzfrequenz Bei Resonanz sind der induktive Blindwiderstand X.L=ω∙L und der kapazitive Blindwiderstand X.C=1/(ω∙C) gleich groß. Aus X.L(ω.0)=X.C(ω.0) folgt die ⁄√

Gl. 1-138 Resonanzkreisfrequenz

2.



die Eigenimpedanz Die Impedanz X.L von L und X.C von C bei Resonanz heißt Gl. 1-139

Resonanz- oder Eigenimpedanz

√ ⁄

Z.0 ist das Maß für die Hochohmigkeit eines Resonanzkreises aus L und C. Zu zeigen ist, dass seine Dämpfung bei Serienresonanz vom Verhältnis R/Z.0 und bei Parallelresonanz vom Verhältnis Z.0/R abhängt. 3. die Dämpfung Der Widerstand R (bei Serienresonanz nach Abb. 1-394 in Reihe zu L und C, bei Parallelresonanz nach Abb. 1-399 parallel zu L und C) bestimmt die Dämpfung d eines LCR-Schwingkreises. Das zeigt Abb. 1-405. Zur Beurteilung der Dämpfung muss  bei einem Serienschwingkreis die Resonanzspannung an L oder C mit der am Widerstand R verglichen werden. Bei geringer Dämpfung sind u.L=u.C größer als u.R. 

bei einem Parallelschwingkreis der Resonanzstrom in L oder C mit dem im Widerstand R verglichen werden. Bei geringer Dämpfung sind i.L=i.C größer als i.R.

Resonanzkreis mit unterschiedlicher Dämpfung

Abb. 1-405

gemessene Dämpfungen

258

Elektrische Dynamik – Teil 2

Nun soll gezeigt werden, wie elektrische Dämpfungen d von Parallel- und Serienschaltungen aus L, C und R aus dem Widerstand R und der Eigenimpedanz Z.0=√(L/C) (Gl. 1-139) bestimmt werden, denn: 1.

Zur Simulation von Resonanzkreisen werden eine individuell zu bestimmende Proportionalitätskonstante K, die Eigenzeitkonstante T.0=√(L·C)=1/ω.0 (aus Gl. 1-138) und die Dämpfung d benötigt.

Das zeigen die Strukturen von Abb. 1-406 zur Simulation schwingungsfähiger Systeme im Zeit- und Frequenzbereich: Sprungantwort

PT2

t

Konstante

Schritt

PT2

1

Funk 1

d=0...1

x

0,5 K 2

Überschwingen ÜS

3

K

1

Sprungantwort mit T 1 s Überschwingen ÜS d 0,5 PT2

2d Q=RÜ

Frequenzgang mit Resonanzüberhöhung

Frequenz

K 1 2dTs  T2s2 K 1 T 1 s d 0,5

H 1

f

Frequenzgang

Abb. 1-406 Berechnung eines Resonanzkreises - links: das Überschswingen nach Gl. 1-33 rechts oben die Sprungantwort und rechts unten der Frequenzgang

2.

Die Güte Q=1/2d eines Resonanzkreises ist der Kehrwert der doppelten Dämpfung 2d. Das relative Überschwingen einer Sprungantwort kann aus d nach Gl. 1-33 berechnet werden:

3.

Gl. 1-33 Überschwingen für dω.0 nicht negativ wird, muss der Betrag von 1(ω∙T)² gebildet werden. 4. Der Dämpfungsanteil 2d∙ ω∙T bestimmt die Resonanzamplitude. Sie steigt mit kleiner werdender Dämpfung d. Das zeigen die Amplitudengänge von Abb. 1-417 und Abb. 1-418. Der Resonanzterm 1-(ω∙T)² ist eigentlich ein Blindanteil. Deshalb müssen er und der Wirkanteil 2d∙ ω∙T geometrisch nach Pythagoras addiert werden. Nur dann zeigen die Amplitudengänge in Abb. 1-418 einen stetigen Verlauf. Abb. 1-419 simuliert Gl. 1-146.  In der Mitte wird der Nenner berechnet, der am Schluss invertiert wird.  Oben links wandelt ein Integrator die Zeit t in eine proportionale Frequenz f um.  Zur Darstellung der Simulation im Bode-Diagramm müssen die Frequenz f und der Amplitudenbetrag |F| logarithmiert werden. Das macht komplex und reell berechnete Frequenzgänge vergleichbar.

266

Elektrische Dynamik – Teil 2

Reellwertige und komplexe Simulation eines Bandpasses Um die Ähnlichkeit der Algorithmen zu zeigen, soll der Amplitudengang eines Bandpasses zuerst reellwertig und danach komplex berechnet werden. Die Eigenschaften von Bandpässen wurden in Abschn. 1.3.4 besprochen. Ihr Frequenzgang soll hier am Beispiel einer Impedanz |Z|(f) simuliert werden.   

Bei tiefen Frequenzen steigt der Betrag |Z| frequenzproportional an. Bei der Resonanzfrequenz f.Res ist |Z| maximal. Bei hohen Frequenzen sinkt |Z| reziprok zur Frequenz f.

lg (Z) Z.Res Z~f

Z~1/f f.Res

Das wird durch durch Gl. 1-22 komplex und Gl. 1-147 reellwertig berechnet.

lg (f)

Abb. 1-420 Asymptoten und Kennwerte eines Bandpasses

Komplexe Frequenzgänge berechnen lineare Systeme. Sie können nur im Frequenzbereich simuliert werden. Reelle Funktionen beschreiben beliebige, also auch auch nichtlineare Systeme. Sie können im Zeit- und Frequenzbereich simuliert werden. Das soll nun am Beispiel eines Bandpasses gezeigt werden. Seine Amplitudengänge werden zuerst reellwertig und danach – zum Vergleich – komplex berechnet. Reellwertige Simulation eines Bandpasses Gl. 1-147 ist die Formel für den Gl. 1-147 reellwertigen Frequenzgang eines Bandpasses

|

|( )

(

)

Abb. 1-421 zeigt die Struktur zur Simulation von Gl. 1-147: Bandpass lg(Bandpass) 1 2

K 20

Ampl 0,4

f.Start/kHz 0,001

f/kHz

T.Res/ms

om*T/rad

(om*T)² Bandpass reell

0,7

om*ms lg(om*ms)

A 1 s-1

K 6,28

BP/dB

lg

lg

Konstante

X1

X3

Y1

Y3

X2 Y2

1

Abb. 1-421 reellwertige Struktur eines Bandpasses mit Nichtlinearitäten: Multiplizierer, Dividierer, Quadrierer, zwei Logarithmierer

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

267

Abb. 1-422 zeigt den reellwertigen Amplitudengang eines Bandpasses über der Frequenz:

Abb. 1-422 die komplex berechneten Amplituden eines Bandpasses in der Umgebung seiner Mittenfrequenz

Komplexe Simulation eines Bandpasses Gl. 1-148 ist die Formel für die (

Gl. 1-148 komplexe Berechnung eines Bandpasses

)

(

)

Abb. 1-423 zeigt die Struktur zur Simulation von Gl. 1-148: Bandpass komplex

f f/kHz

A 1 s-1

om*ms

om*T/rad

K 6,28

T 1 ms

DT1 DT1

TD 1 s T1 0,1 s

PT1

Bandpass

PT1

K 1 T 1 s

K 100

Abb. 1-423 komplexe Struktur eines Bandpasses ohne Nichtlinearitäten

Abb. 1-424 zeigt den komplex berechneten Amplitudengang eines Bandpasses über der logarithmischen Frequenzachse:

Abb. 1-424 1-425 die reellwertig berechneten Amplituden eines Bandpasses in der Umgebung seiner Mittenfrequenz

Fazit zum Vergleich von komplexer und reellwertiger Berechnung: 1. Die reellwertige Berechnung von Amplitudengängen ist der komplexen ähnlich. 2. Die Phasenverschiebung kann bei linearen Systemen in der doppellogarithmischen Darstellung an der Steigung des Amplitudengangs erkannt werden. 3. Weil nur lineare Systeme komplex berechnet werden können, nichtlineare Systeme aber auch reellwertig, ist die reellwertige Simulation bei nichlinearen Systemen die einzige Option.

268

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zusammenfassung der reellwertigen Berechnung von Speicherschaltungen Da die Spannungen von L und C bei Serienschaltungen gegeneinander um 180° verschoben sind, kompensieren sich induktive Blindwiderstände X.L=ω∙L und kapazitive Blindwiderstände X.C=1/(ω∙C) im Allgemeinen teilweise und bei Resonanz vollständig. Bei Serienschaltungen sind die Blindwiderstände zu subtrahieren: X.LC=|X.L-X.C| Bei Resonanz kompensieren sich die Blindspannungen an L und C. Dann sind der induktive Blindwiderstand X.L=ω∙L und der kapazitive Blindwiderstand X.C=1/(ω∙C) gleich groß. Ihr Gesamtwiderstand X.LC=0. Aus X.L=X.C folgt die Resonanzfrequenz ⁄√

.

Die Impedanzen von X.L und X.C bei Resonanz ist die Resonanz- oder Eigenimpedanz √ ⁄ . Bei Parallelschaltungen sind die Blindleitwerte linear zu subtrahieren: 1/Z.LC = |1/X.L - 1/X.C| Bei Resonanz kompensieren sich die Blindströme in L und C. Der Gesamtwiderstand X.LC von L und C geht gegen unendlich. Komplexe Impedanzen aus R und X.LC sind geometrisch (nach Pythagoras) zu addieren. Der Vergleich der reellwertig berechneten Impedanz Z.L(ω) mit der komplex berechneten Impedanz |Z.L(jω)| zeigt weitgehende Übereinstimmung. Damit ist die reellwertige Berechnung eine brauchbare Alternative. Sie kann immer dann gewählt werden, 1. wenn eine Schaltung wegen Nichtlinearitäten komplex nicht zu berechnen ist und 2. wenn die Phasenverschiebungen nicht interessieren. Ein Beispiel dafür sind Rauschfilter mit Ferritperlen, die bei Frequenzen bis in den GHz-Bereich arbeiten. Das ist das Thema des Abschnitts 1.5.2. Ausblick: In Kap. 2.2.8 werden wir mechanische Resonanzkreise aus Massen m (dynamische Speicher, entspricht Induktivitäten L), Federn F (statische Speicher, entspricht Kondensatoren C) und Dämpfern D (Energieverbraucher, entspricht Widerständen R) behandeln. Ihre Berechnung erfolgt in Analogie zu den hier behandelten elektrischen Resonanzkreisen. Das setzt voraus, dass die Haftreibung (siehe Bd. 1, Kap. 1.8.6), die es in elektrischen Kreisen nicht gibt, vernachlässigbar ist.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

1.5.2

269

Rauschfilter

Zur Unterdrückung hochfrequenter Störungen legt man Induktivitäten L in die Signalleitungen (Abb. 1-426). Sie sind für Nutzsignale niederohmig und für Störsignale hochohmig. Durch das Filter wird der Schaltkreis von der Störquelle annähernd entkoppelt. Als Kernmaterial zur Entstörung höchster Frequenzen sind Ferrite geeignet.

W

P

P

Abb. 1-426 Rauschreduzierung durch einen dynamischen Spannungsteiler: Z.Filter(f) ist für niederfrequentere Nutzsignale niederohmig und für höherfrequente Störsignale hochohmig.

3-Leiter-Durchführungsfilter (Abb. 1-427) bestehen aus einer Induktivität und je einer Kapazität davor und dahinter. Sie dienen als Rauschfilter zur Funkentstörung für den Frequenzbereich bis zu 10MHz. Ihr dritter Leiter dient zum Anschluss an ein Gehäuse oder die Masse eines Gerätes. Dreileiter-Durchführungsfilter werden für hohe Spannungen bis zu 100V und Ströme bis zu 500A angeboten. Ansonsten erfüllen sie den gleichen Zweck wie Ferritperlen, sind aber wegen des Masseanschlusses im Leiterplattenlayout schwieriger unterzubringen und wegen der aufwändigeren Herstellung ca. viermal teurer. Abb. 1-428 zeigt die Frequenzgänge der Leitungsdämpfung von drei Durchführungsfiltern mit unterschiedlichen Kapazitäten. Abb. 1-428 Dämpfungsfrequenzänge von drei Dreileiter-Durchführungsfiltern mit Bezugsdämpfungen bei 1MHz von 20dB, 40dB und 60dB. Die Dämpfungsvariation ist frequenzproortional (+20dB/Dek).

Abb. 1-427 CLC-Durchführungsfilter: Das Gehäuse ist der dritte Anschluss.

Dreileiter Durchführungsfilter

C

L

C

Referenz

Quelle: https://de.tdk.eu/tdk-de/190976/tech-library/artikel/applications--cases/applications---cases/ueberragende-emv-mit-nur-einem-bauelement/190126

270

Elektrische Dynamik – Teil 2

Messungen im GHz-Bereich Gemessene Frequenzgänge (z.B. Abb. 1-446) berücksichtigen sämtliche nichlinearen Effekte, erklären sie aber nicht. Der Anwender muss auch nicht wissen, wie die Grenzoder Resonanzfrequenzen zustande kommen, nur was sie bedeuten. Skin- und Rauschfrequenzen reichen bis in den GHz-Bereich. Mit Spektrumanalysatoren können sie gemessen werden. Abb. 1-429 zeigt ein Beispiel:

Quelle: http://www.batronix.com/pdf/Rigol/Da tasheet/DSA800_DataSheet_EN.pdf Abb. 1-429 Spektrum-Analysator – zur Messung von Frequenzen bis zu 7,5GHz

Welche Fortschritte bei der Entwicklung von Ferritperlen gemacht worden sind, erfahren Sie beim Thema ‚Chip Beads zur Rauschunterdrückung in Smartphones‘ auf der Webseite der Fa. TDK EPCOS: https://de.tdk.eu/tdk-de/190976/tech-library/artikel/applications---cases/applications--cases/effektive-emv-loesung-mit-nur-einem-bauelement/993494

Abb. 1-430 Vergleich der Impedanzen von konventionellen Spulen (Wicklung umgibt den Ferritkern) mit denen von Ferritperlen (Wicklung im Inneren des Ferrtkerns)

Die Entwickler elektronischer Komponenten müssen wissen,wie Impedanzen und Grenzfrequenzen ihrer Systeme von der Anordnung der Komponenten (→Ersatzschaltung), vom Material und seinen Abmessungen abhängen. Dazu müssen sie die zu erwartenden Frequenzgänge einer Ferritperle vorausberechnen. Für Ferritperlen ermöglicht das die folgende Systemanalyse mit ihrer Detailstruktur. Sie muss reellwertig sein, denn die Frequenzgänge von Ferritperlen sind durch den Skineffekt nichtlinear. Abb. 1-430 zeigt ein Beispiel.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

271

Rauschsimulation Wir beginnen das Thema Rauschunterddrückung mit der besonders anschaulichen Simulation im Zeitbereich. Abb. 1-431 zeigt das Schaltschema eines vom Rauschen überlagerten Nutzsignals:

Z.Filter(f) Eingangssignal & -rauschen

C.L

Z.Last

rauschunterdrücktes Ausgangssignal

Temperatur T

R.L

Ferritperle Abb. 1-431 Symbol einer Ferritperle als Rauschfilter: Eingangsseitig überlagern sich das Nutzsignal mit einer oberen Grenzfrequenz f.g (z.B. 1MHz) und ein breitbandiges Rauschen mit Frequenzen bis zu 1GHz.

Abb. 1-432 zeigt die mit Abb. 1-433 simulierten Signale:

Abb. 1-432 links: das Nutzsignal und seine Überlagerung durch ein Rauschsignal – rechts: das verrauschte und das durch einen Tiefpass rauschreduzierte Signal - Die Zeitfunktionen sind mit der Struktur von Abb. 1-433 simuliert worden.

Abb. 1-433 zeigt, wo sie in SimApp einen Rauschgenerator finden:

Rauschen

Abb. 1-433 dient zur Simulation der Rauschschaltung von Abb. 1-431. Als Rauschquelle stellt SimApp den Block ‚Rauschen‘ in der Gruppe ‚Quellen‘ zur Verfügung.

u.S+u.R

Rauschfilter PT2

Signal M 0 SD 0,4 A 0,3

K 1 T 0,1 us d 0,5 f0 1 MHz A 1

Abb. 1-433 Struktur zur Simulation eines von Rauschen überlagerten Nutzsignals darüber: die Auswahl des Blockes ‚Rauschen‘ in SimApp

272

Elektrische Dynamik – Teil 2

Rauschunterdrückung durch Gleich- und Gegentaktdrosseln Abb. 1-434 zeigt die Schaltung einer Rauschsperre mit Ferritperle zwischen einem HFVerstärker und seiner Gleichstromversorgung:

Ferritperlen -Induktivität

Gleichtakt-Drosselspule

Gleichtakt-Drosselspule

u.R;Sup

u.R;Inp HF-Drossel Impedanz Z.D(f) (L, R.W, C.W)

Drosselspulen

Quelle: http://www.mouser.com/ds/2/281/c31e-794748.pdf Abb. 1-434 Gleichtaktdrosseln reduzieren das Rauschen mit einigem Erfolg. Gegentaktdrosseln reduzieren symmetrische Störungen nahezu vollständig.

Abb. 1-435 nennt typische Anwendungen von Rauschfiltern mit Ferritperlen:      

in Handys und Smartphones in Blue Ray DVD’s (optische Mehrschichtspeicher mit hoher Kapazität) in LCD TV‘s und Monitoren in Computerschnittstellen, Taktund USB-Leitungen in Faxgeräten, Druckern und Mobiltelefonen in Oszillatorausgängen für Funkkopfhörer

Abb. 1-435 Smartphones können nur deshalb so kompakt gebaut werden, weil die erforderlichen Rauschfilter so klein sind.

Quelle: http://www.mouser.com/ds/2/281/c31e-522703.pdf

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

273

Rauschfilter mit Ferritperlen In der Empfangstechnik sind Antennensignale im GHz-Bereich mit Effektivwerten im mV-Bereich und darunter zu verarbeiten (Abb. 1-436). Dann ist das von Widerständen erzeugte Rauschen (Größenordnung 10μV bei Raumtemperatur) eine erhebliche Störquelle. In Bd. 2, Teil 1, Abschn. 2.8, haben wir gezeigt, wie das thermische Widerstandsrauschen entsteht und wie es berechnet wird. Dem entnehmen wir Gl. 2-11: Gl. 2-11 effektive Rauschspannung √ Effektive Rauschspannungen u.R sind proportional zur Wurzel aus der absoluten Temperatur T, der Bandbreite Δf und zum Widerstand R, der die Rauschleistung P.R erzeugt. Gl. 1-149





Rauschleistungen können, durch vorgeschaltete Ferritperlen (Abb. 1-437), die die Bandbreite einschränken, bis zum Faktor 10 reduziert werden. Für ihre Funktion spielt der Skineffekt (Abschn. 1.5.3.3) eine entscheidende Rolle. Ihr in Abb. 1-446 gezeigter Frequenzgang ist der Beweis.

Abb. 1-436 verrauschtes Signal

Abb. 1-437 Ferritperle als Rauschfilter

Ferritperlen sind Ferritkerne mit integrierter Spule. Ihre Abmessungen liegen im mmBereich. Durch die Bauweise wird erreicht, dass die Impedanz Z.P der Perle auch dann noch ansteigt, wenn die Induktivität L.P der Perle durch ihre eigene Wicklungskapazität C.W kurzgeschlossen ist (siehe Abb. 1-446). elektr. Kreis: A=b*h=1mm² Vol=A*l=2mm³

i.el

0,1W/mm³

h P.Nen/Vol=0,1W/mm³

k.geo=A/l=0,5mm rho.el=R.DC*k.geo

b

i.Wrb

l

Abb. 1-438 SMD-Ferritperle (SMD = Surface-mounted device=Oberflächenmontage), auch Chip-Bead-Ferrite (CBF) genannt, sind Ferritkerne mit integrierter Spule. Sie eignen sich zur automatischen Bestückung von Leiterplatten.

Chip-Ferritperlen für Entstörfilter für hochfrequentes Rauschen bis in den GHzBereich werden für Ströme von 50mA bis zu 10A mit Impedanzen von 0,1Ω bis zu 2,7kΩ angeboten.

274

Elektrische Dynamik – Teil 2

Rauschdämpfung durch HF-Filter Rauschfilter sind dynamische Spannungsteiler. Die Teilung ist für niedrigere Signalfrequenzen gering und für höhere Störfrequenzen groß. Dadurch trennen Rauschfilter Nutzsignale von dem sie überlagernden Rauschen. Das zeigt Abb. 1-439. Beispielsweise werden in der Hochfrequenz(HF)-Technik (Signale bis in den GHz-Bereich) Spannungen und Ströme durch thermisches Rauschen von noch höherer Frequenz überlagert. Dieses Rauschen soll durch Filter unterdrückt werden.

100 20

Quelle: http://www.analog.com/library/analogdial ogue/archives/50-02/ferrite-beads.html

1

Abb. 1-439 verrauschtes Signal ohne und mit Ferritperlenfilter: Verbesserung ca. 20dB

Das sind die Aufgaben von Rauschfiltern:  Sie sollen bei Frequenzen, die kleiner als die höchste Signalfrequenz f.Res (hier ca. 10MHz) sind, möglichst niederohmig gegen die angeschlossene Last sein. Dann sind ihre Verluste gering.  Sie sollen bis zu Freqenzen, die groß gegen f.Res sind, möglichst hochohmig sein, denn dann werden Störsignale gut unterdrückt. Durch das Filter wird der Schaltkreis von der Störquelle näherungsweise entkoppelt. Das zeigt Abb. 1-440:

Abb. 1-440 Signalpegel, der Rauschabstand und seine Wirkung

Hier soll gezeigt werden, wie diese Ziele durch die Auswahl des Ferritmaterials und seiner Abmessungen erreicht werden (Abb. 1-438).

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

275

Rauschzahl und Rauschmaß Rauschunterdrückung entsteht durch die Hochohmigkeit eines Filters mit der Impedanz Z.Filter gegen die angeschlossene Last. Wie gut sie ist, beschreibt die Rauschzahl RZ: Gl. 1-150 Definition und Berechnung der Rauschzahl: komplexe Spannungsteilung, ̂ für die geometrische Adition nach Pythagoras

Name

Definition (Messvorschrift)

Berechnung

Die Rauschzahl RZ (Gl. 1-150) beschreibt die Stärke des Rauschens einer Komponente bei einer Signalübertragung (Leitung, Verstärker). Bei Rauschfiltern soll die Rauschzahl möglichst 1 sein. Dann geht ihr Logarithmus, genannt das Rauschmaß RM, gegen null. Gl. 1-151 Rauschmaß

RM=20dB∙lg(RZ)

Abb. 1-441 Die technische Daten eines Satellitenempfängers (LNB, Abb. 1-214) nennen das Rauschmaß.

Filter unterdrücken das Rauschen umso besser, je höher ihre Grenzimpedanz Z.Grz und ihre Grenzfrequenz f.Grz sind. Beide möglichst hoch zu machen, ist das Entwicklungsziel der im nächsten Abschnitt behandelten Ferritperlen. Zahlenwerte: Ausgang: R.a=100Ω; C.L=10pF → T.A=1ns → ω.g=1/ns=1000/μs → f.g=160MHz, X.C=1/ωC=1000Ω → R.L → Z.Last ≈ R.a=50Ω. Filter: Z.Grz=660Ω → Rauschzahl RZ=760Ω/100 Ω =7,6 → Rauschmaß RM=17,6dB Rauschzahlen werden bei Raumtemperatur (ca. 20°C) gemessen und in den technischen Daten angegeben. Durch sie kann z.B. die Wirksamkeit von Rauschfiltern und LNB’s verglichen werden.

Z.Grz

Abb. 1-442 zeigt den Verlauf der Rauschzahl über der Frequenz f für eine typisches Rauschfilter mit Ferritperle. Abb. 1-442 Die Rauschzahl RZ als Funktion der Frequenz f mit den zugehörigen Impedanzen von Last und Ferritfilter

f.Grz f/MHz

Rechnen mit Rauschzahlen Unter der Voraussetzung der Reflexionsfreiheit, für die durch Impedanzanpassung (Balun, Abschn. 1.4.1.7) gesorgt sein muss, lässt sich das Gesamtrauschen von Systemen recht einfach berechnen. Das soll nun gezeigt werden.

276

Elektrische Dynamik – Teil 2

Mit der Rauschzahl RZ(f) kann das Ausgangsrausschen u.R;aus von hintereinandergeschalteter Leitungen und Verstärkern aus dem Eingangsrauschen u.R;ein durch Multiplikation des Komponentenrauschens errechnet werden: u.Ra=u.Re/ RZ(f): Gl. 1-152 Rauschzahl

Quelle: http://www.qsl.net/dj9yw/articles/noise_figure/noise_figure.html Abb. 1-443 Berechnung der Rauschzahlen bei der Signalübertragung und -verstärkung

Als Rauschmaß RM werden logarithmierte Rauschzahlen bezeichnet: Gl. 1-153 Rauschmaß RM= 20dB∙lg(RZ)

Mit dem Rauschmaß RM(f) kann das Ausgangsrausschen u.R;aus aus dem Eingangsrauschen u.R;ein hintereinandergeschalteter Leitungen und Verstärker durch Addition des Komponentenrauschens errechnet werden: ⁄

Gl. 1-154





Bei Parallelschaltung mehrerer Rauschquellen ist das effektive Gesamtrauschen wegen der statistischen Verteilung die geometrische Summe des Rauschens der einzelnen Komponenten. Die Berechnung erfolgt nach Pythagoras: √

Gl. 1-155 effektive Rauschspannung

Abb. 1-444 zeigt die Struktur zur geometrischen Addition z.B. einer Signal- und einer Rauschquelle oder von zwei Rauschquellen: a

b





Pythagoras: a²+b²=c² c²

c

c

c

phi

a

b

Abb. 1-444 geometrische Addition zweier Messgrößen und der runde Anwenderblock dazu: Wenn die Eingangsgrößen Effektivwerte sind, ist es auch die Ausgangsgröße.

Praktisch bedeutet die geometrische Addition, dass bei unterschiedlichen Rauschamplituden nur der größte Anteil das Gesamtrauschen bestimmt. Die kleineren Anteile sind vernachlässigbar. Bei zwei gleich großen Rauschamplituden ist das Gesamtrauschen um den Faktor √2=3dB größer als das Einzelrauschen. Einzelheiten über den Zusammenhang des effektiven Rauschens und den zugehörigen spektralen Bandbreiten finden Sie auf der Webseite http://strukturbildungsimulation.de/index.php in der der Schrift ‚Simulierte Regelungstechnik‘, Kap. 9.1. Nachdem wir gezeigt haben, wozu Rauschfilter im GHz-Bereich gebraucht werden, ist nun zu zeigen, wie ihre Kennwerte für Systementwicklungen berechnet werden.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

1.5.3

277

Ferritperlen (GHz-Filter)

Bei konventionellen Spulen umschließen die Wicklungen einen inliegenden ferromagnetischen Kern. Sie werden bei hohen Frequenzen durch die eigene Wicklungskapazität C.W kurzgeschlossen. Als Rauschfilter für Frequenzen über ca. 10MHz sind sie ungeeignet. Das zeigt der Spulenfrequenzgang in Abb. 1-446. Ferritperlen (Abb. 1-445) sind Spulen, die von einem magnetisch und elektrisch leitenden Ferrittmantel umgeben sind. Durch den Skineffekt steigt ihre Impedanz auch dann noch an, wenn ihre Spule schon durch hohe Frequenzen kurzgeschlossen ist. Länge l=2*b

Abb. 1-445 Bei der hier als Beispiel dienenden Ferritperle ist die Länge l ist das Doppelte der Breite b. Zu zeigen ist, wie ihre Impedanz von der Frequenz abhängt und dass ihre Höhe h die Grenzfrequenz bestimmt.

Höhe h

Ferrit

Breite b

Abb. 1-446 zeigt, dass der Frequenzgang der Impedanz einer Ferritperle die Summe aus der Resonanzimpedanz ihrer Spule und der Impedanz des Skineffekts ist.

1

3

10

30

100

300

f/MHz

Abb. 1-446 Die Impedanz Z.Filter einer Ferritperle: Bis zu einer Grenzfrequenz f.Grz steigt sie bis zu einem Maximum Z.Grz an und sinkt dann gegen null. f.Grz liegt im Bereich von 100MHz. Damit eignen sich Ferritperlen als Rauschfilter im Hochfrequenz (HF)-Bereich.

In Absch. 1.5.3.4.2 sollen die Frequenzgänge der Impedanzen von Hochfrequenzspulen mit Ferritkern aus dem Ferritmaterial und seinen Abmessungen berechnet werden. Dabei wird der Skineffekt eine wichtige Rolle spielen. Wir erklären ihn in Abschn. 1.5.3.3. Zunächst sind die Zusammenhänge zwischen Kennfrequenzen und impedanzen bei Ferritperlen aufzuzeigen. Sie sind im Amplitudengang der Abb. 1-446 dargestellt und benannt. Damit Rauschfilter nach Abb. 1-437 Störfrequenzen unterdrücken, müssen ihre Impedanzen bis zu höchsten Betriebsfrequenzen möglichst groß gegen die der Belastungsimpedanz sein. Erklärt und berechnet werden soll der in Abb. 1-446 angegebene Frequenzgang der Ferritperlenimpedanz. Wichtigster Nutzen dieses Beispiels für den Leser ist die verwendete Methode zur Simulation nichtlinearer Systeme. Es ist die reellwertige Berechnung von Frequenzgängen im Zeitbereich. Damit können Sie beliebige lineare und nichtlineare Systene analysieren und optimieren.

278

Elektrische Dynamik – Teil 2

Aufbau und Funktion von Ferritperlen Damit ein Rauschfilter Störungen unterdrückt, muss seine Impedanz bis zur höchsten Störfrequenz möglichst groß gegen die Impedanz der Belastungsimpedanz sein. Wir werden zeigen, dass die Grenzfrequenz der Perlenimpedanz umso größer ist, je kleiner die Perle ist. Quelle: http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/1314700 Abb. 1-447 Spule mit umschließendem Ferritkern als integrierte Schaltung

Ferritkerne sind weichmagnetisch und elektrisch schlecht leitend. Sie bestehen aus feinkörnigem Mateial. Es wird gepresst und gesintert (gebacken). Für spezielle Anwendungen werden sie in unterschiedlichsten Formen hergestellt. Abb. 1-448 zeigt zwei Beispiele: Quelle: http://www.amidon.de/contents/de/d541.html

Abb. 1-448 Ferritkernen

einige Bauformen von

Typische Anwendungen von Ferritkernen:  Ring- und Schalenkerne für Speicherdrosseln und HF-Übertrager,  Hülsenkerne und Klappferrite zur Dämpfung von Schwingungen bei Koaxialkabeln (Mantelwellensperren) und  Mehrlochkerne für Spulen mit mehrern Windungen zur Unterdrückung von Hochfrequenz (HF)-Reflexionen. Es gibt zwei Hauptgruppen von Ferritmaterialien:  Eisenpulverkerne für schmalbandige Anwendungen und  Ferritkerne für breitbandige Anwendungen. Bei Ferritkernen sind zwei Gruppen zu unterscheiden: Nickel-Zink-Kerne und Mangan-Zink-Kerne. Nickel-Zink-Ringkerne haben geringere relative Permeabilitäten µ.r zwischen 20 und 800. Sie haben einen hohen Volumenwiderstand ρ.Vol (Erklärung folgt) und hohe Güten (=geringe Dämpfung) im Frequenzbereich von 500 kHz bis 100 MHz. Nickel-Zink-Ringkerne sind für Resonanzkreise und Breitbandübertrager mit geringer Leistung besonders gut geeignet. Davon soll hier ausgegangen werden.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

279

Die Eigenschaften von Ferritkernen 1. Ferritkerne sind elektrisch hochohmig (kΩ-Bereich). Dadurch haben sie höchste magnetische Grenzfrequenzen (bis in den GHz-Bereich). 2. Ferrite haben aber auch hohe Suszeptibilitäten (rel. Dielektrizitätskonstanten ε.r in der Größenordnung von 100). Die Wicklungskapazität C.W~ε=ε.0∙εr erzeugt mit der Induktivität L.P der Ferritspule Resonanzen um etwa 10MHz. Dann sinkt die Impedanz der Spule gegen null. 3. Trotzdem steigen die Impedanzen von Ferritperlen bis über 100MHz an. Ursache ist der Skineffekt, durch den der Ferrit auch oberhalb der Resonanz hochohmiger wird. Das hat der Frequenzgang der Ferritimpedanz Z.Filter(f) in Abb. 1-446 gezeigt. 4. Bei höchsten Frquenzen werden Ferritperlen durch ihre parasitäre Schaltungskpazität C.P kurzgeschlossen. Dann können sie Rauschfrequenzen nicht mehr bedämpfen. Magnetisierungskennlinien von Ferritkernen Ferritkerne haben hohe magnetische Leitfähigkeiten (relative Permeabilitäten μ.r bis zu einigen 1000). Deshalb eignen sie sich als Kernmaterial für Induktivitäten L im μH-Bereich. Abb. 1-449 zeigt Sättigungskennlinien der Ferritkernmagnetisierung Quelle: http://www.sekels.de/magnetischeabschirmungen/werkstoffe/

Abb. 1-449 Magenetisierungskennlinien von hartund weichmagnetischen Ferriten

Mangan-Zink-Ferritkerne haben große Permeabilitäten von µ.r≈800 (=0,8k) bis 15.000 (=15k), spezifische Widerstände im Bereich 100Ω∙mm und Sättigungsflußdichten von ca. 0,4T. Damit erreichen sie Grenzfrequenzen im 100 MHz-Bereich. Mangan-Zink-Ferritkerne werden auch in Schaltnetzteilen und DC/CC-Wandlern (Gleichstrom-Transformatoren) eingesetzt. Sie arbeiten mit Frequenzen von 20...100 kHz. Ihre Simulation erfolgt in Bd. 3/7, Kap.5. Erklärt und simuliert werden sollen die in Abb. 1-446 angegebenen Frequenzgänge der Spulenimpedanz Z.Filter(f). Damit kann dann, wie in Abschn. 1.5.2 gezeigt, die Dämpfung eines Rauschfilters als Funktion der Frequenz f berechnet werden.

280

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zur Auswahl einer Ferritperle Abb. 1-450 zeigt ein Sortiment von Ferritkernen mit ihren technischen Daten. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Hier sollen die Kriterien zur Auswahl anhand der durch die Anwendung geforderten Eigenschaften (technische Daten) erklärt werden.

Quelle: Fa. Mouser http://www.mouser.de/ProductDetail/TDK/MPZ2012S221A/?qs=g8DL0B6GkTmmIcD MLnw6hw== Abb. 1-450 links: von der Fa. TDK gemesssene Frequenzgänge ihrer Perlenimpedanzen – rechts: die Daten einer ausgewählten Perle: Damit soll der Frequenzgang ihrer Impedanz berechnet werden.

Die Anwender von Ferritperlen müssen wissen, welche Grenzfrequenzen und Grenzwiderstände sie z.B. zum Bau von Rauschfiltern benötigen. Das haben wir im vorherigen Abschn. 1.5.2 gezeigt. Ferritperlen haben kleinste Abmessungen und größte Grenzfrequenzen f.Grz. Warum das so ist, wird in Abschn. 1.5.3.6.1 geklärt. Bei der Beschaffung von Filtern müssen ihr Nennstrom i.Nen und ihre Nennleistung P.Nen angegeben werden. Das bestimmt ihren Gleichstromwiderstand R.DC. Aus der Gl. 1-156

Verlustleistung eines Widerstands



folgt die Berechnung des Gl. 1-157

Gleichstromwiderstands

Zahlenwerte: gefordert i.Nen=0,2A und P.Nen=20mW → R.Nen=0,5Ω Entwicklungsziel ist, Ferritperlen so klein wie möglich und so groß wie nötig zu bauen. Wir werden zeigen, dass 1. die Verlustleistung P.Nen einer Ferritperle von ihrem Volumen Vol abhängt 2. das Ferritmaterial ihre Grenzimpedanz Z.Grz bestimmt und 3. dass die Grenzfrequenz f.Grz nur durch die Perlenhöhe h festgelegt ist.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

281

Die Hersteller von Ferritkernen kennen die Punkte 1, 2 und3. Wir wollen zeigen, warum es so ist. Das ermöglicht die Konstruktion von Ferritperlen entsprechend den Vorgaben der Anwendung. Zu zeigen ist, wie die Impedanzen und Frequenzgänge von Ferritperlen als Funktion des Ferritmaterials und seinen Abmessungen berechnet werden. Wenn das bekannt ist, können Ferritperlen so konstruiert werden, dass geforderte Gleichstromwiderstände und Nennleistungen, Grenzfrequenzen und Grenzimpedanzen erreicht werden. Abmessungen und Nennleistung ziegelförmiger Ferritperlen Zur Entwicklung von Platinen mit oberflächenmontierten Bauelementen (SMD= Surface-mounted devices) müssen die Länge l, Breite b und Höhe h von Ferritperlen bekannt sein. Sie bestimmen die benötigte Fläche und das Volumen der Perle. Das zeigt Abb. 1-451. Proportional zum Volumen Vol einer Perle ist ihre Nennleistung P.Nen (k.Nen ≈ 3 … 5mW/mm³). Abb. 1-451

ziegelförmige Ferritperle in Oberflächen (SMD) -Montage

Zum Zeichnen geplanter Frequenzgänge nach Abb. 1-462, aber auch zur Auswertung gemessener Frequenzgänge nach Abb. 1-446, müssen die Zusammenhänge von Kennfrequenzen und Kennwiderständen bekannt sein. Berechnet werden soll, wie sie vom Ferritmaterial und seinen Abmessungen abhängen. Bei Ferritperlen heißen die Abmessungen Länge l, Breite b und Höhe h. Abb. 1-452 zeigt, dass bei ziegelförmigen Ferritperlen zwischen den Dimensionen charakteristische Zusammenhänge bestehen: Gl. 1-158 Ferritperlen

Länge l

Seitenverhältnisse bei ziegelförmigen

u.ind

b

b/l≈50% , h/b≈70%≈1/√2 und h/l≈37% Gl. 1-158 erscheint zunächst willkürlich. Das stimmt jedoch nicht. Abb. 1-446 zeigt, dass der geforderte stetige Übergang von der Resonanzfrequenz f.Res zur Maximalfrequenz f.max des Skineffekts nur dann erreicht wird, wenn l≈2∙b ist.

i.P B h

Abb. 1-452 ziegelförmige Ferritperle

Der Gleichstromwiderstand R.DC und Nennleistung einer Ferritperle Die Nennleistung P.Nen einer Ferritperle ist proportional zu ihrem Volumen Vol. Daraus folgt die Berechnung der Gl. 1-159 Nennleistung von Ferritperlen

… mit der Nennleistungskonstante k.Nen ≈ 3 mW/mm³ Da bei ziegelförmigen Ferritperlen das Volumen Vol=Länge l·Breite b·Höhe h ist, zeigt Gl. 1-159 auch die Vergrößerung der Nennleistung mit steigenden Kantenlängen.

282

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-454 zeigt, wie sich bei ziegelförmigen Ferritperlen nach Gl. 1-159 die zu ihrer Berechnung benötigten Abmessungen aus der größten Kantenlänge l berechnen lassen. Tab. 1-8 zeigt die Berechnung der Nennleistung von Ferritperlen als Funktion ihrer Größe: Tab. 1-8 Dimensionen und Nennleistung von Ferritperlen der Fa. THORA Thora Nr.

l=A

b=B

h=C

Vol/mm³ P.Nen/mW 1 0,25 1,0 4 8 2,1 22 5,6 12 2,9 40 10,4 80 21,6 51,3

200

Mit der volumenspezifischen Verlustleistung P.spez=P.Nen/Vol ≈ 3..5mW/mm³ kann die Nennleistung P.Nen aus der Größe (Vol=l∙b∙h – mit der Oberfläche OF=l∙b) einer Ferritperle berechnet werden (und umgekehrt). Vol mm³

P.Nen mW 35

8,6

Abb. 1-453 Abmessungen und Nennleistung einer ziegelförmigen Ferritperle: Die Breite der Leiterbahnen b.LB ist ca. 11% der Perlenbreite. b.LB wird in Abb. 1-454 zur Berechnung des Gleichstromwiderstands R.DC der Ferritspule gebraucht.

Abb. 1-454 zeigt auch die geometrische Berechnung einer ziegelförmigen Ferritperle aus ihrer Länge l, der Breite b (die zugehörige Fläche ist A=l∙b), der Höhe h, dem Volumen Vol=A∙h und der Nennleistung P.Nen~Vol: Fläche/mm²

Vol/mm³

P.Nen/mW

Länge l/mm 3,5

u.Nen/mV 1

Höhe h/mm

2

h/b 0,7

Breite b/mm

b.LB/mm

b/l 0,5

b.LB/b 0,11

k.Nen/(mW/mm³) 3

K 1000

R.DC/Ohm 1 2

i.Nen/mA 225

Abb. 1-454 Abmessungen, Nennleistung und Gleichstromwiderstand R.DC einer ziegelförmigen Ferritperle

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

283

Verlustleistung und Erwärmung einer Ferritperle Der Gleichstromwiderstand R.DC bestimmt zusammen mit dem Nennstrom die Verlustleistung der Ferritperle. Die Nennleistung und die zulässige Erwärmung bestimmen ihre Baugröße. Die Nennleistung von Ferritperlen ist proportional zu ihrem Volumen (≈5mW/mm³). Der Perlenquerschnitt A.el (quer zur Stromrichtung) bestimmt den Nennstrom (rated current i.Nen). i.Nen wird durch die Anwendung gefordert. Er ist durch die zulässige Erwärmung und die Stromdichte J.zul in der Perle begrenzt. Abb. 1-455 zeigt die Berechnung der nur mit größerem Aufwand zu messenden Nennleistung von Ferritperlen aus ihren viel einfacher zu ermittelnden Abmessungen: A/mm

A*B/mm²

5,7

Vol/mm³

P,Nen/mW

B/mm 5

C/mm

k.Nen/(mW/mm³)

1,8

4

Abb. 1-455 Berechnung der Nennleistungen von Ferritperlen aus ihren Abmessungen: Die Konstante k.Nen=P.Nen/Vol ist ein aus den technischen Daten gebildeter Mittelwert.

Zur Berechnung der Nennerwärmung ΔT=R.th∙P.Nen müssen die Nennleistung und der thermische Widerstand R.th der Ferritperle zur Umgebung bekannt sein. Bei dieser Baugröße kann mit R.th=1K/mW gerechnet werden. Damit rechnet Abb. 1-456. i/A 1

f/MHz

u.ind/OF /(mV/mm²)

om*µs

Int/(mW/mm²)

P.Verl/mW

1

B/mT

Delta T/K

K 6,28 K 0,1

10

Länge l/mm

OF/mm²

R.th(OF)/(K/mW)

3,5

1

Breite b/mm Vol/mm³

1,9

Oberfläche OF=l*b

Höhe h/mm 1,3

P.spez(mW/mm³) 1 2

Abb. 1-456 Leistung und Erwärmung einer Ferritperle: Mit R.th=1K/W erwärmt sie sich um 41K. Bei einer Umgebungstemperatur von 25°C würde ihre Temperatur auf 66°C steigen.

Die Gleichstromwiderstände R.DC von Ferritperlen sind klein gegen ihre Grenzwiderstände R.Grz (Bereich einige 100Ω). Deshalb spielen sie bei der Simulationen des Frequenzgangs der Perlenimpedanz keine Rolle.

284

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Gleichstromwiderstand R.DC einer Ferritperle Um eine Ferritperle bauen zu können, muss der Hersteller wissen, wie der Gleichstromwiderstand R.DC für geforderte Nennleistungen und -ströme zu realisieren ist. Abb. 1-457 zeigt die zur Berechnung von Leiterbahnwiderständen benötigten geometrischen Parameter: Gl. 1-160 Verlustleistung eines Widerstands R.DC



R.DC

Abb. 1-457 Geometrie zur Berechnung des Gleichstromwiderstands R.DC (Wicklungswiderstand) einer Leiterbahn (LB)

Hier soll gezeigt werden, wie R.DC aus dem spezifischen Widerstand der Leiterbahn ρ.LB und ihren Abmessungen bestimmt wird. R.DC ist eine Herstellerangabe. Das wird bei der Simulation der Ferritspule die Ermittlung der Leiterbahnhöhe h.LB ermöglichen. Dazu muss das Leiterbahnmaterial gewählt werden. Tab. 1-9 fasst die zur Simulation von Ferritperlen benötigten Materialkonstanten zusammen. Ein Auswahlkriterium ist der thermische Ausdehnungskoeffizient α. Tab. 1-9 physikalische Eigenschaften elektrischer Leiter (ppm=10-6)

Zur Auswahl des Leitermaterials für Ferritspulen Um mechanischen Stress bei Temperaturschwankungen zu minimieren, sollten der Ferritkern und die Leiterbahnen der innenligenden Spule möglichst gleiche Ausdehnungskoeffizienten α haben. Tab. 1-9 zeigt, dass Platin diese Forderung am besten erfüllt. Für eingeschränkte Temperaturbereiche können aber auch billigere Materialien verwendet werden. Der Temperaturkoeffizient TK des Spulenwiderstands ist so gering, dass er für den Frequenzgang der Spulenimpedanz keine Bedeutung hat.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

1.5.3.1

285

Analyse von Ferritperlen

Mit der Simulation der Ferritperle soll Ihnen ein repräsentatives Beispiel zur Analyse, beliebiger linearer und nichtlinearer Systeme angeboten werden. In fünf Schritten skizzieren wir, was bei Systemanalysen ganz allgemein und bei Ferritperlen speziell zu tun ist. 1. Systembeschreibung durch Impedanzkennlinien Jede Simulation beginnt mit einer verbalen Funktionsbeschreibung. Sie soll erklären, wie ein System funktioniert und wozu es gebraucht wird. Hier sollen Ferritperlen analysiert werden. Ferritperlen sind Ferritkerne mit integrierter Spule. Durch den Skineffekt, der in Abschn. 1.5.3.3 erklärt wird, wird der Ferritkern auch dann noch hochohmiger, wenn sich die Spule L.P durch ihre eigene Wicklungskapazität C.W kurzschließt. Das zeigt Z.Res in Abb. 1-459. Abb. 1-458 Ferritperle mit Kern und mehrlagiger Spule

Z.Filter Ferritkern L.P C.W N Windungen

Spule

Damit eine Ferritperle als Rauschfilter geeignet ist, muss sie bei Frequenzen bis in den GHz-Bereich möglichst hochohmig sein (Spulen sind das nicht). Das zeigem die von Herstellern gemessenen Impedanzkennlinie Z(f). Als Beispiel hat der Autor die Ferritperle BLM31A601S der Fa. muRata gewählt. Abb. 1-459 zeigt ihre Kennlinie mit ihren Parametern: Analyse

Synthese

gemessen: Perle: Länge l, Breite b, Höhe h

gesucht: Spule L.P, C.W. C.P rho.LB, h.LB

Frequenzgang Z.Filter(f) Z.Grz, f.Grz Z.Res, f.Res R.DC

Ferrit: R.max, f.Ref rho.Fe, µ, eps

Abb. 1-459 analyse

Frequenzgang und Kennwerte einer Ferritperle als Basis zur Ferritperlen-

Zur Analyse und Synthese von Ferritperlen: Vom Anwender oder Hersteller wurden die Abmessungen der Ferritperle und der Frequenzgang der Impedanz Z.Filter(f) ihrer Spule gemessen. Gesucht werden die Materialparameter des Ferrits und die Grenzwerte der Ferritperle und die Daten ihrer Spule. Das ist die Analyse. Bei der Synthese werden die Perlendaten gefordert. Die im Folgenden entwickelten Formeln zur Berechnung von Ferritperlen gelten sowohl für ihre Analyse als auch für ihre Synthese.

286

Elektrische Dynamik – Teil 2

Steigung und Schnittpunkte der Asymptoten im doppellogarithmischen Maßstab In den folgenden Abbildungen werden die Frequenzkennlinien der Ferritperlen im doppellogarithmischen Maßstab dargestellt. Die Eigenschaften und Vorteile wurden in Kap. 1.2.4 erklärt und in Abschn. 1.2.8 zusammengefasst.

Steigung~SQR(f) 1:2

Steigung~f² Steigung~f

1:1

2:1

Frequenz f

Abb. 1-460 häufige Steigungen bei Frequenzgängen im doppellogarithmischen Maßstab

Zum Zeichnen von Asymptoten werden nur die Eckpunkte (Kennwerte zu Abb. 1-462) benötigt. Sie hängen nur von der Höhe h der Ferritperle ab:   

die maximale Eindringtiefe δ.max=r=h/2 bei der Minimalfrequenz f.min des Skineffekts und die minimale Eindringtiefe δ.min=r/4=h/8 bei der Maximalfrequenz f.max des Skineffekts. Im Bereich tieferer Frequenzen sind die Kennwerte der Spule dicht gedrängt. Wir werden ihn in Abschn. 1.5.3.4.2 noch eingehend besprechen.

2. Excel-Analyse im doppellogarithmischen Maßstab Die Impedanzkennlinien Z(f) von Ferritperlen werden meist im halblogarithmischen Maßstab als Funktion der logarithmisch geteilten Frequenzachse angegeben (Z linear über lg(f)) Um zu erkennen, mit welcher Potenz von f sie ansteigt, muss Z(f) doppellogarithmisch aufgetragen werden. Dann können die Asymptoten an Z(f) gelegt werden, deren Schnittpunkte die Kennfrequenzen und Kennimpedanzen der Ferritperle erkennen lassen (Bode-Diagramm, Abschn. 1.2). Um Z(f) doppellogarithmisch darstellen zu können, übertragen wir die Messpunkte von Abb. 1-459 in eine Excel-Datei und stellen sie als Diagramm dar. Abb. 1-461 zeigt das Ergebnis:

Abb. 1-461 Die Excel-Funktionen Ferritperlenkennlinien von Abb. 1-459: Zur Auswertung werden ihre Tangenten angelegt. Ihre Schnittpunkte zeigen die Kennimpedanzen und -frequenzen. Die Steigungen der Kennlinien zeigen nach Abschn. 1.2.8, mit welchem Exponenten der Frequenz f die Impedanzen R, Z und X ansteigen bzw. abfallen.

Zu zeigen ist, dass nur der Bereich zwischen f.min und f.max, in dem der Skinwiderstand von R.min bis R.max ansteigt, technisch am wichtigsten ist.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

287

Erläuterungen zu den Frequenzgängen von Abb. 1-461: linkes Bild:  Die rote Kennlinie zeigt die Impedanz der Ferritspule. Sie steigt durch Induktivität L zwischen der unteren Grenzfrequenz f.g und Resonanzfrequenz f.Res frequenzproportional an: R.Res/D.DC=f.Res/f.g. Die Resonanzimpedanz ist um √2 kleiner: Z.Res=R.Res/√2.  Die blaue Kennlinie zeigt den Verlauf der Ferritperlenimpedanz Z.Fil(f). steigt zwischen f.g und f.Res frequenzproportional und von f.Res bis oberen Grenzfrequenz f.Grz des Ferritkerns mit √f an.

die der Sie zur

rechtes Bild:  Die blaue Kennlinie zeigt den Verlauf des Skinwiderstands R.Skin(f). Er steigt bis zur Resonanzfrequenz f.Res der Spule mit f² und ab f.Res bis zur Maximalfrequenz f.max des Skineffekts nur noch mit √f an.  Die rote Kennlinie zeigt den Verlauf des Blindwiderstands X.P der parasitären Kapazität C.P~1/f. X.P wird mit steigender Frequenz immer kleiner. Das ist der Grund dafür, dass die Filterimpedanz bei f.Grz ein Maximum hat. Man erkennt aus Abb. 1-461, 1. dass sich die Eindringtiefe δ des äußeren Magnetfelds ab der unteren Grenzfrequenz f.min des Skineffekts zu verringern beginnt, 2. wie sich mit kleinerer Eindringtiefe der Skinwiderstand erhöht, 3. dass ab einer Maximalfreqenz f.max die Eindringtiefe δ minimal und der Skinwiderstand R.Skin maximal wird. 3. Asymptotische Frequenzgänge und Systemparameter Zur Analyse der Ferritperle müssen ihre Kennwerte für Frequenzen und Impedanzen zuerst messtechnisch ermittelt und anschließend aus dem Ferritmaterial und seinen Abmessungen berechnet werden. Zur Definition der Kennwerte werden Asymptoten an die doppellogarithmisch aufgetragenen Impedanzkennlinien gelegt. Abb. 1-462 zeigt die Asymptoten der Ferritperlenfrequenzgänge der Ferritperle von Abb. 1-461 mit ihren Kennwerten: lg(R) R.max

1800 900

R.Grz

Z*2

Z*2 450

0,6MHz

R.min

f.gr f.min



R.DC

0,5

20MHz

f.Grz

f.max

80MHz

320MHz

lg(f)

Abb. 1-462 Frequenzgänge des Skineffekts im doppellogarithmischen Maßstab: blau die Spule, rot der Skinwiderstand R.Skin. Bis f.min steigt er mit f² an, von f.min bis f.max steigt er nur noch mit √f an.

288

Elektrische Dynamik – Teil 2

Beschreibung der asymptotischen Frequenzgänge einer Ferritperle Ziel der Entwicklung ist die Realisierung von Ferritperlen mit durch die Anwendung geforderten Kenndaten. Hier sind dies die Grenzfrequenz und -amplitude einer Ferritperle (f.Grz und Z.Grz in Abb. 1-462). Die Schnittpunkte der Asymptoten markieren Kenndaten von Frequenzen f, Widerständen R, Impedanzen Z und Eindringtiefen δ (=delta). Zur Ferritperlenberechnung: Berechnet werden soll der in Abb. 1-459 gezeigte Frequenzgang der Impedanz einer Ferritperle. Wir beginnen mit der Erläuterung der in Abb. 1-462 gezeigten Asymptoten von Spulenimpedanz Z.Spu und Skinwiderstand R.Skin(f). Hinzugefügt sind die wichtigsten Kennwerte. Die Erklärung der Zusammenhänge zwischen ihnen folgt im Anschluss. In Abb. 1-462 sind die Frequenzachse (x) und die Ordinaten (y) logarithmisch geteilt. Dadurch sind die Asymptoten Geraden (Bode-Diagramm, siehe die Zusammenfassung in 1.2.8). Berechnungsgrundlage für Ferritperlen ist die in Abb. 1-466 gezeigte Ersatzschaltung. Da die Spule zu ihrer Induktivität L.P nicht nur einen Wicklungswiderstand R.DC, sondern auch noch eine Wicklungskapazität C.W hat, hat sie eine Resonanzfrequenz f.Res. Bei ihr ist die Spulenimpedanz Z.Spu(f.Res)=R.Res maximal. R.Res beschreibt die Reibungsverluste der Ferritspule. Typische Werte für R.Res sind einige 100Ω. Bis zur Resonanzfrequenz f.Res, hier etwa 12MHz, bestimmt die Spule der Ferritperle die Filterimpedanz Z.Filter. Sie steigt durch die Induktivität L.P der Spule frequenzproportional an. Der Skineffekt spielt bis zu einer unteren Grenzfrequenz f.gr (in Abb. 1-462 ist f.gr≈0,6MHz ) keine Rolle. Die Widerstandsvergrößerung wird aber ab f.gr mit der Frequenz überproportional (hier quadratisch: R.Skin~f², wegen Turbulenz) stärker. Das spielt so lange keine Rolle, wie der Skinwiderstand R.Skin(f) noch klein gegen den induktiven Widerstand X.L=ω∙L~f ist. Ab f.Res wird die Spule durch ihre eigene Wicklungskapazität C.W kurzgeschlossen. Dann bestimmt der Skineffekt den Widerstandsanstieg der Leiterbahnen und damit den Widerstand der Ferritperle. Oberhalb von f.min dringen äußere Magnetfelder nur noch zum Teil in die Spule ein (δf.max=16∙f.min) gehen Skinwiderstände nicht gegen unendlich, sondern gegen einen Maximalwert R.max. Der Grund dafür ist, dass die Eindringtiefe δ bei höchsten Frequenzen nicht null, sondern nur minimal wird (δ→δ.0). Auch das zeigt Abb. 1-462. Dazu gehört die Erstarrung der Wirbelbildung. Ferritperlen werden so konstruiert, dass die Grenzfrequenzen f.min und f.max zu den Abmessungen der Perle (insbesondere ihrer Höhe h) passen. Dann variiert der Perlenwiderstand im Anschluss an die Impedanz der Spule maximal. Das soll im Folgenden gezeigt werden.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

289

Drei mögliche Darstellungen von Frequenzgängen Die folgenden drei Abbildungen zeigen Frequenzgänge der Ferritimpedanzen mit Schaltungskapazität durch den Skineffekt in drei gebräuchlichen Maßstäben: Abb. 1-463 zeigt: Im linearen Maßstab ist die maximale Impedanz Z.Grz nur schwach ausgeprägt. Die Grenzfrequenz f.Grz zu Z.gr ist nur verschwommen zu erkennen.

Abb. 1-463 zeigt den Anstieg der Skinimpedanz R.Skin und den Abfall der Impedanz X.C der Schaltungskapazität C mit steigender Frequenz im linearen Maßstab.

Abb. 1-464 zeigt: Im einfachlogarithmischen Maßstab ist die maximale Impedanz Z.gr schon ausgeprägter. Die Grenzfrequenz f.Grz zu Z.Grz ist schon genauer zu erkennen. Abb. 1-464 zeigt den Anstieg der Skinimpedanz R.Skin und den Abfall der Impedanz X.C der Schaltungskapazität C mit steigender Frequenz im einfachlogarithmischen Maßstab.

Abb. 1-465 zeigt: Im doppellogarithmischen Maßstab ist die maximale Impedanz Z.Grz bei der Grenzfrequenz f.g am ausgeprägtesten. f. Grz ist der Schnittpunkt der Asymptoten an den Verlauf von Z bei tiefen und hohen Frequenzen. Abb. 1-465 zeigt den Anstieg der Skinimpedanz R.Skin und den Abfall der Impedanz X.C der Schaltungskapazität C mit steigender Frequenz im doppellogarithmischen Maßstab.

Am gebräuchlichsten ist die einfachlogarithmische Darstellung von Ferritimpedanzen (mittleres Bild). Sie soll auch hier vorzugsweise verwendet werden.

290

Elektrische Dynamik – Teil 2

4. Die Ersatzschaltung der Ferritperle Ersatzschaltungen dienen zur Funktionsbeschreibung elektrischer Systeme. Bei nichtelektrischen oder physikalisch gemischten Systemen tritt anstelle der Ersatzschaltung eine Prinzipskizze. Sie dient ebenfalls zur verbalen Beschreibung und soll die wichtigsten später bei der Simulation auftretenden Messgrößen und Konstanten enthalten. Abb. 1-466 zeigt die Ersatzschaltung einer Ferritperle. Warum sie den in Abb. 1-459 gezeigten Impedanzfrequenzgang erklärt, muss begründet werden. Perle parasitär

Analyse Hypothese: Ersatzschaltung gewählt: Ferrit mit den Daten rho.Fe, µ, eps

2,2pF

R.DC 0,5Ohm

L.P 6,4µH

R.Res 280Ohm Wicklung C.W

C.P

27nF

f.Grz 80MHz

R.Skin(f)

~

R.Grz 900Ohm

Ferritperle

Synthese gesucht: Frequenzgang Z.Filter(f) Perlendaten R.max, f.Ref Spulendaten R.DC, L.P, C.W, C.P

Abb. 1-466 Ersatzschaltung einer Ferritperle als Basis zur Berechnung ihres Frequenzgangs

Die Komponenten der Perlenersatzschaltung und ihre Funktionen:  Der Gleichstromwiderstand R.DC der Spule bestimmt ihre Ruheverluste. Wie die Nennleistung von der Baugröße abhängt, zeigen wir in Abschn. 1.5.3.4.1. Dort wird auch gezeigt, wie R.DC berechnet wird.  Die Perleninduktivität L.P erzeugt den Impedanzanzanstieg ab einer unteren Grenzfrequenz f.g. Wie f.g berechnet wird, zeigen wir auch in Abschn. 1.5.3.4.1.  Die Wicklungskapazität C.W erzeugt mit L.P die Resonanzfrequenz f.Res der Spule. Dann ist sie am hochohmigsten. Ab f.Res verringert sich die Impedanz der Spule durch den Kurzschluss durch C.W.  Der Resonanzwiderstand R.Res beschreibt die Hochfrequenzverluste der Spule.  Ab f.Res vergrößert sich die Impedanz der Spule durch den Skineffekt. Das beschreibt der reelle, frequenzabhängige Widerstand R.Skin(f).  Die Impedanzvergrößerung endet bei der oberen Grenzfrequenz f.Grz. Ursache ist der Kurzschluss durch die parasitäre Kapazität C.P. Die Ersatzschaltung der Ferritperle enthält einen frequenzabhängigen Skinwiderstand R.Skin(f). Zu zeigen ist, dass der Skineffekt nichtlinear ist. Das bedeutet, dass Ferritperlen nicht komplex berechnet werden können. Das gelingt nur mit der in Abschn. 1.5 eingeführten, reellwertigen Berechnung. Damit haben wir den in Abb. 1-459 gezeigten Frequenzgang der Ferritperle qualitativ erklärt. Da dies plausibel ist, kann die Ersatzschaltung als Berechnungsgrundlage verwendet werden. Um eine Ferritperle simulieren zu können, muss ihre Impedanz Z.Filter(f) berechnet werden. Das soll in den folgenden Abschnitten passieren.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

291

5. Strukturbildung mit Konstantenbestimmung Die Entwicklung der Struktur eines Systems ist der wichtigste und schwierigste Teil einer Systemanalyse. Sie sollte mit einer Blockdarstellung beginnen, die die zu verarbeitenden Messgrößen und die wichtigsten Parameter des Systems benennt. Abb. 1-467 zeigt dies für eine Ferritperle. Kennwerte Z.res und f.Res entnommen aus Impedanzkennlinie Vorgaben: Windungszahl N rel. Permeabilität µ.r rel. Diel.-Konst. eps.r Abmessungen: l, b, h

Struktur der Ferritperle physikalischer Teil technischer Teil berechnet alle benötigt alle L, C und R L, C und R

Berechnung aller Simulationsdaten

Abb. 1-467 Aufgaben

Grenzwerte R.Grz und f.Grz errechnet aus den Parametern der Perle Material-Parameter: spez. Widerst. rho.el spez. Widerst. rho.Fe errechnete Funktionen: Skineffekt: Eindringtiefe (f) Ferritperle R.Perle(f)

Kennlinien-Simulation mit Parameter-Variationen

Zusammenstellung der zur Ferritperlensimulation benötigten Parameter und

Bei gemischten Systemen tritt anstelle der Ersatzschaltung eine schematische Darstellung des zu simulierenden Systems. Sie enthält die wichtigsten Messgrößen und Parameter und dient zunächst zur Funktionsbeschreibung. Im Unterschied zur rein verbalen Erklärung sollen hier schon die wichtigsten Systemgleichungen als Struktur gezeichnet und berechnet werden. Die Struktur ist komplett, wenn intern keine offenen Leitungen mehr auftreten. Dann sind alle Funktionen des Systems erklärt. Vor der Simulation kommt die Konstantenbestimmung. Ihre Optimierung erfolgt durch Parametervariation. Systemoptimierung durch Parametervariation Durch Variation wird die Wirkung und Bedeutung einzelner Parameter verdeutlicht. In Abb. 1-468 wurde z.B. die Windungszahl N der Ferritspule erhöht. Die Graphen zeigen: Durch N verschiebt sich die Resonanzfrequenz f.Res. Dadurch kann der Verlauf der Perlenimpedanz zwischen f.Res und der Grenzfrequenz f.Grz linearisiert werden. Auf die Gernzfrequenz f.Grz hat N keinen Einfluss. Abb. 1-468 Impedanz einer Ferritperle bei Änderung der Windungszahl N der Ferritspule

Nach der Parameteroptimierung steht Ihnen mit der Struktur ein statisch getestetes Modell zur Verfügung, dass sich von der Realität kaum noch unterscheidet. Es kann Ihnen alle Fragen zum System (Daten, Dynamik) einfacher, detaillierter und schneller beantworten als die viel aufwändigeren Messungen am realen System. Das ist der Lohn der Mühe. Noch wichtiger ist jedoch, dass Sie das Analyseverfahren, die Strukturbildung, mit der Zeit immer besser beherrschen.

292

Was zu tun ist: Abschließend zu dieser Einführung zeigt Ihnen Abb. 1-469 die Stationen der nun folgenden Ferritperlen-Simulation. Simuliert werden soll ein gemessener Frequenzgang der Impedanz Z.Filter einer Ferritperle. Ihre Parameter (=Konstanten) beschreiben die Kennwerte der Ferritspule und Ferritperle. Die Systembeschreibung erklärt den gemessenen Verlauf der Perlenimpedanz durch den Skineffekt. Die Systemanalyse muss klären, wie die Kennwerte der Ferritperle vom Ferritmaterial und seinen Abmessungen abhängen. Arbeitsgrundlage ist die Ersatzschaltung der Ferritperle (Hypothese, die durch den danach simulierten Frequenzgang bestätigt oder verworfen wird). Aus der Ersatzschaltung wird die Struktur der Ferritperle entwickelt. Damit mit ihr die Frequenzgänge von Spule und Filter berechnet werden können, müssen alle darin vorkommenden Konstanten aus einem gemessenen Frequenzgang bestimmt werden. Der simulierte Frequenzgang der Ferritperle wird mit dem gemessenen verglichen. Die Angleichung erfolgt durch Variation der Parameter. Wenn Messung und Simulation weitgehend übereinstimmen, steht ein Modell zur Verfügung, nach dem Ferritperlen gemäß den Forderungen der Anwendung entwickelt werden können Abb. 1-469 Ablaufplan zur Ferritperlensimulation

Elektrische Dynamik – Teil 2

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

1.5.3.2

293

Die Ersatzschaltung einer Ferritperle

Die Simulation der Impedanzfrequenzgänge von Spule und Ferritperle soll anhand ihrer Ersatzschaltung (Abb. 1-471) erfolgen. Deshalb soll hier gezeigt werden, aus welchen Komponenten sie besteht und erklärt werden, wie diese aus den Abmessungen der Perle und ihren Materialien berechnet werden. Die Komponenten einer Ferritperle Die Grenz- und Resonanzfrequenzen der Ferritperle entstehen durch kapazitive und induktive Energiespeicher. Bei der Ferritperle sind dies die Induktivität L.P, die Wicklungskapazität C.W der Spule und die parasitäre Schaltungskapazität C.P zwischen den Anschlüssen der Perle. Hier soll gezeigt werden, wie diese aus dem in Abb. 1-459 angegebenen, gemessenen Frequenzgang bestimmt werden. Abb. 1-470 zeigt die drei Speicher einer Ferritperle: 1. 2. 3.

die Perleninduktivität L.P die Wicklungskapazität C.W und die parasitäre Kapazität C.P

L.P N

i.P

C.W

Abb. 1-470 Ferritperle = Ferritkern mit integrierter Spule

C.P

Die Daten der Ersatzschaltung einer Ferritperle Die Ersatzschaltung der Ferritperle (Abb. 1-471) ist die Grundlage zur Berechnung ihres Frequenzgangs. Sie muss zuerst erklärt und dann simuliert werden. Dazu müssen die in ihr angegebenen Komponenten aus einem gemessenen Frequenzgang bestimmt werden. Zum Bau von Ferritperlen muss bekannt sein, wie die Resonanzfrequenz f.Res der Spule vom Leitermaterial und den Abmessungen abhängt. Das soll nun soll gezeigt werden. R.DC Abb. 1-471 zeigt die lineare Ersatzschaltung einer Ferritspule. Wie sie komplex berechnet wird, haben wir in 1.3.8 gezeigt. Hier soll sie – zum Vergleich – reellwertig berechnet werden.

L.P

Ferritperle Z.Perle

6,4µH 0,5Ohm HF-Verluste

R.Res 280Ohm Wicklung C.W

R.Skin(f)

~

640Ohm 80MHz

27pF

Abb. 1-471 Ersatzschaltung einer Ferritspule

Der Skinwiderstand R.Skin(f), der Resonanzwiderstand R.Res, die Wicklungskapazität C.W und die parasitäre Kapazität C.P beschreiben die Änderungen der Spulenimpedanz bei hohen Frequenzen. Sie sind keine diskreten Komponenten der Ferritperle.

294

Elektrische Dynamik – Teil 2

Dies sind die Funktionen der Ersatzschaltung einer Ferritperle: 

Bei tiefen Frequenzen bis zu ca. 10kHz hat die Perle ihren Gleichstromwiderstand R.DC. Dann wird die Impedanz der Perle durch ihre Induktivität induktiv. Durch ihre Wicklungskapazität C.W gerät sie bei ca. f.Res≈10MHz in Resonanz. Dann bestimmen die elektrischen Verluste den Resonanzwiderstand R.Res (einige 100Ω). Oberhalb von f.Res schließt C.W die Spule kurz. Trotzdem steigt ihr Widerstand weiter an. Grund ist der Skineffekt (1.5.3.3), der die Leiterbahnen der Spule hochohmig werden lässt. Bei höchsten Frequenzen wird die Spule durch ihre Wicklungskapazität C.P kurzgeschlossen. Deshalb gibt es eine obere Grenzfrequenz f.Grz (ca. 100MHz), über der die Spulenimpedanz maximal ist (hier z.B. 600Ω).

   

Zur Ersatzschaltung von Abb. 1-471 sind folgende Parameter zu bestimmen:  L.P und C.W: Sie erzeugen die Resonanz der Perle (grüne Kurve in Abb. 1-469).  Für den Skinwiderstand R.Skin(f) nach Abb. 1-465 müssen sein Maximalwert R.max und eine Referenzfrequenz f.Ref angeben werden. Dann beschreibt er den Anstieg der Perlenimpedanz zwischen f.Res und f.Grz.  Die parasitäre Kapazität C.P: Sie bewirkt den Abfall der Perlenimpedanz bei ganz hohen Frequenzen. Berechnung der Perlenersatzschaltung Nun soll berechnet werden, wie die Impedanzen und Grenzfrequenzen der Komponenten einer Spule von ihren Abmessungen und dem Leitermaterial abhängen.   

Die Grundlagen zur Widerstandsberechnung wurden bereits in Bd. 1, Kap. 3.2, dieser Reihe gelegt. Die Grundlagen zur Kapazitätsberechnung finden Sie auch in Bd. 1/7, Kap. 2.4. Die Grundlagen zur Induktivitätsberechnung haben wir in Teil 1 dieses Bandes, Kap. 3.7, gelegt.

Den frequenzabhängigen Skinwiderstand R.Skin(f) werden wir im nächsten Abschnitt 1.5.3.3 berechnen. Hier folgt zunächst die Berechnung der Komponenten der Perlenersatzschaltung. 1.

Berechnung des Gleichstromwiderstands R.DC

Wenn das Leiterbahnmaterial gewählt ist, liegt sein spezifischer Widerstand fest (Tab. 1-9). Für Platin wäre ρ.LB=0,1Ω∙μm. Abb. 1-476 zeigt, dass dies die Höhe h.LB der Leiterbahn bestimmt. Für Platin ist dies nach Abb. 1-514: h.LB=3μm.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

295

In der Ersatzschaltung der Ferritperle (Abb. 1-471) erscheinen zwei Widerstände:  der Gleichstromwiderstand R.DC für die niederfrequenten Verluste und  der Wechselstromwiderstand R.Res für die höherfrequenten Verluste. Abb. 1-472 Funktionen der Kantenlänge l

Wie der Resonanzwiderstand R.Res einer Ferritperle ermittelt wird, haben wir in Abschn. 1.5.3.2 gezeigt. Nun soll für ziegelförmige Ferritperlen gezeigt werden, wie ihr Spulenwiderstand bestimmt wird. Dabei gehen wir davon aus, dass die Abmessungen bekannt und das Leiterbahnmaterial gewählt ist. Widerstände R … berechnen sich allgemein nach der Formel



Darin ist l die Länge in Stromrichtung und A die Fläche quer zu ihr.

A Abb. 1-473 die zur Berechnung elektrischer Widerstände benötigten Parameter

Abb. 1-473 zeigt mögliche Leiterbahnenmaterialien. Ihr thermischer Ausdehnungskoeffizient soll an den des Ferritkerns angepasst sein. Der Wicklungswiderstand R.DC einer Ferritkernspule hängt von dreierlei ab:  

dem Material der Leiterbahn LB, das durch seinen spezifischen Widerstand ρ.LB beschrieben wird: Wir rechnen hier mit ρ.LB=0,03Ω∙μm für Aluminium. Bei Gold wäre ρ.LB=0,02Ω∙μm. b der Gesamtlänge l.LB: Sie ist proportional Länge l zur Perlenlänge l, der Breite b und zur Anzahl N der Windungen (in Abb. 1-474 ist N die Anzahl der Leiterbahnebenen). h Nach Abb. 1-453 ist b≈l/2. Deshalb rechnen wir hier mit l.LB ≈ N∙3∙l.

Abb. 1-474 Ferritperle mit mehrlagiger Spule



d.LB

Ferritperle

LB=Leiterbahn - A=Fläche - F=Querschnitt

dem Leiterquerschnitt F.LB=b.LB∙h.LB: Die Höhe h.LB ist ein freier Parameter. Er wird in Abb. 1-476 so eingestellt, dass der entsprechend der geforderten Nennleistung benötigte Gleichstromwiderstand entsteht (Gl. 1-156).

296

Elektrische Dynamik – Teil 2

In Gl. 1-161 soll R.DC=0,45Ω sein. Das wird nach Abb. 1-514 durch h.LB=3μm erreicht. Damit errechnet sich der Gl. 1-161 Gleichstromwiderstand einer Ferritspule

Gl. 1-161 zeigt die Einstellbarkeit des Gleichstronwiderstands durch die Leiterbahnenhöhe. Sie wird durch den Fertigungsprozess bei der Herstellung der Ferritperle gesteuert. Dies ist der Rechengang für den Gleichstromwiderstand: R.DC=ρ.LB∙c.R – mit c.R= l.LB/F.LB – mit F.LB=h.LB∙b.LB – mit b.LB=b/10 Er soll - übersichtlicher - durch einen Anwenderblock ausgeführt werden. Abb. 1-475 zeigt den Block ‚R.DC‘ zur Berechnung von Gleichstromwiderständen von Ferritperlen nach Gl. 1-161. h.LB/µm

N R.DC/Ohm

b.LB/mm

l/mm

R.DC

rho.LB/Ohm*µm

Abb. 1-475 die zur Berechnung von Gleichstromwiderständen einzustellenden Parameter

Abb. 1-476 zeigt die interne Struktur des Anwenderblocks ‚R.DC‘. rho.LB/Ohm*µm k.LB

R.DC/Ohm

R.DC/Ohm

Aluminium l/mm

N*l/mm

N

(N*l.LB/F.LB)*µm 1 2

b.LB/mm

F.LB/(mm*µm)

K 3

h.LB/µm h.LB für R.DC

Abb. 1-476 die interne Struktur des Anwenderblocks ‚R.DC‘ zur Berechnung der Gleichstromwiderstände von Ferritperlen nach Gl. 1-161

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

2.

297

Der Resonanzwiderstand R.Res

Alle Parameter einer Ferritperle hängen von ihrer Größe (Länge l, Breite b und Höhe h in Abb. 1-477) und dem Ferritmaterial ab. Wie - werden wir in Abb. 1-514 berechnen. Das gilt auch für den Resonanzwiderstand R.Res in der Ersatzschaltung Abb. 1-495. Wie er berechnet werden kann, zeigt Gl. 1-162. Gl. 1-162 Resonanzwiderstand

⁄(

)

Abb. 1-477 die zur Berechnung des Resonanzwiderstands R.Res benötigten Parameter

Mit Gl. 1-162 kann der Verlustwiderstand R.Res für Hochfrequenz aus dem spezifischen Widerstand ρ.Fe des Ferrits und seinen Abmessungen (Länge l, Breite b, Höhe h) berechnet werden. Durch den Faktor 3 in Gl. 1-162 stimmen Rechnung und Messung weitgehend überein. Gl. 1-163 Resonanzwiderstand und Wirbelstromdämpfung

⁄(

)

mit der Wirbelstromdämpfung d.Wrb und der Geometriekonstante k.Wrb Abb. 1-478 zeigt die Berechnung des Resonanzwiderstands nach Gl. 1-163 mit einem Block ‚R.Res‘. l/mm 3,5

k.Wrb*mm 1

k.Wrb*mm

b/mm

A.Wrb/mm²

1,9

h/mm 1,3

R.Res/Ohm

R.Res

2 d.Wrb

rho.Fe/Ohm*mm

Dämpfung d.Wrb

rho.Fe/Ohm*mm

3

74

Abb. 1-478 Berechnung des Resonanzwiderstands einer Ferritperle mit dem Anwenderblock ‚Res‘

Abb. 1-479 zeigt die interne Struktur des Blocks ‚R.Res‘. Sie berechnet Gl. 1-163: k.Wrb*mm ~R.Res/Ohm d.Wrb

rho.Fe/Ohm*mm

R.Res/Ohm

Dämpfung Abb. 1-479 Berechnung des Resonanzwiderstands R.Res nach Gl. 1-163

R.Res/Ohm

298

Elektrische Dynamik – Teil 2

3. Spulendämpfung und Perlenhöhe Abb. 1-480 zeigt, dass zur Simulation von Spulen außer einer individuellen Proportionalitätskonstante (hier K=1/R.DC) ihre Eigenperiode T.0 und die Spulendämpfung d.Spu benötigt werden. T.0 und d.Spu sollen nun für eine Ferritspule berechnet werden.

u.Spu(f)/V

f PT2: i.Spu/A

K 1 2dTs  T2s2

Abb. 1-480 komplexe Berechnung des Frequenzgangs eines Spulenstroms: Der Symbolwechsel erfolgt in SimApp durch ein Kontextmenü (rechte Maustaste).

1/R.DC 1 A/V T.0 1 s d.Spu 0,5

Abb. 1-480 zeigt die Berechnung des Resonanzwiderstands R.Res aus der Proportionalität R.Res/R.DC=f.Res/f.g und wie daraus alle übrigen Kennwiderstände der Ferritperle folgen: R.DC/Ohm 0,45

om.g*µs

f.g/kHz

1

om.Res*µs

K 160

1

2

om.Wrb*µs

2

2*d.0

K 1,4

1

L.P/µH

(T.0/ns)²

T.0/ns

f.Wrb/MHz

2

7 K 0,16

(Z.0/kOhm)² C.W/pF

1

33

2

Z.0/Ohm

R.Res/Ohm

Dämpfung d

280

1 2

K 0,5

K 1000

h.Soll/mm

r.Wrb/mm

(r.Wrb/mm)² 1 2

K 2

Ferritperle

Spulenparameter

(rho/µ)/(mm²/µs)

rho.Fe/Ohm*mm 75

1 2

µ/(µH/mm)

µ.r/k 1,5

µ.0 1,3 µH/m

Abb. 1-481 Berechnung der Kennwerte einer Spule aus ihrem Gleichstromwiderstand R.DC, der Perleninduktivität L.P und ihrer Wicklungskapazität C.W: Aus dem Wirbelstromradius r.Wrb folgt die zum Bau von Ferritperlen benötigte Perlenhöhe h.Soll.

Abb. 1-481 zeigt auch die Berechnung  der unteren Grenzfrequenz om.g= ω.g=R.DC/L.P  der Eigenimpedanz Z.0 nach Gl. 1-139 und  der Seriendämpfung d.Spu der Spule nach Gl. 1-140.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

299

Zum Wirbelstrom Die in Abb. 1-446 gezeigten Frequenzgänge von Ferritperle und-spule haben gezeigt, dass der Übergang von der Impedanz der Ferritspule zum Skinwiderstand linear sein soll. In Abb. 1-497 wird gezeigt, dass diese Forderung nur dann erfüllt ist, wenn f.Wrb ≈ f.Res∙ √2 ist. Nur damit erhält man die richtigen Kennfrequenzen der Ferritperle im Frequenzgang von Abb. 1-459 mit seinen Asymptoten in Abb. 1-497: f.min= f.Res ∙ √2 ≈ f.Wrb · 2 und

f.Grz= f.min ∙ 4

Wie die Wirbelstromkreisfrequenz aus dem Material und seinen Abmessungen berechnet werden, zeigen wir in Abschn. 1.5.3.6.1. Daraus übernehmen wir Gl. 1-192 und Gl. 1-191: Gl. 1-191 Wirbelstromkreisfrequenz

Zur Wirbelfrequenz f.Wrb gehört ein Wirbelwiderstand R.Wrb. In 1.5.3.6.1 werden wir zeigen, dass er so berechnet wird: Gl. 1-192



Wirbelstromwiderstand

R.Wrb ist die Grundlage zur Berechnung aller Kennwiderstände einer Ferritperle. Das zeigt Abb. 1-497: R.Res= R.Wrb ∙ √2 und R.min= R.Res ∙ √2 und R.Grz = R.min∙2 Die Energiespeicher einer Ferritperle Die Energiespeicher L.P, C.W und C.P in Abb. 1-466 bestimmen die Grenz- und Resonanzfrequenzen einer Ferritperle. Deshalb lassen sie sich aus den Speichern berechnen. Wie, zeigen wir nun am Beispiel der Perle BLM31A601S. Zur Berechnung der Energiespeicher werden die Grundlagen der Spulenenberechnung aus Bd. 2, Teil 1, Kap. 3.6, kurz wiederholt. 1. Die Perleninduktivität folgt aus der unteren Grenzfrequenz ω.g=R.DC/L.P: 2.

Die Wicklungskapazität

folgt aus der Resonanzfrequenz

⁄(

L.P=R.DC/ ω.g. )

⁄√

.

Die Grenzfrequenz des Resonanzkreises ist f.Res (hier 12MHz). Dazu gehört die Perlenimpedanz Z.Res (hier=280Ω). Trotzdem steigt die Impedanz Z.P der Perle bis zu einer oberen Grenzfrequenz f.Grz (hier ca. 80MHz) weiter an. Ursache ist der in Abschn. 1.5.3.3 beschriebene Skineffekt. Bei f.Grz erreicht Z.P die Grenzimpedanz Z.Grz (hier ca. 640Ω).

300

Elektrische Dynamik – Teil 2

3. Die parasitäre Kapazität Oberhalb von f.Grz sinkt die Impedanz Z.P der Perle gegen null ab. Grund ist eine unvermeidliche parasitäre Kapazität C.P zwischen den Anschlüssen der Perle mit ihrem Blindwiderstand X.P=1/(ω·C.P). Bei derGrenzfrequenz f.Grz ist der parasitäre Blindwiderstand X.P=1/(ω.Grz∙C.P) der Perlenkapazität C.P gleich der Grenzimpedanz Z.Grz∙√2 (hier 890Ω). Aus X.P(ω.Grz)= Z.Grz∙√2 folgt zuletzt die parasitäre Kapazität ⁄(

√ )

In Abb. 1-481 wurde gezeigt, wie die Kennwerte der Ferritspule aus ihren Abmessungen (Länge l, Breite b, Höhe h) berechnet werden. In Abb. 1-469 ist das Berechnungsverfahren schematisch dargestellt. Es ermöglicht die Planung der Entwicklung von Ferritperlen gemäß den Forderungen der Anwender. Bis wir so weit sind, muss noch etwas Vorarbeit geleistet werden. Abb. 1-482 zeigt die Berechnung der Speicher einer Ferritspule (L.P, C.W und C.P) aus den Kennwerten ihres Frequenzgangs (Abb. 1-446) mit den Zahlenwerten der Ferritperle BLM31A601S von Fa. muRata: R.DC/Ohm

L.P/µH

0,45

1 2

f.g/MHz

om.g*µs

0,01 K 6,28

f.Res/MHz

om.Res*µs

(om.Res*µs)²

nF/C.W C.W/pF

11

Z.Grz/Ohm

K 6,28

K 0,001

K 1000

R.Grz/Ohm

640 K 1,4

f.Grz/MHz

nF/C.P

C.P/pF

K 0,001

K 1000

om.Grz*µs

80 K 6,28

Abb. 1-482 Berechnung der Komponenten einer Ferritperle aus den Kennwerten ihres Impedanzfrequenzgangs

Wir beginnen die Berechnung der Frequenzgänge einer Ferritperle mit der Erklärung und Berechnung des Skineffekts, denn er bestimmt das Hochfrequenzverhalten von Ferritperlen.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

301

1.5.3.3 Skineffekt und Eindringtiefe Zu zeigen ist, wie der Skinwiderstand R.Skin(f) elektrischer Leiter (hier einer Ferritperle mit der Höhe h) von der Frequenz f abhängt. Abb. 1-483 zeigt die Impedanzfrequenzgänge einer Ferritperle im doppellogarithmischen Maßstab (d.h. hochaufgelöst). Sie sollen mit Hilfe des Skineffekts und der durch ihn erzeugten Wirbelströme erklärt werden (Abb. 1-484).

Abb. 1-483 Ferritperlenfrequenzgang im Bode-Diagramm: Die Perlenimpedanz (schwarz) ist, wie es auch die Ersatzschaltung von Abb. 1-466 zeigt, die Überlagerung der Spulenimpedanz (blau) durch den Widerstand der Skineffekts (rot) – rechts: Entstörfilter mit Ferritkern.

Wirbelströme und -frequenzen Bei Gleichstrom und tiefen Frequenzen ist der Stromfluss in elektrischen Leitern laminar (fadenartig). Dann gilt das ohmsche Gesetz R=u/i. Es ist frequenzunabhängig. Hohe Frequenzen erzeugen rotierende Wirbelströme. Dann gilt für Widerstände ein quadratisches Gesetz: R.Wrb~f². Es gilt für Elektronengase mit geringer innerer Reibung.

Abb. 1-484 Stromdichte und Wirbelströme

Wie Wirbelstromwiderstände und -frequenzen berechnet werden, zeigen wir in Abschn. 1.5.3.6.1. Zuvor ist folgendes zu tun: 1. 2. 3. 4.

Zuerst soll gezeigt werden, wie der Sollverlauf des Frequenzgangs der Eindringtiefe δ.Soll(f) für einen Ferrit mit der Höhe h aussieht. Dann werden wir zeigen, wie der Istverlauf der Eindringtiefe δ(f) durch die Auswahl des Ferritmaterials an den Sollverlauf angepasst wird. Danach kann der Skinwiderstands R.Skin(f) aus dem Kehrwert der Eindringtiefe R.Skin~1/ δ(f) berechnet werden. Zuletzt wird gemäß der Ersatzschaltung von Abb. 1-466 der eigentlich interessierende Frequenzgang der Filterimpedanz Z.Filter aus der Parallelschaltung von R.Skin(f) und dem Blindwiderstand X.P(f) der parasitären Kapazität C.P errechnet.

302

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Istverlauf der Eindringtiefe δ Nun wollen wir zeigen, dass der Istverlauf der Eindringtiefe δ(f) vom Ferritmaterial abhängt. Dadurch kann der Istverlauf δ(f) an den in Abb. 1-485 gezeigten Sollverlauf angepasst werden. Er zeigt die nach Gl. 1-166 berechnete Eindringtiefe als Funktion der Frequenz für gute elektrische Leiter, Stahl und dotiertes Eisen. Abb. 1-485 Eindringtiefen im technisch relevanten Frequenzbereich

Quelle https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Skin_depth_by_Zureks.png Abb. 1-485 zeigt den Frequenzgang der Eindringtiefe bei Ferritspulen nur im technisch relevanten Bereich von f.min bis f.max. Zur Simulation von Ferritperlen muss sie jedoch im gesamten Frequenzbereich bekannt sein. Das soll im Folgenden gezeigt werden. Der Istverlauf der Eindringtiefe δ wird durch das Ferritmaterial und seine Abmessungen bestimmt. Da er gefordert wird, ist er bei der Ferritperlenentwicklung die Vorgabe zur Auswahl des Ferritmaterials. Dazu muss der Zusammenhang zwischen δ(f) und dem Skinwiderstand R.Skin(f) bekannt sein. Parameter sind die Materialkonstanten des Ferrits. Das soll im Folgenden gezeigt werden. Materialprüfung mittels Eindringtiefe Die Frequenzabhängigkeit der Eindringtiefe bewirkt die Änderung der Spulenimpedanz. Das lässt sich zur ortsabhängigen Materialprüfung verwenden, z.B. bei der Messung dünner Schichten und von Rissen in Metallplatten. Z.0

Z.1>Z.0

Z.2>Z.1

Abb. 1-486 Materialprüfung durch Impedanzmessung https://www.suragus.com/de/technologie/

Z..3>Z.2

Quelle: Fa. SURAGUS

Um die Schichtdickenmessung nach Abb. 1-486 kalibrieren zu können, muss der Zusammenhang zwischen Eindringtiefe δ und Spulenimpedanz Z bekannt sein. Wir werden ihn im nächsten Abschnitt berechnen.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

303

Der Sollverlauf der Eindringtiefe δ Es ist zu fordern, dass magnetische Felder in elektrische Leiter mit einem Durchmesser d=2r von einem Maximalwert δ.max=r bei tiefen Frequenzen unterhalb einer Minimalfrequenz f.min vollständig (δ.max=r) und oberhalb einer Maximalfrequenz f.max überhaupt nicht mehr in den Leiter eindringen (δ.min=0). Abb. 1-487 zeigt den geforderten Verlauf der Eindringtiefe über der Frequenz f:

lg( ) gefordert:

~1/f²

Turbulenz

Beruhigung

Erstarrung

Skineffekt Eindringtiefe

lg(f) Abb. 1-487 geforderter Frequenzgang der Eindringtiefe im doppellogarithmischen Maßstab mit der unteren und oberen Grenzfrequenz: δ.max=h/2 und δ.0= h/16





Technisch interessant ist die Minimalfrequenz f.min des Skineffekts, ab der die Eindringtiefe δf.max spielt der Skineffekt wegen Erstarrung der Wirbelbildung keine Rolle mehr. Dann ist die Eindingtiefe δ=δ.0 minimal und der Skinwiderstand R.Skin=R.max maximal. Auch das zeigt Abb. 1-487:

Zum Zeichnen des Frequenzgangs der Eindringtiefe δ(f) nach Abb. 1-487 wird nur ein Stützpunkt benötigt, z.B. δ.max bei f.min. Gefordert wird δ.max=r.Wrb(f.min)=h/2. Abb. 1-488 zeigt, wie sich alle Kennwerte der Eindringtiefe δ und damit auch die Sollhöhe der Ferritperle aus der Basiseindringtiefe δ.0 ergeben:

Ferritperle: Eindringtiefen delta.0/µm

delta.min/µm

delta.max/µm

r.Wrb/µm

h.Soll/µm

K2

K4

K 1,4

K2

56

Abb. 1-488 Berechnung der Sollhöhe einer Ferritperle aus der Basiseindringtiefe δ.0: Gl. 1-169 zeigt, dass δ.0 nur von den Eigenschaften des Ferrits abhängt.

304

Elektrische Dynamik – Teil 2

Die Sollgrenzwerte der Eindringtiefe δ Gl. 1-164 und Gl. 1-165 zeigen, wie die Grenzwerte der Eindringtiefe berechnet werden: ⁄

Gl. 1-164 Sollwert der maximalen Eindringtiefe und Perlenhöhe h

Die Solleindringtiefe δ.max;Soll=h/2 ist der Wirbeldurchmesser gleich der Hälfte der Perlenhöhe h. Deshalb ist δ.max durch die Perlenhöhe h einstellbar. Abb. 1-487 zeigt, dass die minimale Eindringtiefe δ.min ein Viertel der maximalen ist. ⁄

Gl. 1-165 Def. der minimalen Eindringtiefe



Berechnung der Kennwerte der Eindringtiefe δ(f) Wie die Eindringtiefe von der Kreisfrequenz ω=2π∙f abhängt, finden wir bei Wikipedia unter ‚Skin-Effekt‘: https://de.wikipedia.org/wiki/Skin-Effekt Gl. 1-166 Istverlauf der Eindringtiefe

( )



Parameter in Gl. 1-166 sind die Materialkonstanten des Ferrits:  der spezifische elektrische Widerstand ρ.Fe und  die magnetische Permeabilität μ=μ.0∙μ.r – mit der Permeabilität der Luft μ.0=1,3μH/m. ρ.Fe und μ.r müssen so gewählt werden, dass die Eindringtiefe δ den gewünschten Verlauf erhält. D.h., dass sowohl gute elektrische Leiter und Isolatoren als auch nichtmagnetische Materialien keinen technisch nutzbaren Skineffekt haben. Dazu eignen sich nur Ferrite, denn sie sind elektrisch schlecht und magnetisch gut leitend. Bei der Minimalfrequenz f.min ist die Eindringtiefe δ maximal. Gl. 1-167 zeigt, wie sie vom Ferritmaterial abhängt: Gl. 1-167 maximale Eindringtiefe

(

)



)



Bei der Maximalfrequenz f.max ist die Eindringtiefe δ minimal: Gl. 1-168 minimale Eindringtiefe

(

Gl. 1-168 zeigt, dass es für die Eindringtiefe δ einen unteren Grenzwert δ.min gibt. Abb. 1-487 hat gezeigt, dass er für Frequenzen f>f.max gilt. Deshalb geht der Skinwiderstand R.Skin – wie in Abb. 1-461 gezeigt - bei hohen Frequenzen nicht gegen ∞, sondern gegen einen Maximalwert R.max=4∙R.min.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

305

Die Basiseindringtiefe δ.0 Die Basiseindringtiefe δ.0=δ.min/2 ist eine Rechengröße, mit der sich alle Kenneindringtiefen von Ferritperlen berechnen lassen. Daraus ergeben sich die Materialkonstanten und Abmessungen einer Ferritperle. Das soll nun gezeigt werden. Die Berechnung von δ.0 finden wir wieder bei Wikipedia: Gl. 1-169 Basiseindringtiefe

√ ⁄

Gl. 1-169 zeigt die Berechnung von δ.0 aus den Materialkonstanten des Ferrits: der spezifischer Widerstand ρ.Fe, die magnetische Permeabilität μ und die elektrostatische Dielektrizitätskonstante ε. Gl. 1-169 besagt, dass δ.0 von der Verschieblichkeit der elektrischen Dipole des Materials abhängt. Sie wird durch die Dielektrizitätskonstante ε=ε.0∙ε.r berechnet (mit der Dielektrizität der Luft ε.0=8,85pF/m). Berechnung von δ.0 mit dem Wellenwiderstand Z.0 In Abb. 1-487 haben wir gezeigt, dass δ.0=h/8 sein muss, damit der Skineffekt des Skinwiderstands R.Skin(f) bei den geforderten Grenzfrequenzen f.min und f.max=16∙f.min optimal wirkt. Nun ist zu zeigen,  wie ε.r für die geforderte Mindesteindringiefe δ.0=h/8 bestimmt wird und  wie groß der Maximalwert R.max des Skinwiderstands bei δ.0 ist. Basiseindringtiefe nach Gl. 1-169





Zur Bestimmung der Dielekrtizitätskonstante ε=ε.0∙ε.r: ε.r wird so eingestellt, das δ.max∙√2 gleich r.Wrb/h/2 wird. Nur dann wird der Querschnitt eines elektrischen Leiters optimal zur Widerstandserhöhung durch den Skineffekt genutzt. Davon soll im Folgenden ausgegangen werden. In Abschn. 1.5.3.6.1 wird gezeigt, dass der spezifische Widerstand ρ.Fe die Hochohmigkeit Z.Grz der Ferritperle bestimmt und die Permeabilität μ ihre Grenzfrequenz f.Grz (die beide gefordert werden). Bei bekanntem spezifischem Widerstand ρ.Fe und bekannter Permeabilität μ wird die Dielekrtizitätskonstante ε so eingestellt, dass sich die Perlenhöhe h aus der Basiseindringtiefe δ.0 ergibt. Vereinfachte Berechnung der Basiseindringtiefe: In Abschnitt 1.4.1.4 wurde der Wellenwiderstand Z.0 des Vakuums eingeführt: Gl. 1-58





Mit Z.0 lässt sich δ.0 einfacher als mit Gl. 1-169 durch die Relativwerte von ε und μ berechnen: Gl. 1-170 Basiseindringtiefe mit Z.0=377Ω



Damit sind alle Kenneindringtiefen (Abb. 1-488), die zugehörigen Kennfrequenzen (Abb. 1-498) und -widerstände (Abb. 1-491) der Ferritperle berechenbar.

306

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-489 zeigt die Berechnung der Kenneindringtiefen der Ferritperle mit dem Wellenwiderstand Z.0: rho/(Ohm*mm)

~delta.0/µm

74

1

Ferrit

2

delta.0/µm

delta.min/µm delta.max/µm r.Wrb/mm K 2

K 1000

Z.0/Ohm

K 4

SQR(eps.r/µ.r) eps.r/µ.r

377

1

K 0,001

eps.r 180

µ.r 1000

2

Abb. 1-489 Berechnung der Solleindringtiefen aus einer Basiseindringtiefe δ.0, die nur von den Materialkonstanten des Ferrits abhängt

Simulation der Eindringtiefe δ(f) Zur Simulation von Ferritperlen muss die Eindringtiefe δ vollständig, d.h. für alle Frequenzen berechnet werden. Diese Berechnung muss nach Abb. 1-487 drei Eigenschaften haben: 1. 2. 3.

Bis zur Minimalfrequenz f.min muss δ mit 1/f² kleiner werden. Quadratische Funktionen beschreiben turbulente Wirbelströme. Ab f.min wird δ>1. Dann ist Z≈ω∙L~f. Resonanz ω.0=1/√(L∙C.W): Dann ist Z=R.DC+R.Res≈R.Res das Maximum. hohe Frequenzen f>f.Res: Dann ist ω²∙L∙C.W>>1+ω∙L/R.Res. Dann wird Z≈1/ω∙C.W~1/f.

Man sieht: Gl. 1-183 beschreibt den in Abb. 1-517 angebenen Frequenzverlauf richtig. Dann bleibt nun noch die Aufgabe, herauszufinden, wie die Komponenten R.DC, L.P und C.W vom Material der Spule und ihren Abmessungen abhängen.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

325

Der Frequenzgang einer Ferritspule, formal berechnet Zur formalen Berechnung von Impedanzfrequenzgängen Z(f) von Spulen wird eine Funktion mit folgenden Eigenschaften benötigt:  Bei tiefen Frequenzen bis zur unteren Grenzfrequenz f.g spielen die Energiespeicher L.P und C.W noch keine Rolle. Dann dominiert der Gleichstromwiderstand R.D und es ist Z.Spu=R.DC.  Bei mittleren Frequenzen von f.g bis f.Res dominiert die Induktivität L der Spule. Dann steigt Z.Spu~f proportional mit der Frequenz f an.  Bei der Resonanzfrequenz ist Z=R.Res>>R.DC. Der Resonanzwiderstand R.Res repräsentiert die gesamten Spulenverluste (elektrisch und magnetisch).  Bei hohen Frequenzen f>f.Res dominiert die Wicklungskapazität C.W. Dann sinkt Z~1/f reziprok zur Frequenz f. Gl. 1-184 zeigt eine Funktion, die diese Forderungen erfüllt: Gl. 1-184 Impedanzfrequenzgang einer Ferritspule

( )



( )



Um Gl. 1-184 plausibel zu machen, soll sie diskutiert werden:  Bei tiefen Frequenzen (f→0) dominiert der erste Term im Nenner. Dann ist Z≈R.DC+2∙Z.Res∙f/f.Res.  Bei der Resonanzfrequenz f=f.Res ist der Nenner in Gl. 1-184 gleich 2. Dann wird Z=R.DC+R.Res. Wenn R.DC>f.Res) verschwindet der erste Term in Gl. 1-184 und der zweite wird Z≈2∙Z.Res∙f.Res/f~1/f. Abb. 1-521 zeigt die nach Gl. 1-184 mit Abb. 1-523 simulierte Spulenimpedanz Z.Spu(f). Ihr dominierender Term ist der Skinwiderstand R.Skin(f): Gl. 1-185 Skinwiderstand, formal (nicht physikaisch) berechnet

( )





Abb. 1-521 zeigt den mit Abb. 1-519 Impedanzfrequenzgang simulierten einer verlustarmen Ferritspule.

Z/Ohm

300

100

30

Abb. 1-521 nach Gl. 1-184 reellwertig simulierte Impedanz einer Ferritspule

10

R.DC 0,001

0,01

0,1

1

10

100

1000 f/MHz

326

Elektrische Dynamik – Teil 2

Reellwertige Simulation einer Ferritspule Damit erfüllt Gl. 1-184 die oben definierten Anforderungen. Hier soll von verlustarmen Spulen ausgegangen werden (hohe Güte Q=R.Res/R.DC, kleine Dämpfung d=1/Q). Dann ist R.DCr.Wrb

Beruhigung

Erstarrung

=r.Wrb/8

Abb. 1-553 oben: Die asymptotischen Frequenzgänge von Ferritperle und –spule: Sie zeigen deren Kennfrequenzen und -impedanzen. Darunter: die in Abb. 1-555 verwendeten Konstanten und die damit errechneten Messwerte der Ferritperle BLM31A601S

Zu zeigen ist, wie diese aus den Komponenten der Ferritspule berechnet werden können. Simuliert werden soll die nebenstehend noch einmal gezeigte Ersatzschaltung der Ferritperle. Abb. 1-554 Ersatzschaltung einer Ferritperle: Gesucht wird der Frequenzgang ihrer Impedanz Z.Filter(f).

R.max - f.Ref

Die vereinfachte Ersatzschaltung von Abb. 1-554 soll den Rechengang für ihre Impedanz symbolisieren: Zuerst müssen der Gleichstromwiderstand R.DC und der Skinwiderstand R.Skin(f) addiert werden. Zur Berechnung der Parallelschaltung mit dem Widerstand X.P der parasitären Kapazität C.P sind deren Leitwerte Y=1/Z zu addieren. Zum Schluss wird aus dem Gesamtleitwert durch Invertierung die Spulenimpedanz Z.Spu errechnet. Abb. 1-555 zeigt die Details.

348

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-555 zeigt die Struktur zur Berechnung des Frequenzgangs der Perlenimpedanz Z.Spu(f). Der Einfachheit halber wird der Spulenfrequenzgang Z.Spu formal, d.h. nicht physikalisch, nach Gl. 1-186 errechnet. Die physikalische Berechnung folgt im nächsten Abschnitt.

Abb. 1-555 Struktur einer Ferritperle zur Ferritperlensimulation mit dem formal berechneten Frequenzgang der Ferritperle

Zur Impedanzkalibrierung: In Abb. 1-555 ist der Zusammenhang zwischen der Resonanzimpedanz Z.Res und der Grenzimpedanz Z.Grz unscharf. Die Anpassung zwischen Messung und Berechnung erfolgt im Block ‚R.Res/Ohm‘ durch den Faktor cal Z.Grz=1,1.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

349

Simulierte Messwerte und Parameter der Ferritperle BLM31A601S Perle parasitär

Simuliert werden soll die nebenstehend noch einmal gezeigte Ersatzschaltung der Ferritperle.

2,2pF

R.DC

L.P

6,4µH 0,5Ohm HF-Verluste

Abb. 1-556 Ersatzschaltung einer Ferritperle: Gesucht wird der Frequenzgang ihrer Impedanz Z.Filter(f).

R.Res 280Ohm Wicklung C.W

C.P

27nF

f.Grz 80MHz

R.Skin(f) Z.Grz 640Ohm

Z.Filter Ferritperle

Abb. 1-556 zeigt, dass Ferritperlen aus Verlustbringern und Energiespeichern bestehen. Deshalb müssen ihre Widerstände und Leitwerte geometrisch nach Pythagoras addiert werden (Symbole: oder Pyth). Die vier Zonen von Abb. 1-555 In Zone A berechnet der Anwenderblock ‚Spule formal‘ den Frequenzgang Z.Spu(f) der Ferritspule nach Gl. 1-186 formal berechneter Spulenfrequenzgang

In Zone B wird der Skinwiderstand R.Skin(f) durch den Anwenderblock ‚Skineffekt‘berechnet. Seine internen Details finden Sie in Abb. 1-557. In Zone C wird der berechnet Blindwiderstand X.P=1/(ω∙C.P) der parasitären Kapazität C.P berechnet. Zone D berechnet die Reihenschaltung R.Perle von R.Skin(f) und Z.Spu(f) nach der Ersatzschaltung Abb. 1-556. Damit kann die Parallelschaltung von R.Perle und dem Blindwiderstand X.P zur Filterimpedanz Z.Fil der Ferritperle berechnet werden. Das zeigt Abb. 1-557 C.P/pF f/MHz

om*µs

X.P/Ohm

kOhm/X.P

2,2

80 K 6,28

K 0,001

R.Perle/Ohm

782

c b

Pyth

Z.Fil/Ohm

b a

K 1000

R.Skin/Ohm

K 1000

kOhm/R.Perle

Pyth

c

K 1000

Z.Spu/Ohm a

81

Abb. 1-557 Berechnung der Ferritperlenimpedanz nach der Ersatzschaltung von Abb. 1-556

350

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Anwenderblock ‚Skineffekt‘ Abb. 1-555 verwendet den Block ‚Skineffekt‘ zur Berechnung des Skinwiderstands R.Skin (f) der Ferritspule aus der Eindringtiefe δ(f). Wie – soll nun gezeigt werden. Abb. 1-558 zeigt das Symbol des Anwenderblocks ‚Skineffekt‘ zur Simulation des Skinwiderstands R.Skin als Funktion der Frequenz f.

eps.r

µ.r

Skineffekt

Abb. 1-558 Anwenderblock zur Berechnung des Skinwiderstands R.Skin mit den dazu vorzugebenden Parametern

R.Skin/Ohm

rho/(Ohm*mm)

f.min/MHz

f/MHz

r.Wrb/mm R.min/Ohm delta.0/µm delta(f)/µm

(delta/delta.max)/%

Abb. 1-559 zeigt die interne Struktur des Anwenderblocks ‚Skineffekt‘: delta(f)/µm

delta(f)/µm

Eindringtiefe delta= delta(f)/delta.max

R.min/Ohm R.Skin/Ohm 1

OF

R.Skin/Ohm

2

UF

K 100

%

SU 16 SL 0,125 (delta/delta.max)/%

(f.min/f)²

f.min/f

f.min/MHz

1 2

f/MHz

delta(f)/µm

SQR/f.min/f)

delta/delta.max 1 2

delta.0/µm rho/(Ohm*mm) ~delta.0/µm 1

delta.0/µm

delta.min delta.max /µm /µm

r.Wrb/mm

r.Wrb/mm

2

Z.0/Ohm 377

K 1000

K 2

SQR(eps.r/µ.r) eps.r/µ.r 1

K 4

K 0,001

eps.r µ.r

2

Abb. 1-559 Struktur des Anwenderblocks ‚Skineffekt‘: Unten werden die Kennwerte der Eindringtiefe aus δ.0 nach Gl. 1-169 berechnet. In der Mitte erkennen Sie die Berechnung des Frequenzgangs δ(f) der Eindringtiefe nach Gl. 1-166. Oben folgt die Berechnung des Skinwiderstands R.Skin(f) durch Invertierung der Eindringtiefe nach Gl. 1-171.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

351

Die nächsten drei Abbildungen zeigen die mit Abb. 1-555 simulierten Impedanzen der Ferritperle BLM31A601S. Abb. 1-560 zeigt die linearen Ferritperlenimpedanzen des Skinwiderstands R.Skin und den parasitären Blindwiderstand X.P über einer logarithmischen Frequenzskala. Da sie parallelgeschaltet sind, ist die Filterimpedanz Z.Fil immer kleiner als der jeweils kleinere Anteil.

Abb. 1-560 R.Skin und X.P im halblogarithmischen Maßstab 20

30

60

100

200

300

f/MHz

Abb. 1-561 zeigt R.Skin, X.P und Z.Fil doppellogarithmischen Maßstab. im R.Skin steigt mit √f (+1/2 Dekade pro Dekade) , X.P sinkt mit 1/f (-1Dekade pro Dekade)

Abb. 1-561 R.Skin und X.P im doppellogarithmischen Maßstab

Abb. 1-562 zeigt die Abhängigkeit der Filterimpedanz Z.Filter von der Spulenimpedanz Z.Spu und dem parasitären Blindwiderstand X.P: Große Grenzfrequenzen und Filterimpedanzen beginnen mit hochohmigen Spulen mit hohen Resonanzfrequenzen.

Abb. 1-562 Spulen- und Filterimpedanz einer Ferritperle

10

30

100

300

f/MHz

Impedanzen Z/Ohm

3

lg(f/MHz)

Der Vergleich der simulierten Perlenimpedanzen mit den gemessenen zeigt die Richtigkeit der Ferritperlenstruktur von Abb. 1-555. Nun ist nur noch zu zeigen, wie ihre Parameter optimiert werden. Das ist das Ziel von Simulationen und liefert die Vorgaben zur Ferritperlenentwicklung.

352

Elektrische Dynamik – Teil 2

1.5.3.6.3

Ferritperlen-Optimierung

Zum Schluss dieses Kapitels kommen wir zur virtuellen Optimierung von Ferritperlen. Dass ist das wichtigste Ziel der Simulation. Sie spart in der Praxis viel Zeit und Geld. Bei Ferritperlen interessieren die Grenzfrequenz f.Grz und die Grenzimpedanz Z.Grz. Beide sollen durch die Auswahl der Perlenabmessungen und des Ferritmaterials auf gewünschte Werte eingestellt werden. Durch Parametervariationen soll untersucht werden, wie wichtige Materialeigenschaften diese Kennwerte beeinflussen. Parametervariation ist eine der besonderen Vorteile der Simulation. Damit werden Erkenntnisse gewonnen, die durch praktische Versuche nur sehr schwer oder auch überhaupt nicht zu gewinnen sind, z.B. dann, wenn Materialien mit dem zu untersuchenden Parameter nicht zur Verfügung stehen (Bei Ferriten ist dies z.B. die Dielektrizitätskonstante ε). Darüber hinaus sagt die Praxis immer nur WAS ist, nie aber WARUM. Strukturen dagegen klären die WARUM-Fragen. Deshalb ist die Strukturentwicklung die Voraussetzung zur Systemanalyse. Wenn die Struktur, d.h. Zusammenhänge zwischen den Kenndaten und den verwendeten Materialien eines Systems bekannt sind, können  entweder die zu benötigten Ferriteigenschaften der Materialien aus den geforderten Kennwerten angegeben werden  oder die elektromechanischen Daten und Frequenzgänge gegebener Perlen ohne weitere Herstellerangaben berechnet werden. Zur physikalischen Ferritperlenanalyse Zur Untersuchung der Abhängigkeiten von f.Grz und Z.Grz sierenden Parameter variiert werden. Bei Ferritperlen sind dies 1. 2. 3. 4. 5.

müssen die interes-

die Windungszahl N der Spule im Ferritkern der spezifische elektrische Widerstand ρ.Fe (elektrischer Parameter) die Perlenhöhe h (geometrischer Parameter) die Permeabilität μ (magnetischer Parameter) die Dielektrizitätskonstante ε (elektrostatischer Parameter)

Zur Optimierung der Ferritperle wird eine Struktur benötigt, in dem diese Parameter als Eingangsgrößen erscheinen (freie Parameter). Dazu genügen formale Beschreibungen, wie der Frequenzgang in Abb. 1-555, nicht. Zur Parametervariation wird eine vollständig physikalische Beschreibung der Ferritperle benötigt. Physikalische Ferritperlensimulation Abb. 1-564 zeigt die Struktur zur physikalischen Ferritperlensimulation. In ihr erscheinen die in den Punkten 1 bis 5 genannten Messgrößen als freie Parameter. Bevor wir sie erläutern und sie zur Parametervariation verwenden, zeigen wir in Abb. 1-563 die in Abb. 1-564 verwendeten Parameter und die damit berechneten Messwerte bei der Grenzfrequenz f.Grz=80MHz.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

353

Abb. 1-563 zeigt die Zahlenwerte der physikalischen Struktur der Ferritperle von Abb. 1-564 und die Messwerte der Ferritperle BLM31A601S der Fa. muRata bei der Grenzfrequenz f=80MHz:

Abb. 1-563 die Parameter der physikalischen Struktur der Ferritperle und ihre Messwerte bei ihrer Grenzfrequenz f.Grz=80MHz

Erläuterungen zur physikalischen Ferritperlensimulation: Mit der Struktur von Abb. 1-564 soll der Frequenzgang Z.Filter(f) der Impedanz der Ferritperle von Abb. 1-551 mit Parametervariation simuliert werden. Dazu wurde die formale Berechnung der Ferritspule in Abb. 1-555 durch zwei Anwenderblöcke ersetzt, deren interne Strukturen im Anschluss erklärt werden. Hier besprechen wir zunächst die Gesamtstruktur der Ferritperle mit ihren Ein- und Ausgangsgrößen. In Zone A berechnet der Block ‚Ferritspule Parameter‘ die Komponenten der Ferritspule: R.Res, L.P, C.W und C.P. Dazu benötigt er als Eingangsgrößen die Abmessungen der Perle (l, b und h), ihre Materialkonstanten (ρ.Fe, μ.r und ε.r) und die Windungszahl N. Damit wird auch die Resonanzfrequenz f.Res der Spule berechnet, aus der sich die übrigen Kennfrequenzen der Ferritperle ergeben (f.min, f.Grz und f.max). In Zone B berechnet der Block ‚Z.Spule physikalisch‘ die Blindwiderstände der Spule (X.L und X.C) und die Spulenimpedanz Z.Spu(f). Da sie frequenzabhängig sind, benötigt der Block die Frequenz f als Eingangsgröße. In Zone C berechnet der Block ‚Skineffekt‘ den Skinwiderstand R.Skin(f). Wir haben ihn bereits bei der formalen Simulation der Ferritperle in Abb. 1-555 verwendet und erklärt. In Zone D wird die Impedanz Z.Filter(f) der Ferritperle nach ihrer Ersatzschaltung von Abb. 1-556 berechnet. Auch das wurde vorher bei der formalen Simulation der Ferritperle erklärt.

354

Elektrische Dynamik – Teil 2

Abb. 1-564 zeigt die physikalische Struktur der Ferritperle mit ihren Konstanten. Die darin verwendeten Anwenderblöcke werden anschließend erklärt.

Abb. 1-564 physikalische Struktur der Ferritperle mit vier Anwenderblöcken zur Simulation der Frequenzgänge von Spule X.L(f), parasitärer Kapazität X.P(f) und Filter Z.Fil(f) mit Parametervariation

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

355

Der Anwenderblock ‚Ferritspule Parameter‘ Abb. 1-565 zeigt das Symbol des Anwenderblocks zur Simulation der Komponenten L.P, C.W, R.Res und C.P der Ersatzschaltung der Ferritspule (Abb. 1-556).

C.P/pF

N l/mm

f.Res/MHz C.W/pF

Ferritspule Parameter

b/mm

L.P/µH

h/mm

der Anwenderblock ‚FerritAbb. 1-565 spule Parameter‘ mit den zu seinem Betrieb erforderlichen Perlendaten

rho.Fe/Ohm*mm

R.Res/Ohm

eps.r/k

µ.r/k

Abb. 1-566 zeigt die interne Struktur des Anwenderblocks ‚Ferritspule Parameter‘ (T.Res/ns)²

T.Res/ns

om.Res*µs

L.P C.W µ.r/k

Ferritspule Parameter

µ/(µH/mm)

G.mag/µH

K 1000

L.P/µH

f.Res/MHz

f.Res/MHz

K 0,16

L.P

L.P/µH

µ.0 1,3 µH/m k.L 0,67

b*h/l/mm²



N

(b*h/l)/mm 1

Konstante

2

l/mm b/mm

2

l*b/mm² (l*b/h)/mm

h/mm

C.P/pF

C.P/pF

1 2

eps.r/k

K2

eps(pF/mm)

~C.W/pF

C.W/pF

C.W/pF

eps.0 8,85 pF/m

A.Wrb/mm²

(l/b*h)/mm

C.W R.Res/Ohm

1 2

Abb. 1-566

rho.Fe/Ohm*mm R.Res/Ohm

d.Wrb 3

der Anwenderblock ‚Ferritspule Parameter‘

Zu Abb. 1-566: Links werden die Abmessungen der Ferritperle eingestellt. Sie werden zur Berechnung der Geometriekonstanten aller Komponenten der Ferritspule benötigt.

356

Elektrische Dynamik – Teil 2

Der Anwenderblock ‚Z.Spule physikalisch‘ Abb. 1-567 zeigt den Anwenderblock ‚Z.Spule physikalisch‘. Er berechnet die Blindwiderstände von Spule L.P und Wicklungskapazität C.W und die Impedanz der Ferritspule als Funktion der Frequenz f.

Z.Spule physikalisch

R.DC/Ohm C.W/pF L.P/µH

X.L/Ohm X.C/Ohm

R.Res/Ohm

Abb. 1-567 der Anwenderblock ‚Z.Spule physikalisch‘

Z.Spu/Ohm f/MHz

Abb. 1-568 zeigt die interne Struktur des Anwenderblocks ‚Z.Spule physikalisch‘: C.W/pF kOhm/X.C

kOhm/X.C

X.C/Ohm

OF

X.C/Ohm

UF

K 0,001

L.P/µH

SU 1000 X.L/Ohm SL 0,1

X.L/Ohm

K 1000

kOhm/X.L

phi/° a

+ K 6,28

R.Res/Ohm f/MHz

Z.Spu/Ohm

c

b

K 1000

om*µs

Pyth

kOhm/R.Res

R.DC/Ohm Z.LCR/Ohm

K 1000

kOhm/Z.LCR

K 1000

Abb. 1-568 die Struktur des Anwenderblock ‚Z.Spule physikalisch‘

zu Abb. 1-568: Die Blindwiderstände von Spule und Wicklungskapazität werden linear subtrahiert, die Berechnung der Spulenimpedanz Z.LCR aus Wirk- und Blindwiderständen erfolgt nach Pythagoras. Weil der Gleichstromwiderstand R.DC im Betrieb der Spule klein gegen Z.LCR ist, kann er zuletzt der Einfachheit halber linear addiert werden.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

357

Parameteroptimierung einer Ferritperle durch Parametervariationen Bei den vorangegangenen Analysen von Ferritperlen wurde von gemessenen Impedanzkennlinien (Abb. 1-546) bei vorgegebenen Abmessungen (hier die Perlenlänge l=3,5mm, die Breite b=1,9mm und die Höhe h=1,3mm) ausgegangen. Durch die Impedanzfrequenzgänge waren die Systemdaten (hier die Grenzimpedanz Z.Grz≈600Ω und die Grenzfrequenz f.Grz≈80MHz) bekannt. Gesucht wurden die von den Ferritperlenherstellern ausgewählten, zugehörigen Materialparameter (hier die Daten des Ferritkerns: spezifischer Widerstand ρ.Fe=74Ω∙mm, relative Permeabilität μ.r=1500, relative Dielektritziät ε.r=180). Nun soll für Ferritperlen untersucht werden, ob diese Parameter die bestmöglichen sind oder ob sich ihre Werte noch verbessern lassen. Falls ja, gehen diesbezügliche Fragen an die Materialforschung. Zukünftig soll sie z.B. beim Forschungszentrum DESY in Hamburg mit dem ‚Freie Elektronen Laser XFEL‘ durchgeführt werden. Dort sollen die Umgruppierungen von Molekülen (Dauer Δt einige Attosekunden as=10-18s in Abständen x=c·Δt unter 1nm!) mit einem Röntgenlaser durch Schnappschüsse im MHz-Bereich wie in einem Film abgebildet werden. Zu Punkt1: Variation der Windungszahl N einer Ferritspule Abb. 1-569 zeigt, dass die Resonanzfrequenz der Spule bei größerer Windungszahl N kleiner wird. Auf die Grenzfrequenz f.Grz und Grenzimpedanz Z.Grz hat N keinen Einfluss, denn sie entstehen durch den Skineffekt.

0,1

0,3

1

3

10

30

100

300 f/MHz

Abb. 1-569 Je größer die Windungszahl N, desto kleiner wird die Resonanzfrequenz f.Res der Spule im Ferritkern.

358

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zu Punkt 2: Variation des spezifischen Widerstands ρ.Fe des Ferritkerns Abb. 1-570 zeigt, dass die Grenzimpedanz Z.Grz der Ferritperle mit ρFe=74Ω∙mm maximal ist. Das muss dem Perlenhersteller (hier muRata) bekannt sein. Es bedeutet, dass sich die Perleneigenschaften durch geänderte ρFe nicht mehr verbessern lassen.

0,3

1

3

10

30

100

300 f/MHz

Abb. 1-570 Bei ρFe=74Ω∙mm ist die Grenzimpedanz maximal. Auf die Grenzfrequenz f.Grz hat ρFe nur geringen Einfluss.

Der Ferritperlenentwickler muss dem Ferrithersteller den benötigten spezifischen Widerstand ρFe angeben. Die physikalische Systemanalyse zeigt, dass ρFe hier 74Ω∙mm sein muss. Zu Punkt 3: Variation der Perlenhöhe h Abb. 1-571 zeigt, dass die Grenzfrequenz f.Grz mit kleiner werdender Höhe h immer größer wird. Sie zeigt auch, dass die Impedanz der ∙-+Ferritperle bei einer h=1,3mm maximal ist. Damit hat die Fa. muRata auch bezüglich h das Maximum der Perlenimpedanz erreicht.

0,1

0,3

1

3

10

30

100

300 f/MHz

Abb. 1-571 Die Grenzimpedanz Z.Grz der Ferritperle ist bei einer Höhe von 1,3mm maximal.

Simulation nichtlinearer Frequenzgänge

359

Zu Punkt 4: Variation der Permeabilität μ Durch mehrfache Wiederholung dieses Verfahrens wird nach und nach immer bessere Übereinstimmung von Simulation und Messung erreicht. Abb. 1-572 zeigt die Perlenimpedanz und Grenzfrequenz bei Variation der relativen Permeabilität μ.r.

0,1

0,3

1

3

10

30

100

300 f/MHz

Abb. 1-572 Je größer die Perlenkapazität C.W, desto kleiner werden Perlenimpedanz und Grenzfrequenz.

Zu Punkt 5: Variation der Dielektrizitätskonstante ε Abb. 1-573 zeigt, dass die Perlenimpedanz Z.Filter mit leichter werdender Verdrehbarkeit der Ferritdipole (für die die Dielektrizitätskonstante ε das Maß ist) immer größer wird. Deshalb sollten Ferrite mit kleineren ε das Ziel der Entwicklung sein.

0,3

1

3

10

30

100

300 f/MHz

Abb. 1-573 Je kleiner die Dielekrtizitätskonstante ε, desto größer wird die Grenzfrequenz einer Ferritperle.

360

Elektrische Dynamik – Teil 2

Zusammenfassung zur Parametervariation bei Ferritperlen Die multiplen Abhängigkeiten und der nichtlineare Skineffekt machen die Analyse von Ferritperlen so schwierig. Gezeigt worden ist, wie sie durch Strukturbildung und Simulation gelingt. Bei systematischen Parametervariationen darf immer nur ein Parameter zur Zeit geändert werden, während alle anderen konstant bleiben müssen. Anders ist der Einfluss des untersuchten Parameters auf die Systemeigenschaften nicht zu erkennen. Das soll nun am Beispiel der Ferritperle BLM31A601S der Fa. muRata gezeigt werden. Zur Parametervariation bei Ferritperlen untersuchen wir die genannten fünf Beispiele: N, ρ.Fe, h, μ und ε. Sie definieren den Arbeitspunkt des nichtlinearen Systems. Tab. 1-15 qualitative Parametervariation bei Ferritperlen

Mit Tab. 1-15 kann bei der Entwicklung von Ferritperlen schnell entschieden werden, was tendenziell zu tun ist, um die Kennwerte eines Systems in gewünschter Weise zu beeinflussen (nur qualitative Angaben). Sie können durch meist langjährige Erfahrung auch ohne Simulation gemacht werden. Dann genügen einfache Rechnungen, die zeigen, dass eine Idee prinzipiell machbar ist. Scheinbarer Vorteil: Die Realisierung kann sofort beginnen. Der Preis sind viele Fehlversuche, weil das Material und seine Abmessungen nicht optimal gewählt wurden. Das Probierverfahren (Trial and Error) erlaubt keine quantitativen Vorhersagen. Es muss praktiziert werden, wenn das Simulationsverfahren nicht zur Verfügung steht. Systematische Fortschritte sind damit nur schwer möglich. Ganz anders die Simulation: Simulationen erlauben quantitative Vorhersagen. Mit der Struktur von Abb. 1-564 kann angegeben werden, wie stark Parameter zu ändern sind, um die Eigenschaften einer Ferritperle auf geforderte Werte einzustellen. Wenn das Modell (die Struktur) richtig ist, liefert sie die gleichen Informationen wie reale Messungen mit Testständen. Aber: Simulationen sind ungleich schneller, detailreicher, flexibler und letztlich billiger als das Probierverfahren. Sie erklären die Zusammenhänge und erlauben systematische Fortschritte. Trotzdem kann auf reale Messungen zumindest von Stichpunkten (Stützwerte) zur Kontrolle der Simulation nie verzichtet werden. Entscheidender Vorteil ist jedoch, dass Simulationen die Anzahl teurer Experimente drastisch reduzieren können. Die Grundlagen zur Simulation physikalischer Systeme wurden im 1. Band (statisch, bzw. stationär) und in diesem 2. Band (dynamisch) dieser Reihe zur ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ gelegt.

2 Mechanische Dynamik Das Thema dieses Kapitels ist die Simulation und Optimierung mechanischer Bewegungsvorgänge. Dazu werden zuerst die mechanischen Bauelemente Masse, Feder und Dämpfer vorgestellt. Gezeigt wird, dass ihre Berechnung analog zu den elektrischen Bauelementen Induktivität, Kapazität und Widerstand erfolgt. Damit werden die Zusammenhänge zwischen Kräften und Geschwindigkeiten der mechanischen Basissysteme für Translation und Rotation berechnet. Sie zu verstehen, gehört zu den Grundlagen der Physik. Verzögerung, Vorhalt und Resonanz mit Eigenfrequenz und Dämpfung Die zur dynamischen Analyse mechanischer Systeme verwendeten Verfahren wurden in den vorherigen Kapiteln behandelt: Strukturbildung, Sprungantworten, Frequenzgänge. Die damit in diesem Kapitel simulierten Systeme sind vielfältig: Trägeitsnavigation, Transmission und Kreisel. Abschließend werden Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren simuliert. Dazu werden viele der vorher erklärten Grundlagen benötigt. Dies sind Themen und Ziele der dynamischen Simulation mechanischer Systeme:  Systemanalyse: Kennlinien und Daten gegebener Systeme errechnen  Dimensionierung der Komponenten gemäß den Forderungen der Anwendung  Fehleranalyse: Vergleich von Messung und Simulation Was Sie in Kapitel 2 lernen:  Arbeit, Leistung, Impuls bei Translation und Rotation  Masse, Feder, Dämpfer, Massenträgheitsmoment  Mechanische Systeme erster, zweiter und dritter Ordnung  Oszillator, Transmission  Materialkonstanten, Zeitkonstanten  Wendekreisel, Kreiselkompass (Kurskreisel)  Resolver und Torquemotor  Trägheitsnavigation  Kfz-Verbrauchsberechnung Warum Sie das Kapitel 2 lesen sollten: 1. Sie lernen dynamische Grundbegriffe (Energie, Impuls, Kraft), die analog in allen Systemen benötigt werden. 2. Der mechanische Oszillator ist das Standardbeispiel für Oszillatoren aller Art. 3. Das Thema ‚Kreisel‘ schult das räumliche Denken.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 A. Rossmann, Strukturbildung und Simulation technischer Systeme, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48268-1_2



361

362

Mechanische Dynamik

Die Themen von Kapitel 2

Mechanik

Translation und Rotation

Dynamik

Statik statisch v=0

stationär v = konstant

Kinematik

Bewegungsgesetze Bescheibung ohne Kräfte

Kinetik

Bewegungsgesetze Berechnung mit Kräften

Eine DVD mit den in Band 1/7 angegebenen Strukturen zum Ausprobieren und Variieren mit dem Simulationsprogramm SimApp ist in Vorbereitung. Sie soll ab 2020 unter ‚strukturbildung-simulation.de ‘ angeboten werden.

Translation

2.1

363

Translation

Dieses vierte Kapitel der ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘ behandelt die Bewegungsvorgänge mechanischer Systeme unter dem Einfluss von Kräften (= mechanische Dynamik). Dieses Wissen bildet die Grundlage zur Simulation von Maschinen aller Art. Das soll hier an ausgewählten Beispielen gezeigt werden:  mechanische Oszillatoren (2.2.8 und 2.4.3)  Trägheitsnavigation (2.3)  Transmissionsantrieb (2.4.4) Dabei werden die Fertigkeiten vermittelt, die zur Simulation von Maschinen gebraucht werden:  Bildung dynamischer Strukturen  Funktionsbeschreibung durch Sprungantworten  Funktionserklärung durch Frequenzgänge Zur Einführung in die Dynamik empfiehlt der Autor die Webseite von Dr.-Ing. Heiner Grimm http://www.wissenschaft-technik-ethik.de/was-istenergie.html Abb. 2-1 Laufroboter Johnnie: Die dynamischen Grundlagen dieses Kapitels werden zu seiner Konstruktion und Simulation benötigt.

© Copyright: TU München

Warum fällt Johnnie nicht um – und wenn er umfällt, warum? Zur Beantwortung dieser Frage sind gediegene Kenntnisse der Dynamik und Regelungstechnik erforderlich. Die Grundlagen dazu sollen in diesem Kapitel gelegt werden. In Physik und Technik und zur Simulation müssen alle Begriffe definiert werden, damit sie gemessen und berechnet werden können. Deshalb beginnen wir mit der Erklärung mechanischer Grundbegriffe. Alle grundlegenden Systemeigenschaften basieren auf Energie und Leistung (2.1.6). Sie müssen zuerst erklärt werden. Anschließend wird anhand von Beispielen gezeigt, wie damit dynamische Systeme analysiert werden. Ein Ziel dieses Kapitels ist, die Zusammenhänge zwischen den Systemeigenschaften (Zeitkonstanten, Grenzfrequenzen, Dämpfung) und den Bauelementen und ihrer Anordnung (Massen, Federn, Dämpfer) zu berechnen. Das ermöglicht bei der Entwicklung von Maschinen die Dimensionierung der Bauelemente entsprechend den Vorgaben des Anwenders.

364

Mechanische Dynamik

Agenda zur mechanischen Dynamik In den folgenden Abschnitten 2.1.1 bis 2.1.8 werden die zur Simulation von Maschinen benötigten mechanischen Messgrößen kurz erklärt. Der Abschn. 2.2.4 behandelt die mechanischen Bauelemente Massen, Federn und Dämpfer. Tab. 2-1 fasst die grundlegenden Translationsgesetze zusammen. Sie werden im Anschluss im Einzelnen erläutert. Tab. 2-1 Die Gesetze der Translation für die drei grundlegenden mechanischen Bauelemente: Feder, Dämpfer und Masse Feder k.F

x

v

Dämpfer k.R

F.R

F.F Zeitfunktion x(t)

Federkraft

F.F=k.F*x potentielle Energie

E.pot=k.F*x²/2 Hubarbeit: x-> h, F -> G

E.Hub=G*h

Geschw. v=dx/dt Reibungskraft

F.R=k.R*v Reibungsarbeit

W.R=F.R*x Leistung

P.R=k.R*v²

Masse m

a

F.T

Beschl. a=dv/dt Trägheitskraft

F.T=m*a kinetische Energie

E.kin=m*v²/2 Impuls= Kraftstoß

p=F.T* t = m* v

Maschinen können für geradlinige (translatorische) oder kreisförmige (rotatorische) Bewegungen gebaut werden. Zu ihrer Simulation müssen die zugehörigen Gesetze bekannt sein. Für translatorische Vorgänge werden sie in diesem Abschnitt erklärt. Um Maschinen konstruieren und optimieren zu können, müssen sie berechnet werden. Das geht i.A. nur durch Simulation. Dabei interessieren Wege x (oder y oder z) und die zugehörigen Geschwindigkeiten v und Beschleunigungen a:  In 2.1.6 wird gezeigt, dass die Geschwindigkeiten v die Leistung einer Maschine bestimmen.  Die Beschleunigungen a bestimmen die auftretenden Kräfte und die Stabilität von Maschinen.

v.lin

Translation Rotation

r

Abb. 2-2 Translation und Rotation bei einem Verbrennungsmotor

v.Umfg

Die Gesetze Rotation sind weitgehend analog zu denen der Translation. Wir behandeln sie in Abschnitt 2.4. Wozu die Dynamik-Grundlagen in diesem Teil 2 von Bd. 2/7 verwendet werden:  Kapitel 2.3: Trägheitsnavigation  Kapitel 2.5: Technische Kreisel, z.B. der Kreiselkompass  Kapitel 2.6: Motor- und Kfz-Analyse mit Verbrauchsberechnung

Translation

2.1.1

365

Energie und Materie

Maschinen sind Energiewandler, d.h. sie wandeln ein Medium (z.B. Wasser) von einem Zustand in einen anderen um, der technisch genutzt werden kann (z.B. flüssig in gasförmig). Physikalische Erklärungen basieren auf dem Energiebegriff. Deshalb ist zuerst zu erklären, was man unter ‚Energie‘ versteht. Das soll hier in möglichst anschaulicher Form geschehen. Energie kann Materie oder Strahlung sein. Matrie kann im festen, flüssigen oder gasförmigen Zustand vorliegen. Welcher es gerade ist, hängt von der absoluten Temperatur T ab. Energie kann weder aus dem Nichts erzeugt werden (Perpetuum mobile 1.Art) noch vernichtet werden, sondern nur von einer in eine andere Form umgewandelt werden. Das ist der erste Hauptsatz der Thermodynamik (Wärmelehre): Von nichts kommt nichts. Scheinbare Ausnahme ist der Urknall. Was Physiker darunter verstehen, erläutern wir umseitig. Abb. 2-3 Blitz: Umwandlung elektrostatisch gespeicherter Energie in Bewegungsenergie von Ladungen (elektrischer Strom)

Entropie Zu unterscheiden sind höhere und niedrigere Formen der Energie. Sie unterscheiden sich durch die innere Unordnung (Entropie) der speichernden Medien (Massen, Ladungen). Die Umwandlung höherer in niedrigere Energieformen erfolgt spontan. Dabei vergrößert sich die gesamte Entropie eines Prozesses. Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik: Von allein wird alles immer unordentlicher (Kinderzimmerphänomen). Durch die Entropievergrößerung bekommt die Zeit eine Richtung (Zeitpfeil: vorher und nachher sind unterscheidbar). Wärme hat die größte Entropie aller Energieformen - je heißer, desto mehr, je kälter, desto weniger. Sie ist der Endzustand aller Prozesse (ihr Wärmetod) die niedrigste Form der Energie. Ihr Maximum bestimmt den Endzustand aller Prozesse, auch den des gesamten Universums in ferner Zukunft (seinen Kältetod). Dann wird die Temperatur nur etwas über dem absoluten Nullpunkt (0 Kelvin K) liegen. Nullter Hauptsatz: Man ist nie am absoluten Nullpunkt. Die Umwandlung von Wärme in eine höhere Energieform, aber auch in Kälte, ist nur mit Maschinen möglich. In Kälteanlagen verringert sich die Entropie in einem Teil der Anlage (der Kältekammer). Beispiele dazu finden Sie in Bd. 7/7, Kap. 14 ‚Kältetechnik‘.

366

Mechanische Dynamik

Woher kommt alle Energie? Mit dem Urknall (Big-Bang-Theorie) entstand alle Energie als ultraheiße Strahlung, die Zeit und alle Naturgesetze zu den Kernkräften, den elektromagnetischen Kräften von und auf elektrische Ladungen und die Massenanziehung (Gravitation). Der Urknall (Big Bang, der Knall, den keiner gehört hat) ist mit den Vorstellungen der klassischen Physik nicht zu verstehen. Dazu bedarf es der Quantenmechanik. Sie besagt, dass alle physikalischen Größen in kleinste Einheiten portioniert (gequantelt) sind, z.B. das Elektron bei Ladungen oder das Photon bei Licht. Ihre Minimalwerte sind unglaublich klein, aber nicht null.

Quelle: Wikimedia, gemeinfrei Abb. 2-4 Gravitation: nach Einstein eine Folge der Krümmung des Raums

Dazu gehören   

die Planckzeit ca. 5∙10-44s die Plancklänge ca. 10-35m die Planckmasse ca. 10-8kg

In der Physik gibt es, im Gegensatz zur Mathematik, keine Null, nur kleinste elementare Einheiten (Quanten). Sie sind, wie Zeit und Raum und alle physikalischen Gesetze, vor fast 14 Milliarden Jahren durch einen Urknall entstanden. Abb. 2-5 zeigt den Urknall schematisch:

Quelle: Wikimedia, gemeinfrei Abb. 2-5 Darstellung des Urknalls und der Inflation des Universums

Eine Simulation eines Modell-Universums nach der Urknalltheorie finden Sie unter: http://www.n-tv.de/wissen/14-Mrd-Jahre-in-wenigen-Monaten-article7027716.html Die Urknalltheorie ist mit der klassischen Physik (Euklid, Newton) nicht zu verstehen, wohl aber mit der Quantentheorie (Planck, Einstein, Heisenberg). Sie ist hier nicht das Thema.

Translation

367

Zur Urknall-Theorie (Big Bang) Die scheinbar einzige Ausnahme der Energieerhaltung ist die Entstehung des Universums (das All) als Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren. Es ist wahrscheinlich ein quantenmechanischer Effekt, der keine Ursache benötigt (eine Fluktuation des Vakuums). Die Forschung auf diesem Gebiet ist in vollem Gange. Sie soll auch klären, wo die Energie bleibt, wenn Massen in schwarzen Löchern verschwinden. Aber das ist hier nicht das Thema. Nach Einsteins allgemeiner Relativtheorie ist der Raum in sich gekrümmt. Das bedeutet, dass der Urknall überall gewesen ist und dass man im Universum beliebig weit geradeaus fliegen kann, ohne je an ein Ende zu stoßen.

Quelle: http://www.n-tv.de/wissen/Was-war-vor-dem-Urknall-article10724221.html Abb. 2-6 Sternentwicklung nach der Urknalltheorie: Das Universum ist ca. 13,7Mrd. Jahre alt. Nach ca. 0,4Mio. Jahren wurde es durchsichtig (grüne Zone, links im Bild). Die Milchstraße, unsere Sonne und die Erde sind ca. 4,7Mrd. Jahre alt.

Die Antworten der Theorien zur Existenz des Universums und zum Urknall müssen mit allen Messungen und Beobachtungen kompatibel sein - oder sie sind Hypothesen (Arbeitsannahmen). Auch Religionen (=Wissen ohne Fakten) geben Antworten auf existenzielle Fragen (Bibel: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde). Dort werden ‚alternative Wahrheiten‘ ohne Messungen verkündet. Eine Mischform ist die Esoterik. Dadurch wird Forschung überflüssig. Zum Verständnis der in Abb. 2-6 dargestellten Inflation der Universums und seines Beginns durch einen Urknall sind fundierte Kenntnisse der Quantenphysik erforderlich. Die simulierten Grundlagen dazu finden in Bd.3/7, Kap. 11 (Atom- und Kernphysik) und Kap. 12 (Hochenergiephysik).

368

Mechanische Dynamik

Zur Quantentheorie Die Quantentheorie macht folgende Aussagen: 

 

Im Mikrokosmos sind weder Ort noch Massen und deren Geschwindigkeit (Impulse) exakt bekannt. Es gibt nur Aufenthalts- und Ereigniswahrscheinlichkeiten als sich überlagende (kohärente) Wellen. ‚Schrödingers Katze‘ ist so lange halb tot und halb lebendig bis man ‚fragt‘, ob sie tot oder lebendig ist. Die ‚Frage‘ ist das Experiment oder die Messung, die dies klärt. Durch das Experiment kommen die Elementarteilchen in Kontakt mit unserer Realität. So werden aus Wahrscheinlichkeiten von kohärenten (zusammenhängenden) Wellen Messergebnisse. Wird ein Mikrokosmos z.B. durch eine Messung gestört, wird aus zeitlosen Wahrscheinlichkeiten die erfahrbare, kontinuierliche Realität, in der die Zeit vergeht. Dieser Vorgang heißt ‚Dekohärenz‘. Das All ist ein in sich geschlossener Raum, der sich mit Lichtgeschwindigkeit immer weiter ausdehnt (um fast 1 Lichtjahr pro Jahr) und in dem die Lichtgeschwindigkeit maximal ist: c.0≈300Mm/s=300m/μs. Das erweitert Raum und Zeit.

Fragen wie ‚Was war vor dem Urknall?‘ oder ‚Was ist außerhalb des Universums?‘ machen physikalisch keinen Sinn. ‚Vor‘ dem Urknall gab es nur zeitlose ‚Quantenzustände‘, die keinen Raum und keine Zeit kennen und deren Energie in der Planckzeit erscheint und wieder vergeht. Dabei bestehen quantenmechanische (Heisenberg’sche) Unschärfen, die den Urknall ausgelöst haben sollen. Seit dem Urknall dehnt sich das Universum fast mit Lichtgeschwindigkeit aus. Ursache ist die noch völlig unerforschte Dunkle Energie. Durch die Expansion hat sich das Universum abgekühlt. Dadurch konnte Strahlung zu elektrisch geladener Materie (Quarks = Massen mit Drittel-Elementarladungenadungen) kondensieren:    

Durch Kernkräfte entstanden aus Quarks die Nukleonen (Protonen, Neutronen). Durch elektrische Kräfte entstanden aus Nukleonen und Elektronen Atome und Moleküle. Durch Gravitation (2.2.2) entstanden aus Atomen und Molekülen Sterne und Abermillionen Galaxien. Vermutlich ist alle Strahlung und die aus ihr entstandenen Galaxien ein ‚Schmutzeffekt‘ des Urknalls (Quantenfluktuation).

Quelle: http://www.tibiapress.de/shop/quantentheorie-einsachcomic/ Abb. 2-7 Info zur Quantentheorie: humorvoll und informativ

Translation

369

Tote und lebende Materie Einige Sekunden nach dem Urknall war das Universum so weit abgekühlt, dass Strahlung zu Materie kondensiert ist: zuerst Quarks, dann Protonen und Neutronen, Elektronen- und Positronenpaare und zuletzt Wasserstoff und etwas Helium. Aus ihnen entstanden nach etwa 1Mio Jahre Sterne, die aus Wasserstoff durch Kernfusion schwerere Elemente bis zum Eisen ‚erbrüteten‘. Wenn aller Wasserstoff verbraucht ist, explodiert ein Stern als Supernova. Dadurch entstehen alle schwereren Elemente als Eisen, z.B. Gold. Sie verteilen sich im Universum und bilden neue Sterne und Galaxien. Das zeigte Abb. 2-6. Durch Kernfusion und Molekülbildung wird Materie teilweise wieder in Strahlung umgewandelt:  unkontrolliert in Atom- und Wasserstoffbomben  kontrolliert in Kernkraftwerken und in wesentlich geringerem Maßstab  bei der Verbindung von Atomen zu Molekülen (Massendefekt). So ist z.B. Das Heliummolekül ca. 1% leichter als zwei Wasserstoffatome. In mindestens einer Galaxie (unserer Milchstraße) entstand vor ca. 5 Mrd. Jahren eine Sonne mit Planeten. Einer davon (unsere Erde) umkreist die Sonne in einer bewohnbaren Zone. Abb. 2-8 zeigt, dass die Entwicklung höheren Lebens mit dem Vorhandensein von freiem Sauerstoff in der Atmosphäre untrennbar verbunden ist.

Quelle: http://www.biokurs.de/bs13-33/ Abb. 2-8 Entwicklung des Lebens auf der Erde: Es stand mehrfach kurz vor der völligen Vernichtung, hat sich aber von allen Katastrophen wieder erholt.

In etwa 4 Milliarden Jahren konnte sich durch eine Vielzahl glücklicher Umstände (z.B. der Stabilisierung der Erdachse durch den Mond) auf der Erde Leben entwickeln (Abb. 2-8). Kennzeichen: Stoffwechsel, Fortpflanzung, zielgerichtetes Handeln, z.B. bei der Suche nach Nahrung und der Wille, sich zu behaupten. Zuletzt entstand der Mensch mit einem Gehirn, das sich die Frage nach der Entstehung der Welt stellen kann In diesem Kapitel befassen wir uns mit profaneren Dingen, nämlich mit der Berechnung mechanischer Systeme (u.a. Oszillatoren, Kreisel, Verbrennungsmotoren).

370

2.1.2

Mechanische Dynamik

Kinetik und Kinematik

Kinematik beschreibt Bewegungsvorgänge geometrisch, d.h. ohne die zugehörigen Kräfte. In der Kinetik werden die zugehörigen Kräfte berechnet. Das soll in diesem Abschnitt für mechanische Systeme gezeigt werden. Damit verfügen Sie über die Grundlagen zur Simulation solcher Systeme (Abb. 2-11). Als Beispiel behandeln wir am Schluss die Trägheitsnavigation (Abschnitt 2.3). Systeme mit Energiespeichern (Massen und Federn, Spulen und Kondensatoren) sollen dynamisch simuliert werden. Dazu müssen ihre Strukturen entwickelt werden. Zu ihrer Erklärung sind kinematische Berechnungen anzustellen. Die Simulationsergebnisse zeigen das kinetische Verhalten. Die Begriffe ‚Kinetik‘ und ‚Kinematik‘ sind zuerst zu erklären. Die folgende Abb. 2-9 zeigt die Zusammenhänge zwischen dem Weg s, der Geschwindigkeit v und der Beschleunigung a:

Abb. 2-9 mechanische Kinematik: Integration und Differenzierung als Umkehroperationen: Beachten Sie die Anfangswerte der Integratorausgänge.

Abb. 2-10 zeigt den Verlauf von Weg und Beschleinigung einer sinusförmigen Geschwindigkeit:

Basisgröße v

integriert=s

Periode T

Amplituden

differenziert=a

Zeit t

Abb. 2-10 Sinusschwingung v(t): differenziert a(t) und integriert s(t)

Translation

371

Zur Simulation mechanischer Systeme müssen die Kräfte an Federn, Dämpfern und Massen berechnet werden: 1. 2. 3.

Federkräfte F.F=k.F∙x sind proportional zur Auslenkung x. Die Federkonstante k.F beschreibt die Steifigkeit einer Feder. Reibungskräfte F.R=k.R∙v sind proportional zur Geschwindigkeit v. Die Reibungskonstante k.R beschreibt die Härte eines Dämpfers. Trägheitskräfte sind proportional zur Masse m und zur Bechleunigung a. Deshalb lautet das Gl. 2-1

Trägheitsgesetz

F.T = m ∙ a

In Gl. 2-1 ist m die träge Masse. Sie kann, z.B. mittels Feder, unbeschleunigt durch ihr Gewicht G=m∙g (mit der Erdbeschleunigung g=9.81m/s²) ermittelt werden. Näheres zu schweren und trägen Massen erfahren Sie in Abschnitt 2.1.2 beim Thema ‚Äquivalenzprinzip‘. Als Struktur sehen kinetische Berechnungen so aus: k.R/(N*s/m)

F.R/N

3

x/m

v/(m/s)

a/(m/s²)

D

A 1 s-1

D

F.F/N

F.T/N

k.F/(N/m)

m/kg

0,5

2

Zeit t/s

Abb. 2-11 Geschwindigkeit und Beschleunigung bei linear ansteigendem Weg

Gekoppelte Massen m, Federn k.F und Dämpfer k.R bilden einen mechanischen Oszillator. Oszillatoren haben in Physik und Technik grundlegende Bedeutung. Deshalb werden sie hier ausführlich behandelt (Abschn. 2.2.8 und 1.3.7). Zu den mechanischen Parametern: Zur Berechnung von Feder-, Reibungskonstanten benötigt: 1. k.F für die Stärke der Feder 2. k.R für die Härte des Däm pfers 3. m für die Trägheit der Masse   

und Trägheitskräften werden drei Material- in N/m - in N/(m/s)=Ns/m - in N/(m/s²)=Ns²/m

m, k.R und k.F können berechnet, gemessen oder Herstellerangaben entnommen werden. Bei dynamischen Systemanalysen werden sie als bekannt angenommen, abgeschätzt oder durch Parametervariation bestimmt. Bei Systementwicklungen werden sie gefordert. Dazu können dann Massen, Federn und Dämpfer beschafft werden.

Weitere Einzelheiten zum Thema ‚Materialkonstanten‘ besprechen wir in Abschnitt 2.2. Dort erfahren Sie, wie sie vom Material und seinen Abmessungen abhängen.

372

Mechanische Dynamik

Anfahren, fahren und bremsen Mit diesem Beispiel ‚Autofahrt‘ wollen wir zeigen, welche Kräfte bei einem Fahrzeug während der Fahrt wirken. Dazu beobachten wir den Tachometer (die Geschwindigkeit v) während der Fahrt. Abb. 2-12 zeigt die Graphen dazu:

Abb. 2-12 Autofahrt in qualitativer Darstellung: Zu unterscheiden sind drei Zonen: Anfahren, Fahren und Bremsen. Zum Verständnis werden die Begriffe Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung benötigt.

Federkräfte treten in diesem Beispiel nicht auf: k.F=0. Wäre das Fahrzeug (der Antrieb) durch eine Feder gefesselt, würde die Federkraft wegproportional zunehmen: F.F = k.F ∙ Δx. Dann wäre der Weg begrenzt auf Δx = F.A/k.F. Anfahren: Die Motorkraft F.M sei konstant, Reibungskräfte spielen bei niedrigen Geschwindigkeiten noch keine Rolle. Dann ist die Trägheitskraft F.T = m ∙ a der Fahrzeugmasse m gleich der Antriebskraft F.A. Daraus folgt, dass die Beschleunigung a  F.A/m ebenfalls konstant ist. Wenn a konstant ist, steigen die Geschwindigkeit v proportional und der Weg x quadratisch mit der Zeit an. Die Wegmessung beginnt bei einem Anfangswert, der willkürlich festgelegt werden kann, z.B. zu null. Wenn räumliche Vorgänge behandelt werden, heißen die beiden anderen Koordinaten y und z. Der Radius r ist der Vektor, den sie aufspannen. Fahren: Mit steigender Geschwindigkeit werden die Reibungskräfte F.R = k.R ∙ v immer stärker. Das vermindert die beschleunigende Kraft bis auf null. Dann ist die Geschwindigkeit konstant: v = F.A / k.R und der Weg steigt nur noch zeitproportional an: Δx=v∙Δt. F.r~v ist das Kennzeichen laminarer (fadenartiger Strömung). Sie wirkt bei niedrigen Geschwindigkeiten. Bei höheren Geschwindigkeiten wird F.r~v². Das ist das Zeichen für turbulente (wirbelartige) Strömung. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in Kap. 2.6, Abschn. 2.6.3.5 beim Thema ‚Reibungswiderstände‘.

Translation

373

Bremsen: Am Ende der Fahrt wird abrupt gebremst, z.B. wegen eines Unfalls. Dann ist die Beschleunigung negativ – entsprechend groß sind die Trägheitskräfte. Die Geschwindigkeit wird in kurzer Zeit zu null und der Weg nimmt in dieser Zeit nur noch minimal zu. Reibungskräfte entstehen durch die Bewegung fester, flüssiger und gasförmiger Materialien gegeneinander. Das ist im Motor und an der Karosserie unerwünscht, denn es erzeugt Verluste. Beim Stoßdämpfer dagegen sind sie der Sinn der Sache. Richtig dimensioniert gibt er der Fahrzeugfederung die gewünschte Dämpfung. Ein Stoßdämpfer besteht aus einer Feder und definierter Reibung, z.B. durch Flüssigkeit oder Gas. Sie müssen an die zu federnde Masse m angepasst werden. Dazu muss eine Feder mit der Federkonstante k.F und ein Dämpfer mit der Reibungskonstante k.R gewählt werden. Die Berechnung solcher Systeme wird im nächsten Abschnitt gezeigt. Berechnung von v und a aus s(t) durch Differenzierung Bei konstanter Beschleunigung a steigt die Geschwindigkeit v zeitproportional an: v = ds/dt => s=v∙(jω) und a= dv/dt=d²s/dt² => v∙(jω)= a∙(jω)² Berechnung des Weges x durch Integration der Geschwindigkeit v Bei konstanter Beschleunigung a steigt die Geschwindigkeit v zeitproportional an: Δv = a∙dt => v= a∙(jω) und Δs= v∙dt => s=v∙(jω)= a∙(jω)² Ein Beispiel zur doppelten Integration der Beschleunigung ist die Trägheitsnavigation. Wir werden sie am Schluss dieses Kapitels behandeln. Simulation des Anfahrvorgangs Abb. 2-13 berechnet die zu einem geforderten Anfahrvorgang erforderliche Motorleistung: a(t)/(m/s²)

F.T/N

D

Fahrkurve v(t)/(km/h)

v/(m/s)

Geschwindigkeit

P

Trägheits -kraft

m 100 kg

F.Mot/N

F.R/N P

A 100 TV 2s TH 10 s

K 0,28

s/m

Leistung/kW

k.R 100 N/(m/s)

K 0,001 Reibungs -kraft

Motor

t

I Reset Hold

Abb. 2-13 Berechnung des Anfahrvorgangs: Die Fahrzeugmasse m ist vorgegeben, die Reibungskonstante k.R wurde so eingestellt, dass die gemessene Motorleistung erreicht wird. Abb. 2-14 zeigt das Simulationsergebnis.

374

Mechanische Dynamik

Abb. 2-14 zeigt das Ergebnis der Anfahrsimulation:

Anfahr-Vorgang Weg s/m

Geschwindigkeit v/(km/h)

Leistung/kW Zeit t/s

Abb. 2-14 Der Anfahrvorgang in quantitativer Darstellung

Abb. 2-15 zeigt die Einstellung der Parameter einer Fahrkurve in SimApp:

Abb. 2-15 In SimApp ist der Verlauf des Anfahrvorgangs voreingestellt: Nur die Amplitude A, die Verzugszeit T.V und die Hochlaufzeit sind noch einzustellen.

Translation

375

Mecbhanische Umkehroperationen im Zeitbereich Umkehrung im Zeitbereich: Gegeben ist x → v → a (Abb. 2-16) Nun soll sich der Weg mit dem Quadrat der Zeit ändern. Dann steigt die Geschwindigkeit v linear an und die Beschleunigung a ist konstant: Weg-Änderung

x(t)/m

v/(m/s) D

a/(m/s²) D

A 1 s-1

Weg-Änderung x(t)

x/m

v/(m/s)

I

I

Reset

Reset

Hold

Hold

Abb. 2-16 Integration und Differenzierung als Umkehroperationen: Bei den Integrationen sind die Anfangswerte als null definiert worden.

Berechnung von v und a aus x(t) durch Differenzierung Bei zeitproportionalem Anstieg des Wegs x ist die Geschwindigkeit konstant: v = dx/dt = x/t. Die Momentangeschwindigkeit v(t) ist gleich der mittleren Geschwindigkeit v.mit in einem wählbaren Zeitintervall t. Wäre v(t) nicht konstant, ergäbe sich die Momentangeschwindigkeit v(t)=dx/dt zu einem gewählten Zeitpunkt t nach einer kleinen Zeitänderung dt aus dem Anstieg der Tangente dx des Wegverlaufs x(t). Bei konstanter Geschwindigkeit ist die Beschleunigung gleich null. Wenn die Beschleunigung a > 0 ist, steigt die Geschwindigkeit v stärker als linear und der Weg stärker als quadratisch mit der Zeit t an. Einzelheiten dazu berechnet die Simulation. Das Äquivalenzprinzip Die träge Masse zur Berechnung der Trägheitskraft F.T=m∙a ist aus ungeklärter Ursache gleich der schweren Masse. Sie hat auf der Erde die Gewichtskraft F.G=m∙g (Äquivalenzprinzip).

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Äquivalenzprinzip Die Erde beschleunigt Massen mit der Erdbeschleunigung g = 9,8m/s². Daher hat die Masse von 1kg das Gewicht 9,8kgm/s² = 1kp. Auf dem Mond, der 1/81 der Erdmasse hat und knapp 1/3 ihres Durchmessers, würde das kg nur 1/6kp wiegen.

376

2.1.3

Mechanische Dynamik

Kraft und Impuls

Kräfte F werden durch die Trägheit von Massen m definiert, denn ihr Gewicht (G oder F.G) ist ortsabhängig. Die Trägheitskraft F.T = m ∙ a entsteht bei der Geschwindigkeitsänderung einer Masse m, genannt Beschleunigung a=v/t. Sie benötigt keinerlei Bezug zur Umgebung. Man nennt Trägheitskräfte daher inertial. Die Einheit der Kraft, das Newton N, wird über die Massenträgheit definiert: Aus der Trägheitskraft F.T = m∙a wird die Krafteinheit Newton: 1N = 1kg∙m/s². Beispiel: Eine Tafel Schokolade (m=100g) hat auf der Erde die Gewichtskraft von 1N. ⃗⃗⃗⃗⃗ ist ein Kraftstoß. Er ändert die Geschwindigkeit v Der Impuls einer Masse m in Richtung von F - und zwar umso stärker, je größer F ist, je länger sie wirkt und je kleiner die Masse m ist. Das zeigt Abb. 2-17 und berechnet Gl. 2-2:

F.A

F.A/N

A 1 PW 1 s TP 2 s

Impuls p/Ns

Delta v/(m/s)

I

1

Reset

2

W.kin/Nm

I Reset

Hold

Ti 1 s

Delta s/m

Masse m/kg

Hold

Ti 1 s

2

Impuls

t

Abb. 2-17 Simulation eines Kraftstoßes (Impuls) auf eine Masse m: Die Geschwindigkeitsänderung hat die Richtung der Kraft.

Linearer Impuls Solange ein Impuls p=F·Δt mit der Kraft F auf eine reibungsfrei gelagerte Masse Masse m einwirkt, beschleunigt er sie auf a=F/m. Gl. 2-2 Impulsbetrag und -einheit:

p=F·Δt = m·Δv in N∙s = kg·m/s

Die Geschwindigkeitsänderung Δv=p/m der Masse m durch den Impuls p=F·Δt folgt aus dem Trägheitsgesetz F=m·a. Mit p=F·Δt Δv= a·Δt wird die Gl. 2-3 Geschwindigkeitsänderung

Δv=F.T·Δt/m = p/m

Translation

377

Abb. 2-18 zeigt einen Kettenimpuls: Abb. 2-18 Impulskette: Während einer kurzen Zeit Δt wird die Kugel elastisch verformt (Feder). Dadurch entsteht eine Kraft, die den Impuls überträgt. Kugeln sind Massen mit federnden Oberflächen.

Quelle: Wikimedia, gemeinfrei Free Documentation License

GNU

Zahlenwerte für die in Abb. 2-18 gezeigte Impulskette: Masse einer Kugel: m=0,1kg; Anfangsgeschwindigkeit v.0=0,1m/s → der Impuls p=0,01Ns=10mNs=10N·ms. Impulssimulation In Abb. 2-17 wurde auch die die Struktur zur Simulation eines Kraftstoßes (Impuls) nach Gl. 2-2 auf eine Masse m angegeben. Abb. 2-19 zeigt dazu die Messgrößen des Kraftstoßes:   

Die Geschwindigkeit v steigt mit dem Impuls p=F·t=m·v. Dann nimmt die in m gespeicherte kinetische Energie W.kin mit v² zu. Die räumliche Änderung von W.Kin/r ist die an m angreifende Kraft F.

Abb. 2-19 die Messgrößen eines Kraftstoßes nach Abb. 2-17: Impuls, Geschwindigkeit und die kinetische Energie

Zeit t/s

Zum Vergleich: Elektrische Impulse Dies sind die Analogien zwischen mechanischen und elektrischen Impulsen: 1. Der Stromimpuls i ∙ Δt = Δq ändert die Ladung q in Kondensatoren. Ströme i entsprechen mechanischen Geschwindigkeiten v. 2. Der Spannungsimpuls u ∙ Δt = ΔΦ ändert den magnetischen Fluss ϕ in einer Spule. Magnetische Flüsse ϕ entsprechen mechanischen Kräften F. Die Analogie bedeutet, dass elektrische und mechanische Systeme nach gleichartig aufgebauten Gesetzen berechnet werden. Nur die Namen der Messgrößen und Bauelemente ändern sich. Wir werden bei Gelegenheit immer wieder darauf hinweisen.

378

2.1.4

Mechanische Dynamik

Potentielle Energie und mechanische Arbeit

Potentielle Energie ist gespeicherte mechanische Arbeit. Wir unterscheiden  Massen als Speicher kinetischer und thermischer Energie  Spulen und Kondensatoren als Speicher magnetischer Energie  Federn und elastisch verformbare Körper als Speicher mechanischer Energie. Wenn Massen angehoben werden, wird Hubarbeit geleistet und potentielle Energie gespeichert. Sie kann bei Bedarf wieder abgerufen (freigesetzt) werden. Bei der Simulation von Maschinen müssen mechanische Speichervorgänge berechnet werden. Gezeigt werden soll, welche Kräfte F und Wege s dazu gehören. Abb. 2-20 mechanische Energie und Arbeit

F.R

s

E F.G

h

W m

Mechanische Arbeit wird verrichtet, wenn eine Kraft F ihren Angriffspunkt um den Weg s verschiebt. Dabei müssen F und s die gleiche Richtung haben: Hubenergie entsteht durch die Gewichtskraft F.G und die Höhe h (Anziehungskraft von Massen mit dem Abstand h) :

Gl. 2-4 mech. Arbeit

Gl. 2-5 Hubenergie

Energiewandler Zur Umwandlung von Energien werden Maschinen entwickelt. Zur Konstruktion müssen sie berechnet werden. Bei komplexen Maschinen geht das nur noch durch Simulation. Diese beginnt immer mit der Strukturbildung (Modellbildung=Systemidentifikation). Das ist das Thema dieser ‚Strukturbildung und Simulation technischer Systeme‘. Frei werdende Energie verrichtet Arbeit. Je schneller das geschieht, desto höher ist die Leistung. Einzelheiten über ihr Zustandekommen (die Vorgeschichte) sagt die Energie nicht aus. Hier werden wir uns nur mit den technischen Aspekten der Energieumwandlung durch Maschinen befassen. Mechanische und elektrische Energie lassen sich durch Motoren und Generatoren verlustarm ineinander umwandeln: Zu unterscheiden sind kinetische und potentielle Energie:  Potentielle Energie ist die Energie der Lage. Kennzeichen: Es bewegt sich nichts. Beispiele: gespannte Feder, geladener Kondensator  Kinetische Energie ist die Energie der Geschwindigkeit. Kennzeichen: Ein Körper bewegt sich relativ zu einem anderen. Beispiele: bewegte Fahrzeuge, Strom in elektrischen Spulen

Translation

379

Energiespeicher Energie ist gespeicherte Arbeit. Sie kann auf zwei Arten gespeichert werden: 1.

ohne Geschwindigkeit als potentielle Energie, z.B.  als Spannenergie W.F=F.F∙x einer Feder, die durch die Kraft F.F um die Länge x ausgelenkt wird  als Hubenergie W.Hub=G∙h eines Gewichts G in der Höhe h  als elektrostatische Energie W.el=q∙u in Kondensatoren, bei denen die Ladung q durch eine Spannung u verschoben wird  als chemische Energie (auch elektrostatische Bindungsenergie). Lebewesen speichern sie als Fettgewebe.

2.

mit Geschwindigkeit als kinetische Energie, z.B.  bei Massen m, die sich mit der Geschwindigkeit v relativ zueinander bewegen: W.kin=m∙v²/2. Der Faktor ½ ist nötig, weil mit der mittleren quadrierten Geschwindigkeit gerechnet werden muss: ∫v∙dv=v²/2.  als Wärme, die in den Massen oszillierender Moleküle gespeichert ist  als elektromagnetische Energie W.mag=ϕ∙i in Spulen, die die Energie zirkulierender Ladungen als magnetischen Fluss ϕ speichern  als Strahlungsenergie beschleunigter Ladungen (Synchrotronstrahlung als Photonen mit der Energie h∙ν). Ihre bekannteste Form ist das elektrische Licht. Es wird immer dann quantisiert (portionsweise als Photon) absorbiert, wenn Moleküle angeregt werden und wieder emittiert, wenn sie sich wieder abregen.

Thermische Energiespeicher (Abb. 2-21)Energie lässt sich speichern – leider aber nur schwer in großen Mengen, z.B. Pumpspeicherwerke, Batterien, elektrische Kondensatoren und Wärme in Granitsteinen. Die Berechnung eines thermischen Wasserspeichers finden Sie in Band 7/7, Kapitel 13.3. Abb. 2-21 Warmwasserspeicher: Die gespeicherte Wärme ist proportional zur Masse des Speichermediums (hier Wasser). Quelle: http://www.ligno.at/htm_A/Warmwasserspeicher1.php

Energiekosten im Vergleich (Stand: 2017) Zur Verrichtung von Arbeit W muss Leistung aufgewendet und bezahlt werden. Es gilt: Je höher die Energieform, desto höher ist ihr Preis, z.B. Heizung durch Wärme aus Öl: ca. 0,1€/kWh Transport durch Verbrennungsmotor: ca. 0,3€/kWh Heizung durch elektrischem Strom: ca. 0,4€/kWh Das sind nur die Betriebskosten. Nicht darin enthalten sind die Beschaffungs- und Wartungskosten für die zugehörige Maschine.

380

Mechanische Dynamik

Energie der Lage (statische oder potentielle Energie) Sie wird gespeichert, wenn Federn gespannt sind oder sich geladene Teilchen anziehen oder abstoßen (Massen, Ladungen). Bei Änderung der potentiellen Energie entstehen Druck und mechanische Spannungen im Material. Zur Simulation von Maschinen müssen die Zusammenhänge bekannt sein. 1. Hubarbeit (Abb. 2-22) … wird geleistet. wenn eine Masse m gegen die Schwerkraft (Erdbeschleunigung g=9,81m/s²) bewegt wird. Hub

Gl. 2-6 Gewichtskraft

Dadurch wird Hubenergie gespeichert: Gl. 2-5 Höhe h/m

Abb. 2-22 zeigt die Berechnug der mechanischen potentiellen Energie

Abb. 2-23 zeigt die Berechnung der Hubarbeit: h/m

E.pot

E.Hub/Nm

A 1 s-1

g(Erde) m/s²

m/kg

F.G/N

2

dp/kPa 1

9,81

m

h

2

Hub X1

X3

Y1

Y3

A/cm²

K 10

30

X2 Y2

Abb. 2-23 Simulation der Hubenergie: Sie ist gespeicherte Hubarbeit.

2. Federkraft und -energie (Abb. 2-24) Bei der Verformung elastischer Materialien wird Spannenergie gespeichert oder freigesetzt. Federn speichern Spannenergie – und zwar umso mehr,  je weiter sie elastisch verformt werden (Federweg s) und  je stärker die Kraft auf die Feder ist (Federkonstante k.F=F.F/s).

Abb. 2-24 Berechnung der potentiellen Energie einer Feder

Translation

381

Gl. 2-7: Federkräfte F.F sind proportional zur elastischen Verformung s

Federkonstanten haben die Einheit N/m. Je strammer eine Feder, desto größer ist k.F. Die in einer Feder gespeicherte Energie steigt quadratisch mit s an:

( ⁄ )

Abb. 2-25 zeigt die Energie einer Feder bei gleichmäßiger und periodischer Auslenkung:

Feder s/m

Abb. 2-25 links: Kraft und Energie einer Feder – rechts: Quadrierung und Mittelung einer Sinusschwingung

3. Drücke p und mechanische Spannungen σ Druck p=F/A=E/Vol ist die Kraft F pro Fläche A, entsprechend der Energie E=F∙x pro Volumen Vol=A∙x. Der Druck wird umso größer, je kleiner die Fläche A ist, auf die eine Kraft F wirkt (z.B. mit einer Stecknadel). Wenn Drücke zu groß werden, können Unglücke passieren. Auch deswegen müssen sie vorausberechnet werden.  Drücke p=F/A beschreiben die äußere Belastung von Materialien. Druckänderungen ermöglichen den Bau hydropneumatischer Maschinen. Wir behandeln sie in Band 7/7, Kapitel 12.  Mechanische Spannungen σ=F/A beschreiben den inneren Stress von Materialien. Drücke werden in den Kapiteln 12 Pneumatik/Hydraulik und 14 Kältetechnik eine wichtige Rolle spielen. Spannung und Dehnung Drücke verformen elastische Körper. Das erzeugt in ihnen mechanische Spannungen σ=F/A. Proportional zu σ ist die relative Längenänderung, genannt Dehnung ε=Δl/l.0. Den Zusammenhang zwischen σ und ε berechnet das Gl. 2-8

Hook’sches Gesetz

ε = E.Mod ∙ σ

Das Hook’sche Gesetz dient zur Berechnung federnder, d.h. nicht überdehnter Materialien. Die zugehörige Materialkonstante heißt Elastizitätsmodul E.Mod. Mechanische Spannungen behandeln wir in Abschnitt 2.2.1 beim Thema ‚Federn‘.

382

2.1.5

Mechanische Dynamik

Kinetische Energie

Kinetische Energie E.kin wird in bewegten Massen und elektrischen Feldern E und magnetischen Feldern H gespeichert. Dazu müssen ihre Teilchen eine Geschwindigkeit v gegen ein Bezugssystem haben. Wenn beispielsweise ein Auto gegen einen Baum fährt, ist die Erde das Bezugssystem. Dann leistet seine Bewegungsenergie Verformungsarbeit W. Bei Änderung der kinetischen Energie entstehen Trägheitskräfte. Sie bewirken das Verharren eines Systems (seine Trägheit) bei fehlenden Kräften. Trägheitskraft und kinetische Energie (Abb. 2-26) Durch Trägheitskräfte F.T widersetzen sich Massen m ihrer Beschleunigung a. Gl. 2-1 Trägheitskraft

Infolge Trägheit bleibt die Geschwindigkeit v einer Masse ohne äußere Kräfte (Antrieb, Reibung) nach Betrag und Richtung konstant. Dann hat m die kinetische Energie ( ⁄ )

Gl. 2-9 kinetische Energie

Abb. 2-26: E.kin steigt mit dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat v²/2. Trägheitskräfte heißen ‚inertial‘ (von inert = träge). Sie stützen sich gegen nichts anderes ab als sich selbst. Das lässt sich technisch folgendermaßen nutzen:  Kreisel zur Lagestabilisierung: Wir simulieren sie in Kapitel 2.5  Trägheitsnavigation: Wir simulieren sie in Kapitel 2.3 a

Masse

F.A F.T

m

v/(m/s)

Abb. 2-26 Energie

Trägheitskraft und kinetische

Quelle: Österreichischer Bundesverlag Schulbuch

Trägheitskräfte F.T=dE.kin/dr (in N=(Nm)/m) entstehen immer dann, wenn sich die kinetische Energie (dE.kin) räumlich ändert (/dr). Dynamische Leistung P.kin=dE.kin/dt (in W=Nm/s) entsteht immer dann, wenn sich die kinetische Energie (dE.kin) zeitlich ändert (/dt). Deshalb sind die kinetische Energie E.kin, bzw. ihr Fluss, die Leistung P.kin, Basisgrößen bei der Konstruktion von Maschinen.

Translation

383

Abb. 2-27 zeigt die Berechnung der Trägheitskraft F.T und der kinetischen Energie E.kin bei linearer Geschwindigkeitsänderung: Masse

v.0/(m/s) 2

dv/(m/s)

X1

X3

Y1

Y3

s.0/m 2

X2 Y2

ds/m

v/(m/s)

s/m

E.kin/Nm

I Reset

A 1 s-1

a/(m/s²)

Hold

D

F.T/N mkg 1

Abb. 2-27 Berechnung der kinetischen Energie aus Trägheitskraft und Weg

Der quadratische Mittelwert (Effektivwert) Zur Berechnung der potentiellen Energie E.Pot=k.F∙(x²/2) einer Feder muss ihre Verformung s zuerst quadriert und halbiert werden. Danach folgt die Mittelung, z.B. durch eine Verzögerung 2. Ordnung. Das zeigen die folgende Struktur Abb. 2-29 und Abb. 2-28: Abb. 2-28 Bildung des quadratischen Mittelwerts einer Sinusschwingung

Zeit t/s

Abb. 2-29 zeigt die Struktur, mit der Abb. 2-28 erzeugt wurde: s/m

(s/m)²

Mittel(s²) PT2

f0 1 Hz A 1

K 1 T 1 s d 0,5

Abb. 2-29 Struktur zur Bildung des quadratischen Mittelwerts = Effektivwert

Im folgenden Punkt wird die kinetische Energie als Funktion der Relativgeschwindigkeit v berechnet. Sie ist proportional zum Mittelwert v²/2 der quadrierten Geschwindigkeit. Die Rechnung ist analog zu der des Weges s.

384

Mechanische Dynamik

2.1.6

Arbeit und Leistung

Maschinen wandeln Energie E in einer vorhandenen Form (z.B. thermisch) in eine benötigte Form (z.B. mechanisch) um. Dabei verrichten sie Arbeit W=P∙t durch Leistung P im Laufe der Zeit t. Mechanische Arbeit W W = F∙s wird verrichtet, wenn eine Kraft F ihren Angriffspunkt um den Weg s verschiebt. Dabei müssen F und s die gleiche Richtung haben. Gl. 2-4 mechanische Arbeit

Hubenergie entsteht durch die Gewichtskraft F.G=m∙g und die Höhe h über einem frei wählbaren Bezugspunkt (h=0): Gl. 2-5

Hubenergie

Energie E ist gespeicherte Arbeit. Sie ist auch die Fähigkeit zur Verrichtung von Arbeit W=F∙s (in Joule J=Nm). Arbeit entsteht durch Leistung und Zeit: W=P∙Δt. Leistung ist Kraft mal Geschwindigkeit P=F∙v. Arbeit W=F∙x wird verrichtet, wenn eine Kraft F ihren Angriffspunkt um den Weg x verschiebt. Je schneller das passiert, desto größer ist die … mit der Geschwindigkeit v=dx/dt.

P=dW/dx=F∙v

Gl. 2-10 Leistung

Die Leistung P=dW/dt=F∙v gibt an, wie schnell Arbeit verrichtet wird. Sie bestimmt den Nutzen von Maschinen.  Die Nennleistung bestimmt die Größe einer Maschine. Je kleiner (kompakter) sie ist, desto größer wird die Leistungsdichte P.Nen/Masse oder P.Nen/Volumen und damit auch der thermische Stress des Materials.  Die Arbeit bestimmt die Betriebskosten und den Ertrag einer Maschine. Um die damit verbundenen Kosten berechnen zu können, müssen drei Formen der Energie bekannt sein: Leistung P ist der Fluss von Energie: P=dW/dt (in Watt W=Nm/s). Sie ist die Geschwindigkeit des Energieumsatzes. Sie ist z.B. in der industriellen Produktion besonders wichtig, denn sie bestimmt den Verdienst. 1

v/(m/s)

W/Nm F/N 1

P/W

D

P/W

x/m

D

Abb. 2-30 Zwei gleichwertige Möglichkeiten zur Berechnung der Leistung: oben über Kraft und Geschwindigkeit, unten über die differenzierte Arbeit

Translation

385

Maschinelle Arbeit und Leistung Strom mal Zeit ergibt eine Wärmemenge Q oder Arbeit W = Energieänderung ΔE. Sie ändert den Zustand eines Systems: 1. 2. 3. 4.

translatorisch: Mit der Kraft F und der Geschwindigkeit v wird P.trans=F∙v Geschwindigkeit v∙Δt Das ergibt die Wegänderung Δs → W.trans=F∙s. rotatorisch: P.rot=M∙Ω Winkelgeschwindigkeit Ω∙ Δt ergibt eine Winkeländerung Δφ → W.rot=M∙ Δφ. elektrisch: Pel=U∙I Strom i ∙ Δt ergibt eine Ladungsänderung Δq→ W.el=u∙q. thermisch: Thermische Leistung P.th ist der Wärmefluss dQ/dt selbst. P.th=R.th∙ Δt kann direkt gemessen werden und braucht nicht in einen statischen und einen dynamischen Faktor aufgespalten zu werden: ΔQ =P.th∙Δt.

Lineare und rotierende Bewegungen werden analog behandelt. Nur die Variablen und Konstanten sind verschieden. Beispiele dazu folgen in Abschnitt 2.4 Rotation. Maschinen werden umso größer und teurer, je höher ihre Nennleistung P.Nen ist. Deshalb muss die benötigte Leistung berechnet werden. Die mechanische Leistung P=dW/dt ist umso größer, je höher die Geschwindigkeit v=ds/dt der Kraftverschiebung ist: Gl. 2-10 mechanische Leistung

Leistung, Arbeit und Impuls Maschinen werden umso größer und teurer, je höher ihre Nennleistung P.Nen ist. Deshalb muss die benötigte Leistung berechnet werden. Die folgende Abb. 2-31 symbolisiert die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Impuls: d/dt

P/W

D

1

Leistung

Arbeit W/Nm

v/(m/s)

Impuls

2

Masse m/kg f0 0,3 Hz A 1

1

d/dr

Kraft F/N

p/N*s

D

Impuls p/(N*s)

I Reset

örtliche Änderung

Hold

Ti 1 s

Abb. 2-31 Arbeit, Leistung und Impuls: So wird aus Kraft F und Geschwindigkeit v Arbeit W, Impuls p und Leistung P.

386

Mechanische Dynamik

Messung der mechanischen Leistung Die folgende Abb. 2-32 zeigt die Messung des Zusammenhangs zwischen mechanischer und elektrischer Arbeit und Leistung:

Quelle: http://www.maschinenbau-wissen.de/skript3/mechanik/kinetik/296-arbeit Abb. 2-32 Leistungsmessung: Ein Motor wandelt die potentielle Energie eines Gewichts in elektrische Leistung mal Zeit um. Im verlustfreien Fall gilt: P.mech=F˖v => P.el = U∙I

Abb. 2-33 zeigt den linearen Anstieg der Arbeit bei konstanter Leistung:

Zeit t/s Abb. 2-43Abb. 2-33 Die Größe von Maschinen bestimmt ihre bereitgestellte Nennleistung und diese wiederum die Anschaffungskosten. Sie sollen nicht größer als nötig sein.

Zur Versorgung von Fabriken, Büros und Haushalten muss Energie über weite Strecken übertagen werden, z.B. die Windenergie von der Nordsee bis Bayern. Besonders verlustarm gelingt dies durch Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Das haben wir in Teil 1 von Bd. 2, Kap. 3.3, gezeigt.

Translation

2.1.7

387

Mechanische Reibung und Erwärmung

Reibungswärme entsteht, wenn in Kontakt stehende Materialien unterschiedliche Geschwindigkeiten haben. Dann übertragen die Elektronen der Atomhülle die Bewegungsenergie auf ihren Kern, der sie durch Schwigungen speichert. Die Atomkerne bestimmen das Gewicht thermischer Energiespeicher. Die Elektronen bestimmen die thermische und elektrische Leitfähigkeit von Materialien. Quelle: http://www.weltderphysik.de/gebiet/stoffe/news/2015/reibung-atomgenau-betrachtet/ Abb. 2-34 Atomare Erklärung der Reibungswärme: Die kinetische Energie der Leitungs(Valenz-)elektronen erzeugt Schwingungen der Atomkerne.

Reibung erzeugt Wärme, die bei niedrigen Temperaturen technisch nicht mehr genutzt werden kann und dann als Verlust bezeichnet wird. Reibung führt zur Erwärmung und Verlangsamung der Relativgeschwindigkeit. Das kann erwünscht oder unerwünscht sein:  Unerwünscht ist Reibung z.B. in Uhren, die ihren Takt aus den Schwingungen eines Oszillators erzeugen.  Erwünscht ist Reibung bei der Dämpfung von Regelschwingungen. Zu unterscheiden ist Haftreibung (statische Reibung) und Gleitreibung (dynamische Reibung, auch Flüssigkeitsreibung oder Rollreibung genannt). Bekanntlich werden Kugellager (Abb. 2-35) dazu verwendet, um Haft- und Gleitreibung zu minimieren. Abb. 2-35 Kugellager

Haftreibung bewirkt, dass antriebslose Fahrzeuge beim Auslaufen zum Stillstand kommen. Haftreibungskräfte sind gewichtsproportional F.HR~G=m∙g. Ein einführendes Beispiel zum Thema Reibung finden Sie in Bd. 1/7, Kap. 1.6.8 ‚Motor mit Haftreibung‘. Gleitreibungen sind geschwindigkeitsund drehzahlproportional:

M.A

Drehmoment

F.R ~ v ~ n.

M.HR

Haftreibung

Eine technische Nutzung der Gleitreibung ist der Stoßdämpfer. Wir simulieren ihn unter 2.2.7. Abb. 2-36 Die Haftreibung wirkt nur beim Anlauf. Im Betrieb ist sie gegen die Roll(=Gleit)reibung vernachlässigbar.

Motor mit Haftreibung

Gleitreibung~n

c.R;int

Om~n

Anmerkung: Die Begriffe Haft-, Gleit- und Rollreibung werden nicht einheitlich verwendet. Der Autor benutzt sie wie oben beschrieben.

388

Mechanische Dynamik

Gleitreibungskräfte sind geschwindigkeitsproportional: F.R~v. Zu ihrer Berechnung muss eine Reibungskonstante k.R=F.R/v in Ns/m bestimmt werden. Bei bewegten Fahrzeugen wirken nur Gleitreibungskräfte. Wir werden zeigen, dass nur diese und nicht die Haftreibungskräfte Schwingungen bedämpfen. Haftreibungskräfte spielen nur bei Bewegungen aus dem Stand eine Rolle. Ein Beispiel dazu finden Sie in Bd. 1/7, Kap. 1.6.8 ‚Motor mit Haftreibung‘. Reibungskräfte bei laminarer und turbulenter Strömung Bei strömenden Flüssigkeiten und Gasen kann laminare oder turbulente Strömung vorliegen.  Laminare Strömung verläuft fadenförmig. Dann steigt die Reibung geschwindigkeitsproportional an: F.lam~v.  Bei turbulenter Strömung (Wirbelbildung) steigt die Reibungskraft quadratisch mit der Geschwindigkeit an: F.tur~v². Abb. 2-37 zeigt die Verläufe laminarer und turbulenter Kräfte als Funktion der Geschwindigkeit. Sie werden nach Gl. 2-11 und Gl. 2-12 berechnet: Gl. 2-11 laminare Reibungskraft

Gl. 2-12 turbulente Reibungskraft

⁄ … mit der Dichte ρ des reibenden Mediums, dem Widerstandsquerschnitt A und einem formabhängigen Strömungsbeiwert c.w (Tab. 2-2). Abb. 2-37 Die Reibungskraft bei laminarer und turbulenter Strömung in Rohrleitungen: Zuerst steigt sie linear mit der Geschwindigkeit v an, später quadratisch. An der Laminaritätsgernze v.gr sind beide Anteile gleich groß.

Reibungskraft und Staudruck Abb. 2-38 zeigt, wie die Reibung durch ein Staurohr zur Messung von Strömungsgeschwindigkeiten genutzt werden kann. Gl. 2-13

Staudruck

(

⁄ )

ρ = Dichte des strömenden Materials – bei Gasen druckabhängig c.w = formabhängiger Strömungsbeiwert Stromlinienform: c.w≈0,9 (meist größer), siehe Abschn. 2.6.3.5 und Tab. 2-2 Abb. 2-38 Messung des Staudrucks durch ein Prandtlsches Staurohr: Hat es eine Geschwindigkeit v, so entsteht im Innern ein Unterdruck, der den Pegel der Messflüssigkeit proportional verschiebt.

Translation

389

Wenn Staurohre in Flugzeugen verwendet werden, besteht die Gefahr der Vereisung. Drucksensoren und ihre Anwendungen werden in Bd. 6/7 simuliert. Zur Berechnung von Staudrücken nach Gl. 2-13 werden formabhängige Luftwiderstandsbeiwerte (c.w-Werte) benötigt. Tab. 2-2 zeigt häufig benötigte c.w-Werte. Dazu wird auch die Dichte ρ des strömenden Mediums benötigt. Tab. 2-3 zeigt dazu typische Beispiele. Berechnung von Luftwiderstandsbeiwerten

Tab. 2-2 Strömungsbeiwert c.w

Tab. 2-3 zeigt die Dichten wichtiger Gase und Flüssigkeiten

Abb. 2-39 berechnet den Staudruck nach Gl. 2-13 als Funktion der Geschwindigkeit v: rho.Gas/(g/lit)

F.tur/N

0,18

k.R/Ns

1

F.lam/N

2

1

v/(m/s)

p.Stau/kPa

K 0,001

(v/(m/s)²/2

p.Stau /mbar F/rho K 100

A 1 s-1 K 0,278

c.w 0,33

K 0,5

v/(km/h) A.Rbg/m²

Reibung X1

X3

Y1

Y3

X2 Y2

A/m² 3

Abb. 2-39 zeigt, dass der Staudruck mit dem Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit ansteigt. Das bedeutet, dass die Empfindlichkeit dp/dv des Messgeräts anfangs null ist und linear mit der Geschwindigkeit ansteigt.

390

Mechanische Dynamik

Reibungsarbeit und -leistung Dynamisch, d.h. bei bewegten Fahrzeugen, spielt die Haftreibung keine Rolle. Deshalb können wir sie bei den folgenden Simulationen vernachlässigen. Die Berechnung der linearen (laminaren) Reibungskraft erfolgt mittels einer individuell zu bestimmenden Reibungskonstante k.lam. Lineare Reibungskonstanten haben die Einheit Ns/m. Bremsen erzeugen Reibungsleistung. Je größer sie sind, desto größer sind k.R und ihre Nennleistung:

Gl. 2-11 laminare Reibung

Gl. 2-14 Leistung bei linearer Reibung

In Gl. 2-14 ist v²/2 der Mittelwert der Geschwindigkeit v(t). Der Faktor 1/2 entsteht durch die Integration (siehe Bd 1/7, Abschn. 1.3.3). ∫ Der Abrieb einer Bremse ist proportional zur Reibungsarbeit. Mit dem Anfangswert W.0 (durch den vorangegangenen Abrieb) wird die Reibungsarbeit (Abb. 2-41):

/2

∫ Abb. 2-40 Reibungskraft und -leistung als Funktion der Relativgeschwindigkeit v für W.0=0

Technisch genutzt wird die Reibungsarbeit in Stoßdämpfern. Wir simulieren ihre Funktion in Abschnitt 2.2.6. Abb. 2-41 zeigt die Berechnung der Reibungsleistung und -arbeit, z.B.für einen Stoßdämpfer: Reibung

v.0/(m/s)

v

2

dv/(m/s)

X1

X3

Y1

Y3

W.Rbg/Ws

X2 Y2

P.Rbg/W

v/(m/s)

dW.Rbg/Ws I

A 1 s-1

F.R ~v

F.R/N

Reset

k.R/(N*s/m)

Hold

1

M.R/N*cm r/cm

W.0/Ws 2,7

10

Abb. 2-41 Die Reibungsarbeit W.Rbg ist das zeitliche Integral der Reibungsleistung P.Rbg.

Translation

391

Berechnung von Arbeitskosten Die Struktur der Abb. 2-42 zeigt die Berechnung von Reibungsarbeit und -leistung als Funktion der Geschwindigkeit v, mit der sich ein Körper bewegt. Das Schema ist auf ganze Produktionen anwendbar. Abb. 2-42 zeigt es für ein mechanisches System:

Abb. 2-42 die Parameter einer Maschine als Funktion der Arbeits-Geschwindigkeit v

Die Betriebskosten steigen mit der geleisteten Arbeit, d.h. mit der Zeit, die die Maschine läuft.

Zeit t/s Abb. 2-43 Leistung und Arbeit einer mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Masse als Funktion der Zeit

392

Mechanische Dynamik

Verlustleistung und Erwärmung Das Thema Wärmetechnik behandeln wir in Band 7/7 Kapitel 13, unter den Aspekten Wärmeleitung, Wärmespeicherung und Wärmestrahlung. Hier verwenden wir Ausschnitte daraus, die für die folgenden Motorsimulationen benötigt werden. Maschinen erwärmen sich um so stärker, je höher ihre Verlustleistung P.Verl=η∙P.Nen ist (mit dem Wirkungsgrad η, siehe Tab. 2-4) und um so kleiner sie sind: Gl. 2-15 Temperaturanstieg ΔT in K(elvin) = R.th∙P.Verl – in K(elvin)

Das Kelvin ist das Maß für absolute Temperaturen. Es ist auch die Intervalleinheit der Celsius-Skala. In Tab. 2-4 wird eine Auswahl von Maschinen mit ihren typischen Wirkungsgraden η und Leistungsdichten angegeben. Näheres dazu folgt im nächsten Abschnitt. Tab. 2-4 Beispiele für mechanische Wirkungsgrade η

Thermische Widerstände und -Leitwerte Proportionalitätsfaktor in Gl. 2-15 ist der ⁄

Gl. 2-16 thermische Widerstand

Gl. 2-16 ist das Ohm’sche Gesetz der Wärmetechnik. Mit R.th wird die Erwärmumg durch Verlustleistungen berechnet. Das zeigt Abb. 2-44. Abb. 2-44 Zur Erwärmungs-Simulation wird der thermische Widerstand R.th benötigt.

Heizung P.Hzg/kW

– in K/W Kühlkörper Erwärmung/K

Delta T.KK/K

PT1

f0 0,1 Hz A 1 OS 1

R.th 2 K/kW T.th 0,5 min

Der Kehrwert der thermischen Widerstands R.th ist der Gl. 2-17

thermische Leitwert

G.th=1/R.th in W/K

Mit G.th werden Verlustleistungen P.Verl = ΔT/R.th = ΔT∙G.th für gemessene Erwärmungen ΔT berechnet. Je größer die Oberfläche einer Maschine oder eines Kühlkörpers, desto größer ist G.th und desto kleiner wird R.th zur Umgebung. Im Weltraum geht R.th gegen unendlich. Dann wirkt nur noch die Abstrahlung kühlend. Strahlungsleistungen steigen mit der vierten Potenz (!) der absoluten Temperatur. Wir berechnen sie in Bd. 7/7, Kap. 13.4. Bei den in 2.6 berechneten Verbrennungsmotoren mit Verbrennungstemperaturen unter 800°C spielt sie gegenüber der Wämeleitung über den Kühler nur eine geringe Rolle.

Translation

393

Ermittlung der Nenndaten Die Nennleistung P.Nen eines Motors ist erreicht, wenn ein Parameter eine zulässige Grenze erreicht, z.B. die Temperatur T, die Stromdichte oder die Isolations-feldstärke. Die thermische Berechnung von Motoren folgt in Bd. 4/7. Sie hat zum Ziel, die Baugröße zu minimieren. Das Maß dafür ist die Leistungsdichte P.Nen/Vol. Kühlkörper und ihre thermischen Widerstände R.th Kühlkörper vergrößern die Oberfläche einer Wärmequelle (z.B. des Kühlwassers eines Motors) und damit die Nennleistung. Gl. 2-18

Erwärmung durch Verlustleistung

Abb. 2-45 Passive Kühlung mittels Kühlkörper: Sein Nutzen P.Zul wird mit steigender Umgebungstemperatur immer geringer.

Die thermische ZeitkonstanteT.th Thermische Zeitkonstanten beschreiben die Langsamkeit von Temperaturänderungen ΔT(t). T.th wird umso größer, je größer die Speicherkapazität C.th~Volumen und je größer R.th ist. Abb. 2-46 zeigt einen thermischen Einschaltvorgang: Abb. 2-46 Thermische Verzögerung: Zur Ermittlung der thermischen Zeitkonstante wird der Schnittpunkt der Anfangstangente mit dem Endwert bestimmt.

T.th

Zeit t/min

Die Berechnung thermischer Zeitkonstanten ist analog zur Berechnung elektrischer und mechanischer Zeitkonstanten. Gl. 2-19 berechnet die thermische Zeitkonstante aus dem thermischen Widerstand R.th (in K/W) und der thermischen Kapazität C.th (s∙W/K): Gl. 2-19 thermische Zeitkonstante

T.th=C.th∙R.th in s, min oder h

Wie thermische Kapazitäten C.th vom Material und seinen Abmessungen abhängen, zeigen wir auch in Bd. 7/7, Kap. 13.4. Hier genügt es zunächst, wenn Sie wissen, wie thermische Widerstände und Zeitkonstanten aus einer Sprungantwort wie der von Abb. 2-46 durch Anlegen einer Anfangstangente bestimmt werden.

394

Mechanische Dynamik

2.1.8

Der mechanische Wirkungsgrad

Der Wirkungsgrad ist die auf die Nennleistung bezogene Verlustleistung: Gl. 2-20

Wirkungsgrad, Definition

P.zu

P.ab



P.Verl Nach dieser Vorschrift wird η gemessen und von Herstellern für die Nennleistung Abb. 2-47 Die Aufteilung der zugeführten Leistung in Nutz- und Verlustleistung ihrer Maschinen angegeben. Maschinen wandeln die zugeführte Leistung P.zu nur zum Teil in Nutzleistung P.ab um (Abb. 2-47). Die Verlustleistung P.V = P.zu - P.ab erwärmt eine Maschine. Das ist unerwünscht. Der Wirkungsgrad η ist das Maß dafür, wie gut die Energiewandlung eines Wandlers ist. Abb. 2-48 zeigt drei Beispiele für Wirkungsgrade:

Quelle: Hochschule Osnabrück http://slideplayer.de/slide/878893/ Abb. 2-48 typische Wirkungsgrade: mechanisch – elektrisch - hydraulisch

Die Umwandlung von Wärme in höherwertige Energie durch Maschinen (Motoren in Bd. 4/7, Kühlschrank in Bd. 7/7) ist immer mit Wärmeverlusten verbunden. Je geringer sie sind, desto dichter liegt der Wirkungsgrad η bei 1. Das ist das Ziel technischer Entwicklungen. Wie gut es erreicht werden kann, soll hier durch die Berechnung der Verluste gezeigt werden. 

In der ‚Simulierten Regelungstechnik‘ wird der Wirkungsgrad von Dampfmaschinen berechnet. Er konnte von James Watt Anfang des 19. Jahrhunderts durch einen externen, gekühlten Kondensator von unter 1% auf fast 3% gesteigert werden. Zuletzt wurden Wirkungsgrade um 20% erreicht.

Translation



395

In Bd. 4/7 werden die Wirkungsgrade elektrischer Maschinen und Transformatoren berechnet. Je höher sie sind, desto geringer ist die Erwärmung und desto höher wird die Lebensdauer von Energiewandlern. In Abschn. 2.6.3.3 dieses Bandes wird der Benzinverbrauch von Verbrennungsmotoren berechnet. Auch dabei spielt der Wirkungsgrad eine entscheidende Rolle.



Mechanische Verlustleistung entsteht durch Reibung. Dazu zeigt Abb. 2-49 die Wirkungsgrade thermischer Energiewandler:

Quelle: http://www.udo-leuschner.de/basiswissen/SB105-01.htm Abb. 2-49 gibt eine Übersicht über die Wirkungsgrade thermischer Maschinen. Der Carnot’sche Wirkungsgrad ist ein theoretischer Maximalwert, der nur bei fehlender Reibung erreicht wird.

Wirkungsgrad und Erwärmung Ist η bekannt, kann die Verlustleistung einer Maschine ΔT=P.Verl/R.th nach Gl. 2-21 berechnet werden. ( ) Daraus folgt ihre Erwärmung ΔT=R.th∙P.Verl (siehe Abschn. 2.6.3.5). Zu ihrer Berechnung muss der thermische Widerstand R.th bekannt sein. Auch er wird in Datenblättern angegeben. Mit etwas Erfahrung kann R.th in Abb. 2-50 auch aus der Baugröße (Nennleistung, Volumen, Oberfläche) einer Maschine und ihrer Erwärmung abgeschätzt werden. Gl. 2-21 Verlustleistung aus η

P.Nen/kW

P.Verl/KW

Deta T.Nen/K

100

T.Mot/°C

K 0,01

eta/%

Bezug/%

R.th/(K/KW)

T.Umg/°C

25

100

0,8

30

Abb. 2-50 Berechnung der Verlustleistung und der durch sie entstehenden Erwärmung mittels thermischem Widerstand R.th

396

Mechanische Dynamik

Der Wirkungsgad thermischer Wandler wie z.B.:  Kältemaschinen  Wärmepumpen  Verbrennungsmotoren Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/CarnotProzess Abb. 2-51 Thermodynamische Maschinen können zur Kraft-, Kälte- und Wärmeerzeugung verwendet werden.

Der Carnot’sche Wirkungsgrad (η.C=η.max) Der Carnot-Wirkungsgrad ist der höchste theoretisch mögliche Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Wärmeenergie in mechanische Energie. Sein Name leitet sich ab vom Carnot-Prozess, einem vom französischen Physiker Nicolas Léonard Sadi Carnot erdachten idealen Kreisprozess. Er muss immer kleiner als 1 sein, da eine Maschine nicht nur Wärme aufnimmt, sondern einen Teil davon ungenutzt ableitet und abstrahlt. Die Wirkungsgrade realer Maschinen sind immer kleiner als η.C. Zu deren Berechnung müssen die jeweiligen Verluste berechnet werden. Das soll im nächsten Abschnitt am Beispiel des Verbrennungsmotors gezeigt werden. Berechnung des Carnot’schen Wirkungsgrads Thermische Systeme emittieren Strahlung, wenn sie heißer als ihre Umgebung sind und absorbieren Strahlung, wenn sie kälter als ihre Umgebung sind. Die Leistung thermischer Wandler ist umso größer, je größer ihr Temperaturgefälle ist. Der Carnot’sche Wirkungsgrad ist umso höher, je größer die höchste Prozesstemperatur T.h gegen die niedrigste T.n ist. Das beschreibt der Gl. 2-22 Carnot’sche Wirkungsgrad

Abb. 2-52 Der Carnot’sche Wirkungsgrad als Funktion der maximalen Temperatur

°C K

In der Praxis entweicht von der hohen Temperatur immer ein Teil an die Umgebung und die untere Prozesstemperatur bleibt immer höher als die Umgebungstemperatur.

Translation

397

Der Unterschied eines erreichten Wirkungsgrads zum Carnot’schen lässt das noch vorhandene Entwicklungspotential bei einem Maschinentyp erkennen. Die Systemanalyse muss zeigen, wo die Verlustquellen sind und wie sie am Einfachsten minimiert werden. Abb. 2-53 zeigt die Berechnung des Carnot’schen Wirkungsgrads nach Gl. 2-22. Technisch werden je nach Kreisprozess Werte von über zwei Drittel des CarnotWirkungsgrades erreicht. T.kalt/°C

T.kalt/K

90

T.kalt/T.heiß 1 2

T.0/K 273

T.heiß/°C

eta.max/% K 100

Konstante T.heiß/K

1

600

Abb. 2-53 Berechnung des theoretisch möglichen Wirkungsgrades thermischer Maschinen nach Carnot

Im Folgenden werden wir uns mit der Simulation mechanischer Maschinen befassen. Die hier behandelten Verbrennungsmotoren haben infolge Reibungsverlusten wesentlich kleinere Wirkungsgrade als η.max. Ausblick Simuliert werden sollen einfache mechanische Anordnungen aus Massen, Federn und Dämpfern, wie sie zum Aufbau komplexer Maschinen benötigt werden. Berechnet werden sollen deren Funktion und ihre technischen Daten (Zeitkonstanten, Dämpfung). Sind die Zusammenhänge zwischen den Bauelementen eines Systems und seinen Eigenschaften bekannt, können die Bauelemente so dimensioniert werden, dass geforderte Systemeigenschaften (z.B. die Leistung) geplant werden können. Wir beginnen das Thema Energie und Leistung mit der Erläuterung dynamischer Bauelemente und den Gesetzen, denen sie folgen:  Massen, Federn, Dämpfer  mechanische Oszillatoren aus Massen, Federn und Dämpfern Danach folgt ihre Anwendung:  Transmissionsantrieb  Kreisel  Verbrennungsmotoren Beim Verbrennungsmotor werden die vorher erklärten Gesetze der Statik und Dynamik von Translation und Rotation angewendet. Mechanische Systeme sind bis auf die Haftreibung, die nur beim Anlauf von Maschinen eine Rolle spielt, analog zu den vorher behandelten elektrischen Systemen (z.B. elektrische und mechanische Oszillatoren).

398

2.2

Mechanische Dynamik

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

Passive mechanische Systeme bestehen aus Federn (statische Speicher), Massen (dynamische Speicher) und Dämpfern (Reibungserzeuger, Abb. 2-55).

Beschleunigung a Geschwindigkeit v Weg s oder x

Quelle: Clipart Fiat Panda – gemeinfrei Abb. 2-54 Das Auto ist ein System aus Massen, Federn und Dämpfern. Gezeigt werden soll, wie seine Oszillationen dynamisch optimiert werden.

Das Zeitverhalten dynamischer Systeme entsteht durch das Zusammenspiel von Speichern und Verbrauchern. Um es nach eigenen Wünschen gestalten zu können, müssen mechanische Zeitkonstanten aus den Parametern der Bauelemente berechnet werden. Wie, wird nun gezeigt. Zu unterscheiden sind statische Speicher aus Feder und Dämpfer und dynamische Speicher aus Massen und Dämpfer.

http://www.clipartpanda.com/categories/family-car-clipart Abb. 2-55 Linearer Dämpfer, Schraubenfeder und das Auto als Mischsystem aus rotierenden Massen (im Motor, Getriebe und den Rädern) und linear bewegten Massen (Chassis und Karosserie)

Die Anzahl der ein System bildenden (entkoppelten) Speicher kennzeichnet die Ordnung eines Systems. Systeme 0.Ordnung ohne Speicher gibt es nur theoretisch. Systeme mit einem Dämpfer und einer Masse oder Feder sind von 1. Ordnung, Systeme mit Masse, Feder und Dämpfer sind von 2. Ordnung. Da diese Systeme allgemein von Bedeutung sind, werden sie nun mit Methoden untersucht, die ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung (Frequenzgang, Bode-Diagramm) sind.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

2.2.1

399

Federn (Speicher potentieller Energie)

Abb. 2-56: Federkräfte: F.F=k.F∙x sind der Auslenkung x proportional. Konstant ist das Verhältnis aus Federkraft und Auslenkung, genannt Federkonstante k.F=F.F/x – in N/m. k.F beschreibt die Härte einer Feder.

Abb. 2-56 Federkennlinien: Ihre Steigung ist die Federkonstante.

Anwendung: Federwaage als Kraftmesser (Abb. 2-57)

Quelle: PRESOLA https://www.pesola.com/d/profil/ Abb. 2-57 Federwaage zur Messung von Kräften: Kraft ~ Auslenkung

Federn speichern Energie der Lage (potentielle Energie): Gl. 2-23 potentielle Energie einer Feder E.pot = (k.F/2)∙x²

Potentielle Energien werden mit der mittleren Federkonstante k.F/2 zum quadrierten Weg x² berechnet. Durch den Faktor ½ wird die Federkraft über den Weg x gemittelt.

400

Mechanische Dynamik

Mechanische Materialkonstanten Bisher war nur von äußeren Kräften die Rede. Sie machen keine Aussage über die Belastung des Materials, das sie aushalten muss, den Stress. Ein Maß für den Stress des Materials ist die mechanische Spannung (Druck bzw. Zug), die sich aus der relativen Dehnung ergibt. Abb. 2-59 zeigt die Zusammenhänge:

Dehnung = L/L.0

Fläche A Kraft F L

Länge L.0 Abb. 2-58 Kraft und Dehnung bei elastischem Material

Abb. 2-59 zeigt die Berechnung der Federkraft als Funktion der Dehnung (Hook’sches Gesetz für elastische Verformungen).

Abb. 2-59 Feldgrößen: Elastizitätsmodul und Federkonstante

Elastizitäts(E)- und Kompressions(K)-Modul Zur Beschreibung der Federeigenschaft eines festen oder flüssigen Materials wird das Verhältnis aus mechanischer Spannung =F/A und Dehnung =dl/l.0 angegeben. Es heißt bei Festkörpern Elastizitätsmodul E und bei Flüssigkeiten Kompressionsmodul K: Berechnung:

E.Mod = K.Mod = /  - in N/m²

Anmerkung zum Begriff ‚Modul‘: In der Technik werden austauschbare Bauteile als ‚Modul‘ bezeichnet. Dass der Begriff in der Mechanik für Materialeigenschaften verwendet wird, ist vermutlich nur historisch zu erklären.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

401

Tab. 2-5 E-Module gebräuchlicher Materialien

Abb. 2-60 zeigt die Berechnung einer Federkonstante mittels Elastizitäts(E)-Modul: dL/mm

F.F/kN

1

E.Modul/GPa

k.F/(kN/mm)

1

A/cm² k.geo/mm

10

1

L.0/cm

2

20

K 10

Abb. 2-60 Berechnung von Federkraft und Federkonstante

Tab. 2-6 Elastizitäts- und Kompressionsmodule von Festkörpern, Wasser und Gasen bei Umgebungstemperatur

Zur dynamischen Berechnung eines Gegenstandes aus dem Material mit dem Elastizitätsmodul E.Mod oder dem Kompressionsmodul K.Mod wird die Federkonstante k.F=F/x benötigt. k.F hängt außer von E.Mod oder K.Mod vom Querschnitt A und der Länge l des Materials ab: Gl. 2-24 Federkonstante und E-Modul

k.F = (E.Mod oder K.Mod) ∙ A/l – in N/m

E.Mod und K.Mod bestimmen, zusammen mit der Materialdichte , die Schallgeschwindigkeit v.S in festen und flüssigen Materialien: √(

)⁄ - in m/s

In Gasen ist die Dichte  dem Druck p proportional. In ihnen steigt die Schallgeschwindigkeit nur mit der Wurzel aus der absoluten Temperatur an: √ .

402

Mechanische Dynamik

2.2.2

Massen (Speicher kinetischer Energie)

Masse ist kondensierte Strahlung. Sie ist kurz nach dem Urknall vor ca. 13,7 Mrd. Jahren entstanden, als sich das Universum explosionsartig ausdehnte und abkühlte. Umgekehrt wird in Sonnen Masse wieder in Strahlung umgewandelt. Die Quantitäten regelt Einsteins berühmte Formel von 1905: E=m.c². Weil c so groß ist, sind riesige Mengen von Strahlungsenergie nötig, um die Gesamtmasse des Universums zu erzeugen. Die physikalische Masseneinheit ist das kg. Es ist durch 1Liter (kurz lit) Wasser definiert. Aus F=m·a folgt die Krafteinheit N=kg∙m/s². Träge und schwere Massen sind gleich. Wird ein kg mit 1m/s² beschleunigt, erzeugt es eine Trägheitskraft F.T∙m∙a von 1N. Eine 100g-Tafel Schokolade wiegt auf der Erde 1N. Abb. 2-61 Interstellare Masse formiert sich zu einer Spiralgalaxie, z.B. wie die Milchstraße, in der auch unsere Sonne rotiert. Der Zusammenhalt entsteht durch Gravitationskräfte.

Weitere Masseneinheiten 1. für technische Massen: 1kg ist die Masse von 1 lit Wasser bei 0°C. 2. für atomare Massen: die atomare Masseneinheit u(Wasserstoff)≈1,7∙10-27kg 3. für kosmische Massen: eine Sonnenmasse m(Sonne) ≈ 2∙1030kg

m.e

m.P

m.N

Abb. 2-62 links: Massen von Proton, Neutron und Elektron - rechts: Die Titanic hatte eine Masse von ca. 50kto (meist Eisen). Der Zusammenhalt entsteht allein durch elektrostatische Kräfte.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

Massen m haben zwei Eigenschaften: 1. Sie erzeugen bei Beschleunigung a Trägheitskräfte F.T=m.T∙a. Darin ist m.T die träge Masse.

403

E.kin/Nm

Daraus folgt: Massen m speichern Bewegungsenergie (Abb. 2-63): Gl. 2-9 kin. Energie

v/(m/s)

E.kin = (m/2)∙v²

Kinetische Energien werden mit der v/(m/s) mittleren Masse m/2 zur quadrierten Geschwindigkeit v² berechnet. Dadurch Abb. 2-63 Geschwindigkeit einer Masse wird die Trägheitskraft über der Geschwin- m=1kg und ihre Bewegungsenergie digkeit v gemittelt. Energie aus der Umwelt zur Versorgung von Kleinverbrauchern: http://www.polyscope.ch/archiv/2015/5/geringerer-wartungsaufwand-a-ha-herebetriebssicherheit_46109/ 2.

Zwei Massen m.1 und m.2 ziehen sich gegenseitig an. Sie spüren die Gewichtskraft F.G~m.1∙m.2. Darin sind m.1 und m.2 die schweren Massen.

Schwere und träge Massen (Abb. 2-65) Zur Berechnung von Gewichtskräften F.G (kurz: Gewicht G) auf der Erde benötigt man außer der Erdmasse m.Erde und dem gemittelten Erdradius r.Erde noch die schwere Masse m.G eines Probekörpers m.Probe und eine universelle Gravitationskonstante G:

Die Gravitationskonstante G wird zu 66,7pN/(kg/m)² angegeben. Der mittlere Erdradius ist r.Erde=6,37Mm (mit M=10 6) → r.Erde²40Tm2 (mit T=1012) Die Erdmasse ist m.Erde6Ykg (mit Y=1024). Damit wird die Erdbeschleunigung g9,81m/s². Die Massenbestimmung erfolgt durch zwei Verfahren: 1. schwere Massen durch Wiegen: Wiegen ist das Vergleichen von Gewichtskräften. Waage: Massenvergleich mit Referenzmassen, z.B. to (Tonne=1000kg), kg, mg Messmittel, z.B. ein Piezo (Bd. 6/7, Kap. 11.2). 2.

träge Massen durch Messung der Beschleunig: F.T=m∙a, z.B.  durch Resonanz bei Schwingungen → Kap. 2.2.8  Messung atomarer Massen mit Massenspektrometern → Bd. 3/7, Kap. 5.8.9  Massenbestimmung bei Himmelskörpern: Das ist ein weites Feld, das den hier gesteckten Rahmen übersteigt: https://media.sodis.de/open/melt/06_Energie.pdf

404

Mechanische Dynamik

Das Einstein’sche Äquivalenzprinzip Die träge Masse m.T zur Berechnung der Trägheitskraft ist nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gleich der schweren Masse m.G (Äquivalenzprinzip). Deshalb braucht zwischen beiden nicht zu unterschieden werden: m.T=m.G. F.T m a F.G g

Abb. 2-64 Satellit: Die Kräfte der schweren und der trägen Masse sind im Gleichgewicht, denn sie sind identisch.

Die folgende Struktur berechnet die Trägheitskraft F.T einer Masse m.T für die Erdbeschleunigung a=g9,81m/s² und die Gewichtskraft F.G für den Fall, dass die schwere Masse m.G und die träge Masse m.T gleich groß sind. Abb. 2-65 zeigt die Berechnung der Trägheitskraft aus der Beschleunigung in deren Richtung und der Gewichtskraft zum Erdmittelpunkt:

Abb. 2-65 Das Äquivalenzprinzip: Berechnung der Trägheitskraft (oben) und der Gewichtskraft (unten): Sie sind gleich, weil die träge und die schwere Masse identisch sind.

Ein Unterschied zwischen schweren und trägen Massem konnte bis heute nicht gemessen werden. Warum beide identisch sind, ist dem Autor unbekannt.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

2.2.3

405

Dämpfer (Energieverbraucher)

Wir kennen potentielle, kinetische und Wärmeenergie. Potentielle und kinetische Energie sind höhere Energiestufen. Sie können sich von allein in Wärmeenergie, die niedrigste Energiestufe, umwandeln. In ca. 20 Mrd. Jahren soll es keine kinetische und potentielle Energie mehr im Univesum geben. Dann ist es den Wärmetod gestorben. Bekanntermaßen kann Energie nicht verbraucht, sondern nur von einer in eine andere Erscheinungsform umgewandelt werden. Die Umwandlung in Restwärme wird Energieverbrauch genannt. Dämpfer erzeugen Wärme durch Reibung. Das kann erwünscht sein, wenn es Einschwingvorgänge optimiert. Das ist unerwünscht, wenn es auf einen guten Wirkungsgrad ankommt. Reibung entsteht durch Moleküle, die durch elektrostatische Kräfte aneinander haften. Zu unterscheiden sind Haft- und Gleitreibung (auch Rollreibung genannt). Haftreibung bewirkt das leichte oder schwere Anfahren einer Maschine. Wie groß sie ist, hängt vom Gewicht der Maschine ab. Im Betrieb verschwindet die Haftreibung nahezu ganz. Dann wirkt nur noch die Gleitreibung. Gleitreibung oder Rollreibung entsteht, wenn aneinander reibende Materialien unterschiedliche Geschwindigkeiten haben. Sie ist im Betrieb wichtig. In Abb. 2-66 wird gezeigt, wie Haft- und lineare Gleitreibungen mit SimApp beim Anfahren simuliert werden: Schritt

PT1

H 1

Rampe

A 0,5 s-1

Geschwindigkeit v

PT1

K 2 T 1 s

Anspr.Schw

 SU 1 SL -1 C 0,1 DU 1 DL -1 Y0 0 K 1

Haft- und Gleit-Reibung

t nur Haft-Reibung nur Gleit-Reibung

Antrieb x.e~t

Abb. 2-66 Simulation der linearen Gleitreibung und der nichtlinearen Haftreibung beim Anfahren eines Fahrzeugs: Beim Anfahren ist die Haftreibung dominant. Sie soll in vielen Fällen null sein und muss individuell bestimmt werden. Im Betrieb (bei Bewegung) wirkt nur noch die Gleitreibung.

Dämpfer erzeugen Reibungskräfte F.R~v, die proportional zur Geschwindigkeit v ihres Stößels sind (Gleitreibung, Abb. 2-68). Dabei verzögern sie den Bewegungsvorgang und erwärmen sich. Das kann wegen der dämpfenden Wirkung erwünscht sein (Stoßdämpfer) oder auch nicht (Rollreibung bei Fahrzeugen).

406

Mechanische Dynamik

Abb. 2-67 zeigt ein Beispiel für erwünschte und unerwünschte Reibung.

Quelle: http://www.stedele.de/atu/index.php/al-ko.html Abb. 2-67 links: Trommelbremse: erwünschte Reibung zur ‚Vernichtung‘ kinetischer Energie - rechts: Vermeidung unerwünschter Reibung durch Kugellager

Die Reibungskonstante k.R=F.R/V in N(m/s)=N∙s/m beschreibt die Stärke eines Dämpfers.

Abb. 2-68 Dämpferkraft und -leistung bei linearer Erhöhung der Geschwindigkeit v

Dämpfer erzeugen Verlustleistung P.R, die sie erwärmt: T=P.R/R.th – mit dem von der Baugröße abhängigen thermischen Widerstand R.th (Kapitel 13 Wärmetechnik). Die Reibungsleistung P.R steigt bei linearer Reibung mit dem Quadrat der Geschwindigkeit v an: Gl. 2-14 Reibungsleistung

P.R=F.R∙v=k.R∙v²/2

Bei turbulenter Reibung, deren Kraft mit v² zunimmt, steigt die Reibungsleistung mit v³ an. Entsprechend stärker ist die Wärmeentwicklung.

Abb. 2-69 Kraft und Geschwindigkeit bei einem masselosen Dämpfer

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

2.2.4

407

Mechanische Serien- und Parallelanordnungen

Bei Simulationen mechanischer Systeme können sich Kräfte oder Geschwindigkeiten überlagern. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie dies in mechanische Anordnungen zu erkennen ist. Zweipole können 1. in Serie (hintereinander = in Reihe = seriell) oder 2. parallel (=gleichzeitig mit identischem Signal) angesteuert werden. Gezeigt werden soll, dass mechanische Serien- und Parallelschaltungen im Gegensatz zu elektrischen schwieriger zu erkennen sind. Deshalb müssen die Kriterien für mechanische Serien- und Parallelschaltungen angegeben werden. Dazu zeigen wir die zu den mechanischen Anordnungen analogen elektrischen Schaltungen. Zur Strukturbildung muss man wissen, was die Unterscheidungskriterien im Mechanischen und im Elektrischen sind. Um die Ähnlichkeit zwischen beiden Systemen erkennen zu können, definieren wir:  

Mechanische Kräfte F entsprechen elektrischen Spannungen u. Mechanische Geschwindigkeiten v entsprechen elektrischen Strömen i.

1. Mechanische Serienschaltungen Mechanische Reihenschaltungen sollen analog zu elektrischen berechnet werden. Die Kriterien für elektrische und mechanische Serien-(=Reihen-)schaltungen sind:  Elektrisch seriell: i Bei gleichem Strom i.e addieren sich die Teilspannungen zur Gesamtspannung.  Mechanisch seriell: Bei gleichen Geschwindigkeiten v.e addieren sich die Einzelkräfte (Abb. 2-70). Zur elektrischen Serienschaltung: Die elektrische Reihenschaltung ist leicht als solche zu erkennen. Bei drei Bauelementen L, R und C ist die Gesamtspannung u.e = u.L+u.R+u.C . Alternativ könnte die elektrische Reihenschaltung auch durch eine Spannung u.e angesteuert und die mechanische Reihenschaltung mit einer Kraft F.e betrieben werden. Dann werden der Strom i, bzw. die Geschwindigkeit v, gesucht. Die dazu gehörenden Strukturen sind Gegenkopplungen, die nach der Gegenkopplungsgleichung Gl. 1-9 zu berechnen sind (Beispiele folgen). Bei Stromsteuerung der elektrischen Reihenschaltung und Geschwindigkeitseinprägung der mechanischen Serienschaltung zeigt sich deren Ähnlichkeit der Strukturen (siehe Bd.1, Kap. 2.1.1 ‚Elektrische Zweipole‘).

408

Mechanische Dynamik

Zur mechanischen Serienschaltung: Mechanische Bauelemente, hier eine Masse m, ein Dämpfer k.R und eine Feder k.F, können auf unterschiedliche Weise angeordnet sein. Die mechanische Anordnung von Abb. 2-70 könnte auch so gezeichnet sein, dass sie wie eine Parallelschaltung aussieht, die elektrische nicht. k.R

Masse

m

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

v.e

F.e

F.R

Dämpfer

F.T

Feder k.F F.F

Abb. 2-70 Bei mechanischen Parallelschaltungen gibt es nur eine gemeinsame Geschwindigkeit. Dann addieren sich alle Teilkräfte zur Gesamtkraft.

Wenn alle Bauelemente starr miteinander verbunden sind, haben sie gleiche Geschwindigkeiten. Dann addieren sich die Spannungen bzw. Kräfte. Das ist das Kriterium für Serienschaltungen bzw. -anordnungen. Gl. 2-25 beschreibt die Gleichheit der Gl. 2-25 Geschwindigkeit in einer mechanischen Serienschaltung

Bei mechanischen Serienschaltungen addieren sich die Trägheitskraft F.T, die Reibungskraft F.R und die Federkraft F.F zur Gesamtkraft F.e. F.e = F.T+F.R+F.F

Gl. 2-26 mechanische Serienschaltung

Abb. 2-71 zeigt die Struktur einer mechanischen Serienschaltung. a

Bei mechanischen Anordnungen ist eine angreifende Kraft F.e oder eine Geschwindigkeit v.e die Ursache der Reaktionskräfte.

F.T

D

P

m 1 kg

F.R

v.e

P

k.R 1 Ns/m

x

F.F I

Der Weg x.e ergibt sich durch Integration der Geschwindigkeit v.e, die Beschleunigung a erhält man durch die Differenzierung von v.e.

P

Reset Hold

F.e

k.F 1 N/m

Abb. 2-71 Kräftesummation in einer mechanischen Serienschaltung

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

409

Abb. 2-72 Motor mit Tacho: Beispiel für eine elektromechanische Serienschaltung Ref: 6V

u.x u.d->0

Last

+

u.w Sollwert

u.w/V 1

Drehzahl-Steuerung und -Messung

- V.P u.A

Regler und Stellverstärker

u.A/V

M k.M

n Motor

n/(rad/s)

V.P 1

R.Gl

T

k.T

Glättung

C.Gl

Tacho

n/(Umd/min)

K 9,55

PT1

P

u.x

u.T M.L

u.T/V

u.x/V PT1

P

k.M 50 (rad/s)/V T.M 1 s

k.T 0,016 V/(rad/s)

V.Gl 1 T.Gl 1 s

G.MT 1 2

Abb. 2-72 Motor mit angeflanschtem Tachogenerator als Beispiel für eine mechanische Serienschaltung: Hier stimmen der mechanische Aufbau und die Struktur überein. Das ist der einfache Fall. Die Simulation dieses Systems finden Sie in Bd.1, Abschn. 1.6. Die Motor-Tacho-Kombination ist eine elektromechanische Serienanordnung. Ihr stationärer Übertragungsfaktor ist das Produkt der Konstanten ihrer Komponenten:

Die Δ-Angaben für Änderungen sind notwendig, weil G nur für den laufenden Betrieb gilt. Beim Anlauf gilt G wegen der Haftreibung nicht. Die Verzögerung der Motor-Tacho-Kombination ist von 2. Ordnung (siehe Abschn. 1.3.8): Motor (P-T1)∙Glättung (P-T1) → P-T2 (stark gedämpft) Zusammenfassung: Serienschaltungen (Abb. 2-73) Gl. 2-27 Zusammenfassung einer Serienschaltung: G.Ser = x.a/x.e = k.1 ∙ k.2 x.e

P P

P

H 10

k.1 10

k.2 5

x.i

P x.a-ser1

Zusammenfassung einer Serien-(=Reihen-) Schaltung x.e

P

H 10

k.1*k.2 50

P

x.a-ser2

Abb. 2-73 Zusammenfassung einer Hintereinanderausführung (=Serienschaltung) durch Multiplikation der Blöcke

410

Mechanische Dynamik

2. Mechanische Parallelschaltung Bei mechanischen Parallelschaltungen stützt sich ein Bauelement auf dem nächsten ab. Dann sind alle Teilkräfte gleich der angreifenden Kraft F.e und die Gesamtgeschwindigkeit ist die Summe der Einzelgeschwindigkeiten. Um zu zeigen, dass mechanische Systeme schwieriger zu identifizieren als elektrische sind, ist in Abb. 2-74 eine mechanische Parallelschaltung so gezeichnet, dass sie wie eine Reihen(=Serien)schaltung aussieht. Dämpfer k.R

~ ~ ~ ~ ~

F.e

Feder

v.D

m

k.F

~ ~

v.e

Masse

v.F

u i.ges

v.m

Abb. 2-74 rechts: eine elektrische Parallelschaltung – links die analoge mechanische Parallelanordnung: Die Kräfte an allen Bauelementen sind gleich, die Einzelgeschwindigkeiten addieren sich.

Wenn sich alle Bauelemente gegenseitig aufeinander abstützen, wirken auf sie gleiche Kräfte. Dann addieren sich Ströme bzw. Geschwindigkeiten. Das ist das Kriterium für Parallelschaltungen bzw. -anordnungen. Die mechanische Anordnung von Abb. 2-74 sieht wie eine Serienschaltung aus, ist es aber nicht. Sie könnte auch so gezeichnet sein, dass sie wie eine Parallelschaltung aussieht. Die elektrische Parallelschaltung kann nicht so gezeichnet werden, dass sie wie eine Serienschaltung aussieht. Deshalb ist die elektrische Identifikation einfacher als die mechanische. Gl. 2-28 beschreibt die Gleichheit der Gl. 2-28 Kräfte einer mechanischen Parallelschaltung

F.T=F.R=F.F=F.e

In Abb. 2-74 entsteht die angreifende Kraft durch die Trägheit der Masse m. Dann addieren sich die Einzelgeschwindigkeiten v.m der Masse m, v.F der Feder k.F und v.R des Dämpfers k.R zur gesamten Eingangsgeschwindigkeit v.e. Gl. 2-29 Gesamtgeschwindigkeit einer mechanischen Parallelschaltung

v.e = v.m + v.D + v.F.

Trägheitskräfte F.T·m·a von Massen m entstehen durch ihre Beschleunigung a. Sie müssen sich nirgends abstützen. Deshalb nennt man sie inertial. Trägheitskräfte lassen sich zur Messung inertialer Geschwindigkeiten verwenden. Die Einzelheiten dazu erfahren Sie in Kap. 2.3 beim Thema ‚Trägheitsnavigation‘.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

411

Abb. 2-75 zeigt die Addition der Einzelgeschwindigkeiten in einer mechanischen Parallelschaltung nach Abb. 2-74: mechanische ParaAbb. 2-75 llelschaltung: Bei gleichen Kräften an allen Bauelementen addieren sich deren Geschwindigkeiten zur Gesamtgeschwindigkeit.

Die Addition der Einzelgeschwindigkeiten v entspricht der Addition der Teilströme i in elektrischen Parallelschaltungen (Abb. 2-74): i.e = i.L +i .R + i.C Zusammenfassung von Parallelschaltungen Bei Parallelschaltung von Konstanten oder Frequenzgängen sind beide Teile zu addieren (Abb. 2-76). Gl. 2-30 Zusammenfassung einer Parallelschaltung:

Zusammenfassung einer Parallelschaltung x.1 x.e

P

k.1 10

x.2

x.a.par

H 10

G.Par = x.a/x.e = k.1 + k.2

P

k.2 5

Abb. 2-76 Zusammenfassung einer Parallelschaltung

x.e

Summe

H 10

(k.1+k.2) 15

P

x.a.par

Die Analogien von Parallelschaltungen  Zur Berechnung von Federkräften F.F=k.F∙vdt muss der Weg x=vdt gebildet werden. Dem entspricht die Kondensatorspannung u.C =L∙di/dt. Zu ihrer Berechnung muss die Ladung q=idt gebildet werden.  Zur Berechnung von Reibungskräften F.R=kR∙v muss die Geschwindigkeit v bekannt sein. Die Berechnung entspricht dem Ohmschen Gesetz der Elektrotechnik: u.R=R·i.  Zur Berechnung von Trägheitskräften F.T=m∙dv/dt muss die Beschleunigung a=dv/dt gebildet werden. Dem entspricht die induzierte Spannung u.L∙di/dt. Zu ihrer Berechnung muss die Ladungsbeschleunigung b=di/dt gebildet werden.

412

Mechanische Dynamik

2.2.5

Mechanische Frequenzgänge

Systemanalyse durch 1. 2.

freie Schwingungen (Sprungantwort) erzwungeneSchwingungen (Frequenzgang)

Die wichtigsten Testsignale zur Untersuchung dynamischer Systeme sind der Sprung für den Zeitbereich und der Sinus für den Frequenzbereich. Der Zeitbereich ist sehr anschaulich, aber meist nur schwer berechenbar. Im Frequenzbereich sind die Messungen schwieriger, dafür ist er aber bei Linearität komplex leichter zu berechnen. Hier sollen beide Bereiche so kombiniert werden, dass mechanische Systeme einfach und anschaulich berechenbar werden. Freie mechanische Schwingungen Nach einer Sprunganregung läuft der Ausgang eines zu untersuchenden Systems kriechend oder schwingend gegen den Endwert (statisch oder stationär). Das ermöglicht die schnelle Beurteilung des Systemcharakters (Tiefpass, Hochpass, Bandpass, erster oder höherer Ordnung). Messungen im Zeitbereich sind nicht besonders genau. Die Berechnung von Sprungantworten ist - außer in einfachen Fällen mit nur einem Speicher (e-Funktionen bei Systemen 1. Ordnung) - so kompliziert, dass sie meist unterbleibt. Abb. 2-77: Eine Brücke ist ein schwingungsfähiges System sehr hoher Ordnung (verteilte Massen, federnde Seile). Bei ständiger Anregung durch die Kräfte des Windes können sich ihre Schwingungsamplituden immer weiter aufschaukeln, bis die Brücke auseinander bricht.

Quelle: YouTube

http://youtube.gunblues.com/tw/video/8hSUUvXkG7s

Abb. 2-77 Tacoma Narrows Bridge Collapse „Gallopin‘ Gertie“

Es ist nicht die Kraft des Windes, die die Brücke ‚Gertie‘ zum Einsturz brachte, sondern seine akkumulierte Energie, die bei Resonanz portionsweise auf alle Teile der Brücke übertragen wird. Weil die Dämpfung hier zu gering war, schaukelten sich die Schwingungsamplituden immer weiter auf. Seit dieser Katastrophe darf keine Brücke mehr ohne Tests im Windkanal gebaut werden.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

413

Berechnung von Systemen 1. Ordnung im Zeit- und im Frequenzbereich Einspeichersysteme (1. Ordnung) besitzen das einfachste Zeitverhalten. Als Beispiel sei eine Verzögerung gewählt. Messung einer Zeitkonstante Z einer Verzögerung 1. Ordnung: 1.

mittels Sprungantwort

und

2. aus dem Frequenzgang

Sprungantwort: f (t ) 

Frequenzgang:

x.a(t )  1  et / T x.e

(

)

Erzwungene mechanische Schwingungen Sinusförmige Schwingungen erzeugt man durch gleichmäßige Drehung einer Scheibe mit Kurbelschleifengetriebe (Abb. 2-78). Damit lässt sich der Frequenzgang einer betriebenen Last messen:

Frequenzgangmessung von

Dämpfer Masse Feder

Kurbelschleifen -Getriebe v.e

F.R

~

~

~

k.R

k.F

F.F

F.T

m

Abb. 2-78 Erzwungene mechanische Schwingungen mittels Kurbelschleifengetriebe: Der Antrieb erfolgt durch einen Motor mit einstellbarer Drehzahl. Aus der Kreisbewegung mit der Amplitude r, der Kreisfrequenz  und dem Winkel φ=∙t wird eine harmonische Schwingung r∙sin(∙t).

Bei dynamischen Analysen ist das Systemverhalten bei tiefen und hohen Frequenzen zu untersuchen, entsprechend dem Verhalten bei langen und kurzen Zeiten nach einer Anregung (Störung). Wie aber unterscheidet man kurze und lange Zeiten, tiefe und hohe Frequenzen? Die Antwort lautet: durch Angabe einer Zeitkonstante T oder einer Grenzfrequenz f.g, bzw. einer Grenzkreisfrequenz .g = 2f.g (f.g = 2/T in Hz und .g =1/T in rad/s = 1/s). Der Reziprokwert von .g = 1/T ist der Kehrwert der Systemzeitkonstante T.

414

Mechanische Dynamik

Im Bode-Diagramm findet man Grenz- und Resonanzfrequenzen (.g, .0) als Schnittpunkt der Asymptoten für tiefe und hohe Frequenzen. Auch in der Sprungantwort lässt sich eine Tangente an den Anfangswert und eine Asymptote an den Endwert legen. Ihr Schnittpunkt ist die gesuchte Systemzeitkonstante T. Daher lässt sich T im einfachsten Fall eines Einspeichersystems sowohl aus einer Sprungantwort als auch aus einem Frequenzgang entnehmen. Es fragt sich daher, welches Testsignal man am besten wählt. Die Antwort lautet: Eine mechanische Sprunganregung ist einfacher zu erzeugen als die Messung eines Frequenzgangs mit einem Kurbelschleifengetriebe. Die mechanische Sprunganregung kann ein Hammerschlag auf eine Glocke sein oder ein Gewicht, das man auf eine Brücke fallen lässt. Deshalb ist der Sprung, besonders bei Systemen mit wenigen Energiespeichern, das probate Testsignal. Nur wenn Resonanzen aufzufinden sind, wird mit sinusförmiger Anregung gearbeitet. Abb. 2-79 zeigt die Struktur eines mechanischen Oszillators. Sie gleicht der des elektrischen Oszillators von Abb. 1-177. F.T/N D

a/(m/s²)

P

m 1 kg

v.e/(m/s)

F.R/N

v/(m/s)

F.e/N

P.mech/W

P

f0 0,5 Hz A 1 m/s Ph 0 °

0,5 N/(m/s)

F.F/N x/m

Testsignal: Sinus

I

P

Reset

k.F 1 N/m

Abb. 2-79 Struktur zur Simulation des Frequenzgangs eines mechanischen Oszillators nach Abb. 2-78

Abb. 2-80 zeigt: In linearen Systemen bleiben alle Signale bei sinusförmiger Anregung sinusförmig. Deshalb lassen sie sich ohne Differenzialgleichungen komplex berechnen. Darzustellen sind die Amplitudenverhältnisse (Amplitudengang) und die Phasenverschiebungen (der Phasengang) als Funktion der Frequenz.

Zeit t/s

Abb. 2-80 Die Messgrößen des mechanischen Oszillators im Zeitbereich

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

415

Wie bereits im Zusammenhang mit elektrischen Systemen gezeigt worden ist, sind Sprungantworten von Mehrspeichersystemen (Systeme höherer Ordnung) nur schwer zu berechnen und zu analysieren. Deshalb ist dann, wenn hohe Auflösung und Genauigkeit gefordert sind, der Sinus als Testsignal zu wählen. Durch langsame Variation der Anregungsfrequenz lassen sich damit die Grenzfrequenzen und Resonanzen eines Systems finden. Frequenzgang einer Gegenkopplung Die Systemanalyse erfolgt dann durch komplexe Rechnung, die bereits in Kapitel 2 beschrieben worden ist. Hier folgt die Berechnung mechanischer Frequenzgänge wieder aus den vorher angegebenen Strukturen der untersuchten Systeme.

Kräfte bei erzwungenen mechanischen Schwingungen

Abb. 2-81 Die Messgrößen des mechanischen Oszillators im Frequenzbereich

Die Zusammenfassung der auftretenden Gegenkopplungen erfolgt durch die Gegenkopplungsgleichung Gl. 1-9. Sie wurde in Band 1 (Kapitel 2 und 3) durch Eliminierung der internen Signale des Kreises durch die Berechnung seiner Signale vom Ausgang zum Eingang gewonnen: Gl. 1-9 Frequenzgang einer Gegenkopplung

(

)

Hier sollen mechanische dynamische Systeme mit Integratoren und Differenzierern berechnet werden. Ihre Berechnung im Frequenzbereich haben wir in Abschn. 1.2 behandelt:  

Einen Differenzierer beschreibt der Operator ∙j ( für die Kreisfrequenz mit der Einheit rad/s=1/s und j für die Phasenvoreilung um 90°). Integratoren haben den Operator 1/j (1/ für die Amplitude mit der Einheit s und 1/j für die Phasennacheilung um 90°).

Wie man aus den errechneten Frequenzgängen die Systemparameter (statische Konstanten, Zeitkonstanten, Dämpfung) entnimmt, wird im Folgenden an Beispielen mit passiven mechanischen Bauelementen (Masse, Feder, Dämpfer) gezeigt.

416

Mechanische Dynamik

Mechanische Umkehroperationen im Frequenzbereich Testsignal ist nun eine erzwungene Sinusschwingung:  

Differenzierung: Integration:

x.Dif = jω∙x.e x.Int = x.e/jω

Abb. 2-82 zeigt oben, wie aus einer Beschleunigung a durch zweifache Integration die Wegänderung Δs und darunter, wie aus v= Δs/ Δt wieder die Beschleunigung a wird. Abb. 2-82 zeigt auch, welche Kräfte mit den kinetischen Größen a, v und s verbunden sind. a/(m/s²) a/(m/s²)

v/(m/s) Delta v/(m/s) I

m/s²

m/s

v.0/m

Hold

v.max=a.max*

a.max,

Dif D

m/s²

Reset

s.0/m

Hold

0

0,29

s.max=v.max*

Dif

v m/s

F.T/N

s/m

s/m

I

Reset

f0 0,3 Hz A 1 Ph 90 °

a

Delta s/m

v/(m/s)

D

s m

F.T/N

F.T/N

m/kg

k.R/(Nm/s)

k.F/(N/m)

1

1

1

Abb. 2-82 Differenzierung und Integration einer Sinusschwingung

Abb. 2-82 oben: Gegeben ist a → v → x - Geschwindigkeit und Weg bei sinusförmiger Beschleunigung Abb. 2-82 unten: Gegeben ist s → v → a - Geschwindigkeit und Beschleinugung bei sinusförmigem Weg Zusammenfassung: Differenzierung und Integration Differenzierung bildet eine Signaländerung, z.B. zeitlich oder räumlich. Z.B. ist die Beschleunigung die Differenzierung der Geschwindigkeit. Bei der Differenzierung geht der Anfangswert verloren. Differenzierung ist die Umkehrung der Integration. Integration ist die Summation kleiner Teile. Sie erzeugt Signaländerungen. Z.B. ist eine Geschwindigkeitsänderung die Integration der Beschleunigung. Zur Vollständigkeit muss dem Ausgangssignal ein Anfangswert (das Integral der Vorgeschichte) hinzugefügt werden. Integration ist die Umkehrung der Differenzierung.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

2.2.6

417

Feder mit Dämpfer (statischer Speicher)

Statische Speicher speichern die Energie der Lage (potentielle Energie). In der Mechanik tun dies alle elastischen Materialien und Federn. Wird eine Feder um einen Weg x ausgelenkt, so reagiert sie mit einer proportionalen Federkraft F.F. Die Federstärke wird durch die Federkonstante k.F=F.F/x in N/m beschrieben. Umgekehrt führen Federkräfte F.F zu Auslenkungen x. Verschwindet die Federkraft, so würde eine masselose Feder schlagartig in ihre Ruhelage zurückspringen. Abb. 2-83 zeigt eine Feder mit Dämpfer. Zur Reaktion auf angreifende Kräfte benötigt er Zeit. Deshalb suchen wir nun seine Zeitkonstante. Quelle: www.dnmsuspension.de Abb. 2-83 Feder mit integriertem Dämpfer

F.e

Berechnet werden soll das zeitliche Verhalten einer idealen, d.h. masselosen t=0 Feder-Dämpfer-Kombination. Abb. 2-84 zeigt das Schema:

x v a

k.R Abb. 2-84 Darstellung einer Feder mit Dämpfer mit vernachlässigbarer Masse

k.F

Die Sprungantwort der Feder mit Dämpfer (Abb. 2-86) Die gedämpfte Feder kann als Verzögerung 1. Ordnung dargestellt werden. 1/k.F ist ihre statische Konstante, k.R/k.F ist ihre Zeitkonstante. Der komplexe Frequenzgang der Feder mit Dämpfer Zur Berechnung der statischen Zeitkonstante T.stat erfolgt die Berechnung des Systems aus der Struktur im Frequenzbereich:

F

v 1 / k.F  F .e 1  j * (k.R / k.F )

… mit der statischen mechanischen Zeitkonstante



Die Verzögerung des Systems Feder-Dämpfer beschreibt eine statische Zeitkonstante. Sie ist das Verhältnis von maximaler Auslenkung (t→) und maximaler Geschwindigkeit (t→0): T.stat = x/v.max = (F.e/k.F) / (F.e/k.R) = k.R / k.F. Zahlenwerte: k.R=1Ns/m, k.F=1,5N/m → T.stat=0,6s, .g=k.F/k.R=1,5/s = 2∙f.g

418

Mechanische Dynamik

Bei t→ 0 ist die Geschwindigkeit maximal. Sie wird durch den Dämpfer bestimmt: v.max=F.e/k.R. Bei t→ wird die Auslenkung maximal. Weg x Sie wird durch die Stärke der Feder v.max bestimmt: x.max=F.e/k.F. Daraus ergibt sich die Gl. 2-31 statische Zeitkonstante

T.stat = x.max/v.max = k.R / k.F. Abb. 2-85 zeigt die Sprungantwort einer masselosen Feder mit Dämpfer. Sie bilden eine Verzögerung 1. Ordnung.

T.stat

Zeit t

Abb. 2-86 zeigt die Struktur zur Simulation einer Feder mit Dämpfer: Auslenkung einer Abb. 2-86 Feder mit Dämpfer: Zu erkennen sind der statische Endwert und die Zeitkonstante.

Die Struktur der Feder mit Dämpfer Reale Federn haben Masse. Deshalb können sie, je nach vorhandener Reibung, Schwingungen um ihre Ruhelage ausführen. Davon wird im nächsten Abschn. 2.2.8 bei der Behandlung mechanischer Schwingungen die Rede sein. Zur Vorbereitung darauf betrachten wir in Abb. 2-87 die Struktur einer Feder mit Dämpfer bei vernachlässigbarer Masse (d.h. bei kleinen Geschwindigkeiten).

Abb. 2-87 Feder mit Dämpfer im Zeitbereich: Sie bilden eine Verzögerung 1. Ordnung. Abb. 2-85 zeigt ihre Sprungantwort.

Ein Dämpfer verzögert die Bewegungen der Feder. Dämpfer reagieren auf Geschwindigkeiten v mit proportionalen Reibungskräften F.R.  Die Stärke der Feder wird durch die Federkonstante k.F=F.F/x in N/m beschrieben.  Seine Reibungskonstante k.R=F.R/v in v/(m/s)=N∙s/m beschreibt die Stärke eines Dämpfers.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

419

Der Frequenzgang einer Feder mit Dämpfer Dynamische Analysen werden wegen der einfachen Berechenbarkeit vorwiegend im Frequenzbereich durchgeführt. Abb. 2-88 zeigt, wie die Struktur eines Feder-DämpferSystems aussieht.

v /(m/s)

Dämpfer

F.e/N

f

F.R

Integration

P

k.R 1 Ns/m

I

v

Reset

F.F

Feder mit Dämpfer

x/m

Hold

Feder

F.e/N

x

Ti 1 Vth 2,5

P

k.F 1,5 N/m

Abb. 2-88 Feder mit Dämpfer im Frequenzbereich: Sie bilden einen Tiefpass 1. Ordnung. Abb. 2-89 zeigt das Bode-Diagramm dazu.

Abb. 2-89 zeigt Diagramm einer Dämpfer.

das BodeFeder mit

Kreisfrequenz om*s

Abb. 2-89 Frequenzgang des FederDämpfer-Systems: Es bildet eine Verzögerung 1. Ordnung.

Reale Federn und Dämpfer sind immer massebehaftet. Dadurch können sie Resonanzen erzeugen, die ihre Lebensdauer drastisch verkürzt. Bevor wir diesen allgemeinen Fall im übernächsten Abschnitt behandeln, muss noch der Frequenzgang eines massebehafteten Dämpfers untersucht werden.

420

2.2.7

Mechanische Dynamik

Dämpfer mit Masse (dynamischer Speicher)

Ein masseloser Dämpfer reagiert auf angreifende Kräfte mit proportionalen Geschwindigkeiten: v=F.R/k.R. Bei realen, also massebehafteten Dämpfern stellt sich diese Endgeschwindigkeit mit einer Verzögerung ein, deren dynamische Zeitkonstante T.dyn als Funktion der Masse m und der Reibungskonstante k.R bestimmt werden soll. Quelle: https://www.endurospain.com/cane-creek-c-quent-doublebarrel-mas-sencillo-ajustar/ Abb. 2-90 Gasdämpfer: Das den Kolben umströmende Gas erzeugt geschwindigkeitsproportionale Reibungskräfte.

Abb. 2-91 zeigt die Struktur des Dämpfers mit Masse: F.e

a/ (M/ s^2)

F.e/N

t=0

k.R

F.T

m

Masse P

x v a

H1

F.e/ N

1/m 1 1/kg

F.R

Integration

a

I Reset

v v/ (m/ s)

Ti 1

Dämpfer P

k.R 1,5 N/(m/s)

Abb. 2-91 Dämpfer mit Masse bilden eine statische Verzögerung 1. Ordnung: Je größer die Masse, desto langsamer wird der Endwert erreicht. Je stärker der Dämpfer, desto geringer ist der Geschwindigkeitsendwert und desto schneller wird er erreicht.

Erläuterungen zu Abb. 2-91: Die Struktur von Abb. 2-91 soll die Sprungantwort einer Masse mit Dämpfer berechnen. Im Vorwärtszweig wird die Trägheitskraft F.T=F.e-F.R zur Geschwindigkeit v integriert. Dafür muss die Reibungskraft F.R=k.R∙v von der Eingangskraft F.e abgezogen werden. So entsteht von F.e nach v eine Verzögerung 1. Ordnung. Eine Masse m verzögert die Bewegungen des Dämpfers k.R:  Die Größe der Masse wird durch die Konstante m=F.T/a in kg beschrieben.  Die Reibungskonstante k.R=F.R/v beschreibt die Stärke des Dämpfers.  Die Verzögerungszeitkonstante T ist der Kehrwert der Konstanten im Kreis von Abb. 2-91. Es ist das Verhältnis T=m/k.R. Warum das so ist, soll nun gezeigt werden.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

421

Simulation des Frequenzgangs des Dämpfers mit Masse Zur Ermittlung der dynamischen Zeitkonstante T.dyn des Dämpfers mit Masse erfolgt die Simulation des Systems im Frequenzbereich. Das zeigt Abb. 2-92:

F.e(f)

f

v

a F.e/N

F.T

a/(m/s²)

v/(m/s)

P

I Reset

1/m 1 1/kg

F.R

Ti 1 Vth 2,5

F.R/N P

k.R 1,5 N/(m/s) Abb. 2-92 Ein Dämpfer mit Masse bildet eine dynamische Verzögerung 1. Ordnung.

Die Sprungantwort eines Dämpfers mit Masse Abb. 2-93 zeigt die Struktur zur Simulation eines realen Dämpfers:

Abb. 2-93 Masse mit Dämpfer bilden eine Verzögerung 1. Ordnung.

Die oben angegebene Detailstruktur des Dämpfer-Masse-Systems kann man wieder zu einer Verzögerung 1. Ordnung zusammenfassen. Abb. 2-94 zeigt die Sprungantwort dazu.

a.max

Masse mit Dämpfer

Abb. 2-94 Sprungantwort eines realen Dämpfers mit Masse und Reibung T.dyn

Zeit t

422

Mechanische Dynamik

Diskussion zu Abb. 2-94: Bei t→ 0 ist die Beschleunigung maximal. Sie wird durch die Masse m bestimmt: a.max=F.e/m. Bei t→ wird die Geschwindigkeit maximal. Sie wird durch die Stärke des Dämpfers bestimmt: x.max=F.e/k.F. Daraus ergibt sich die dynamisch Zeitkonstante T.dyn = v.max/a.max = m / k.R. Der Frequenzgang eines Dämpfers mit Masse Gl. 2-32 zeigt den komplexen Frequenzgang von einem Gl. 2-32

Dämpfer mit Masse

F

v 1 / k.R  F .e 1  j (m / k.R)

Massen mit Dämpfer erzeugen die dynamische Zeitkonstante Gl. 2-33 T.dyn = v.max/a.max = (F.e / k.R) / (F.e / m) = m / k.R

Abb. 2-95 zeigt das BodeDiagramm eines Dämpfers mit Masse: Kreisfrequenz om*s

Abb. 2-95 Der Dämpfer mit Masse bildet wie die Feder mit Masse eine Verzögerung 1.Ordnung.

Damit haben wir das Verhalten mechanischer Systeme 1. Ordnung im Zeit- und Frequenzbereich gezeigt. Sie sind Annäherungen an die Realität, in der Massen, Federn und Dämpfer gekoppelt sind. Dann bilden sie ein System 2. Ordnung, das bei geringer Dämpfung schwingen kann. Von der Haftreibung abgesehen, die nur bei Anfahrvorgängen eine Rolle spielt, verhalten sich mechanische Oszillatoren genau wie die in Abschnitt 1.3.7 behandelten elektrischen Oszillatoren. Das zeigen wir im nächsten Abschnitt.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

2.2.8

423

Translations-Oszillator

Oszillatoren besitzen zwei durch ein verlusterzeugendes Bauelement (den Dämpfer) gekoppelte Energiespeicher (Systeme 2. Ordnung). Wenn ein Speicher statisch und der zweite dynamisch arbeitet, werden sie ihre Energie bei großer Reibung kriechend und bei geringer Reibung schwingend austauschen. Dazwischen gibt es die Möglichkeit zur Einstellung der optimalen Dynamik (Abb. 1-109). Das soll im Folgenden bei einem Masse-Feder-Dämpfer-System untersucht werden.

F.F~x F.R~v F.T~a

v

x

Abb. 2-96 links: Longitudinal (Längs)-Wellen einer Stimmgabel in Luft – rechts: mechanische Analogie zur elastischen Luft: Durch Verwirbelung entsteht Reibung und Dämpfung.

Anwendung Abb. 2-97: ein Zungenfrequenzmesser

Quelle: historisch, gemeinfrei http://de.wikipedia.org/wiki/Zungenfrequenzmesser Abb. 2-97 Zungenfrequenzmesser: Federstähle mit unterschiedlichen Massen und Resonanzfrequenzen um 50Hz bilden den magnetischen Kreis einer mit Netzfrequenz betriebenen Spule.

Berechnet werden soll, wie die Kennwerte von Oszillatoren (Eigenfrequenz ω.0 und Dämpfung d) von den Bauelementen eines gegebenen Systems aus Masse und Feder mit Reibung (Dämpfer) abhängen. Die Parameter T=/1/ ω.0 und d werden zur Simulation gebraucht. In Band 7/7 werden wir auf die gleiche Weise die Schwingungen eines hydropneumatischen Oszillators berechnen. Das zeigt die allgemeine Verwendbarkeit der hier am Beispiel eines mechanischen Oszillators gezeigten Methode zur Analyse schwingungsfähiger Systeme.

424

Mechanische Dynamik

Die Struktur des mechanischen Oszillators Ein mechanischer Oszillator soll berechnet werden. Das soll Resonanzfrequenz und Dämpfung von den Bauelementen abhängen. Abb. 2-98 zeigt das Schema eines mechanischen Oszillators aus Masse, Feder und Dämpfer:

Abb. 2-98 Oszillator aus Masse, Feder und Dämpfer

zeigen,

wie

G t =0

x v a

m k.F

k.R

Als Beispiel wählen wir die Anordnung nach Abb. 2-98. Weil die Geschwindigkeiten an allen Bauelementen die gleiche ist, ist die Summe der Reaktionskräfte gleich der von außen angreifenden Kraft, hier das Gewicht G (mechanische Serienanordnung, siehe Abb. 2-99). Abb. 2-99 zeigt die Struktur zu Abb. 2-98. Gewicht

Beschleunigung

Geschwindigkeit I

P

Reset

H 1 TD 0 s

1/m 0,1 1/kg a/ ( m/ s² )

G/ N

Weg

Hold

Ti 1 Vth 0,5

I Reset

x/ m

Hold

Ti 1 Vth 0,5

Reibung P v/ ( m/ s)

Oszillator

Spannkraf t

k.R 1 N/(m/s)

P

k.F 1 N/m

Abb. 2-99 Mechanischer Oszillator im Zeitbereich: Die Struktur zeigt, wie aus der Beschleunigung der Masse m durch eine erste Integration die Geschwindigkeit und durch eine zweite Integration aus der Geschwindigkeit die Auslenkung entsteht. Die Reibung erzeugt eine dynamische Gegenkopplung zur Dämpfung, die Feder erzeugt eine statische Gegenkopplung für die Auslenkung.

Werden Oszillatoren mit ihrer Resonanzfrequenz angeregt, kann das bei geringer Dämpfung zu einer Resonanzkatastrophe führen (Abb. 2-77). Wie solche Systeme mit den Eigenschaften ihrer Bauelemente als Parameter berechnet werden, wird nun gezeigt. Kennzeichen verzögernder Systeme 2. Ordnung ist der Amplitudenabfall mit 1/f², entsprechend -40dB/Dek ab Resonanzfrequenz. Kennzeichen der Resonanz ist die Phasenverschiebung um -90°. Ihre Dämpfung bestimmt man aus dem Amplitudenverhältnis bei Resonanz.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

425

Freie mechanische Schwingungen Bei mechanischen Schwingungen tauschen ein statischer Speicher (Feder) und ein dynamischer Speicher (Masse) ihre Energie aus. Im Allgemeinen gibt es dabei Reibungsverluste, die das System bedämpfen. Hier soll durch Simulation und Berechnung gezeigt werden, wie die Parameter eines mechanischen Oszillators (m, k.F, k.R) dessen Eigenschaften (Eigenfrequenz f.0, Dämpfung d) bestimmen.  

Wenn diese Parameter bekannt sind, lassen sich die Systemeigenschaften berechnen. Wenn die Systemeigenschaften gefordert sind, lassen sich die Parameter dazu berechnen.

Wir beginnen mit den freien Schwingungen. Zur Erzeugung freier Schwingungen wird das System einmalig angestoßen. Das ist i.A. technisch relativ leicht zu realisieren. Dann führt es bei schwacher Dämpfung charakteristische Schwingungen um seinen Endwert aus. Das zeigt Abb. 2-100.

Abb. 2-100 Sprungantwort eines schwach gedämpften, mechanischen Oszillators, der in Abb. 2-101 durch den Block eines Systems 2. Ordnung dargestellt ist

freie Schwingungen

Zeit t/s

Abb. 2-101 zeigt die Ersatzstruktur zur Simulation von Verzögerungen 2. Ordnung mit einstellbarer Dämpfung: Abb. 2-101 Die Sprungantworten eines schwach gedämpften mechanischen Systems 2. Ordnung: Als Parameter sind die Konstanten H1(das Gewicht), K1 zur statischen Berechnung des Ausgangssignals und T1 und d für die dynamische Berechnung einzustellen.

Eine ausführliche Untersuchung eines zum mechanischen System 2. Ordnung analogen elektrischen Systems 2. Ordnung finden Sie in Kapitel 1, Abschnitt 1.3.8. Dort wird gezeigt, wie man die Systemdaten ‚Resonanzfrequenz‘ und ‚Dämpfung‘ aus der Eigenperiode und dem Überschwingen einer Sprungantwort ermittelt. Mechanische erzwungene Schwingungen Bei erzwungenen Schwingungen wird ein System sinusförmig mit variierender Frequenz angeregt. Dadurch zeigt sich hochaufgelöst dessen dynamisches Verhalten. Mechanische erzwungene Schwingungen eines Systems sind, wenn überhaupt, technisch nur sehr schwer zu realisieren. Bei Simulationen interessiert dieser Aspekt nicht.

426

Mechanische Dynamik

Abb. 2-102 zeigt die Erzeugung mechanischer erzwungener Schwingungen durch einen Motor mit Kurbelschleifengetriebe.

Abb. 2-102 Erzwungene Schwingungen mit konstanter Frequenz und an- und abschwellender Amplitude: Sie zeigen das dynamische und stationäre Verhalten des untersuchten Systems.

Die Parameter eines mechanischen Oszillators Abb. 2-103 zeigt die Struktur eines mechanischen Oszillators. Seine Komponenten sind die Masse m, die Feder k.F und der Dämpfer k.R. Gesucht werden seine Grenz- und Resonanzfrequenz und die Dämpfung als Funktion dieser Komponenten. x/ m

v/ (m/ s)

Dämpfer PT 1

k.R 0,01 T 0,1

G/ N

Sinus

1/M asse

f

N/(m/s) s

I

1/m 0,1 1/kg

I I

I

Reset

Reset

Hol d

Hol d

P

Ti 1 a/ (m/ s²)

Ti 1

Feder PT 1

k.F 1 N/m T 0,1 s

Abb. 2-103 Mechanische Oszillator im Frequenzbereich: Zur Anpassung an die Realität müssen die Parameter von Masse, Feder und Dämpfer bestimmt werden.

Erläuterungen zu Abb. 2-103: Die Struktur zu Abb. 2-98 zeigt, wie aus der Beschleunigung der Masse m durch eine erste Integration die Geschwindigkeit und durch eine zweite Integration aus der Geschwindigkeit die Auslenkung entsteht. Die Reibung erzeugt die dynamische Gegenkopplung für die Dämpfung, die Feder bildet die statische Gegenkopplung für die Auslenkung. Die Daten des mechanischen Oszillators ergeben sich aus seinem Frequenzgang (Abb. 2-104). Berechnung und Struktur des mechanischen Oszillators Abb. 2-103 sind analog zu denen des elektrischen Oszillators von Abb. 1-177. Das gilt auch für die folgenden BodeDiagramme.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

427

Abb. 2-104 zeigt das Bode-Diagramm eines mechanischen Oszillators:

Abb. 2-104 Frequenzgang der Geschwindigkeit und Auslenkung eines schwach gedämpften mechanischen Oszillators

Der komplexe Frequenzgang des mechanischen Oszillators … ergibt sich aus der Struktur von Abb. 2-103. In normalisierter Schreibweise zeigen sich die mechanische Zeitkonstante und die Dämpfung. Gl. 2-34 Translationsoszillator

(



)

(

)

( ⁄

)

Gesucht werden die Parameter des mechanischen Oszillators. Wir erkennen sie durch den Vergleich mit dem Frequenzgang des P-T2-Ozillators in allgemeiner Form: (

)

Dies sind die Ergebnisse des Koeffizientenvergleichs: K=1/k.F -

√ ⁄

-



-



Der Vergleich des speziellen mit dem allgemeinen Frequenzgang eines Systems 2. Ordnung liefert die gesuchten Systemparameter: Die Eigenperiode T.0 wird durch die Energiespeicher m und k.F gebildet:

Gl. 2-35 mechanische Eigenzeitkonstante T .0  m / k.F

428

Mechanische Dynamik

Die Dämpfung d ist der Reibungskonstante k.R proportional: Gl. 2-36 mechanische Dämpfung



Abb. 2-105 Masse-Feder-System: Berechnet werden sollen seine Systemeigenschaften K, d und T.0 als Funktion der Bauelemente m, k.F und k.R.

Mit dem

wird die

Gl. 2-37

mechanischen Kennwiderstand

Gl. 2-38

mechanische Dämpfung



2d = k.R / Z.0

Vorher berechnet haben wir die statische Zeitkonstante von Dämpfer und Feder T.stat=k.R/k.F und die dynamische Zeitkonstante T.dyn=m/k.R von Masse und Dämpfer. Deshalb ist T.0²=T.stat∙T.dyn → . √ Daraus folgen die Eigenkreisfrequenz .0 = 1/T.0 (in rad/s), bzw. f.0 = .0/2 (in Hz). Abb. 2-106 zeigt die Berechnung der Daten eines mechanischen Oszillators nach Gl. 2-35, Gl. 2-36, Gl. 2-37 und Gl. 2-38: k.R/Nms

2d

1

m/kg 1

1

(Z.0/Nms)²

Z.0/Nms

(T.0/s)²

T.0/s

1 2

k.F/Nm

2

Om.0*s

Dämpfung d K 0,5

f.0/Hz K 0,16

1

Abb. 2-106 die Daten eines mechanischen Oszillators: Der Einfachheit halber wurden für die Komponenten nur Einheitswerte angenommen.

In Natur und Technik erfolgt der Energieaustausch oft oszillierend. Deshalb ist der Oszillator ein dynamisches Fundamentalsystem. Zum Abschluss dieses Kapitels zeigen wir, wie er allgemein im Zeit- und Frequenzbereich simuliert wird.

Dynamische Analyse mechanischer Systeme

429

Simulation beliebiger Oszillatoren Oszillatoren können gedämpft oder ungedämpft schwingen. Abb. 2-107 zeigt beide Möglichkeiten der Simulation: Schritt

PT2

Messgrößen(t)

t

Frequenz

Oszillator

A 1 s-1

f0 1 Hz A 1

PT2

H 1

K 1 T 1 s d 0

Abb. 2-107 links: ein Oszillator im Zeitbereich mit einstellbaren Parametern – rechts: ein wobbelbarer Oszillator im Frequenzbereich (siehe Abb. 1-58)

Abb. 2-108 zeigt die Amplituden eines ungedämpften Oszillators im Zeitbereich. Er dient zum quasistationären Test dynamischer Systeme:  

statisch ist die maximale Amplitude, dynamisch ist die zeitlich wechselnde Aussteuerung.

Abb. 2-108 ungedämpfte Sinusschwingung mit fester Frequenz

Abb. 2-109 zeigt einen Oszillator im Frequenzbereich. Sobald die Simulation gestartet wird, läuft die Frequenz von der eingestellten Untergrenze bis zur Obergrenze. Die Testfunktion ist ein Sinus mit der Amplitude 1. Als Testobjekt dient hier ein Tiefpass (Verzögerung) 2. Ordnung (PT2). Abb. 2-109 Frequenzsonde zur Simulation von Frequenzängen

Frequenz

f Testobjekt: PT2 Amplitude

K 1 2dTs  T2s2 K1 T 1 s d 0

Abb. 2-110 zeigt den Verlauf von Amplitude und Phase für minimale Dämpfung im Bode-Diagramm: Kreisfrequenz

Abb. 2-110 Amplitudengang und Phasenverschiebung eines Tiefpasses nach Abb. 2-109 mit minimaler Dämpfung

*s

430

2.3

Mechanische Dynamik

Trägheitsnavigation

Zur Anwendung der Gesetze der mechanischen Dynamik untersuchen wir nun eine Positionsmessung mit Hilfe der Massenträgheit, genannt Trägheitsnavigation. Trägheitsnavigation (Abb. 2-11) ermöglicht im Gegensatz zur Positionsbestimmung mit Sextanten (Abb. 1-470) die Ermittlung der Positionsänderungen von Schiffen, Flugzeugen und Raketen ohne einen externen Bezug, z.B. auch überall im Weltraum. Kennt man die (dreidimensionale) Bewegung relativ zur Startposition, kann man damit ein Fahr- oder Flugzeug an jeden erreichbaren Ort navigieren. Welche Messfehler dabei entstehen, soll hier untersucht werden. Abb. 2-111 Sextant zur Bestimmung der geographischen Höhe auf hoher See

Quelle: http://www.sternwarteneumarkt.de/?tribe_events=2110-2016

Abb. 2-112 zeigt den Aufbau einer inertialen Wegmessung für eine Koordinate: F.F

a, v, x

k.F

F.T

m.T u.v

u.a

u.x

k.P +Ref

-Ref

a.max = 1200kN/600t = 2m/s²

v.max = 1000km/h = 0,277km/s = 17km/min = 283m/s x.max = 15 000 km entsprechen 15V = 15000mV

inertiale Wegmessung zur Trägheitsnavigation

Copyright: Abb. 2-112 Wegmessung durch Massenträgheit: Das Messsystem besteht aus einer federnd aufgehängten Testmasse m.T mit Potentiometer zur Messung der Beschleunigung und zwei Integratoren, die daraus ein geschwindigkeits- und ein wegproportionales Signal erzeugen.

Auf der Erde ist die Trägheitsnavigation durch satellitengestützte Messsysteme eigentlich überflüssig geworden – es sei denn, es ist aus Sicherheitsgründen ein zweites, von externen Hilfsmitteln unabhängiges System zur schnellen Lagestabilisierung und Richtungsregelung gefordert.

Trägheitsnavigation

2.3.1

431

Inertiale Wegmessung

Nach obiger Abbildung Abb. 2-112 wird die Beschleunigung des Flugzeugs in drei Achsen gemessen. Gezeigt werden soll, wie daraus durch eine erste Integration die Geschwindigkeitsänderung v und daraus wiederum durch nochmalige Integration die Wegänderung x ermittelt wird. Abb. 1-471 zeigt die Struktur zur inertialen Wegmessung zu Abb. 2-112. Gesucht werden die Zusammenhänge zwischen den Messspannungen u.a, u.v und u.x und den Signalen, die sie darstellen: der Beschleunigung a, der Geschwindigkeit v und der Wegänderung x. Dämpfung P

Impuls a(t)

I

K 0,05

a-Integrator

a(t)

I Reset

a 1 m/s² PW 10 s TP 2 s TR 0,1 s TF 0,1 s N 1

Weg x.1 PT2

Weg x.2 PT2

Reset

k.R 0,1

prog. Quelle

Weg x.0

Hold

Ti 1 s

K 1 T 10 s d 0,5

Geschw. v

Weg x.1

PT2

Hold

Ti 1 s

K 1 T 10 s d 0,5

K 0,03 T 0 s d 0,5

Weg x.0 K 0,05

Schwach gedämpfter Oszillator mit anschließender Glättung

Abb. 2-113 schwach gedämpfte Wegermittlung aus der Beschleunigung a mit anschließender einfacher und zweifacher Glättung

Erläuterungen zu Abb. 2-113: Die Integratoren in Abb. 1-471 werden elektronisch realisiert. Zu ihrem Verständnis muss ihr Verhalten bekannt sein:  

Ohne Gegenkopplung (offen) steuert die Höhe des Eingangssignals a(t) die Geschwindigkeit des Ausgangssignals. Mit Gegenkopplung stellt ein Integrator seinen Ausgang so ein, dass sein Eingangssignal statisch zu null wird.

Bei elektronischen Integratoren kann das Eingangssignal wegen interner Unsymmetrien nie genau null werden. D.h., sie driften immer. Die Industrie bietet nahezu ideale elektronische Operationsverstärker für Integratoren an, z.B. den ICL7652 der Fa. MAXIM. Wie groß, bzw. klein, die damit erreichbaren Messfehler bei der Trägheitsnavigation werden können, erfahren Sie in Abb. 2-127 beim Thema ‚Das Driftproblem‘. Zur doppelten Integration in Abb. 2-113: Eine Testmasse m.T ist über eine Feder mit dem Flugzeug, dessen Geschwindigkeit v und Weg x gemessen werden soll, verbunden. Die Masse m.T erzeugt Trägheitskräfte F.T = m.T∙a, die der Beschleunigung a proportional sind. Direkt gemessen werden kann jedoch nur die Auslenkung x.F der Feder, die auf den Schleifer eines Potentiometers wirkt und so eine beschleunigungsproportionale Spannung u.a erzeugt: u.a ~ x.Pot ~ a. u.a wird zur Wegermittlung zweimal integriert.

432

Mechanische Dynamik

Der erste Integrator bildet eine geschwindigkeitsproportionale Spannung u.v, der zweite Integrator bildet aus u.v die wegproportionale Ausgangsspannung u.x. Das Simulationsergebnis in Abb. 2-114: Nur während der Beschleunigungsphasen ist der Mittelwert der Beschleunigung von null verschieden, was an den Integratorausgängen zu dauerhaften Signalen führt. Wie diese Signale aussehen und das Messsystem kalibriert wird, soll nun erklärt, berechnet und simuliert werden. Abb. 2-114 zeigt das fast Einschwingen ungedämpfte einer Masse zur Messung von Beschleunigungen und Auslenkung:

Abb. 2-114 Nach kurzem Anstoß (grün) schwingt der Kreis sehr schwach gedämpft. So ist das ungeglättete Wegsignal (x.0) als Weginformation nicht zu gebrauchen. Einmal geglättet (x.1) sieht es schon besser aus, zweimal geglättet (x.2) sieht es gut aus.

x-Verzögerungen = 10s

Zeit t/s

Zahlenwerte zu Abb. 2-113: 1 1000km/h  280m/s. Dazu kommen noch die Zeiten für Start und Landung. Sie hängen von der Beschleunigung (+a) des Flugzeugs beim Start und der Verzögerung (-a) bei der Landung ab. 2 Die Anfangsbeschleunigung a.0 = F.Schub/m.max errechnen wir aus der Schubkraft F.Schub der vier Triebwerke: F.Schub  4∙300kN = 1200kN und dem Startgewicht m.max = 560t: → a.0 = 2m/s². Während der Beschleunigung erhöht sich das Gewicht der Passagiere in Abhängigkeit vom Steigungswinkel  des Flugzeugs um g =a.0∙tan  (ohne Abbildung). Der A380 steigt nach dem Start mit einem Winkel =45° → tan =0,5. Damit wird die Gewichtszunahme g=1m/s². Das sind etwa 10% der Erdbeschleunigung g=9,8m/s². 3

Die Anstiegsdauer des Flugzeugs t.Start=v.Flug/a.0 erhält man aus der Reisegeschwindigkeit v.Flug=Mach 0,85 und der Startbeschleunigung a.0. Mach 1 ist die Schallgeschwindigkeit in Luft, hier 330m/s. Das ergibt eine Reisegeschwindigkeit v.Flug=280m/s (entsprechend etwa 1000km/h) und eine Startzeit von 140s. Der Einfachheit halber rechnen wir mit gleichen Start- und Landezeiten von je 150s, zusammen 300s=5min.

Trägheitsnavigation

433

4 Die gesamte Simulationszeit ist t.Sim = t.Flug + 2∙t.Start. Nach Punkt 1 ist die Flugzeit t.Flug  15h = 54000s. Die Simulationszeit muss um die Start- und Landezeiten (hier zusammen 300s) etwas länger eingestellt werden. Wir wählen t.Sim = 55000s = 15,3h. Abb. 2-115 zeigt die Einstellungen zur Zeitsimulation der Wegmessung von Abb. 2-112:

t.Sim

Abb. 2-115 In SimApp wird die Simulationszeit t.Sim unter ‚Einstellungen zur Zeitsimulation‘ eingestellt. Soll nur die Startphase untersucht werden, genügt t.Sim=500s.

Die Fahrkurve zur Flugsimulation Zur Simulation eines Fluges müssen wir den geplanten Verlauf der Geschwindigkeit v(t) vorgeben (Abb. 2-116). Da hier nur das Prinzip gezeigt werden soll, wählen wir einen einfachen Fall:  konstante Geschwindigkeit während des Flugs: v.Flug=280m/s  1000km/h  gleiche Beschleunigung und Verzögerung bei Start und Landung: a = 2m/s². Diese Werte müssen zur Simulation in einer Fahrkurve dargestellt werden. Abb. 2-116 zeigt, wie das in SimApp gemacht wird:

Programmierbare Quelle

Abb. 2-116 Einstellung der Fahrkurve in SimApp unter Quellen\Programmierbare Quelle

Dazu wird in SimApp der Block ‚Programmierbare Quelle‘ in die Simulationszeichnung kopiert (anklicken und absetzen) und durch Doppelklick geöffnet. Danach können die Namen und Daten (die Fahrkurve = das Geschwindigkeitsprofil) eingegeben werden (→ Abb. 2-117).

434

Mechanische Dynamik

Abb. 2-117 zeigt, wie in SimApp eine Fahrkurve eingestellt wird. Die Eingabe der Stützwerte erfolgt nach Anklicken des Symbols unter ‚Daten‘.

v.Flug/(m/s) Prog. Quelle

v(t) v.max=280m/s a.max=2,2m/s²

Start-Flug-Landung Abb. 2-117 Erstellen des Profils der Fluggeschwindigkeit im Block ‚Programmierbare Quelle‘

Abb. 2-118: Unter ‚Daten‘ wird der gewünschte Geschwindigkeitsverlauf vorgegeben: 150s

150s

Start

Flug

Landung

55000s

Abb. 2-118 Einstellung der Stützpunkte einer Fahrkurve in SimApp

Signalglättung Die Messung der Federauslenkung x.F muss für größte Messgenauigkeit möglichst reibungsfrei erfolgen. Deshalb soll das hier dargestellte Potentiometer, das immer mit Reibung behaftet wäre, nur das Messprinzip andeuten. Reale Auslenkungsmesser verwenden z.B. optische Messverfahren. Reibungsarme Masse-Feder-Systeme pendeln nach einmaligem Anstoß fast ungedämpft hin und her. Bei stehendem Flugzeug sind diese Schwingungsamplituden nullsymmetrisch. Ihr Mittelwert ist null. Die Beschleunigungsamplituden werden dann von den nachfolgenden Integratoren frequenzabhängig gemittelt. Da praktisch besonders gut gemittelte (stabilere) Signale gefordert werden, müssen weitere Tiefpässe (hier P-T2Glieder) nachgeschaltet werden (Abb. 2-113). Um zu verdeutlichen, wie notwendig nachgeschaltete Signalmittelungen sind, simulieren wir einen schwach gedämpften Schwingkreis, dessen Signale durch P-T2-Filter geglättet werden. Als Störung dient ein kurzer Beschleunigungsimpuls (hier a=1m/s² für 10s).

Trägheitsnavigation

2.3.2

435

Inertiale Geschwindigkeitsmessung

Zur Trägheitsnavigation müssen inertiale Geschwindigkeiten gemessen werden. Geschwindigkeiten heißen ‚inertial‘, wenn sie nicht gegen ein festes Bezugssystem gemessen werden (z.B. die Erde). Sie werden durch Integration der Massenbeschleunigung, die sich durch ihre Trägheitskraft F.T=m∙a äußert, ermittelt. Der Beschleunigungsmesser aus Masse, Feder und Potentiometer (Abb. 2-119) Zur inertialen Wegbestimmung muss zuerst die Beschleunigung a = d/dt∙(v.Flug) des Flugzeugs gemessen werden. Der Beschleunigungsmesser besteht aus einer Testmasse m.T, einer Feder k.F und einem Potentiometer k.Pot: F.F x.F

m.T

F.T

a, v, x

k.F

u.a x.Pot

+Ref Flugzeug

u.v Integratoren

u.x

-Ref

k.Pot

Abb. 2-119 Das Potentiometer erzeugt aus der Beschleunigung a des Flugzeugs die Spannung u.a=k.Pot∙a. Der erste Integrator errechnet daraus die Geschwindigkeitsänderung u.v~v, der zweite Integrator errechnet aus v die Wegänderung u.x~x.

Zuerst erklären wir die Entstehung der beschleunigungsproportionalen Spannung u.a, danach die Integratoren, die daraus die geschwindigkeitsproportionale Spannung u.v und die wegproportionale Spannung u.x bilden. Dabei gehen wir zunächst von Reibungsfreiheit aus. Welche Fehler durch Reibung entstehen, werden wir im Anschluss untersuchen. Die Trägheitskräfte F.T einer Testmasse m.T werden durch die Auslenkungen einer Feder k.F gemessen. Masse und Feder sind starr gekoppelt und (nahezu) reibungsfrei gelagert (von der Umgebung entkoppelt, z.B. durch Lagerung auf Luftkissen). Dann ist die Reaktionskraft F.F der Feder (fast) gleich der Trägheitskraft F.T der Testmasse m.T. Zu zeigen ist, dass so die Beschleunigung a des Flugzeugs gemessen wird und daraus durch Integration seine Geschwindigkeit v und seine Positionsänderung x bestimmt werden können. 

Die Testmasse m.T erzeugt beschleunigungsproportionale Trägheitskräfte F.T=m.T∙a. m.T kann frei gewählt werden. Damit der Trägheitsmesser nicht zu schwer wird, entscheiden wir uns hier für m.T=1kg.

436

Mechanische Dynamik

Den passenden Beschleunigungsmessbereich a.max=F.max/m.0 berechnen wir aus der Antriebskraft F.max der vier Triebwerke (jedes hat etwa 300kN) und der Startmasse m.0 (hier 600t, dem sog. Startgewicht). Mit F.max=1200kN m.max  600t wird a.max = 2m/s². Aus a.max = 2m/s² und m.T=0,5kg folgt die maximale Messkraft der Testmasse m.T: F.max = 2N. Bei der Landung treten noch höhere Beschleunigungen als beim Start auf. Dabei wird ein Beschleunigungsmesser mit diesem Messbereich an seinen Anschlag stoßen. Für die Wegbestimmung ist dies jedoch unerheblich, denn das Ziel ist erreicht. 

Die Feder wiederum ist starr mit dem Objekt, dessen Beschleunigung a gemessen werden soll, verbunden. Die Kraft einer Feder F.F ist ihrer Auslenkung x.F proportional: F.F = k.F ∙ x.F – mit der Federkonstanten k.F, hier in N/mm.

Die Federkonstante k.F ist das Maß für die Steifigkeit der Feder. Sie muss bei ihrer Beschaffung angegeben werden. Gefordert sei die maximale Federauslenkung x.F;max = 10mm bei a.max = 2m/s². Damit können wir die erforderliche Federkonstante k.F berechnen. Oben wurde bereits die maximale Trägheitskraft angegeben: F.T = 2N. Wegen Reibungsfreiheit ist die Federkraft F.F genauso groß: F.F = 2N. Das erfordert die Federkonstante k.F = 2N/10mm = 0,2N/mm. Der gesamte Verschiebeweg L.Pot des Potentiometers für positive und negative Beschleunigungen (Verzögerungen) muss doppelt so lang wie die maximale Auslenkung der Feder sein – hier L.Pot=20mm.  Die Feder stellt den Schleifer des Potentiometers durch die Auslenkung x.Pot = x.F ein. Wir suchen die Proportionalität zwischen der Beschleunigung a und der Potentiometerauslenkung x.Pot: Aus der Trägheitskraft: und der Federkraft: folgt der Weg:

F.T = m.T∙a - mit der Testmasse m.T in kg F.F = k.F∙x.F - mit der Federkonstanten k.F in N/mm x.F = (m.T/k.F)∙a = x.Pot.

Zahlenwerte: m.T=1kg, k.F=0,2N/mm ergibt m.T/k.F = 5mm/(m/s²). Bei der Maximalbeschleunigung von 2m/s² ist die Schleiferauslenkung wie gefordert 10mm.

Trägheitsnavigation



437

Das Potentiometer ist an zwei nullsymmetrische Referenzspannungen (+U.Ref und –U.Ref) angeschlossen (Abb. 2-120), so dass bei Auslenkung des Schleifers aus der Mittellage (x.Pot) die beschleunigungsproportionale Spannung u.a entsteht.

Das Potentiometer mit dem Parameter k.Pot in V/mm wandelt die Auslenkung des Schleifers in eine beschleunigungsproportionale Spannung u.a ~ a um: u.a=k.P∙x.Pot = k.P∙ (m.T/k.F)∙a

u.a

Abb. 2-120 symmetrisch versorgtes Potentiometer für gegen Masse (0V) positive und negative Ausgangsspannungen

Die Schleiferspannung u.a des unbelasteten Potentiometers hängt - außer von der Auslenkung x.Pot - noch von den beiden Referenzspannungen U.Ref ab. Weil sie nullsymmetrisch sind, können sowohl positive als auch negative Beschleunigungen (Verzögerungen) gemessen werden. Im Stillstand des Flugzeugs wird die Schleiferspannung u.a so genau wie möglich auf null abgeglichen (näheres zum Nullpunktsfehler folgt am Schluss dieses Abschnitts). Die Potentiometerkonstante k.Pot = u.a/x.Pot = 2∙U.Ref/L.Pot gibt die Proportionalität zwischen der Beschleunigungsspannung u.a und der Auslenkung des Schleifers x.Pot an. k.Pot hängt von der Länge des Potentiometers L.Pot (hier 20mm) und den Referenzspannungen U.Ref ab. Wir wählen hier die temperaturstabile Referenzspannung MAX 6176 mit U.Ref = 10V. Angaben zu ihrer thermischen Stabilität und der daraus entstehenden Integratordrift folgen am Schluss dieses Abschnitts. Zuvor muss die grundsätzliche Funktion der inertialen Geschwindigkeits- und Wegmessung erklärt werden. Dabei gehen wir von idealen Verhältnissen aus: völlig symmetrische und temperaturstabile Referenzen. Mit 2∙U.Ref = 20V und L.Pot = 20mm können wir den Potentiometerparameter k.Pot = 2∙U.Ref/L.Pot angeben: k.Pot = 20V/20mm = 1V/mm. Zu den inertialen Berechnungen:  Die Geschwindigkeitsänderung v = adt = a∙dt folgt aus der Beschleunigung a und  die Wegänderung x = vdt = v∙dt aus der Geschwindigkeit v. Deshalb benötigt die Trägheitsnavigation zwei Integratoren. Bisher sind - bis auf die Zeitkonstanten T.v und T.x der Integratoren - alle Parameter zur Berechnung der inertialen Geschwindigkeits- und Wegmessung bekannt. Damit können wir die Struktur für die Simulation zeichnen.

438

Mechanische Dynamik

Abb. 2-121 zeigt die Struktur der inertialen Geschwindigkeits- und Wegmessung. Gemessen wird die Beschleunigungsspannung u.a. Sie wird zur Geschwindigkeits- und Wegberechnung zweimal integriert. 280m/s

2m/s²

2N

10mm

10V

14V

v(t) v.Flug/(m/s)

Prog. Quelle Start-Flug-Landung v.max = 280m/s a.max = 2m/s²

u.v(t) a(m/s²)

F.T=F.F

D

P

T.a 1 s

x.Flug/km

Hold

Ti 1000 s

P

1/k.F 5 mm/N L.Pot=20mm

u.a/V

u.v/V

P

k.Pot 1 V/mm

u.x/V

I

I

Reset

Reset

Hold

U.0/V

T.v 100 s

Hold

T.x 50000 s

0

I Reset

x-Fehler/10m

m.T 1 kg a/(m/s²)

x.Pot/mm

F.F/N

x.Flug/1000km x.Sim/1000km

Offset->Drift x.Pot/mm

K 0,001

K 0,001

u.a/V

x.Sim/km

k.v=50mV/(m/s) k.x= 1 mV/km

P

K 100

u.v/V

max 15V

Kalibrierung: 1km/mV=1000km/V k.cal 1000 km/V

Abb. 2-121 Berechnung des zurückgelegten Weges zu vorgegebener Geschwindigkeit: Der Vergleich des wahren Wertes mit dem durch Trägheitsnavigation errechneten Messwert zeigt den Messfehler.

Die Struktur zur Trägheitsnavigation zeigt den Signalverlauf von der vorgegebenen Geschwindigkeit v(t) über die Beschleunigung a=d/dt∙v(t) bis zur Potentiometerauslenkung x.Pot und Potentiometerspannung u.a.  Die erste Integration erzeugt eine geschwindigkeitsproportionale Spannung u.v.  Die zweite Integration erzeugt eine wegproportionale Spannung u.x. Durch das anfängliche Nullsetzen der Integratorausgänge wird die Änderung ihrer Ausgangsspannung zur Ausgangsspannung selbst. Der Rückwärtspfad (unten) berechnet aus u.x den simulierten Weg x.Sim=k.cal∙u.x. 

Die Kalibrierkonstante k.cal muss so bemessen werden, dass der durch Trägheitskräfte ermittelte Flugweg x.Sim gleich dem tatsächlichen Flugweg x.Flug wird.

Zur Simulation der Trägheitsnavigation werden alle Parameter der Struktur benötigt. Deshalb zeigen wir nun, wie die Integrationszeitkonstanten T.v und T.x und die Kalibrierkonstante k.cal berechnet werden. Die Skalenfaktoren der Integrationssignale Skalenfaktoren geben die Beziehung der gemessenen Ausgangsgrößen zu den physikalischen Größen, die sie repräsentieren, an. Hier liegen die gemessenen Größen in Form von Spannungen vor. Deshalb definieren wir die Skalenfaktoren k als Spannung pro Messgröße. Zur Berechnung der zu den Spannungen u.a, u.v und u.x gehörenden Beschleunigungen a, Geschwindigkeiten v und Wege x müssen drei Skalenfaktoren k.a, k.v und k.x definiert und realisiert werden.

Trägheitsnavigation

439

Damit wird   

die beschleunigungsproportionale Spannung die geschwindigkeitsproportionale Spannung die wegproportionale Spannung

u.a = k.a ∙ a u.v = k.v ∙ v u.x = k.x ∙ x

Die Skalenfaktoren k werden vom Benutzer des Messsystems gefordert - oft so, dass sich ‚schöne‘ Umrechnungsfaktoren ergeben. Das sind solche, deren Wert 1 zu einer passenden Einheit ist, z.B. bei einer Wegmessung: k.x=1mV/km. Damit die Auflösung der Messung möglichst hoch wird, soll k.x so groß wie möglich sein Deshalb werden sie nun für die Trägheitsnavigation aus geforderten Maximalwerten berechnet. 1. Die Spannung u.a stellt die Beschleunigung a dar. Für a=2m/s² soll u.a=10V werden. Deshalb fordern wir für a den Skalenfaktor k.a = u.a/a = 5V/(m/s²). 2. Die Spannung u.v stellt die Geschwindigkeit v dar. Für v=300m/s soll u.a=15V werden. Deshalb fordern wir für a den Skalenfaktor k.v = u.v/v = 50mV/(m/s). 3. Die Spannung u.x stellt den Weg x dar. Für x=10000km soll u.x=10V werden. Deshalb fordern wir für a den Skalenfaktor k.x = u.x/x = 1mV/km. Damit diese Skalenfaktoren einstellbar sind, müssen die Integratoren mit Spannungen versorgt werden, die etwas größer als die zu erwartenden maximalen Ausgangsspannungen sind. Im vorliegenden Fall soll die Elektronik mit Spannungen von 18V arbeiten. Die Integrationszeitkonstante: Bei einem elektrischen Integrator mit einer Eingangsspannung (u.ein) und einer Ausgangsspannung (u.aus) steuert der Eingang u.ein die Geschwindigkeit des Ausgangs u.aus/t.

u.ein/V

u.aus/V I

H 1

Reset

u.a=u.e*t/T.i

Hold

T.i 1 s

Abb. 2-122 Simulation eines Integrators

Aus der Proportionalität wird durch eine Integrationszeitkonstante T.i die Gleichung: u.aus/t = u.ein/T.i oder in integraler Schreibweise: u.aus =  u.ein dt / T.i Die integrale Schreibweise zeigt, dass nur die s der Ausgangsspannung u.aus die Eingangszeitfläche  u.ein dt bis zum Messzeitpunkt darstellen. Dabei wird von einem Anfangswert u.a0 ausgegangen, der die Vorgeschichte der Eingangsspannung zusammenfasst. Um bei t=0 bei u.aus=0 beginnen zu können, kann der Integratorausgang durch Entladen seines Speichers auf null gesetzt werden. Davon wird Im Folgenden ausgegangen. Die Integrationszeitkonstante T.i bewertet die Zeit t. Je kleiner T.i, desto schneller wird der Integrator. Die reziproke Zeitkonstante 1/T.i hat daher den Charakter einer Integrationsverstärkung V.Int=1s/T.i. Für T.i=1s ist die Darstellung V.Int=1, für T.i1s werden sie verkleinert. Deshalb kann über T.i die ‚Verstärkung‘ des Integrators und damit der zugehörige Skalenfaktor eingestellt werden.

440

Mechanische Dynamik

Die Integrationszeitkonstante zur Trägheitsnavigation Dem Elektroniker, der die Integratoren bauen soll, muss gesagt werden, wie groß die Integrationszeitkonstante T.i sein soll. Wir berechnen sie für die Trägheitsnavigation aus den geforderten Skalenfaktoren k.a, k.v und k.x. Der Beschleunigungsintegrator berechnet die geschwindigkeitsproportionale Spannung ∫ Mit adt = v, u.a = k.a∙a und

k.v = u.V/v

∫ wird

T.v = k.a/k.v.

Zahlenwerte: Für k.a = 5V/(m/s²) und k.v = 50mV/(m/s) wird T.v = 100s. Diese Zeitkonstante ließe sich gerade noch analog realisieren. Besser, weil stabiler und genauer, ist jedoch die digitale Lösung. Der Geschwindigkeitsintegrator berechnet die wegproportionale Spannung ∫ Mit vdt = x, u.v = k.v∙v,

x = vdt

und

∫ k.x = u.x/x

wird

T.x = k.v/k.x.

Zahlenwerte: Für k.v = 50mV/(m/s) und k.x = 1mV/km wird T.x = 50 000s  14h. Das ist fast so lang wie die maximale Flugzeit. Deshalb muss hier ein digitaler Zähler eingesetzt werden. Digitale Zähler benötigen standardisierte Eingangsspannungen, z.B. 0 bis 5V für 0 und 1. Diese können bei größeren Integrator-Ausgangsspannungen (hier u.v und u.x) durch passende Spannungsteiler hergestellt werden. Kalibrierung Die obige Abb. 2-121 berechnet aus der vorgegebenen Fluggeschwindigkeit v.Flug den tatsächlich zurückgelegten Weg x.Flug/km und den durch die Beschleunigung a(t) ermittelten Weg x.Sim/km. Damit beide Werte übereinstimmen, muss im Berechnungspfad in der Struktur 3-25 (unterer Block) eine passende Kaibrierungskonstante k.cal eingestellt werden. Zur Bestimmung von k.cal berechnen wir den Signalweg vom Eingang v.Flug bis zum Ausgang x.Sim und setzen ihn gleich dem Originalpfad von v.Flug nach x.Flug: Der originale Flugweg:

x.Flug = {v.Flug/m/s)} ∙ { dt/T.i }

Ist auch der simulierte Flugweg x.Sim bekannt, kann damit der Simulationsfehler (z.B. durch die Integratordrift) berechnet werden: x.Fehler = x.Sim – x.Flug

Trägheitsnavigation

441

Der durch Massenträgheit ermittelte Flugweg ergibt sich in Abb. 2-121 durch die Multiplikation aller Konstanten und Operatoren: ………

vdt = x.Flug …………. ∫ ∫

 ……….. d/dt ∙ dt = 1 ………… Die Operatoren d/dt und dt heben sich auf, der gemessene Weg ist x.Sim = v.Flug∙dt. Damit können wir die Gleichung nach der Kalibrierungskonstante auflösen:

Zahlenwerte: m.T=1kg; k.F = 0,2N/mm; …. ergibt k.cal=1000km/V=1km/mV.

k.Pot=1V/mm;

T.v=100s;

Abb. 2-123 zeigt die Simulation der Wegmessung x.Flug(t)

Trägheits-Navigation: Wegmesung in x-Richtung

Flugzeit/h

Abb. 2-123 Verlauf der Flugsimulation mit den Messwerten der Landephase

T.x=50000s

442

2.3.3

Mechanische Dynamik

Navigationsfehler

Bisher haben wir die mechanische Reibung bei der Trägheitssimulation vernachlässigt. Nun werden wir durch Simulation zeigen, wie groß die Simulationsfehler durch mechanische Reibung werden können (Abb. 2-124). Die folgenden Berechnungen setzen wieder einige Grundlagen voraus, die hier in Kürze erklärt werden. Abb. 2-124 zeigt das Modell eines Trägheitsmessers mit mechanischer Reibung: F.F

a, v, x

x.F

m.T

F.T

k.F ~ ~ ~ ~ F.R ~

~ ~ ~ ~ ~ ~

k.R

u.a x.Pot

+Ref Flugzeug

u.x u.v Integratoren

-Ref

k.Pot

Abb. 2-124 Mechanische Reibung bei der Messanordnung zur Trägheitsnavigation, dargestellt durch einen Dämpfer: Er erzeugt eine geschwindigkeitsproportionale Reibungskraft F.R, die sich zur Federkraft F.F addiert. Dadurch entstehen Messfehler, deren Größen berechnet werden sollen.

Die mechanische Reibung des Masse-Feder-Systems gegen seine Umgebung erzeugt bei Beschleunigung a des Flugzeugs Reaktionskräfte, die der Trägheitskraft F.T=m.T∙a das ‚Gleichgewicht‘ halten. Die Federkraft F.F=k.F∙x.F erzeugt die Auslenkung x.F der Feder und damit die Beschleunigungsspannung u.a des Potentiometers. Dazu kommen in der Realität noch Reibungskräfte F.R, die von der Geschwindigkeit der Federbewegung v.F=dx.F/dt abhängen: F.R=k.R∙v.F. Sie verursachen bei der Potentiometerverstellung eine Verzögerung, die bei beschleunigten Bewegungen des Flugzeugs (Start, Landung) zu (dynamischen) Fehlern der Beschleunigungsmessung führen. Die Auswirkungen auf die Wegermittlung werden umso größer, je länger der Flug dauert. Das soll im Folgenden berechnet und simuliert werden. Verzögerung durch Reibung Bei sprunghafter Änderung der Federkraft in Abb. 2-125 würde sich die Länge einer masselosen Feder ebenfalls sprunghaft ändern: x.F=F.F/k.F. In guter Näherung ist das bei einem Masse-Feder-System auch dann der Fall, wenn die Masse der Feder gegen die der Gesamtmasse vernachlässigbar klein ist. Davon gehen wir nachfolgend aus. Trotzdem ändert sich die Federlänge bei sprunghafter Änderung der Federkraft nur mit Verzögerung. Der Grund ist die Reibung von Masse und Feder an der Umgebung. Um eine Vorstellung von den dadurch bei der Trägheitsnavigation entstehenden Fehlern zu erhalten, soll ein typischer Fall simuliert werden.

Trägheitsnavigation

443

Abb. 2-125 zeigt die Struktur zur Simulation der Auslenkung einer Feder mit Dämpfer: F.R/N D

w g. Differenzierung so nicht simulierbar!

TD 0,1 s

x.Pot/mm

F.T/N F.F/N

P x.Pot/mm

H 1

1/k.F 5 mm/N

Verzögerung durch Reibung x.Pot/mm F.T/N

PT1

1/k.F 5 mm/N T.Reib 0,1 s

ReibungsVerzögerung: T.Reib=k.F/k.R

0 T.R

t/s

Abb. 2-125 Durch Reibungskräfte F.R wird eine Feder zur Verzögerung 1. Ordnung.

Die Federzeitkonstante durch Reibung T.Reib In Abb. 2-125 ist die Reibung des Masse-Feder-Systems durch einen Dämpfer dargestellt. Die Federkonstante k.F (hier 0,2N/mm) beschreibt die Stärke der Feder. Die Federkraft ist ihrer Auslenkung x proportional:

F.F=k.F∙x.

Die Reibungskonstante k.R beschreibt die Stärke des Dämpfers. Reibungskräfte sind geschwindigkeitsproportional: F.R=k.R∙v – mit v=dx/dt. Feder und Dämpfer bilden eine Verzögerung 1. Ordnung (ein Speicher, ein Verbraucher), die durch eine Zeitkonstante T.Reib beschrieben wird. Zuerst zeigen wir, wie T.Reib von k.F und k.R abhängt und danach machen wir eine Abschätzung von T.Reib für unser Beispiel zur Trägheitsnavigation. Bei Verzögerungen 1. Ordnung beschreibt die Zeitkonstante die Langsamkeit der Sprungantwort. Ist x.max die maximale Auslenkung und v.max die Anfangsgeschwindigkeit, so wird die Zeitkonstante T=x.max/v.max. Bei der Feder ist x.max = F.max/k.F, beim Dämpfer ist v.max = F.max/k.R. Daraus folgt die Gl. 2-39 Feder-Dämpfer-Zeitkonstante

T.FD = k.F/k.R – in s

Zeitkonstanten von Feder-Dämpfer-Systemen werden umso größer, je stärker die Feder (k.F) ist und umso kleiner, je stärker der Dämpfer (k.R) ist. Zahlenwerte zur Trägheitsnavigation: Bei der Maximalbeschleunigung (hier 2m/s²) ist die Trägheitskraft der Testmasse F.max=2N. Sie erzeugt bei der Feder die maximale Auslenkung x.max=10mm. Daraus erhält man die Federkonstante k.F=2N/10mm=0,2N/mm.

444

Mechanische Dynamik

In Abb. 2-125 wird die Maximalgeschwindigkeit der Feder bei sprunghafter Beschleunigungsänderung gemessen: hier z.B. v.max= 100mm/s. Daraus ergibt sich eine Reibungszeitkonstante T.Reib = 10mm/(100mm/s) = 0,1s. Mit T.Reib kann die Reibungskonstante k.R für diesen Fall angegeben werden: Gl. 2-40 Reibungskonstante k.R= k.F/T.Reib = (0,2N/mm) / 0,1s = 2N/(mm/s).

Deshalb werden wir in der folgenden Struktur zur Trägheitsnavigation den Zusammenhang zwischen Trägheitskraft F.T und Potentiometereinstellung x.Pot als Verzögerung 1. Ordnung beschreiben.

x.Pot/mm

F.T

x.Pot

PT1

1/k.F 5 mm/N T.Reib 0,1 s

Abb. 2-126 Ersatzstruktur zum reibungsbehafteten Trägheitsmesssystem

Abb. 2-126 zeigt die Struktur zur inertialen Wegmessung zu Abb. 2-124: v.Flug/(m/s)

a(m/s²) D

max 2m/s²

F.T

max 2N

P

F.F/N

u.a/V

max 10mm

PT1

u.v/V

max 10V

P

max 14V

u.x/V

I

I

Reset

Prog. Quelle

T.a 1 s

v(t)

m.T 1 kg

1/k.F 5 mm/N T.R 1 s Rebung->Verzögerung

x.Flug/km

v.max = 280m/s a.max = 2m/s²

I

Start-Flug-Landung

Reset Hold

Ti 1000 s

x-Fehler/10m

k.Pot 1 V/mm

Hold

U.0/V

T.v 100 s

0

a/(m/s²) x.Flug/1000km K 0,001

x.Pot/mm

u.a/V

Offset->Drift

u.x/V

x.Sim/km P

K 100

Hold

T.x 50000 s

k.v=50mV/(m/s) k.x= 1 mV/km

x.Sim/1000km K 0,001

Reset

max 15V Kalibrierung: 1km/mV=1000km/V

k.cal 1000 km/V

T.Reib = 0s

T.Reib = 0,1s

T.Reib = 0,2s

Abb. 2-126 Zur Berücksichtigung der Reibung ist der Block der Federkraft F.F/N eine Verzögerung.

Die Zahlenwerte in Abb. 2-126 zeigen die Simulationsergebnisse nach einer Flugzeit von 15h: Eine Verzögerung bei der Beschleunigungsmessung um 0,1s erzeugt bei der Trägheitsnavigation einen Wegfehler von 28 m.

Trägheitsnavigation

445

Das Driftproblem (Abb. 2-127) Drift ist das langsame Weglaufen eines Integratorausgangs, hervorgerufen durch eine Fehlerspannung an seinem Eingang, genannt ‚Offsetspannung U.0‘. Hier ist u.0 die Potentiometerspannung u.Pot bei stehendem Flugzeug. Sie liegt am Eingang des ersten Integrators an und erzeugt an seinem Ausgang u.v, dem Eingang des zweiten Integrators, eine mit der Zeit linear ansteigende Spannung. So entstehen Geschwindigkeits- und Wegmessungsfehler. Bei realen Integratoren muss U.0 im Stand so genau wie möglich auf null abgeglichen werden. Danach wirkt nur noch die Temperaturdrift der Offsetspannung DT=dU.0/dT. U.0/mV

Trägheits-Navigation: Offset u.0 erzeugt Drift

1

U.0/V

k.a = 5V/(m/s²) k.v=50mV/(m/s) k.x= 1 mV/km

P

K 0,001

v.Boden 0

am Boden: v =0

a.Bus/(m/s²) D

T.a 1 s

F.T=F.F

x.Mess/mm

u.a/V

P

P

P

m.T 1 kg

1/k.F 5 mm/N

k.Pot 1 V/mm

u.v/V

I

Reset

Reset

Hold

Hold

T.v 500 s x.Mess/ mm

a.Bus/ (m/ s²)

F.F/ N

u.x/V

I

x/km K 1000

T.x 50000 s

v/(km/h) u.a/ V

K 72

u.v/ V

Abb. 2-127 Driftsimulation für die Wegbestimmung der Trägheitsnavigation

Nun soll die Auswirkung einer Offsetspannung auf die Ausgänge u.V und u.x der Integratoren anhand Abb. 2-127 untersucht werden. Dazu wird die Eingangsgeschwindigkeit auf null gesetzt (v.Flug wird v.Boden=0) und am Eingang des ersten Integrators eine Offsetspannung U.0 angenommen. Simulation der Integratordrift Als Beispiel wählen wir U.0=1mV. Das ist der 10000-ste Teil der Referenzspannung U.Ref=10V - ein Wert, der noch relativ leicht einstellbar ist.

Tägheits-Navigation: Offset erzeugt Drift Offset = 1mV v.Boden = 0 t.Flug=15h

Abb. 2-128 Zeitlicher Verlauf der Integratorausgänge bei einer Offsetspannung von 1mV: Der Geschwindigkeitsfehler steigt linear mit der Zeit an, der Wegfehler steigt quadratisch. Zeit in h

446

Mechanische Dynamik

Zur Drift in Abb. 2-128: Nun betrachten wir den Verlauf der Integratorausgänge u.v (für die Geschwindigkeit v) und u.x (für den Weg x). Danach können wir beurteilen, ob eine Offsetspannung von 1mV für die vorliegende Anwendung genau genug ist – oder ob Verbesserungsbedarf besteht. Zum Schluss geben wir an, welche Nullpunktsgenauigkeiten mit den heute angebotenen Verstärkern und Referenzen erreichbar sind. Bei einer Offsetspannung von 1mV und einer Flugzeit von 15 Stunden ist der Geschwindigkeitsfehler der Trägheitsnavigation beim A380 7,8km/h und der Wegfehler 58km! Ob das noch wesentlich verbessert werden kann, zeigt ein Blick auf die angebotenen elektronischen Verstärker und Referenzen. Zur thermischen Stabilität der Messelektronik Die technische Herausforderung besteht in der Realisierung hochstabiler Referenzspannungen und offsetfreier Analogverstärker. Nahezu offsetfreie Operationsverstärker (OP’s) realisiert man durch Chopperstabilisierung. Dazu wird die Offsetspannung zyklisch gemessen und dem Verstärkereingang negativ aufgeschaltet, so dass die Summe im Mittel (nahezu) null ergibt. Beispiel: der chopperstabilisierte OP ICL7652 der Fa. MAXIM U.00,012Vs = 1,2N∙cm/A Maximalstrom: I.max = U.N/R.A = 2A → M.max=k.T· Ω.z = 2,4N∙cm Anfangsbeschleunigung: .max = M.max/J.z → .max = 67rad/s² Zeitkonstante: T = Ω.z/.max = (2000rad/s)/67rad/s²) = 30s. Wenn man die Hochlaufzeit als 3 Zeitkonstanten definiert, ist die Enddrehzahl nach etwa 90s erreicht. Hier geht es darum, die verschiedenen Betriebsarten des Kreisels zu simulieren. Dazu muss der Zusammenhang zwischen Drehmomenten M und Drehzahlen Ω (nicht zu verwechseln mit der Kreisfrequenz ω von Sinusschwingungen) geklärt werden. Abb. 2-194 zeigt das Ergebnis. Es ist die Grundlage aller Kreiselstrukturen und wird nachfolgend im Einzelnen erklärt. Zur Mindestdrehzahl eines Kreisels Die Lager von Kreiseln verschleißen mit der Betriebszeit – und zwar umso mehr, je höher ihre Drehzahl n.Krs ist. Deshalb sollte n.Krs nur so groß wie nötig gemacht werden. Welche Mindestdrehzahl erforderlich ist, um die Spinachse auf ihre Solllinie, (dem Meridian in der Horizontebene) zu bringen, kann in Abschn. 2.5.4 mit der Struktur eines Kreiselkompasses (Abb. 2-223) untersucht werden. Abb. 2-170 zeigt das Ergebnis. Um herauszufinden, welche Mindestdrehzahl eingestellt werden soll, zeigen wir mit Abb. 2-170 die Messgenauigkeit als Funktion der Kreiseldrehzahl n.Krs. Abb. 2-170 zeigt die Abweichung der Spinachse in der Höhe (grün: Elevation über der Horizontlinie) und in der Seite (blau: Azimutrichtung gegen den Meridian) über n.Krs. Abb. 2-170 Die Nord- und Horizonteinstellung eines Kreiselkompassess als Funktion der Kreiseldrehzahl

Kreiselkompass

n.Krs/Upm

Abb. 2-170 zeigt zweierlei:  Die Horizontaleinstellung erfolgt bei Kreiselkompassen durch die Schwerkraft. Diese Einstellung (grün) ist drehzahlunabhängig.  Zur Nordausrichtung der Spinachse (blau) des Kreisels sind hier mindestens 1400Upm=1,4kUpm erforderlich. Technische Kreisel rotieren mindestens 10 mal schneller (typisch 20kUpm). Das verkürzt ihre ‚Lebensdauer‘. Deshalb mussten die Kreisel des Weltraumteleskops ‚Hubble‘ 1999 nach neunjähriger Betriebszeit mit großem Aufwand im Weltraum ausgetauscht werden.

Kreisel

2.5.1

477

Der Kreiselspin H

Durch außerordentlich hohe Drehzahlen n.Krs im Bereich kUpm=1000Umd/min wird aus dem Massenträgheitsmoment J.Krs~m.Krs·R.Krs² der Kreiselspin H=J.Krs·Ω.Krs – mit der Winkelgeschwindigkeit Ω.Krs/(rad/s)= Ω.Krs·s≈n.Krs/10Upm.

Die Plattform, auf der ein Kreisel montiert ist, ist seine Bezugsebene gegen die Winkel φ, Winkelgeschwindigkeiten Ω und Winkelbeschleunigungen α gemessen werden. Abb. 2-171 Kreisel auf einer Plattform mit Motor zur Spinerzeugung und Sensoren zur Richtungsmessung

Spinachse Motor Kreisel Om, H

Plattform

Winkelmesser

Hochachse

Der Kreiselspin H ist ohne äußere Einflüsse eine Erhaltungsgröße, wie die Energie jedes abgeschlossenen Systems. Daher ist die Drehmasse J bestrebt, ihre Drehzahl und die Richtung ihrer Spinachse im Raum unabhängig von der Umgebung (inertial) beizubehalten. Dadurch dienen Kreisel zur Messung von inertialen Winkeln und ihrer Winkelgeschwindigkeiten überall im Universum.

Quelle: https://www.mec.tuwien.ac.at/regelungstechnik_und_prozessautomatisierung/regelungst echnik_und_prozessautomatisierung/ausstattung/labor/ Rotierende Massen speichern ihre Energie als Drehimpuls H (=Spin). H entsteht durch ein Antriebsmoment M, das eine bestimmte Zeit t auf einen Drehkörper (Masse m, Radius R) einwirkt. (H entspricht dem translatorischen Impuls p.trans = F∙Δt = m∙v). H = M∙Δt ist proportional zur Drehzahl n (in Umd/min), bzw. der Winkelgeschwindigkeit  (in rad/s=1/s). Gl. 2-58 Kreiselspin

H = M∙Δt = J∙ - in N∙m∙s

Proportionalitätskonstante zu H und Ω ist das Massenträgheitsmoment J=R²·m/2. Zum Betriebsverhalten eines Kreisels Erzwingt das Fahrzeug, auf dem der Kreisel montiert ist, eine Winkelgeschwindigkeit um die Eingangsachse, so erzeugt der Kreisel um die Ausgangsache ein proportionales Antriebsmoment. Dadurch dreht der freie Kreisel seine Spinachse in Richtung Eingangsachse. Der Vorgang ist beendet, wenn die Spinachse mit der Eingangsachse zusammenfällt. Dann rotiert der Kreisel antiparallel zur äußeren Drehzahl (minimale Gesamtenergie = Prinzip des kleinsten Zwanges).

478

Mechanische Dynamik

Präzession und Kreiselspin H Bei konstantem Drehmoment M.x um die x-Achse reagiert ein Kreisel mit proportionaler Winkelgeschwindigkeit Ω.y um die y-Achse. Dieser Vorgang heißt ‚Präzession‘. Der Präzessionswinkel wird bei vorhandener Winkelgeschwindigkeit ∫ ω.y mit der Zeit immer größer. Nun ist zu erklären, dass Kreisel auf Drehmomente um eine Achse (Eingangsachse, die nicht die Spinachse z ist), mit Drehgeschwindigkeiten um die dazu senkrechte Achse (Ausgangsachse) reagieren. Umgekehrt erzeugen sie bei Drehgeschwindigkeiten um die Eingangsachse Drehmomente um die Ausgangsachse. Das wird nachfolgend zur Messung inertialer Winkelgeschwindigkeiten Ω genutzt. Abb. 2-172 Messung von Drehmomenten und Präzessionswinkeln bei einem Kreisel

Quelle: https://lp.uni-goettingen.de/get/text/3637

Gl. 2-59 zeigt, wie der Kreiselspin H.z aus dem Massenträgheitsmoment J.z des Kreiselkörpers und seiner Drehzahl berechnet wird. Gl. 2-59

Kreiselspin

H.z= Ω.y/M.x=J.z∙ω.z – in (rad/s)/Nm=1/Nm∙s

Im Betrieb verhält sich der Kreisel folgendermaßen: Wirkt um die Eingangsachse ein Antriebsmoment, so reagiert die Ausgangsachse mit einer Winkelgeschwindigkeit, genannt Präzession. Abb. 2-173 zeigt die Messgrößen des Präzessionswinkels, der durch Gl. 2-60 berechnet wird. Gl. 2-60 Präzessionswinkel

( )



nz z

Zur Erläuterung des Kreisels betrachten wir die obige Abbildung. Sie zeigt eine um die Spinachse z rotierende Masse. Sie besitzt den Drehimpuls H.z = J.z ∙ Ω .z. Senkrecht dazu wirkt eine kurze Zeit t ein Drehmoment M.y um die Eingangsachse y. Berechnet wird die dadurch erzeugte Drehung der Rotationsebene yz um die Ausgangsachse x. Der Quotient α.y/ω.x heißt Kreiselspin H. Er ist der wichtigste Parameter bei der Kreiselberechnung.

Abb. 2-173 Präzession einer Kreiselachse R um die Hochachse z

Kreisel

479

Abb. 2-174: veranschaulicht die Drehimpulsberechnung: Spin H = M.A*

t = m*r²*

Spinachse

r Masse m

Zeit

M.A

Abb. 2-174 Der rotierende Torus ist ein einfach zu berechnender Kreisel. Er stabilisiert seine Drehzahl und Spinrichtung im Raum (inertial).

Berechnung der Präzessionsdrehzahl Abb. 2-175: Zur Erklärung der Wirkungsweise von Kreiseln muss der Zusammenhang zwischen Drehmomenten und Drehzahlen um die Kreiselachsen bekannt sein. Dazu ist räumliches Denken erforderlich. Die folgende Berechnung der Präzessionsdrehzahl benutzt den Begriff des Drehimpulses H = M ∙ Δt = J ∙ ΔΩ. Er ist analog zum linearen Impuls p = F ∙ Δt = m ∙ Δv. Abb. 2-175 dient zur Ableitung der Gl. 2-61 Präzessionsdrehzahl

.z

Ω.y = H.x/J.z

H.z=J.z*

Abb. 2-176 Geometrische Verhältnisse zwischen Drehmomenten und Driftgeschwindigkeiten bei einem Kreisel: Vermittler ist der Kreiselspin H.

z

M.x* t

m

y

.y

r

x

Berechnung des Kreiselspins H.z ~ J.z∙r² Um seine Rotationsachse z besitzt der Kreisel das Massenträgheitsmoment J.z. Bringt man es auf eine Drehzahl Ω.z (in rad/s ≈10U/min), so erhält es den Drehimpuls

H.z = J.z ∙ Ω.z,

hier Spin genannt.

Zahlenwerte: Drehzahl: n.z = 19100Umdr/min => Ω.z = 2000rad/s Masse m = 0,2kg; Radius r = 6cm → Massenträgheitsmoment: J.z = 0,036N∙cm∙s² Spin: H.z = J.z ∙ Ω.z = 72N∙cm∙s die drehmomentbezogene Geschwindigkeit der Ausgangsache y: Ω.z/M.x = 1/H.z = 0,02(rad/s)/N∙cm = 1,15(°/s)/N∙cm Nun berechnen wir die drehmomentbezogene Geschwindigkeit der Eingangsachse x: Höhe des Zylinders: h = r = 6cm => J.x = J.y = 0,024N∙cm∙s²

480

Mechanische Dynamik

Berechnung von Präzessionsdrehzahl und -drehmoment Nach Abb. 2-176 umkreist eine Masse m ihre z-Achse im Abstand r. Dann besitzt sie den Spin H.z = (m/2)∙r2. Um die Eingangsachse x wirkt für kurze Zeit Δt das Drehmoment M.x. Das ändert den Drehimpuls um ΔH.x = M.x∙Δt. Dadurch vollführt die Rotationsebene der Drehmasse m eine Drehung α.y um die Ausgangsachse y. Wirkt M.x lange genug, so würde die Masse m am Schluss um y rotieren (Prinzip des geringsten Zwanges). Bei technischen Kreiseln wird dies jedoch verhindert, z.B. durch einen Anschlag. Dadurch bleibt der Drehwinkel α.y immer klein gegen 90°. α.y errechnet sich nach Gl. 2-62 aus dem Tangens der Drehimpulse um x und z: Gl. 2-62 Präzession

(

)

Das heißt: Die Winkelgeschwindigkeit Ω.y um die Ausgangsachse (hier y) ist dem Drehmoment M.x um die Eingangsachse x proportional (=Präzession) und umgekehrt: Eine Drehzahl um y erzeugt ein Antriebsmoment um x: ⁄ Abb. 2-177: Proportionalitätskonstante zur Umrechnung von Ω.y in das AntriebsMoment M.x ist der Kreiselspin H.z. Bei Änderung der Lage der Spinachse werden die Indizes zyklisch vertauscht.

.y

M.x/Nm P

M.x

M.y

H.z 1 Nms

Om.x*s P

.x

1/H.z 1 1/Nms

Abb. 2-177 der Kreisel als Wandler von Drehzahl in Drehmoment und umgekehrt

Jede Unsymmetrie der Kreiselmechanik erzeugt durch die Schwerkraft der Erde ein Drehmoment. Diesem äußeren Zwang weicht der Kreisel durch Rotation um die beim Hochlauf eingenommene Richtung der Spinachse aus. Diese Rotation um die eigene Achse heißt Präzession. Entsprechend ist es auch nicht möglich, die Spinachse eines Kreisels durch ein Gewicht in die Lotrechte zu zwingen. Er würde nur noch schneller präzedieren. Abb. 2-178 zeigt die Berechnung von Massenträgheitsmoment J und Kreiselspin H: m.Krs/kg

J/N*mm*s²

1

R.Krs/cm 10

(R.Krs/cm)²

H/Nms

K 0,1

Om.Krs*ms

K 0,1

n.Krs/kUpm 20

Abb. 2-178 Berechnung von Massenträgheitsmoment J und Kreiselspin H

Kreisel

481

Der Torquemotor Möchte man die Spinachse eines Kreisels (seinen Rotationsrahmen) in eine gewünschte Richtung stellen, muss ein Drehimpuls (Moment mal begrenzte Zeit) um eine Achse aufgebracht werden. Zu diesem Zweck gibt es Torque (=Drehmoment)-Motoren. Sie unterscheiden sich von üblichen Elektromotoren durch eine viel höhere Anzahl an Polpaaren (Abb. 2-179). Warum dadurch große Drehmomente und kleine Drehzahlen entstehen, erfahren Sie in Bd. 4, Kapitel 6 ‚Elektrische Maschinen‘. Wegen der geringen Drehzahlen kommen Torquemotoren ohne Getriebe aus. Deshalb eignen sie sich zur Steuerung der Präzession von Kreiseln.

Quelle: Wikipedia, gemeinfrei Abb. 2-179 Torque (=Drehmoment)-Motor: Kennzeichen ist die hohe Polpaarzahl. Sie bewirkt größte Drehmomente bei kleinsten Drehzahlen.

Torquemotoren werden durch Gleich- oder Drehstrom betrieben, der ein proportionales Drehmoment erzeugt (Abb. 2-180). Ein Berechnungsbeispiel zum Torquemotor folgt im nächsten Abschnitt 2.5.3 ‚Wendekreisel‘ bei der Untersuchung der Rückwirkung des Drehmoments auf den Strom des Stellmotors.

Abb. 2-180 gemessener Zusammenhang zwischen Drehmoment und Leistung über der Drehzahl eines Kreisels: Zu erkennen ist die Grenzdrehzahl für die Messung von Winkelgeschwindigkeiten.

482

2.5.2

Mechanische Dynamik

Der freie Kreisel (Lagekreisel)

Durch die hohe Drehzahl der Kreiselmasse entsteht hohes Beharrungsvermögen gegenüber Lageänderungen im Raum (inertiale Trägheit). Das lässt sich z.B. zur Stabilisierung von Raketen und Satelliten ausnutzen. Freie Kreisel besitzen, von der unvermeidlichen Lagerreibung abgesehen, keinerlei Drehmomente zur Umgebung (Abb. 2-181). Sie dienen als Referenzrichtung für die Lageregelung der Plattform, auf der sie stehen (z.B. Periskope). Um den freien Kreisel zur Lageregelung nutzen zu können, muss der Winkel oder die Winkelgeschwindigkeit zwischen den Richtungen der Spinachse und der Richtung des Vehikels, auf dem der Kreisel drehmomentenfrei montiert ist, gemessen werden. Dazu dient die in Abb. 2-183 abgebildete kardanische Aufhängung. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kreiselinstrument

Abb. 2-181 freier Kreisel: Drift ca. 0,001 °/h bis zu 10 °/h

Selbstbalancierendes Schienenfahrzeug Der irisch-australische Ingenieur Louis Brennan entwickelte ab 1903 eine kreiselstabilisierte Einschienenbahn, die auf Stahlrädern auf einer einzelnen Vignolschiene (Breitfußschiene) fuhr. Am 10. November 1909 führte er diese Bahn erfolgreich in Gillingham und 1910 bei einer Ausstellung in der White City in London vor. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Einschienenbahn _nach_Brennan

Abb. 2-182 Kreiselstabilisierte Einschienenbahn von Brennan (1909)

Kardanische Aufhängung Ein Kreisel heißt ‚frei’, wenn er frei von äußeren Störmomenten rotieren kann. Momentenfreiheit wird durch vollkardanische Aufhängung erreicht (Abb. 2-183). So aufgehängt, könnte der Kreisel seine inertiale Lage gegen alle Drehungen der Plattform, auf der er steht, für alle Zeit im Raum beibehalten. Über längere Zeit kann er es jedoch nicht, denn der Kreisel ist durch Reibung an die Plattform gekoppelt. Reibmomente erzeugen die Kreiseldrift. Sie möglichst klein zu halten, ist eine technische Herausforderung.

Kreisel

483

Abb. 2-183 zeigt einen vollkardanisch (drehmomentenfrei) gelagerten Kreisel: Technisch realisieren lässt sich die kardanische Aufhängung durch einen Metallring, in den zwei weitere Metallringe, die Achsen jeweils um 90° gegeneinander versetzt, ineinander drehbar gelagert werden. Das Instrument wird dann am innersten Ring befestigt. Die Ringe werden auch als Kardanringe bezeichnet.

Spinachse

Kreisel

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kardanische_Aufh%C3%A4ngung Abb. 2-183 Kreisel in vollkardanischer Aufhängung: Bei fehlender Lagerreibung würde er frei von äußeren Drehmomenten sein. Einmal hochgelaufen, behält die Spinachse ihre Lage im Universum bei, unabhängig von umgebenden Massen oder elektromagnetischen Störfeldern.

Die vollkardanische Aufhängung besitzt drei Rahmen:  äußerer Rahmen: R.1: Achse z.B.in Fahrzeuglängsache x  mittlerer Rahmen: R.2: Achse z.B. in Fahrzeugquerachse y  innerer Rahmen: R.3: Kreiselspinachse, z.B. in Fahrzeughochachse z Zur Drift von Lagekreiseln Lagekreisel reagieren auf Drehmomente um ihre Eingangsachse mit Winkelgeschwindigkeiten um die Ausgangsache. Sie sind ein offener (nicht gegengekoppelter) Integrator. Durch minimale Unwuchten der Fertigung entstehen auch im Ruhezustand kleinste Störmomente. Sie bewirken eine mit der Zeit größer werdende Abweichung der Spinachse von der Anfangsrichtung. Diese Drift beträgt auch bei luftgelagerten Kreiseln mindestens 10°/Monat. Diese Missweisung lässt sich durch ein zweites, unabhängiges Kreiselsystem noch weiter verringern. Ganz beseitigen lässt sie sich durch ein satellitengestützes, astrales Referenzsystem. Es dient zur Langzeitstabilisierung von Systemen, während das Kreiselsystem für schnelle Kurzzeitstabilisierungen benötigt wird. Die Restreibung der Kardanlager erzeugt eine Langzeitdrift der Spinachse. Daher müssen freie Kreisel von Zeit zu Zeit nachjustiert werden. Referenz sind z.B. die Fixsterne. Danach ist der Kreisel selbst wieder die Referenz für zeitlich begrenzte Messungen von Winkeln  (in ° oder rad) seiner Plattform. Zur Stabilisierung müssen diese Winkel in elektrische Signale umgewandelt und als Istwerte geeigneten Regelkreisen zugeführt werden. Ein Beispiel zu Berechnung der Drift haben wir in Abschnitt 2.3.3 beim Thema ‚Navigationsfehler‘ gebracht.

484

Mechanische Dynamik

Abb. 2-184 zeigt die Messung der Azimutgeschwindigkeit mit Resolver und Synchrongleichrichter. z y

Ref

x

Synchron-Gleichrichter

Fahrtrichtung x Sin(Roll)

Messung des Rollwinkels

PT2 PT2

K 1 T 1 s d 0,5

Abb. 2-184 Resolver zum reibungsarme Abgriff der Auslenkung eines Kreiselrahmens gegen die Plattform, auf der er steht

In Ruhelage stehen beide Spulen senkrecht zueinander (+90°). Dann ist die Ausgangsspannung null. Die zweite Wicklung gibt eine Spannung ab, deren Amplitude dem Sinus des Winkels zwischen den Spulen (+90°) proportional ist. Bei Winkeln < 180° hat die Ausgangsspannung die gleiche Phasenlage wie die Referenz, bei Winkeln > 180° hat sie entgegengesetzte Phasenlage. So moduliert die Referenzspannung den Winkel (die Messgröße). Abb. 2-185 zeigt die Struktur zur Messung des Frequenzgangs eines Winkelmessers mit Resolver:

Abb. 2-185 zeigt die Modulation eines Resolversignals mit Trägerfrequenz. Abb. 2-190 zeigt das Simulationsergebnis dazu.

Kreisel

485

Synchrongleichrichter Benötigt wird eine Ausgangsgleichspannung, die dem Sinus des Spulenwinkels (+90°) proportional ist. Ein einfacher Gleichrichter kann dies nicht erzeugen, da er die Phasenumkehr nicht erkennt. Das leistet ein phasenrichtiger = Synchrongleichrichter. Wir geben in Abb. 2-186 seine Prinzipschaltung an. Die Detailschaltung finden Sie in Bd. 5/7, Kapitel 8 ‚Elektronik‘ unter ‚Schaltungstechnik‘. Abb. 2-186 zeigt eine Winkelmessung mit Resolver und Synchrongleichrichter:

Abb. 2-186 Winkelmessung mit Resolver und Synchrongleichrichter

Winkelmessung mit Resolver Zur späteren Regelung der Plattformausrichtung müssen nach Abb. 2-187 zwei Winkel gemessen werden:  .1 zwischen dem äußeren Rahmen R.1 und dem mittleren Rahmen R.2 und  .2 zwischen dem mittleren Rahmen R.2 und dem inneren Rahmen R.3. Ziel der Messung ist die Generierung einer elektrischen Gleichspannung, die dem Winkel oder seinem Sinus proportional ist. Die Messung muss natürlich reibungsfrei erfolgen. Das ermöglichen optische Systeme (moderner) oder Drehtransformatoren, genannt Resolver (älter). Abb. 2-186 zeigt: Resolver sind Transformatoren mit einer gehäusefesten und einer drehbaren Spule. Eine der beiden Spulen wird mit einer Referenzwechselspannung (U.Ref – z.B. 20V, 1kHz) versorgt. Dann gibt die zweite eine Wechselspannung ab, die nach Betrag und Phase vom Winkel zwischen beiden abhängt. Wie – zeigt Abb. 2-190. U.Ref

u.a

Resolver -Symbol Winkel phi

Abb. 2-187 Winkelmesser mit Resolver: links: geöffnet - rechts: Symbol mit Sinus- und Cosinusausgang

486

Mechanische Dynamik

Die Messung inertialer Winkelgeschwindigkeiten erfolgt mit federgefesselten Kreiseln. Sie sind das Thema des nächsten Abschnitts.

Symbol eines Synchron-Gleichrichters PT2

u.e

u.a

PT2

Abb. 2-188 Symbol eines Synchrongleichrichters mit Glättung

K 1 T 1 s d 0,5

U.Ref

Abb. 2-189 zeigt die Prinzipschaltung eines phasenrichtigen Gleichrichters (Synchrongleichrichter): n.i +1

u.a~sin

u.e inv. -1 U.Ref

Glättung NSS

Synchron-Gleichrichter

Abb. 2-189 Prinzip des Synchrongleichrichters

Abb. 2-190 zeigt die mit Abb. 2-191 simulierten Signale eines Synchrongleichrichters:

Abb. 2-190 die Signale eines Synchrongleichrichters – rechts: die Phasenumkehr im Nulldurchgang

Kreisel

487

Simulation eines Synchrongleichrichters Abb. 2-191 zeigt die Struktur zur Simulation eines Synchrongleichrichters. Modulations -Oszillator

u.C/V

moduliertes Signal

Synchron-Gleichrichter 2:1

u.e/V 1

f0 0,12 Hz A 10 Ph 90 °

f0 3 Hz A 1 Ph 0 °

K 1 T1 0,1 s T2 0,1 s

P

K -1

Verstärker P

K -1000

PT1T2

2

P

SignalOszillator

Glättung

Sync.-Gl.

Sättigung OF UF

SU 10 SL -10

Abb. 2-191 simulierter Synchrongleichrichter

Abb. 2-192: die Signale einer Synchrongleichrichtung

Synchron-Gleichrichter

Abb. 2-192 Signale zum Synchrongleichrichter - blau: Steuerspannung, rot: Ausgangungeglättet, grün: Ausgang - gemittelt

488

Mechanische Dynamik

2.5.3

Der Wendekreisel

Bei Wendekreiseln ist der innere Kardanrahmen an den äußeren Rahmen durch eine Feder mit Dämpfer gefesselt. Dadurch stellt sich zwischen dem äußeren Rahmen und der Plattform, auf der der Kreisel montiert ist, ein Winkel ein, der mit steigender Winkelgeschwindigkeit der Plattform immer größer wird. Solche Systeme heißen Wendekreisel.

Abb. 2-193 Kennzeichen des Wendekreisels ist die Federfesselung des Ausgangsrahmens, der proportional zur Winkelgeschwindigkeit der Eingangsachse (hier z) ausgelenkt wird.

Wendekreisel sind Wandler von Drehzahlen in Drehmomente und umgekehrt von Drehmomenten in Präzessionsdrehzahlen. Abb. 2-194 zeigt die Alternativen bei der Messung von Drehmomenten und Drehzahlen:

Drehzahl -> Drehmoment

Drehmoment -> Drehzahl

.y

.z

Om.z*s

P

M.z

M.y

P

.z

H.x 72 N*cm*s

1/H.x 0,014 1/N*cm*s

M.y/Nm

Om.y*s

P

M.y

M.z

H.x 72 N*cm*s

P

.y

1/H.x 0,014 1/N*cm*s

Ausgangs-Achse

Eingangs-Achse

M.z/Nm

Abb. 2-194 der ideale Kreisel als Wandler von Drehzahl in Drehmoment und umgekehrt

Wendekreisel dienen als Sollwertgeber bei der inertialen Richtungsstabilisierung von Raketen, Flugzeugen Periskopen und Panzerkanonen. Ihnen gemeinsam ist der schwankende Untergrund (Störquelle). Abb. 2-193: Der Begriff ‚Wende‘ wird immer dann verwendet, wenn Winkelgeschwindigkeiten gemeint sind. Wendekreisel dienen zur Messung der inertialen Winkelgeschwindigkeiten der Plattform, auf denen sie montiert sind. Als Beispiele wählen wir ein Fahrzeug, dessen Winkelgeschwindigkeit in Seite (Azimut) und Höhe (Elevation) gemessen werden sollen: 1. 2.

um die Hochachse z für den Azimutwinkel und um die Querachse y für den Elevationswinkel.

Kreisel

489

Zur Erläuterung der Wirkungsweise des Kreisels beschreiben wir zuerst, wie er sich bei Drehmomenten und Drehzahlen um die Eingangsachse verhält und anschließend, warum dies so ist. Die zugehörige Ableitung des Kreiselverhaltens wird zeigen, wie der Zusammenhang zwischen Winkelgeschwindigkeiten und Antriebsmomenten um die Einund Ausgangsachsen berechnet wird. Ein Beispiel dazu folgt nach der Erklärung der Funktion des Kreisels. Möglichkeiten der Kreiselaufstellung Gemessen werden sollen die Winkelgeschwindigkeiten um die drei Fahrzeugachsen x, y und z. Zwischen der Ausgangsachse des Kreisels und der Kreiselplattform wird beim freien Kreisel (zur Winkelmessung) nur die Dämpfung und beim Wendekreisel (zur Drehzahlmessung) zusätzlich eine Federfesselung angebracht (Beispiele folgen). Die folgende Abb. 2-195 zeigt eine Möglichkeit der Kreiselaufstellung:

Abb. 2-195 Wendekreisel: Der Kreiselrahmen ist starr mit der Achse verbunden, um die gemessen werden soll. Bei Drehung wird die Spinachse quer dazu ausgelenkt. Das erzeugt nach einer kurzen Beschleunigungsphase bei Federfesselung eine proportionale Auslenkung quer dazu. Sie kann elektrisch gemessen werden und ist proportional zur inertialen Winkelgeschwindigkeit der Plattform, auf der der Rahmen steht.

Tab. 2-8 zeigt: Beim Kreisel sind außer der Spinachse (SA) eine Eingangsachse (EA = Empfindlichkeitsachse) und eine Ausgangsachse (AA = Unempfindlichkeitsachse) zu unterscheiden. Die Eingangsachse wird durch die geforderte Messrichtung bestimmt. Der Kreiselrahmen ist starr mit ihr verbunden. Eine der beiden verbleibenden Achsen kann als Ausgangsachse gewählt werden. Dadurch liegt dann die Richtung der Spinachse fest. Tab. 2-8 Kreisel und Fahrzeug (Plattform, auf der der Kreisel steht) haben eigene Koordinatensysteme. Gemessen werden soll ein Winkel oder eine Winkelgeschwindigkeit einer Achse. In Ruhestellung fallen die Kreisel- und Fahrzeugachsen zusammen.

Das Auswahlkriterium für die Ausgangs- bzw. Spinachse sind die um die Ausgangsachse erwarteten Winkelbeschleunigungen, die den Messwert verfälschen (Beispiel folgt).

490

Mechanische Dynamik

2.5.3.1 Messung inertialer Winkelgeschwindigkeiten Die selbsttätige Stabilisierung erfolgt durch Regelkreise, die die inertialen Rotationsgeschwindigkeiten kontrollieren (inertial: Bezug ist die eigene Massenträgheit). Das Messmittel für inertiale Winkelgeschwindigkeiten sind technische Kreisel. Das sind schnell rotierende Massen mit Antriebsmotor und elektrischen Ausgängen, deren Spannung oder Strom der Inertialgeschwindigkeit ihrer Plattform proportional ist. Das soll im Folgenden erklärt und simuliert werden. Wir beginnen mit der Erläuterung eines Regelkreises mit einem Kreisel als Messwandler. Danach folgt die Erklärung und Simulation des Kreisels selbst. Als Beispiel wählen wir die Stabilisierung einer Panzerkanone in der Höhe (Elevation). Das Stellglied ist hier ein Hydraulikzylinder. Die Stabilisierung in der Seite (Azimut) ist prinzipiell gleich, nur ist hier das Stellglied wegen der großen einzustellenden Winkel ein Ölmotor (Kapitel 12 Pneumatik). Die Stabilisierung der Panzerkanone ermöglicht die Auffassung und Bekämpfung eines Ziels während der Fahrt. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist hoch (>80%), da ein Aufsatzund Vorhaltrechner die Windgeschwindigkeit (quer) und die Relativgeschwindigkeit zum Ziel in Abhängigkeit von der gemessenen Entfernung berücksichtigt. Das Schießen aus der Fahrt vermindert außerdem die Wahrscheinlichkeit, selbst getroffen zu werden. Abb. 2-196: Der Stabilisierungsregelkreis für die Elevation hat folgenden Aufbau: Plattform (Wanne)

Kanone

Kreisel

Fahrtrichtung

Hydraulik inertiale WinkelGeschwindigkeit

RichtSchütze

+

+ -

Sollwert

M Regler

Abb. 2-196 Regelkreis zur Stabilisierung einer Panzerkanone in der Höhe (Elevation): Die Kanone soll, nachdem sie auf das Ziel ausgerichtet ist, in Ruhe bleiben, obwohl ihre Aufhängung (die Panzerwanne) sich während der Fahrt dreht. Wenn der Regelkreis funktioniert, stellt der Regler den Hydraulikzylinder immer so ein, dass er die Bewegung des Panzers ausgleicht.

Kreisel

491

Voraussetzung für die Stabilisierung der Richtung einer Kanone ist die Messung ihrer inertialen Geschwindigkeit, hier um die Querachse (Elevation). Der Regler vergleicht den Messwert (Istwert) mit dem vorgegebenen Sollwert und verstärkt die Differenz (den momentanen Einstellfehler) zum Stellsignal für den Hydraulikantrieb. So wird die Istgeschwindigkeit dem Sollwert, den der Kommandant oder Richtschütze vorgibt, angeglichen. Ist der Sollwert null, so verharrt die Kanone in ihrer inertial stabilen Lage, fast unabhängig von den Bewegungen des Panzers (hier der Plattform). Das ermöglicht die Beobachtung und Bekämpfung des Ziels während der Fahrt. Abb. 2-198 zeigt die Ausregelung einer rampenförmigen Störung in Abb. 2-196. Der Graph zeigt auch die nichtausgeregelte Restgeschwindigkeit (das Wackeln) der Kanone. Abb. 2-197 zeigt die Struktur des Regelkreises zur Stabilisierung der Elevation: om.Platt*s Störung(Plattform)

om.Soll*s

f.z 0,1 Hz z.max 10 rad/s

om.Soll*s Soll-Drehzahl

Regler

0

PI-i

K9 T 1 s

om.Ist*s

Delta om*s PT1T2

Drehmoment (Torque-Motor)

Ist-Drehzahl P

om.Soll*s

K 1 T1 1 s T2 0,1 s Mesung(Wendekreisel)

K1

Abb. 2-197 zeigt den Regelkreis zur Führung der Kanone in der Höhe. Der Kreis zur Führung der Kanone in der Seite hat die gleiche Struktur.

Vom Richtschützen wird der Geschwindigkeitssollwert so lange geändert, bis die Waffe auf das Ziel zeigt. Danach stabilisiert der Kreis die Lage der Kanone, so dass aus der Fahrt geschossen und getroffen werden kann. Abb. 2-198 zeigt die Ausregelung einer rampenförmigen Störung in Abb. 2-197: Der Graph zeigt die nichtausgeregelte Restgeschwindigkeit der Kanone.

Abb. 2-198 Regelkreis zur Waffenstabilisierung in der Höhe: Als Test wurde eine rampenförmige Bewegung der Plattform (Panzerwanne) angenommen.

492

Mechanische Dynamik

Um die Panzerkanone vollständig zu stabilisieren, muss für die Bewegung des Fahrzeugs in der Seite (Azimut) ein gleichartiger Regelkreis aufgebaut werden (Abb. 2-199). Die Messung der inertialen Winkelgeschwindigkeiten erfolgt durch einen Kreisel für jede zu stabilisierende Drehrichtung. Das soll nun simuliert werden.

Abb. 2-199 Kreiselplattform zur Messung der inertialen Elevations- und AzimutGeschwindigkeit

Ausrichtung der Kreisel Zunächst wird definiert, welche Geschwindigkeiten gemessen werden sollen. Bei einem Fahrzeug kann dies die Längsachse x für die Rollgeschwindigkeit, die Querachse y für die Nickgeschwindigkeit (Elevation) und/oder die Hochachse z für die Giergeschwindigkeit (Azimut) sein. Die Spinachse darf weder Eingangsachse (Empfindlichkeitsachse) noch Ausgangsachse sein. Die Ausgangsachsen der Kreisel sind durch Federn, die die Empfindlichkeit definieren, und Dämpfer an die Fahrzeugplattform gefesselt. Kreuzkopplungsfehler Zu zeigen ist, dass ein Kreisel nicht nur auf Geschwindigkeiten um seine Messachse, sondern auch auf Beschleunigungen um seine Querachse reagiert. Die dadurch entstehenden Messfehler heißen ‚Kreuzkopplungsfehler‘. Sie können durch Messung der Längsbeschleunigung herausgerechnet werden. Azimutkreisel (Abb. 2-199) Bei Drehungen um die Hochachse z Auslenkungen um die Querachse y.

reagiert der Wendekreisel mit

Elevationskreisel (Abb. 2-200) Bei Drehungen um die Querachse y Auslenkungen um die Längsachse x.

reagiert der Wendekreisel mit

Kreisel

493

Abb. 2-200 zeigt eine Plattform mit Kreisel zur Elevationsdrehzahl durch die Auslenkung des Kreiselrahmens:

Abb. 2-200 Wendekreisel zur Elevationsmessung suchenden Signale angibt

rechts: Vierpol, der die zu unter-

Die Daten des Wendekreisels Für unser Beispiel sind folgende Parameter des Wendekreisels bereits bekannt: Massenträgheitsmoment J.AA und Spin H.SA, Federkonstante c.F und Reibungskonstante c.R. Abb. 2-201: Die Sprungantwort einer Kreiselgeschwindigkeitsmessung: Die interessierenden Kreiseldaten sind: 1.

die Messkonstante: k.Mess = .Rahmen/Ω.Plattform = H.AS/c.F

t.0/2

2.

die doppelte Dämpfung: 2d = c.R/( J.AA∙c.F) Optimal ist 2d=1. Das lässt sich durch eine passende Reibungskonstante c.R einstellen.

tau.0

Gefordert wird der Messbereich, z.B. k.Mess = 1°/(°/s)=1s. Er kann durch die Federkonstante c.F eingestellt werden.

t.0

t/ms

0

Abb. 2-201 Messung einer inertialen Drehgeschwindigkeit durch einen Wendekreisel

494

3.

4. 5.

Mechanische Dynamik

die Eigenzeitkonstante T.0 = ( J.AA/c.F): Sie ist das Maß für die Langsamkeit des Drehzahlmessers ‚Kreisel’. Nach Abb. 2-201 ist ∙T.0 = t.0/2. Sie ist die nur bei schwach gedämpftem System durch eine Sprungantwort messbare, halbe Einschwingzeit t.0/2. der Störeinfluss: Wie die Berechnungen des Wendekreisels zeigen werden, erzeugen Beschleunigungen  der Ausgangsachse der Plattform ebenfalls Auslenkungen des Kreiselrahmens. Wie groß dieser Einfluss ist, muss ebenfalls berechnet werden. die Eingangsrückwirkung: Darunter ist das zur Bewegung der Kreiselplattform erforderliche Antriebsmoment zu verstehen. Man muss es kennen, um den Antriebsmotor, der zur Stabilisierung nötig ist, dimensionieren zu können.

Die Struktur eines Wendekreisels (Abb. 2-202) Die Berechnung der zuvor angegebenen Daten erfolgt am Übersichtlichsten aus der Struktur des Wendekreisels. Hier ist sie: phi.Ra/°

M.F/(N*cm) M.F

Längsachse x Hochachse z Querachse y

Legende: EA = Eingangs-Achse AA Ausgangs-Achse SA = Spin-Achse Pl = Plattform Ra = Kreiselrahmen

P

P

c.F 72 N*cm/rad

57,3 °/rad Skalenfaktor=1V/(°/s)

phi.Ra/rad

M.R/(N*cm) M.R P

I

Res&SyGl/V PT1

Reset

c.R 1,6 N*cm*s

n.Pl(EA)/(°/s)

.Pl(EA)/(rad/s)

M.A(AA)/(N*cm)

P

P

0,017 rad/°

H.SA 72 N*cm*s

M.B(AA)

1 s

Om.Ra/(rad/s)

Einheit P

I

Om.Ra/(°/s)

Reset

f0 0,05 Hz A 1

I Reset

Ti 1 s

.Pl(AA)

M:T(EA)/(N*cm) Om.Pl/(°/s)

M .A(AA)/(N*cm)

Einheit

0,017 rad/°

J.EA 0,05 N*cm*s² T1 0,01 s

n.Pl(AA)/(°/s)

P

DT1

H 0 °/s TD 0 s

M.Rü;EA/(N*cm) M.Rü

M .Pl(EA)/(N*cm)

57,3 °/rad

J.(AA) 0,036 /(N*cm*s²)

phi.Pl(EA)/°

k.RG 5,9 V/rad T.RG 0,1 s

P

H.SA 72 N*cm*s

Abb. 2-202 Struktur zum federgefesselten Kreisel nach Abb. 2-200: Sie zeigt, wie die Drehungen der Plattform um ihre Querachse y und ihre Hochachse z Auslenkungen um die Querachse y erzeugen.

Erläuterungen zur Struktur des Wendekreisels von Abb. 2-202: Der linke Teil berechnet das Antriebsmoment M.AA um die Ausgangsache des Kreisels. Es ist der Drehzahl n.P(PE) um die Eingangsachse EA proportional. Die Reaktionskräfte von Dämpfer und Feder an der AA halten dem Antriebsmoment das dynamische Gleichgewicht. Die Stärke der Feder (c.F) bestimmt die Auslenkung pro Drehzahl. Der Skalenfaktor (die Empfindlichkeit) des Drehzahlmessers und der Messbereich können durch c.F auf gewünschte Werte eingestellt werden. Die Stärke des Dämpfers (c.R) bestimmt die Dämpfung d des Drehzahlmessers. c.R sollte auf den Optimalwert d=1/2 eingestellt sein.

Kreisel

495

2.5.3.2 Die Frequenzgänge eines Wendekreisels Zu jedem Messsystem muss zweierlei bekannt sein: 1. Wie empfindlich es statisch ist: Dazu gehören der Skalenfaktor (Messwert/Messgröße), die Auflösung und die thermische Stabilität. 2. Wie schnell es ist: Seine dynamischen Eigenschaften beschreiben zwei Parameter, die Grenz- oder Resonanzfrequenz f.0 und die Dämpfung d. Nur wenn diese Punkte geklärt sind, kann entschieden werden, wo das Messsystem eingesetzt werden kann und wo nicht. Zur Ermittlung von f.0 und d muss der Frequenzgang eines Systems gemessen und berechnet werden. Nur wenn sie weitgehend übereinstimmen, ist das System verstanden. Dann kann überlegt werden, wie f.0 vergrößert und die Dämpfung d verbessert werden kann. Das soll nun für Wendekreisel gezeigt werden. Die komplexen Frequenzgänge von Wendekreiseln Frequenzgänge beschreiben das statische bzw. stationäre und das dynamische Verhalten von Systemen mit höchster Auflösung. Hier soll berechnet werden, wie sich ein Wendekreisel bei der Messung einer inertialen Winkelgeschwindigkeit um seine Empfindlichkeitsachse (Führung) und seine Unempfindlichkeitsachse (Störung) verhält. Als Testsignale dienen Sinusschwingungen um diese Achsen mit variierenden Frequenzen. Dann beschreiben Frequenzgänge das System ‚Wendekreisel‘. Gesucht wird die Empfindlichkeit der Winkelgeschwindigkeitsmessung (Abb. 2-203 und Abb. 2-204) und die Resonanzfrequenz f.0. Bei optimaler Dämpfung ist f.0 die Grenzfrequenz des Systems. Die Berechnung der Frequenzgänge des Kreisels erfolgt nach Abb. 2-204 wieder mit der Gl. 1-9 Gegenkopplungsgleichung (

)



Dazu werden die Vorwärts- und Rückwärtsfrequenzgänge F.V und F.R aus der Struktur für den Signalpfad vom jeweiligen Eingang zum gewünschten Ausgang abgelesen. F.V ist der direkte Signalpfad vom Eingang zum Ausgang einer Gegenkopplung. F.R ist der Pfad vom Ausgang zurück zum Eingang. Die Grundlagen zur Berechnung von Frequenzgängen wurden in Kap 3, Abschn. 1.2 gelegt. Hier folgt noch einmal die Beschreibung des Verfahrens in Kürze:   

Für die Berechnung eines Pfades sind alle anderen Eingänge gleich null zu setzen. Differenzierer werden im Frequenzbereich durch den Operator (∙ j), Integratoren durch den Operator (1/j) beschrieben. Den Frequenzgang in normalisierter Form erhält man durch Beseitigung der Doppelbrüche von j und Vorziehen einer eventuellen Proportionalitäts-konstante. Dadurch wird die 1=100%=0dB der Bezug für den Frequenzgang. Dadurch werden die Systemzeitkonstanten sichtbar.

496

Mechanische Dynamik

1. Drehzahlmessung Abb. 2-203 zeigt, dass bei Wendekreiseln die Auslenkung der Ausgangsachse eine Funktion der Winkelgeschwindigkeit um die Eingangsachse ist. Abb. 2-204 zeigt die Details dazu.

Wendekreisel bei Messung: Drehzahl um die EA erzeugt Auslenkung um die AA

.Pl(EA)

.Ra

WendeKreisel

rad/s

rad

Abb. 2-203 der Wendekreisel als Messer inertialer Drehzahlen

Abb. 2-204 zeigt die Struktur zur Frequenzgangmessung: M.F/(N*cm) P

c.F 72 N*cm/rad

F1

M.R/(N*cm) P

Om.EA((rad/s)

c.R 1,6 N*cm*s

.Pl(EA)/(rad/s)

M.A(AA)/(N*cm)

H 0,1

H.SA 72 N*cm*s

phi.Ra/rad

Om.SA/(rad/s)

P

I

I

Reset

Reset

J.(AA) 0,036 N*cm*s²

phi.Ra/rad

phi.Ra/rad

1 s

Abb. 2-204 Messung einer inertialen Drehzahl (~Winkelgeschwindigkeit) und Berechnung der dadurch entstehenden Auslenkung des Kreiselrahmens

Die Struktur der Winkelmessung ist die einer gedämpften Verzögerung 2. Ordnung: Die Federkonstante c.F bestimmt die Auslenkung pro N∙cm, das Massenträgheitsmoment J und die Federkonstante c.F bestimmen die Eigenfrequenz und die Reibungskonstante c.R bestimmt die Dämpfung. Der Frequenzgang zur Winkelgeschwindigkeitsmessung: Zusammenfassung der internen Gegenkopplung:

F .1 

1 c.R  j * J . AA

Gl. 2-63 zeigt die Proportionalität zwischen der Auslenkung der Ausgangsachse und der Winkelgeschwindigkeit um die Eingangsachse mit einer Verzögerung 2. Ordnung: Gl. 2-63 Frequenzgang der Präzessionsmessung

F .Mess 

.Ra H .SA / c.F  EA  Pl 1  j * (c.R / c.F )  ( j ) 2 * J . AA / c.F

Stationäre Konstante: k.Mess = .Ra/Ω.Pl = H.SA/c.F mit dem Kreiselspin H.SA = 72N∙cm∙s und c.F = 72N∙cm, ergibt k.Mess = 1s = 1°/(°/s)

Kreisel

497

Charakteristisch für die Kreiseldynamik ist der Nenner des Frequenzgangs. Er beschreibt eine Verzögerung zweiter Ordnung (P.T2)  

mit der Zeitkonstante einer Dämpfungszeit

T.0 = (J.AA/c.F) und T.D = c.R/c.F = 2d∙tau.0.

Zahlenwerte zu den Kreiselzeitkonstanten: Der -quadratische Term im Nenner liefert die Zeitkonstante tau.0 = (J.AA/c.F) hier mit J.AA = 0,036N∙cm∙s² und c.F = 72N∙cm, ergibt tau.0 = 22ms. Eigenperiode t.0 = 2∙T.0 = 0,14s - Eigenfrequenz f.0 = 1/t.0 = 7,3Hz Kreiseldämpfung Der -lineare Term im Nenner liefert die Dämpfung: 2d∙T.0 = c.R/c.F = c.R/(J.AA∙c.F). Für optimale Dynamik muss 2d = 1 sein. Damit kann die erforderliche Reibungskonstante angegeben werden: c.R = /(J.AA∙c.F), hier mit J.AA=0,05N∙cm∙s² und c.F=72N∙cm, ergibt c.R=1,6N∙cm∙s. Die bei der Berechnung des Messfrequenzgangs aufgetretene charakteristische Gleichung 1 ( P.T 2)  1  j * c.R / c.F  ( j )² * J . AA / c.F wird in den anschließend berechneten Frequenzgängen als Faktor (P.T2) abgekürzt. P.T2 dient zur Beschreibung der Begrenzung der Messgeschwindigkeit des Wendekreisels. Alle im Folgenden berechneten Vorgänge gelten für langsamere Variationen als .0 = 1/T.0, hier 45rad/s – entsprechend f.0  7Hz. Eine Sprungantwort zur Winkelgeschwindigkeitsmessung: Abb. 2-205: Die Winkelmessung durch die Absenkung des Kreiselrahmens hat die gleiche Dynamik (Eigenfrequenz, Dämpfung) wie die Geschwindigkeitsmessung.

tau.0

Abb. 2-205 Auslenkung des Ausgangsrahmens bei sprunghafter Änderung der inertialen Drehzahl um die Empfindlichkeitsachse

t.0/2

0

t.0

t/ms

498

Mechanische Dynamik

2. Störungsempfindlichkeit Wendekreisel sollen unempfindlich gegen Winkelgeschwindigkeiten um ihre Unempfindlichkeitsachse sein. Die folgende Rechnung zeigt, wie sie auf Winkelbeschleunigungen um diese Achse reagieren. Wendekreisel: Beschleunigung um die AA erzeugt Antriebsmoment und Auslenkung um die AA

.Pl(EA)=0

.Ra

WendeKreisel

rad/s

rad rad/s²

D D

rad/s

.Pl(AA)

.Pl(AA) TD 1 s

Abb. 2-206 Übersichtsstruktur zur Beeinflussung der Auslenkung des Kreiselrahmens durch Drehgeschwindigkeiten um beide Achsen

Abb. 2-207 zeigt die Struktur zur Störungsrechnung:

F1

.Pl(AA)/(rad/s)

phi.Ra/rad

phi.Ra/rad

I Reset

Om.Ra/(rad/s) I

M.R/(N*cm)

1s

P

Reset

J.(AA) 0,036 N*cm*s²

Om.Ra/(rad/s)

c.R 1,6 N*cm*s

M.F/(N*cm) P

I Reset

c.F 72 N*cm/rad

J.(AA) 0,036 N*cm*s²

Abb. 2-207 Wendekreisel: Messfehler durch Querbeschleunigungen

Frequenzgang für Störung: Zusammenfassung der internen Gegenkopplung: F .1 

F .Stör 

j * J . AA c.R  j * J . AA

.Ra  j * J . AA / c.F * ( P.T 2)  PlAA

Die Winkelbeschleunigung .Pl um die Ausgangsachse ist die differenzierte Geschwindigkeit Ω.Pl: .Pl = j∙Ω.Pl

F .Stör * 

.Ra  J . AA / c.F * ( P.T 2)  PlAA

Der Vorfaktor J.AA/c.F zeigt die Proportionalität zwischen der Auslenkung des Kreiselrahmens und der Beschleunigung um die Ausgangsachse: k.Stör = J.AA/c.F , hier mit J.AA = 0,05N∙cm∙s² und c.F = 72N∙cm. Das ergibt k.Stör = 0,007s² = 0,7mrad/(rad/s²).

Kreisel

499

Sprungantwort bei Störung: Abb. 2-208 zeigt die mit Abb. 2-207 simulierte Auslenkung der Ausgansachse eines Wendekreisels bei sprunghafter Änderung der Winkelgeschwindigkeit um die Eingangsachse. Abb. 2-208 Nur beschleunigte Bewegungen der Kreiselplattform erzeugen Bewegungen der Messachse des Kreisels. Zeit t/ms

3. Rückwirkung (Abb. 2-209) Die Rückwirkung des Wendekreisels berechnet das um die Eingangsachse der Plattform (hier y) auftretende Drehmoment M.Pl(EA). Das ist nötig, um eventuell benötigte Antriebe der Kreiselachsen (Torquemotoren) dimensionieren zu können. Für unser Beispiel der Panzerkanone ist das Eingangsmoment jedoch uninteressant, denn dessen Masse ist groß gegen die des Kreisels. Das muss jedoch nicht immer so sein. Dann muss M.Pl(EA) bekannt sein. Die folgenden Berechnungen zur Rückwirkung beim Wendekreisel sind nicht ganz einfach. Leser, die momentan an Details nicht interessiert sind, können sie überspringen. Andererseits ist die Berechnung der Kreiselrückwirkung ein gutes Beispiel dafür, dass komplizierte Berechnungen durch Strukturen übersichtlich durchgeführt werden können. Sie stufen ein Problem aus der Kategorie ‚kompliziert’ in die Kategorie ‚aufwändig’ zurück. Außerdem übt das Beispiel bei der Verlegung von Verzweigungs- und Summierstellen. Wie die Struktur des Wendekreisels zeigt, kann das auf die Eingangsachse der Plattform rückwirkende Moment M.Pl(EA) zwei Ursachen haben: 1. 2.

die Geschwindigkeit der Plattform um die Eingangsachse Ω.Pl(EA) und die Geschwindigkeit der Plattform um die Eingangsachse Ω.Pl(AA).

Rückwirkungen beim Wendekreisel

.Pl(EA) rad/s N*cm

M.Pl(EA)

WendeKreisel

rad/s

.Pl(AA)

Abb. 2-209 Beim Wendekreisel existieren zwei Rückwirkungen auf das Moment um die Eingangsachse: eine durch die Eingangsdrehung selbst und eine zweite, über den Kreisel von der Ausgangsdrehung. Um ihre Bedeutung beurteilen zu können, müssen sie berechnet werden.

500

Mechanische Dynamik

Das Ergebnis der anschließenden Berechnungen sei vorweg genommen: Gl. 2-64 Rückwirkung bei einem Wendekreisel

  H .SA  c.R   M .Pl ( EA)  H .SA * 1  j  * .Pl ( EA)  1  j  * .Pl ( AA) c.F  c.F     Das eingangsseitig an der Plattform aufzubringende Drehmoment ist danach proportional zu den Winkelgeschwindigkeiten der Eingangs- und der Ausgangsachse. Der minimale Anteil für konstante Geschwindigkeiten ist H.SA∙Ω. In unserem Beispiel ist H.SA = 72N∙cm∙s. Bei Ω =1rad/s = 57°/s beträgt M.Pl(EA) = 72N∙cm pro Achse. Frequenzgang und Sprungantwort eines Wendekreisels Zur Beurteilung der Statik (Skalenfaktor) und Dynamik (Dämpfung) eines Wendekreisels kann sein Frequenzgang berechnet oder seine Sprungantwort gemessen werden. Mit seiner Struktur lässt sich beides simulieren. Struktur zur Rückwirkung von Wendekreiseln: (Abb. 2-210) Um einen Eindruck von der Komplexität der Berechnung dieser Teileinflüsse zu bekommen, verfolgen Sie bitte die Signalpfade Ω.Pl(EA) → M.Pl(EA) und Ω.Pl(EA) → M.Pl(EA) in der Kreiselstruktur. Das Ergebnis sieht so aus: .Pl(EA)/(rad/s)

M.A(AA)/(N*cm) P

P

H 0,1

H.SA 72 N*cm*s

c.F 72 N*cm/rad

M.F/(N*cm)

M.A

phi.Ra/rad

.Pl(AA)/(rad/s)

I Reset

P1

Om.Ra/(rad/s)

M:T(EA)/(N*cm)

M.R/(N*cm)

I

P2

P

J.(AA) 0,036 N*cm*s²

M.Pl(EA)/(N*cm)

H 0,1

Reset

DT1

J.EA 0,05 N*cm*s² T1 0,01 s

1 s

Om.Ra-Pl

c.R 1,6 N*cm*s

M.Rü(EA)/(N*cm) P

VZ Om.Ra/(rad/s)-inertial

H.SA 72 N*cm*s

Abb. 2-210 Die Rückwirkungsstruktur des Wendekreisels: Sie wurde nach der oben angegebenen Basisstruktur gezeichnet. Sie zeigt eine Parallelschaltung P1 am Eingang und eine weitere P2 am Ausgang. Wegen der Verzweigungsstelle VZ ist diese Struktur nicht direkt zu berechnen.

Erläuterungen zu Abb. 2-210: Variiert die Winkelgeschwindigkeit mit der Frequenz  (=>Beschleunigung), so erhöht sich das erforderliche Eingangsmoment – und zwar ab Grenzfrequenzen .gr, die für die Eingangs- und Ausgangsachse verschieden sind. Sie werden aus den Zeitkonstanten der D-Anteile im Frequenzgang M.Pl(EA) errechnet. Eingangsachse: T.EA = H.SA/c.F → .gr(EA) = c.F/H.SA hier mit H.SA = 72N∙cm∙s und c.F = 72N∙cm ergibt T.EA = 1s → .gr(EA) = 1/s → f.gr(EA) = 0,16Hz Ausgangsachse: T.AA = c.R/c.F → .gr(EA) = c.F/c.R, hier mit c.F = 72N∙cm∙s und c.R = 1.9N∙cm, ergibt .gr(AA) = 37/s → f.gr(AA) = 6Hz.

Kreisel

501

Die Grenzfrequenz für Beschleunigungen der Ausgangsachse ist hier 37 mal höher als für die der Eingangsachse. Liegen die Beschleunigungen um beide Achsen in der gleichen Größenordnung, so kann der Anteil der Ausgangsachse vernachlässigt werden. Um die Struktur im Zeitbereich simulieren zu können, wurde die Differenzierung der Eingangsgeschwindigkeit zur Beschleunigung durch einen Differenzierer mit kleiner Verzögerung angenähert (T.1 = 0,01s). Das entspricht auch der Realität, in der keine idealen Sprünge vorkommen können. Abb. 2-211: Um die Rückwirkungsstruktur berechenbar zu machen, muss die Verzweigungsstelle VZ in einen Eingangs- und einen Ausgangszweig aufgespalten werden. Das Ergebnis sieht so aus: M.A(AA)/(N*cm) P

.Pl(EA)/(rad/s)

M.A(AA)/(N*cm)

H 0,1

H.SA 72 N*cm*s

P

.Pl(AA)/(rad/s)

M.A

.Pl(AA)

H.SA 72 N*cm*s

H 0,1

M.A

F.EA

P1

F.AA

M:T(EA)/(N*cm) DT1

J.EA 0,05 N*cm*s² T1 0,005 s

M.Rü(EA)/(N*cm)

M.Pl(EA)/(N*cm)

P

H.SA 72 N*cm*s

Om.Ra/(rad/s)-inertial

Abb. 2-211 Die aufgelöste Rückwirkungsstruktur eines Wendekreisels: Die Verzweigungsstelle wurde durch zwei noch zu berechnende Frequenzgänge F.EA und F.AA nachgebildet. Dadurch enthält die Struktur nur noch direkt zusammenfassbare Teilstrukturen, die sich nach den bekannten elementaren Regeln zusammenfassen lassen.

Die Berechnung des Eingangsmoments aus den Drehzahlen der Plattform um die Eingangs- und Ausgangsachse erfolgt danach durch die Gleichung

M .Pl ( EA)  F ( P1)  H .SA² * F.EA* .Pl ( EA)  F. AA * H .SA * .Pl ( AA) Berechnung der Teilfrequenzgänge: 1. F ( P1)  H .SA  j * J .EA 2. F ( P2)  c.F / j  c.R 3. 4. 5. 6.

F.EA  j / c.F * ( P.T 2)

F.AA  (1  j * c.R / c.F ) * ( P.T 2) der Eingangsanteil zur Rückwirkung M.Pl(EA→EA) = F(P1) + H.SA²∙F.EA = H.SA ∙ [(1 + j∙(J.EA/H.SA + H.SA/c.F)]  H.SA ∙ [1 + j∙ H.SA/c.F] hier mit J.EA/H.SA = 0,7ms und H.SA/c.F = 1s der Ausgangsanteil zur Rückwirkung M.Pl(AA→EA) = F.AA ∙ H.SA = H.SA ∙ (1+j∙c.R/c.F) ∙ (P.T2) - hier mit c.R/c.F = 26ms

502

Mechanische Dynamik

Daraus erhalten wir zuletzt die Näherung der gesamten Rückwirkung:

  H .SA J .EA  c.R    )  * .Pl ( EA)  1  j M .Pl ( EA)  H .SA * 1  j * (  * .Pl ( AA) c . F H . SA c . F      Wie die Zahlenwerte zeigen, ist der Trägheitsterm J.EA/H.SA vernachlässigbar. Für unser Beispiel ergibt sich dann

M .Pl ( EA)  72N * cm * s * (1  j *1s) * .Pl ( EA)  (1  j * 0,026s) * .Pl ( AA) Die beiden Zeitkonstanten markieren die Grenzfrequenzen des Proportionalbereichs, in dem die Beschleunigung noch keine Rolle spielt: für die Eingangsachse 1/1s entsprechend 0,16Hz, für die Ausgangsachse 1/0,026s – entsprechend 6,1Hz. Sprungantworten zur Rückwirkung des Wendekreisels (Abb. 2-212)

Zeit t/ms

Abb. 2-212 links: Drehmoment um die Eingangsachse bei sprunghafter Änderung der Drehzahl - rechts: kurzzeitige Bewegung des Rahmens bei sprunghafter Drehzahländerung der Plattform

Die Daten des Torquemotors: Zur Stabilisierung der Ausgangsachse erhält diese einen Torquemotor als Antrieb. Zu berechnen ist dessen Größe, ausgedrückt durch Drehmoment und Leistung. Tritt um beide Achsen gleichzeitig eine konstante Winkelgeschwindigkeit Ω =1rad/s = 57°/s auf, ergibt dies das Eingangsdrehmoment M.Pl(EA) = 2 ∙ H.SA ∙ 1rad/s, hier 144N∙cm∙s. Die Leistung des Motors ist P.Mot = M ∙ Ω, hier 144mW. Dazu käme etwa das Gleiche als Leistungsreserve für Beschleunigungen. Zur Erinnerung: Die Masse der Plattform mit Kreisel (ohne Motor) wurde in unserem Beispiel mit 0,2kg angenommen.

Kreisel

2.5.4

503

Der Kreiselkompass

Kompasse zeigen die Richtung nach Norden an. Sie dienen in der Schifffahrt zur Anzeige des Kurses. Kompassnadeln sind leichte Dauermagnete, die auf einer Spitze drehbar gelagert sind. Sie richten sich an der Erdoberfläche zum magnetischen Nordpol aus (Abb. 2-213). In allen magnetisch abgeschirmten Räumen (z.B. U-Booten und in Tunneln weit unter der Erde) sind sie nicht zu gebrauchen. Das führte Anfang des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung des Kreiselkompasses. Er funktioniert nach dem Trägheitsgesetz und ist deshalb von magnetischen Feldern unabhängig. Allerdings hängt die Nordweisung von Kreiselkompassen wie die von Magnetnadeln von der geographischen Breite ab: Die Genauigkeit ist am Äquator am besten und wird mit der Annäherung an die Pole immer schlechter.

Fahrt

Spinachse Nordpol

Magnetnadel

Abb. 2-213 Kreiselkompass: Die Spinachse liegt in der Horizontebene und zeigt nach Norden.

Magnetischer und geographischer Nordpol Abb. 2-214 zeigt die Ausrichtung einer Magnetnadel zum magnetischen Nordpol der Erde. Er ist durch den Austritt der Magnetkennlinien des Erddynamos festgelegt. Der Erddynamo entsteht durch die Rotation des erkaltenden Eisens im Erdmantel. Er ändert seine Lage in geologischen Zeiträumen (einige 100000 Jahre). Z.Z. befindet er sich im Norden von Kanada. Der magnetische Nordpol kippt in unregelmäßigen Abständen um (Nord wird Süd und Süd wird Nord). Die Richtung des Erdmagnetfeldes im Laufe der Jahrtausende wird durch Eisenteilchen in Gesteinsproben (Mikrokompasse) von erkalteter Lava bestimmt. Kreiselkompasse richten ihre Spinachse auf den geographischen Nordpol aus. Er ist durch die Rotation der Erdachse festgelegt. Sein Abstand vom magnetischen Nordpol sind z. Z. einige 100km. Die Funktion des Kreiselkompasses hängt von der geographischen Breite ab. Abb. 2-214 zeigt, was das ist. Abb. 2-214 Längen- und Breitengrade: Der Meridian ist die Mittagslinie, auf der sich ein Kreiselkompass nach Norden ausrichtet.

504

Mechanische Dynamik

2.5.4.1 Aufbau und Funktion des Kreiselkompasses Die Funktion des Kreiselkompasses soll erklärt und simuliert werden. Dadurch wird berechnet, wie genau und schnell er sich nach Bewegungen der Plattform, auf der er montiert ist, nach Norden ausrichtet und wie stabil das System ‚Plattform & Kreisel‘ ist. Ein Ziel der Kreiselentwicklung ist seine dynamische Optimierung. Gezeigt werden soll, wie sie durch geeignete Dämpfung erreicht wird. Anschaulich demonstriert wird das Verhalten eines sich auf einer Plattform drehenden Kreisels durch https://av.tib.eu/ ein Video bei TIB AV-Portal unter https://doi.org/10.3203/IWF/C-14831#t=01:32,01:32

Spinachse

Horizontale

Normale

Dort wird das Verhalten eines rotierenden Rades bei Rotation um ein Zentrum gezeigt. Hier soll solch ein System anhand des Kreiselkompasses erklärt werden – und zwar so, dass sein Verhalten damit simuliert werden kann. Abb. 2-215 Demonstration eines Kreiselkompasses

Die mechanisch einfachere Variante des Kreiselkompasses ist der Kurskreisel (Abb. 2-216). Bei ihm ist der Kreiselrahmen starr mit dem Fahr- oder Flugzeug verbunden. Das bedeutet, dass er den Kurs nur bei waagerechter Lage richtig anzeigt. Kurskreisel zeigen wie magnetische Kompasse nur die Richtung in der Horizontebene an. Sie sind einfacher zu installieren als zwei einzelne Kreisel. Die Simulation wird zeigen, dass Kurskreisel, wie Kreiselkompasse auch, den Kurs nur bei Vehikeln richtig anzeigen, deren Richtung sich nur langsam ändert, z.B. Schiffe und Flugzeuge. Um beurteilen zu können, was ‚langsam‘ bedeutet, muss die Eigenperiode des Kurskreisels oder Kreiselpompasses gemessen oder simuliert werden.

Abb. 2-216 kreisels

Anzeige eines Kurs-

Kreisel

505

Zur Funktion eines Kreiselkompasses Kreiselkompasse sind so aufgehängt, dass sich ihre Spinachse nur in der Horizontebene frei bewegen kann. Nur wenn der Spin der Erdachse H.Erde und die Komponente H.anti des Kreiselspins H.Krs antiparallel rotieren, befindet sich das System ‚Erde-Kreisel‘ im energetischen Minimum. Abb. 2-217 veranschaulicht diesen Fall. Abb. 2-217 zeigt die Antiparallelstellung der Komponente des Kreiselspins zur Erdachse. Zu zeigen ist, dass dadurch ein Drehmoment um die Hochachse des Kreisels entsteht, das seine Spinachse nach Norden ausrichtet.

H.anti

Abb. 2-217 Minimierung der Rotationsenergie des Systems ‚Erde-Kreisel‘ bei horizontalem Kreiselspin H.Krs: Die zum Erdspin H.Erde parallele Komponente H.anti des Kreisels rotiert antiparallel. Das entspricht der Anziehung von Nord- und Südpolen zweier Magnete.

Durch ein Drehmoment um die Hochachse wird der Kreisel nach Norden ausgerichtet. Es entsteht durch die zur Erdachse parallele Komponente der Spinachse. Sie ist am Äquator maximal und am Nordpol null. Dort kann die Spinachse in jede beliebige Richtung zeigen. Abb. 2-218 der eingenordete Kreiselkompass: Die Spinachse hat sich durch das Gewicht der Plattform selbsttätig in die Horizontebene gedreht.

Erdachse

H.Erde

Breitengrad

Kreiselkompass Plattform (Gehäuse)

Ost Horizontebene

Nord Spinachse

Süd West

Nur bei Nordrichtung der horizontal gestellten Spinachse ist der Kreisel in Ruhe. Warum sich die Spinachse stationär nach Norden einstellt, soll zuerst erklärt und simuliert werden. Dadurch können wir das zeitliche Verhalten (die Dynamik) bei der Ausrichtung der Spinachse erkennen. Durch die Kreiseldynamik (z.B. eine Sprungantwort bei Änderung der Ausrichtung der Plattform) kann gezeigt werden,   

wie schnell ein Kreiselkompass auf Störungen der Plattform reagiert, wie genau er die Nordrichtung anzeigt zeigt und wo Kreiselkompasse einsetzbar sind und wo nicht.

506

Mechanische Dynamik

Militärische Anwendungen des Kreiselkompasses Militärtechnik war zu allen Zeiten ein Antrieb für den technischen Fortschritt. Das gilt insbesondere für die Kreiseltechnik, z.B. in  Torpedos  Raketen (V2)  Lenkbomben. Darin dienen Wendekreisel zur Stabilisierung der Lage von Vehikeln und Kurskreisel zur Stabilisierung ihrer Flugbahn. Quelle: Prof. Jörg Wagner, Institut für Raumfahrtsysteme, Universität Stuttgart - Leihgabe von Gustav Thorban, Satteldorf.

Abb. 2-219 "Geradlaufapparat" in Torpedos aus dem ersten Weltkrieg

In Abb. 2-220 zeigt Thomas Hietschold die Funktion des Kurskreisels für die Nationale Volksarmee der 1990 untergegangenen DDR: http://www.nva-flieger.de/index.php/technik/instrumente/kreisel.html Präzession horizontal

Horizontrierung Einnordung

HA Kipp m.Krs n.Krs

Gier

SA

(gieren um die HA) Präzession vertikal

(nicken um die QA)

QA

QA

m.Plat

Kurskreisel M.Plat

1. Horizontrierung 2. Einnordung

LA

Abb. 2-220 Die Messgrößen zur Erklärung der Horizontrierung und Einnordung der Spinachse bei einem Kreiselkompass

Durch Simulation wird das Verhalten technischer Systeme berechenbar. Das soll hier am Beispiel des Kreiselkompasses gezeigt werden. Mit Abb. 2-220 wollen wir zeigen, 1. 2.

dass sich die Spinachse zuerst durch das Gewicht der Plattform, bzw. ihr Drehmoment M.Plat um die Querachse, in die Horizontebene dreht und dass sich die Spinachse danach nach Norden ausrichtet, d.h. auf der Meridianlinie liegt.

Dazu müssen die dabei auftretenden Achsen und Winkel Namen erhalten.

Kreisel

507

Die drei Achsen eines Kreiselkompasses Drei Winkel mit Namen aus der Luft- und Seefahrt beschreiben die Drehung von Körpern um ihre (gedachten) Achsen: Sie heißen Roll-, Nick- und Gierwinkel: 1. 2. 3.

Nicken (in der Schifffahrt Stampfen) ist die Drehung um die Querachse QA. Gieren ist die Drehung um die Hochachse HA. Rollen ist die Drehung um die Längsachse LA.

SA = Spinachse des Kreisels HA = Hochachse der Plattform QA = Querachse der Plattform LA = Längsachse der Plattform

Azimut (Seite)

SA

Kurs = Winkel zwischen LA und Meridian, auf den sich die SA einstellt, in der Horizontebene

M.Plat

Elevation θ (Ele) = Drehung der Plattform in der Höhe

Elevation (Höhe)

QA

Azimut φ (Azi )= Drehung der Plattform in der Seite

HA

Kipp- oder Nickwinkel θ = Drehung der Plattform um die QA

Abb. 2-221 passes

die Hauptachsen eines Kreiselkom-

Azimut

Kurs

Hochachse

Die Messgrößen eines Kreiselkompasses Abb. 2-222 zeigt die zur Berechnung von Kreiselkompassen benötigten Messgrößen und Parameter. Ihre Namen sind so gewählt, dass sie möglichst selbsterklärend sind. Eine Kurzbeschreibung folgt in der anschließenden Legende.

Azi

Elevation

Drehpunkt Plattform

Plattform

Ele

Plattform QA Spinachse

Kreiselkompass Abb. 2-222 Kreiselkompass mit seinen Messgrößen

zum Erdmittelpunkt

508

Mechanische Dynamik

Legende zur Berechnung des Kreiselkompasses Die folgende Legende beschreibt die zur Simulation des Kreiselkompasses benötigten Parameter und Messwerte. Sie soll Ihnen zum Nachschlagen beim Studium der hier verwendeten Strukturen dienen. 1.

eps (ε) =eps.Gier-eps.Kip ist die Schrägstellung der Spinachse. Sie besteht aus zwei Anteilen: eps.Roll um die Längsachse und eps.Nick um die Querachse QA.

2.

Azimut = Seitendrehung in ° oder rad =57,3°

3.

Elevation = Winkel gegen die Horizontebene

4.

Breite = Breitengrad = Winkel gegen die Äquatorebene

5.

Om.Roll = Winkelgeschwindigkeit (Ω in rad/s) um die Längsachse (Vorausrichtung)

6.

Om.Ele = Winkelgeschwindigkeit um die Querachse = Winkelgeschwindigkeit zwischen Kreiselachse und Plattform in der Höhe (Horizont)

7.

Om.Azi = Winkelgeschwindigkeit um die Hochachse

8.

n.Azi = Drehzahl der Plattform um die Hochachse in Umdrehungen pro Minute (Upm) = 2πrad/60s≈0,1rad/s

9.

n.Ele = Drehzahl der Plattform um die Querachse in Upm

10. G.Plat=g·m.Plat - Gewicht der Plattform mit der Erdbeschleunigung g=9,81m/s² 11. R.Plat Höhe der Plattform –Abschätzung: D.Krs=R.Plat/2 -> R.Krs=R.Plat/4 12. M.max = G.Plat·R.Plat = Drehmoment der Plattform am Äquator 13. M.Plat = G.Plat·R.Plat - M.max·cos(Breite) ist am Äquator maximal und wird am Nordpol (Breite = 90°) null. 14. Massenträgheitsmoment J.Krs = m.Krs·R.Krs²/2 = m.Trägheit/Winkelbeschl. 15. Kreiselspin H.Krs=J.Krs·Om.Krs; Om.Krs/(rad/s)=n.Krs/Upm; Upm≈0,1rad/s 16. Ele(vation) = Winkel der Spinachse um die Querachse der Plattform 17. Om.Azi = Winkelgeschwindigkeit der Spinachse um die Hochachse der Plattform 18. Kreiselspin H.Krs = J.Krs·Om.Krs – Er soll nur so groß wie nötig sein (Abb. 2-170). 19. M.Nick = Drehmoment um die Querachse: Sie führt zur Präzession der Spin-achse um ihre Hochachse: Om.Gier(Nick) = M.Nick/H.Krs. 20. M.Roll = Drehmoment um die Längsachse: Auch das führt zur Präzession der Spinachse um ihre Hochachse: Om.Gier(Roll) = M.Roll/H.Krs. 21. M.Breite = M.max·cos(Breite) = Drehmoment zur Nordausrichtung der Spinachse Diese Messgrößen des Kreiselkompasses müssen durch eine Struktur verknüpft werden. Im Vorgriff auf die nun folgenden Erläuterungen zeigt das Abb. 2-223. Damit steht ein Modell zur Verfügung, mit dem das stationäre und dynamische Verhalten eines Kreiselkompasses untersucht werden soll.

Kreisel

509

Der stationäre Zustand eines Kreiselkompasses Wir beginnen die Simulation des Kreiselkompasses mit der Berechnung des eingeschwungenen Zustands. Kennzeichen: alle Winkelgeschwindigkeiten (außer die der Spinachse) sind null. Wegen der Komplexität der Berechnung des Kreiselkompasses hat der Autor die in Abb. 2-235 angegebene Gesamtstruktur des Kreiselkompasses in drei Anwenderblöcke aufgeteilt. Mit ihr soll zunächst das stationäre Verhalten des Kreiselkompasses berechnet werden. Abb. 2-223 zeigt diese Blöcke und ihre Verknüpfungen. Die internen Strukturen dazu erklären wir im Anschluss. SA.Azi/°

H.Krs/Nms

eps.Nick/rad

Krs-Kompass Horizont n.Nick/Upm

M.Azi/Nm c.Rbg/Nms

c.Rbg/Nms 5

M.Rbg/Nm M.max/Nm

Om.Azi/(rad/s)

n.Krs/kUpm 20 M.max/Nm H.Krs/Nms

Präzession um die HA n.Gier/Upm K 100 Om.Azi/(rad/s)

n.Krs/kUpm

Plattform

J.Krs/N*mm*s²

H.Krs/Nms

1

R.Plat/cm

R.Plat/cm 12

eps.Gier/°

Nordzeiger

K 57,3 °/rad

eps.Gier/rad

eps.Roll/rad

eps.Nick/rad

m.Krs/kg

m.Krs/kg

Breite/°

Krs-Kompass Norden

Breite/° 45

M.max/Nm M.Ele/Nm

Abb. 2-223 Blockstruktur zur Simulation eines Kreiselkompasses: Messwerte stationär

1. 2. 3.

Krs-Kompass ‚Plattform‘: Hier werden wichtige, zur Simulation des Kreiselkompasses benötigte Parameter, berechnet: Massenträgheitsmoment J.Krs und maximales Drehmoment M.max der Plattform. Krs-Kompass ‚Horizont‘: Hier wird die Einregelung der Kreiselplattform in die Horizontebene berechnet. Krs-Kompass ‚Norden‘: Hier wird die Ausrichtung der Spinachse nach Norden berechnet (Nordzeiger). Dabei wird davon ausgegangen, dass sie sich in der unter Pkt. 2 berechneten Horizontebene bewegt.

Nachfolgend sollen die internen Strukturen der Blöcke ‚Norden‘, ‚Plattform‘ und ‚Horizont‘ erklärt werden. Aus ihrer Zusammenfassung ergibt sich die in Abb. 2-235 gezeigte Gesamtstruktur des Kreiselkompasses.

510

Mechanische Dynamik

zu 1: Der Kreiselblock ‚Plattform‘ Für Simulationen müssen alle Parameter einer Struktur angegeben werden. Wenn sie nicht genau bekannt sind, müssen sie aus der Größe des Systems abgeschätzt werden. Das soll hier für den in Abb. 2-224 gezeigten Kreiselkompass getan werden. 

Plattform Plat mit der Höhe R.Plat=12cm

Kreisel Krs mit dem  Radius R.Krs = R.Plat/4 und  der Masse m.Krs=1kg

Bei Systemanalysen kommt es in erster Linie auf den Algorithmus, d.h. die Richtigkeit der die Struktur an. Die Genauigkeit, mit der die Parameter bekannt sind, ist dagegen zweitrangig. Die Parameter zum Kreiselkompass Die Struktur eines Kreiselkompasses (Abb. 2-224) verwendet folgende Parameter:  Zur Berechnung der Präzession OM(=Ω)=M/H von Drehmomenten M wird der Kreiselspin H.Krs=J.Krs·Om.Krs gebraucht. Darin ist J.Krs·R.Krs/2 das Massenträgheitsmoment des Kreisels und die Kreisdrehzahl Om.Krs=2π·n/60 mit der Drehzahl n in Upm=2πrad/60s.  Zur Horizontrierung der Spinachse wird das Drehmoment M.max=R.Plat·R.Plat·g gebraucht – mit der Erdbeschleunigung g=9,81m/s². Abb. 2-224 zeigt die Struktur des Blocks ‚Plattform‘ zur Berechnung der Konstanten der Kreiselplattform: J.Krs/N*mm*s²

m.Krs/kg g 9,81 m/s²

M.max/Nm

R.Plat/cm

G.Krs/N

M.max/Nm

J.Krs/N*mm*s²

K 0,05

Plattform

K 0,01

R.Krs/cm

(R.Krs/cm)²

K 0,25

H.Krs/Nms

Kreisel

H.Krs/Nms Om.Krs*s

n.Krs/kUpm

K 0,001 K 100

Quelle: https://www.ostron.de/Mechanik/Gyrokompass-Mutterkompass-Kreisel-LEAR-Inc.html Abb. 2-224 links: die interne Struktur des Anwenderblocks ‚Plattform‘ in Abb. 2-223 – rechts: Der Kreisel in der Plattform

Erläuterungen zu Abb. 2-224:  oben die Berechnung des Massenträgheitsmoments J.Krs=m.Krs·R.Krs²/2 der Kreisels um seine Längsachse (=Spinachse)  in der Mitte die Berechnung des maximalen Drehmoments der Plattform am Äquator (Breite=0°, cos(Breite)=0): M.max=R.Plat·m.Plat·g und  unten die Berechnung des Drehimpulses (Spin) des Kreisels: H.Krs=J.Krs·Ω.Krs mit der Winkelgeschwindigkeit Ω·s≈·n/10Upm oder kUpm=100rad/s

Kreisel

511

zu 2: Der Kreiselblock ‚Horizont‘ Bei seitlicher Auslenkung der Kreiselachse um die Hochachse macht die Spinachse eine Nickbewegung um ihre Querachse. Der Block von Abb. 2-225 berechnet den zugehörigen Nickwinkel eps.Nick.

SA.Azi/°

H.Krs/Nms

eps.Nick/rad

M.Azi/Nm c.Rbg/Nms

Krs-Kompass Horizont

M.Rbg/Nm

n.Nick/Upm

M.max/Nm

Om.Azi/(rad/s)

Abb. 2-225 Der Block ‚Horizont‘ mit seinen Ein- und Ausgangsgrößen

Abb. 2-220 hat gezeigt, wie aus der Abweichung der Spinachse SA.Azi von ihrer Idealrichtung in der Horizontebene ein Nickwinkel eps.Kip wird. Ursache ist das durch das Gewicht der Plattform entstehende Drehmoment M.Plat. Abb. 2-226 zeigt die Berechnung des Nickwinkels eps.Nick als Funktion der Gierdrehzahl Om.Azi. Schrägstellung der Spinachse SA durch Rollen und Nicken

Drehmomente lassen die SA um die Hochachse HA präzedieren

Schrägstellung der SA erzeugt Drehmomente SA.Azi/°

M.Rbg/Nm

Nordzeiger->0°

Nordrichtungder SA/° Drehmoment um die Hochchse K 57,3 °/rad M.Azi/Nm sin(Azi)

Präzession um die HA richtet die SA nach Norden aus

M.Azi/Nm

sin

Referenz für den Azimutwinkel ist die Nord-Süd-Richtung.

Präzession um die Querachse M.Rbg/Nm M.Rbg/Nm

c.Rbg/Nms

PT1

eps.Nick/°

T 0,1 s

eps.Nick/rad

Om.Nick*s 1

SA.Azi/rad

K 10

Hold

n.Nick /Upm

Reset Hold

zur Stabilisierung der Spinachse in der Horizontalen

Om.Azi/(rad/s) H.Krs/Nms

I Reset

eps.Nick/rad

I

2

M.max/Nm

K 57,3 °/rd

Präzession um die Hochchse

n.Nick/Upm

Kreiselplattform von oben

Abb. 2-226 Berechnung der Auslenkung des Nickwinkels der Spinachse aus ihrer seitlichen Auslenkung und dem durch das Gewicht der Plattform gebildeter Drehmoment M.Plat

Die horizontale Präzession der Spinachse nach Norden Wenn die Kreiselachse in der Horizontalen liegt, wirkt um die Hochachse ein Drehmoment, das sie nach Norden ausrichtet. Nun soll gezeigt werden, dass diese Drehbewegung zwei Ursachen hat: 1. 2.

die Rollbewegung um die Längsachse und die Nickbewegung um die Querachse.

Abb. 2-226 zeigt, wie aus dem Kippen und Nicken der Plattform eine Schrägstellung ε der Spinachse gegen die Horizontebene wird. Beim Block ‚Norden‘ wird gezeigt, wie daraus eine Präzession nach Norden wird. Abb. 2-228 zeigt, dass ε zwei Anteile ε.Kip und ε.Roll hat.

512

Mechanische Dynamik

zu 3: Der Kuskreiselblock ‚Norden‘ Wie sich die Spinachse des Kreisels durch das Gewicht der Plattform in die Horizontebene einstellt, haben wir vorher gezeigt. Hier soll gezeigt werden, warum und wie sie in die Nord-Süd-Richtung präzisiert. Dabei ist zu zeigen, dass die Stärke, mit der das erfolgt, am Äquator maximal und an den Polen null ist. D.h., die Einnordung wird mit dem Cosinus der geographischen Breite immer schwächer (ungenauer) und langsamer.

eps.Gier/rad

Om.Azi/(rad/s) eps.Roll/rad

eps.Nick/rad

Breite/°

Krs-Kompass Norden

M.max/Nm M.Ele/Nm

H.Krs/Nms

Abb. 2-227 der Block ‚Norden‘ mit seinen Ein- und Ausgangsgrößen

Die Nordausrichtung der Spinachse Der Kreiselblock ‚Norden‘ simuliert die Ausrichtung der Spinachse auf dem Meridian nach Norden. Das ermöglicht die Berechnung des Kurses der Plattform, deren Längsachse in die Längsachse des Vehikels justiert wird. Abb. 2-228 zeigt die Abweichung der Spinachse von ihrer Ideallinie auf dem Meridian nach Norden. Zu zeigen ist, dass dies zu Drehmomenten um die Quer- und Längsachse und damit zur Präzession um die Hochachse der Plattform führt. Die Abweichung von der Ideallinie kann nach Abb. 2-228 zwei Ursachen haben: 1. die Drehung der Plattform um ihre Längsachse (kippen, kurz Kip) Ursache dafür ist ein Drehmoment um die Querachse der Plattform. 2. die Drehung der Plattform um ihre Querachse (nicken, kurz Nick) Ursache dafür ist ein Drehmoment um die Längsachse der Plattform.

.Gier(Roll) Gierwinkel Spinachse

Rollwinkel

Horizont

.Nick

Kreiselplattform von vorn

=Schrägstellung

Hochachse

=Schrägstellung

Hochachse

Diese beiden Ursachen der Präzession in der Horizontebene können sich kompensieren. D.h., sie sind zu subtrahieren. Das zeigt Abb. 2-228. .Gier(Nick) Gierwinkel Querachse

Nickwinkel

Norden

.Kip

Kreiselplattform von der Seite

Plattform m.Plat G.Plat

Plattform m.Plat G.Plat

Abb. 2-228 Kippwinkel und Drehmomente einer Kreiselplattform: Das Rollen der Kreiselplattform um die Längsachse und ihr Nicken um die Querachse führen zu Drehmomenten um die Hochachse des Kreisels, die die Spinachse nach Norden ausrichtet. Dadurch verschwinden der Roll- und der Nickwinkel und die Spinachse liegt in der Horizontebene.

Kreisel

513

Schrägstellung eps(=ε) und Drehmoment der Spinachse Der Winkel eps.Gier (=ε) beschreibt die Schrägstellung der Spinachse gegen ihre Ideallinie auf dem Meridian in der Horizontalen. Er erzeugt eine Drehbewegung um die Hochachse, die die Spinachse nach Norden ausrichtet. Beim Kreiselkompass erzeugen sowohl das Kippen als auch das Rollen ein Gieren um die Hochachse. In Abb. 2-229 tritt ein Winkel eps auf, dessen Cosinus zur Berechnung des Drehmoments

Hochachse Nick

Gl. 2-65 M.Plat=M.max·eps

der Plattform Darin ist

gebraucht

Roll

wird.

Nick Querachse

Gl. 2-66 M.max=m.Plat·g·R.Plat

-

= Gier

Gier

Abb. 2-229 Berechnung des Rollwinkels aus dem Nicken und Gieren der Plattform

Abb. 2-230 zeigt die vorzeichenrichtige Überlagerung von Elevations- und Azimutwinkel der Spinachse zur Drehung um die Vorausrichtung (Rollachse) und die daraus folgende Kursberechnung: eps.Nick/rad

Om.Ele*s 0

Elevation

I Reset

Schrägstellung der Spinachse

Hold

eps.Gier/rad

Om.Azi*s 0

eps.Gier/°

K 57,3

Azimut

I Reset

Kurs/°

Hold

eps/.Roll°

K 57,3 °/rad

Kurs

K 57,3 °/rad

eps.Gier/rad

Om.Gier*s

I Hold

eps.Roll/rad

2

Reset

Ti 1 s

M.Roll/Nm

1

H.Krs/Nms

M.Breite/Nm

0,15

0,05

Abb. 2-230 Berechnung des Kurses aus der Bewegung des Rollwinkels der Plattform

Bei der dynamischen Simulation des Kreiselkompasses im letzten Abschnitt 2.5.4.2 werden wir die Wirkung der Komponenten des Rollwinkels erklären. Danach  

erzeugt der Elevationsanteil die Schwingungen der Spinachse und der Azimutanteil bewirkt die Dämpfung ihrer Schwingungen.

514

Mechanische Dynamik

Abb. 2-231 zeigt die interne Struktur des Kreiselblocks ‚Norden‘ Om.Azi/(rad/s)

eps.Nick/rad

Kreiselkompass Norden

eps.Gier/rad eps.Gier/rad

Präzession der Plattform um die Hochachse

I

Referenz für Elevationen ist der Horizont.

Reset Hold

Nordausrichtung der Spinachse

B

Om.Azi /(rad/s)

Nordzeiger

C

eps/°

eps/° K 57,3 °/rad

M.Ele/Nm M.Ele/Nm

eps/rad

1 2

Breite/°

Drehmoment um die Querachse Breite/rad

cos(Breite)

M.max/Nm M.Breit/Nm

cos K 0,017

H.Krs/Nms

H.Krs/Nms

J.Krs/Nms² Om.Krs/(rad/s)

A

n.Krs/kUpm

K 0,001 K 16,7

Abb. 2-231 Struktur des Blocks ‚Norden‘ zur Ausrichtung der Spinachse auf den geographischen Nordpol: Erläuterungen dazu im Text

Abb. 2-231 zeigt dazu, wie die Schrägstellungen der Spinachse gegen die Horizontebene und den Meridian zur Präzession des Kreisels um die Querachse und Hochachse der Plattform führen:  

Die Präzession Om.Kip=M.Plat/H.Krs um die Querachse bewirkt die Horizontrierung der Spinachse. Die Präzession um die Hochachse bewirkt die Einordung der Spinachse.

Durch die vorangegangene stationäre Berechnung des Kreiselkompasses wurden die Voraussetzungen zu der nun folgenden dynamischen Simulation geschaffen. Abb. 2-231 zeigt auch, dass eps.Gier=eps.Roll+eps.Nick zwei Komponenten hat, die durch das Rollen der Plattform um ihre Längsachse und das Nicken um die Querachse entsteht. Eigentlich müssten beide Anteile geometrisch addiert werden, denn sie stehen senkrecht zueinander. Der Einfachheit halber soll hier darauf verzichtet werden, denn beide gehen stationär gegen null. Das zeigt Abb. 2-232.

Kreisel

515

2.5.4.2 Simulation des Kreiselkompasses In vorherigen Abschnitt haben wir das stationäre Verhalten des Kreiselkompasses untersucht. Nun folgt zum Abschluss dieses Kapitels sein dynamisches Verhalten. Damit soll untersucht werden, wie schnell und stabil die beiden Ziele der Ausrichtung der Spinachse eines Kreiselkompasses erreicht werden: 1. 2.

Die Spinachse muss in die Horizontale gestellt werden. Die Spinachse muss nach Norden ausgerichtet werden.

Zur Berechnung der Ausrichtung der Spinachse nach Norden müssen die Bewegungen des Kreisels gegen die Plattform um jede der beiden Messachsen berechnet werden. Das leistet die in Abb. 2-235 gezeigte Gesamtstruktur des Kreiselkompasses für eine Achse. Damit kann das Zeitverhalten der Spinachse bei plötzlicher Verstellung der Kreiselplattform simuliert werden. Das entspricht einer schnellen Kursänderung. Aus einer simulierten Sprungantwort, z.B. der Abweichung eps von der Nordrichtung als Funktion des Kurswinkels, können die Daten des Kreiselkompasses bestimmt werden: 1. 2.

für die Messverzögerung die Eigenperiode t.Krs und das relative Überschwingen ÜS als Maß für die Stabilität des Kreiselsystems.

Daraus folgen zwei Parameter, die zur Beschreibung des Kreisels durch ein Verzögerungsglied 2. Ordnung benötigt werden: 1. 2.

Die Eigenzeitkonstante ist T.Krs=t.Krs/2π. Die Dämpfung d.Krs des Kreisels: Sie kann nach Gl. 1-33 aus dem simulierten √ Überschwingen ÜS berechnet werden: . Bei starker Dämpfung, von der hier nicht ausgegangen wird, müsste das in Bd. 1, Teil 1, Abschn. 3.11.5 gezeigte Wendetangentenverfahren angewendet werden. Abb. 2-232 zeigt, wie genau sich ein stark gedämpfter Kreiselkompasses mit der Zeit nach Norden ausrichtet. Abb. 2-235 zeigt die Struktur, mit der dieses Verhalten simuliert wurde. Die Struktur des Kreiselkompasses zu erklären, ist das Ziel dieses Abschnitts. Abb. 2-232 simulierter Einlauf der Spinachse eines Kreiselkompasses in die Horizontale (blaue Linie) und in die Nord-SüdRichtung (rote Linie)

Zeit t=1min

0

T.Krs

Zeit t/s

Die in Abb. 2-232 markierte Zeitkonstante ist T.Krs≈50s. Das zeigt, wie langsam ein Kreiselkompass auf Bewegungen seiner Plattform reagiert. Ursache ist der große Kreiselspin. Die Trägheit der Anzeige bedeutet aber auch, dass ein Kreiselkompass unempfindlich gegen Stöße ist.

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Mechanische Dynamik

Die Übersichtsstruktur zum Kreiselkompass Die Simulation soll zeigen, wie sich ein Kreiselkompass zuerst in die Horizontale stellt und anschließend nach Norden ausrichtet. Dazu sind die Nick-, Roll- und Gierbewegungen zu berechnen. Dabei sind Wirkungen und Rückwirkungen gekoppelt: Drehmomente bewirken Präzession und Präzession erzeugt Drehmomente. Abb. 2-233 zeigt die bei einem Kreiselkompass auftretenden Drehmomente M und Winkelgeschwindigkeiten (Ω oder Om ~ Drehzahlen n).

Wirkung: Drehmoment um y

M.y

-> Präzession um z

Kreisel

Rückwirkung: Präzession um z -> Drehmoment um y

Om.y Rotation um x

Om.x M.x

Om.z

Plattform

Abb. 2-234 zeigt die Blockstruktur des Kreiselkompasses. Damit sollen seine Funktionen mittels Parametervariation untersucht werden. Abb. 2-233 Wirkung und Rückwirkung beim Kreiselkompass

Bevor wir auf die Einzelheiten der Gesamtstruktur Abb. 2-235 eingehen, geben wir mit Abb. 2-234 eine Übersicht zu dem Berechnungsverfahren:

Gieren der Spinachse

SA.Azi -> M.Azi -> Om.Ele -> eps.Nick Spinachse SA.Azi

Nordzeiger 0°=Norden Sollkurs 50

Istkurs eps.Gier

eps.Nick

Plattform voraus

Kursanzeige

eps.Gier

Kreiselkompass

RollWinkel eps.Roll

Gierbewegung der Spinachse

Rollen um die Längsachse

Nickbewegung der Plattform

eps.Gier