Streitwert-Kommentar [15 ed.] 9783504387266

Das Standardwerk zum Streitwert! Über 450 Stichwörter zu ZPO und FamFG Anschauliche Fall- und Rechenbeispiele Einsatzber

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Streitwert-Kommentar [15 ed.]
 9783504387266

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Schneider . Kurpat Streitwert-Kommentar

.

Schneider · Kurpat

Streitwert Kommentar Zivilprozess und FamFG-Verfahren begründet von

Dr. Egon Schneider bearbeitet von

Norbert Schneider Rechtsanwalt, Neunkirchen-Seelscheid

Ralf Kurpat Vors. Richter am Oberlandesgericht Köln

Norbert Monschau Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Erftstadt

Oliver Seggewiße, LL.M. Richter am Landgericht Kleve

15. neubearbeitete und erweiterte Auflage

2022

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl., Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47117-0 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

WMTP GmbH gedruckt am 06.09.2021 13:36:25 Werk: SK15

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Vorwort Fünf Jahre sind seit der letzten Auflage vergangen. Umfangreiche Rechtsprechung und nicht zuletzt die Änderungen durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 haben eine Neuauflage erforderlich gemacht. Von Herrn Dr. Egon Schneider vor rund 50 Jahren gegründet und 10 Auflagen lang mit all seiner Expertise betreut, wurde das Werk in der 11. Auflage von Herrn Herget verantwortet, bevor es ab der 12. Auflage von einem Team erfahrener Praktiker bearbeitet wurde. Nach dem Ausscheiden von Herrn Richter Mark Noethen konnte für die 15. Auflage des Werkes Herr Richter Oliver Seggewiße als neuer Autor hinzugewonnen werden. Frau Rechtsanwältin Lotte Thiel, die das Familienrecht verantwortet hat, ist zu unserem allergrößten Bedauern im Dezember 2017 verstorben. Diese schmerzliche Lücke im Autorenkreis konnte durch eine Umverteilung der Stichwörter auf die verbliebenen Autoren geschlossen werden. Als Namensgeber und Herausgeber fungieren seit dieser Auflage die auch große Teile im Werk verantwortenden Herren Norbert Schneider und Ralf Kurpat. Neben umfangreicher Rechtsprechung galt es auch diesmal wieder aus aktuellem Anlass neue Stichwörter einzuarbeiten, so z.B. die Stichwörter Anlageberatung, Datenschutzrechtliche Ansprüche, Digitaler Nachlass, EHUG – Offenlegung gemäß § 335 HGB, Erbscheinverfahren, Meditation, Güterrichter und Gütestelle, Internet-Domain, Marke und Patent, Musterfeststellungsklage, Rechnungserteilung, Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung, Scheinurteil, Transplantationsliste, Überlanges Verfahren, Zahlungsvereinbarung und noch viele mehr. Veraltete Stichwörter, die für die Praxis keine Bedeutung mehr haben, sind gekürzt oder ganz gestrichen worden. Wie auch schon in der Vorauflage ist ein erster Teil zum Verfahrensrecht vorangestellt. Es folgt wie bisher der zweite Teil zu den Streitwerten im Zivilprozess und der dritte Teil zu den Verfahrenswerten in Familiensachen. Mit der Neuauflage haben sich Verlag und Autoren entschlossen, die bislang im ZPO-Teil mitbehandelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in einem neuen vierten Teil der Übersichtlichkeit halber gesondert zu behandeln. Die Teile zwei bis vier erhielten kurze Vorbemerkungen zur schnellen Orientierung zu den Kostengesetzen und dem richtigen Wertfestsetzungsverfahren. Der gestiegene Umfang des Werkes hat auch eine Neuvergabe der Randnummern erforderlich gemacht. Die Randnummern der Stichwörter werden für jeden Teil gesondert gezählt – jeweils beginnend bei 1. Berücksichtigt worden sind alle in Kraft getretenen Gesetzesänderungen und die Rechtsprechung bis zum 30. Juni 2021. Insbesondere die Änderungen durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 sind eingearbeitet worden. Auch wenn dieses Gesetz nur geringe unmittelbare Auswirkungen auf die Streit- und Verfahrenswertvorschriften hat, mussten doch alle Berechnungsbeispiele nach den aktualisierten Gebührenbeträgen neu berechnet werden. Es gibt immer wieder einzelne besondere Fallkonstellationen, in denen die Beantwortung streitwertbezogener Fragen schwierig ist. Für jegliche Anregungen und für die Präsentation neuer, bislang unbeantwortet gebliebener, Fragestellungen sind wir sehr dankbar. Dies gilt selbstverständlich auch für das Aufzeigen von Fehlern aller Art und für alle kritischen Anmerkungen, die dem geneigten Leser bei der Lektüre in den Sinn kommen. Diese richten Sie bitte an den Verlag ([email protected]). Köln, im August 2021

Die Verfasser

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Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teil: Verfahrensrecht (Gliederung s. dort) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teil: Streitwert im ZPO-Verfahren (Stichwortübersicht s. unten) . . . . . . . . . . . . . . 3. Teil: Verfahrenswert in Familiensachen (Stichwortübersicht s. S. XV) . . . . . . . . . . . 4. Teil: Verfahrenswert im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (mit Ausnahme der Familiensachen) (Stichwortübersicht s. S. XX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 147 1233

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1667

Stichwörter im ZPO-Verfahren in alphabetischer Reihenfolge (2. Teil) Seite

A Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindungsvergleich fi Vergleich Abgabe einer Willenserklärung . . . . . . . . Abgesonderte Befriedigung . . . . . . . . . . Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen . . . . . . . . . . . . Abnahme von Sachen . . . . . . . . . . . . . . Abrechnung fi Rechnungslegung Abschluss von Verträgen fi Vertragsabschluss Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adhäsionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktien fi Wertpapiere Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . Altenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Androhung von Ordnungsmitteln fi Ordnungsmittel Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil . . . Anerkennung ausländischer Titel . . . . . . Anfechtung fi Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen fi Gläubigeranfechtung fi Insolvenzverfahren fi Nichtigkeit eines Vertrages Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen . . . Angebot der Gegenleistung . . . . . . . . . . Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Seite

Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . Annahmeverzug fi Feststellungsklage Anspruchshäufung . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag eines Organs fi Organe, Organmitglieder Antragsänderung fi Klageänderung Antragsüberschreitung fi Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Anwaltsbeiordnung fi Notanwalt Anwaltsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auffangwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgebotsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung von Gemeinschaften . . . . . . Auflassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . Auflösung einer GmbH . . . . . . . . . . . . Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auseinandersetzung fi Aufhebung von Gemeinschaften Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB . . . Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Ausländische Währung . . . . . . . . . . . . Auslegung des Klageantrags . . . . . . . . . Ausscheiden eines Gesellschafters . . . . . . Ausschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatenaufstellvertrag . . . . . . . . . . .

180 182

183 187 192 193 195 198 201 203 204 237 238 239 242 244 245 247 251 252 253 VII

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Inhaltsverzeichnis

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ZPO-Stichwörter Seite

B Bauhandwerkersicherungshypothek . . . . . Baulandverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Bausparvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . Bebauungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . Bedingte Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . . Befriedigung, abgesonderte fi Abgesonderte Befriedigung Behandlungsunterlagen, Einsicht und Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beiordnung eines Notanwalts fi Notanwalt Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belastung fi Auflassung Beleidigung fi Ehrkränkende Äußerungen Beratungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . . . . Berichtigung fi Grundbuchberichtigung Berufsunfähigkeitsversicherung . . . . . . . . Berufung fi Rechtsmittel Berufungsrücknahme . . . . . . . . . . . . . . Beschränkt persönliche Dienstbarkeit fi Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB) Beschränkte Haftung fi Haftungsbeschränkung Beschwerde fi Rechtsmittel Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO, Zuständigkeit fi Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Beweisverfahren fi Selbständiges Beweisverfahren Beweisaufnahme, besonders umfangreiche Bewilligung fi Auflassung fi Auflassungsvormerkung fi Grunddienstbarkeit fi Grundschuld fi Hypothek

VIII

254 255 260 261 262 263 263

268 269

Seite

fi Nießbrauch fi Reallast fi Vorkaufsrecht fi Vormerkung fi Widerspruch gegen Grundbucheintragung fi Wohnrecht Bewilligung oder Aufhebung von Prozesskosten- und Beratungshilfe . . . . . . . . . Bierabnahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Börsenpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruchteilsgemeinschaft fi Aufhebung von Gemeinschaften Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

292 292 293 293 295 295

D 271 272 273 275

277 281 283

Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenschutzrechtliche Ansprüche . . . . . . Dauerwohnrecht fi Wohnrecht Derselbe Streitgegenstand fi Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitaler Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . Dingliche Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . Direktanspruch fi Versicherungsschutz Dividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittschuldner fi Pfändung Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . Duldungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsuchungsanordnung . . . . . . . . . .

300 305

309 312 313 313 314 314 316 320 324

E 291

Ehrkränkende Äußerungen . . Eidesstattliche Versicherung fi Stufenklage Eigentum . . . . . . . . . . . . . . Eigentums- und Besitzstörung Eigentumsvorbehalt . . . . . . . Eigentumswohnung . . . . . . . Einrede, Einwendung . . . . . .

........

326

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332 334 337 338 340

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ZPO-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis

Seite

Einstellung der Zwangsvollstreckung fi Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Einstweilige Anordnungen . . . . . . . . . . Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . Eintragungsbewilligung . . . . . . . . . . . . Einwendung fi Einrede, Einwendung Einwilligung wegen Hinterlegung . . . . . . Einzelrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie- und Wasserversorgung . . . . . . . Enteignungsentschädigung . . . . . . . . . . Entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entnahmerecht fi Gesellschaft Entziehung des Wohnungseigentums fi Wohnungseigentum Erbauseinandersetzung fi Miterbe Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbenhaftung fi Haftungsbeschränkung Erbschein, Herausgabe . . . . . . . . . . . . . Erbteilungsklage fi Miterbe Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . Ersatzvornahme nach § 887 ZPO . . . . . . Erweiterung des Klageantrags fi Klageänderung Erwerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen fi Ordnungsmittel

343 345 347 361 362 367 368 370 372 374 374

376 378 379 380 381 381 410 411

F Fällige Beträge . . . . Fälligkeit . . . . . . . . Feststellungsklage . . Film . . . . . . . . . . . Finanzierungskosten Fischereirecht . . . . . Forderung . . . . . . . Freigabe . . . . . . . . .

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412 415 416 436 436 437 437 440

Seite

Freistellung . Fristsetzung . Früchte . . . . Futterkosten .

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441 443 443 445

Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . Gegendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . Gegenforderung fi Aufrechnung fi Gegenleistung Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenseitiger Vertrag fi Gegenleistung Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft fi Aufhebung von Gemeinschaften Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstandsbestimmungsverfahren . . Gesamthypothek . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsgebühr fi Vorgerichtliche Kosten Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsschädigende Äußerungen . . . . Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . Gläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . Gläubigerrangstreit . . . . . . . . . . . . . . Grenzscheidungsklage . . . . . . . . . . . . Grundbuchberichtigung . . . . . . . . . . . Grundbucheintragung fi Grundbuchberichtigung fi Löschung von Grundbuchbelastungen Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Güterichter und Gütestelle fi Mediation, Güterichter und Gütestelle

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445 446 448

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453 453 454

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456 457 458 459 460

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463 465

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466 466 475 476 477 499 500 501 501

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503 504 509 514

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Inhaltsverzeichnis

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ZPO-Stichwörter Seite

Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 Guthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

H Haftbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . Handelsregisteranmeldung fi Anmeldung zum Handelsregister Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . Hauptsacheerledigung fi Erledigung der Hauptsache Hebegebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heimfallanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . Hilfswiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 518 . . 518 . . 519 . . 521 . . 523 . . . . . . .

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524 524 541 547 548 553 553

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557 559 560 561 561 561 572 579

I Idealverein . . . . . . . . . . . . . . . . Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . Informationserzwingungsverfahren Inkassokosten . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet-Domain . . . . . . . . . . . . Inventar fi Pacht Investitionsverpflichtung . . . . . . .

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Jagdpachtrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

K

X

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593 603

608 614 615 616 619 621 629 634 635 636 637 638 640

L . . . . . 583

J

Kapitalanleger-Musterverfahren Karenzentschädigung . . . . . . . Kartellsachen . . . . . . . . . . . . . Kassatorische Klagen . . . . . . . . Kaufanwartschaftsvertrag . . . . . Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . Kennzeichenstreitigkeit fi Gewerblicher Rechtsschutz

Seite

fi Design fi Gebrauchsmuster fi Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster fi Marke fi Patent Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klageerweiterung fi Klageänderung Klagehäufung fi Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . Klageverzicht und Verzichtsurteil . . . . . . Konkurrenzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten fi Nebenforderungen Kostenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . Kostenfestsetzungsverfahren . . . . . . . . . Kostenwiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeugbrief . . . . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeugschlüssel . . . . . . . . . . . . . Kraftloserklärung fi Aufgebotssachen Krankenhaustagegeldversicherung . . . . . Kreditgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Künftiger Schaden fi Schadensersatz

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585 587 588 590 590 590

Lagerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landpacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landvermessung . . . . . . . . . . . . . . . Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . Leibrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung an die Erbengemeinschaft . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Löschung von Grundbuchbelastungen fi Auflassungsvormerkung fi Grunddienstbarkeit fi Grundschuld fi Hypothek fi Nießbrauch

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641 641 642 642 643 645 646 649 652 653

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ZPO-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis

Seite

fi Reallast fi Vorkaufsrecht fi Vormerkung fi Widerspruch gegen Grundbucheintragung fi Wohnrecht

812 816

P

M Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbarrechtliche Ansprüche . . . . . . Mediation, Güterichter und Gütestelle Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) . . Mietstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . Minderung (ohne Miete) . . . . . . . . . Mindeststreitwert . . . . . . . . . . . . . . Mitbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . Miterbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . Musterfeststellungsklage . . . . . . . . . .

Seite

Örtliche Zuständigkeit fi Einrede, Einwendung Ordnungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . Organe, Organmitglieder . . . . . . . . . . .

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654 660 664 665 667 682 753 753 754 755 769 769

Nacherbenvermerk . . . . . . . . . . . . . . Nachforderungsklage . . . . . . . . . . . . . Nachlassverzeichnis fi Miterbe Nachverfahren fi Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenforderungen . . . . . . . . . . . . . . . Nebenintervention . . . . . . . . . . . . . . . Negative Feststellungsklage fi Feststellungsklage Nicht rechtshängig gewordene Anträge . Nichtigkeit eines Vertrages . . . . . . . . . Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwegrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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770 771

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771 772 788

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794 796 798 799 805 805 807 809 810 811

Öffentliche Zustellung . . . . . . . . . . . . .

812

N

O

Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Dienstbarkeit, beschränkte fi Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändungs- und Überweisungsbeschluss fi Pfändung Pfandrecht fi Pfändung Pflegekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsergänzungsanspruch . . . . . . Pflichtteilsrestanspruch . . . . . . . . . . . Positive Beschlussfeststellungsklage . . . Postentgeltpauschale . . . . . . . . . . . . . Prätendentenstreit . . . . . . . . . . . . . . . Provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . Prozesstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . Prozess- und Sachleitung . . . . . . . . . . Prozessverbindung . . . . . . . . . . . . . . Prozesszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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820 825

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828

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833 833 836 837 837 837 839 839 840 854 855 857 858

Quittung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

864

Q

R Räumungsfristverfahren . . . . . . . . . Rangverbesserung . . . . . . . . . . . . . Ratenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . Reallast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnungserteilung . . . . . . . . . . . . Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . Rechtshängigkeit fi Einrede, Einwendung Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswegverweisung . . . . . . . . . .

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864 865 866 867 868 868 870 871 874

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874 898

XI

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ZPO-Stichwörter Seite

Regelwert fi Auffangwert Regressansprüche der Sozialleistungsträger Rente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restitutionsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . Restkaufpreisforderung fi Eigentumsvorbehalt Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . Rückgriffsanspruch der Sozialleistungsträger fi Regressansprüche der Sozialleistungsträger Rückkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückstände fi Fällige Beträge Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . .

900 900 904 905

906 908

XII

916 917 917 918

. 923 . 924 . 925 . . . . . . . . . . . .

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938 939 939 939 940

......

943

T

. 909

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906

S Sachurteilsvoraussetzung fi Einrede, Einwendung Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scheckprozess fi Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Scheinurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsrichterliches Verfahren . . . . . . . Schiedsvertrag fi Schiedsrichterliches Verfahren Schlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . Schlussurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzensgeld fi Unbezifferte Anträge Schufa-Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . Schuldbefreiung fi Befreiung von einer Verbindlichkeit Schwarzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwarzpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . Sequesterbestellung . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsleistung im Prozess . . . . . . . Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . Siedlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . SMS, unerwünschte . . . . . . . . . . . . . . Sparkassenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . Spesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprungrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprungrevision, Zulassung der . . . . . . .

Seite

Stadionverbot . . . . . . . . . . . . . Stalking . . . . . . . . . . . . . . . . . Standgeld . . . . . . . . . . . . . . . . Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . Streithilfe fi Nebenintervention Streitwertvereinbarung fi Vereinbarungen zum Streitwert Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . .

926 926 926 931 931 933 933 934 934 935 936 937

Tagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tankstellendienstbarkeit . . . . . . . . . . Tausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil des Hauptanspruchs . . . . . . . . . . Teilanerkenntnisurteil fi Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil fi Teilurteil Teilklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilleistungen fi Erledigung der Hauptsache Teilungsversteigerung fi Drittwiderspruchsklage fi Zwangsversteigerung Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefax, unerwünschtes . . . . . . . . . . . Telefonanrufe, unerwünschte . . . . . . . Telefongebühren . . . . . . . . . . . . . . . Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . Tierarztkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . Titulierungsinteresse . . . . . . . . . . . . Transplantationsliste . . . . . . . . . . . . Treuhändereinsetzung . . . . . . . . . . . .

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963 963 964 964

..

970

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973 975 976 977 977 978 979 979 980 980

........ ........

981 982

........ ........ ........

983 985 985

........

988

U Überbau . . . . . . . . . . . . . . Überlanges Gerichtsverfahren Überweisungsbeschlüsse fi Pfändung Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . Umsatzsteuerausweis . . . . . . Unbezifferte Anträge . . . . . . Unerlaubte Handlung fi Feststellungsklage Unfallfinanzierung . . . . . . . .

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ZPO-Stichwörter

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Seite

Unterbrechung des Verfahrens fi Verfahrensruhe Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unzuständigkeit fi Einrede, Einwendung Urheberrecht, Verlagsrecht . . . . . . . . . Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Urteils- und Tatbestandsberichtigung . . Urteilsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . .

.

988

. 993 . 996 . 1005 . 1007

V Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . Verbindung fi Prozessverbindung Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarte Vergütung fi Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung fi Vereinbarungen zum Streitwert Vereinbarungen zum Streitwert . . . . . . Verfahrensruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenstrennung fi Prozesstrennung Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergütungsfestsetzung . . . . . . . . . . . . Vergütungsvereinbarung, Herabsetzung fi Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung fi Vereinbarungen zum Streitwert Verkehrsunfallschadenregulierung . . . . Verkehrswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlagsrecht fi Urheberrecht, Verlagsrecht Verlustigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . Vermächtnisansprüche . . . . . . . . . . . . Vermehrte Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . . . Vermögensrechtlicher Anspruch fi Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Vermögensverzeichnis, Errichtung fi Stufenklage Veröffentlichungsbefugnis . . . . . . . . . . Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO . . . . . . Vertagung fi Prozess- und Sachleitung Verteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsauflösung . . . . . . . . . . . . . . .

. 1008 . 1009

. 1010 . 1012 . 1013 . 1031

. 1035 . 1061 . . . .

1066 1067 1068 1068

. 1069 . 1070 . 1079

Seite

Vertragserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendungsersatz fi Mietstreitigkeiten Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzögerungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . Verzögerungsrüge fi Überlanges Gerichtsverfahren Verzugskostenpauschale . . . . . . . . . . . . Verzugszinsen fi Nebenforderungen Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbare Ausfertigung . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsschaden . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO) . . . . Vollstreckungsurteil fi Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor- und Nacherbe . . . . . . . . . . . . . . . Vorerbschaft fi Miterbe Vorgerichtliche Kosten . . . . . . . . . . . . . Vorläufige Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vornahme von Handlungen . . . . . . . . . Vorrangseinräumung fi Rangverbesserung Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung fi Feststellungsklage Vorschusszahlungen . . . . . . . . . . . . . . Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1088 1090 1090 1091 1094 1095 1095 1096 1096 1097 1097 1098 1103 1105 1106

1108 1108 1109 1120 1122 1123

1124 1124 1124

W . 1084 . 1085 . 1086

Währungsumrechnung . . . . . . . . . . . . 1126 Wahlschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1126 Wahlweise Verurteilung fi Wahlschuld XIII

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ZPO-Stichwörter Seite

Wechselnde Klageanträge fi Klageänderung Wechselprozess fi Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Wechselseitige Rechtsmittel fi Rechtsmittel Wegnahme eingebauter Sachen . . . . . . Werbung, unverlangte . . . . . . . . . . . . Werbung per SMS, unverlangte fi SMS, unerwünschte fi Werbung, unverlangte Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . Wert einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertsicherungsklausel . . . . . . . . . . . . Widerklage fi Klage und Widerklage fi Rechtsmittel Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen Grundbucheintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Wiederkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . Wiederkehrende Leistungen . . . . . . . . Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . . Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . .

XIV

Seite

Z

. . 1128 . . 1129

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1135 1139 1145 1146 1147

. . 1148 . . . . . . . . . .

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1150 1151 1151 1152 1152 1158 1161 1164 1168 1168

Zahlungsanspruch fi Geldforderung Zahlungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . Zeugnis fi Willenserklärung Zeugnisverweigerung . . . . . . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zug-um-Zug-Leistung fi Gegenleistung Zulassung zur Sprungrevision fi Sprungrevision, Zulassung der Zurückbehaltungsrecht fi Gegenleistung Zusammenrechnung fi Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) Zuschlag in der Grundstücksversteigerung fi Zwangsversteigerung Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeitsbestimmung fi Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Zustimmung zur Sprungrevision fi Sprungrevision Zwangsgeld nach § 888 ZPO fi Ordnungsmittel Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . Zwischenstreit und -urteil . . . . . . . . . . . Zwischenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . .

1205 1209 1210

1217

1220 1225 1227 1228 1231

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FamR-Stichwörter

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Stichwörter im FamR-Verfahren in alphabetischer Reihenfolge (3. Teil) Seite

A Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindung fi Unterhaltsverzicht Abstammungssachen . . . . . . . . . . . . . . Abtrennung aus dem Verbund fi Verbund Abtretung von Versorgungsansprüchen fi Versorgungsausgleichssachen Adoptionssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkenntnis fi Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil (ZPO-Teil) Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen . . . . . . Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach dem AdWirkG . . . . . . . . . . Annahme als Kind fi Adoptionssachen Anordnungen nach PsychKG fi Unterbringungssachen Minderjähriger (freiG-Teil) fi Unterbringungssachen Volljähriger (freiG-Teil) fi Kindschaftssachen Anpassung wegen Invalidität, Tod, Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag und Widerantrag . . . . . . . . . . . . Antragshäufung fi Mehrere Ansprüche (Antragshäufung) fi Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) (ZPO-Teil) Anwendung ausländischen Rechts in Ehesachen fi Auslandsbezug fi Ehesachen Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufenthaltsbestimmungsrecht fi Bestimmte Kindschaftssachen fi Elterliche Sorge fi Kindschaftssachen Auffangwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz . Aufhebung der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung der Gütergemeinschaft fi Güterrechtssachen

1233 1237

1244

1249

Seite

Aufhebung des Annahmeverhältnisses fi Adoptionssachen Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft fi Güterrechtssachen Ausgleich von Kapitalzahlungen, Anspruch auf Abfindung fi Versorgungsausgleichssachen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung fi Versorgungsausgleichssachen Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes . . . . . . . . . . . Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1287

1288 1294 1299

1253

B 1259

1262 1263

1264

Beerdigungskosten fi Unterhaltssachen Befreiung vom Eheverbot fi Adoptionssachen Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . Begrenztes Realsplitting . . . . . . . . . . . . Beschleunigungsrüge und -beschwerde . . Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs fi Versorgungsausgleichssachen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmte Kindschaftssachen . . . . . . . . Beweisverfahren fi Selbstständiges Beweisverfahren Bewilligung oder Aufhebung von Verfahrenskostenhilfe fi Verfahrenskostenhilfe fi Prozesskostenhilfe (ZPO-Teil) Bürgschaft fi Befreiung von einer Verbindlichkeit

1302 1303 1305 1308

1310 1313

D 1271 1281 1285

Darlehensaufnahme, Genehmigung fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Dynamisierter Unterhalt fi Unterhaltssachen XV

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FamR-Stichwörter Seite

Seite

1315 1316

Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe . . . . . . . . . . . . . . 1406 Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge fi Elterliche Sorge Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 1407 Früchte fi Früchte (ZPO-Teil)

fi Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger

E Ehegattenmitarbeit aufgrund Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehestörungsklage fi Sonstige Familiensachen Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehewohnungssachen . . . . . . . . . . . . . . . Eidesstattliche Versicherung . . . . . . . . . . Einbenennungsverfahren fi Bestimmte Kindschaftssachen fi Elterliche Sorge fi Kindschaftssachen Einsicht in Abstammungsgutachten fi Abstammungssachen Einstweilige Anordnung . . . . . . . . . . . . Elterliche Sorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung fi Abstammungssachen Ersetzung der Einwilligung zur Annahme als Kind fi Adoptionssachen Ersetzung der Genehmigung einer Erklärung fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Ersetzung der Zustimmung des anderen Ehegatten durch das Familiengericht bei der Verhandlung des Gesamtguts fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Ersetzung der Zustimmung durch das Familiengericht bei einer Verfügung über das Vermögen im Ganzen fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Erwerb oder Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts des Minderjährigen fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung

1357 1359 1370

1372 1386

F Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1403 Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch . . 1404

XVI

G Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtschuldnerausgleichsanspruch . . . . Geschäfte über das Vermögen im Ganzen fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Geschenke fi Sonstige Familiensachen Gewaltschutzsachen . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbuchberichtigungsanspruch fi Grundbuchberichtigung (ZPO-Teil) Grundstücksgeschäfte des Kindes fi Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Gütergemeinschaft (Auseinandersetzung) fi Güterrechtssachen Güterrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . .

1410 1418 1419 1425

1426 1435

1437

H Haftungsfreistellung fi Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht fi Befreiung von einer Verbindlichkeit fi Befreiung von einer Verbindlichkeit (ZPO-Teil) Haupt- und Hilfsantrag fi Hilfsantrag fi Hilfsantrag (ZPO-Teil) Haushaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1442 Haustiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1450 Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1452 Hilfsaufrechnung fi Aufrechnung fi Aufrechnung (ZPO-Teil)

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FamR-Stichwörter Seite

J

Seite

Mehrere Kinder fi Kindschaftssachen Mehrwertvergleich . . . . . . . . . . . . . . . 1482 Mindestwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1485

Jugendamtsurkunde fi Abänderung fi Unterhaltssachen Jugendgerichtsgesetz fi Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz

N

K Kapitalabfindung fi Unterhaltsverzicht Kindergeldabzug fi Kindergeldbezugsberechtigung fi Unterhaltssachen fi Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger Kindergeldbezugsberechtigung . . . . . . . . Kindesherausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . Kindesmutter, Unterhalt fi Unterhaltssachen Kindschaftssachen im Verbund fi Verbund Kindschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . Klage und Widerklage fi Antrag und Widerantrag Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO) bei Unterhaltsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten des Verfahrens fi Kosten des Rechtsstreits Kosten fi Nebenforderungen (ZPO-Teil) Kostenvorschuss für ein gerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

1453 1458

1468

1469

Nachforderungsklage fi Nachforderungsverfahren Nachforderungsverfahren . . . . . . . . . . . 1486 Naturalunterhalt fi Unterhaltssachen Negative Feststellungsklage fi Feststellungsverfahren fi Feststellungsklage (ZPO-Teil) Nutzungen fi Nutzungen (ZPO-Teil) Nutzungsentschädigung bei Ehewohnungssachen fi Ehewohnungssachen fi Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1487 Nutzungsentschädigung bei Haushaltssachen fi Haushaltssachen fi Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung

P 1472 1476

L

Pflegschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495 Prozesskostenhilfe fi Verfahrenskostenhilfe fi Prozesskostenhilfe (ZPO-Teil) Prozesskostenvorschuss fi Kostenvorschuss für ein gerichtliches Verfahren

Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . 1477 Leistungen nach dem SGB II . . . . . . . . . 1477

R M Mahnverfahren fi Mahnverfahren (ZPO-Teil) Mehrbedarf fi Unterhaltssachen Mehrere Ansprüche (Antragshäufung) . . 1480

Realsplitting fi Begrenztes Realsplitting Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . 1496 Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . 1498 Religiöse Kindererziehung fi Elterliche Sorge Rückzahlung geleisteten Unterhalts . . . . 1505

XVII

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Inhaltsverzeichnis

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FamR-Stichwörter Seite

Rückabwicklung von Zuwendungen fi Sonstige Familiensachen Rückgabeanspruch, Geschenke zwischen Verlobten fi Sonstige Familiensachen

S Schadensersatzansprüche des umgangsberechtigten Elternteils . . . . . . . . . . . Schadensfreiheitsrabatt . . . . . . . . . . . . Scheidungssache . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich . Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Familiensachen . . . . . . . . . . . Sorgerecht fi Bestimmte Kindschaftssachen fi Elterliche Sorge Sozialrechtliche Verfahren, verwaltungsrechtliche Verfahren bei Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprungrechtsbeschwerde, Zulassung der . Steuererstattungen und Steuerschulden, Aufteilung von . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Veranlagung fi Zusammenveranlagung Stufenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Stundung und Zugewinnausgleich fi Zugewinngemeinschaft

. . . . . . .

1505 1506 1509 1510 1510 1513 1514

. 1520 . 1520 . 1521 . 1524

T Teilanerkenntnisbeschluss fi Anerkenntnis fi Teilurteil (ZPO-Teil) Titulierung unstreitiger Unterhaltsbeträge fi Geldforderung fi Unterhaltssachen Trennungsunterhalt fi Unterhaltssachen Trennungsverfahren nach italienischem Recht fi Ehesachen

U Übertragung von Vermögensgegenständen fi Zugewinngemeinschaft Übrige Kindschaftssachen . . . . . . . . . . . 1528

XVIII

Seite

Umgangspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . Umgangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbenannte Zuwendungen . . . . . . . . . Unbezifferter Leistungsantrag . . . . . . . Unstreitige Sockelbeträge fi Geldforderung Unterhaltsansprüchen, Überleitung von . Unterhaltsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

1532 1533 1546 1547

. . . .

1549 1550 1550 1568

V Vaterschaftsanfechtung/-feststellung fi Abstammungssachen Vaterschaftsfeststellung und Mindestunterhalt fi Abstammungssachen Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger . . . . . Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlöbnis fi Sonstige Familiensachen Vermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . Versorgungsausgleichssachen . . . . . . . . Vertraglicher Unterhalt . . . . . . . . . . . . Verzicht, Unterhalt fi Unterhaltsverzicht Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrantrag . . . . . . . . Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vormundschaften . . . . . . . . . . . . . . .

. 1569 . . . .

1583 1589 1590 1592

. 1595 . 1599 . 1621

. 1623 . 1630 . 1637 . 1640 . 1641

W Wiederherstellung des ehelichen Lebens fi Ehesachen fi Sonstige Familiensachen Vorzeitiger Zugewinnausgleich fi Zugewinngemeinschaft Wechselseitige Abänderungsanträge . . . . 1645 Wiederkehrende Leistungen . . . . . . . . . . 1646 Wohnungszuweisungssachen fi Ehewohnungssachen

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FamR-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis

Seite

Seite

Zahlung fi Geldforderung Zahlungsvereinbarung fi Zahlungsvereinbarung (ZPO-Teil) Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . . 1647 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1652

Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . 1653 Zusammenveranlagung . . . . . . . . . . . . 1663 Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1665 Zwangsvollstreckung fi Vollstreckung fi Zwangsvollstreckung (ZPO-Teil)

Z

XIX

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Inhaltsverzeichnis

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freiwG-Stichwörter

Stichwörter im Verfahren der freiwG in alphabetischer Reihenfolge (4. Teil) Seite

Seite

A

L

Aufgebotssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1668 Ausschlussurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1670

Landwirtschaftssachen . . . . . . . . . . . . . 1692

N B Beratungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen Betreuungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurkundungsbeschwerde (§ 54 BeurkG) . . . . . . . . . . . . . . . . .

1671 1672 1673 1679

Nachlass- und Teilungssachen . . . . . . . . 1695 Notarbeschwerde (§ 15 Abs. 2 BNotO) . . 1698 Notarkostenverfahren (§§ 127 ff. GNotKG) 1700

R Registersachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1703

E Eidesstattliche Versicherung nach § 410 Nr. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . EHUG – Offenlegung gem. § 335 HGB Erbscheinsverfahren . . . . . . . . . . . . . Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) . . Freiheitsentziehungssachen . . . . . . . .

S . . . . .

. . . . .

1681 1681 1683 1686 1687

Sterilisation, Genehmigung . . . . . . . . . . 1704

T Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . 1704

G

U

Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen fi Unterbringungssachen Minderjähriger

Unterbringungssachen Minderjähriger . . . 1707 Unterbringungssachen Volljähriger . . . . . 1712 Unternehmensrechtliche Verfahren . . . . . 1715

V J Justizverwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . 1690

Verfahren in weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . 1716

K

Z

Kraftloserklärung fi Aufgebotssachen fi Aufgebotsverfahren (ZPO-Teil)

Zugewinngemeinschaft nach § 261 Abs. 2 FamFG fi Zugewinngemeinschaft (FamR-Teil)

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1719

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis a.A. aaO. AdwirkG AE a.F. AfP AG AGB AGBG AGkompakt AGS AKB AktG ALG Anders/Gehle/Kunze AnfG AnwBl. AnwK-RVG/Bearbeiter AO AP ARB ArbG ArbGG ArbRB ArbuR ARST AsylverfG AufenthG AUR Bärmann/Seuß/Bearbeiter BAföG BAG BAGE Bassenge/Roth BauGB Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann/Gehle BauR BauRB BayJMBl. BayObLG BayObLGR

andere Ansicht am angegebenen Ort Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht Arbeitsrechtliche Entscheidungen alte Fassung Archiv für Presserecht Die Aktiengesellschaft/Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (außer Kraft) Anwaltsgebühren Kompakt Anwaltsgebühren Spezial Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Aktiengesetz Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte Streitwert-Lexikon, 4. Aufl. 2002 Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens Anwaltsblatt AnwaltKommentar RVG. Von Schneider/Wolf, 8. Aufl. 2019 Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis – Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Allgemeine Rechtsschutzbedingungen Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeits-Rechtsberater Arbeit und Recht Arbeitsrecht in Stichworten Asylverfahrensgesetz Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Arbeit und Recht Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017 Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung Bundesarbeitsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts FamFG/RPflG, 12. Aufl. 2009 Baugesetzbuch Zivilprozessordnung mit GVG und anderen Nebengesetzen, 78. Aufl. 2019 Baurecht Bau-Rechtsberater Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Report BayObLG – Schnelldienst zur gesamten Zivilrechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

BayObLGZ BayVGH BB BDSG BerHG Beschl. BetrAVG BetrVG BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ Binz/Dörndorfer/ Zimmermann BKAG BKGG BlGBW BNotO Borth BPatG BRAGO BRAGOreport BRAK-Mitt. BRAO BR-Drucks./BT-Drucks. BSHG Bub/Treier/Bearbeiter Bunte BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG ByZ Das Grundeigentum DAVorm DB DesignG DGVZ DJ DJZ DNotZ DÖV DR XXII

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen – neue Folge Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater Bundesdatenschutzgesetz Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen Beschluss Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der BGH-Rechtsprechung in Zivil- und Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen GKG – FamGKG – JVEG, 5. Aufl. 2021 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten Bundeskindergeldgesetz Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Bundesnotarordnung Versorgungsausgleich, 9. Aufl. 2021 Bundespatentgericht Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (außer Kraft) Zeitschrift für Anwaltsgebühren, Streitwert, Gerichtskosten, Erstattung, Rechtsschutz (seit 2004 RVGreport) Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksache des Deutschen Bundesrates/Bundestages Bundessozialhilfegesetz Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019 Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz, Bd. 1 ff. für die Zeit ab 1977 Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft Der Amtsvormund Der Betrieb Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Recht

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

DRiZ/DRZ DStR DVBl. DWE DWW

Deutsche Richter-Zeitung Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Der Wohnungseigentümer Deutsche Wohnungswirtschaft

EG EGBGB EGStGB EGZPO EheG ErbbauRG ErbR EStG EU EuGH EWiR EzA EzFamR

Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Ehegesetz Gesetz über das Erbbaurecht Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht, (Loseblattausgabe), 2009 Entscheidungssammlung zum Familienrecht

FA-FamR/Bearbeiter

Handbuch des Fachanwalts Familienrecht. Von Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, 11. Aufl. 2018 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht Familiengericht Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen Familien-Rechtsberater Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht Verfahrenshandbuch Familiensachen. Von Eckebrecht/Große-Boymann/Gutjahr/Paul/Schael/v. Swieykowski-Trzaska/Weidemann, 2. Aufl. 2010 Forum Familienrecht Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (außer Kraft) Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familie, Partnerschaft und Recht Entscheidungssammlung zum gesamten Bereich von Ehe und Familie Festschrift Familie und Recht

FamFG FamFR FamG FamGKG FamRB FamRZ FamVerf/Bearbeiter FF FG FGG FGG-ReformG FPR FRES FS FuR G GBO GE GebrMG GenG Gerold/Schmidt/Bearbeiter GewSchG GG

Gesetz Grundbuchordnung Das Grundeigentum Gebrauchsmustergesetz Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 25. Aufl. 2021 Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen Grundgesetz XXIII

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

GKG GmbH GmbHG GmbHR GNotKG Göppinger/Rakete-Dombek Groll/Steiner/Bearbeiter Groß/Eder Gruchot GRUR GRUR-Prax GRUR-RR GrZS GuT GVG GvKostG GWB Hansens/Braun/Schneider Hartung/Schons/Enders HGB Hillach/Rohs HinterlO h.M. HOAI Horndasch/Viefhues/ Bearbeiter HRR Hüffer/Koch Hügel/Scheel HuW HVR IBR IMR InsO InstGE ITRB JA JblSaar Jennißen/Bearbeiter JGG JMBl.NW Johannsen/Henrich/ Althammer JR JuMoG XXIV

Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 11. Aufl. 2018 Praxishandbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019 Anwaltsgebühren in Ehe- und Familiensachen, 5. Aufl. 2018 Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report Großer Zivilsenat beim Bundesgerichtshof Gewerbemiete und Teileigentum Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2. Aufl. 2013 Handelsgesetzbuch Handbuch des Streitwertes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 9. Aufl. 1995 Hinterlegungsordnung herrschende Meinung Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen Kommentar zum Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2014 Höchstrichterliche Rechtsprechung Aktiengesetz, 15. Aufl. 2021 Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 4. Aufl. 2018 Haus und Wohnung Rechtsprechungssammlung zum Handelsvertreter- und Vertriebsrecht Immobilien- und Baurecht Immobilien- und Mietrecht Insolvenzordnung Entscheidungen der Instanzgerichte zum Recht des geistigen Eigentums. Von Kühnen/Kaess, Bd. 13, 2012 IT-Rechtsberater Juristische Arbeitsblätter Justizblatt des Saarlandes Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl. 2019 Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Familienrecht, 7. Aufl. 2020 Juristische Rundschau Gesetz zur Modernisierung der Justiz

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

JurA JurBüro JuS Justiz JVBl. JVEG

JVKostG JVKostO JW JZ KapMuG Keidel/Bearbeiter Kemper/Schreiber/Bearbeiter KG KGR Kindermann KO Köhler Köhler/Bornkamm/ Feddersen Korintenberg Korintenberg/Lappe/Bengel/ Reimann Kossmann/Meyer-Abich KostO KostRÄndG 2021

Juristische Analysen Das Juristische Büro Juristische Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justizverwaltungsblatt Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung Justizverwaltungskostenordnung Juristische Woche Juristenzeitung Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten FamFG, 20. Aufl. 2020 Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2015 Kammergericht Berlin/Kommanditgesellschaft Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Kammergerichts Berlin Die Abrechnung in Ehe- und Familiensachen, 2. Aufl. 2011 Konkursordnung Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2020 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 39. Aufl. 2021

KV GvKostG

Gerichts- und Notarkostengesetz, 21. Aufl. 2020 Kostenordnung, Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 18. Aufl. 2010 (nun Korintenberg, GNotKG) Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014 Kostenordnung Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 21.12.2020 Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen von 1994 Gesetz zur Modernisierung des Kostenrecht (Mai 2004) Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Juli 2013) Kostenrechtsprechung (Loseblatt). Von Lappe/Hellstab/Onderka, 5. Aufl., Stand: Oktober 2013 Zeitschrift für Insolvenzrecht Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kostenverzeichnis zum Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz Kostenverzeichnis zum Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare Kostenverzeichnis zum Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher

LAG LAGE Lappe LG LM

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Kosten in Familiensachen, 5. Aufl. 1994 Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

KostRÄndG 1994 KostRMoG 2. KostRMoG KostRsp. KTS KunstUrhG KV FamGKG KV GKG KV GNotKG

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

LPartG LSG Lützenkirchen/Bearbeiter

Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Landessozialgericht Anwaltshandbuch Mietrecht, 6. Aufl. 2018

Madert/von Seltmann

Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Aufl. 2021 Monatsschrift für Deutsches Recht Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. 2000 GKG/FamGKG 2020, 17. Aufl. 2020 Mietrecht in der Praxis und Arbeitskommentar, (Loseblatt). Von Börstinghaus/Eisenschmid, 56. Ergänzungslieferung, Stand: Dezember 2019 Miet-Rechtsberater MultiMedia und Recht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13 Bde., 820/2021 Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Bde., §§ 1–493, IZVR, EuZVR, 3. Aufl. 2019 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, 3 Bde., 6. Aufl. 2020 (3. Bd.: 5. Aufl. 2017) Familiengerichtliches Verfahren, 1. + 2. Buch, 6. Aufl. 2018 Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, 18. Aufl. 2021

MarkenG Mayer/Kroiß/Bearbeiter MDR Melullis Meyer MietPrax-AK MietRB MMR MünchKomm.BGB/ Bearbeiter MünchKomm.FamFG/ Bearbeiter MünchKomm.ZPO/ Bearbeiter Musielak/Borth Musielak/Voit/Bearbeiter NdsRpfl. Neuhaus Niedenführ/SchmidtRänsch/Vandenhouten NJ NJW NJW-RR NotBZ NotKG NVersZ NVwZ-RR NZA NZBau NZG NZI NZM NZS NZV Oestreich/Hellstab/ Schneider OGH OHG OLG OLGE

XXVI

Niedersächsische Rechtspflege Handbuch der Geschäftsraummiete, 7. Aufl. 2019 Kommentar und Handbuch zum Wohnungseigentumsrecht, 13. Aufl. 2020. Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht GKG – FamGKG (Loseblatt) 5/2021 Oberster Gerichtshof (Österreich) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

OLG-NL OLGR OLGZ Onderka/Pießkalla OVG OVGE

OLG-Rechtsprechung Neue Länder OLG-Report (2009 eingestellt, alle Jahrgänge über LEGIOS und juris zu erreichen) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, 6. Aufl. 2021 Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte

Palandt/Bearbeiter PatG PKH ProzRB Prütting/Gehrlein/Bearbeiter Prütting/Helms/Bearbeiter PsychG

Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Aufl. 2021 Patentgesetz Prozesskostenhilfe Prozess-Rechtsberater ZPO, 12. Aufl. 2020 FamFG, 5. Aufl. 2020 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten

RA RdL RegE RG RGZ

Rechtsanwalt Zeitschrift für Landwirtschafts- und Agrarumweltrecht Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungssammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen WEG Kommentar, 5. Aufl. 2019 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Aufl. 2015 Der Deutsche Rechtspfleger Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege Rechtspflegergesetz Recht und Schaden Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte RVG professionell Zeitschrift für Anwaltsgebühren, Streitwert, Gerichtskosten, Erstattung, Rechtsschutz

Riecke/Schmid/Bearbeiter Riedel/Sußbauer Rpfleger RPflEntlG RPflG r+s RVG RVGprof RVGreport ScheckG SchiedsVZ SchlHA Schmidt Schneider Schneider Schneider/Dürbeck Schneider/Thiel Schneider/Volpert/Fölsch/ Bearbeiter Schneider/Volpert/Fölsch/ Bearbeiter Scholz/Bearbeiter SchuldRAnpG Schulte-Bunert/Weinreich/ Bearbeiter

Scheckgesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Justizministerialblatt für SchleswigHolstein Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977 Fälle und Lösungen zum RVG, 5. Aufl. 2018 Gebühren in Familiensachen, 2. Aufl. 2021 Fälle und Lösungen zur Abrechnung in Familiensachen, 2. Aufl. 2017 Familiengerichtskostengesetz, 3. Aufl. 2019 Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 3 Bde., 12. Aufl. 2018, 2021 Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet FamFG, 6. Aufl. 2019

XXVII

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

SeuffArchiv SGB VII SGB X SGG SRZ Staudinger/Bearbeiter StBGVV Stein/Jonas/Bearbeiter StGB StPO StVG SVertO

Teplitzky Thomas/Putzo/Bearbeiter Timme/Bearbeiter Toussaint/Bearbeiter Ufita UKlaG UrhG Urt. UStG UVG UWG VAHRG VAÜG VE VersAusglG VersorgW VersR VG VGH VKH VO von Eicken/Hellstab/ Dörndorfer/Asperger VuR VV RVG VwGO

XXVIII

Seufferts Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Sozialgerichtsgesetz Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Aufl. 1993 ff., Neubearb. seit 2013 Vergütungsverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften Zivilprozessordnung, 23. Aufl. 2014 ff. Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Straßenverkehrsgesetz Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See- und Binnenschifffahrt UWG-Großkommentar. Von Teplitzky/Peifer/Leistner, 3 Bde., 2. Aufl. 2013 ff. Zivilprozessordnung, 42. Aufl. 2021 Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl. 2014 Kostenrecht, 51. Aufl. 2021 Archiv für Urheber- und Medienrecht Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Urteil Umsatzsteuergesetz Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet Vollstreckung effektiv Gesetz über den Versorgungsausgleich Versorgungs-Wirtschaft Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungsund Schadensrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verfahrenskostenhilfe Verordnung Die Kostenfestsetzung, 24. Aufl. 2021 Verbraucher und Recht Vergütungsverzeichnis zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Verwaltungsgerichtsordnung

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Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

Warneyer BGH Warneyer RG WE WEG Wever

WM WRP WuM WuW

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen Wohnungseigentum Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 7. Aufl. 2018 Wechselgesetz Zivilprozessordnung und Nebengesetze, Großkommentar, 4. Aufl. 2013 ff. und 5. Aufl. 2019 (Bd. 11) Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb

ZAP ZblJugR ZEV ZFS ZfV ZGR ZInsO ZIP ZMR Zöller/Bearbeiter ZOV ZPO ZS ZSW ZUM-RD ZVG ZWE ZWH ZZP

Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020 Zeitschrift für offene Vermögensfragen Zivilprozessordnung Zivilsenat Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Zeitschrift für Zivilprozess

WG Wieczorek/Bearbeiter

XXIX

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1. Teil Verfahrensrecht A. Überblick I. Die Bedeutung des Wertes . . . . . II. Die verschiedenen Begriffsbezeichnungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitwert im Sinne der ZPO . . . . 3. Wert des Beschwerdegegenstands . 4. Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Streitwert im Sinne des GKG . . . . 6. Verfahrenswert („Streitwert“ im Sinne des FamGKG) . . . . . . . . . . . 7. Geschäftswert („Streitwert“ im Sinne des GNotKG) . . . . . . . . . . . 8. Gegenstandswert („Streitwert“ im Sinne des RVG) . . . . . . . . . . . . . . III. Hinweispflichten 1. Hinweispflichten des Gerichts . . . 2. Hinweispflichten des Anwalts a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist aa) Gesetzliche Regelung . . . . bb) Nur Hinweisverpflichtung cc) Rechtsfolgen bei Verletzung der Hinweispflicht . . 3. Hinweis auf die Höhe des Gegenstandswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hinweis auf die Möglichkeit einer Streitwertbeschwerde . . . . . . . . . . 5. Information des Rechtsschutzversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 1. 2. 3. 4.

1.1

1.11 1.12 1.17 1.21 1.25 1.27 1.29

C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG I. Überblick 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei . . . . . . . . . . . . . . c) Gerichtsgebühren werden nicht nach dem Streitwert erhoben . . d) Gegenstandslosigkeit dennoch ergehender Wertfestsetzungen . e) Festsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 RVG . . . . .

1.114 1.119 1.120 1.122 1.124 1.127

1.32

II. Erforderlichkeit der Festsetzung .

1.129

1.40

III. Wertangabe bei Einreichung der Klage oder eines sonstigen Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.132

IV. Sachverständigenschätzung . . . . .

1.157

1.43

1.44 1.45 1.49 1.56 1.62 1.63

Die Wertfestsetzungsverfahren Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertfestsetzung nach der ZPO . . . Wertfestsetzung nach dem FamFG Wertfestsetzung nach den Gerichtskostengesetzen . . . . . . . . . 5. Wertfestsetzung nach dem RVG . .

1.77 1.81

V. Kostenansatzverfahren . . . . . . . .

1.86

1.64 1.73 1.75

B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts I. Erforderlichkeit einer Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.94

II. Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.100

III. Bindungswirkung für die Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . .

1.106

V. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit der vorläufigen Wertfestsetzung a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung . . . . . . . . . c) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unanfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . 5. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . . VI. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit a) Vorauszahlungspflicht . . . . . . . b) Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsmittel gegen Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . VII. 1. 2. 3.

Endgültige Wertfestsetzung Zeitpunkt der Wertfestsetzung . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung aa) Überblick . . . . . . . . . . . . .

1.165 1.179 1.182 1.187 1.189 1.193 1.196

1.198 1.202 1.205 1.210 1.211 1.213 1.224 1.233

Schneider

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S. 1 von 146 Druckdaten

WMTP GmbH gedruckt am 06.09.2021 13:37:26 Werk: SK15

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1. Teil Verfahrensrecht bb) Mehrere Wertfestsetzungen (1) Mehrere Gebühren aus Teilwerten . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichsgebühr . . . . . . . cc) Gestaffelte Wertfestsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulassung der Beschwerde . . . c) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . 4. Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitswerts . . . . . . . . . . . 5. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abänderung durch Ausgangsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abänderung durch Rechtsmittelgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . IX. Beschwerde 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbare Festsetzungen a) Festsetzung der verschiedenen Instanzen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterlassene Festsetzung . . . . . c) Nichtzulassung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschwerdeberechtigte . . . . . . . . . 5. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verlust des Beschwerderechts durch Rechtsmittelverzicht . . . . . 7. Zulässigkeit a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwer aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Beschwer der Partei (1) Beschwer durch zu hohen Streitwert . . . . . . . . . . . . . (2) Ausnahmsweise Beschwer durch zu geringen Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschwer der Landeskasse dd) Beschwer des Anwalts . . . c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Keine nachträgliche Zulassung . . . . . . . . . . . . cc) Berichtigung . . . . . . . . . . dd) Ergänzung . . . . . . . . . . . . ee) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . ff) Abhilfeentscheidung . . . . d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick . . . . . . . . . . . . .

2

Schneider

1.239 1.244 1.250 1.261 1.268 1.269 1.278 1.282 1.286 1.292 1.300 1.302 1.311 1.317 1.318 1.321 1.325 1.327 1.329 1.330 1.334 1.338 1.339 1.340 1.350 1.352 1.355 1.356 1.360a 1.362 1.365

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

bb) Berechnungsbeispiele zum Wert des Beschwerdegegenstands (1) Berechnung des Beschwerdewerts bei vollem Unterliegen mit eigener Kostenerstattungspflicht . . . . . . . (2) Berechnung des Beschwerdewerts bei eigenem überwiegenden Obsiegen mit eigenem Kostenerstattungsanspruch . . . . . . . . . (3) Berechnung des Beschwerdewerts bei überwiegendem Unterliegen mit Kostenerstattungspflicht . . . . cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme . . . . . . . . . . . . Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . Abhilfeverfahren . . . . . . . . . . . . . Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung . . . . . . Verfahren vor dem Beschwerdegericht a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . b) Bindungswirkung der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung . . . . . . . . . cc) Zurückverweisung . . . . . . dd) Entscheidung in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zulassung der weiteren Beschwerde . . . . . . . . . . . ff) Anfechtung . . . . . . . . . . .

1.366

1.371

1.376 1.377 1.381 1.383 1.386 1.395 1.398 1.401 1.408 1.415 1.420 1.422 1.427 1.431 1.434 1.435 1.439 1.441

X. Weitere Beschwerde . . . . . . . . . .

1.445

XI. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . .

1.457

XII. Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.458

XIII. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.459

XIV. Verzögerungsrüge . . . . . . . . . . . .

1.460a

XV. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . .

1.461

S. 2 von 146 Druckdaten

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1. Teil Verfahrensrecht XVI. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren . . . . . . . b) Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . c) Beschwerdeverfahren . . . . . . . . d) Rechtsbeschwerdeverfahren . . . e) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren . . . . . . . b) Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . c) Beschwerdeverfahren . . . . . . . . d) Weitere Beschwerde . . . . . . . . . e) Rechtsbeschwerdeverfahren . . . f) Erinnerungsverfahren . . . . . . . g) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . h) Verfassungsbeschwerde . . . . . . XVII. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . .

1.462 1.464 1.465 1.468 1.469 1.470 1.473 1.476 1.481 1.482 1.483 1.484 1.485

3. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.603

VII. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . .

1.617

VIII. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.486

XVIII. Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . .

1.489

XIX. Rechtsschutzversicherung . . . . . .

1.493

D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG I. Überblick 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.496 1.500

II. Erforderlichkeit der Festsetzung .

1.504

III. Wertangabe . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.510

IV. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung a) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung . . . . . . . . . b) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unanfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . 5. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . . V. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung . . . . . VI. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung a) Beendigung des Verfahrens . . . b) Keine Teilwertfestsetzungen . . . c) Keine Teilwertfestsetzungen im Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entbehrlichkeit im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung . . . . . . . . . . . . b) Zulassung der Beschwerde . . . . c) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . .

1.532

7. 8.

1.541

9. 10.

1.546 1.548 1.550 1.553

11. 12.

1.555

1.560 1.564 1.567 1.582 1.587 1.595 1.602

13.

Beschwerde Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerdeberechtigte . . . . . . . . . Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlust des Beschwerderechts durch Rechtsmittelverzicht der Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Keine nachträgliche Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berichtigung . . . . . . . . . . . dd) Ergänzung . . . . . . . . . . . . ee) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . ff) Abhilfeentscheidung . . . . . d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . Abhilfeverfahren . . . . . . . . . . . . . . Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung . . . . . . Verfahren vor dem OLG a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . b) Bindungswirkung der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung . . . . . . . . . cc) Zurückverweisung . . . . . . dd) Entscheidung in der Sache ee) Keine Anfechtung . . . . . . .

IX. Weitere Beschwerde . . . . . . . . . . .

1.625 1.632 1.635 1.638 1.640 1.641 1.642 1.653 1.655 1.658 1.659 1.663 1.665 1.668 1.670 1.673 1.675 1.681 1.689 1.692 1.695 1.700 1.706 1.708 1.710 1.715 1.718 1.721 1.722 1.725 1.729

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1. Teil Verfahrensrecht X. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . .

1.730

XI. Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.731

XII. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.732

XIII. Verzögerungsrüge . . . . . . . . . . . .

1.733a

XIV. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . .

1.734

XV. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren . . . . . . . b) Gegenvorstellung . . . . . . . . . . c) Beschwerdeverfahren . . . . . . . d) Rechtsbeschwerdeverfahren . . e) Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . f) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren . . . . . . . b) Gegenvorstellung . . . . . . . . . . c) Beschwerdeverfahren . . . . . . . d) Rechtsbeschwerdeverfahren . . e) Erinnerungsverfahren . . . . . . . f) Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . g) Verfassungsbeschwerde . . . . . . XVI. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . .

1.735 1.737 1.738 1.741 1.742 1.743 1.744 1.747 1.750 1.755 1.757 1.758 1.760 1.761

E. Geschäftswertfestsetzung nach dem GNotKG I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5.

1.764

Das Festsetzungsverfahren Veranlassung zur Wertfestsetzung Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Entscheidung . . . . . . . .

1.770 1.773 1.775 1.776 1.777

III. Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . .

1.782

IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Beschwerde Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerdeberechtigung . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.784 1.789 1.790 1.794 1.795 1.797 1.798

V. Weitere Beschwerde . . . . . . . . . .

1.800

VI. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . .

1.805

VII. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.807

VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.808

IX. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . .

1.811

F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

4

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.813

II. Statthaftigkeit 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.825

Schneider

2. Gerichtliches Verfahren . . . . . . . . 3. Keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Fallgruppen . . . aa) Im gerichtlichen Verfahren werden keine Gerichtsgebühren erhoben (1) Das gerichtliche Verfahren ist gebührenfrei . . . . . . . . (2) Das Gericht sieht von der Erhebung von Gerichtskosten ab . . . . . . . . . . . . . bb) Im gerichtlichen Verfahren werden Festgebühren erhoben . . . . . . . . . . . . . . cc) Bei Gericht werden wertabhängige Gebühren erhoben . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . (2) Die anwaltliche Tätigkeit bleibt hinter der gerichtlichen Tätigkeit zurück . . (3) Die anwaltliche Tätigkeit geht über die gerichtliche Tätigkeit hinaus . . . . . . . . (4) Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit weicht vom gerichtlichen Verfahren ab . . . . . . . . . . (5) Einzelne Gebühren des Anwalts sind nach einem abweichenden Wert zu berechnen . . . . . . . . . . . . (6) Die Tätigkeit des Anwalts vorzeitig, bevor das Verfahren abgeschlossen . . . . III. Das Festsetzungsverfahren 1. Festsetzung für jede Instanz gesondert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fälligkeit der Vergütung . . . . . . . . 6. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bezifferung des Antrags . . . . . . . . 8. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verfahren und Entscheidung a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . c) Zulässigkeitsprüfung . . . . . . . . d) Form und Inhalt der Entscheidung aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der Entscheidung . . cc) Antragsbindung . . . . . . . .

1.827 1.839 1.842

1.843 1.848 1.849 1.854 1.856 1.857 1.859

1.869

1.873 1.877

1.886 1.888 1.896 1.905 1.908 1.915 1.918 1.920 1.923 1.924 1.932 1.935 1.936 1.939

S. 4 von 146 Druckdaten

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A. Überblick dd) Begründungszwang . . . . . ee) Zulassung der Beschwerde . . . . . . . . . . . ff) Rechtsbehelfsbelehrung . . e) Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . 11. Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Beschwerde Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerdeberechtigung . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmter Antrag . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . Wert des Beschwerdegegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zugelassene Beschwerde . . . . . . . . 10. Beschwerde gegen Zurückweisung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Verfahren a) Abhilfeverfahren . . . . . . . . . . . b) Verfahren vor dem Beschwerdegericht aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . bb) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts (1) Form . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verschlechterungsverbot . (4) Bindung an den Antrag . . (5) Zulassung der weiteren Beschwerde . . . . . . . . . . .

1.940 1.941 1.942 1.943 1.945 1.950 1.952 1.953 1.958 1.963 1.966 1.967 1.971 1.973 1.982 1.993 1.996 1.997 1.1001 1.1004 1.1005 1.1009 1.1011 1.1015

V. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . .

1.1016

VI. Untätigkeitsbeschwerde . . . . . . .

1.1017

VII. Weitere Beschwerde . . . . . . . . . .

1.1020

VIII. Rechtbeschwerde . . . . . . . . . . . . .

1.1026

IX. Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1027

X. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1028

XI. Verzögerungsrüge . . . . . . . . . . . . 1.1029a XII. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . .

1.1030

XIII. Kosten 1. Gericht a) Wertfestsetzungsverfahren . . . . b) Beschwerdeverfahren . . . . . . . . c) Weitere Beschwerde . . . . . . . . . d) Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . 2. Anwalt a) Festsetzungsverfahren . . . . . . . b) Beschwerdeverfahren . . . . . . . . c) Weitere Beschwerde . . . . . . . . . d) Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . f) Verfassungsbeschwerde . . . . . .

1.1040 1.1043 1.1045 1.1046 1.1047 1.1048

XIV. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . .

1.1049

XV. Rechtsschutzversicherung . . . . . .

1.1051

1.1031 1.1032 1.1036 1.1039

G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1052

II. Abänderung der Kostenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1054

III. Sofortige Beschwerde/Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1061

IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . .

1.1062

V. Sonstige Rechtsbehelfe nach Fristablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1063

VI. Rückfestsetzung . . . . . . . . . . . . . .

1.1066

H. Korrektur der Kostenentscheidung nach Streitwertänderung? .

1.1069

I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1079

II. Staatskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1081

III. Anwalt und Auftraggeber . . . . . .

1.1085

IV. Kostenfestsetzung . . . . . . . . . . . .

1.1093

V. Vergütungsprozess . . . . . . . . . . . .

1.1100

VI. Nicht am Verfahren beteiligte Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1102

VII. Rechtsschutzversicherer . . . . . . .

1.1104

A. Überblick I. Die Bedeutung des Wertes Der Wert eines Gegenstands ist für die gerichtliche und die anwaltliche Praxis in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung.

1.1

Zum einen entscheidet in Zivilsachen der Wert über die Zuständigkeit des Gerichts (AG oder LG), § 23 Nr. 1 GVG, sofern nicht eine wertunabhängige Zuständigkeit gegeben ist (§ 23 Nr. 2 GVG). Bei

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1. Teil Verfahrensrecht

Werten bis einschließlich 5.000 t sind grundsätzlich die AG zuständig. Bei höheren Werten sind grundsätzlich die LG zuständig.

1.3 Der Wert eines Rechtsmittels wiederum entscheidet in zahlreichen Fällen darüber, ob ein Rechtsmittel gegeben ist oder nicht. So ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufung grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 t übersteigt. Gleiches gilt in Familiensachen für die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach § 58 i.V.m. § 61 Abs. 1 FamFG.

1.4 Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO ist gem. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (bis zum 31.12.2019: § 26 Nr. 8 EGZPO) nur dann zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 t übersteigt, es sei denn, das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen (§ 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

1.5 Nach der ZPO ist für Beschwerden gegen Entscheidungen über die Kosten ein Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200 t erforderlich (§ 567 Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt, soweit § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen oder § 85 FamFG in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit für die Kostenfestsetzung auf die ZPO verweist.

1.6 Für Beschwerden gegen die Wertfestsetzung selbst ist ebenfalls grundsätzlich erforderlich, dass der

Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag i.H.v. 200 t übersteigt (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG; § 59 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 59 Abs. 2 Satz 1 FamGKG; § 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 2 Satz 1 GNotKG; § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).

1.7 Darüber hinaus knüpfen in Zivilsachen weitere verfahrensrechtliche Vorschriften an den Wert des Gegenstands an. So kann das Gericht nach § 495a ZPO das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert den Betrag von 600 t nicht übersteigt.

1.8 Nach § 15a EGZPO können die Landesgesetzgeber ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren vorschreiben, wenn der Wert den Betrag von 750 t nicht übersteigt.

1.9 Darüber hinaus hat der Wert Bedeutung für die Abrechnung der Gerichtskosten. Nach allen Gerichtskostengesetzen (GKG, FamGKG und GNotKG) richten sich die zu erhebenden Gebühren überwiegend nach dem Wert des jeweiligen Verfahrensgegenstands (§ 3 Abs. 1 GKG, § 3 Abs. 1 FamGKG, § 3 Abs. 1 GNotKG).

1.10 Auch für die Anwaltsgebühren hat der Wert Bedeutung, da sich die Anwaltsgebühren grundsätzlich nach dem Wert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), der sich wiederum in der Regel nach dem Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet (§ 23 Abs. 1 RVG) und für den sogar eine Bindungswirkung an die gerichtliche Festsetzung besteht (§ 32 Abs. 1 RVG).

II. Die verschiedenen Begriffsbezeichnungen 1. Überblick

1.11 Das Gesetz enthält an zahlreichen Stellen Wertvorschriften bzw. Vorschriften, die auf einen bestimmten Wert abstellen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz zwischen verschiedenen Werten unterscheidet. Hier ist es wichtig, zu differenzieren. In der Praxis werden häufig verschiedene Werte verwechselt, insbesondere beim Gebühren- und Zuständigkeitsstreitwert, wie z.B. die den beiden Entscheidungen des BGH vom 14.4.20041 und vom 21.5.20032 zugrunde liegenden Verfahren anschaulich verdeutlichen. 1 BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, AGS 2004, 390 = MDR 2004, 931. 2 BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597.

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A. Überblick

2. Streitwert im Sinne der ZPO In Verfahren nach der ZPO wird auf den Zuständigkeitsstreitwert abgestellt. Sofern keine besonderen Zuständigkeiten gegeben sind, ist das AG in erstinstanzlichen Verfahren mit Streitwerten bis einschließlich 5.000 t zuständig (§ 1 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG), im Übrigen grundsätzlich das LG.

1.12

Der Streitwert für die Zuständigkeit eines Verfahrens ist in den §§ 3 ff. ZPO geregelt. Er hat mit den Werten, die sich aus den Gerichtskostengesetzen ergeben, nichts zu tun.

1.13

Der Zuständigkeitsstreitwert – nicht der Gebührenstreitwert – ist auch maßgebend dafür, ob ein Bagatellverfahren nach § 495a ZPO durchgeführt werden kann (§ 2 ZPO).

1.14

Er ist ebenfalls maßgebend dafür, ob ggf. vor Klageerhebung ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO durchzuführen ist (§ 2 ZPO).

1.15

Auch der Wert einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) richtet sich nach den Wertvorschriften der ZPO und nicht nach denen des GKG.

1.16

3. Wert des Beschwerdegegenstands In zahlreichen Fällen stellen die Verfahrensordnungen für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln auf den Wert des Beschwerdegegenstands ab, so in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO oder § 61 Abs. 1 FamFG.

1.17

Auch für die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist auf die Wertvorschriften der ZPO abzustellen (§ 2 ZPO).

1.18

In Zivilsachen ergibt sich der Wert des Beschwerdegegenstands aus den §§ 3 ff. ZPO (§ 2 ZPO). Auch hier ist nicht auf die Wertvorschriften der Gerichtskostengesetze zurückzugreifen (häufige Fehlerquelle!).

1.19

Andere Verfahrensordnungen enthalten keine Regelungen zum Wert des Beschwerdegegenstands bzw. zum Wert der Beschwer, wie z.B. das FamFG. Hier dürfte – zumindest in Familienstreitsachen – auf die ZPO zurückzugreifen sein.

1.20

4. Beschwer Von dem Wert des Beschwerdegegenstands zu unterscheiden ist die Beschwer. Unter Beschwer ist 1.21 der Nachteil zu verstehen, der der jeweiligen Partei durch die gerichtliche Entscheidung erwachsen ist, also die Differenz zwischen dem Wert des Antrags und dem Wert der Entscheidung. Die Beschwer muss nicht mit dem Wert des Beschwerdegegenstands identisch sein. Der Wert des Be- 1.22 schwerdegegenstands beläuft sich nämlich nur auf den Wert der angefochtenen Entscheidung, soweit sie auch tatsächlich angefochten wird. Der Wert des Beschwerdegegenstands kann daher auch hinter der Beschwer zurückbleiben, etwa im Falle einer Teilanfechtung. Beispiel: Eingeklagt waren 1.860 t. Der Beklagte ist zur Zahlung von 860 t verurteilt worden und legt wegen eines Teilbetrags von 500 t Berufung ein.

1.23

Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens beläuft sich auf 1.860 t. Die Beschwer des Klägers beträgt 1.000 t (Abweisung der Klage), die des Beklagten 860 t (Verurteilung). Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich dagegen nur auf 500 t, da das Urteil nur insoweit angefochten wird. Da § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auf die Beschwer, sondern auf den Wert des Beschwerdegegenstands abstellt, wäre die Berufung also unzulässig, soweit sie nicht zugelassen war.

Die Beschwer hat derzeit kaum eine Bedeutung, da für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels grundsätzlich nicht (mehr) auf die Beschwer, sondern den Wert des Beschwerdegegenstands abgestellt Schneider

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1. Teil Verfahrensrecht

wird. Die Beschwer hatte früher größere Bedeutung, als eine Revision lediglich eine Beschwer von 40.000 DM voraussetzte, nicht aber, dass die Revision auch in dieser Höhe durchgeführt wurde, so dass der Wert des Beschwerdegegenstands geringer sein durfte. Bedeutung hat die Beschwer derzeit allerdings für den Gebührenwert, wenn ein Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig begründet wird (s. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG; § 61 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). 5. Streitwert im Sinne des GKG

1.25 Auch das GKG spricht vom „Streitwert“. Gemeint ist hiermit aber nicht der Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert nach der ZPO, sondern der Gebührenstreitwert, also der Wert, nach dem die wertabhängigen Gebühren des GKG-KostVerz. erhoben werden.

1.26 Der Gebührenstreitwert des GKG ist in § 3 Abs. 1 GKG definiert. Er bemisst sich nach dem „Wert des Streitgegenstands“ und berechnet sich nach den Wertvorschriften des GKG, wobei zum Teil über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG wiederum auf die Wertvorschriften der ZPO über den Zuständigkeitsstreitwert zurückgegriffen wird. 6. Verfahrenswert („Streitwert“ im Sinne des FamGKG)

1.27 Im Gegensatz zum GKG spricht das FamGKG, das für Familiensachen gilt (§ 1 Abs. 1 FamGKG), nicht vom Streitwert, sondern vom Verfahrenswert. Der Verfahrenswert ist in § 3 Abs. 1 FamGKG definiert. Verfahrenswert ist der „Wert des Verfahrensgegenstands“. Häufig wird auch hier aus Gewohnheit noch vom „Streitwert“ gesprochen, was aber sprachlich nicht zutreffend ist und nur zu Missverständnissen führen kann.

1.28 Der Verfahrenswert richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften des FamGKG. Hier findet sich – im Gegensatz zum GKG – keine Verweisung auf die Vorschriften der ZPO über den Zuständigkeitsstreitwert, so dass diese Vorschriften hier unanwendbar sind und ein Rückgriff auf die ZPO nicht zulässig ist,1 was manche Gerichte allerdings nicht daran hindert, dies doch zu tun.2 Lediglich in Einzelfällen wird auf das GNotKG verwiesen (reine Rechtsfolgenverweisung). 7. Geschäftswert („Streitwert“ im Sinne des GNotKG)

1.29 Das GNotKG, das in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit außer in Familiensachen gilt (§ 1 Abs. 3 GNotKG, § 1 FamGKG), spricht wiederum vom Geschäftswert.

1.30 Der Geschäftswert ist in § 3 Abs. 1 GNotKG definiert. Geschäftswert ist danach „der Wert, den der Gegenstand des Verfahrens oder des Geschäfts hat“.

1.31 Auch der Geschäftswert bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des GNotKG. Die Vorschriften der ZPO sind hier ebenso wenig anwendbar wie die des GKG oder des FamGKG. 8. Gegenstandswert („Streitwert“ im Sinne des RVG)

1.32 Das RVG wiederum spricht vom Gegenstandswert. Der Gegenstandswert ist in § 2 RVG definiert. Gegenstandswert ist danach der „Wert …, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat“.

1.33 Soweit es also um die Abrechnung von Anwaltsgebühren geht, ist stets auf den Gegenstandswert abzustellen. Das RVG selbst enthält allerdings nur wenige eigene Regelungen zur Höhe des Gegenstandswerts (§ 23 Abs. 2, 3, § 23a, §§ 24 ff. RVG). 1 OLG Naumburg, Beschl. v. 3.9.2014 – 3 UF 229/13, AGS 2015, 36 = NZFam 2015, 136. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2013 – 6 UF 373/11, AGS 2013, 341 = FamRB 2013, 360 = FamRZ 2014, 1732.

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A. Überblick

Dies beruht darauf, dass das RVG in erster Linie auf die Wertvorschriften des jeweiligen Gerichtskostengesetzes abstellt (§ 23 Abs. 1 RVG).

1.34

Ergänzend hierzu ordnet § 32 Abs. 1 RVG an, dass die gerichtliche Wertfestsetzung auch für die Anwaltsgebühren bindend ist. Der gerichtliche Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert bestimmt also in der Regel auch den anwaltlichen Gegenstandswert.

1.35

Soweit die anwaltliche Tätigkeit allerdings nicht mit dem Wert der gerichtlichen Tätigkeit übereinstimmt, ist für die Anwaltsgebühren ein abweichender Wert festzusetzen (§ 33 RVG). Dieser Wert bestimmt sich grundsätzlich wiederum nach dem Wert, der für die Gerichtsgebühren maßgebend ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG).

1.36

Darüber hinaus gibt es anwaltliche Tätigkeiten im gerichtlichen Verfahren, für die in den Gerichts- 1.37 kostengesetzen keine Werte vorgesehen sind, weil entweder gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden (z.B. Räumungsfristverfahren nach § 721 ZPO) oder wertunabhängige Festgebühren vorgesehen sind (z.B. in Beschwerdeverfahren gegen Zwischen- oder Nebenentscheidungen, also z.B. Beschwerden in Richterablehnungsverfahren, Kostenfestsetzungsverfahren, Streitwertfestsetzungsverfahren, oder in der Zwangsvollstreckung). In allen diesen Fällen richtet sich der Gegenstandswert nach den Vorschriften des RVG. So ist der Gegenstandswert in Beschwerde- und Erinnerungsverfahren in § 23 Abs. 2 RVG geregelt, der Gegenstandswert eines PKH- oder VKH-Prüfungsverfahrens findet sich in § 23a RVG, die Gegenstandswerte in der Zwangsvollstreckung wiederum sind in § 25 RVG geregelt, die der Zwangsversteigerung und -verwaltung, soweit sie von den Werten des GKG abweichen, in §§ 26, 27 RVG etc.

1.38

Auch hier können die Werte vom Gericht festgesetzt werden. Dazu enthält § 33 RVG ein eigenes Wertfestsetzungsverfahren, das ausschließlich für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren gilt (s. Rz. 1.813 ff.) und im Gegensatz zu den Festsetzungsverfahren der Gerichtskostengesetze ein reines Antragsverfahren ist.

1.39

III. Hinweispflichten 1. Hinweispflichten des Gerichts Eine Verpflichtung des Gerichts, auf den Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert hinzuweisen, besteht 1.40 grundsätzlich nicht. Lediglich dann, wenn der Wert prozessuale Folgen hat, etwa betreffend die Zuständigkeit des Gerichts, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels o.Ä., muss es im Rahmen seiner prozessualen Pflichten darauf hinweisen. Im Übrigen kann allerdings eine unrichtige Sachbehandlung darin liegen, wenn das Gericht die Parteien nicht vorab darauf hinweist, dass bestimmte Handlungen oder Maßnahmen unverhältnismäßig hohe Kosten auslösen, die in keinem Verhältnis zum erstrebten Prozesserfolg stehen. Eine Verletzung solcher gerichtlicher Aufklärungs- und Hinweispflichten kann dann dazu führen, dass die entsprechenden Gerichtskosten nach § 21 GKG, § 20 FamGKG oder § 21 GNotKG nicht zu erheben sind.

1.41

Soweit die Streitwertannahme auf die Kostenentscheidung Einfluss haben kann, muss das Gericht ggf. auch auf seine Ansicht zur Wertfestsetzung hinweisen, damit die Parteien zum Streitwert Stellung nehmen können. Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs vor, so dass wegen der Auswirkungen der Streitwertfestsetzung auf die Kostengrundentscheidung die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gegeben sein kann.1

1.42

1 OLG Naumburg, Urt. v. 26.1.2014 – 1 U 110/13, AGS 2015, 94; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.3.2015 – 2 U 2/14, AGS 2015, 194 = NJW-Spezial 2015, 252.

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1. Teil Verfahrensrecht

2. Hinweispflichten des Anwalts a) Überblick

1.43 Anders verhält es sich beim Anwalt. Den Anwalt können zwei Hinweispflichten treffen, nämlich – die Pflicht zum Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist – die Pflicht zum Hinweis über die Höhe des Gegenstandswerts. b) Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist aa) Gesetzliche Regelung

1.44 Nach § 49b Abs. 5 BRAO muss der Anwalt den Auftraggeber vor Beginn des Mandats darauf hinweisen, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnen: § 49b BRAO Vergütung … (5) 1Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen. bb) Nur Hinweisverpflichtung

1.45 Die Verpflichtung besteht nur zum Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist. Der bloße Hinweis auf Abrechnung nach dem RVG genügt nicht.1

1.46 Der Anwalt muss nicht ungefragt über die Höhe des Gegenstandswerts Auskunft erteilen. Das muss er grundsätzlich erst auf Nachfrage oder wenn sich eine Aufklärung des Mandanten aufdrängt (s. Rz. 1.56 ff.).

1.47 Zur Dokumentation ist es zweckmäßig, den Hinweis schriftlich zu erteilen und sich durch die Unterschrift des Auftraggebers bestätigen zu lassen, dass er den Hinweis zur Kenntnis genommen hat. Um rechtlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, sollte der Hinweis nicht in der Vollmachtsurkunde erteilt werden; oder aber zumindest deutlich von ihr abgesetzt werden.

1.48 Muster 1: Hinweis auf Abrechnung nach dem Gegenstandswert In der Angelegenheit … ./. … wird darauf hingewiesen, dass sich die Gebühren des Anwalts nach dem Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit berechnen. Zur Kenntnis genommen: Datum Unterschrift Mandant

1 LG Kiel, Beschl. v. 21.8.2008 – 7 T 42/08, AGS 2009, 264.

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A. Überblick

cc) Rechtsfolgen bei Verletzung der Hinweispflicht Lange Zeit war umstritten, ob der Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO zu Schadenersatzansprüchen führen kann oder ob es sich nur um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt.

1.49

Während die Rechtsprechung zunächst davon ausging, die Hinweispflicht beinhalte nur eine berufsrechtliche Verpflichtung, habe aber keine zivilrechtlichen Folgen, hat der BGH1 zwischenzeitlich klargestellt, dass der Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO grundsätzlich zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet.

1.50

In einer weiteren Entscheidung2 hat der BGH zudem klargestellt, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Hinweis unterblieben sei, den Auftraggeber trifft. Der Anwalt muss lediglich ansatzweise darlegen, wann und wie er den Hinweis erteilt haben will. Es ist dann Sache des Auftraggebers, den Beweis des fehlenden Hinweises zu erbringen.

1.51

Die Darlegungs- und Beweislast für den entstandenen Vertrauensschaden liegt ebenfalls beim Auftraggeber. Er muss also konkret vortragen, wie er sich verhalten hätte, wenn der Hinweis erteilt worden wäre und welche geringeren Kosten bei diesem Alternativverhalten entstanden wären.

1.52

Strittig ist, inwieweit eine Hinweispflicht bei Abschluss einer Vergütungsvereinbarung anzunehmen 1.53 ist, wenn diese sich im Nachhinein als unwirksam oder unverbindlich erweist. Das OLG Koblenz ist wohl dem Grunde nach von einer Hinweispflicht ausgegangen, hat aber einen Schaden im konkreten Fall verneint.3 Zutreffender Weise wird man danach differenzieren müssen, ob die Vereinbarung unwirksam oder nur gem. § 4b RVG unverbindlich ist.

1.54

– Ist die Vergütungsvereinbarung unwirksam, dann entfaltet sie keine Wirkung. Geschuldet ist dann originär die gesetzliche Vergütung. Soweit diese sich nach dem Gegenstandswert richtet, muss also ein Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO erteilt worden sein. Fehlt dieser Hinweis, kann auch gegenüber der gesetzlichen Vergütung bei Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung Schadensersatz geltend gemacht werden. – Ist die Vergütungsvereinbarung dagegen lediglich unverbindlich, weil sie den Formvorschriften der §§ 3a, 4a RVG nicht entspricht, verhält es sich anders. In diesem Fall bleibt nämlich die vereinbarte Vergütung geschuldet.4 Sie wird lediglich nach § 4b RVG auf die gesetzliche Höhe begrenzt. Da in diesem Fall aber nicht originär die gesetzliche Vergütung geschuldet ist, bedarf es in diesem Fall auch keines Hinweises. Der Mandant ist insoweit auch nicht schutzwürdig. Er hat sich ja auf die höhere vereinbarte Vergütung eingelassen und sich damit grundsätzlich einverstanden erklärt. Wenn er demgegenüber die vereinbarte Vergütung nur in der maximalen Höhe bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung zahlen will, kann er sich nicht zusätzlich auch noch darauf berufen, über die Abrechnung der fiktiven gesetzlichen Vergütung nicht belehrt worden zu sein. Hinweis: Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen, bietet es sich an, in einer Vergütungsvereinbarung stets darauf hinzuweisen, dass sich die gesetzliche Vergütung nach dem Gegenstandswert richten würde. Soweit die Vergütungsvereinbarung wirksam und verbindlich ist, ist dieser Hinweis unschädlich. Stellt sich später die Unwirksamkeit oder Unverbindlichkeit der Vergütungsvereinbarung heraus, dann ist dem Gebot des § 49b Abs. 5 BRAO jedenfalls genüge getan. 1 BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, AGS 2007, 386 = MDR 2007, 1046. 2 BGH, Urt. v. 11.10.2007 – IX ZR 105/06, MDR 2008, 235 = AGS 2008, 9 m. Anm. Schons = NJW 2008, 371. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 11.7.2012 – 2 U 1023/11, AGS 2014, 58 m. Anm. Winkler = NJW-RR 2012, 1466; Schons, AGS 2014, 386; Winkler, AGS 2014, 370. 4 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, MDR 2014, 931 = AGS 2014, 319 = NJW 2014, 2653.

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1. Teil Verfahrensrecht

3. Hinweis auf die Höhe des Gegenstandswerts

1.56 Grundsätzlich ist ein Anwalt weder dazu verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass für seine Tätigkeit Gebühren ausgelöst werden,1 noch ist er dazu verpflichtet, auf die Höhe seiner Vergütung hinzuweisen.

1.57 Sofern der Auftraggeber allerdings nach der Höhe der Vergütung fragt, ist der Anwalt verpflichtet, aufzuklären und entsprechende Auskunft zu erteilen.

1.58 Darüber hinaus ist der Anwalt nach der Rechtsprechung auch dann verpflichtet, auf die Höhe seiner Vergütung, insbesondere auch auf die Höhe des Gegenstandswerts, hinzuweisen, wenn diese außer Verhältnis zum erstrebten Prozesserfolg steht. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ersichtlich ist, dass ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis des Auftraggebers besteht, weil er nicht mit einem entsprechend hohen Wert und den damit verbundenen Kosten rechnet2 oder wenn anderweitig erkennbar ist, dass sich der Auftraggeber falsche Vorstellungen über die Höhe des Wertes macht.3

1.59 Eine Hinweispflicht besteht auch dann, wenn die Sache für den Auftraggeber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.4 Ein solcher Fall ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Gericht den Streitwert offensichtlich fehlerhaft viel zu niedrig festsetzt. Der Mandant ist dann darauf hinzuweisen, dass dieser Wert später abgeändert werden kann und sich bei zutreffender Wertberechnung weitaus höhere Kosten ergeben werden.

1.60 Zu belehren ist auch darüber, wenn sich ein Begehren in anderer Form mit einem geringeren Streitwert erledigen lässt.

1.61 Beispiel: Der Gläubiger ist im Besitz einer Grundschuld über 100.000 t und macht noch eine Restforderung von 1.000 t gelten, deren Berechtigung der Schuldner bestreitet.

Bei einer Klage des Schuldners auf Löschung der Grundschuld bzw. Herausgabe des Briefes droht die „Gefahr“, dass das Gericht den Wert der Klage auf 100.000 t festsetzt, so dass sich wegen einer relativ geringfügigen Restforderung ein relativ hohes Kostenrisiko ergibt. Der Mandant ist daher darüber aufzuklären, dass sich sein Begehren auch zunächst einmal im Rahmen einer negativen Feststellungsklage klären lässt, mit der festgestellt werden soll, dass dem Gläubiger keine Forderung mehr zusteht. Dann beläuft sich der Streitwert nämlich nur auf 1.000 t, so dass das Kostenrisiko auch entsprechend geringer ist.

4. Hinweis auf die Möglichkeit einer Streitwertbeschwerde

1.62 Hat das Gericht den Wert unzutreffend festgesetzt, muss der Anwalt den Auftraggeber darüber hinaus auf die Möglichkeit einer Streitwertbeschwerde hinweisen. Unterlässt er dies, macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig.5 Der nur erstinstanzlich bevollmächtigte Anwalt hat in diesem Fall auch für Mehrkosten einzustehen, die in den Rechtsmittelinstanzen entstehen, wenn der Fehler dort wiederholt wird.6 Er kann lediglich Regress bei den Verfahrensbevollmächtigten der weiteren Instanzen nehmen. 5. Information des Rechtsschutzversicherers

1.63 Ist der Auftraggeber rechtsschutzversichert und hat der Anwalt die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer übernommen, muss der Anwalt den Rechtsschutzversicherer rechtzeitig über eine 1 AG Steinfurt, Urt. v. 13.2.2014 – 21 C 979/13, AGS 2014, 379 = AnwBl. 2014, 364. 2 OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.9.2007 – 1 U 676/06-210, OLGR 2008, 79 = AGS 2008, 110 = NJW-RR 2008, 509. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZR 210/03, FamRZ 2006, 478 = AnwBl. 2006, 214; BGH, Beschl. v. 3.11.2011 – IX ZR 49/09, BRAK 2012, 26; OLG Bamberg, Urt. v. 5.2.2015 – 2 U 2/14, AGS 2015, 119. 4 BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – IX ZR 34/06, AGS 2010, 216 = BRAK 2009, 19 im konkreten Fall allerdings abgelehnt. 5 OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2011 – 28 U 63/10, AGS 2012, 439 = BRAK 2011, 196. 6 OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2011 – 28 U 63/10, AGS 2012, 439 = BRAK 2011, 196.

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A. Überblick

vom Gericht getroffene Wertfestsetzung unterrichten, damit dieser ggf. Anweisung zur Streitwertbeschwerde erteilen oder für den Versicherungsnehmer einen Anwalt zur Einlegung einer Streitwertbeschwerde beauftragen kann. Auch hier droht dem Anwalt, anderenfalls auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, wobei der Schadensersatzanspruch in diesem Falle i.d.R. auf den Rechtsschutzversicherer gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergeht (s. Rz. 1.494).

IV. Die Wertfestsetzungsverfahren 1. Überblick Das Gesetz sieht verschiedene Wertfestsetzungsverfahren vor, je nachdem, zu welchem Zweck die Wertfestsetzung erfolgt.

1.64

Wichtig ist es, diese Wertfestsetzungsverfahren genau zu unterscheiden und stets zu prüfen, nach 1.65 welchem Verfahren festzusetzen ist. In der Praxis wird dies sehr häufig nicht beachtet, was dann zu erheblichen Problemen bei der Bindungswirkung der Festsetzungen und ihrer Anfechtbarkeit führt.1 Insoweit sollten Gericht und Anwälte auch die richtigen Begriffe wählen (s. Rz. 1.11 ff.). Wenn man hier schon nicht zwischen den richtigen Begrifflichkeiten unterscheidet, besteht schnell die Gefahr, in das falsche Wertfestsetzungsverfahren „abzurutschen“. Beispiel: Der Antrag des Klägers auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ist zurückgewiesen worden.2 Dagegen hat der Kläger Beschwerde erhoben. Das OLG als Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, den „Streitwert“ auf ein Drittel der Hauptsache festgesetzt und dies mit § 3 ZPO begründet.

1.66

Was soll diese Festsetzung? Die Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Ablehnung eines Sachverständigen bedarf keiner Mindestbeschwer. Daher ist es nicht erforderlich, einen Wert für den Beschwerdegegenstand festzusetzen. Eine solche Festsetzung wäre überflüssig und sinnlos. Da im Verfahren über die Ablehnung eines Richters im Beschwerdeverfahren bei Gericht nur eine Festgebühr erhoben wird, die nicht nach dem Wert abgerechnet wird (Nr. 1812 KV GKG), bedarf es daher auch keiner Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG für die Gerichtsgebühr; im Gegenteil ist eine solche Wertfestsetzung unzulässig und sinnlos. Siehe Rz. 1.168. Lediglich der Anwalt erhält im Beschwerdeverfahren eine gesonderte Gebühr, die sich gem. § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG) und zwar eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 RVG-VV. Eine gerichtliche Wertfestsetzung für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist aber nur auf Antrag eines Anwalts, seines Auftraggebers oder einer erstattungspflichtigen Partei zulässig (§ 33 Abs. 1 RVG). Es handelt sich hier um ein reines Antragsverfahren (s. Rz. 1.813 ff.). Eine Wertfestsetzung von Amts wegen ist unzulässig. Einen Antrag hat hier aber niemand gestellt. Abgesehen davon kommt eine Bewertung nach § 3 ZPO nur für den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert in Betracht. Für die Anwaltsgebühren gilt aber nicht § 3 ZPO, sondern § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG, wonach sich der Wert im Beschwerdeverfahren für den Anwalt nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG richtet.

Ebenso wird häufig in Zwangsvollstreckungssachen unzulässigerweise ein Streitwert festgesetzt.

1.67

Beispiel: Der Schuldner ist vom LG verurteilt worden, unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, bestimmte wettbewerbswidrige Handlungen zu unterlassen. Den Streitwert für dieses Verfahren hat das Gericht auf 30.000 t festgesetzt. Da der Schuldner nach Rechtskraft des Urteils gegen das Unterlassungsgebot verstößt, beantragt der Gläubiger beim LG gem. § 890 ZPO die Verhängung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft. Das LG gibt dem Antrag statt und verhängt ein Ordnungsgeld i.H.v. 3.000 t. Gleichzeitig setzt das Gericht den Streitwert gem. § 3 ZPO auf 3.000 t fest.

1.68

1 Siehe hierzu N. Schneider, Über die „Wertlosigkeit“ höchstrichterlicher Wertfestsetzungen, NJW 2013, 25. 2 Nach OLG München, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 W 1403/10, AGS 2010, 403 = MDR 2010, 1012.

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1. Teil Verfahrensrecht Was soll diese Festsetzung? In einem Ordnungsgeldverfahren nach § 890 ZPO fällt nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. eine Festgebühr i.H.v. 22 t an. Diese Gebühr wird unabhängig davon erhoben, wie hoch der Wert des durchzusetzenden Anspruchs ist. Wird aber hiernach eine Festgebühr erhoben, bedarf es keiner Streitwertfestsetzung. Sie ist unzulässig.1 Lediglich der Anwalt erhält in diesem Fall eine wertabhängige Gebühr (Nr. 3309 RVG-VV). Dieser Gegenstandswert richtet sich aber weder nach dem GKG noch nach der ZPO, sondern nach dem RVG, nämlich nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG, und zwar „nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat“. Dieser Wert wiederum ist aber nicht von Amts wegen festzusetzen, sondern wiederum nur auf Antrag nach § 33 RVG.

1.69 Beispielhaft ist auch die Entscheidung des LG Bamberg2 das lange Ausführungen zum „Streitwert“ eines Räumungsfristverlangens gemacht und dabei verkannt hat, dass dieses Verfahren gerichtskostenfrei ist und es daher gar keinen Streitwert geben kann. Das Gericht ist dann konsequenterweise auch zu einer falschen Bewertungsvorschrift gelangt (§ 3 ZPO statt § 25 Abs. 2 RVG). Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass das Gericht selbst gar nicht zur Entscheidung über den Wert berufen war, sondern das zugrunde liegende Kostenfestsetzungsverfahren hätte aussetzen und den Parteien Gelegenheit geben müssen, eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG zu beantragen (s. Rz. 1.1095).

1.70 Unweigerlich stellt sich in diesen Fällen die Frage, was mit der nun einmal getroffenen „Streitwert“Festsetzung anzufangen ist. Bindet sie den Anwalt und seinen Auftraggeber? Kann und muss er dagegen vorgehen?3 All dies lässt sich vermeiden, wenn sich das Gericht bei seiner Wertfestsetzung fragt, – ob überhaupt eine Wertfestsetzung erforderlich ist – und wenn ja, in welchem Verfahren und nach welchen Vorschriften.

1.71 Ebenso häufig werden Rechtsmittel zugelassen, die es gar nicht gibt. 1.72 Beispiel: Im Verfahren einer Streitwertbeschwerde entscheidet das OLG und lässt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zugrunde liegenden Rechtsfrage die Rechtsbeschwerde zu.4 Das Beschwerdegericht hat hier offensichtlich das Streitwertfestsetzungsverfahren mit dem Kostenfestsetzungsverfahren verwechselt. Während im Kostenfestsetzungsverfahren nach der ZPO die Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO gegeben ist, sieht das GKG eine solche nicht vor und schließt darüber hinaus in § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG eine Beschwerde an einen obersten Gerichthof des Bundes ausdrücklich aus. Der BGH ist an eine solche Zulassung auch nicht gebunden. Zwar besteht eine Bindungswirkung des BGH an die Zulassungsentscheidung der Vorinstanz. Das gilt aber nur im Rahmen eines statthaften Rechtsmittels. Ein nicht vorgesehenes Rechtsmittel kann nicht qua Zulassung geschaffen werden.

2. Wertfestsetzung nach der ZPO

1.73 Die ZPO sieht zunächst einmal eine Wertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts und die Zulässigkeit eines Rechtsmittels vor (s. § 62 GKG). Gleiches gilt für die Wertfestsetzung betreffend die 1 LG Karlsruhe, Beschl. v. 14.11.2017 – 15 O 31/15 KfH, AGS 2018, 23 = NJW-Spezial 2018, 28; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.9.2015 – 1 WF 197/15, FuR 2016, 179; LG Bonn, Beschl. v. 14.12.2017 – 12 O 16/16, AGS 2018, 23; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.4.2019 – 13 WF 81/19. 2 LG Bamberg, Beschl. v. 15.4.2020 – 3 T 38/20, AGS 2020, 484 = NJW-Spezial 2020, 573. 3 Siehe Rz. 1.125. 4 So zuletzt KG, Beschl. v. 26.8.2010 – 8 W 38/10, AGS 2010, 550 = MDR 2010, 1493 = MietRB 2010, 325.

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A. Überblick

Verfahrensgestaltung nach § 15a EGZPO oder § 495a ZPO. Diese Wertfestsetzungen haben aber zunächst einmal nur prozessuale Bedeutung. Besondere Regelungen zum Wertfestsetzungsverfahren selbst enthält die ZPO – im Gegensatz zu den Kostengesetzen – nicht. Die Möglichkeit, eine Wertfestsetzung anzufechten besteht hier nicht. Eine falsche Wertannahme des Gerichts kann nur mit der Hauptsache angegriffen werden. Ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, kommt eine Gehörsrüge in Betracht, soweit sich die Entscheidung des Gerichts auf einer falschen Wertannahme gründet und die unzutreffende Wertannahme auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht.1

1.74

3. Wertfestsetzung nach dem FamFG Einen Zuständigkeitswert kennt das FamFG nicht. Hier ist allerdings auch eine Wertfestsetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels möglich (s. § 54 FamGKG). Diese Festsetzung hat aber ebenfalls unmittelbar lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung.

1.75

Auch hier kann die Wertfestsetzung unmittelbar nicht angefochten werden (s. Rz. 1.74).

1.76

4. Wertfestsetzung nach den Gerichtskostengesetzen Unabhängig von einer eventuell prozessual erforderlichen Wertfestsetzung sehen die Gerichtskostengesetze jeweils eigene Wertfestsetzungsverfahren vor, die im Wesentlichen jedoch gleich ablaufen.

1.77

Soweit die Gerichtsgebühren nach dem GKG erhoben werden, richtet sich das Wertfestsetzungsverfahren nach den §§ 53 ff. GKG, die Beschwerde nach § 68 GKG und die weitere Beschwerde nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG.

1.78

In Familiensachen richtet sich die Wertfestsetzung nach den §§ 55 ff. FamGKG und die Beschwerde nach § 59 FamGKG.

1.79

In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (außer in Familiensachen), in denen sich die Kosten nach dem FamGKG berechnen, richtet sich das Wertfestsetzungsverfahren nach § 79 GNotKG, die Beschwerde nach § 83 Abs. 1 Satz 1 bis 4 GNotKG und die weitere Beschwerde nach § 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 4 GNotKG.

1.80

5. Wertfestsetzung nach dem RVG Für die wertabhängigen Gebühren des Anwalts wiederum ist in § 33 RVG ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren vorgesehen, soweit keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG an die Festsetzung des Wertes für die Gerichtsgebühren besteht. Grundsätzlich richtet sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nämlich nach dem Wert, der für die Gerichtsgebühren gilt (§ 23 Abs. 1 RVG), so dass der Anwalt an den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren zu beteiligen und an die dort festgesetzten Werte gebunden ist (§ 32 Abs. 1 ZPO).

1.81

Das Verfahren nach § 33 RVG ist danach nur zulässig, wenn es

1.82

– an einem Wert für die Gerichtsgebühren fehlt oder – die Anwaltsgebühren sich ausnahmsweise nicht nach dem gerichtlichen Wert richten. In diesen Fällen kommt für den Anwalt, den Auftraggeber, ggf. auch für die Landeskasse und einen erstattungspflichtigen Dritten, das besondere Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 Abs. 1 RVG mit 1 OLG Naumburg, Urt. v. 26.1.2014 – 1 U 110/13, AGS 2015, 94.

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1. Teil Verfahrensrecht

der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG und der weiteren Beschwerde nach § 33 Abs. 6 RVG in Betracht.

1.84 Soweit häufig ausgeführt wird, dieses Festsetzungsverfahren sei gegenüber den Wertfestsetzungsverfahren für die Gerichtsgebühren subsidiär, ist dies nicht ganz zutreffend. Beide Verfahren haben unterschiedliche Anwendungsbereiche und können sogar nebeneinander geführt werden. Präziser ist daher die Aussage, dass ein Verfahren nach § 33 RVG unzulässig ist, soweit die Bindungswirkung des § 32 Abs. 1 GKG reicht.

1.85 Beispiel: In einem Verfahren über eine Stufenklage wird nach Verhandlung zur Auskunft die Klage zurückgenommen. Für die Verfahrensgebühr ist die gerichtliche Streitwertfestsetzung gem. § 32 Abs. 1 RVG bindend. Einwendungen gegen den Gegenstandswert der Verfahrensgebühr sind daher im Verfahren nach § 63 GKG und ggf. der Beschwerde nach § 68 GKG geltend zu machen. Für die Terminsgebühr ist dagegen der Streitwert des Verfahrens nicht maßgebend, da nur über die Auskunft, nicht aber auch über die Hauptsache verhandelt worden ist. Der Gegenstandswert der Terminsgebühr ist daher gesondert im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen und ggf. mit der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG anzugreifen.1

V. Kostenansatzverfahren 1.86 Von den Verfahren auf Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streit-, Verfahrens-, oder Geschäftswerts abzugrenzen ist das Kostenansatzverfahren. Während im Wertfestsetzungsverfahren ausschließlich der Wert zu bestimmen ist, nach dem sich die Gerichtsgebühren berechnen, ergibt sich im Kostenansatzverfahren, welche Gebühren aus den festgesetzten Werten erhoben werden. Die vom Gericht getroffene Wertfestsetzung ist dabei für das Kostenansatzverfahren bindend.

1.87 Ergibt sich im Kostenansatzverfahren Streit über den zutreffenden Wert, dann muss das Ansatzverfahren ausgesetzt werden, bis über den Wert entschieden ist.2 Die Kostenansatzinstanzen sind nicht berechtigt, von einer gerichtlichen Wertfestsetzung abzuweichen oder einen abweichenden Wert eigenmächtig anzusetzen.

1.88 Angesetzt werden die Kosten jeweils von dem Gericht, bei dem sie angefallen sind, also die Kosten des ersten Rechtszugs, bei dem Gericht, bei dem das Verfahren im ersten Rechtszug anhängig war (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG; § 18 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG; § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG) und im Rechtsmittelverfahren von dem Rechtsmittelgericht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG; § 18 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG; § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG). Im Falle einer Verweisung werden die Gerichtskosten vom Empfangsgericht festgesetzt (§ 4 GKG; § 6 Abs. 1 FamGKG; § 5 GNotKG).

1.89 Gegen den Kostenansatz kann nach § 66 Abs. 1 GKG, § 57 Abs. 1 FamGKG, § 81 Abs. 1 GNotKG Erinnerung eingelegt werden. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich. Auch ist keine Frist vorgesehen.

1.90 Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG, § 57 Abs. 2 FamGKG, § 81 Abs. 2 GNotKG gegeben, sofern der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigt oder das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Erinnerung die Beschwerde zugelassen hat. Auch hier ist keine Frist vorgesehen.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147 = NJW-Spezial 2021, 59; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2018 – 2 W 464/18, AGS 2019, 286 = NZFam 2019, 279. 2 Toussaint, KostR, § 66 GKG Rz. 19.

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B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts

Hat das LG als Beschwerdegericht entschieden, ist in den Verfahren nach dem GKG und dem GNotKG noch die weitere Beschwerde gegeben, wenn das LG sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (§ 66 Abs. 3 GKG; § 81 Abs. 4 GNotKG). In Familiensachen ist eine solche weitere Beschwerde nicht vorgesehen.

1.91

Eine Rechtsbeschwerde ist nach allen Gerichtskostengesetzen ausgeschlossen.

1.92

Wird nachträglich der Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert geändert, ist ein aufgrund der fehlerhaften Streitwertfestsetzung vorgenommener Kostenansatz zu korrigieren. Das Gericht kann dann ggf. weiter zu erhebende Gebühren nachfordern (§ 20 GKG, § 19 FamGKG, § 20 GNotKG). Insoweit zu Unrecht vereinnahmte Gebühren sind zurückzuzahlen.

1.93

B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts I. Erforderlichkeit einer Wertermittlung In verschiedenen Fällen knüpfen die Verfahrensordnungen von ZPO und FamFG an die Höhe des Streit- oder Verfahrenswerts an, so dass das Gericht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen den Wert ermitteln muss.

1.94

So richtet sich nach dem GVG die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts in Zivilsachen nach der Höhe des Streitwerts, sofern keine besonderen Zuständigkeiten gegeben sind (§ 23 Nr. 1 GVG). Bei Streitwerten bis 5.000 t sind grundsätzlich die AG zuständig. Bei höheren Streitwerten sind grundsätzlich die LG zuständig.

1.95

Nach § 495a ZPO kann das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert den Betrag von 600 t nicht übersteigt.

1.96

Nach § 15a EGZPO können die Landesgesetzgeber ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren vorschreiben, wenn der Streitwert den Betrag von 750 t nicht übersteigt.

1.97

Sowohl in Zivilsachen als auch in Familiensachen entscheidet der Wert in zahlreichen Fällen darüber, ob ein Rechtsmittel gegeben ist oder nicht. So ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufung grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 t übersteigt. Gleiches gilt für die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach § 58 FamFG (§ 61 FamFG).

1.98

Für Beschwerden gegen Entscheidungen über die Kosten nach der ZPO sowie in Familienstreitsachen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) ist ein Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200 t erforderlich (§ 567 Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt für Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse (auch in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit).

1.99

II. Festsetzung Ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren ist in der ZPO und im FamFG nicht vorsehen. Daher kann das Gericht eine „wirkliche Entscheidung“1 über den Streit-, Verfahrens- oder Rechtsmittelstreitwert nur in seiner Hauptsacheentscheidung im Rahmen der Frage der Zulässigkeit der Klage treffen. Eine solche Entscheidung ist dann auch gem. § 62 GKG, § 54 FamGKG, § 78 GNotKG für den Gebührenstreitwert bindend, wenn die Bewertung nach denselben Vorschriften erfolgt.

1 Toussaint, KostR, § 62 GKG Rz. 6.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.101 Das Gericht kann sogar nach § 3 Satz 1 ZPO zum Zwecke der Wertfestsetzung eine Inaugenscheinnahme durchführen oder einen Sachverständigen mit der Wertermittlung beauftragen.

1.102 Häufig wird der Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert vorab durch Beschluss vorläufig „festgesetzt“. Besondere Bedeutung kommt einer solchen Zwischenentscheidung jedoch nicht zu. Nach OLG Karlsruhe1 hat eine solche Festsetzung lediglich den Charakter eines unverbindlichen Hinweises für die Parteien.

1.103 Eine solche Wertfestsetzung ist daher auch nicht selbständig anfechtbar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfestsetzung – für die Zuständigkeit des Gerichts,2 – für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, – für die Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 495a ZPO3 oder – für die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 15a EGZPO erlassen worden ist.

1.104 Eine gesonderte Anfechtung ist auch nicht erforderlich, weil insoweit keine prozessuale Bindungswirkung eintritt. Ist das Rechtsmittelgericht hinsichtlich des Streitwerts anderer Auffassung, dann kann es ohne weiteres seine eigene Rechtsauffassung zugrunde legen und ist durch die vorherige Streitwertfestsetzung daran nicht gehindert (§ 512 ZPO).

1.105 Beispiele: – Der Kläger klagt auf Herausgabe einer Garage (Monatsmiete 45 t). Die Klage wird abgewiesen. Hiergegen legt der Kläger Berufung ein. Das Berufungsgericht setzt den Streitwert für die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens auf (12 × 45 t =) 540 t fest und verwirft die Berufung durch Beschluss als unzulässig. Hiergegen wird Rechtsbeschwerde erhoben. Der BGH ist an die Wertfestsetzung des LG nicht gebunden, sondern kann den Wert für die Zulässigkeit des Rechtsmittels abweichend beurteilen. Der Wert wäre hier zutreffend nach § 9 ZPO mit 42 × 45 t = 1.890 t zu bemessen gewesen, so dass der BGH die Entscheidung des LG aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen hat.4 – Das AG setzt den Streitwert auf 500 t fest und weist die Klage ab, weil ein erforderliches Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO nicht durchgeführt worden sei, das nach Landesrecht bei Zahlungsstreitigkeiten unter 500 t vorgesehen ist. Hiergegen wird Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht ist an die amtsgerichtliche Wertfestsetzung nicht gebunden. Soweit es einen höheren Wert annimmt, kann es die Entscheidung des AG aufheben und die Sache zurückverweisen oder, soweit entscheidungsreif, selbst entscheiden.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.5.2006 – 15 W 21/06, JurBüro 2007, 363 = OLGR 2007, 687. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2006 – 1 W 49/06, AGS 2007, 200 = MDR 2007, 422; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.5.2006 – 15 W 21/06, JurBüro 2007, 363 = OLGR 2007, 687; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2004 – 5 W 108/04, AGS 2004, 160 = MDR 2004, 709; OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2007 – 26 W 2/97, OLGR 1997, 150; OLG Bremen, Beschl. v. 1.2.2007 – 2 W 80/06, OLGR 2007, 386; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.3.2003 – 1 W 10/03, AGS 2003, 550 = MDR 2003, 1071; OLG München, Beschl. v. 20.5.1998 – 26 W 1563/98, MDR 1998, 1242. 3 OLG Köln, Beschl. v. 12.8.2009 – 16 W 26/09, AGS 2009, 602 = MDR 2010, 231 = MietRB 2010, 110 u. 111; LG Dortmund, Beschl. v. 24.2.2006 – 2 T 1/06, NJW-RR 2006, 1222; LG Stuttgart, Beschl. v. 1.4.2008 – 10 T 125/08, NJW-RR 2008, 1167; LG München II, Beschl. v. 20.12.2007 – 6 T 6743/07; a.A. LG München I, Beschl. v. 20.2.2001 – 15 T 2842/01, MDR 2001, 713 (Anfechtung analog § 567 Abs. 1 ZPO). 4 Siehe dazu BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, AGS 2004, 390 = MDR 2004, 931 = MietRB 2004, 258; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597.

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B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts – Das LG setzt den Streitwert des Verfahrens auf 4.000 t fest und weist die Klage als unzulässig ab, da das AG zuständig sei. Hiergegen wird Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht ist an die Festsetzung des LG nicht gebunden. Es kann einen höheren Wert als 5.000 t annehmen. Soweit die Sache entscheidungsreif ist, kann es selbst entscheiden.1 Im Übrigen wäre die Sache an das LG zurückzuverweisen.

III. Bindungswirkung für die Gerichtsgebühren Nach § 62 GKG ist eine Streitwertfestsetzung für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts auch für den Gebührenstreitwert maßgebend, soweit die Wertvorschriften des jeweiligen Gerichtskostengesetzes nicht von den Wertvorschriften des Verfahrensrechts abweichen. Insoweit besteht also eine Bindungswirkung des Gebührenstreitwerts an die prozessuale Wertfestsetzung.

1.106

Gleiches gilt, wenn das Rechtsmittelgericht den Wert für die Zulässigkeit des Rechtsmittels festsetzt (§ 62 GKG, § 54 FamGKG, § 78 GNotKG).

1.107

Voraussetzung für die Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 1.108 GKG, § 54 FamGKG, § 78 GNotKG ist eine „wirkliche Entscheidung“ über den Streitwert. Das Gericht muss also in seinem Urteil oder Beschluss zur Hauptsache über den Streit-, Verfahrens, oder Geschäftswert oder den Rechtsmittelwert entschieden haben.2 Ist lediglich ein vorbereitender Beschluss ergangen, hatte dieser nur eine Hinweisfunktion, da er vom Gericht jederzeit wieder aufgehoben oder abgeändert werden kann und bindet somit die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nicht.3 Die Frage, ob eine solche Bindungswirkung besteht, ist allerdings im Wertfestsetzungsverfahren nach dem jeweiligen Gerichtskostengesetz auszutragen, nicht im Hauptsacheverfahren.

1.109

Besteht eine Bindungswirkung, dann ist nach dem jeweiligen Gerichtskostengesetz eine gesonderte Wertfestsetzung für den Gebührenstreitwert unzulässig (vgl. § 63 Abs. 2 GKG, § 55 Abs. 1 FamGKG, § 78 Abs. 1 GNotKG).

1.110

Besteht keine Bindungswirkung, dann muss der Gebührenwert gesondert festgesetzt werden.

1.111

Beispiele:

1.112

– Geklagt wird auf Unterlassung beleidigender Äußerungen. Das LG führt in seinem Urteil zur Frage seiner sachlichen Zuständigkeit aus, dass der Streitwert nach § 3 ZPO 6.000 t betrage. Diese Entscheidung ist nach § 62 GKG bindend, da sich auch der Wert für die Gerichtsgebühren nach § 3 ZPO bemisst (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine gesonderte oder gar abweichende Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ist unzulässig (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). – In einem Räumungsrechtsstreit bejaht das LG in seinem Urteil die Zulässigkeit der Berufung, weil es von einem Streitwert nach §§ 3, 6, 9 ZPO von (42 × 400 t =) 16.800 t ausgeht. Diese Entscheidung ist nicht nach § 62 GKG bindend, da sich der Wert für die Gerichtsgebühren abweichend nach § 41 GKG bemisst. Daher ist hier eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG erforderlich.

1.113

Einstweilen frei.

1 So OLG Koblenz, Beschl. v. 27.7.2010 – 5 U 505/10, AGS 2010, 554 = JurBüro 2011, 30. 2 Toussaint, KostR, § 62 GKG Rz. 6. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2005 – 3 W 84/05, OLGR 2005, 602.

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1. Teil Verfahrensrecht

C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG I. Überblick 1. Grundsatz

1.114 Gemäß § 3 Abs. 1 GKG berechnen sich die Gerichtsgebühren in Zivilsachen grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstands, dem Streitwert, bzw. im Falle eines gerichtlichen Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände nach dem Vergleichs(mehr)wert (Nr. 1900 KV GKG), soweit nichts anderes bestimmt ist.

1.115 Diese Werte hat das Gericht nach § 63 GKG von Amts wegen festzusetzen, damit die hiernach zu berechnenden Gerichtsgebühren angesetzt werden können.

1.116 Die gerichtliche Wertfestsetzung gilt grundsätzlich auch für den Wert der Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 1 RVG) und zwar sowohl für den Anwalt als auch für dessen Auftraggeber (bzw. im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für die Landes- oder Bundeskasse) sowie für eine erstattungspflichtige Partei.

1.117 Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich die Anwaltsgebühren abweichend davon nach einem anderen Wert berechnen, ist insoweit ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu stellen. Eine Festsetzung von Amts wegen ist unzulässig. Zum Verfahren nach § 33 RVG s. Rz. 1.813 ff.

1.118 Zur Bindungswirkung gegenüber einem Rechtsschutzversicherer oder einem sonstigen Dritten s. Rz. 1.1104. 2. Ausnahmen a) Überblick

1.119 Abweichend von dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 GKG gibt es Verfahren, in denen – keine Gerichtsgebühren erhoben werden – Gerichtsgebühren erhoben werden, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten. b) Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei

1.120 Das GKG kennt mehrere Verfahren, in denen gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden, die also gebührenfrei sind, wie z.B. das Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich des Abschlusses eines Mehrvergleichs (Anm. zu Nr. 1900 KV GKG) oder ein Verfahren über die Bewilligung einer Räumungsfrist nach den §§ 721, 794a ZPO (ausgenommen Beschwerdeverfahren). Gebührenfrei sind auch das Streitwertfestsetzungsverfahren einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde (§ 68 Abs. 3 GKG), das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RVG) mit Ausnahme der Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 1 Abs. 4 GKG). Wertfestsetzungen nach § 63 GKG sind in solchen Verfahren nicht nur unsinnig, sondern auch unzulässig, kommen aber in der Praxis regelmäßig vor.1

1.121 In diesem Zusammenhang sei auch der Vergleich über anhängige Gegenstände erwähnt. Eine Gerichtsgebühr für einen Vergleich wird nur erhoben bei einem Vergleich über nicht anhängige Gegenstände, nicht aber für einen Vergleich über Gegenstände, die in diesem Verfahren oder einem anderen Verfahren anhängig sind. Ungeachtet dessen werden hier in der richterlichen Praxis regelmäßig „Phantomwerte“ festgesetzt. Siehe ausführlich Rz. 1.246. 1 Siehe N. Schneider, Über die „Wertlosigkeit“ höchstrichterlicher Wertfestsetzungen, NJW 2013, 25 f.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

c) Gerichtsgebühren werden nicht nach dem Streitwert erhoben Anderweitige Bestimmungen i.S.d. § 3 Abs. 1 GKG, also Regelungen, nach denen sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen, sieht das GKG in mehreren Fällen vor. Es werden dann Festgebühren an Stelle der Wertgebühren erhoben. Solche Festgebühren sind vorgesehen

1.122

– für die Rechtsbeschwerde in Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (Nrn. 1255, 1256 KV GKG), – für Verfahren auf Vorbereitung der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung (Nrn. 1510 ff. KV GKG), – für bestimmte Verfahren der Beschwerde, der weiteren Beschwerde oder der Rechtsbeschwerde (Nrn. 1810 ff. KV GKG), ausgenommen sind Beschwerden in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren (Nrn. 1430, 1431 KV GKG) und bestimmte Beschwerden in Vollstreckungssachen, – Verfahren über eine Gehörsrüge (Nr. 1700, 2500 KV GKG). – zum Teil in der Zwangsvollstreckung nach der ZPO, Insolvenzverfahren und ähnlichen Verfahren (Teil 2 KV GKG; Nrn. 2110 ff. KV GKG). Auch in diesen Verfahren ist eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht zulässig, da die 1.123 Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht gegeben sind. Eine Wertfestsetzung wäre abgesehen davon auch unsinnig, da sich nach den festgesetzten Werten keine Gerichtsgebühren berechnen würden. Gleichwohl werden auch hier regelmäßig „Streitwerte“ von Amts wegen festgesetzt. d) Gegenstandslosigkeit dennoch ergehender Wertfestsetzungen Ergeht in den vorgenannten Fällen ungeachtet dessen eine unzulässige Streitwertfestsetzung, so ist diese gegenstandslos. Sie hat also rechtlich überhaupt keine Bedeutung.1

1.124

– Für die Gerichtsgebühren hat sie keine Bedeutung, weil diese gerade nicht nach dem Wert erhoben werden. – Für die Anwaltsgebühren hat sie keine Bedeutung, da eine Bindungswirkung – nach § 32 Abs. 1 RVG nicht eintritt, weil es keine wertabhängigen Gerichtsgebühren gibt und folglich auch keinen für diese maßgebenden Wert. – nach § 33 RVG ausscheidet, da eine von Amts wegen vorgenommene Wertfestsetzung gar nicht erkennen lässt, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung gelten soll und es zudem an dem erforderlichen Antrag fehlt. Die Rechtsprechung geht noch einen Schritt weiter und ist fast einhellig der Auffassung, dass solche 1.125 gegenstandslosen Wertfestsetzungen auf eine Beschwerde oder Gegenvorstellung hin aufzuheben sind. Mangels Bindungswirkung einer solchen Streitwertfestsetzung könnte man zwar daran denken, dass es an einer Beschwer fehle;2 die Rechtsprechung sieht die erforderliche Beschwer jedoch bereits darin, dass der Rechtsschein einer Wertfestsetzung besteht und es gilt, diesen zu beseitigen.3

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2009 – 4 W 5/09, AGS 2009, 401 = OLGR 2009, 453 = MDR 2009, 587; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, AGS 2018, 406 = MDR 2019, 61. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2009 – 4 W 5/09, AGS 2009, 401 = OLGR 2009, 453 = MDR 2009, 587. 3 VGH Bay., Beschl. v. 22.12.2014 – 15 C 14.2514, AGS 2015, 131 = RVGreport 2015, 156; ebenso Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, AGS 2017, 139 = NJW-Spezial 2017, 221; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, AGS 2018, 406 = MDR 2019, 61; LG Bonn, Beschl. v. 14.12.2017 – 12 O 16/16, AGS 2018, 23; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.4.2019 – 13 WF 81/19, AGS 2019, 230 = JurBüro 2019, 429 = NZFam 2019, 455 = FamRZ 2019, 2026.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.126 Soweit auch hier wiederum eingewandt wird, für die Anwaltsgebühren und die Kostenerstattung sei eine Wertfestsetzung erforderlich, ist dies dem Grund nach zutreffend. Übersehen wird hier aber wiederum, dass die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren nicht von Amts wegen erfolgt, sondern nur auf Antrag, und zwar im Verfahren nach § 33 RVG (s. Rz. 1.813 ff.). e) Festsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 RVG

1.127 Soweit das Kostenverzeichnis des GKG keine Gebühren oder Festgebühren vorsieht, ist in den entsprechenden Verfahren zwar für den Anwalt nach dem Wert, nämlich dem Gegenstandswert abzurechnen (§ 2 Abs. 1 RVG); dies rechtfertigt jedoch keine gerichtliche Wertfestsetzung. Vielmehr darf das Gericht hier nur auf Antrag eines nach § 33 Abs. 1 RVG Antragsberechtigten eine Wertfestsetzung vornehmen. Das Verfahren nach § 33 RVG folgt anderen Regelungen (s. Rz. 1.813 ff.).

1.128 Hinweis: Wird vom Gericht ein „Streitwert“ festgesetzt, obwohl es einen solchen nicht gibt, sollte stets Beschwerde eingelegt werden, um den Rechtsschein einer Wertfestsetzung zu vermeiden. Soweit der Anwalt für seine Vergütung einen Gegenstandswert benötigt, ist hiernach dann der Antrag nach § 33 RVG zu stellen.

II. Erforderlichkeit der Festsetzung 1.129 Voraussetzung für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG ist, – dass überhaupt Gerichtsgebühren nach dem Kostenverzeichnis zum GKG erhoben werden und – dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Streitwert oder dem – im Gesetz erstaunlicherweise nicht geregelten – Vergleichs-(Mehr-)Wert richten.

1.130 Das Gericht muss daher vor einer amtswegigen Festsetzung stets prüfen, ob überhaupt Gerichtsgebühren angefallen sind und ob sich diese nach dem Streitwert richten. – Ist dies der Fall, dann muss grundsätzlich eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG vorgenommen werden. – Ist dies nicht der Fall, dann darf das Gericht keinen Wert von Amts wegen nach § 63 GKG festsetzen. Eine Wertfestsetzung kommt dann allenfalls in Verfahren nach § 33 RVG (s. Rz. 1.813 ff.) in Betracht, und das nur auf Antrag.

1.131 Soweit häufig angeführt wird, dass auch dann, wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten (s. Rz. 1.122), müsse doch vom Gericht für die Anwaltsgebühren ein Wert nach § 63 GKG festgesetzt werden, so ist dies unzutreffend. Die Vorschrift des § 63 GKG betrifft nur die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren. Soweit keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, wohl aber wertabhängige Anwaltsgebühren, ist hierfür das gesonderte Verfahren nach § 33 RVG vorgesehen, für das in entscheidenden Punkten ein abweichendes Verfahrensrecht gilt. Siehe dazu Rz. 1.813 ff.

III. Wertangabe bei Einreichung der Klage oder eines sonstigen Antrags 1.132 Nach § 61 Satz 1 GKG ist bei Einreichung einer Klage oder eines anderweitigen verfahrenseinleitenden oder -erweiternden Antrags, der Gerichtsgebühren auslöst, grundsätzlich der Streitwert anzugeben.

1.133 Einer Angabe des Wertes bedarf es nicht, wenn – dieser in einer bestimmten Geldsumme besteht, – im GKG ein fester Wert bestimmt ist oder – der Wert sich aus früheren Anträgen ergibt. 22

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Bei Klagen oder Anträgen, die auf Zahlung einer Geldsumme lauten, bedarf es grundsätzlich keiner 1.134 Wertangabe. Diese Variante betrifft insbesondere Zahlungsklagen, Anträge im Mahnverfahren, Klagen auf Freistellung, Vollstreckungsabwehrklagen etc. Ausreichend ist jegliche Geldforderung. Sie muss nicht auf Euro lauten (arg. e. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Soweit in der Geldforderung allerdings Nebenforderungen enthalten sind (auch kapitalisierte Zinsen), ist eine Wertangabe zumindest geboten, damit das Gericht den Streitwert unter Berücksichtigung des § 43 GKG zutreffend vorläufig festsetzen kann. Feste Streitwerte sind im GKG derzeit nicht vorgesehen. Eine Entbindung des Gerichts von der Streitwertfestsetzung nach dieser Variante kommt daher nach der derzeitigen Fassung des GKG nicht in Betracht.

1.135

Das GKG kennt in Zivilsachen entgegen häufiger Festsetzungen auch keine Regelwerte.1 Der frühere Regelwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten (§ 14 GKG a.F.) ist schon seit langem abgeschafft. Regelwerte gibt es im GKG nur für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten.

1.136

Dagegen kann es in Zivilsachen häufiger vorkommen, dass sich der Streitwert eines Antrags aus vor- 1.137 herigen Anträgen ergibt. Ein solcher Fall wird insbesondere im Rechtsmittelverfahren häufig gegeben sein, wenn auf die erstinstanzliche Wertfestsetzung zurückgegriffen werden kann. Des Weiteren ist ein solcher Fall gegeben, wenn im Verlaufe des Verfahrens Anträge zurückgenommen worden sind, dann aber später erneut gestellt werden. Erforderlich ist, dass der Antrag bereits in demselben Verfahren gestellt worden war. Dass ein Antrag in einem anderen Verfahren bereits gestellt und dort bewertet worden war, entbindet das Gericht nicht, in dem neuen Verfahren eine erneute Wertfestsetzung vorzunehmen. Die Angabe des Streitwerts hat insbesondere dann Bedeutung, wenn das Gericht ohne nähere Angaben nicht in der Lage ist, den zutreffenden Streitwert zu ermitteln. Daher sollte z.B. bei Klagen auf Herausgabe von Gegenständen Angaben zu deren Verkehrswert gemacht werden.

1.138

Beispiele: Der Kläger erhebt Klage auf Herausgabe eines Pkw.

1.139

Ohne nähere Angaben zum Wert des Fahrzeugs kann das Gericht den Wert nicht bestimmen. Hier sind nähere Angaben daher erforderlich. Wird Räumung verlangt, sind Angaben zum Mietwert erforderlich, da anderenfalls der Räumungsstreitwert nach § 41 Abs. 1, 2 GKG nicht berechnet werden kann. Wird die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten einer Mietwohnung oder wird die Duldung von Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten verlangt, sind Angaben zur Miethöhe und zur potentiellen Minderung bzw. Mieterhöhung erforderlich, da anderenfalls nach § 41 Abs. 5 GKG der Jahreswert nicht berechnet werden kann.

1.140

Beispiele: Der Vermieter klagt nach Kündigung wegen Eigenbedarfs auf Räumung einer Wohnung. Der Mieter verlangt Instandsetzungsmaßnahmen. In beiden Fällen richtet sich der Streitwert nach der Miete. Im Falle der Räumung gilt der Jahreswert (§ 41 Abs. 2 GKG); im Falle der Instandsetzung der Jahreswert einer möglichen Minderung (§ 41 Abs. 5 Satz 1 GKG). Ohne Angabe der Kaltmiete (s. § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG) ist eine Streitwertfestsetzung nicht möglich.

Bei Auskunftsklagen sind Angaben zur Höhe des voraussichtlichen Hauptsacheanspruchs zu machen, da sich der Wert des Auskunftsanspruchs von dem zu erwartenden Hauptsacheanspruch ableitet,2 da auch hier anderenfalls keine zuverlässige Wertfestsetzung möglich ist.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 30.9.2020 – 29 U 6/20. 2 Siehe das Stichwort „Auskunft“ Rz. 3.366 ff. und unter „Stufenklage“, Rz. 2.4641 ff.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.142 Beispiel: Der pflichtteilsberechtigte Abkömmling klagt gegen den Erben auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Auch wenn es für die Schlüssigkeit der Klage nicht erforderlich ist, die Pflichtteilsquote anzugeben, muss diese mitgeteilt werden, da sich der Wert des Auskunftsanspruchs nach der Quote des zu erwartenden Pflichtteils berechnet. Darüber hinaus sind nähere Angaben zum ungefähren oder erwarteten Umfang des Nachlasses zu machen. Anderenfalls ist eine Wertfestsetzung nicht möglich.

1.143 Werden unbezifferte Schmerzensgeldanträge gestellt, sollte gleichwohl eine ungefähre Größenordnung angegeben werden, damit der Streitwert richtig festgesetzt werden kann.

1.144 Bei Stufenklagen auf Auskunft oder Rechnungslegung, verbunden mit einem unbezifferten Leistungsantrag, sollte der zu erwartende Leistungsanspruch in ungefährer Größenordnung angegeben werden, da sich bei einer Stufenklage gem. § 44 GKG der Wert nach der höherwertigen Leistungsstufe bemisst, auch wenn diese noch nicht beziffert ist.1

1.145 Beispiel: Der pflichtteilsberechtigte Abkömmling klagt gegen den Erben im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eines noch zu beziffernden Betrages. Auch hier werden Angaben zur Pflichtteilsquote und zur Höhe des zu erwartenden Pflichtteils benötigt, da sich der Streitwert gem. § 44 GKG nach dem höheren Anspruch, hier also nach dem Leistungsanspruch, richtet.

1.146 Bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen (z.B. Unterlassung, Widerruf), sollten bereits in der Klageschrift Angaben zu den wertbildenden Faktoren gemacht werden, damit das Gericht von vornherein zutreffend festsetzen kann.

1.147 Nach Aufforderung des Gerichts ist auch der Wert eines Teils des Verfahrensgegenstands anzugeben.

1.148 Die Angaben sind schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. In der Regel bietet es sich an, die Ausführungen zum Streitwert in die Klageschrift mitaufzunehmen. Es sollte dann unmittelbar im Anschluss an den Klageantrag der Wert angegeben und sodann in der Klagebegründung erläutert werden.

1.149 Muster 2: Streitwertangabe in der Klageschrift … In der mündlichen Verhandlung werden wir beantragen, den Beklagten zu verurteilen, in der Wohnung … die Fenster im Wohnzimmer instand zu setzen, so dass sie luftdicht abschließen. Streitwert: 720,00 a (12 × 60,00 a) … Der Streitwert beläuft sich auf 720 a. Maßgebend ist bei einem Anspruch auf Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen gem. § 41 Abs. 5 GKG der Jahresbetrag der möglichen Minderung, die sich ergibt, wenn die Instandhaltungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. Hier wäre wegen der Undichtigkeit der Fenster eine Minderung i.H.v. 10 % angemessen. Ausgehend von einer monatlichen Kaltmiete i.H.v. 600 a ergibt sich damit ein monatlicher Minderungsbetrag i.H.v. 60 a und somit ein Jahresbetrag i.H.v. 720 a.

1 Siehe das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4641 ff.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Die Wertangabe kann vom Kläger oder einem anderweitigen Antragsteller jederzeit berichtigt werden (§ 61 Satz 2 GKG).1

1.150

Bei der Pflicht zur Angabe des Streitwerts handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift. Unmittelbare Sanktionen sind an die Verletzung der Obliegenheit zur Wertangabe nicht geknüpft, auch wenn das OLG Düsseldorf in seinem Übereifer einen versuchten Betrug der Anwaltschaft witterte.2

1.151

Mittelbar können sich allerdings Nachteile ergeben, wenn sich das Gericht infolge der unterlassenen 1.152 Wertangabe veranlasst sieht, ein Sachverständigengutachten einzuholen (§ 64 Satz 2 GKG) oder wenn es nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG einen zu hohen Wert ansetzt und den Antragsteller damit ggf. zu einer Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung nach § 67 GKG (s. Rz. 1.198) zwingt, die für ihn nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG i.V.m. Nr. 3500 RVG-VV Anwaltsgebühren auslöst (s. Rz. 1.476 ff.). Die Wertangabe in der Klage- oder Antragsschrift bindet das Gericht nicht. Sie ist lediglich eine Entscheidungshilfe bei der Festsetzung des vorläufigen Wertes. Das Gericht kann den Wert daher auch abweichend von der Wertangabe des Klägers oder Antragstellers festsetzen.

1.153

Mittelbar nimmt die Rechtsprechung allerdings überwiegend insoweit eine Bindungswirkung an, als 1.154 der Kläger oder Antragsteller nach einem ungünstigen Ausgang des Verfahrens eine geringere Wertfestsetzung begehrt. So kommt es nicht selten vor, dass der Kläger nach Abweisung der Klage eine Herabsetzung des Streitwertes beantragt, um die zu zahlenden Gerichtskosten und die Kostenerstattung zu verringern. Zwar ist das Gericht bei der endgültigen Wertfestsetzung nicht an die Angaben des Klägers und auch nicht an eine darauf fußende vorläufige Wertfestsetzung gebunden. Die Rechtsprechung misst der Wertangabe nach § 61 GKG jedoch eine maßgebliche Indizwirkung zu, so dass der Kläger ohne weiteres nicht von seiner ursprünglichen Wertangabe wegkommt, wenn er nicht sachliche Gründe für eine abweichende Wertfestsetzung vorbringen kann. Hier ist allerdings Zurückhaltung geboten. Die Höhe des Streitwerts unterliegt nicht der Disposition der Parteien oder ihrer Anwälte, sondern ist von Amts wegen richtig festzusetzen. Daher sind auch Umstände zu berücksichtigen, die erst nachträglich vorgetragen werden.3 Ebenso verfährt die Rechtsprechung bei einer Heraufsetzungsbeschwerde des Anwalts der erfolgrei- 1.155 chen Partei. Auch hier wird oft die Intention vermutet, den Wert heraufsetzen zu lassen, da im Endeffekt nicht der eigene Mandant, sondern der Gegner die Kosten tragen muss. Dabei übersieht die Rspr. jedoch, dass nicht der Anwalt die Wertangaben nach § 61 GKG abgibt, sondern seine Partei. Der Anwalt muss die Angaben vortragen, die ihm seine Partei an die Hand gibt. Er hat auch keine Möglichkeit, eine vorläufige Wertfestsetzung korrigieren zu lassen. Weder ist für ihn eine Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 GKG gegen die vorläufige Wertfestsetzung zulässig (s. Rz. 1.193 ff.), noch besteht die Möglichkeit der Beschwerde nach § 67 GKG, da diese nur auf Herabsetzung gehen kann. Der Anwalt muss vielmehr sehenden Auges zunächst eine falsche Wertangabe seiner Partei hinnehmen und hat erst nach Beendigung des Verfahrens die Möglichkeit, diese mit der Beschwerde anzugreifen. Hinweis: Um dem späteren Einwand vorzubeugen, dass der Kläger den Streitwert in der Klageschrift gem. § 61 GKG höher oder niedriger angegeben hat, sollte der Streitwert von vornherein zutreffend angegeben werden und nicht aus Rücksicht aus einem gegenüber dem Mandanten falsch verstandenen Entgegenkommen zu niedrig.

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.12.2019 – 12 W 34/19, NJW-Spezial 2020, 141. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, NJW 2011, 2979. 3 Unzutreffend OVG Lüneburg, Beschl. v. 4.11.2014 – 7 OA 82/14, AGS 2015, 41.

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1. Teil Verfahrensrecht

IV. Sachverständigenschätzung 1.157 Das Gericht kann den Verfahrenswert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO durch einen Sachverständigen abschätzen lassen, wenn dies erforderlich ist, wenn also das Gericht weder aus eigener Sachkunde noch unter Mithilfe der Parteien in der Lage ist, den zutreffenden Wert zu ermitteln.

1.158 Die Sachverständigenschätzung ist von Amts wegen einzuholen. Eines Antrags der Parteien bedarf es nicht. Die Anordnung ergeht durch Beschluss.

1.159 Die Kosten des Sachverständigen trägt grundsätzlich die Staatskasse, da die Schätzung in ihrem Interesse erfolgt.

1.160 Nur ausnahmsweise können die Kosten der Sachverständigenschätzung ganz oder teilweise einer Partei auferlegt werden, nämlich dann, wenn die Abschätzung erforderlich ist, weil die Partei die ihr nach § 63 GKG obliegende Wertangabe unterlassen hat, einen unrichtigen Wert angegeben hat oder durch ein unbegründetes Bestreiten des angegebenen Wertes oder durch eine unbegründete Beschwerde eine solche Wertfestsetzung schuldhaft veranlasst hat (§ 64 Satz 2 GKG).

1.161 Die Partei muss sich ein Verschulden ihres Anwalts zurechnen lassen. Auch in diesem Fall trifft die Kostenlast allerdings die Partei, nicht den Anwalt. Sie kann allenfalls den Anwalt in Regress nehmen, wenn die fehlende oder falsche Angabe auf seiner Veranlassung beruhte.

1.162 Die Entscheidung über die Kosten der Sachverständigenschätzung hat nach § 64 Satz 1 GKG in dem Beschluss zu erfolgen, mit dem der Wert festgesetzt wird. Ist dies unterblieben, kann ggf. ein Berichtigungs- oder Ergänzungsbeschluss ergehen.

1.163 Die Kostenentscheidung ist nach § 68 GKG anfechtbar. Unstrittig ist dies im Falle einer isolierten Kostenentscheidung. Für den Fall, dass die Kostenentscheidung zusammen mit dem Wertfestsetzungsbeschluss ergeht, sind Meyer1 und Toussaint2 der Auffassung, die Anfechtung könne gem. § 99 ZPO nur zusammen mit der Hauptsache erfolgen. Dies ist jedoch unzutreffend, da es sich bei dem Wertfestsetzungsverfahren nicht um ein Verfahren nach der ZPO handelt, sondern nach dem GKG, das eigenständige Verfahrensvorschriften enthält (s. § 1 Abs. 3 GKG) und einen Ausschluss der isolierten Anfechtung einer Kostenentscheidung nicht vorsieht.

1.164 Soweit sich die Partei nur gegen die Höhe der Kosten des Sachverständigen wehren will, sind die Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG gegeben.

V. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit der vorläufigen Wertfestsetzung a) Überblick

1.165 Nach Eingang der Klage oder eines sonstigen Antrags hat das Gericht den Streitwert vorläufig festzusetzen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG), sofern wertabhängige Gerichtsgebühren mit Einreichung des Klageantrags oder eines sonstigen Antrags fällig werden.

1.166 Wird der Prozessstoff erweitert, also z.B. durch eine Widerklage oder eine Klageerweiterung, ist eine erneute vorläufige Wertfestsetzung erforderlich, damit der weitere Teil der Gerichtsgebühr angefordert werden kann. Insoweit kann das Gericht den Gesamtwert unter Berücksichtigung der Erweite-

1 Meyer, GKG/FamGKG, § 64 Rz. 17. 2 Toussaint, KostR, § 64 GKG Rz. 23.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

rung neu festsetzten oder auch nur den zusätzlichen Wert der Erweiterung, also z.B. nur den Wert der Widerklage oder der Klageerweiterung. Sinn und Zweck der vorläufigen Festsetzung ist es, dem Kostenbeamten einen Wert vorzugeben, damit hiernach die fällige Gerichtsgebühr erhoben werden kann. Insoweit ist es unerheblich, ob eine Vorauszahlungspflicht nach § 12 GKG besteht. Auch wenn diese nicht besteht, ist eine vorläufige Wertfestsetzung vorzunehmen, wenn die Gebühr fällig wird. So ist z.B. in einem selbständigen Beweisverfahren eine vorläufige Wertfestsetzung geboten. Auch wenn hier die Zustellung der Antragsschrift nicht von der Einzahlung der bereits fälligen Gebühr (s. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG) abhängig gemacht werden darf (§ 10 GKG), hat der Kostenbeamte die fällige Gebühr einzuziehen und nicht erst nach Abschluss des Verfahrens.

1.167

Daher ist eine vorläufige Wertfestsetzung unzulässig, jedenfalls bedeutungslos, wenn das Verfahren gebührenfrei ist oder Festgebühren erhoben werden. Unklar ist, ob bei einer Befreiung von Gerichtskosten eine vorläufige Wertfestsetzung geboten ist, also wenn für den Kläger gem. § 2 GKG Gebührenfreiheit besteht oder wenn dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und er damit von den Gerichtskosten befreit ist (§ 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO). Streng nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck ist in diesem Fall eine vorläufige Wertfestsetzung nicht geboten. Abgesehen davon hätte sie auch keinen Sinn, da sich bis zur Erhebung der Gerichtskosten – etwa vom Gegner – nach dessen Verurteilung (§ 29 Nr. 1 GKG) noch Veränderungen ergeben können.

1.168

Werden Gerichtsgebühren erst später fällig, reicht eine vorläufige Festsetzung zum Zeitpunkt der Fälligkeit, zumal sich zwischen Einreichung und Fälligkeit noch Wertveränderungen ergeben können.

1.169

Soweit Gerichtsgebühren nicht fällig werden, aber das Gericht einen Gebührenvorschuss anfordern kann, ist ebenfalls eine vorläufige Festsetzung vorzunehmen.

1.170

Eine vorläufige Wertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist. Daher ist im Mahnverfahren eine Wertfestsetzung grundsätzlich nicht erforderlich, da hier nach § 688 Abs. 1 ZPO nur Geldforderungen geltend gemacht werden können.

1.171

Bei Geldforderungen (auch im Mahnverfahren) ist dagegen eine Wertfestsetzung geboten, wenn nicht klar ist, inwieweit in der bezifferten die Klageforderung auch Nebenforderungen nach § 43 Abs. 1 GKG enthalten sind.

1.172

Beispiel: Der Kläger hat durch seinen Anwalt außergerichtlich eine Kaufpreisforderung i.H.v. 4.000 t angemahnt zzgl. vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v.

1.173

1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer Gesamt

381,40 t

361,40 t 20,00 t 68,65 t 450,05 v

Nachdem der Beklagte nicht zahlt, erhebt er Klage auf Zahlung i.H.v. 4.450,05 t. Da der Wert der vorgerichtlichen Anwaltskosten dem Streitwert gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet werden, ist aus dem Klageantrag der Streitwert für den Kostenbeamten nicht ohne weiteres ersichtlich. Daher kann eine gesonderte Wertfestsetzung geboten sein.

Eine Wertfestsetzung ist auch dann entbehrlich, wenn das GKG einen Regel- oder Festwert vorsieht, was in der derzeitigen Fassung des GKG für Zivilsachen jedoch nicht der Fall ist.

1.174

Wie der Name bereits sagt, ist der Wert nur vorläufig festzusetzen. Daher hat eine vorläufige Wertfestsetzung nur eine eingeschränkte Bindungswirkung (s. Rz. 1.153 f., 1.195). Das Gericht muss somit später noch eine endgültige Wertfestsetzung treffen, selbst wenn sich der Wert nicht ändert. Von

1.175

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1. Teil Verfahrensrecht

daher ist die vorläufige Festsetzung unter der Angabe, dass es sich zugleich um die endgültige Festsetzung handelt, nicht zulässig. Siehe dazu auch Rz. 1.214.

1.176 Eine Anhörung der Beteiligten ist nicht erforderlich, da es sich nur um eine vorläufige Festsetzung handelt und die Beteiligten insoweit grundsätzlich nicht in ihren Rechten betroffen sind. Abgesehen davon kann nach § 63 Abs. 3 GKG Gegenvorstellung (s. Rz. 1.292) oder nach § 67 GKG (s. Rz. 1.196) Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung erhoben werden.

1.177 Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar (s. Rz. 1.153). Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Wertes können nur im Beschwerdeverfahren nach § 67 GKG (s. Rz. 1.196) erhoben werden (§ 63 Abs. 1 Satz 2 GKG). Ansonsten sieht das GKG nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 68 GKG).

1.178 Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert zutreffend festzusetzen und ggf. von Amts wegen abzuändern (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann. b) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung

1.179 Eine vorläufige Wertfestsetzung setzt die Fälligkeit der Gerichtsgebühr voraus. Diese wiederum ergibt sich aus den §§ 6 bis 9 GKG. Danach gilt Folgendes: – In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Insolvenzverfahren, in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren und in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes wird die Verfahrensgebühr gem. § 6 Abs. 1 GKG mit der Einreichung der Klage-, Widerklage-, Antrags-, Einspruchsoder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig. Daher muss in diesen Fällen ein Wert vorläufig festgesetzt werden. – In sonstigen Verfahren tritt die Fälligkeit erst unter den Voraussetzungen des § 9 GKG ein, so dass eine vorläufige Wertfestsetzung mit Einreichung des Antrags nicht in Betracht kommt. Will das Gericht allerdings einen Vorschuss anfordern, bedarf es wiederum einer vorläufigen Wertfestsetzung. – Wird die Gerichtsgebühr nachträglich fällig, ohne dass das Verfahren erledigt ist (siehe z.B. bei einem Ruhen des Verfahrens von mehr als sechs Monaten), ist nachträglich ebenfalls eine vorläufige (nicht eine endgültige) Wertfestsetzung vorzunehmen.

1.180 Im Rechtsmittelverfahren tritt zwar die Fälligkeit der Gebühr nach dem Gesetz bereits mit Einreichung des Rechtsmittels ein. Hier kommt eine Wertfestsetzung aber erst dann in Betracht, wenn die Rechtsmittelanträge gestellt worden sind oder das Rechtsmittel zurückgenommen worden ist, da vorher eine Ermittlung und Festsetzung des Wertes gar nicht möglich ist (s. § 47 Abs. 1 GKG).

1.181 Ob eine Vorauszahlungspflicht besteht, ist für eine vorläufige Festsetzung nicht entscheidend. Es kommt nur auf die Fälligkeit an. Daher ist auch im selbständigen Beweisverfahren eine vorläufige Wertfestsetzung erforderlich, da die Gebühr der Nr. 1610 KV GKG mit Antragseinreichung nach § 6 GKG sofort fällig wird, auch wenn keine Vorauszahlungspflicht besteht. c) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens

1.182 Eine vorläufige Festsetzung ist abgesehen von den Fällen der sofortigen Fälligkeit nach § 6 GKG (Rz. 1.179 ff.) geboten, wenn erst im späteren Verlauf des Verfahrens Fälligkeit eintritt (§ 9 Abs. 2 GKG). Auch in den Verfahren, in denen die Gerichtsgebühren nicht bereits mit Antragstellung fällig

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

werden, kann sich eine Fälligkeit vor Beendigung des Verfahrens ergeben, nämlich dann, wenn das Verfahren – sechs Monate ruht, – sechs Monate nicht betrieben worden ist, – sechs Monate unterbrochen war, – sechs Monate ausgesetzt war. In diesen Fällen ist das Verfahren noch nicht erledigt, so dass eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ausscheidet. Möglich ist in diesen Fällen daher nur eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG.

1.183

Keine Fälligkeit tritt dagegen ein bei Teilentscheidungen, da diese keine abschließende Kostenentscheidung enthalten und auch nicht das Verfahren insgesamt beenden oder erledigen.

1.184

Eine endgültige Wertfestsetzung ist auch dann bei Teilentscheidungen nicht zulässig, wenn sich das Verfahren durch die Teilentscheidung für eine Partei erledigt. Die Wertfestsetzung für diese Partei kann nur im Verfahren nach § 33 RVG erfolgen.

1.185

Beispiel: Das Gericht weist die Klage gegen den Beklagten zu 2) durch Teilurteil ab und erlegt dem Kläger die Kosten des Beklagten zu 2) auf. Hinsichtlich des Beklagten zu 1) wird das Verfahren fortgesetzt, z.B. weil insoweit noch eine Beweisaufnahme erforderlich ist.

1.186

Eine endgültige Wertfestsetzung hinsichtlich des Klageantrags, soweit er sich gegen den Beklagten zu 2) richtet, ist nicht zulässig. In Betracht kommt hier nur eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG (s. Rz. 1.813).

2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung

1.187

Eine vorläufige Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens – eine bestimmte Geldsumme in Euro ist (s. Rz. 1.171) oder – wenn das Gesetz einen Fest- oder Regelwert (s. Rz. 1.174) vorsieht. Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Kostenbeamte die fällige Gebühr ohne weiteres selbst berechnen und anfordern kann und daher eine richterliche Festsetzung nicht benötigt. Auch wenn eine vorläufige Wertfestsetzung in diesen Fällen entbehrlich ist, kann das Gericht dennoch vorläufig einen Wert festsetzen. Das wiederum ist dann geboten, wenn sich bei Zahlungsansprüchen Bewertungsschwierigkeiten ergeben, etwa wenn die Zusammensetzung der Geldforderung im Hinblick auf § 43 Abs. 1 GKG nicht ohne weiteres ersichtlich ist (s. Rz. 1.173) oder wenn verschiedene Anträge oder Widerklageanträge gestellt werden und die Frage der Zusammenrechnung unklar ist.

1.188

3. Verfahren Das Gericht setzt den vorläufigen Wert durch Beschluss fest (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG).

1.189

Zuständig für die vorläufige Wertfestsetzung ist der Richter, bzw. das Kollegium, das im Zeitpunkt der vorläufigen Wertfestsetzung in der Sache zuständig ist. Bei der Kammer für Handelssachen und den Arbeitsgerichten ist der Vorsitzende zuständig (§ 349 Abs. 2 Nr. 11 ZPO; § 53 Abs. 1 ArbGG).

1.190

Die vorläufige Wertfestsetzung findet ohne Anhörung der Beteiligten statt (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das ist nicht zu beanstanden, denn der Kläger bzw. der Antragsteller, den die Zahlungspflicht zunächst trifft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG), hat die Möglichkeit, im Rahmen seines Antrags (s. § 61 GKG) zum vorläufigen Streitwert Stellung zu nehmen. Abgesehen davon kann auch die vorläufige Wertfest-

1.191

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1. Teil Verfahrensrecht

setzung jederzeit abgeändert werden (§ 63 Abs. 3 GKG). Zudem besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Vorauszahlungsanordnung nach § 67 GKG (Rz. 1.198), so dass der Kläger bzw. der Antragsteller hinreichend geschützt ist.

1.192 Der Beschluss kann formlos mitgeteilt werden. Eine Zustellung ist nicht erforderlich. 4. Unanfechtbarkeit

1.193 Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar.1 Die Beschwerde nach § 68 GKG ist nur gegen die endgültige Wertfestsetzung gegeben.

1.194 Einwendungen gegen die Höhe eines vorläufig festgesetzten Wertes können daher nur im Beschwerdeverfahren nach § 67 GKG (s. Rz. 1.196) geltend gemacht werden (§ 63 Abs. 1 Satz 2 GKG).

1.195 Die vorläufige Wertfestsetzung ist auch für den Anwalt über § 32 Abs. 2 RVG nicht anfechtbar.2 Dies ist auch zutreffend, weil durch eine vorläufige Wertfestsetzung für ihn keine Beschwer eintritt. Eine Abrechnung der Anwaltsgebühren ist zu diesem Zeitpunkt mangels Fälligkeit noch nicht möglich (s. §§ 8, 10 RVG). Hinsichtlich einer Vorschussanforderung (§ 9 RVG) wiederum ist der Anwalt aber an eine vorläufige Wertfestsetzung nicht gebunden. Er kann auch Vorschüsse nach einem voraussichtlich höheren Wert anfordern.3 5. Gegenvorstellung

1.196 Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert zutreffend festzusetzen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung hin den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann.

1.197 Muster 3: Gegenvorstellung gegen vorläufige Wertfestsetzung An das Landgericht … In Sachen … ./. … erhebe ich im eigenen Namen gegen die vorläufige Wertfestsetzung Gegenvorstellung. Zugrunde liegt eine Stufenklage. Das Gericht hat den Streitwert vorläufig mit einem Betrag i.H.v. … a festgesetzt und dabei nur den Wert des Auskunftsanspruchs zugrunde gelegt. Bei einer Stufenklage richtet sich der Streitwert jedoch von vornherein nach sämtlichen Stufen, wobei allerdings gem. § 44 GKG die Werte der einzelnen Stufen nicht zusammengerechnet werden, sondern nur auf den höchsten Wert abzustellen ist (OLG Koblenz, JurBüro 2019,

1 OLG Jena, Beschl. v. 5.7.2010 – 4 W 277/10, MDR 2010, 1211; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2009 – 10 W 59/09, AGS 2009, 455 = JurBüro 2009, 542; OVG NW, Beschl. v. 27.8.2008 – 16 E 1126/08. 2 OLG Köln, Beschl. v. 28.8.2008 – 5 W 36/08, OLGR 2009, 26; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.4.2008 – 10 W 166/08, MDR 2008, 1368; OLG Dresden, Beschl. v. 27.2.2008 – 4 W 143/08, OLGR 2008, 593. 3 AnwK-RVG/N. Schneider, § 9 Rz. 66.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 315 = AGS 2019, 286; OLG Schleswig, MDR 2014, 1345; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Rz. 2.4618 ff. m.w.N.). Dies ist hier der Leistungsantrag, der mit … a zu bewerten ist. Insoweit nehme ich Bezug auf die Wertangabe in der Klageschrift. Rechtsanwalt

VI. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung 1. Überblick Auch wenn eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht zulässig ist, kann die vor- 1.198 läufige Wertfestsetzung inzidenter angegriffen werden, nämlich dann, wenn die weitere Tätigkeit des Gerichts (in der Regel die Zustellung des Antrags, § 12 Abs. 1 GKG) von der vorherigen Zahlung der Gerichtsgebühr abhängig gemacht wird. Ein als „Streitwertbeschwerde“ bezeichnetes Rechtsmittel des Klägers gegen die nach § 63 Abs. 1 GKG vorläufige Festsetzung des Streitwerts ist daher grundsätzlich als zulässige Beschwerde gem. § 67 Abs. 1 GKG auszulegen.1 Gegen diesen Beschluss, mit dem das Gericht seine weitere Tätigkeit von der Einzahlung der Gerichtsgebühr abhängig macht (s. § 12 GKG), kann nach § 67 Abs. 1 Satz 1 GKG Beschwerde erhoben werden.

1.199

Im Rahmen dieser Beschwerde ist die Höhe der angeforderten Gerichtsgebühr zu prüfen und damit auch der Streitwert, nach dem sie berechnet ist. Da die Beschwerde nach § 67 GKG eine Beschwer (allerdings keine Mindestbeschwer) voraussetzt, kann mit ihr nur der vorauszahlungspflichtige Kläger oder ein sonstiger vorauszahlungspflichtiger Antragsteller geltend machen, der Wert sei zu hoch festgesetzt.

1.200

Mit einer Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 GKG kann dagegen nicht geltend gemacht werden, dass der der Kostenrechnung zugrunde gelegte vorläufige Streitwert unzutreffend sei.2

1.201

2. Zulässigkeit a) Vorauszahlungspflicht Erforderlich ist, dass das Gericht weiter Handlungen, insbesondere die Zustellung der Klage von der Vorauszahlung einer Gerichtsgebühr abhängig macht Eine Beschwerde nach § 67 GKG ist daher unzulässig, wenn keine Vorauszahlungspflicht besteht, wie z.B. in einem einstweiligen Verfügungsverfahren.3

1.202

Die Beschwerde nach § 67 GKG ist auch dann nicht eröffnet, wenn die angegriffene Streitwertent- 1.203 scheidung nicht zugleich beinhaltet, dass die Tätigkeit des Gerichts von der vorherigen Zahlung (weiterer) Kosten abhängig gemacht wird. Hat das Gericht einen solchen förmlichen Beschluss nicht erlassen, ist die Gebührenanforderung durch Schreiben des Kostenbeamten für die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht ausreichend.4

1 OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008 – 33 W 18/07, OLGR 2008, 366 = FamRZ 2008, 1208 = AGS 2008, 358. 2 Bayerisches LSG, Beschl. v. 22.4.2015 – L 15 SF 33/15. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.6.2020 – 1 W 16/20. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.2012 – 17 W 5/12.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.204 Ebenso ist eine Beschwerde nach § 67 GKG unzulässig, wenn der Kläger die Gerichtskosten nach dem vorläufig festgesetzten Wert bereits eingezahlt hat,1 weil dann gerade keine Vorauszahlungspflicht mehr besteht. b) Beschwer

1.205 Wenn auch – im Gegensatz zur Beschwerde gegen eine endgültige Wertfestsetzung – keine Mindestbeschwer erforderlich ist, muss eine Beschwer gegeben sein.

1.206 Das wiederum setzt voraus, dass der mit der Beschwerde verfolgte niedrigere Streitwert auch zu einer niedrigeren Vorauszahlung führt. Daher ist eine Beschwerde unzulässig, wenn sich der begehrte Wert in derselben Gebührenstufe befindet wie der festgesetzte Wert.

1.207 Eine Heraufsetzung des Wertes kann mit der Beschwerde nach § 67 GKG nicht geltend gemacht werden, weil insoweit keine Beschwer des Klägers oder des Antragstellers gegeben sein kann. Das gilt auch dann, wenn der Kläger durch eine Erhöhung des Streitwerts die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erreichen will, abgesehen davon, dass der Gebührenstreitwert mit dem Zuständigkeitsstreitwert nicht übereinstimmen muss.2

1.208 Ungeachtet dessen kann das Gericht aber auf die Beschwerde nach § 67 GKG einen höheren Wert als bisher festsetzen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, die vorläufige Wertfestsetzung sei zu gering. Es besteht kein Verschlechterungsverbot, da das Gericht nach § 63 Abs. 3 GKG jederzeit von Amts wegen den Streitwert korrigieren kann (s. Rz. 1.278 ff.).

1.209 Muster 4: Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Amtsgericht … In Sachen … ./. … lege ich namens der Klägerin gegen die Anordnung zur Vorauszahlung der Gerichtskosten gem. § 67 GKG Beschwerde ein. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Durchführung notwendiger Instandhaltungsarbeiten des von ihr angemieteten Objekts. Das Gericht hat den Streitwert vorläufig auf … a festgesetzt und danach die 3,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 KV GKG angefordert. Bei seiner Wertfestsetzung ist das Gericht von der Höhe der zu erwartenden Kosten der Instandhaltungsmaßnahmen i.H.v. … a ausgegangen. Zutreffend hätte das Gericht gem. § 41 Abs. 5 GKG vom Jahreswert der möglichen Minderung wegen unterlassener Instandhaltung ausgehen und den Wert danach festsetzen müssen. Ausgehend von einer möglichen Mietminderung von … % und einer monatlichen Miete einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen ergibt sich ein Jahreswert i.H.v. … a. Auf diesen Wert hätte sich die vorläufige Wertfestsetzung belaufen müssen. Ausgehend von diesem Wert hätte sich lediglich eine 3,0-Gerichtsgebühr i.H.v. … a ergeben. Ich beantrage daher, die Gerichtskostenrechnung entsprechend abzuändern. Rechtsanwalt

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.4.2019 – 6 W 21/19, AGS 2019, 289 = JurBüro 2019, 366; OLG Köln, Beschl. v. 22.4.2008 – 2 W 31/08, OLGR 2008, 678. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.12.2018 – 12 W 661/18, MDR 2019, 893 = NJW-RR 2019, 694.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

3. Zuständigkeit Über die gegen die Höhe des vorläufig festgesetzten Streitwerts gerichtete Beschwerde entscheidet der Senat in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die endgültige Streitwertfestsetzung gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG durch den Einzelrichter.1

1.210

4. Rechtsmittel gegen Beschwerdeentscheidung Gegen die Beschwerdeentscheidung betreffend der Anordnung einer Vorauszahlung ist keine Rechtsbeschwerde zum BGH gegeben, da das GKG diese nicht vorsieht und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ausschließt. Daran ändert auch eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nichts.2

1.211

Möglich ist ausschließlich gem. § 66 Abs. 4 Satz 3 GKG die weitere Beschwerde zum OLG, wenn das LG über die Beschwerde entschieden hat und es diese zugelassen hat.

1.212

VII. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung

1.213

Nach Beendigung des Verfahrens, also – sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen ist oder – sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, muss das Gericht grundsätzlich den Streitwert endgültig festsetzen (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Eine Teil-Wertfestsetzung ist nicht vorgesehen. Daher ist nach einem Teilurteil folglich auch keine 1.214 endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG möglich.3 Das gilt selbst dann, wenn durch ein Teilurteil ein Teil des Streitgegenstands endgültig aus dem Rechtsstreit ausscheidet, etwa im Falle eines Teilurteils gegen einen von mehreren Beklagten. Eine Teilwertfestsetzung macht im Übrigen auch keinen Sinn, weil für das Verfahren nur eine Gebühr insgesamt erhoben wird und keine Teilgebühren anfallen. So ist nach Abschluss der Auskunftsstufe im Rahmen einer Stufenklage eine endgültige Wertfestsetzung unzulässig.4 Ergeht ungeachtet dessen eine solche Teilwertfestsetzung, entfaltet sie keine Bindungswirkung und ist auf Beschwerde hin aufzuheben.5 Ebenso muss das Gericht auch einen eventuellen Vergleichs(mehr)wert festsetzen, wenn ein Vergleich (auch) über nicht anhängige Gegenstände geschlossen worden ist, da insoweit eine gesonderte Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG entsteht.

1.215

Einer endgültigen Wertfestsetzung bedarf es lediglich dann nicht, wenn

1.216

– das Gericht bereits einen Streitwert für die Zuständigkeit des Gerichts oder für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels festgesetzt hat und – dieser Wert nach § 62 GKG auch für den Gebührenstreitwert gilt (§ 63 Abs. 2 GKG). 1 VGH BW, Beschl. v. 2.6.2006 – 9 S 1148/06, NVwZ-RR 2005, 583 = NVwZ-RR 2006, 648; a.A. VGH Hessen, Beschl. v. 19.1.2005 – 11 TE 3706/04, NVwZ-RR 2005, 583; OVG Berlin, Beschl. v. 14.9.2004 – 4 L 22.04; Sächsisches OVG, Beschl. v. 2.2.2007 – 3 E 44/07, DÖV 2007, 562 = NVwZ-RR 2007, 503. 2 BGH, Beschl. v. 19.11.2015 – I ZB 100/15, NJW-RR 2016, 188. 3 OVG Magdeburg, Beschl. v. 3.8.2009 – 4 O 153/09, NJW 2009, 3115. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20, JurBüro 2020, 529 = AGS 2020, 515 = NJW-Spezial 2020, 699. 5 LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.8.2020 – L 11 KR 1639/20 B, AGS 2020, 582; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20, JurBüro 2020, 529 = AGS 2020, 515 = NJW-Spezial 2020, 699.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.217 Beispiel: In einem Verfahren auf Widerruf rufschädigender Äußerungen hat das LG den Zuständigkeitsstreitwert im Urteil gem. § 3 ZPO auf 6.000 t festgesetzt.

Dieser Wert gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auch für die Gerichtsgebühren, so dass es einer Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG nicht bedarf.

1.218 Ist ein Wert für die Zuständigkeit oder die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bereits festgesetzt worden, gilt dieser aber nicht nach § 62 GKG auch für den Gebührenstreitwert, sondern es muss noch ein gesonderter Wert nach § 63 GKG festgesetzt werden.

1.219 Ein solcher Fall divergierender Werte ist z.B. in Mietsachen gegeben. 1.220 Beispiel: Der Vermieter hatte erstinstanzlich eine Mieterhöhung i.H.v. 40 t monatlich geltend gemacht. Die Klage ist abgewiesen worden. Er hat daraufhin Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hatte den Streitwert für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gem. § 9 ZPO auf 42 × 40 t = 1.680 t festgesetzt.1 Diese Wertfestsetzung ist für die Gerichtsgebühren nicht maßgebend, da § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht anwendbar ist. Vielmehr gilt hier die vorrangige Regelung des § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG, wonach der Jahresbetrag der geforderten Mieterhöhung maßgebend ist. Das Gericht muss also nach § 63 Abs. 2 GKG den Wert für die Gerichtsgebühren gesondert auf 12 × 40 t = 480 t festsetzen.

1.221 Beendet ist das Verfahren, wenn – eine die Instanz abschließende Entscheidung ergeht, – die Klage oder ein sonstiger Antrag zurückgenommen wird, – das Rechtsmittel zurückgenommen wird, – die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder – die Beteiligten einen Vergleich schließen. Erforderlich ist, dass damit das gesamte Verfahren beendet wird. Ein Teilurteil, eine Teilrücknahme, eine teilweise Erledigung oder ein Teilvergleich reichen nicht, ebenso wenig die Rücknahme nur der Klage oder Widerklage oder eines von mehreren Rechtsmitteln, wenn im Übrigen das Verfahren noch anhängig bleibt.

1.222 Erledigt ist das Verfahren abgesehen von den Fällen der Beendigung auch dann, wenn es, ohne förmlich beendet worden zu sein, von den Beteiligten nicht mehr betrieben wird.

1.223 Eine Sonderstellung nimmt die Wertfestsetzung für eine Verzögerungsgebühr (Nr. 1901 KV GKG) ein. Auch diese Gebühr wird nach dem Streitwert berechnet. Hier kann allerdings auch ein geringerer Wert in Betracht kommen, wenn die Verzögerung nur einen Teil des gesamten Verfahrensgegenstands betrifft.2 Der für die Gebühr geltende Wert ist zweckmäßigerweise in dem Beschluss, mit dem die Verzögerungsgebühr verhängt wird, gesondert festzusetzen. 2. Form

1.224 Die endgültige Wertfestsetzung ergeht durch Beschluss (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Dieser Beschluss kann im Urteil als Nebenentscheidung enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen. In beiden Fällen ist eine gesonderte Rechtsmittelbelehrung erforderlich (§ 5b GKG).

1.225 Zuständig für die endgültige Wertfestsetzung ist der Richter, der in der Sache entschieden hat oder zum Zeitpunkt der Erledigung zur Entscheidung berufen gewesen wäre, bzw. das Kollegium. 1 Siehe dazu BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597. 2 Siehe ZPO-Teil unter dem Stichwort „Verzögerungsgebühr“, Rz. 2.5564 ff.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Ist das Kollegium an sich zuständig, dürfte es allerdings möglich sein, dass es einem Einzelrichter die Sache überträgt, damit er dann die Streitwertfestsetzung vornimmt.

1.226

Umgekehrt kann der Einzelrichter die Sache dem Kollegium übertragen, wenn die Sache grundsätzli- 1.227 che Bedeutung hat. Dieser Fall wird beim LG in der Regel gegeben sein, wenn die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG zugelassen werden soll. Im Falle einer Verweisung oder einer Abgabe ist das Empfangsgericht zuständig, den Verfahrenswert 1.228 festzusetzen. Soweit häufig ausgeführt wird, das Empfangsgericht setze auch den Wert des Verfahrens vor dem Ausgangsgericht fest, ist dies in der Sache nicht richtig, da es nur einen einzigen Verfahrenswert gibt und in der Regel auch nur eine Gerichtsgebühr erhoben wird. Soweit ein vorangegangenes selbständiges Beweisverfahren vor einem anderen Gericht stattgefunden hat als der nachfolgende Rechtsstreit, ist das Gericht des Beweisverfahrens für die Festsetzung des Wertes für die Gebühr der Nr. 1610 KV GKG zuständig und das Prozessgericht für die Festsetzung des Wertes der Gebühr der Nr. 1210 KV GKG.

1.229

Ist ein Mahnverfahren vorangegangen, so ist das Prozessgericht sowohl für die Festsetzung des Wertes der Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG zuständig als auch für die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG.

1.230

Im Falle einer Trennung setzen die jeweiligen Gerichte, die nach der Trennung zuständig sind, für die getrennten Verfahren den jeweiligen Wert endgültig fest.

1.231

Bei einer Verbindung mehrerer Verfahren geht die Zuständigkeit der Wertfestsetzung auf das Gericht des verbundenen Verfahrens für das gesamte Verfahren über.

1.232

3. Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung aa) Überblick Im Beschlusstenor ist der Wert für die anfallende(n) Gerichtsgebühr(en) anzugeben. In den meisten Fällen wird nur eine Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen erhoben, so dass auch nur ein Wert festzusetzen ist.

1.233

Setzt sich der Wert für die Gerichtsgebühren aus mehreren Teilwerten zusammen, so insbesondere bei einer objektiven Klagenhäufung (§ 39 Abs. 1 GKG), bei Klage und Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG) oder beschiedenen Hilfsanträgen oder Hilfsaufrechnungen (§ 45 Abs. 2, 3 GKG), ist ungeachtet dessen nur der Gesamtwert festzusetzen und im Beschlusstenor klar auszusprechen, da auch in diesen Fällen nur eine Gebühr erhoben wird. Die Angabe der Einzelwerte ist ausschließlich eine Frage der Begründung. Es führt anderenfalls zu Unklarheiten, wenn nur die Einzelwerte festgesetzt werden.

1.234

Beispiel: Der Streitwertbeschluss lautet: „Der Streitwert wird für die Klage auf 10.000 t und für die Widerklage auf 8.000 t festgesetzt“.

1.235

Aus dieser Festsetzung ergibt sich nicht, ob und inwieweit die Werte von Klage und Widerklage zu addieren sind, also ob das Gericht – von demselben Gegenstand ausgeht; dann wäre nicht zu addieren, der höhere Wert von 10.000 t wäre maßgebend – von verschiedenen Gegenständen ausgeht; dann wäre zu addieren, der Wert würde 18.000 t betragen. – teilweise von verschiedenen Gegenständen auszugehen ist; dann wäre teilweise zu addieren, der Wert würde sich dann auf einen Betrag zwischen über 10.000 t, aber unter 18.000 t belaufen.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.236 Beispiel: Der Streitwertbeschluss lautet: „Der Streitwert wird für den Klageantrag zu 1) wird auf 10.000 t festgesetzt und für den Klageantrag zu 2) auf 8.000 t festgesetzt“.

Aus dieser Festsetzung ergibt sich nicht, ob und inwieweit die Werte der Anträge zu addieren sind oder ob gegebenenfalls wirtschaftliche Identität und damit ein Additionsverbot besteht.

1.237 Der Wertfestsetzungsbeschluss ist grundsätzlich – zumindest stichwortartig – zu begründen. Eine Begründung kann unterbleiben, wenn der Wert offensichtlich ist, etwa bei einer bezifferten Geldforderung oder wenn das Gericht auf den Wertfestsetzungsantrag einer Partei Bezug nimmt und sich die dortigen Ausführungen zu eigen macht.

1.238 Eine Begründung ist auch bei übereinstimmendem Rechtsmittelverzicht aller Beteiligten entbehrlich, nicht jedoch bei einer bloß im Einverständnis der Beteiligten getroffenen Festsetzung (s. Rz. 1.638 ff.). bb) Mehrere Wertfestsetzungen (1) Mehrere Gebühren aus Teilwerten

1.239 Soweit ausnahmsweise einmal mehrere Gerichtsgebühren anfallen, ist für jede Gerichtsgebühr der maßgebende Wert festzusetzen.

1.240 Das gilt z.B., wenn ein Mahnverfahren vorausgegangen ist, da es hier zu abweichenden Werten kommen kann.

1.241 Beispiel: Im Mahnverfahren werden 5.000 t geltend gemacht. Der Anspruch wird jedoch nur i.H.v. 4.000 t begründet. Darüber wird dann auch entschieden. Da im Mahnverfahren eine gesonderte Gebühr anfällt (Nr. 1100 KV GKG) und diese sich nach einem höheren Wert berechnet als die Gebühr für das streitige Verfahren (Nr. 1210 KV GKG), müssen die Werte für das Mahnverfahren und das streitige Verfahren gesondert festgesetzt werden.

1.242 Gleiches gilt, wenn zwar nur eine Gebühr anfällt, diese sich jedoch nach unterschiedlichen Sätzen berechnet. Ein solcher Fall kann z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren anfallen, wenn sich die Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG teilweise nach Nr. 1412 KV GKG erhöht.

1.243 Beispiel: Es wird eine einstweilige Verfügung wegen zweier angeblicher Wettbewerbsverstöße beantragt und erlassen. Wegen eines Wettbewerbsverstoßes legt der Antragsgegner Widerspruch ein, so dass es zur mündlichen Verhandlung und einer Entscheidung durch Urteil kommt. Das Gericht muss zum einen den Wert für die 1,5-Gebühr nach Nr. 1410 KV GKG festsetzen und zum anderen den Wert für die erhöhte 3,0-Gebühr nach Nrn. 1410, 1412 KV GKG. Die Festsetzung hat zweckmäßigerweise dergestalt zu erfolgen, dass die Werte für die jeweiligen Gebühren konkret festgesetzt werden. Eine gestaffelte Wertfestsetzung nach Zeitabschnitten ist unzulässig. Siehe Rz. 1.250.

(2) Vergleichsgebühr

1.244 Mehrere Wertfestsetzungen sind auch dann vorzunehmen, wenn neben der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG erhoben wird.

1.245 Beispiel: In einem Rechtsstreit haben die Parteien einen Vergleich auch über eine nicht anhängige Forderung geschlossen. Das Gericht muss jetzt zwei Werte festsetzen. Zum einen muss es einen Wert für das Verfahren festsetzen, da sich hiernach die Gebühr Nrn. 1210, 1211 KV GKG berechnet und eine weitere Gebühr für den Mehrwert des Vergleichs, da hieraus eine 0,25-Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG entstanden ist.

1.246 Häufig wird nur ein Wert für den „Vergleich“ festgesetzt. Dies ist unzutreffend und führt zu Missverständnissen. Die Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG entsteht nämlich nicht aus dem Gesamtwert des Vergleichs, sondern nur aus dem Wert des Vergleichs, soweit er nicht anhängige Gegenstände betrifft, dem sog. „Vergleichsmehrwert“. Die häufig anzutreffende Festsetzung des Wertes für den ge36

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

samten Vergleich besagt nämlich nichts darüber, inwieweit ein Mehrwert vorliegt. Das Gericht muss daher in seinem Beschluss ausdrücklich den Wert festsetzen, nach dem sich die Vergleichsgebühr berechnet. In der Regel wird dies als Mehrwert des Vergleichs bezeichnet. Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 t. Die Parteien schließen später einen Vergleich über nicht anhängige Gegenstände. Das Gericht setzt den Wert des Vergleichs auf 20.000 t fest.

1.247

Diese Festsetzung ist für sich genommen nichtssagend: – Mit ihr kann gemeint sein, dass der Mehrwert 20.000 t beträgt. Dann würde die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG aus 20.000 t berechnet. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass sich ein Vergleich auch über anhängige Gegenstände verhält. – In den 20.000 t Vergleichswert können aber auch die anhängigen 10.000 t enthalten sein. Dann wäre die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG nur aus 10.000 t zu berechnen. – Möglich wäre aber auch, dass in den 20.000 t Vergleichswert 5.000 t anhängige Ansprüche enthalten sind und 15.000 t weitergehende Ansprüche. Dann würde sich die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG aus dem Wert von 15.000 t berechnen. Erforderlich ist es daher, ausdrücklich den Vergleichsmehrwert festzusetzen.

Ebenso ist zu beachten, dass ein Wert für den Vergleich nicht festgesetzt werden darf, wenn ein anderweitig anhängiges Verfahren mitverglichen wird. Auch in diesem Fall fällt keine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 GKG KV an.1

1.248

Beispiel: Vor dem LG Köln sind 10.000 t eingeklagt. Die Parteien schließen später einen Vergleich über die Klageforderung und eine weitere Forderung i.H.v. 8.000 t, die vor dem LG Düsseldorf anhängig ist.

1.249

Das Gericht darf keinen Vergleichs- oder Vergleichsmehrwert festsetzen. Da der mitverglichene Gegenstand anderweitig anhängig ist, fällt keine Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 GKG KV an. Eine Mehrwertfestsetzung auf 8.000 t, wie sie in der Praxis regelmäßig vorkommt, würde jetzt dazu führen, dass der Kostenbeamte aus dem Mehrwert eine 0,25-Gebühr nach Nr. 1900 GKG KV erheben würde, was aber unzulässig ist. Abgesehen davon hat das LG Köln keine Kompetenz, den Wert eines vor dem LG Düsseldorf anhängigen Verfahrens festzusetzen. Das ist ausschließlich Sache des LG Düsseldorf. Was wäre, wenn das LG Düsseldorf abweichend den Wert des dortigen Verfahrens auf 15.000 t festsetzt. Welche Wertfestsetzung soll dann gelten?

cc) Gestaffelte Wertfestsetzungen Gestaffelte Wertfestsetzungen sind unzulässig,2 kommen in der Praxis aber dennoch regelmäßig vor. Abgesehen davon, dass eine gesetzliche Grundlage für eine solche gestaffelte Wertfestsetzung fehlt, fragt es sich auch, wem eine solche gestaffelte Wertfestsetzung nutzen soll.

1.250

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der „Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen“. Der Kostenbeamte soll nämlich aufgrund des Streitwertbeschlusses ohne weiteres in der Lage dazu sein, abzulesen, nach welcher Wertstufe er die im Verfahren angefallenen Gebühren anzusetzen hat. An den vom Gericht festgesetzten Streitwert ist er nämlich im Kostenansatzverfahren (§ 19 GKG) gebunden. Wie sich der Wert im Laufe des Verfahrens entwickelt oder verändert hat, ist für die Abrechnung der Gerichtsgebühren dagegen völlig unerheblich.

1.251

Gestaffelte Wertfestsetzungen nutzen niemandem, sondern führen im Gegenteil nur zu Unklarheiten 1.252 und Mehrarbeit. Dies mag an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

1 LG Mannheim, Beschl. v. 30.7.2013 – 7 O 149/12, AGS 2014, 25 = NJW-Spezial 2014, 59. 2 OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700 = AGS 2017, 336; LG Mainz, Beschl. v. 4.10.2018 – 1 O 264/16, AGS 2018, 571; LG Stendal, Beschl. v. 14.12.2018 – 25 T 116/18, NJW-RR 2019, 703 = AGS 2019, 228; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.253 Beispiel: In einem Rechtsstreit geht es um rückständige Mieten i.H.v. monatlich 1.000 t. Das Gericht setzt den Streitwert nach Abschluss des Verfahrens wie folgt fest: Bis zum 12.8.2020: 10.000 t; hiernach: 8.000 t.

Es fragt sich zunächst einmal, wem eine solche gestaffelte Wertfestsetzung nutzen soll. Ein Gericht hat nach § 63 GKG den Wert für die zu erhebende(n) Gerichtsgebühr(en) und nicht für Zeitabschnitte festzusetzen. Im vorliegenden Fall wird eine einzige Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 GKG-KV erhoben, sei es mit dem vollen Gebührensatz von 3,0 oder mit dem ermäßigten Gebührensatz der Nr. 1211 GKG-KV i.H.v. 1,0. In beiden Fällen handelt es sich aber nur um eine einzige Gebühr. Gibt es aber nur eine einzige Gebühr, dann kann es auch nur einen einzigen Wert geben. Gerichtsgebühren werden gerade nicht nach Zeitabschnitten erhoben, sondern nach einem Wert. Was soll also jetzt der Kostenbeamte mit dieser gestaffelten Wertfestsetzung anfangen? Er kann ja schlechterdings eine halbe Gebühr aus 10.000 t und eine halbe Gebühr aus 8.000 t erheben. Die Wertfestsetzung ist also letztlich völlig unbrauchbar, weil sich aus ihr nicht ergibt, nach welchem Wert die Gerichtsgebühr zu erheben ist. Der Leser wird vermutlich jetzt denken, dass die Gebühr in diesem Fall aus dem höheren Wert zu erheben ist. Auch dies ist jedoch nicht zwingend, da zwei Teilwertfestsetzungen noch lange nicht sagen, wie hoch der Gesamtwert ist. – Erste Variante: So kann es sein, dass im Beispiel zunächst die Mieten Januar bis Oktober 2020 eingeklagt worden waren und dann die Klage hinsichtlich der Mieten Januar und Februar zurückgenommen worden ist. Es würde sich dann zunächst ein Wert i.H.v. 10.000 t ergeben und danach i.H.v. 8.000 t. Insgesamt beliefe sich der Streitwert dann in der Tat auf insgesamt 10.000 t. – Zweite Variante: Möglich wäre aber auch, dass der Kläger die Mieten von Januar bis April zurückgenommen und gleichzeitig die Klage um die Mieten November und Dezember erweitert hat. Auch dann wäre zunächst ein Wert von 10.000 t gegeben und hiernach ein Wert von 8.000 t, insgesamt wäre aber ein Wert i.H.v. 12.000 t gegeben. – Dritte Variante: Denkbar wäre sogar, dass die Klage zunächst wegen der Monate Januar bis Oktober erhoben worden war, dann aber die Klage insoweit vollständig zurückgenommen worden ist und stattdessen die Monate November 2020 bis einschließlich Juni 2021 geltend gemacht worden sind. Auch dann wäre der Wert zunächst 10.000 t gewesen und später 8.000 t. Insgesamt würde sich aber jetzt ein Wert i.H.v. 18.000 t ergeben. Dieses Beispiel belegt also, dass eine gestaffelte Festsetzung sinnlos ist, da sie keine Aussage über den Gesamtwert trifft, der aber nach § 39 Abs. 1 GKG allein für die Gerichtsgebühren maßgebend ist.1 Der Kostenbeamte muss also bei einer solchen gestaffelten Wertfestsetzung, wenn er richtig festsetzen will, Rücksprache mit dem Richter nehmen, der nunmehr nochmals festsetzen muss, nämlich den Gesamtwert.

1.254 Der Urkundsbeamte könnte sich andererseits auch selbst die Arbeit machen, herauszufinden, wie sich die einzelnen Werte zueinander verhalten, also ob sie zusammenzurechnen sind, ob sie identisch sind oder ob sie teilidentisch sind. Dies ist aber nicht Aufgabe eines Urkundsbeamten und übersteigt seine Kompetenz. Insbesondere kann er unter Umständen rechtlich schwierige Fragen, z.B. ob der Klageänderung derselbe oder ein anderer Streitgegenstand zugrunde liegt, nicht entscheiden. Er darf dies auch nicht. Dies ist dem Richter vorbehalten.

1.255 Häufig wird zur Legitimation der gestaffelten Wertfestsetzung angeführt, diese habe zumindest Bedeutung für die Anwaltsgebühren. Auch dieses Argument greift nicht. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes hat das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG nur den Wert für die Gerichtsgebühren festzusetzen. Eine Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren von Amts wegen sieht das Gesetz nicht vor. Das ist auch nicht erforderlich, weil nach § 32 Abs. 1 RVG insoweit bereits eine Bindungswirkung besteht. Der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert gilt auch für die Anwaltsgebühren, soweit der Gegenstand der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Eine gesonderte Wertfestsetzung von Amts wegen für die anwaltlichen Gebühren ist daher nicht nur unzulässig; sie würde zudem die Gefahr divergierender Entscheidungen mit sich bringen. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit darf nur auf Antrag festgesetzt werden. So steht es ausdrücklich im Ge1 KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, AGS 2008, 188; OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2015 – 2 W 132/15, MDR 2015, 912; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, AGS 2020, 408.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

setz: § 33 Abs. 1 RVG. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein reines Antragsverfahren, für das zudem besondere Verfahrensvorschriften gelten. Abgesehen davon ist auch für die Anwaltsgebühren keine gestaffelte Wertfestsetzung vorzunehmen. Auch die Anwaltsgebühren richten sich nicht nach Zeitabschnitten. Verhält es sich tatsächlich so, dass für die Anwaltsgebühren ein abweichender Wert gilt, dann ist dieser gesondert im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.1 Eine gestaffelte Wertfestsetzung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn das GKG ausnahmsweise mehrere Gebühren (etwa bei Mahnverfahren und streitigem Verfahren – s. Rz. 1.239 ff.) vorsieht bzw. verschiedene Gebührensätze einer Gebühr (z.B. bei Arrest oder einstweiliger Verfügung mit Teilwiderspruch, s. Rz. 1.242 ff.), so dass es zu sog. Stufenstreitwerten kommen kann. Dann müssten mehrere Werte festgesetzt werden, damit der Rechtspfleger die jeweiligen einzelnen Gebühren berechnen und ansetzen kann. Auch hier ist jedoch eine Festsetzung nach Zeitabschnitten aus den vorgenannten Gründen unzutreffend, weil sie wiederum nicht ermöglicht, den Wert der jeweiligen Gebühr eindeutig zu bestimmen.

1.256

Beispiel: Nach vorherigem Mahnverfahren setzt das Gericht im Urteil den Streitwert wie folgt fest: „Der Streitwert wird bis zum … (Akteneingang bei Gericht) auf 3.000 t festgesetzt und ab dann auf 2.000 t.“

1.257

Auch eine solche Festsetzung ist falsch. Zutreffend ist sie nur insoweit, als die Gebühr für das Mahnverfahren (Nr. 1100 KV GKG) aus 3.000 t zu erheben ist. Hinsichtlich der weiteren Gebühr Nr. 1210 KV GKG ist sie dagegen nichtssagend. War z.B. nur i.H.v. 2.000 t Widerspruch eingelegt worden oder hat der Antragsteller nur hinsichtlich eines Teilbetrags von 2.000 t die Abgabe beantragt, dann beliefe sich der Wert bereits ab Abgabeantrag – und nicht erst ab Akteneingang bei Gericht – nur noch auf 2.000 t. War dagegen zunächst uneingeschränkte Abgabe beantragt worden und ist der Antrag dann erst nachträglich beschränkt bzw. eingeschränkt begründet worden, dann bleibt der Wert von 3.000 t auch für die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG maßgebend, da es für den Anfall der Gebühr auf den Abgabeantrag ankommt.2 Schließlich kommt auch in Betracht, dass die Durchführung des streitigen Verfahrens nur wegen eines Teils beantragt worden war und der Antrag später erweitert worden ist. Wäre etwa die Abgabe nur wegen eines Betrages i.H.v. 1.000 t beantragt und der Klageantrag um 2.000 t erweitert worden, dann würde sich zwar auch die Gebühr der Nr. 1100 KV GKG nach 2.000 t richten und die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG nach 3.000 t. Eine Anrechnung nach Anm. zu Nr. 1210 KV GKG käme dann aber nur aus einem Wert von 1.000 t in Betracht. Daher sollte ggf. auch noch ein Wert für die Gebührenanrechnung nach Anm. zu Nr. 1210 KV GKG mit festgesetzt werden. Zutreffend ist es folglich auch hier, die Werte für die jeweiligen Gebühren festzusetzen und nicht für irgendwelche Zeiträume, die für die Gerichtskosten irrelevant sind.

Ebenso sind gestaffelte Wertfestsetzungen für einzelne Anträge ohne Aussagekraft, wenn nicht zugleich der Gesamtwert angegeben wird. Das betrifft insbesondere Klage- und Widerklage. Die Festsetzung der einzelnen Werte von Klage und Widerklage alleine besagt nichts, da dies noch nichts über den Gesamtwert aussagt. Die Werte von Klage- und Widerklage können zu addieren sein (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG). Es kann auch sein, dass nur der höhere Wert gilt, nämlich dann, wenn derselbe Gegenstand zugrunde liegt (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Es kann auch teilweise zu addieren sein, wenn nur eine Teilidentität besteht. Daher bedarf es auch hier immer der Festsetzung des Gesamtwertes.

1.258

Solche sinnlosen gestaffelten Wertfestsetzungen sind daher nicht nur unzulässig, sondern sind auch gegenstandslos und entfalten keine Wirkung.3 Sie sind auf eine Beschwerde hin aufzuheben. Auch dies ist einhellige Rechtsprechung.

1.259

1 OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700 = AGS 2017, 336. 2 Toussaint, KostR, Nr. 1210 KV GKG Rz. 23. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.260 Hinweis: Wenn ein Gericht zeitlich gestaffelte Werte festsetzt, sollte der Anwalt daher unbedingt Beschwerde einlegen und auf eine einheitliche Wertfestsetzung drängen. Zweckmäßig ist es insoweit, dem Gericht vorzurechnen, welche einzelnen Gegenstände im Laufe des Verfahrens anhängig waren und auf die einschlägige Rechtsprechung hinzuweisen, dass gem. § 39 Abs. 1 GKG die Summe aller Gegenstände für die Streitwertfestsetzung maßgebend und eine gestaffelte Wertfestsetzung unzulässig ist.

1.260a Muster 4a: Beschwerde gegen gestaffelte Wertfestsetzung An das …gericht In dem Verfahren … ./. … lege ich in eigenem Namen sowie im Namen meiner Partei gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom … Beschwerde ein. Eine gestaffelte Streitwertfestsetzung nach Zeitabschnitten ist nicht zulässig (OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243; LG Mainz, Beschl. v. 4.10.2018 – 1 O 264/16, AGS 2018, 571; LG Stendal, Beschl. v. 14.12.2018 – 25 T 116/18, NJW-RR 2019, 703 = AGS 2019, 228). Sie ist darüber hinaus gegenstandslos (OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17) und daher auf eine Beschwerde hin zu korrigieren. Im gerichtlichen Verfahren ist nur eine einzige Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 GKG-KV angefallen. Folglich kann es auch nur einen Wert geben. Die Gerichtsgebühr wird nicht nach Zeitabschnitten erhoben. Maßgebend ist der Wert aller Gegenstände, die im Laufe des Verfahrens anhängig waren (KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, AGS 2008, 188; OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2015 – 2 W 132/15, MDR 2015, 912; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, AGS 2020, 408). Demzufolge ist der Streitwert wie folgt festzusetzen: …a … a1 Gesamt

…c

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b) Zulassung der Beschwerde

1.261 Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt.

1.262 Erforderlich ist es nur, im Tenor eine (positive) Zulassungsentscheidung aufzunehmen. Soweit das Gericht die Beschwerde nicht ausdrücklich zulässt, gilt dies als Nichtzulassung.

1.263 Eindeutiger ist es dagegen, auch in diesen Fällen im Tenor auszusprechen, dass die Beschwerde nicht zugelassen wird, da dies der Klarheit dient und insbesondere zeigt, dass sich das Gericht auch Ge-

1 Auflistung der einzelnen Gegenstände.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

danken über die Zulassungsfrage gemacht hat, womit ggf. überflüssige Berichtigungs- oder Ergänzungsanträge vermieden werden. Eines Zulassungsantrags bedarf es nicht. Das Gericht muss von Amts wegen über die Frage der Zu- 1.264 lassung entscheiden. Dem „Antrag“ einer Partei oder eines sonstigen Verfahrensbeteiligten kommt insoweit lediglich der Charakter einer Anregung zu. Andererseits ist es häufig zweckmäßig, die Zulassung der Beschwerde zu „beantragen“. So kann es sinnvoll sein, auf die grundsätzliche Bedeutung oder divergierende Rechtsprechung bereits im Wertfestsetzungsverfahren hinzuweisen und dazu vorzutragen, damit das Gericht sich Gedanken über die Zulassung macht. Eine unterbliebene Zulassung kann nämlich grundsätzlich nicht nachgeholt werden (s. Rz. 1.350 ff.).

1.265

Eine Zulassung ist insbesondere dann geboten, wenn es sich um eine grundsätzliche Bewertungsfrage handelt, die in einer Vielzahl von Fällen auftritt und deren Beantwortung noch nicht abschließend geklärt ist.

1.266

Darüber hinaus ist die Zulassung geboten, wenn das Gericht von der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts oder des Gerichts der weiteren Beschwerde abweichen will oder von Entscheidungen anderer Gerichte und eine grundsätzliche Entscheidung des zuständigen Beschwerdegerichts noch nicht vorliegt.

1.267

c) Rechtsbehelfsbelehrung Schließlich muss der Wertfestsetzungsbeschluss nach § 5b GKG auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.

1.268

4. Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitswerts Zu beachten ist, dass die Rechtsprechung eine eingeschränkte Bindungswirkung annimmt, wenn ein Gericht bereits im Rahmen der Frage der Zuständigkeit oder der Zulässigkeit eines Rechtsmittels inzidenter über den Streitwert befunden hat. Die Bindungswirkung der Streitwertfestsetzung soll dann allerdings nur in Höhe des Grenzwerts bestehen.1

1.269

Ist das AG hinsichtlich des Streitwerts für die Zuständigkeit von einem Wert von über 5.000 t ausgegangen und hat es anschließend den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das LG verwiesen, soll diese Wertannahme gem. § 62 Satz 1, § 63 Abs. 2 GKG nunmehr für die Berechnung der Gebühren hinsichtlich des „Grenzwertes“ maßgeblich und bindend sein.2 Damit sollen sich widersprechende Streitwertfestsetzungen für die Zuständigkeit oder die Zulässigkeit eines Rechtsmittels einerseits und des Gebührenstreitwerts andererseits vermieden werden, wenn und soweit die Streitwertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels einerseits und für die Gebührenberechnung andererseits nach denselben Vorschriften zu erfolgen hat. Es soll vermieden werden, dass in derselben Angelegenheit Gebühren nach einem höheren oder auch niedrigeren Wert als dem für die Zuständigkeit bzw. Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblich erachteten Streitwert berechnet werden.3

1.270

Nachvollziehbar ist diese Rspr. nicht. Solange keine „echte“ Festsetzung des Streitwerts i.S.d. § 62 GKG erfolgt ist, besteht keine Bindungswirkung (s. Rz. 1.100 ff.). Wieso eine ggf. unzutreffende Wertannahme für den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert zwingend zur Folge haben soll, auch

1.271

1 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.2009 – 2 W 16/09, 2 W 17/09, AGS 2009, 244 = OLGR 2009, 680. 2 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2005 – 3 W 84/05, OLGR 2005, 602. 3 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78.

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1. Teil Verfahrensrecht

den Gebührenstreitwert unzutreffend festsetzen zu müssen, ist nicht nachvollziehbar. So ist es nicht einzusehen, dass eine Partei nur deshalb unzutreffend hohe Gebühren soll zahlen müssen, weil das Gericht im Rahmen der Zuständigkeit von einem zu hohen Wert ausgegangen ist. Ebenso wenig ist einzusehen, dass ein Anwalt auf einen Teil seiner Vergütung verzichten soll, weil das Gericht im Rahmen der Zuständigkeit einen zu geringen Wert angenommen hat. Wieso hier der Grundsatz „nicht widersprechender Entscheidungen“ Vorrang vor einer richtigen Wertfestsetzung haben soll, ist nicht nachzuvollziehen. Das gilt umso mehr, als Partei und Anwalt grundsätzlich keine Möglichkeit haben, gegen eine falsche Wertannahme im Rahmen der Zuständigkeitsfrage ein Rechtsmittel einzulegen, da Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich unanfechtbar sind und die Annahme einer nicht gegebenen Zuständigkeit nicht mit der Berufung angefochten werden kann (§ 513 Abs. 2 ZPO).

1.272 Die Bindungswirkung der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung wird von der Rspr. allerdings nur in Höhe des Grenzwertes für die Zuständigkeit angenommen; eine Bezifferung des verweisenden Gerichts soll darüber hinaus nicht bindend sein, weil davon die Zuständigkeit nicht abhängt.

1.273 Beispiel: Das AG setzt den Streitwert auf 8.000 t fest und verweist die Sache an das LG. Das LG ist der Auffassung, der Streitwert betrage nur 4.000 t.

Das LG soll jetzt nicht den Wert auf 4.000 t festsetzen dürfen, da dies der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es soll andererseits aber auch nicht an den Wert von 8.000 t gebunden sein, sondern soll auch niedriger festsetzen können. Den Wert von 5.000,01 t soll es jedoch nicht unterschreiten dürfen.

1.274 Hat das LG den Wert auf unter 5.000 t festgesetzt und an das AG verwiesen, dann soll das AG jedenfalls insoweit gebunden sein, als es nicht über 5.000 t festsetzen darf.

1.275 Beispiel: Das LG setzt den Streitwert auf 4.000 t fest und verweist die Sache an das AG. Das AG ist der Auffassung, der Streitwert betrage 8.000 t.

Das AG soll jetzt nicht den Wert auf 8.000 t festsetzen dürfen, da dies wiederum der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es soll andererseits aber auch nicht an den Wert von 4.000 t gebunden sein, sondern soll höher festsetzen können. Den Wert von 5.000 t soll es jedoch nicht überschreiten dürfen.

1.276 Eine solche eingeschränkte Bindungswirkung nimmt die Rspr. aber nur an, wenn die Bewertung des Zuständigkeits- bzw. Rechtsmittelstreitwerts denselben Vorschriften folgt. Sofern für den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert andere Regeln gelten, greift die eingeschränkte Bindungswirkung nicht.

1.277 Beispiel: Vor dem AG wird eine Klage auf Räumung einer gewerblich genutzten Halle (Monatsmiete 400 t) erhoben. Das AG geht von einem Streitwert nach § 9 ZPO i.H.v. 42 × 400 t = 16.800 t aus und verweist die Sache an das LG.

Da sich der Gebührenstreitwert nicht nach § 9 ZPO richtet, sondern nach § 41 Abs. 1, 2 GKG und hier nur der Jahreswert gilt, ist das LG nicht gehindert, den Gebührenstreitwert auf 12 × 400 = 4.800 t festzusetzen.

5. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit a) Überblick

1.278 Die endgültige Wertfestsetzung kann vom Gericht nachträglich von Amts wegen abgeändert werden (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

1.279 Zur Abänderung berechtigt ist grundsätzlich immer das Gericht, das den Wert festgesetzt hat (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG).

1.280 Darüber hinaus ist auch ein Rechtsmittelgericht berechtigt, den Wert abzuändern, wenn die Sache vor dem Rechtsmittelgericht anhängig ist (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG). Daher kann

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

– das LG eine Festsetzung des AG, – das OLG eine Festsetzung des AG und des LG und – der BGH sowohl eine Festsetzung des AG, des LG als auch des OLG abändern. Eine Abänderung ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die eigene Wertfestsetzung zwischenzeit- 1.281 lich von einem Rechtsmittelgericht abgeändert worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abänderung aufgrund einer Beschwerde nach §§ 67, 68 GKG erfolgt ist oder gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen während der Anhängigkeit im Rechtsmittelverfahren. Daher kann – ein AG den Wert nicht mehr abändern, wenn das LG, das OLG oder der BGH die Festsetzung abgeändert hat, – das LG nicht mehr abändern, wenn das OLG oder der BGH die Festsetzung abgeändert hat und – das OLG nicht mehr abändern, wenn der BGH die Festsetzung abgeändert hat. b) Abänderung durch Ausgangsgericht Die Abänderungsmöglichkeit für das Ausgangsgericht besteht grundsätzlich nur innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, also innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat.

1.282

Die Frist zur Abänderung von Amts wegen beginnt im Falle eines Rechtsstreits mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder anderweitiger Beendigung. Sie beginnt also im Falle

1.283

– einer Endentscheidung (Urteil oder Beschluss), sobald diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist; wird nach Erlass der Entscheidung allerdings eine Gehörsrüge (§ 321a ZPO u.a.) eingelegt, so beginnt die Sechs-Monats-Frist mit der Entscheidung über die Gehörsrüge; – einer Klage- oder Antragsrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist; – einer Rechtsmittelrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung hierzu, wenn diese erforderlich ist; – einer übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung mit Abgabe der letzten erforderlichen Erledigungserklärung; – eines Vergleichsabschlusses mit dessen Protokollierung oder im Fall des § 278 Abs. 6 ZPO mit Eingang der letzten Vergleichsannahmeerklärung. Im Falle eines Vergleichs unter dem Vorbehalt des Widerrufs beginnt die Frist mit Ablauf der Widerrufsfrist bzw. dem Verzicht auf das Widerrufsrecht. Soweit nur ein Teil- oder Zwischenurteil ergeht, beginnt damit nicht schon die Sechs-Monatsfrist zu laufen. Da der Wert für das gesamte Verfahren einheitlich festzusetzen ist, kann eine Wertfestsetzung erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens erfolgen, so dass auch erst dann die Frist zu laufen beginnt.1

1.284

Ausnahmsweise kann das Ausgangsgericht auch noch nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist den Ver- 1.285 fahrenswert von Amts wegen abändern, nämlich dann, dann, wenn innerhalb der Sechs-Monats-Frist oder der nach § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GKG verlängerten Frist rechtzeitig eine Streitwertbeschwerde oder eine Gegenvorstellung eingereicht worden ist.2 1 OVG Magdeburg, Beschl. v. 3.8.2009 – 4 O 153/09, NJW 2009, 3115. 2 OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2008 – 8 W 23/07, AGS 2008, 406.

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1. Teil Verfahrensrecht

c) Abänderung durch Rechtsmittelgericht

1.286 Sofern die Hauptsache an ein Rechtsmittelgericht gelangt, kann – und muss – das Rechtsmittelgericht einen fehlerhaft festgesetzten Streitwert der Vorinstanz von Amts wegen abändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG). Dabei ist es unerheblich, ob die Sache durch ein Rechtsmittel in der Hauptsache, oder eine Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung, die Kostenfestsetzung oder den Kostenansatz eingelegt worden ist.

1.287 Eine solche Abänderung des Streitwertes ist unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache zulässig. Auch dann, wenn das Rechtsmittelgericht das Rechtsmittel als unbegründet zurückweist, kann und muss es den Streitwert ggf. abändern.

1.288 Der Streitwert kann auch dann geändert werden, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist. Auch im Rahmen eines unzulässigen Rechtsmittels ist das Rechtsmittelgericht befasst. Es ist nämlich dafür zuständig, darüber zu entscheiden, ob das Rechtsmittel zulässig ist oder nicht. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist es dann auch befugt, den Streitwert zu ändern, da das Verfahren bei ihm anhängig ist.

1.289 Unklar ist, ob das Rechtsmittelgericht auch dann von Amts wegen den Wert abändern darf, wenn das Rechtsmittel unstatthaft ist. Gegen eine Berechtigung zur Abänderung spricht, dass ein gesetzlich nicht gegebenes Rechtsmittel in der Hauptsache auch nicht dazu führen darf, dass die Entscheidung in einem Nebenpunkt abgeändert wird. Andererseits ist das Rechtsmittelgericht dazu berufen, über die Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels, die ja durchaus strittig sein kann, zu entscheiden.

1.290 Nicht verwechselt werden darf der Fall der Unzulässigkeit des Rechtsmittels mit der Frage, ob das Gericht auch auf eine unzulässige Streitwertbeschwerde berechtigt ist, den Wert abzuändern (s. Rz. 1.437 f.).

1.291 Auch das Rechtsmittelgericht kann noch nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist den Streitwert von Amts wegen abändern, nämlich dann, wenn innerhalb der Sechs-Monats-Frist oder der nach § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GKG verlängerten Frist rechtzeitig eine Streitwertbeschwerde oder eine Gegenvorstellung eingereicht worden ist (s. Rz. 1.287). Die Abänderungsmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn innerhalb der Sechs-Monats-Frist lediglich eine Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung, die Kostenfestsetzung oder den Kostenansatz eingelegt worden ist.

VIII. Gegenvorstellung 1.292 Gegen die endgültige Streitwertfestsetzung des Gerichts kann ungeachtet der Höhe der Beschwer eine Gegenvorstellung erhoben werden.

1.293 Da der Streitwert von Amts wegen zutreffend festzusetzen und ggf. von Amts wegen abzuändern ist (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG), muss das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine Festsetzung oder die einer Vorinstanz (s. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) prüfen und, sofern die Gegenvorstellung begründet ist, abändern.

1.294 Die Gegenvorstellung ist allerdings befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt werden, da das Gericht nur in diesem Zeitraum zur Abänderung berechtigt ist.

1.295 Ist die Gegenvorstellung innerhalb dieser Frist erhoben worden, dann kann und muss das Gericht auch noch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist seine Festsetzung ändern.1

1 OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2008 – 8 W 23/07, AGS 2008, 406.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Frist festgesetzt worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung Gegenvorstellung erhoben werden. Es kann hier nichts anderes gelten als für eine Beschwerde (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).

1.296

Die Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf und kein Rechtsmittel und führt daher – im Gegensatz zur Beschwerde – nicht zur Eröffnung einer weiteren Instanz, sondern wird von dem festsetzenden Gericht endgültig beschieden. Dafür löst eine Gegenvorstellung keine gesonderten Kosten aus, da sie zur Instanz gehört (s. Rz. 1.464, 1.473).

1.297

Die Gegenvorstellung ist auch dann zulässig, wenn eine Beschwerde möglich wäre. Sie ist nicht subsidiär.

1.298

Muster 5: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung

1.299

Landgericht … In Sachen … ./. … erhebe ich im eigenen Namen gegen die Festsetzung des Streitwertes Gegenvorstellung. Begründung: Das Gericht hat den Streitwert für das Verfahren auf den Wert der mit der Klage geltend gemachten 3.000 a Renovierungskosten festgesetzt. Bei der Wertfestsetzung hat das Gericht übersehen, dass durch den geschlossenen Vergleich auch die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und vom Kläger bestrittene Gegenforderung des Beklagten auf Rückzahlung nicht verbrauchter Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 500 a abgegolten worden ist. Gemäß § 45 Abs. 3, 4 GKG erhöht sich damit der Streitwert des Verfahrens. Es wird daher beantragt, die gerichtliche Wertfestsetzung auf 3.500 a abzuändern. Rechtsanwalt

IX. Beschwerde 1. Überblick Neben der Gegenvorstellung als Rechtsbehelf kommt die Beschwerde nach § 68 GKG als Rechtsmittel gegen eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG in Betracht.

1.300

Die Beschwerde ist allerdings nicht nur gegen die endgültige Wertfestsetzung selbst gegeben, sondern auch gegen eine unterlassene Wertfestsetzung. Weigert sich das Gericht, eine endgültige Wertfestsetzung vorzunehmen, obwohl diese geboten ist, kann auch dagegen Beschwerde – Untätigkeitsbeschwerde – eingelegt werden.

1.301

2. Anfechtbare Festsetzungen a) Festsetzung der verschiedenen Instanzen Anfechtbar ist nur eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG. Eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG ist nicht zulässig (s. Rz. 1.193 ff.).

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1. Teil Verfahrensrecht

1.303 Anfechtbar ist – vorbehaltlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen – stets die erstinstanzliche Festsetzung eines Amts- oder LG.

1.304 Darüber hinaus ist auch die Festsetzung des LG als Berufungs- oder Beschwerdegericht mit der Beschwerde anfechtbar.1 Dies gilt sowohl für die Festsetzung des Wertes für die Berufungs- oder Beschwerdeinstanz als auch für eine von Amts wegen vorgenommene Abänderung der amtsgerichtlichen Festsetzung.

1.305 Beispiele: – In einem Berufungsverfahren setzt das LG den Streitwert für das Berufungsverfahren fest. Eine Beschwerde zum OLG ist möglich. – Im Verfahren über eine Beschwerde im einstweiligen Verfügungsverfahren setzt das LG als Beschwerdegericht den Streitwert für das Beschwerdeverfahren fest. Auch hier ist eine Beschwerde zum OLG möglich. – Im Berufungsverfahren ändert das LG gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG die erstinstanzliche Wertfestsetzung des AG ab. Gegen diese Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung ist ebenfalls die Beschwerde gegeben, und zwar zum OLG. Es handelt sich nicht um eine weitere Beschwerde, da die erstmalige Festsetzung bzw. Abänderung der erstmaligen Festsetzung durch das LG angegriffen wird und nicht eine Beschwerdeentscheidung.

1.306 Die zweitinstanzliche Streitwertfestsetzung des LG kann selbst dann mit der Beschwerde zum OLG angefochten werden, wenn der Instanzenzug der Hauptsache wegen § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO beim LG endet.2

1.307 Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des OLG ist nicht möglich, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht statthaft ist.

1.308 Eine Rechtsbeschwerde gegen eine Wertfestsetzung des OLG ist ebenfalls nicht möglich. Das scheitert aber – entgegen häufig anzutreffender Begründungen – nicht an § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, sondern daran, dass das GKG keine Rechtsbeschwerde kennt.

1.309 Das gilt auch dann, wenn das OLG die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Die Zulassung eines nicht statthaften Rechtsmittels ist nicht möglich und bindet daher den BGH nicht (s. Rz. 1.457).

1.310 Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des BGH wiederum kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es darüber kein Beschwerdegericht gibt. b) Unterlassene Festsetzung

1.311 Kommt das Gericht seiner Verpflichtung aus § 63 Abs. 2 GKG, den Streitwert nach Abschluss des Verfahrens festzusetzen, nicht nach oder verweigert es eine Festsetzung, kann gegen die Untätigkeit des Gerichts nach § 68 GKG Beschwerde eingelegt werden. Die Weigerung einer Festsetzung kommt einer Wertfestsetzung auf „Null“ gleich.

1 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2009 – 17 W 200/09, MDR 2009, 1408 = AGS 2009, 604; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.2006 – 24 W 45/06, OLGR 2007, 97 = MDR 2007, 605; OLG München, Beschl. v. 14.5.2009 – 32 W 1336/09, OLGR 2009, 533; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.8.2008 – 16 W 72/09, OLGR 2009, 827 = MDR 2009, 1355. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 5 W 70/08, MDR 2008, 405 = AGS 2008, 302.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Hierzu gehört allerdings nicht der Fall, dass sich das Gericht auf eine Bindung nach § 62 GKG beruft (s. Rz. 1.269). In diesem Fall liegt in der Weigerung der Festsetzung konkludent eine „Festsetzung“ auf den Zuständigkeitsstreitwert. Dieser Fall ist zu behandeln wie eine Wertfestsetzung, so dass die Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG gegeben ist.

1.312

Muster 6: Untätigkeitsbeschwerde gegen unterbliebene Wertfestsetzung

1.313

An das … gericht In dem Rechtsstreit … ./. … lege ich gegen die Weigerung des Gerichts, den Streitwert gem. § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen, Beschwerde ein. Begründung: Nach § 63 Abs. 2 GKG hat das Gericht den Streitwert durch Beschluss festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen ist oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat. Die anderweitige Erledigung ist hier durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingetreten. Dass die Parteien gleichzeitig auf eine Kostenentscheidung verzichtet haben, ist unerheblich und entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung der Streitwertfestsetzung. Eine Wertfestsetzung ist nur dann entbehrlich, wenn bereits der Streitwert für die Zuständigkeit des Prozessgerichts festgesetzt worden wäre. An einer solchen Festsetzung fehlt es hier jedoch. Rechtsanwalt

Eine besondere Begründung bei einer Untätigkeitsbeschwerde ist nicht erforderlich.

1.314

Eine Beschwer ist ebenfalls nicht erforderlich, da nicht der Festsetzungsbeschluss angefochten wird, sondern sich die Beschwerde gegen die Untätigkeit des Gerichts richtet.

1.315

Erstrebt der Anwalt eine bestimmte Wertfestsetzung, so sollte die Untätigkeitsbeschwerde wiederum mit einem bezifferten Festsetzungsantrag verbunden werden, damit das Beschwerdegericht ggf. sogleich die zutreffende Wertfestsetzung vornimmt.

1.316

c) Nichtzulassung der Beschwerde Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GKG).

1.317

3. Zuständigkeit Zur Entscheidung über die Beschwerde ist das jeweilige Beschwerdegericht berufen. Zuständiges Beschwerdegericht ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG das nächsthöhere Gericht. Dies wiederum richtet sich nach dem GVG. – Gegen Wertfestsetzungen des AG ist grundsätzlich das LG als Beschwerdegericht zuständig. Lediglich in den Fällen, in denen der Instanzenzug abweichend (AG/OLG) geregelt ist, etwa in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren, ist das OLG als Beschwerdegericht zuständig.

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1. Teil Verfahrensrecht

– Gegen Wertfestsetzungen des LG ist immer das OLG Beschwerdegericht, unabhängig davon, ob das LG als erstinstanzliches Gericht, als Berufungs-, oder Beschwerdegericht entschieden hat. Dass im Falle einer Berufungsentscheidung durch das LG der BGH Revisionsgericht ist, ist insoweit unerheblich. Der Beschwerdezug ist insoweit abweichend geregelt – Soweit in WEG-Sachen das für den Sitz des OLG zuständige LG gem. § 72 Abs. 2 GVG gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht ist, ist es auch für Streitwertbeschwerden zuständig.1

1.319 Ungeachtet der Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde immer beim Ausgangsgericht einzulegen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 5 GKG), da dieses zunächst zu prüfen hat, ob es der Beschwerde abhilft.

1.320 Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde beim Beschwerdegericht eingereicht, muss es sie an das Ausgangsgericht abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend. 4. Beschwerdeberechtigte

1.321 Beschwerdeberechtigt ist zunächst einmal jede Partei, also der Kläger (bzw. der Antragsteller) und der Beklagte (bzw. der Antragsgegner). Darüber hinaus sind aber auch alle weiteren Personen beschwerdeberechtigt, die derart am Verfahren beteiligt sind, dass sie für Gerichtsgebühren einzustehen haben oder dass ihnen Anwaltskosten entstanden sind, die sich nach dem vom Gericht festgesetzten Streitwert richten (§ 32 Abs. 1 RVG). Daher kann insbesondere auch ein Nebenintervenient Beschwerde erheben.

1.322 Beschwerdeberechtigt sind ferner die Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten selbst, soweit sich ihre Gebühren nach dem vom Gericht festgesetzten Streitwert richten (§ 32 Abs. 2 RVG).

1.323 Auch die Landes- und Bundeskasse ist berechtigt, gegen die Festsetzung des Streitwertes Beschwerde zu erheben. Sie kann zum einen Heraufsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie der Auffassung ist, die Gerichtskosten seien zu gering bemessen. Sie kann darüber hinaus Herabsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie damit erreichen will, dass sie einem im Wege der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordneten Rechtsanwalt nur geringere Gebühren zahlen muss.

1.324 Personen, die nur mittelbar beteiligt sind, die also als Dritte für Kosten des Rechtsstreits haften, sind nicht beschwerdeberechtigt. Daher ist insbesondere ein Rechtsschutzversicherer nicht beschwerdebefugt.2 Er kann lediglich seinen Versicherungsnehmer anweisen, dass dieser Beschwerde erhebt. Erzwingen kann er dies jedoch nicht. Allerdings begeht der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung, wenn er der Weisung zur Streitwertbeschwerde nicht nachkommt. Siehe Rz. 1.104 ff. 5. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung

1.325 Soweit sich eine Partei, ein sonstiger Beteiligter oder ein Verfahrensbevollmächtigter mit der Wertfestsetzung einverstanden erklärt hat, liegt darin noch kein Verzicht auf sein Beschwerderecht.3 Ebenso wenig liegt darin ein Wegfall der Beschwer.

1.326 Das folgt schon daraus, dass der gerichtliche Streitwert nicht zur Disposition der Beteiligten steht, sondern von Amts wegen stets richtig festzusetzen ist. Bei besserer Erkenntnis kann jeder Beteiligte

1 LG Frankfurt, Beschl. v. 4.12.2019 – 2-13 T 111/19, AGS 2020, 136 = MietRB 2020, 82. 2 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1994 – 7 Ta 409/94, MDR 1995, 1074 = JurBüro 1995, 590. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.10.2009 – 4 W 41/09, MDR 2010, 404; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2005 – 16 W 46/05, MDR 2005, 1137; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.5.2013 – 17 W 15/13, AGS 2013, 337 = NJW 2013, 3381.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

oder Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG die Korrektur des Streitwertes, notfalls im Wege der Beschwerde, verlangen. 6. Verlust des Beschwerderechts durch Rechtsmittelverzicht Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Partei oder ein Prozessbevollmächtigter ausdrücklich auf sein Recht zur Streitwertbeschwerde verzichtet hat. Dieser Verzicht gilt dann aber nur für die betreffende Partei oder den betreffenden Prozessbevollmächtigten. Andere Beteiligte sind an den Rechtsmittelverzicht nicht gebunden.

1.327

Ist ein Rechtsmittelverzicht gegen eine Streitwertfestsetzung abgegeben worden, und wird von Amts wegen oder auf Beschwerde oder Gegenvorstellung eines anderen Beteiligten der Wert abgeändert, lebt das Beschwerderecht gegen diese neue Wertfestsetzung wieder auf.

1.328

7. Zulässigkeit a) Überblick

1.329

Die Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung ist nur zulässig, wenn – der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 v übersteigt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG), – die Beschwerde von dem Gericht, dessen Wertfestsetzung angegriffen werden soll, in seinem Beschluss, der die Wertfestsetzung enthält, zugelassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG). Die Zulassung kann auch vom Berufungs- oder Beschwerdegericht ausgesprochen werden, wenn es die erstinstanzliche Festsetzung von Amts wegen abändert oder – das Gericht sich weigert einen Wert festzusetzen (s. Rz. 1.311). b) Beschwer aa) Überblick Voraussetzung ist sowohl bei der wertabhängigen als auch bei der zugelassenen Beschwerde, dass eine Beschwer gegeben ist.

1.330

Voraussetzung für alle Beteiligten ist daher stets, dass sich durch die begehrte Wertveränderung auch eine Veränderung der daraus berechneten Kosten ergibt. Daher ist keine Beschwer gegeben, wenn lediglich eine Wertänderung innerhalb derselben Gebührenstufe beantragt werden soll.

1.331

Beispiel: Der Anwalt beantragt, den Streitwert von 55.000 t auf 65.000 t heraufzusetzen.

1.332

Da die Wertstufe von 50.000 t bis 65.000 t reicht, würde eine höhere Festsetzung keinen Einfluss auf die Vergütung haben, so dass eine Beschwerde mangels Beschwer unzulässig wäre.

Ebenso ist für die Landeskasse keine Beschwer gegeben, wenn sie eine Herabsetzung des Streitwertes oberhalb der Grenze des § 49 RVG (derzeit über 50.000 t) beantragt, da sie ohnehin nie mehr als die Höchstbeträge zahlen muss.

1.333

bb) Beschwer der Partei (1) Beschwer durch zu hohen Streitwert Die Beschwer einer Partei setzt grundsätzlich voraus, dass sie zur Zahlung oder Erstattung von Anwalts- oder Gerichtskosten verpflichtet ist und sie einen geringeren Streitwert geltend macht, so dass sie im Falle einer Abänderung geringere Kosten treffen würde. Eventuelle Erstattungsansprüche gegen Dritte haben dabei außer Ansatz zu bleiben, da deren Realisierung ungewiss ist.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.335 Beispiel: Die gesamten Kosten des Verfahrens sind dem Kläger auferlegt worden. Der Beklagte ist durch einen aus seiner Sicht zu hohen Streitwert dennoch beschwert, da er nach dem festgesetzten Streitwert seinem Anwalt die Vergütung schuldet (§ 32 Abs. 1 RVG). Die Beschwer fällt nicht dadurch weg, dass er in derselben Höhe einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger hat, da nicht feststeht, ob er seine Forderung dort wird realisieren können.

1.336 Eine Beschwer der Partei kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Sie ist nämlich nicht von Erstattungsansprüchen Dritter befreit (§ 123 ZPO) und haftet im Falle von Ratenzahlungen bei späterer Aufhebung oder Abänderung der Prozesskostenhilfe auf die Gerichts- und Wahlanwaltskosten des eigenen Anwalts.

1.337 Die Beschwer einer Partei entfällt auch nicht dadurch, dass sie rechtsschutzversichert ist.1 Zwar wird die Beschwerde dann „im Interesse und auf Weisung der Rechtsschutzversicherung“ eingelegt, aber immer noch in eigenem Namen der Partei hat. Dass sie insofern auch die Auffassung der Rechtsschutzversicherung weitergibt, schadet nicht, wenn sie sich diese – wie hier – zu eigen macht.2 (2) Ausnahmsweise Beschwer durch zu geringen Streitwert

1.338 Nur ausnahmsweise kann eine Partei auch einmal durch einen zu geringen Wert beschwert sein, nämlich dann, wenn sie mit ihrem Anwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hat und bei einem höheren Streitwert einen höheren Erstattungsanspruch erzielen würde.3 Die Beschwer ist in diesem Fall durch Vorlage der Vergütungsvereinbarung glaubhaft zu machen.4 cc) Beschwer der Landeskasse

1.339 Eine Beschwer der Landeskasse kann sich zum einen durch einen zu hohen Streitwert ergeben, nämlich dann, wenn aufgrund dessen eine höhere Vergütung an die beigeordneten Anwälte auszuzahlen ist. Die Landeskasse kann auch durch einen zu geringen Wert beschwert sein, weil sie dann nur geringere Gerichtsgebühren einziehen kann. dd) Beschwer des Anwalts

1.340 Der Anwalt wiederum kann nur durch einen zu geringen Wert beschwert sein, da er dann seine Vergütung nur nach dem geringeren Wert abrechnen kann.

1.341 Ist der Anwalt im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden, so stellt sich die Frage, ob sich die Beschwer für ihn nach der Differenz der Verfahrenskostenhilfebeträge gemäß der Tabelle des § 49 RVG bemisst oder ob auch für ihn die Differenz der Wahlanwaltsvergütung (§ 13 RVG) gilt.

1 So aber Sächsisches LAG, Beschl. v. 5.2.2020 – 9 Ta 191/19, AGS 2020, 184 (aufgehoben durch BVerfG [nachfolgende Fn]. 2 BVerfG, Kammerbeschl. v. 2.11.2020 – 1 BvR 533/20, AGS 2020, 585 = NJW 2021, 52; LAG SchleswigHolstein, Beschl. v. 24.4.2017 – 1 Ta 25/17, NZA-RR 2017, 619 = AGS 2020, 396. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.2020 – 6 W 62/19, WRP 2020, 1087; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.2019 – 6 W 111/18; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.8.2009 – 6 W 182/08, AGkompakt 2010, 26; OVG BerlinBdb., Beschl. v. 21.2.2019 – OVG 12 L 76.18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, AGS 2006, 188 m. Anm. N. Schneider = MDR 2006, 297; OLG Celle, Beschl. v. 20.1.1992 – 1 Ws 321/91, JurBüro 1992, 761; VGH München, Beschl. v. 20.5.1996 – 2 C 96.526, NVwZ-RR 1997, 195 = BayVBl. 1997, 188; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.6.2002 – 10 S 2551/01, NVwZ-RR 2002, 900; OVG Kassel, Beschl. v. 9.4.1976 – IV TE 4/76, DÖV 1976, 607; OVG Bautzen, Beschl. v. 7.1.2004 – 1 E 179/03, NJ 2004, 280 = SächsVGl. 2004, 89; VGH Kassel, Beschl. v. 28.1.1975 – II 126/74, ZMR 1977, 112; OVG Bautzen, Beschl. v. 1.3.2006 – 2 E 324/05, DÖV 2007, 172 = NJ 2006, 280 = RVGreport 2006, 240; a.A. KG, Beschl. v. 1.3.2016 – 23 W 7/16, MDR 2016, 422 = AGS 2016, 226. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.9.2013 – 8 W 271/13, AGS 2014, 77 = NJW-Spezial 2014, 123.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Unstrittig ist auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, wenn das Gericht bereits eine Ratenzahlung oder Einmalzahlung angeordnet hat und zu erwarten ist, dass der Anwalt daraus gem. § 50 RVG seine Wahlanwaltsvergütung erhalten wird. Gleiches gilt, wenn dem Anwalt nach § 126 ZPO eine Kostenerstattung gegen den Gegner zusteht.

1.342

Strittig ist der Fall, dass weder Ratenzahlung noch Einmalzahlung angeordnet worden sind. Einige 1.343 Gerichte wollen in diesem Fall auf die geringeren Beträge des § 49 RVG abstellen, da der Anwalt aus der Landeskasse ja nur diese geringeren Beträge erhalte und seine Beschwer sich daher in dieser Differenz widerspiegele.1 Spätere Veränderungen, die eintreten könnten, also eine spätere mögliche Abänderung zu Raten- oder Einmalzahlung nach § 120a ZPO oder eine mögliche Aufhebung nach § 124 ZPO, seien grundsätzlich unmaßgeblich. Die Beteiligten müssen mit Erhalt einer gerichtlichen Entscheidung Klarheit haben, ob sie dagegen ein Rechtsmittel einlegen können oder sich dem Entscheidungsinhalt beugen müssen. Ob die Bewilligung zukünftig unter den Voraussetzungen von § 120a ZPO einmal dahingehend geändert werden könne, dass ab einem späteren Zeitpunkt Ratenzahlungen angeordnet werden können, sei dagegen völlig ungewiss. Der Eintritt einer ungewissen Bedingung ist dem befristeten Rechtsmittelsystem fremd. Diese Betrachtung ist jedoch zu kurz gegriffen. Sicherlich ist zunächst einmal die Differenz der Vergütung maßgebend, die der Anwalt aus der Landeskasse erhält und die er bei einer höheren Wertfestsetzung aus der Landeskasse erhalten würde. Jedoch erschöpft sich die Beschwer nicht darin. Maßgebend sind auch hier die Wahlanwaltsgebühren, da dem Anwalt trotz Beiordnung ein weitergehender Anspruch gegen den Auftraggeber zusteht. Dieser Anspruch kann lediglich für die Dauer der Bewilligung gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend gemacht werden. Das ändert aber nichts daran, dass der Anspruch besteht.

1.344

Es ist auch nie ausgeschlossen, dass der Anspruch innerhalb der nächsten vier Jahre durchsetzbar wird, 1.345 nämlich dann, wenn die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nach § 124 ZPO aufgehoben wird und damit die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nachträglich entfällt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der bedürftige Beteiligte entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen seiner Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitteilt. Es ist auch nie ausgeschlossen, dass der Anwalt innerhalt der nächsten vier Jahre unter den Voraus- 1.346 setzungen des § 50 RVG einen weitergehenden Anspruch auf die Differenzgebühren gegen die Landeskasse erwirbt, wenn im Überprüfungsverfahren nach § 120a ZPO nachträglich eine Ratenzahlung oder Einmalzahlung angeordnet wird. Tritt ein solcher Fall ein, ist aber in aller Regel die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 FamGKG i.d.R. bereits 1.347 abgelaufen. Der Anwalt wäre dann rechtlos gestellt, weil er an eine unzutreffende Wertfestsetzung gebunden wäre und keine Möglichkeit mehr hätte, die falsche Wertfestsetzung anzugreifen. Auch das Argument, dass der Eintritt einer ungewissen Bedingung dem befristeten Rechtsmittelsystem fremd sei und bei Einreichung der Beschwerde feststehen müsse, ob der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands gegeben sei, greift nicht. Wenn man immer auf die Differenz der Wahlanwaltsvergütung abstellt, besteht Klarheit, ob der erforderliche Wert erreicht ist. Im Gegenteil vermeidet gerade diese Berechnungsmethode Unklarheiten, weil dann nicht im Rahmen der Verfahrenswertbeschwerde geprüft werden muss, ob und inwieweit eine spätere Aufhebung oder Änderung zu erwarten ist.

1 OLG Rostock, Beschl. v. 28.3.2011 – 3 W 52/11; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.8.2009 – 1 Ta 183/09, RVGreport 2012, 196; LAG München, Beschl. v. 17.3.2009 – 10 Ta 394/07.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.349 Daher ist zutreffenderweise auch hier auf die Differenz der Wahlanwaltsvergütung abzustellen.1 Daher ist auch dann eine Beschwer gegeben, wenn die Höchstbeträge des § 49 RVG bereits erreicht sind und der Anwalt die Festsetzung eines darüber hinausgehenden Werts beantragt. c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick

1.350 Die Beschwerde gegen die endgültige Wertfestsetzung ist wertunabhängig zulässig, wenn sie – vom AG oder LG als erstinstanzlichem Gericht in seinem Streitwertfestsetzungsbeschluss oder, – vom LG als Berufungs- oder Beschwerdegericht in seiner von Amts wegen ergangenen Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts – zugelassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG).

1.351 Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, selbst wenn das Ausgangsgericht oder das LG als Rechtsmittelgericht im Falle der amtswegigen Abänderung die grundsätzliche Bedeutung zu Unrecht bejaht hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG). Es muss sich allerdings um eine wirksame Zulassung handeln (s. Rz. 1.352 ff.). bb) Keine nachträgliche Zulassung

1.352 Die Zulassung der Beschwerde muss in dem Beschluss, der die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG enthält, ausgesprochen worden sein (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG). Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist grundsätzlich nicht möglich; ebenso wenig eine Anfechtung der Nichtzulassung (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GKG).

1.353 Das Beschwerdegericht ist an eine unzulässige nachträgliche Zulassung der Beschwerde nicht gebunden. Die Bindungswirkung der Zulassung erstreckt sich nur auf eine zulässige und statthafte Beschwerdezulassung. Soweit also eine nachträgliche Zulassung erfolgt ist, muss das Beschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeit prüfen, ob hier ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung „nachgeholt“ werden durfte (s. Rz. 1.355 ff.).

1.354 Von einer nicht statthaften nachträglichen Zulassung zu unterscheiden ist eine zulässige Änderung der Ausgangsentscheidung infolge Berichtigung, Ergänzung oder Gehörsrüge. In diesem Fall liegt keine gesonderte nachträgliche Zulassung vor. Vielmehr wird die Zulassung Bestandteil der Ausgangsentscheidung. cc) Berichtigung

1.355 Analog § 319 ZPO kann ein fehlerhafter Beschluss jederzeit berichtigt werden. Beruht also der fehlende Ausspruch über die Zulassung der Beschwerde auf einem Schreibfehler oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit, kann dieser Fehler jederzeit analog § 319 ZPO berichtigt und die Zulassung ausgesprochen werden.2 Das Versehen des Ausgangsgerichts muss sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei der Beschlussfassung ergeben und auch für Dritte ohne weiteres deutlich sein. Faktisch handelt es sich nicht um eine nachträgliche Entscheidung über die Zulassung, sondern nur um die Korrektur eines Fehlers im ursprünglichen Beschluss.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.3.2012 – 4 WF 33/12, AGS 2012, 347 = FamRZ 2012, 1970; OLG Celle, Beschl. v. 19.5.2006 – 10 WF 466/05, FamRZ 2006, 1690. 2 BGH, Beschl. v. 14.9.2004 – VI ZB 61/03, AGS 2004, 480 = MDR 2005, 103.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

dd) Ergänzung Hat das Gericht übersehen, über die Zulassung zu entscheiden, so ist eine Ergänzung des Beschlusses 1.356 möglich, wenn die Entscheidung über die Zulassung übergangen worden ist (analog § 321 ZPO). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Zulassung ausdrücklich beantragt worden ist, das Gericht aber diesen „Antrag“ übergangen hat. Hat das Gericht die Beschwerde nicht zugelassen, weil es der Auffassung war, es bestehe kein Zulassungsgrund, dann darf es diese jedoch nicht nachholen.

1.357

Hat das Ausgangsgericht übersehen, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich davon aus- 1.358 gegangen ist, der Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t sei erreicht und die Beschwerde daher ohnehin zulässig, so dass sie nicht gesondert zugelassen werden bräuchte, kommt eine Abänderung oder nachträgliche Zulassung ebenfalls nicht in Betracht. Nimmt das Beschwerdegericht einen Wert von unter 200,01 t an, dann muss es vielmehr die Sache zunächst dem Ausgangsgericht zurückgeben, damit dieses nunmehr die unterbliebene Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholt.1 Beispiel: In seinem Wertfestsetzungsbeschluss führt das AG aus, einer Zulassung der Beschwerde bedürfe es nicht, da sich die Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Streitwert auf mehr als 200 t belaufe. Tatsächlich liegt die Differenz unter 200 t.

1.359

Das LG muss jetzt zunächst die Sache an das AG zurückgeben, damit dieses nunmehr über die Zulassung entscheidet.

Eine Zulassung ist dagegen im Rahmen einer Erinnerungsentscheidung des Richters möglich, wenn er über eine Erinnerung gegen eine Wertfestsetzung des Urkundsbeamten oder des Richters zu entscheiden hat (s. Rz. 1.458). Das gilt auch dann, wenn er der Erinnerung nicht abhilft.

1.360

ee) Gehörsrüge Möglich ist die „nachträgliche“ Zulassung auf eine begründete Gehörsrüge hin (§ 69a GKG), wenn also die Nichtzulassung der Beschwerde auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhte.

1.360a

Hat das Gericht über die Nichtzulassung der Beschwerde unter Verletzung des Anspruchs auf recht- 1.361 liches Gehör entschieden, und wird gegen den Beschluss Gehörsrüge eingelegt (§ 69a GKG), so kann das Gericht seine Entscheidung abändern. Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn das Gericht den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben hat, auf divergierende Rechtsprechung und damit eine zwingende Divergenzzulassung hinzuweisen. ff) Abhilfeentscheidung Ändert das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine ursprüngliche Wertfestsetzung ab, wozu es nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG berechtigt ist, dann liegt ein neuer Festsetzungsbeschluss nach § 63 Abs. 2 GKG vor, der jetzt auch wieder eine Zulassung enthalten darf. Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus der geänderten Rechtsauffassung des Gerichts jetzt erstmals der Zulassungsgrund ergibt.

1.362

Ein Verstoß gegen § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG liegt nicht vor, weil Gegenstand der Anfechtung jetzt nicht 1.363 der abgeänderte Ausgangsbeschluss ist, sondern der Abhilfebeschluss und dieser enthält die Zulassung, so dass die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG gegeben sind. Beispiel: Das Gericht hat den Streitwert festgesetzt. Eine Beschwerde kommt nicht in Betracht, da die Beschwer von mehr als 200 t nicht erreicht ist. Nunmehr wird Gegenvorstellung erhoben. Das Gericht ändert, wozu es nach § 63 Abs. 3 GKG berechtigt ist, den Streitwert ab. 1 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = MDR 2010, 886.

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1. Teil Verfahrensrecht Mit seiner Abänderungsentscheidung kann es die Beschwerde zulassen, wenn sich aus der Abänderung jetzt ein Zulassungsgrund ergibt, etwa weil die Abänderung in Divergenz zu anderweitiger Rechtsprechung steht.

d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick

1.365 Ist die Beschwerde nicht zugelassen, so muss der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigen,

also mindestens 200,01 v betragen. Dabei kommt es nicht auf die Differenz zwischen dem begehrten und dem festgesetzten Streitwert an, sondern auf die Differenz der Kosten, die sich nach dem festgesetzten und dem begehrten Streitwert ergibt. – Legt der Anwalt gem. § 32 Abs. 2 RVG die Beschwerde ein, so ist lediglich auf die Differenz seiner Vergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. Ist der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen (s. Rz. 1.341).

– Strittig ist allerdings, ob eine Beschwer des Anwalts auch dann gegeben ist, wenn er mit dem Auftraggeber eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung abgeschlossen hat. Im Ergebnis muss man dies bejahen.1 Dem Anwalt kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden, da bei Unwirksamkeit oder Unverbindlichkeit (§ 4b RVG) doch wieder auf die gesetzliche Vergütung abzustellen ist. Auch im Rahmen der Angemessenheit der Vergütung kann sich die Frage nach der gesetzlichen Vergütung stellen. Daher muss ihm auch die Möglichkeit eröffnet bleiben, die Frage der gesetzlichen Vergütung – hier also des richtigen Gegenstandswertes – vorsorglich zu klären. – Wird die Beschwerde im Namen einer Partei mit dem Ziel der Herabsetzung des Wertes eingelegt, so ist – zunächst immer die Differenz der Gebühren, die die Partei ihrem Rechtsanwalt schuldet, nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert zu berücksichtigen und darüber hinaus, – soweit die Partei als Kostenschuldner (auch Zweitschuldner) für die Gerichtskosten in Betracht kommt, auch die Differenz der Gerichtskosten zwischen den jeweiligen Werten und – soweit die Partei auch noch zur Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet ist, auch noch die Differenz des Erstattungsbetrages nach dem festgesetzten und dem begehrten Wert. – Wird die Beschwerde im Namen einer Partei mit dem Ziel der Heraufsetzung des Wertes eingelegt (zur ausnahmsweisen Zulässigkeit s. Rz. 1.338), so ist auf die Differenz der zu erstattenden Anwaltsvergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. Die Gerichtskosten spielen hier keine Rolle. bb) Berechnungsbeispiele zum Wert des Beschwerdegegenstands (1) Berechnung des Beschwerdewerts bei vollem Unterliegen mit eigener Kostenerstattungspflicht

1.366 Ist die Partei unterlegen und hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen, ist wie folgt vorzugehen: 1.367 Erster Schritt: Zu ermitteln sind zunächst nach dem festgesetzten Wert die – an den eigenen Anwalt zu zahlenden Gebühren,

1 So auch OLG Hamburg, Beschl. v. 18.10.2004 – 3 W 40/04.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

– die ggf. an das Gericht gezahlten oder noch zu zahlenden Verfahrensgebühren (bzw. die der Gegenseite zu erstattenden Verfahrensgebühren, soweit diese sie an die Gerichtskasse bereits gezahlt hat) sowie – die ggf. der Gegenseite zu erstattenden Anwaltsgebühren. Parteikosten und sonstige Auslagen, die wertunabhängig sind, bleiben hier – im Gegensatz zur Berechnung des Beschwerdewerts bei der Kostenfestsetzung – außer Ansatz, da die Abänderung der Wertfestsetzung keinen Einfluss auf deren Höhe haben kann.

1.368

Zweiter Schritt:

1.369

Gegenüberzustellen sind dann die entsprechenden Positionen, wie sie sich nach der angestrebten Wertfestsetzung ergeben würden. Beispiel: Der Beklagte war von zwei Gesamtgläubigern verklagt worden. Das Gericht hat ihn antragsgemäß kostenpflichtig verurteilt und den Streitwert auf 15.000 t festgesetzt. Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung des Streitwerts auf 12.000 t. Es soll geprüft werden, ob eine Beschwerde für den Beklagten zulässig ist. Abrechnung nach dem festgesetzten Wert (15.000 v): Eigene Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: II. Gerichtskosten: 3,0 Gerichtsgebühr, Nr. 1210 KV GKG III. Den Klägern zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 RVG-VV 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: Gesamtbetrag I–III:

A. I. 1. 2. 3.

Abrechnung nach dem begehrten Wert (12.000 v): Eigene Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: II. Gerichtskosten: 3,0 Gerichtsgebühr, Nr. 1210 KV GKG III. Den Klägern zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 RVG-VV 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: Gesamtbetrag I–III:

B. I. 1. 2. 3.

1.815 t

933,40 t 861,60 t 20,00 t 344,85 t 2.159,85 v 972,00 v

2.030,40 t

1.685,00 t

1.148,80 t 861,60 t 20,00 t 385,78 t 2.416,18 v 5.548,03 v

865,80 t 799,20 t 20,00 t 320,15 t 2.005,15 v 885,00 v

1.884,70 t

1.065,50 t 799,20 t 20,00 t 358,09 t 2.242,79 v 5.132,94 v

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1. Teil Verfahrensrecht 5.538,03 t –5.132,94 t 415,09 v

Differenz A.–B.: Wert des Beschwerdegegenstands: Die Beschwerde ist somit zulässig.

(2) Berechnung des Beschwerdewerts bei eigenem überwiegenden Obsiegen mit eigenem Kostenerstattungsanspruch

1.371 Sind die Kosten nach Quoten verteilt und überwiegend dem Gegner auferlegt, so dass sich ein eigener Kostenerstattungsanspruch der Partei ergibt, ist anders zu rechnen.

1.372 Zunächst sind wiederum die an den eigenen Anwalt zu zahlenden Gebühren in voller Höhe zu berücksichtigen. Der insoweit bestehende Kostenerstattungsanspruch bleibt außer Betracht, da die Kostenerstattung auf die Verpflichtung, den eigenen Anwalt zu bezahlen, keinen Einfluss hat, zumal nicht sicher ist, ob sich der Erstattungsanspruch auch realisieren lässt.

1.373 Soweit die Partei auch gegenüber der Staatskasse Kostenschuldner ist, sind auch die zu zahlenden Gerichtsgebühren zu beachten.

1.374 Die von der Gegenseite gezahlten Gerichtsgebühren und die Anwaltskosten der Gegenseite können außer Ansatz gelassen werden, da sich insoweit keine Erstattungspflicht ergibt, sondern im Gegenteil ein eigener Erstattungsanspruch.

1.375 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; die Kläger hatten die 3,0-Verfahrensgebühr bereits gezahlt; die Kosten sind zu 80 % den Klägern auferlegt worden und zu 20 % dem Beklagten. Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung des Streitwertes von 15.000 t auf 12.000 t. A. 1. 2. 3. 4. B. 1. 2. 3. 4.

Abrechnung nach dem festgesetzten Wert (15.000 v): 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: Abrechnung nach dem begehrten Wert (12.000 v): 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe:

1.815,00 t

1.685,00 t

Differenz A.–B. Wert des Beschwerdegegenstands:

933,40 t 861,60 t 20,00 t 344,85 t 2.159,85 v 865,80 t 799,20 t 20,00 t 320,15 t 2.005,15 v 2.159,85 t –2.006,15 t 153,70 v

Die Beschwerde ist in diesem Fall nicht zulässig. Die an den Gegner zu erstattenden Gerichts- und Anwaltskosten (20 %) bleiben bei dieser Konstellation außer Betracht. Da sich aufgrund der Kostenausgleichung bei beiden Werten keine Erstattungspflicht ergibt.

(3) Berechnung des Beschwerdewerts bei überwiegendem Unterliegen mit Kostenerstattungspflicht

1.376 Beispiel: Der Beklagte war teilweise verurteilt worden. Der Streitwert wurde auf 10.000 t festgesetzt. Die Kosten sind zu 20 % dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger und zu 80 % dem Beklagten auferlegt worden. Der Kläger hatte die 3,0-Verfahrensgebühr bereits an die Justizkasse gezahlt.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung von 10.000 t auf 8.000 t. Die einzelnen Positionen sind wiederum gegenüberzustellen, wobei beim Kläger wegen dessen Vorsteuerabzugsberechtigung nur die Nettovergütung berücksichtigt werden darf. Abrechnung nach dem festgesetzten Streitwert (10.000 v): Eigene Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: II. Zu erstattende Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG hiervon 80 % III. Dem Kläger zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Summe: hiervon 80 % ./. 20 % der eigenen Anwaltskosten (1.849,74 t × 20 %) Summe: Gesamtbetrag I–III: A. I. 1. 2. 3.

Abrechnung nach beantragtem Streitwert (8.000 v): Eigene Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG-VV Summe: II. Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG hiervon 80 % III. Dem Kläger zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Summe: hiervon 80 % ./. 20 % der eigenen Anwaltskosten (1.517,25 t × 20 %) Summe: Gesamtbetrag I–III:

B. I. 1. 2. 3.

Differenz A–B: Wert des Beschwerdegegenstands:

1.554,40 t

798,20 t 736,80 t 20,00 t 295,34 t 1.849,74 v 798,00 t 638,70 v 798,20 t 736,80 t 20,00 t 1.555,00 v 1.244,00 v –369,95 t 874,05 v 3.362,49 v

1.275,00 t

652,60 t 602,40 t 20,00 t 242,25 t 1.517,25 v 672,00 t 537,60 v 652,60 t 602,40 t 20,00 t 1.255,00 v 1.004,00 v –303,45 t 700,55 v 2.755,40 v 3.362,49 t –2.755,40 t 607,09 v

Der erforderliche Beschwerdewert ist erreicht.

cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200 t oder daSchneider

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1.377

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1. Teil Verfahrensrecht

runter, wird die Beschwerde unzulässig.1 Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache kommt dann nicht mehr in Betracht. Die Entscheidung des Ausgangsgerichts ist vielmehr endgültig.

1.378 Allerdings darf das Ausgangsgericht die Beschwerde nicht selbst verwerfen. Ihm steht keine Verwerfungskompetenz zu. Die Sache ist auch in diesem Fall dem Beschwerdegericht vorzulegen, wenn die Beschwerde im Hinblick auf die Teilabhilfe und ihre damit eingetretene Unzulässigkeit nicht zurückgenommen wird.

1.379 Das Beschwerdegericht hat dann nach Hinweis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sofern sie nicht zuvor zurückgenommen wird.

1.380 Strittig ist, ob das Beschwerdegericht in diesem Fall nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG berechtigt ist die Wertfestsetzung von Amts wegen abzuändern (s. Rz. 1.437). dd) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme

1.381 Wird die Beschwerde vor der Nichtabhilfeentscheidung teilweise zurückgenommen, so richtet sich der für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands nur nach dem verbleibenden Interesse des Beschwerdeführers. Die Beschwerde kann daher infolge der Teilrücknahme unzulässig werden, nämlich wenn dadurch der Wert des Beschwerdegegenstands auf unter 200,01 t sinkt.

1.382 Wird die Beschwerde dagegen erst nach der Nichtabhilfeentscheidung und Eingang der Akte beim Beschwerdegericht teilweise zurückgenommen, so bleibt eine bis dahin gegebene Zulässigkeit erhalten, selbst wenn dadurch der Wert des Beschwerdegegenstands auf unter 200,01 t sinkt. 8. Beschwerdefrist

1.383 Die Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Zur Berechnung der Frist s. Rz. 1.282 ff.

1.384 Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist festgesetzt oder abgeändert worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).

1.385 In Anbetracht der nach § 68 Abs. 3 GKG vorgesehenen Sechsmonatsfrist ist eine zeitlich frühere Verwirkung des Beschwerderechts ausgeschlossen.2 9. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.386 Wird die Frist zur Einlegung der Streitwertbeschwerde versäumt, sei es also, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG oder nicht innerhalb der Monatsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG erhoben worden ist, kann dem Beschwerdeführer vom Beschwerdegericht Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (§ 68 Abs. 2 GKG).

1.387 Die Wiedereinsetzung wird nur auf Antrag des Beschwerdeführers gewährt. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht.

1.388 Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 5 Satz 2 GKG, § 85 Abs. 2 ZPO). Ein fehlendes Verschulden wird vermutet, wenn 1 OLG Hamm, Beschl. v. 2.2.1982 – 3 WF 5/82, JurBüro 1982, 582. 2 OLG Hamm, JurBüro 1977, 73; OLG Hamburg, MDR 1964, 931; OLG Frankfurt, Rpfleger 1960, 255.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist (§ 68 Abs. 2 Satz 2 GKG). Ist der Beschwerdeführer allerdings anwaltlich vertreten, wird in der Praxis regelmäßig ein Verschulden vermutet, da der Anwalt die zutreffenden Fristen kennen muss. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses 1.389 zu stellen. Innerhalb derselben Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 68 Abs. 2 Satz 1 GKG). Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 68 Abs. 2 Satz 2 GKG).

1.390

Zwar entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag das Beschwerdegericht; da die nachgeholte Be- 1.391 schwerde jedoch zwingend bei dem Gericht einzureichen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 5 GKG), gilt dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag selbst (§ 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 5 Satz 5 GKG). Über die Wiedereinsetzung entscheidet alleine das Beschwerdegericht. Das Ausgangsgericht muss also, wenn es vom Ablauf der Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem Beschwerdegericht vorlegen. Eine Abhilfe durch das Ausgangsgericht ist zunächst nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, für die dem Ausgangsgericht keine Entscheidungskompetenz zusteht.

1.392

Gibt das Beschwerdegericht dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem Ausgangsgericht zurückzugeben, das nunmehr über die Abhilfe zu entscheiden hat.

1.393

Muster 7: Beschwerde mit Wiedereinsetzungsantrag

1.394

An das …gericht In dem Rechtsstreit … ./. … lege ich namens des Klägers gegen den Streitwertbeschluss vom … Beschwerde ein und beantrage gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründung: I. Wiedereinsetzung (es folgen die Gründe zur schuldlosen Versäumung der Beschwerdefrist mit Glaubhaftmachung) II. Streitwertfestsetzung (es folgen die Gründe zum Angriff der Wertfestsetzung) Rechtsanwalt

10. Form Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GKG). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 68 Abs. 1 Schneider

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1. Teil Verfahrensrecht

Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1, Halbs. 2 GKG). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht. Die Beschwerde muss nicht unterschrieben sein, wenn sich aus den Umständen die Identität des Verfassers und der Wille, Rechtsmittel einzulegen, ergibt.1

1.396 Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich, da das Gericht von Amts wegen zutreffend zu entscheiden hat (§ 63 Abs. 3 GKG). Gleichwohl ist ein Antrag oder eine Begründung sachdienlich, vor allen Dingen, weil anderenfalls ggf. Schwierigkeiten bestehen, im Falle des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG den erforderlichen Beschwerdewert zu berechnen.

1.397 Für das Beschwerdeverfahren besteht kein Anwaltszwang, und zwar auch dann nicht, wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren Anwaltszwang besteht. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes kann daher auch die Partei selbst einlegen. 11. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung

1.398 Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts hat keine aufschiebende Wirkung. 1.399 Allerdings ist ein laufendes Kostenfestsetzungsverfahren auszusetzen, bis über den Streitwert abschließend entschieden worden ist. Gleiches gilt auch für einen Vergütungsrechtsstreit (Rz. 1.639). Die vorrangige Streitwertfestsetzung durch das Vordergericht stellt einen zwingenden Grund nach § 148 ZPO zur Aussetzung dar.2 Im Falle eines Vergütungsfestsetzungsverfahrens ist die Pflicht zur Aussetzung sogar gesetzlich geregelt (§ 11 Abs. 4 RVG).

1.400 Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht vorgesehen, da § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG die Vorschrift des § 66 Abs. 7 GKG von einer Verweisung ausdrücklich ausnimmt.3 Ungeachtet dessen kann die Gerichtskasse mit der Beitreibung der Kosten abwarten, bis über den Wert rechtskräftig entschieden ist. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet. 12. Abhilfeverfahren

1.401 Auf die Beschwerde hin hat das Ausgangsgericht zunächst zu prüfen, ob der Beschwerde abzuhelfen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG), also ob sie zulässig und begründet ist.

1.402 Ist das Ausgangsgericht der Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig sei, muss es unter dem Gesichtspunkt der Gegenvorstellung (s. Rz. 1.282) prüfen, ob nicht von Amts wegen eine Abänderung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG) in Betracht kommt.

1.403 Das weitere Verfahren richtet sich danach, ob und ggf. in welchem Umfang abgeholfen wird: – Soweit der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen wird, erübrigt sich die Vorlage an das Beschwerdegericht. – Soweit der Beschwerde nicht abgeholfen wird, ist die Sache alsdann dem Beschwerdegericht vorzulegen, das hierüber entscheidet. – Soweit der Beschwerde teilweise abgeholfen wird, ist zu differenzieren: Bleibt die Beschwerde zulässig, weil – der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 t immer noch übersteigt oder

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.3.2014 – 9 W 4/14, MDR 2014, 986 = AGS 2014, 559. 2 N. Schneider, Aussetzung im Vergütungsprozess bei bestrittenem Gegenstandswert?, NJW-Spezial 2014, 155. 3 KG, Rpfleger 1962, 121.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

– die Beschwerde zugelassen worden war, ist sie dem Beschwerdegericht vorzulegen. Ist die Beschwerde unzulässig geworden, – weil der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 t nicht (mehr) übersteigt und – die Beschwerde auch nicht zugelassen worden ist, muss das Ausgangsgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geben, aufgrund der Teilabhilfe seine jetzt unzulässig gewordene Beschwerde zurückzunehmen. Wird die Beschwerde nicht zurückgenommen, muss die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt werden. Das Ausgangsgericht hat keine Verwerfungskompetenz. Das Ausgangsgericht hat den Beteiligten auch im Abhilfeverfahren rechtliches Gehör zu gewähren. Dazu gehört zumindest, dass die Beschwerde nebst Begründung den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme übermittelt wird. Legt ein Verfahrensbevollmächtigter Heraufsetzungsbeschwerde ein, so ist die Beschwerde den Beteiligten unmittelbar zuzustellen und nicht deren Verfahrensbevollmächtigten, da insoweit gegenläufige Interessen bestehen und die Beteiligten unmittelbar mit eigenen Interessen am Verfahren beteiligt sind.

1.404

Im Verfahren der Streitwertbeschwerde gilt wegen des Grundsatzes der Streitwertwahrheit das Ver- 1.405 schlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht.1 Das Gericht kann also auch im Abhilfeverfahren entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers festsetzen. Es kann auf eine Heraufsetzungsbeschwerde hin den Wert herabsetzen und auf eine Herabsetzungsbeschwerde hin den Wert heraufsetzen. Die Entscheidung über die Nichtabhilfe ist zu begründen. Soweit die Beschwerde neues Vorbringen und neue Argumente enthält, muss der Nichtabhilfebeschluss erkennen lassen, dass sich das Ausgangsgericht damit auseinandergesetzt hat. Inhaltsleere Floskeln reichen dazu nicht aus.2

1.406

Die Nichtabhilfeentscheidung ist den Beteiligten bekanntzugeben.

1.407

13. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung Gegen die Abhilfeentscheidung kann wiederum Beschwerde oder auch Anschlussbeschwerde erhoben werden.

1.408

Hilft das Ausgangsgericht der Beschwerde in vollem Umfang ab, kann nunmehr ein anderer Beteiligter durch die Entscheidung erstmals beschwert sein, so dass er hiergegen jetzt Beschwerde einlegen kann. Das gilt auch dann, wenn zwischenzeitlich die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist. Die neue Beschwerde muss dann innerhalb eines weiteren Monats eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GKG).

1.409

Voraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 200 t beträgt. Entweder muss also die Abhilfeentscheidung selbst einen Beschwerdegegenstand von mehr als 200 t geschaffen haben oder aus dem Zusammenspiel von Ausgangsentscheidung und Abhilfe muss sich zusammen ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t ergeben.

1.410

Das Gericht kann in seiner Abhilfeentscheidung aber auch die Beschwerde zulassen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG), wenn die Abhilfeentscheidung grundsätzliche Bedeutung hat oder von der Entscheidung anderer Gerichte abweicht.

1.411

1 Anders dagegen im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG (s. Rz. 1.011). 2 LG Verden, Beschl. v. 24.6.2010 – 1 T 76/10; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.2.2010 – 9 WF 123/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2009 – 11 W 59/09, MDR 2010, 344.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.412 Soweit das Gericht der Beschwerde teilweise abhilft und es die Sache wegen des nicht abgeholfenen Teils dem Beschwerdegericht vorlegen muss, kann der durch die Teilabhilfe erstmals beschwerte Beteiligte Anschlussbeschwerde erheben. Eine Zulassung oder das Erreichen eines bestimmten Wertes ist für die Anschlussbeschwerde nicht erforderlich.

1.413 Muster 8: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung

(Herabsetzungsbeschwerde) Amtsgericht … In Sachen … ./. … lege ich namens des Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwertes Beschwerde ein. Begründung: Das Gericht hat den Streitwert gem. § 45 Abs. 3 GKG auf 4.000 a festgesetzt, weil es der Ansicht ist, hier liege eine den Streitwert erhöhende Aufrechnung vor. Diese Auffassung ist unzutreffend. Der Wert der Klageforderung auf Zahlung von Anwaltshonorar ist unstreitig mit dem verlangten Betrag von 2.000 a festzusetzen. Soweit der Beklagte hilfsweise Schlechterfüllung einwendet und einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat, liegt kein Fall der Aufrechnung vor. Der Beklagte hatte vielmehr einen „Freihaltungsanspruch“ geltend gemacht. Er hatte eingewandt, dass er aufgrund der fehlerhaften Beratung einen Schadensersatzanspruch habe, der darauf gehe, dass der Kläger die durch seine fehlerhafte Beratung entstandenen Mehrkosten erst gar nicht geltend machen darf (sog. „dolo-agit-Einwand“). Ein solcher Einwand führt aber nicht zu einer Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG. Es bleibt vielmehr bei dem einfachen Wert der Klageforderung (s. hierzu OLG Düsseldorf v. 18.9.2000 – 24 W 53/00, MDR 2001, 113). Rechtsanwalt

1.414 Muster 9: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung

(Heraufsetzungsbeschwerde mit Zulassungsantrag) An das …gericht … In Sachen … ./. … lege ich in eigenem Namen gegen den Streitwertbeschluss vom … Beschwerde ein und beantrage, den Streitwert für das Verfahren auf 7.440 a festzusetzen.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Begründung: Zugrunde liegt eine Räumungsklage, so dass sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 GKG nach dem Jahreswert der Nutzungen richtet, der hier mit dem Jahreswert der Miete anzunehmen ist. Davon ist auch das Amtsgericht ausgegangen. Es hat jedoch lediglich die aktuelle Kaltmiete i.H.v. 500 a zugrunde gelegt. Es übersieht jedoch, dass hier eine Staffelmietvereinbarung zugrunde liegt. Nach dieser Vereinbarung erhöht sich die monatliche Miete jeweils zum Anfang eines Jahres um 30 a. Für den Streitwert des Verfahrens ist daher der höchste Jahreswert der restlichen Mietlaufzeit zugrunde zu legen (BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NZM 2005, 944; NZM 2007, 935). Da das Mietverhältnis hier auf fünf Jahre befristet war, ist somit der Wert des fünften Jahres (12 × 620 a =) 7.440 a zugrunde zu legen. Sollte das Gericht der Beschwerde nicht abhelfen, wird beantragt, gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zuzulassen. Rechtsanwalt

14. Verfahren vor dem Beschwerdegericht a) Zuständigkeit Das Beschwerdegericht entscheidet nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde.

1.415

Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).

1.416

Wird eine Entscheidung des LG angefochten und hatte die Kammer den Wert festgesetzt, dann ist beim OLG der Senat zuständig. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist aber auch hier möglich (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).

1.417

Ein Kollegium entscheidet immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 1.418 § 66 Abs. 6 Satz 3 GKG). Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 4 GKG).

1.419

b) Bindungswirkung der Zulassung Das Beschwerdegericht ist an eine Zulassung der Beschwerde durch das Ausgangsgericht gebunden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG).

1.420

Es hat allerdings zu prüfen, ob die Zulassung wirksam ist, insbesondere, ob sie in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochen worden ist. An unwirksame Zulassungen – etwa nachträgliche Zulassungen (s. Rz. 1.350 ff.) – ist das Beschwerdegericht nicht gebunden.

1.421

c) Verfahren Das Beschwerdegericht prüft zunächst die Zulässigkeit, insbesondere die Formalien und die Frist in eigener Kompetenz.

1.422

Es prüft insbesondere auch, ob der erforderliche Beschwerdewert gegeben ist, wenn die Beschwerde nicht zugelassen worden ist.

1.423

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1. Teil Verfahrensrecht

1.424 Hat das Ausgangsgericht ersichtlich einen Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t angenommen und daher über die Zulassung der Beschwerde nicht entschieden, muss das Beschwerdegericht, wenn es den erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstands für nicht erreicht hält, die Sache dem Ausgangsgericht zurückgeben, damit dieses über die Frage der Zulassung im Wege der Beschlussergänzung entscheidet.1

1.425 Ist der Wert des Beschwerdegegenstands infolge einer Teilabhilfe unter 200,01 t gesunken, so hat das Beschwerdegericht die Beschwerde – nach Hinweis – als unzulässig zu verwerfen. Strittig ist, ob das Gericht ungeachtet dessen eine Abänderungsmöglichkeit nach § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG hat. Siehe Rz. 1.437.

1.426 Auch das Beschwerdegericht hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Verstöße hiergegen können mit der Gehörsrüge nach § 69a GKG geltend gemacht werden, wobei wegen der Möglichkeit der Gegenvorstellung der Gehörsrüge kaum Bedeutung zukommt (s. Rz. 1.459). d) Entscheidung aa) Form

1.427 Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss. Die Beschwerdeentscheidung kann formlos mitgeteilt werden. Eine förmliche Zustellung ist grundsätzlich nicht erforderlich.

1.428 Hat das Beschwerdegericht allerdings den Streitwert abweichend vom Ausgangsgericht festgesetzt und ist bereits ein Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Grundlage der früheren Wertfestsetzung ergangen, dann ist eine Zustellung erforderlich, weil dadurch die Frist nach § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird.

1.429 Ebenso ist eine förmliche Zustellung erforderlich, wenn das Beschwerdegericht die weitere Beschwerde zugelassen hat, da diese befristet ist (§ 68 Abs. 1 Satz 6 GKG).

1.430 Soweit das LG als Beschwerdegericht die weitere Beschwerde zugelassen hat, muss es auch eine Rechtbehelfsbelehrung erteilen (§ 5b GKG). bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung

1.431 Fehlt eine Abhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts, so liegt darin grundsätzlich ein Verfahrensmangel, der dazu führt, dass die Akten dem Ausgangsgericht zurückzugeben sind, damit es zunächst über die Abhilfe entscheidet. Dies ist keine unnötige Förmelei. Sofern das Ausgangsgericht abhilft, kommt eine Beschwerde nämlich nicht mehr in Betracht. Sofern der Beschwerdewert infolge einer Teilabhilfe unter den Beschwerdewert fällt, wäre die Beschwerde ebenfalls unzulässig.

1.432 Soweit der Abhilfebeschluss mangelhaft ist, etwa weil er sich mit den in der Beschwerde vorgebrachten Gründen nicht auseinandersetzt, ist die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe dem Ausgangsgericht zurückzugeben.

1.433 Zu beachten ist, dass in diesem Fall nur die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben ist, nicht auch die Ausgangsentscheidung über die Wertfestsetzung. cc) Zurückverweisung

1.434 Ist sogar die Ausgangsentscheidung mangelhaft, so kann das Beschwerdegericht auch die Festsetzung des Ausgangsgerichts selbst aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die endgültige Wertfestsetzung an das Ausgangsgericht zurückverweisen. Das ist z.B. der Fall, wenn weder der Wertfestsetzungsbeschluss noch die Nichtabhilfeentscheidung eine Begründung enthalten.2 1 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = MDR 2010, 886. 2 OLG Jena, Beschl. v. 27.3.2000 – 1 WF 56/00, FamRZ 2001, 780.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

dd) Entscheidung in der Sache Entscheidet das Beschwerdegericht in der Sache, besteht keine Bindung an die Anträge der Beteiligten. Insoweit gilt § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Da auch das Rechtsmittelgericht den Streitwert innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG jederzeit von Amts wegen abändern darf, ist es nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden.

1.435

Insbesondere gilt hier nicht das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das Beschwerdege- 1.436 richt kann also auch zum Nachteil des Beschwerdeführers entscheiden und den Wert im Falle einer Heraufsetzungsbeschwerde herabsetzen oder im Falle einer Herabsetzungsbeschwerde heraufsetzen (s. Rz. 1.405). Strittig ist, ob das Beschwerdegericht zu einer Entscheidung in der Sache nur berufen ist, wenn die 1.437 Beschwerde zulässig ist oder ob das Beschwerdegericht auf eine unzulässige Beschwerde hin, von seinem amtswegigen Abänderungsrecht gem. § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch machen darf.1 Das betrifft sowohl den Fall, dass die Beschwerde von vornherein unzulässig ist als auch den Fall, dass Wert des Beschwerdegegenstands infolge einer Teilabhilfe auf unter 200,01 t gesunken ist: – Zum Teil wird vertreten, dass das Beschwerdegericht auch auf eine unzulässige Beschwerde hin, gem. § 63 Abs. 3 GKG von seinem amtswegigen Abänderungsrecht Gebrauch machen könne.2 – Nach a.A. ist in diesen Fällen eine Abänderung von Amts wegen unzulässig, weil damit die Voraussetzungen der Beschwerde unterlaufen würden.3 Zutreffend wird man von einem Abänderungsrecht ausgehen müssen. Auch dann, wenn das Be- 1.438 schwerdegericht mit einer unzulässigen Beschwerde befasst wird, „schwebt“ das Verfahren „wegen der Entscheidung über den Verfahrenswert“ in der Beschwerdeinstanz. Das zeigt auch folgende Überlegung: Wird eine zugelassene Beschwerde gegen den Kostenansatz erhoben, dann kann das OLG nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG ja auch den Verfahrenswert abändern, selbst wenn eine Beschwerde gegen den Verfahrenswert selbst nicht zulässig wäre. Der Unterschied zur zulässigen Beschwerde liegt darin, dass das Gericht – im Gegensatz zu einer zulässigen Beschwerde – nicht über den Wert entscheiden muss, also eine Entscheidung über den Wert nicht erzwungen werden kann, sondern die Abänderung im Ermessen des Gerichts steht. ee) Zulassung der weiteren Beschwerde Hat das LG über die Streitwertbeschwerde entschieden, so muss es auch gleichzeitig darüber entschei- 1.439 den, ob es die weitere Beschwerde zulässt. Nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 4 GKG ist die weitere Beschwerde zulässig, wenn das LG sie in seiner Beschwerdeentscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Auch hier muss die Zulassung in der Entscheidung, also in der Beschwerdeentscheidung ausgesprochen werden. Eine nachträgliche Zulassung ist nicht möglich. In Betracht kommen allerdings Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung aufgrund einer Gehörsrüge (s. Rz. 1.352 ff.).

1.440

ff) Anfechtung Soweit das LG als Beschwerdegericht entschieden hat, kommt gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde in Betracht, allerdings nur, wenn das LG diese auch zugelassen hat. 1 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2017 – 4 Ta 131/17, AGS 2017, 412; OLG Celle AGS 2010, 143. 2 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2017 – 4 Ta 131/17, AGS 2017, 412 = JurBüro 2017, 311; OLG Celle, Beschl. v. 16.7.2009 – 2 W 188/09, OLGR 2009, 974 = JurBüro 2010, 88 = AGS 2010, 143; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2014 – 2 So 18/14, NVwZ-RR 2014, 704. 3 OLG Köln, Beschl. v. 17.7.2019 – 13 W 25/19, JurBüro 2019, 464 = AGS 2020, 131; OLG München, Beschl. v. 27.1.1997 – 15 W 738/97, OLGR 1997, 119.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.442 Eine Entscheidung des OLG als Beschwerdegericht ist unanfechtbar, da die weitere Beschwerde nur gegen Entscheidungen des LG zulässig ist und im Übrigen ohnehin eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

1.443 Möglich ist allerdings, dass das LG und das OLG seine Entscheidung auf eine Gegenvorstellung in Anwendung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG nachträglich ändern. Darüber hinaus ist eine Berichtigung oder eine Ergänzung möglich.

1.444 Ebenso ist eine Gehörsrüge nach § 69a GKG möglich, die in der Regel allerdings überflüssig ist, weil innerhalb der Frist des § 66 Abs. 3 GKG eine Gegenvorstellung in Betracht kommt, die zur Änderung der Wertfestsetzung führen kann.

X. Weitere Beschwerde 1.445 Eine weitere Beschwerde kommt nur gegen Beschwerdeentscheidungen des LG in Betracht (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG).

1.446 Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das LG sie zugelassen hat. Die Nichtzulassung ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GKG).

1.447 Das OLG ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde gebunden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 GKG).

1.448 Eine Mindestbeschwer ist für die weitere Beschwerde nicht erforderlich. 1.449 Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG).

1.450 Die weitere Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 6 GKG).

1.451 Im Übrigen entspricht das Verfahren dem der Erstbeschwerde (s. Rz. 1.300 ff.). 1.452 Die Beschwerde ist beim LG einzulegen. Die Einlegung der Beschwerde beim OLG ist nicht fristwahrend. Das LG hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen der weiteren Beschwerde zu prüfen. Es kann der Beschwerde abhelfen. Soweit es der Beschwerde nicht in vollem Umfang abhilft, hat es die Sache alsdann dem OLG zur Entscheidung vorzulegen.

1.453 Das OLG entscheidet durch den Senat, unabhängig davon, ob die angefochtene Entscheidung des LG von einem Einzelrichter erlassen wurde. Die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 GKG gilt nur für die Erinnerung und Beschwerde, nicht aber für die weitere Beschwerde.1

1.454 Der Einzelrichter kann das Verfahren der Kammer oder dem Senat übertragen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 GKG). Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 3 GKG).

1.455 Die weitere Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das LG es unterlassen habe, die Sache der Kammer zu übertragen.

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2009 – 24 W 53/09, JurBüro 2010, 426.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Das OLG entscheidet abschließend durch Beschluss. Eine Zustellung dieses Beschlusses ist grundsätzlich nicht erforderlich. Eine Ausnahme besteht jedoch auch hier, wenn bereits die Kostenfestsetzung nach § 103 ZPO oder eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG erfolgt ist, da dann durch die Zustellung des Beschlusses die Frist des § 107 Abs. 2 ZPO in Gang gesetzt wird. Zum Verfahren nach § 107 Abs. 2 ZPO s. Rz. 1.1054 ff.

1.456

XI. Rechtsbeschwerde Eine Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist nicht statthaft. Das GKG sieht sie nicht vor. Abgesehen da- 1.457 von ist eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ohnehin ausgeschlossen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Es besteht Anlass darauf hinzuweisen, da dies vielen Beschwerdesenaten nicht bekannt ist und immer wieder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde ausgesprochen wird, die es gar nicht gibt.1

XII. Erinnerung Hat der Rechtspfleger über die Wertbestimmung entschieden (s. z.B. im Mahnverfahren oder in der Zwangsvollstreckung) und wird der Beschwerdewert von mehr als 200 t nicht erreicht und ist die Beschwerde auch nicht zugelassen, findet gegen seine Entscheidung die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt, über die der Richter des AG grundsätzlich abschließend entscheidet. Allerdings kann der Richter im Rahmen seiner Entscheidung nunmehr auch die Beschwerde zulassen.2

1.458

XIII. Gehörsrüge Nach § 69a GKG kann Gehörsrüge erhoben werden, soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen worden ist.

1.459

Die Gehörsrüge hat im Verfahren der Beschwerde oder weiteren Beschwerde gegen die Wertfestset- 1.460 zung nach § 69a GKG jedoch letztlich kaum Bedeutung, da das Gericht grundsätzlich jederzeit von Amts wegen und auf Gegenvorstellung hin innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 GKG die Wertfestsetzung abändern kann. Es fehlt in diesen Fällen in der Regel an der erforderlichen Rechtskraft. Bedeutung hat die Gehörsrüge, wenn die Zulassung übergangen worden ist (s. Rz. 1.360 f.).

XIV. Verzögerungsrüge Unterbleibt die Wertfestsetzung oder wird eine Gegenvorstellung oder Beschwerde nicht beschieden, kann nach gem. § 198 GVG Verzögerungsrüge erhoben und Schadensersatz angekündigt werden.

1.460a

XV. Verfassungsbeschwerde Ist gegen die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung der Rechtsweg ausgeschöpft, kommt auch die Verfassungsbeschwerde in Betracht, wenn die Partei oder der Anwalt durch die Streitwertfestset-

1 Siehe zuletzt KG, Beschl. v. 26.8.2010 – 8 W 38/10, MDR 2010, 1493 = AGS 2010, 550 = MietRB 2010, 325. 2 BGH, Beschl. v. 17.5.2017 – XII ZB 621/15, MDR 2017, 851 = FamRZ 2017, 1318.

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1. Teil Verfahrensrecht

zung in ihren Grundrechten verletzt sind. Dabei kann sowohl eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG1 in Betracht kommen als auch vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht.2

XVI. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren

1.462 Im Verfahren über die Wertfestsetzung werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Das Verfahren gehört mit zur Instanz.

1.463 Hier können lediglich Auslagen anfallen, ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 64 Satz 2 GKG i.V.m. Nr. 9005 KV GKG). b) Gegenvorstellung

1.464 Die Gegenvorstellung gehört mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus, abgesehen davon, dass es hierfür gar keinen Gebührentatbestand gibt. Wohl können Auslagen erhoben werden. c) Beschwerdeverfahren

1.465 Im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens auf Wiedereinsetzung und der Gehörsrüge fallen ebenfalls keine Gerichtsgebühren an (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

1.466 Auslagen können erhoben werden, allerdings nur, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Vorbem. 2 Abs. 1 KV GKG).

1.467 Strittig ist, ob bei einer unstatthaften Beschwerde Gerichtsgebühren zu erheben sind. Der BGH (s. Rz. 1.468) ist der Auffassung, die Gebührenfreiheit des § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gelte nur für statthafte Beschwerden. Für unstatthafte Beschwerden sei daher eine Gebühr zu erheben. Zutreffend ist es jedoch auch hier, eine Gebührenfreiheit anzunehmen, da § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht nach Zulässigkeit oder Statthaftigkeit differenziert.3 d) Rechtsbeschwerdeverfahren

1.468 Nach der Rechtsprechung des BGH wird im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Festgebühr i.H.v. 132 t

nach Nr. 1826 KV GKG erhoben, die sich im Falle der Rücknahme auf 66 t ermäßigt (Nr. 1827 KV GKG). Der Ausschluss des § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG greift nach Auffassung des BGH nicht, da er sich nur auf die (zulässigen) Beschwerden nach § 68 GKG bezieht, nicht aber auf ein unstatthaftes Rechtsbeschwerdeverfahren.4

1 Siehe z.B. BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.2.2007 – 1 BvR 2679/06, NJW 2007, 1445 = FamRZ 2007, 1081; BVerfG, Kammerbeschl. v. 2.11.2020 – 1 BvR 533/20, AGS 2020, 585 = NJW 2021, 52. 2 Siehe z.B. VGH Berlin, Beschl. v. 23.1.2013 – 37/11, AGS 2013, 334. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 23.8.2012 – 5 W 466/12, MDR 2012, 1315 = AGS 2013, 28 (unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rspr.); OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2012 – 1 W 15/12, MDR 2012, 811 = AGS 2012, 395; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.3.2009 – L 11 R 882/11 B. 4 BGH, Beschl. v. 22.2.1989 – IVb ZB 2/89; BGH, Beschl. v. 3.3.2014 – IV ZB 4/14, MDR 2014, 610 = AGS 2014, 232; BGH, Beschl. v. 17.10.2002 – IX ZB 303/02, MDR 2003, 115; BGH, Beschl. v. 22.2.1989 – IVb ZB 2/89; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 – VIII ZB 77/10.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

e) Gehörsrüge Gerichtsgebühren löst eine Gehörsrüge nicht aus, da das GKG hierfür keinen gesonderten Gebühren- 1.469 tatbestand vorsieht. Der Tatbestand der Nr. 1700 KV GKG ist nicht anwendbar, da die Regelung nicht für die Gehörsrüge nach § 69a GKG gilt, sondern nur für diejenige nach § 321a ZPO und abgesehen davon nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG in den Verfahren über die Wertfestsetzung keine Gebühren erhoben werden dürfen. 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren Für den bereits in der Hauptsache beauftragten Anwalt löst die Tätigkeit im Verfahren auf Wertfestsetzung ebenfalls keine Vergütung aus. Diese Tätigkeit gehört für ihn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Gebührenrechtszug.

1.470

Ist der Anwalt ausschließlich im Wertfestsetzungsverfahren beauftragt, handelt es sich für ihn um eine Einzeltätigkeit, die nach Nr. 3403 RVG-VV zu vergüten ist. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

1.471

Soweit nur ein Antrag auf Festsetzung gestellt wird, könnte ein Fall der Nr. 3404 RVG-VV (Schreiben einfacher Art) vorliegen, so dass nur eine 0,3-Verfahrensgebühr entsteht.

1.472

b) Gegenvorstellung Auch eine Gegenvorstellung gehört für den in der Hauptsache tätigen Anwalt mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus.

1.473

Lediglich als Einzeltätigkeit, also wenn ein bisher nicht befasster Anwalt nur mit einer Gegenvorstellung beauftragt wird, entstehen gesonderte Gebühren. Es liegt dann eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 RVG-VV vor. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

1.474

Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung.

1.475

c) Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren können dagegen auch für den Prozessbevollmächtigten Anwaltsgebühren 1.476 anfallen. Legt der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes ein oder verteidigt er sich gegen die Herabsetzungsbeschwerde eines der Beteiligten, so wird er in eigener Sache und im eigenen Namen tätig, so dass es an einem Auftraggeber fehlt und folglich keine Gebühren ausgelöst werden können. Sie können auch nicht über § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO fingiert werden, da eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).

1.477

Vertritt der Anwalt dagegen einen Beteiligten, für den er Herabsetzungsbeschwerde erhebt oder für den er sich gegen die Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zur Wehr setzt, löst dies eine einfache Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 RVG-VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG).

1.478

Wird die Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben und nach erneuter Nichtabhilfe wieder dem Beschwerdegericht vorgelegt, handelt es sich nur um ein Beschwerdeverfahren, so dass die Gebühren nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 1, 2 RVG). Wird dagegen die Festsetzung aufgehoben und gegen die neue Festsetzung erneut Beschwerde erhoben, liegen zwei Beschwerdeverfahren vor (§ 17 Nr. 1 RVG).

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1. Teil Verfahrensrecht

1.480 Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung, das sich wiederum aus der Differenz der Kosten nach dem festgesetzten und dem begehrten Wert ergibt. d) Weitere Beschwerde

1.481 Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist eine eigene Angelegenheit (§ 17 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt, der seinen Mandanten in diesem Verfahren vertritt, erhält die gleichen Gebühren wie für die Erstbeschwerde, also wiederum eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 RVG-VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung. e) Rechtsbeschwerdeverfahren

1.482 Im (nicht statthaften) Rechtsbeschwerdeverfahren entsteht für den Anwalt eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 RVG-VV. Der Anwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, wird diese allerdings wegen Anwaltsverschuldens kaum einfordern können. Der Gegenstandswert richtet sich auch hier gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung. f) Erinnerungsverfahren

1.483 In Erinnerungsverfahren ist abzurechnen wie in Beschwerdeverfahren (s. Rz. 1.476). g) Gehörsrüge

1.484 Auch eine Gehörsrüge löst grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RVG), es sei denn, der Anwalt ist ausschließlich mit der Gehörsrüge beauftragt. Dann entsteht eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3330 RVG-VV. Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung. h) Verfassungsbeschwerde

1.485 In Verfahren der Verfassungsbeschwerde richten sich die Gebühren nach § 37 RVG.

XVII. Kostenerstattung 1.486 Eine Kostenerstattung, die ohnehin nur im Beschwerdeverfahren in Betracht käme, ist nach § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG ausgeschlossen. Daher werden insbesondere die in einem Beschwerdeverfahren angefallenen Anwaltskosten nicht erstattet. Diese hat vielmehr jeder Beteiligte selbst zu tragen. Das gilt auch für Auslagen.

1.487 Der Ausschluss der Kostenerstattung soll nach einem Teil der Rechtsprechung allerdings nur für statthafte Beschwerden gelten. Ist die Beschwerde nicht statthaft, etwa eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung, soll der Ausschluss der Kostenerstattung nicht greifen; der Beschwerdeführer soll hier vielmehr die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.1 Diese Auffassung ist insoweit bedenklich, als das GKG keine Kostenerstattung vorsieht. Zu dem Ergebnis der Kostenerstattung kann man nur gelangen, wenn man eine unstatthafte GKG-Beschwerde als eine Beschwerde nach der ZPO ansieht, weil man nur dann zu einer Kostenentscheidung nach § 97 ZPO kommen kann.

1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 W 287/10, AGS 2011, 193 = NJW-Spezial 2011, 315.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

Wird eine nicht statthafte Rechtsbeschwerde eingelegt, so müsste aus den gleichen Gründen, aus denen eine Gerichtsgebühr erhoben wird, auch eine Kostenerstattung ausgesprochen werden. Der Ausschluss der Kostenerstattung in § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG würde sich danach auf die Verfahren nach § 68 GKG erstrecken, nicht aber auch auf die dort nicht geregelte Rechtsbeschwerde.1 Dann müsste man allerdings eine unstatthafte Beschwerde als eine solche nach der ZPO ansehen, weil das GKG keine Kostenerstattungsregelungen kennt.

1.488

XVIII. Prozesskostenhilfe Strittig ist, ob Prozesskostenhilfe auch für ein Wertfestsetzungsverfahren oder ein Beschwerdeverfahren bewilligt werden kann. Das GKG sieht keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor.

1.489

Nach einer Auffassung ist daher eine Bewilligung nicht möglich.2 Auch eine entsprechende Anwendung der §§ 114 ff. ZPO komme nicht in Betracht. Dies folge daraus, dass das Verfahren über die Wertfestsetzung, einschließlich der Beschwerdeverfahren nach § 68 Abs. 8 FamGKG gebührenfrei sei und Kosten nicht erstattet würden. Daraus ergebe sich, dass Kostenverfahren nicht neuerliche Kostenverfahren erzeugen sollten. Abgesehen davon bestehe auch kein Anwaltszwang (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG), so dass die Partei Beteiligte sich selbst vertreten könne. Zudem habe das Gericht von Amts wegen den Verfahrenswert richtig festzusetzen und gegebenenfalls von Amts wegen abzuändern (§ 63 Abs. 3 GKG).

1.490

Nach zutreffender Ansicht3 ist dagegen Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das GKG enthält zwar keine 1.491 Vorschriften über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; aus Art. 6 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt sich jedoch, dass auch über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, um den Zugang unbemittelter Personen zu den Gerichten zu gewährleisten. Dieser Justizgewährungsanspruch gilt auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 68 GKG, denn hier wird bei anwaltlicher Vertretung nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine gesonderte Angelegenheit ausgelöst, in der eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 RVG-VV zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer anfällt, die vom Beschwerdeführer aufgebracht werden muss. Es muss insoweit auch dem unbemittelten Beteiligten möglich sein, in dem Beschwerdeverfahren nach dem FamGKG einen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen, da es sich hierbei um Verfahren handelt, die durchaus rechtlich anspruchsvoll und von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung im Hinblick auf die Kostenerstattungsansprüche denen sich der Beteiligte ausgesetzt sieht, von größerer Bedeutung sind. Soweit die Gegenauffassung auf die Gebührenfreiheit verweist, gilt dies nur für die Gerichtsgebühren im Verfahren nach § 68 FamGKG, aber schon nicht mehr im Verfahren nach § 33 RVG (s. § 1 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Die Gebührenfreiheit gilt auch nicht für die Anwaltsgebühren. Einen Grundsatz, dass Kostenverfahren keine neuen Kostenverfahren auslösen sollen, gibt es in dieser Stringenz ebenfalls nicht. So lösen Beschwerden in der Kostenfestsetzung unstreitig weitere Festsetzungsverfahren aus, in denen sogar wieder neue erstattungspflichtige Rechtsmittelverfahren möglich sind. Auch trägt der Hinweis auf die Möglichkeit der Selbstvertretung nicht, da die der Wertfestsetzung zugrunde liegenden Vorschriften für einen Laien kaum verständlich sind. Ebenso wenig greift der Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz. Die Praxis zeigt ja, dass häufig bei Gerichten nicht von Amts wegen richtig festgesetzt wird und dass es erst einer fundierten Beschwerde bedarf, um fehlerhafte Wertfestsetzungen zu korrigieren.

1 Siehe zum vergleichbaren Fall der unstatthaften Beschwerde Rz. 1.486. 2 Dürbeck/Gottschalk, Rz. 25; ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.2012 – 2 Ws 228/12, JurBüro 2012, 534 = AGS 2012, 541 (zum vergleichbaren Fall der Beschwerde gegen den Kostenansatz). 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.5.2017 – 2 WF 85/17, JurBüro 2017, 419 = AGS 2017, 470 = FamRZ 2018, 203 – im konkreten Fall allerdings abgelehnt.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.492 Erforderlich ist allerdings eine gesonderte Bewilligung. Die Prozesskostenhilfebewilligung in der Hauptsache erfasst nicht auch ein Beschwerdeverfahren gegen die Wertfestsetzung, abgesehen davon, dass auch hier die hinreichende Erfolgsaussicht zu prüfen ist. Soweit sich ein Beteiligter allerdings gegen die Heraufsetzungsbeschwerde eines Anwalts verteidigen will, ist die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu prüfen (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

XIX. Rechtsschutzversicherung 1.493 Die Vergütung des Anwalts für eine Herabsetzungsbeschwerde ist vom Versicherungsschutz umfasst. Allerdings ist hier gegebenenfalls eine gesonderte Deckungsschutzanfrage erforderlich.

1.494 Häufig beauftragt der Rechtsschutzversicherer den Anwalt selbst mit einer Herabsetzungsbeschwerde. Zwar ist der Versicherer nicht beschwerdeberechtigt, sondern nur der Auftraggeber (s. Rz. 1.324). Unterlässt dieser jedoch die Beschwerde, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, die zum teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führt, soweit die Beschwerde erfolgreich gewesen wäre.1

1.495 Allerdings ist der Anwalt des Versicherungsnehmers nicht verpflichtet, die Beschwerde selbst zu führen, da er letztlich gegen seine eigenen Interessen vorgehen müsste. Dem Rechtsschutzversicherer bleibt es aber unbenommen, einen anderen Anwalt zu beauftragen, der in Vollmacht des Versicherungsnehmers dann die Streitwertbeschwerde führt.

D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG I. Überblick 1. Grundsatz

1.496 Nach § 3 Abs. 1 FamGKG berechnen sich die Gerichtsgebühren in Familiensachen grundsätzlich nach dem Verfahrenswert bzw. im Falle eines Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände (Nr. 1500 KV FamGKG) nach dem Vergleichswert, soweit nichts anderes bestimmt ist.

1.497 Diese Werte hat das Gericht nach § 55 FamGKG von Amts wegen festzusetzen, damit die hiernach zu berechnenden Gebühren angesetzt werden können.

1.498 Die danach festgesetzten Werte gelten grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 1 RVG), und zwar sowohl für den Anwalt als auch den Auftraggeber (bzw. im Falle der Verfahrenskostenhilfe für die Landeskasse) und auch für einen erstattungspflichtigen Dritten.

1.499 Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise einmal für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich die Anwaltsgebühren abweichend davon berechnen, kann auch insoweit nach § 33 Abs. 1 RVG Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt werden (s. Rz. 1.813 ff.). 2. Ausnahmen

1.500 Abweichend vom Grundsatz des § 3 Abs. 1 FamGKG gibt es Verfahren, in denen gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden, die also gebührenfrei sind, wie z.B. die Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, einschließlich des Abschlusses eines Mehrvergleichs (Anm. zu Nr. 1500 KV FamGKG) oder auch Zwangsgeldverfahren nach § 35 FamFG. Eine gerichtliche Wertfestsetzung

1 Siehe hierzu ausführlich AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, BRAGOreport 2001, 145 = ZfSch 2000, 360.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

nach § 55 FamGKG kommt in diesen Verfahren daher erst gar nicht in Betracht. Eine gleichwohl vorgenommene Festsetzung ist gegenstandslos (s. Rz. 1.129 ff.). Anderweitige Bestimmungen i.S.d. § 3 Abs. 1 FamFG, also Regelungen, nach denen nicht nach dem Wert abgerechnet wird, finden sich im KV FamGKG in folgenden Fällen:

1.501

– Jahresgebühren in Vormundschafts- und Dauerpflegschaftssachen (Nr. 1311, 1312 KV FamGKG) – Festgebühren in – Vollstreckungssachen, soweit dem Familiengericht die Vollstreckung obliegt (Nrn. 1600 ff. KV FamGKG), – Verfahren mit Auslandsbezug (Nrn. 1700 ff. KV FamGKG), – isolierten Verfahren über eine Gehörsrüge (Nr. 1800 KV FamGKG), – Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren, soweit sie sich nicht gegen eine die Hauptsache abschließende Endentscheidung richten (Nrn. 1910 ff. KV FamGKG). Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist in diesen Verfahren nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nicht gegeben sind. Eine Festsetzung wäre davon abgesehen auch unsinnig, da sich nach dem dann festgesetzten Wert keine Gerichtsgebühren berechnen.

1.502

Zwar berechnen sich in den in Rz. 1.501 und 1.502 genannten Fällen die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG); dies ist aber kein Grund für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG, auch wenn eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren grundsätzlich bindend ist. Vielmehr ist in diesen Fällen auf Antrag eines Beteiligten eine gesonderte Wertfestsetzung ausschließlich im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG vorzunehmen, das anderen Verfahrensvorschriften folgt (s. Rz. 1.813 ff.).

1.503

II. Erforderlichkeit der Festsetzung 1.504

Voraussetzung für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist, dass – überhaupt Gerichtsgebühren erhoben werden und – sich die zu erhebenden Gerichtsgebühren nach dem Verfahrenswert oder dem – im Gesetz erstaunlicherweise nicht geregelten – Vergleichs(mehr)wert richten. Das Gericht muss daher vor einer Festsetzung stets prüfen, ob überhaupt Gerichtsgebühren anfallen und diese sich nach dem Verfahrenswert richten.

1.505

– Ist dies der Fall, muss grundsätzlich eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG erfolgen. – Ist dies nicht der Fall, dann darf das Gericht keinen Wert nach § 55 FamGKG festsetzen. Soweit häufig angeführt wird, auch dann, wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten, müsse doch für die Anwaltsgebühren ein Wert nach § 55 FamGKG festgesetzt werden, so ist dies unzutreffend. Die Vorschrift des § 55 FamGKG betrifft nur die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren. Soweit keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, wohl aber wertabhängige Anwaltsgebühren, ist hierfür das gesonderte Verfahren nach § 33 RVG vorgesehen, für das in entscheidenden Punkten ein abweichendes Verfahrensrecht gilt. Siehe dazu Rz. 1.813 ff.

1.506

Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG hat daher insbesondere in Vollstreckungsverfahren vor dem Familiengericht zu unterbleiben sowie in Verfahren mit Auslandsbezug und in Ver-

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1. Teil Verfahrensrecht

fahren über Beschwerden und Rechtsbeschwerden, die sich gegen Zwischenentscheidungen richten oder gegen den Rechtszug abschließende Entscheidungen, die nicht die Hauptsache betreffen, da hier wertunabhängige Festgebühren erhoben werden (Nrn. 1600 ff.; Nrn. 1700 ff.; Nrn. 1900 ff. KV FamGKG).

1.508 Eine dennoch nach § 55 FamGKG getroffene Festsetzung ist gegenstandslos: – Für die Gerichtsgebühren ist sie gegenstandslos, da diese nicht nach dem Wert abgerechnet werden; – Für die Anwaltsgebühren ist sie gegenstandslos, da – eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG tritt nicht eintritt, weil es keine wertabhängigen Gerichtsgebühren gibt und folglich auch keinen für diese maßgebenden Wert; – eine Bindungswirkung nach § 33 RVG ausscheidet, da eine von Amts wegen vorgenommene Wertfestsetzung gar nicht erkennen lässt, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung gelten soll und es zudem an dem erforderlichen Antrag fehlt.

1.509 Da viele Gerichte diese Zusammenhänge nicht erkennen, sollte vorsorglich auch eine zu Unrecht ergangene Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG geprüft werden. Ggf. sollte vorsorglich deren Aufhebung beantragt werden, damit sich im Folgenden nicht auch nur der Anschein einer Bindungswirkung ergibt. Siehe dazu die Ausführungen zur vergleichbaren Lage nach dem GKG (Rz. 1.179 ff.).

III. Wertangabe 1.510 Nach § 53 Satz 1 FamGKG hat ein Antragsteller bei Einreichung eines Antrags den Verfahrenswert anzugeben, wenn dieser – nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, – kein fester Wert bestimmt ist und – er sich auch nicht aus früheren Anträgen ergibt.

1.511 Die Obliegenheit zur Wertangabe gilt auch bei Einreichung einer Antragserweiterung oder eines Widerantrags.

1.512 Für die Pflicht zur vorläufigen Wertangabe ist es unerheblich, ob die Gerichtsgebühren bereits mit Einreichung anfallen und nach Antragseinreichung eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG erfolgen muss (s. Rz. 1.541 ff.) oder ob die Gebühren erst später fällig werden.

1.513 Andere Beteiligte als der jeweilige Antragsteller sind zu vorläufigen Wertangaben nicht verpflichtet. 1.514 Ebenso wenig besteht eine Pflicht zu Wertangaben bei Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet worden sind.

1.515 Nach Aufforderung des Gerichts ist auch der Wert eines Teils des Verfahrensgegenstands anzugeben. 1.516 Die Angabe ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. Sie kann jederzeit berichtigt werden (§ 53 Satz 2 FamGKG).

1.517 Bei der Pflicht zur Wertangabe handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift. Unmittelbare Sanktionen sind an die Verletzung der Obliegenheit zur Wertangabe nicht geknüpft. Mittelbar können sich allerdings Nachteile ergeben, wenn sich das Gericht infolge der unterlassenen Wertangabe veranlasst sieht, ein Sachverständigengutachten einzuholen (§ 56 Satz 1 FamGKG) oder wenn es nach § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG einen zu hohen Wert ansetzt und der Antragsteller ggf. Beschwerde gegen die 74

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Anordnung einer Vorauszahlung nach § 58 FamGKG erheben muss (s. Rz. 1.555), die zumindest Anwaltsgebühren auslöst (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG i.V.m. Nr. 3500 RVG-VV). Soweit der Antrag in einer bestimmten Geldsumme besteht, bedarf es keiner Wertangabe. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Geldsumme in deutscher oder ausländischer Währung handelt (vgl. auch § 35 FamGKG). Eine Einschränkung wie in § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG für eine auf Euro lautende Währung findet sich in § 56 FamGKG nicht.

1.518

Festwerte kennt das FamGKG nicht, sondern lediglich Regelwerte. Hier wird eine Wertangabe ebenso entbehrlich sein, es sei denn, es ist bereits bei Antragseinreichung ersichtlich, dass ein Fall vorliegt, der vom Regelwert abweicht (s. § 44 Abs. 3; § 45 Abs. 3; § 47 Abs. 2; § 48 Abs. 3; § 49 Abs. 2; § 50 Abs. 3; § 51 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

1.519

Dagegen macht die Kostenfreiheit eines Antragstellers nach § 2 FamGKG die Wertangabe nicht entbehrlich. Auch im Falle der Kostenfreiheit eines Beteiligten muss nach § 55 FamGKG ein Wert festgesetzt werden. Selbst wenn vom Antragsteller keine Gebühren erhoben werden, können doch andere Beteiligte später für die Kosten haften.

1.520

Nach dem Wortlaut des § 53 Satz 1 FamGKG genügt die Angabe des Wertes. Erläuterungen des Wertes und seiner Berechnung sind danach nicht erforderlich. Gleichwohl ist es angebracht, die Umstände darzulegen, aus denen die Wertberechnung folgt. Anderenfalls ist das Gericht zur Prüfung der Angabe und zur ordnungsgemäßen Festsetzung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (s. Rz. 1.532 ff., 1.560 ff.) nicht in der Lage.

1.521

Besondere Bedeutung hat die Vorschrift des § 53 FamGKG bei Einreichung des Scheidungsantrags, da hier zu den wertbildenden Faktoren des Wertes der Ehesache (Vermögens- und Einkommensverhältnisse – § 43 Abs. 1, 2 FamGKG) vorzutragen ist, damit das Gericht zutreffend bereits einen vorläufigen Wert festsetzen kann.

1.522

Des Weiteren hat die Vorschrift des § 53 FamGKG besondere Bedeutung bei einem Stufenantrag. Zweckmäßig ist es, hier bereits mit Antragseinreichung anzugeben, in welcher Größenordnung der Antragsteller die mit dem Leistungsantrag zunächst noch unbezifferten Ansprüche erwartet, da sich der Verfahrenswert eines Stufenantrags gem. § 38 FamGKG nach dem höherwertigen Antrag richtet,1 und das in der Regel der noch unbezifferte Leistungsantrag ist. Das Gericht kann anderenfalls den Verfahrenswert nicht verlässlich ermitteln.

1.523

Die Vorschrift des § 53 FamGKG gilt auch im Rechtsmittelverfahren, wobei sie hier allerdings geringere Bedeutung hat. Hier ergibt sich der Verfahrenswert in der Regel aus früheren Anträgen, nämlich den vorinstanzlich gestellten.

1.524

Längere Ausführungen zum Wert des Beschwerdegegenstands sind im Rechtsmittelverfahren daher in der Regel eher für die Zulässigkeitsfrage geboten, soweit für die Beschwerde der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 600 t betragen muss (§ 61 FamFG) und die Berechnung nicht einfach und auch nicht offensichtlich ist, etwa wegen Einbeziehung von Kosten und Zinsen aus erledigten Gegenständen.

1.525

Schließen die Beteiligten einen Vergleich über nicht anhängige Ansprüche, besteht dem Wortlaut nach keine Pflicht zur Wertangabe, da es sich bei dem Vergleich weder um einen Antrag handelt, noch sich die Vergleichsgebühr nach dem Verfahrenswert richtet, sondern nach dem Vergleichswert. Ungeachtet dessen sollte auch hier der Wert angegeben werden, damit der Wert für die Gebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG festgesetzt werden kann. Hier ergibt auch die Angabe von Teilwerten Sinn.

1.526

1 Siehe das Stichwort „Stufenverfahren“, im FamR-Teil Rz. 3.1833 ff.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.527 Die Wertangabe kann jederzeit berichtigt werden. Ihr kommt keine Bindungswirkung zu. Allerdings kann sie als Indiz gewertet werden.

1.528 Nach entsprechendem Verfahrensausgang wird häufig versucht, im Nachhinein von einer vorläufigen Wertfestsetzung abzurücken. Im Falle des Obsiegens wird häufig (vom Anwalt) ein höherer Wert beantragt, während im Falle des Unterliegens eine Herabsetzung begehrt wird. Die Gerichte stellen dann in der Regel – und zu Recht – auf die Indizwirkung der vorläufigen Wertangabe ab. Eine nachträgliche Abänderung aus offensichtlichen kostenerstattungsrechtlichen Gründen wird dann von der Rechtsprechung abgelehnt. Von daher sollte der vorläufigen Wertangabe Beachtung geschenkt werden oder der Sinneswandel nachvollziehbar begründet werden. Siehe auch Rz. 1.179 ff.

1.529 Muster 10: Wertangabe (Ehesache) Es wird angeregt, den Verfahrenswert vorläufig auf … a festzusetzen. Der Antragsteller hat monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. … a, die Antragsgegnerin i.H.v. ca. … a. Der Antragsteller verfügt über Vermögen i.H.v. … a, die Antragsgegnerin i.H.v. ca. … a.1

1.530 Muster 11: Wertangabe (Stufenantrag, Zugewinn) … Es wird angeregt, den Wert des Verfahrens auf … a festzusetzen. Mit dem Stufenantrag wird Auskunft und Zahlung eines Zugewinnausgleichsanspruchs geltend gemacht. Das Endvermögen des Antragsgegners wird mit … a geschätzt. Anfangsvermögen ist nicht bekannt. Der Zugewinn der Antragstellerin beläuft sich auf … a, so dass sich eine Differenz i.H.v. … a ergibt. Ausgehend hiervon ist ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. … zu erwarten, so dass dieser Wert für den Antrag zu 2) festzusetzen ist. Im Hinblick auf § 38 FamGKG kommt dem Auskunftsantrag zu 1) keine Bedeutung zu. Es wird des Weiteren darauf hingewiesen, dass sich im Falle eines Stufenantrags der Verfahrenswert bereits nach dem höheren Wert der Leistungsstufe ergibt, auch wenn diese noch nicht beziffert ist (OLG Hamm v. 19.2.2010 – 1 WF 44/10, FamRZ 2010, 1106; OLG Naumburg, AGS 2010, 339).

1.531 Muster 12: Wertangabe (Stufenantrag, Unterhalt) Es wird angeregt, den Verfahrenswert auf 16.705 a festzusetzen. Die Antragstellerin verlangt laufenden Unterhalt, den sie allerdings noch nicht beziffern kann. Nach den bisherigen Informationen ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 3.000 a erzielt. Die Antragstellerin demgegenüber verfügt über keine eigenen Einkünfte, so dass ein Unterhaltsanspruch i.H.v. ca. 1.285 a monatlich zu erwarten ist. Geltend gemacht wird der Unterhalt für den laufenden Monat sowie für die Zukunft, so dass insgesamt gem. §§ 35, 51 Abs. 1, 2 FamGKG von dem 13-fachen Monatsbetrag auszugehen ist, mithin 16.705 a.

1 Soweit Gerichte Abzüge wegen gemeinsamer Kinder vornehmen, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, da sich dies bereits aus dem Scheidungsantrag ergibt.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

IV. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung a) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung Nach Eingang eines Antrags hat das Gericht den Verfahrenswert vorläufig festzusetzen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), damit hiernach die Gerichtsgebühr erhoben werden kann, sofern die Gebühr mit der Einreichung des Antrags, der Einspruchs- oder Rechtsmittelfrist oder mit Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig wird.

1.532

Die danach erforderliche Fälligkeit von Gebühren ergibt sich aus § 9 FamGKG. Danach gilt Folgen- 1.533 des:

1.534

Fälligkeit der Gerichtsgebühren mit Einreichung eines Antrags tritt nur ein – in Ehesachen (§ 121 FamFG) und – in selbständigen Familienstreitsachen (§ 112 FamFG). Hier wird sogar die Zustellung der Antragsschrift von der Vorauszahlung der Gerichtsgebühr abhängig gemacht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), so dass es unbedingt einer vorläufigen Wertfestsetzung bedarf.

1.535

Wird in diesen Verfahren im Nachhinein der Antrag erweitert, soll keine weitere gerichtliche Handlung vorgenommen werden, bevor aus dem Mehrwert die Gerichtsgebühren eingezahlt sind (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Daher bedarf es auch insoweit einer Wertfestsetzung.

1.536

Wird ein Widerantrag gestellt, ist zwar eine Vorauszahlung nicht erforderlich (§ 14 Abs. 2 FamGKG); gleichwohl wird die Gebühr in Ehesachen und selbständigen Familienstreitsachen gem. § 9 FamGKG sofort fällig, so dass es also auch hier einer vorläufigen Wertfestsetzung bedarf.

1.537

Im Übrigen werden Gerichtsgebühren nur unter der Voraussetzung des § 11 FamGKG fällig.

1.538

Das gilt auch für Folgesachen. Im Verbund wird nur die Gebühr, die sich aus dem Wert der Ehesache berechnet, sofort fällig. Die Gebühr aus dem Wert von Folgesachen – auch der von Amts wegen einzuleitenden Folgesache Versorgungsausgleich – wird nicht mit Antragseinreichung fällig,1 so dass eine vorläufige Wertfestsetzung unzulässig ist. Wird insoweit dennoch festgesetzt, ändert dies nichts daran, dass sich die Vorauszahlungspflicht nur aus dem Wert der Ehesache ergibt.2 Ggf. ist dann Beschwerde nach § 58 FamGKG zu erheben. Siehe Rz. 1.555).

1.539

In anderen als den in Rz. 1.534 ff. genannten Verfahren ist daher eine vorläufige Festsetzung nur dann 1.540 geboten, wenn im Verlaufe des Verfahrens Fälligkeit eintritt (s. Rz. 1.541 ff.). Anderenfalls ist eine vorläufige Festsetzung nicht erforderlich und sinnlos. Es hat dann nur eine endgültige Wertfestsetzung bei Abschluss des Verfahrens zu erfolgen (s. Rz. 1.560 ff.). b) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens Eine vorläufige Festsetzung ist abgesehen von den Fällen der sofortigen Fälligkeit (Rz. 1.534 ff.) ge- 1.541 boten, wenn im Verlaufe des Verfahrens Fälligkeit eintritt (§ 11 FamGKG). Auch in den Verfahren, in denen die Gerichtsgebühren nicht bereits mit Antragstellung entstehen, kann sich eine Fälligkeit vor Beendigung des Verfahrens ergeben, nämlich dann, wenn 1 Schneider/Volpert/Fölsch/Klos, § 9 FamGKG Rz. 12; Horndasch/Viefhues/Volpert, Teil 3 Rz. 641; Binz/ Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, § 9 FamGKG Rz. 2. 2 Siehe hierzu N. Schneider, FamRZ 2011, 162.

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1. Teil Verfahrensrecht

– eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist, ohne dass damit das Verfahren abgeschlossen ist, etwa nach einem Versäumnisbeschluss, gegen den Einspruch eingelegt wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG), – das Verfahren sechs Monate ruht oder sechs Monate nicht betrieben wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG) oder – das Verfahren sechs Monate unterbrochen oder sechs Monate ausgesetzt war (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG).

1.542 In diesen Fällen ist das Verfahren noch nicht erledigt, so dass eine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG ausscheidet. Möglich ist daher nur eine vorläufige Wertfestsetzung.

1.543 Keine Fälligkeit tritt ein bei Teilentscheidungen. 1.544 Im Verbund ist zu differenzieren: Wird im Verbund über einzelne Folgesachen vorab entschieden, tritt dadurch alleine noch keine Fälligkeit ein, so dass damit die Voraussetzungen des § 11 FamGKG noch nicht erfüllt sind. Ergeht allerdings bereits eine Teil-Kostenentscheidung, die hier nach § 150 Abs. 1 FamFG ausnahmsweise möglich ist (arg. § 150 Abs. 5 FamFG), tritt Fälligkeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG ein, so dass eine vorläufige (keine endgültige!) Wertfestsetzung zu erfolgen hat.

1.545 Beispiel: Im Scheidungsverfahren ist neben dem Versorgungsausgleich auch die Folgesache Ehegattenunterhalt anhängig. Da zum Versorgungsausgleich noch Auskünfte einzuholen sind, trennt das Gericht den Versorgungsausgleich gem. § 140 Abs. 2 FamFG ab und entscheidet vorab über die Ehesache und die Folgesache Ehegattenunterhalt. a) Das Gericht entscheidet gem. § 150 Abs. 1 FamFG über die Kosten für Ehesache und Versorgungsausgleich. b) Das Gericht entscheidet noch nicht über die Kosten. Für die Ehesache ist bereits ein vorläufiger Wert festgesetzt, da Vorauszahlungspflicht besteht. Für die Folgesache Unterhalt besteht keine Vorauszahlungspflicht, so dass eine vorläufige Wertfestsetzung nicht vorzunehmen war (Rz. 1.539). Im Fall a) ist mit der Entscheidung jetzt aber die Gerichtsgebühr aus der Folgesache Unterhalt fällig geworden, da eine unbedingte Kostenentscheidung ergangen ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG). Es muss daher vorläufig ein Wert festgesetzt werden. Im Fall b) tritt dagegen keine Fälligkeit ein, da das Verbundverfahren noch nicht beendet ist und kein Ausnahmefall des § 11 Abs. 1 FamGKG vorliegt. Eine vorläufige Wertfestsetzung kommt nicht in Betracht. Auch eine endgültige Wertfestsetzung ist noch nicht zulässig.

2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung

1.546 Eine vorläufige Wertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder wenn das Gesetz einen Regelwert vorsieht. Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Kostenbeamte die fällige Gebühr ohne weiteres selbst berechnen und anfordern kann.

1.547 Auch wenn eine vorläufige Wertfestsetzung in diesen Fällen entbehrlich ist, kann das Gericht dennoch vorläufig einen Wert festsetzen. Das wiederum ist dann geboten, wenn sich bei Zahlungsansprüchen Bewertungsschwierigkeiten ergeben, etwa wenn die Zusammensetzung der Geldforderung im Hinblick auf § 38 FamGKG nicht ohne weiteres ersichtlich ist oder wenn Hilfsanträge oder Wideranträge gestellt werden und die Frage der Zusammenrechnung unklar ist. Ebenso bedarf es einer vorläufigen Festsetzung, wenn nicht eindeutig ist, welcher Regelwert gilt. Auch bietet sich eine Wertfestsetzung an, wenn künftiger und fälliger Unterhalt zugleich geltend gemacht wird (s. § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG).

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

3. Verfahren Das Gericht setzt den vorläufigen Wert durch Beschluss fest (§ 55 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

1.548

Die vorläufige Wertfestsetzung findet ohne Anhörung der Beteiligten statt. Das ist nicht zu beanstanden, denn der Antragsteller, den die Zahlungspflicht zunächst trifft (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), hat die Möglichkeit, im Rahmen seines Antrags (s. § 53 FamGKG) zum vorläufigen Verfahrenswert Stellung zu nehmen. Abgesehen davon kann auch die vorläufige Wertfestsetzung jederzeit abgeändert werden (§ 55 Abs. 3 FamGKG). Zudem besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Vorauszahlungsanordnung nach § 58 FamGKG, so dass der Antragsteller hinreichend geschützt ist.

1.549

4. Unanfechtbarkeit Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar.1 Die Beschwerde nach § 59 FamGKG ist nur gegen die endgültige Wertfestsetzung gegeben.

1.550

Einwendungen gegen die Höhe eines vorläufig festgesetzten Wertes können daher nur im Beschwerdeverfahren nach § 58 FamGKG (s. Rz. 1.555 ff.) erhoben werden (§ 55 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Ansonsten sieht das FamGKG nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 59 FamGKG).

1.551

Die vorläufige Wertfestsetzung ist auch durch den Anwalt über § 32 Abs. 2 RVG nicht anfechtbar. 1.552 Dies ist auch zutreffend, weil durch eine vorläufige Wertfestsetzung keine Beschwer eintritt. Eine Abrechnung der Anwaltsgebühren ist zu diesem Zeitpunkt mangels Fälligkeit noch nicht möglich (s. §§ 8, 10 RVG). Hinsichtlich einer Vorschussanforderung (§ 9 RVG) wiederum ist der Anwalt aber an eine vorläufige Wertfestsetzung nicht gebunden. Er kann auch Vorschüsse nach einem voraussichtlich höheren Wert anfordern.2 5. Gegenvorstellung Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist von 1.553 Amts wegen verpflichtet, den Verfahrenswert zutreffend festzusetzen (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung hin den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann.

Muster 13: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung

1.554

Amtsgericht … – Familiengericht – In Sachen … ./. … lege ich in eigenem Namen gegen die vorläufige Wertfestsetzung Gegenvorstellung ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert für den von der Antragstellerin erhobene Stufenantrag auf Auskunft und Trennungsunterhalt vorläufig nur nach dem Wert der Auskunftsstufe (Antrag zu 1) festgesetzt und die

1 OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2010 – 10 WF 313/10, MDR 2011, 492 = AGS 2010, 614 = FamRZ 2011, 134. 2 AnwK-RVG/N. Schneider, § 9 RVG Rz. 67.

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1. Teil Verfahrensrecht Leistungsstufe (Antrag zu 2) unberücksichtigt gelassen. Zutreffend hätte der Wert aber nach dem höheren Leistungsantrag vorläufig festgesetzt werden müssen. Bei einem Stufenantrag ist stets der höhere Wert maßgebend (§ 38 FamGKG). Das gilt auch dann, wenn die Leistungsstufe noch nicht beziffert ist. Ihr Wert muss dann geschätzt werden.1. … (ggf. weitere Ausführungen, sofern nicht schon in der Antragsschrift zum Wert vorgetragen worden ist (s. Rz. 1.510 ff.), auf die Bezug genommen werden kann) … Rechtsanwalt

V. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung 1.555 Auch wenn eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht zulässig ist, kann die vorläufige Wertfestsetzung inzidenter angegriffen werden, nämlich dann, wenn die weitere Tätigkeit des Gerichts (i.d.R. die Zustellung des Antrags, § 14 Abs. 1 FamGKG) von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird.

1.556 Gegen diesen Beschluss, mit dem das Gericht seine weitere Tätigkeit von der Einzahlung der Gerichtsgebühr abhängig macht (s. § 14 FamGKG), kann nach § 58 Abs. 1 Satz 1 FamGKG Beschwerde erhoben werden.

1.557 Im Rahmen dieser Beschwerde ist die Höhe der angeforderten Gerichtsgebühr zu prüfen und damit auch der Verfahrenswert, nach dem sie berechnet ist. Da die Beschwerde nach § 58 FamGKG eine Beschwer (allerdings keine Mindestbeschwer) voraussetzt, kann mit ihr allerdings nur der Antragsteller des Verfahrens geltend machen, der Wert sei zu hoch festgesetzt. Eine Heraufsetzung des Wertes kann mit dieser Beschwerde nicht erreicht werden.

1.558 Muster 14: Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Amtsgericht … – Familiengericht – In Sachen … ./. … lege ich namens der Antragstellerin gegen die Anordnung zur Vorauszahlung der Gerichtskosten gem. § 58 FamGKG Beschwerde ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert ausgehend von dem beiderseitigen Monatseinkommen der Beteiligten für die Ehesache vorläufig auf … a festgesetzt und ausgehend hiervon eine Gerichtsgebühr i.H.v. … a angefordert. Das Gericht ist von einem zu hohen Nettoeinkommen der Beteiligten ausgegangen. … (weitere Ausführungen) … Ausgehend von den tatsächlichen Einkünften der Beteiligten ist daher nur von einem Wert i.H.v. … a auszugehen, so dass nur eine Gerichtsgebühr i.H.v. … hätte angefordert werden dürfen. Rechtsanwalt

1 OLG Hamm, Beschl. v. 19.2.2010 – 1 WF 44/10, FamRZ 2010, 1106; OLG Celle, Beschl. v. 30.9.2015 – 10 WF 256/15, FamRZ 2016, 654.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Zu weiteren Einzelheiten siehe die Ausführungen zur Beschwerde nach § 67 GKG (Rz. 1.198), die auf die Beschwerde nach § 58 FamGKG ohne weiteres übertagen werden können.

1.559

VI. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung a) Beendigung des Verfahrens Nach Beendigung des Verfahrens muss das Gericht den Verfahrenswert endgültig festsetzen (§ 55 Abs. 2 FamGKG).

1.560

Ebenso muss das Gericht auch einen eventuellen Vergleichs(mehr)wert festsetzen, wenn ein Vergleich (auch) über nicht anhängige Gegenstände geschlossen worden ist, da insoweit eine gesonderte Gerichtsgebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG entsteht

1.561

Beendet ist das Verfahren, wenn

1.562

– eine die Instanz abschließende Entscheidung ergeht, – der Antrag zurückgenommen wird, – das Rechtsmittel zurückgenommen wird, – die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder – die Beteiligten einen Vergleich schließen. Erledigt ist das Verfahren abgesehen von den Fällen der Beendigung auch dann, wenn es, ohne förmlich beendet worden zu sein, von den Beteiligten nicht mehr betrieben wird.

1.563

b) Keine Teilwertfestsetzungen Eine Teil-Wertfestsetzung ist nicht vorgesehen und im Übrigen auch unzulässig. Daher ist nach einem Teilbeschluss folglich auch keine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG möglich. Siehe dazu auch die Ausführungen zur vergleichbaren Lage bei der Wertfestsetzung nach dem GKG (Rz. 1.214 ff.).

1.564

Das gilt auch im Falle eines Stufenantrags. Der Verfahrenswert ist erst dann einheitlich festzusetzen, wenn auch die letzte Stufe erledigt ist. Wird der Verfahrenswert verfrüht festgesetzt, ist die Festsetzung auf die Beschwerde eines Beteiligten aufzuheben.1

1.565

Beispiel: Das Familiengericht entscheidet über den Auskunftsantrag und setzt den Verfahrenswert unter Berücksichtigung der Leistungsstufe endgültig fest.

1.566

Diese Wertfestsetzung ist unzulässig und auf Beschwerde hin aufzuheben. Auch eine endgültige Wertfestsetzung hinsichtlich des Auskunftsanspruchs wäre unzulässig, weil nach dem Wert der Auskunft keine Gerichtsgebühr erhoben wird.

c) Keine Teilwertfestsetzungen im Verbund Ergeht im Verbundverfahren eine Teilentscheidung über Ehesache und einzelne Folgesachen und werden weitere noch nicht entscheidungsreife Folgesachen abgetrennt, die nach § 137 Abs. 5 Satz 1

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20, JurBüro 2020, 529 = AGS 2020, 515.

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1. Teil Verfahrensrecht

FamFG weiterhin Folgesachen bleiben, ist eine endgültige Wertfestsetzung für das Verbundverfahren ebenfalls nicht zulässig. Die zum Teil geäußerte Gegenauffassung1 ist unzutreffend.

1.568 Zulässig und auch geboten ist es, für eventuelle vorab mitentschiedene Folgesachen eine vorläufige Wertfestsetzung zu treffen, da die Gerichtsgebühr/en insoweit fällig geworden ist/sind (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG) vorläufige Wertfestsetzung zu treffen sein (Rz. 1.544 f.). Für die Ehesache ist ohnehin schon mit Antragseinreichung vorläufig festzusetzen (Rz. 1.534).

1.569 Unter den Voraussetzungen des § 140 FamFG kann das FamG zwar einzelne Folgensachen vom Verbund abtrennen. Das bedeutet, dass über die Ehesache und ggf. einzelne Folgesachen vorweg entschieden wird und über die abgetrennten Folgesachen dann eine Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt ergeht. Mit Ausnahme der Abtrennung einer Kindschaftssache (§ 137 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 FamFG) bleibt der Verbund in diesen Fällen jedoch erhalten (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG). Die abgetrennten Folgesachen werden also nicht zu selbständigen Verfahren, sondern bleiben Teil des Verbunds. Dies hat zur Folge, dass die Gerichtsgebühr für das Scheidungsverbundverfahren insgesamt nur einmal entsteht (§ 44 Abs. 1, § 29 FamGKG), und zwar aus dem Gesamtwert von Ehesache und sämtlichen Folgesachen (§ 33 Abs. 1, § 44 Abs. 2 FamGKG), unabhängig davon, ob über sie vorweg entschieden worden ist oder erst nach Abtrennung.

1.570 Soweit in diesem Fällen über die Ehesache und ggf. einzelne Folgesachen vorweg entschieden worden ist, darf ungeachtet dessen keine endgültige Wertfestsetzung vorgenommen werden mit der Folge, dass dadurch dann auch die sechsmonatige Beschwerdefrist des § 59 Abs. 1 FamGKG ausgelöst wird.2

1.571 Zunächst einmal kennt das FamGKG – ebenso wie das GKG (s. Rz. 1.214 – keine Teilwertfestsetzungen. Es gibt nur einen Gesamt-Verfahrenswert und keine Teilwerte. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der § 29, § 33 Abs. 1, § 44 Abs. 1, Abs. 2 FamGKG berechnet sich die Gerichtsgebühr für das gesamte Scheidungsverbundverfahren aus dem Gesamtwert von Ehesache und Folgesachen. Daran ändert sich durch eine Abtrennung nach § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG nichts.

1.572 Solche Teilwertfestsetzungen würden auch unweigerlich zu widersprüchlichen Entscheidungen führen.

1.573 Beispiel: Das Familiengericht entscheidet vorweg über die Ehesache und trennt die Folgesache Versorgungsausgleich ab. Nunmehr setzt das Familiengericht den Verfahrenswert für die Ehesache fest und geht dabei von einem beiderseitigen monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 5.000 t aus. Da kein Vermögen vorhanden ist, setzt es den Verfahrenswert für die Ehesache auf 15.000 t fest. Im Rahmen der Entscheidung zur abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich stellt das Gericht fest, dass die Eheleute unvollständige Angaben zu ihrem Einkommen gemacht haben. Das beiderseitige Nettoeinkommen der Eheleute liegt tatsächlich bei 10.000 t. Das Gericht muss jetzt folglich im Rahmen des Versorgungsausgleichs ein dreifaches Nettoeinkommen von 30.000 t zugrunde legen. Damit würde es sich aber in Widerspruch zu seiner Wertfestsetzung im Scheidungsverfahren hinsichtlich der Ehesache setzen, die jetzt aber nicht mehr abgeändert werden kann, da die Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG verstrichen

1 OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2013 – 4 WF 281/12, FamRZ 2013, 1511 = NJW-Spezial 2013, 188 = FamFR 2013, 187; (Ausgangsentscheidung); OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2013 – 4 WF 281/12, AGS 2013, 414 (Bestätigung aufgrund Gegenvorstellung); OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.3.2017 – 4 WF 43/17, AGS 2017, 577 = NZFam 2017, 1065; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.8.2017 – 4 WF 73/17, FamRZ 2018, 523 = AGS 2019, 25 = NZFam 2018, 88; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.2.2016 – 10 WF 111/15, AGS 2016, 228 = NZFam 2016, 324 = FamRZ 2017, 60; ebenso zum alten Recht (§ 25 GKG): OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.1.1998 – 6 WF 3/98, OLGR 1998, 355. 2 So aber OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2013 – 4 WF 281/12, FamRZ 2013, 1511 = NJW-Spezial 2013, 188 = FamFR 2013, 187; (Ausgangsentscheidung); OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2013 – 4 WF 281/12, AGS 2013, 414 (Bestätigung aufgrund Gegenvorstellung); ebenso zum alten Recht (§ 25 GKG): OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.1.1998 – 6 WF 3/98, OLGR 1998, 355.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG wäre. Auch die Anwälte könnten keine Beschwerde mehr einlegen, da auch die Beschwerdefrist des § 59 Abs. 3 Satz 3 FamGKG abgelaufen ist.

Nimmt man mit der wohl herrschenden Meinung an, dass eine endgültige Wertfestsetzung bereits mit der Vorwegentscheidung zu treffen sei, dann muss man konsequenterweise den Beteiligten und den Anwälten ein Beschwerderecht einräumen. Sie können dann ja nicht bis zur Entscheidung über die abgetrennte Folgesache warten, weil bis dahin dann im Zweifel die Beschwerdefrist der § 59 Abs. 1 Satz 3, § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG abgelaufen1 und eine amtswegige Abänderung auch nicht mehr möglich wäre.

1.574

Abgesehen davon ergibt sich ein weiteres Problem. Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Ver- 1.575 fahrenswerts ist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigt, sofern die Beschwerde nicht zugelassen worden ist. Insoweit stellt sich dann aber unweigerlich die Frage, wie denn jetzt die Beschwer berechnet werden soll. Beispiel: Im Scheidungsverfahren hat die Antragstellerin auch die Folgesache Zugewinnausgleich anhängig gemacht und geht insoweit im Wege des Stufenantrags vor. Das Gericht entscheidet vorweg über die Ehesache und den Versorgungsausgleich und trennt die Folgesache Zugewinnausgleich, die sich noch in der Auskunftsstufe befindet, ab. Den Verfahrenswert setzt das Gericht für die Ehesache auf 9.000 t fest und für den Versorgungsausgleich auf 1.800 t. Dabei geht es von einem monatlichen Nettoeinkommen beider Eheleute von insgesamt 3.000 t aus. Der Anwalt ist der Auffassung, dass das beiderseitige Nettoeinkommen der Eheleute 6.000 t betrage, so dass der Verfahrenswert der Ehesache auf 18.000 t festzusetzen sei und der Wert des Versorgungsausgleichs auf 3.600 t.

1.576

Betrachtet man die Wertdifferenz von 10.800 t zu 21.600 t, wäre die erforderliche Beschwer erreicht, da sich bei einem Gesamtaufkommen von 2,5 Gebühren (1,3 Verfahrensgebühr und 1,2 Terminsgebühr) eine Gebührendifferenz i.H.v. bereits netto 345 t ergeben würde. Später wird über den Zugewinnausgleich entschieden und der Verfahrenswert für die Folgesache Güterrecht auf 100.000 t festgesetzt. Betrachtet man jetzt den Gesamtwert, dann ergibt sich für die Anwaltsgebühren bei Annahme eines dreifachen Nettoeinkommens von 3.000 t ein Gesamtwert i.H.v. 110.800 t und bei Annahme eines dreifachen Nettoeinkommens i.H.v. 6.000 t ein Gesamtwert i.H.v. 121.600 t. Beide Werte lägen in derselben Gebührenstufe. Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes wäre also mangels Beschwer unzulässig. Die zuvor geführte Beschwerde wäre also unzulässig gewesen, wie sich jetzt im Nachhinein ergeben würde.

Hieraus ergibt sich, dass bei Annahme einer endgültigen Festsetzung des Verfahrenswertes bereits mit Vorwegentscheidung sich gar nicht feststellen lässt, ob letztlich überhaupt eine Beschwer vorliegt, weil es keine Teilbeschwer gibt, sondern nur eine Gesamtbeschwer. Nach Auffassung der h.M. müsste sich also das Gericht u.U. mit einer Teilwertbeschwerde befassen, die am Ende des Verfahrens mangels Gebührensprung niemanden mehr interessiert.

1.577

Ein weiteres ist noch zu beachten. Es kann ferner auch der Fall eintreten, dass die Beschwerde gegen die Einzelwerte jeweils nicht zulässig wäre, die Beschwerde gegen den Gesamtwert aber schon.

1.578

Beispiel: Das Gericht setzt den Verfahrenswert der Ehesache auf 6.000 t fest und den Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich auf 1.200 t. Der Anwalt ist der Auffassung, der Wert der Ehesache müsse 7.500 t betragen und der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich 1.500 t. Eine Beschwerde wäre jetzt nicht zulässig, da der Beschwerdewert von über 200 t nicht erreicht wird. Die Beschwer beträgt bei 2,5 Gebühren zzgl. 19 % Umsatzsteuer 151,73 t.

1.579

Später entscheidet das Gericht über die abgetrennte Folgesache Zugewinnausgleich, die sich ohne Bezifferung bereits in der Leistungsstufe erledigt. Das Gericht setzt den Verfahrenswert auf 15.000 t fest. Der Anwalt ist der Auffassung, dass der Verfahrenswert für den Zugewinnausgleich 18.000 t betrage. Auch hier 1 So im Fall des OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2013 – 4 WF 281/12, FamRZ 2013, 1511 (Ausgangsentscheidung); OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2013 – 4 WF 281/12, AGS 2013, 414 (Bestätigung aufgrund Gegenvorstellung).

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1. Teil Verfahrensrecht wäre eine Beschwerde mangels Erreichens des Beschwerdewerts nicht zulässig. Die Beschwer beträgt bei 2,5 Gebühren zzgl. Umsatzsteuer lediglich 136,85 t. Betrachtet man allerdings den Gesamtwert, der sich nach der Festsetzung des Gerichts auf 22.200 t beläuft und den Gesamtwert, wie ihn der Anwalt mit 27.000 t berechnet, ergibt sich nunmehr bei 2,5 Gebühren zzgl. 19 % Umsatzsteuer (223,13 t) eine Beschwer von mehr als 200 t. Durch die Teilwertfestsetzungen würde dem Anwalt also das Recht zur Beschwerde genommen.

1.580 Da das FamGKG ebenso wenig wie das GKG Teilwertfestsetzungen kennt, darf nur eine einzige endgültige Wertfestsetzung ergehen, nämlich mit Abschluss des gesamten Verfahrens, also mit Entscheidung oder Erledigung der letzten abgetrennten Folgesache.

1.581 Das schließt es nicht aus, dass das Gericht im Rahmen einer Vorwegentscheidung eine Wertfestsetzung für die mit entschiedenen Folgesachen trifft und ggf. in diesem Rahmen auch seine vorläufige Wertfestsetzung zur Ehesache abändert. Der Sache nach bleibt es insoweit aber bei vorläufigen Wertfestsetzungen, die nicht anfechtbar sind und die folglich auch keine Beschwerdefrist auslösen. d) Entbehrlichkeit im Beschwerdeverfahren

1.582 Einer endgültigen Wertfestsetzung bedarf es lediglich im Beschwerdeverfahren nicht, wenn das Gericht bereits den Wert für die Zulässigkeit einer Beschwerde festgesetzt hat und dieser nach § 54 FamGKG auch für den Verfahrenswert gilt (§ 55 Abs. 2 FamGKG).

1.583 Ist ein Wert für die Zulässigkeit der Beschwerde bereits festgesetzt worden, gilt dieser aber nicht nach § 54 FamGKG auch für den Verfahrenswert, muss noch ein gesonderter Verfahrenswert festgesetzt werden.

1.584 Ein solcher Fall divergierender Werte ist z.B. in Unterhaltssachen gegeben. 1.585 Beispiel: Das minderjährige Kind (10 Jahre) hat im Januar 2021 einen Antrag auf Zahlung von monatlichem

Unterhalt gegen den Kindesvater eingereicht und beantragt, ihn ab Januar 2021 zu verpflichten, 409,50 t monatlichen Unterhalt (Einkommensgruppe 4) zu zahlen. Der Kindesvater wird antragsgemäß verpflichtet. Er legt Beschwerde gegen die Entscheidung des Familiengerichts ein, soweit er zu einer höheren Unterhaltszahlung als monatlich 364,50 t (Einkommensgruppe 2) verpflichtet worden ist.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag 600 t überschreitet (§ 61 Abs. 1 FamFG). Für die Berechnung des Beschwerdegegenstands im Rahmen der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht auf das FamGKG abzustellen, da dies nur für die Gerichtsgebühren gilt. Da eine ausdrückliche Regelung der Berechnung der Beschwer im FamFG fehlt, dürfte eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorzunehmen sein (s. das Stichwort „Unterhaltssachen“ im FamR-Teil, Rz. 3.2006 ff.), so dass gem. § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahresbetrag abzustellen sein dürfte und sich somit hier ein Wert i.H.v. (42 + 1) × 45 t = 1.935 t ergibt. Für die Gerichtsgebühren gilt dieser Wert jedoch nicht. Hier ist gem. § 40 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, § 51 Abs. 1, 2 FamGKG auf den Jahreswert zzgl. der fälligen Beträge abzustellen, also auf 13 × 45 t = 585 t.

1.586 Die endgültige Wertfestsetzung ergeht durch Beschluss (§ 55 Abs. 2 FamGKG). Dieser Beschluss kann in dem Hauptsachebeschluss enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen. 2. Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung

1.587 Im Beschlusstenor ist der Wert für die anfallenden Gerichtsgebühren anzugeben. In den meisten Fällen wird nur eine Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen erhoben, so dass auch nur ein Wert festzusetzen ist. Gestaffelte Wertfestsetzungen sind auch in Familiensachen nicht zulässig.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Auf die Ausführungen zur vergleichbaren Lage bei der Wertfestsetzung nach dem GKG wird insoweit Bezug genommen (s. Rz. 1.250 ff.). Setzt sich der Wert für die Gerichtsgebühren aus mehreren Teilwerten zusammen, so insbesondere 1.588 im Verbundverfahren (§ 44 Abs. 2 FamGKG) oder bei Antrag und Widerantrag, beschiedenen Hilfsanträgen oder Hilfsaufrechnungen, reicht es, den Gesamtwert festzusetzen, da auch in diesen Fällen nur eine Gebühr erhoben wird. Die Angabe der Einzelwerte ist eine Frage der Begründung. Andererseits schadet es auch nicht, die Einzelwerte im Tenor auszuweisen. Erforderlich ist der Ausweis der Einzelwerte – zumindest in der Begründung – im Verbundverfahren, wenn aus einzelnen Folgesachen nur ermäßigte Gerichtsgebühren (s. Nrn. 1111, 1122, 1132 KV FamGKG) angefallen sind, da anderenfalls die Gebührenberechnung nicht möglich ist.

1.589

Soweit ausnahmsweise einmal mehrere Gerichtsgebühren anfallen, ist für jede Gerichtsgebühr der maßgebende Wert festzusetzen.

1.590

Beispiel: Der Antragsgegner ist verpflichtet worden, 50.000 t Zugewinn zu zahlen. Er beantragt die Zulassung der Sprungrevision. Später nimmt er den Antrag i.H.v. 20.000 t zurück. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

1.591

Aus dem Wert der zurückweisenden Entscheidung entsteht eine 1,5-Gebühr nach Nr. 1228 KV FamGKG. Aus dem Wert der Rücknahme entsteht dagegen nur eine 1,0-Gebühr nach Nr. 1229 KV FamGKG. Das Gericht muss daher zwei Werte festsetzen.

Mehrere Wertfestsetzungen sind auch dann vorzunehmen, wenn neben der Gebühr für das Verfahren 1.592 im Allgemeinen eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG erhoben wird. Beispiel: In einem Unterhaltsverfahren haben die Beteiligten einen Vergleich über eine nicht anhängige Zugewinnforderung geschlossen.

1.593

Das Gericht muss jetzt zwei Werte festsetzen. Zum einen muss es einen Wert für das Verfahren festsetzen, da sich hiernach die Gebühr Nr. 1310 KV FamGKG berechnet und eine weitere Gebühr für den Mehrwert des Vergleichs, da hieraus eine Gebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG entstanden ist.

Ebenso ist eine gesonderte Wertfestsetzung erforderlich, wenn eine Verzögerungsgebühr erhoben wird, da sich diese ebenfalls nach dem Verfahrenswert berechnet. Hier kann allerdings auch ein geringerer Wert in Betracht kommen, wenn die Verzögerung nur einen Teil des gesamten Verfahrensgegenstands betrifft.

1.594

b) Zulassung der Beschwerde Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG die Beschwerde gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt.

1.595

Erforderlich ist es allerdings im Tenor nur, eine (positive) Zulassungsentscheidung aufzunehmen. Soweit das Gericht die Beschwerde nicht ausdrücklich zulässt, gilt dies als Nichtzulassung.

1.596

Eindeutiger ist es dagegen, auch in diesen Fällen im Tenor auszusprechen, dass die Beschwerde nicht 1.597 zugelassen wird, da dies der Klarheit dient und insbesondere zeigt, dass das Gericht sich auch über die Zulassungsfrage Gedanken gemacht hat, womit ggf. überflüssige Berichtigungs- oder Ergänzungsanträge vermieden werden. Eines Zulassungsantrags bedarf es nicht. Das Gericht muss von Amts wegen über die Frage der Zu- 1.598 lassung entscheiden. Dem „Antrag“ eines Beteiligten kommt insoweit lediglich der Charakter einer Anregung zu.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.599 Andererseits ist es häufig zweckmäßig, die Zulassung der Beschwerde zu beantragen. So kann es sinnvoll sein, auf die grundsätzliche Bedeutung oder divergierende Rechtsprechung bereits im Wertfestsetzungsverfahren hinzuweisen und dazu vorzutragen, damit das Gericht sich Gedanken über die Zulassung macht. Eine unterbliebene Zulassung kann nämlich grundsätzlich nicht nachgeholt werden (s. Rz. 1.655 ff.).

1.600 Eine Zulassung ist insbesondere dann geboten, wenn es sich um eine grundsätzliche Bewertungsfrage handelt, die in einer Vielzahl von Fällen auftritt und deren Bewertung noch nicht abschließend entschieden ist.

1.601 Darüber hinaus ist die Zulassung geboten, wenn das Gericht von der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts abweichen will oder von Entscheidungen anderer Gerichte und eine grundsätzliche Entscheidung des zuständigen Beschwerdesenats noch nicht vorliegt. c) Rechtsbehelfsbelehrung

1.602 Nach § 8a FamGKG muss der Wertfestsetzungsbeschluss auch eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. 3. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit

1.603 Die endgültige Wertfestsetzung kann vom Gericht nachträglich von Amts wegen abgeändert werden (§ 55 Abs. 3 FamGKG).

1.604 Zur Abänderung berechtigt ist immer das Gericht, das den Wert festgesetzt hat (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG).

1.605 Darüber hinaus ist auch ein Rechtsmittelgericht berechtigt, den Wert abzuändern, wenn die Sache vor dem Rechtsmittelgericht anhängig ist (§ 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG). Daher kann das OLG eine Festsetzung des Familiengerichts abändern und der BGH sowohl eine Festsetzung des Familiengerichts als auch des OLG.

1.606 Eine Abänderung durch die Vorinstanz ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die eigene Wertfestsetzung zwischenzeitlich von einem Rechtsmittelgericht abgeändert worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abänderung aufgrund einer Beschwerde erfolgte oder gem. § 55 Abs. 3 FamGKG von Amts wegen während der Anhängigkeit im Rechtsmittelverfahren.

1.607 Die Abänderungsmöglichkeit besteht grundsätzlich nur innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG, also innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat.

1.608 Die Frist beginnt mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens (§ 45 FamG) oder anderweitiger Beendigung. Sie beginnt also im Falle einer Endentscheidung (§ 38 Abs. 1 FamFG), sobald diese rechtskräftig geworden ist (§ 45 FamFG).

1.609 Im Verbund hindert ein lediglich gegen eine Folgesache eingelegtes Rechtsmittel zwar nicht den Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich der Ehesache und ggf. weiterer nicht angegriffener Folgesachen. Diese werden gem. § 145 Abs. 1 FamFG mit Ablauf der Anschlussrechtsmittelfrist rechtskräftig; dennoch beginnt hier die Sechsmonatsfrist nicht zu laufen, da für das gesamte Verbundverfahren ein einheitlicher Wert festzusetzen ist (§ 44 FamGKG).

1.610 Beispiel: Im Scheidungsverbundverfahren wird auch über Versorgungsausgleich und Zugewinn entschieden. Die Ehefrau legt gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich Beschwerde ein.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG Die Entscheidung über die Ehesache und andere Folgesachen wird zwar mit Ablauf der Frist zur Anschlussbeschwerde (§ 145 Abs. 1 FamFG) rechtskräftig. Solange jedoch noch ein Teil des Verbundverfahrens in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, kann der Wert des Verbundverfahrens insgesamt abgeändert werden.

Ist nach Erlass der Entscheidung eine Gehörsrüge eingelegt worden, so beginnt die Sechsmonatsfrist mit der Entscheidung über die Gehörsrüge, im Falle

1.611

– einer Antragsrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist, – einer Rechtsmittelrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist, – einer übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung mit Abgabe der letzten erforderlichen Erledigungserklärung, – eines Vergleichsabschlusses mit dessen Protokollierung oder gerichtlicher Feststellung (§ 278 Abs. 6 ZPO). Beim Tod eines Ehegatten beginnt sie in einer Ehesache mit dem Tod, da hiermit bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 131 FamFG die Erledigung der Hauptsache eintritt. Sofern die Hauptsache an ein Rechtsmittelgericht gelangt, kann – und muss – das Rechtsmittelgericht einen fehlerhaft festgesetzten Verfahrenswert der Vorinstanz von Amts wegen abändern (§ 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG).

1.612

Eine solche Abänderung des Verfahrenswertes ist unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache. Auch wenn das Rechtsmittelgericht das Rechtsmittel als unbegründet zurückweist, kann und muss es den Verfahrenswert ggf. abändern.

1.613

Der Verfahrenswert kann auch dann geändert werden, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist. Auch im Rahmen einer unzulässigen Beschwerde ist das Rechtsmittelgericht befasst. Es ist nämlich zuständig dafür, zu entscheiden, ob das Rechtsmittel zulässig ist oder nicht. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist es dann auch befugt, den Verfahrenswert zu ändern, da das Verfahren bei ihm anhängig ist.

1.614

Unklar ist, ob das Rechtsmittelgericht auch dann von Amts wegen den Wert abändern darf, wenn das Rechtsmittel unstatthaft ist. Gegen eine Berechtigung zur Abänderung spricht, dass ein gesetzlich nicht gegebenes Rechtsmittel in der Hauptsache auch nicht dazu führen darf, dass die Entscheidung in einem Nebenpunkt abgeändert wird. Andererseits ist das Rechtsmittelgericht dazu berufen, über die Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels, die ja durchaus strittig sein kann, zu entscheiden und insoweit für die Entscheidung (über die Unzulässigkeit) berufen ist.

1.615

Nicht verwechselt werden darf dies mit der Frage, ob das Gericht auch auf eine unzulässige Beschwerde gegen den Verfahrenswert berechtigt ist, diesen abzuändern (s. Rz. 1.724).

1.616

VII. Gegenvorstellung Gegen die endgültige Wertfestsetzung des Gerichts kann immer eine Gegenvorstellung erhoben werden.

1.617

Da der Verfahrenswert von Amts wegen zutreffend festzusetzen und ggf. von Amts wegen abzuändern ist (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG), muss das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine Festsetzung prüfen und ggf. abändern.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.619 Die Gegenvorstellung ist allerdings befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG eingelegt werden, da das Gericht nur in diesem Zeitraum zur Abänderung berechtigt ist.

1.620 Ist die Gegenvorstellung allerdings innerhalb dieser Frist erhoben worden, dann kann und muss das Gericht auch noch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist seine Festsetzung ändern.1

1.621 Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Frist festgesetzt worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung Gegenvorstellung erhoben werden. Es kann hier nichts anderes gelten als für eine Beschwerde (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 FamGKG).

1.622 Die Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf und kein Rechtsmittel und führt daher – im Gegensatz zur Beschwerde – nicht zur Eröffnung einer weiteren Instanz, sondern wird von dem festsetzenden Gericht endgültig beschieden. Dafür löst eine Gegenvorstellung keine gesonderten Kosten aus, da sie zur Instanz gehört.

1.623 Die Gegenvorstellung ist auch dann zulässig, wenn eine Beschwerde möglich wäre. Sie ist nicht subsidiär.

1.624 Muster 15: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung Amtsgericht … – Familiengericht – In Sachen … ./. … lege ich in eigenem Namen gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes Gegenvorstellung ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert für den von der Antragstellerin erhobenen Antrag auf Zahlung laufenden Unterhalts auf 6.000 a festgesetzt und ist dabei gem. §§ 35, 51 Abs. 1 FamGKG von dem einjährigen Bezug ausgegangen. Das Gericht hat dabei übersehen, dass § 51 Abs. 1 FamGKG nur die auf die Antragseinreichung folgenden zwölf Monate entfallenden Unterhaltsbeträge erfasst. Bei Antragseinreichung fällige Beträge sind nach § 51 Abs. 2 FamGKG hinzuzurechnen. Da die Antragstellerin auch für den laufenden Monat der Antragseinreichung Unterhalt verlangt hat und der Unterhalt am Ersten eines Monats im Voraus zu zahlen ist (§ 1612 Abs. 3 BGB), hätte dieser Monatsbetrag hinzugerechnet werden müssen, so dass sich ein Wert i.H.v. 13 × 500 a = 6.500 a ergibt. Rechtsanwalt

VIII. Beschwerde 1. Statthaftigkeit

1.625 Neben der Gegenvorstellung als Rechtsbehelf kommt die Beschwerde nach § 59 FamGKG als Rechtsmittel gegen eine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG in Betracht.

1 OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2008 – 8 W 23/07, AGS 2008, 406.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Die Beschwerde ist allerdings nicht nur gegen die endgültige Wertfestsetzung selbst gegeben, sondern auch gegen eine unterlassene Wertfestsetzung. Weigert sich das Gericht, eine endgültige Wertfestsetzung vorzunehmen, obwohl diese geboten ist, kann auch dagegen Beschwerde eingelegt werden.

1.626

Eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 FamGKG ist nicht zulässig 1.627 (s. Rz. 1.550 ff.). Die Beschwerde ist allerdings nur gegen eine Entscheidung des Familiengerichts, also des AG (§ 23a Abs. 1 GVG), gegeben.

1.628

Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des OLG ist nicht statthaft, da dessen Entscheidungen nach § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar sind.

1.629

Das gilt auch dann, wenn das OLG die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Die Zulassung eines nicht statthaften Rechtsmittels ist nicht möglich und bindet daher den BGH nicht (s. Rz. 1.730).

1.630

Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des BGH wiederum kommt schon deshalb nicht in Be- 1.631 tracht, weil es darüber kein Beschwerdegericht gibt. 2. Zuständigkeit Zur Entscheidung über die Beschwerde ist das OLG berufen. Ungeachtet dessen ist die Beschwerde 1.632 jedoch beim Familiengericht einzureichen (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 4 FamGKG). Die Einreichung beim OLG ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde dennoch beim OLG eingereicht, muss es sie an das Familiengericht abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend.

1.633

Das Familiengericht kann der Beschwerde allerdings abhelfen, wodurch sich das Beschwerdeverfah- 1.634 ren erledigt. Soweit es der Beschwerde nicht abhilft, hat es sie dem OLG zur Entscheidung vorzulegen. 3. Beschwerdeberechtigte Beschwerdeberechtigt ist zunächst einmal jeder Verfahrensbeteiligte (§ 7 FamFG), also insbesondere 1.635 der Antragsteller und der Antragsgegner. Darüber hinaus sind aber auch alle weiteren Personen, die nach § 7 FamFG derart am Verfahren beteiligt sind, dass sie für Gerichtsgebühren einzustehen haben oder dass ihnen Anwaltskosten entstanden sind, die sich nach dem vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert richten (§ 32 Abs. 1 RVG). Daher kann insbesondere auch ein Nebenintervenient Beschwerde erheben. Beschwerdeberechtigt sind ferner die Verfahrensbevollmächtigten selbst, soweit sich ihre Gebühren 1.636 nach dem vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert richten (§ 32 Abs. 2 RVG). Auch die Landeskasse ist berechtigt, gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes Beschwerde zu er- 1.637 heben. Sie kann zum einen Heraufsetzungsbeschwerde erheben, wenn sich dadurch eine höhere Gerichtsgebühr ergibt. Sie kann darüber hinaus Herabsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie damit erreichen will, dass sie einem im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordneten Rechtsanwalt nur geringere Gebühren zahlen muss.

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1. Teil Verfahrensrecht

4. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung

1.638 Soweit sich ein Beteiligter oder ein Verfahrensbevollmächtigter mit der erstinstanzlichen Wertfestsetzung einverstanden erklärt hat, liegt darin noch kein Verzicht auf sein Beschwerderecht.1 Ebenso wenig liegt darin ein Wegfall der Beschwer.

1.639 Das folgt schon daraus, dass der gerichtliche Verfahrenswert nicht zur Disposition der Beteiligten steht, sondern von Amts wegen stets richtig festzusetzen ist. Bei besserer Erkenntnis kann jeder Beteiligte oder Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG die Korrektur des Verfahrenswertes, notfalls im Wege der Beschwerde, verlangen. 5. Verlust des Beschwerderechts durch Rechtsmittelverzicht der Festsetzung

1.640 Hier gilt das Gleiche wie in Verfahren nach dem GKG (s. Rz. 1.327 ff.). 6. Zulässigkeit a) Überblick

1.641 Die Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des Familiengerichts ist nur zulässig, – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 v übersteigt (§ 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) oder – die Beschwerde vom Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss, der die Wertfestsetzung enthält, zugelassen worden ist (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). b) Beschwer

1.642 Voraussetzung ist sowohl bei der wertabhängigen als auch bei der zugelassenen Beschwerde, dass auch eine Beschwer gegeben ist.

1.643 Die Beschwer eines Beteiligten setzt voraus, dass er zur Zahlung oder Erstattung von Anwalts- oder Gerichtskosten verpflichtet ist und er einen geringeren Verfahrenswert geltend macht, so dass ihn im Falle einer Abänderung geringere Kosten treffen würden. Eventuelle Erstattungsansprüche gegen Dritte haben dabei außer Ansatz zu bleiben, da deren Realisierung ungewiss ist.

1.644 Beispiel: Die gesamten Kosten des Verfahrens sind dem Antragsteller auferlegt worden. Der Antragsgegner ist beschwert, da er nach dem Verfahrenswert seinem Anwalt die Vergütung schuldet. Die Beschwer fällt nicht dadurch weg, dass er in derselben Höhe einen Erstattungsanspruch gegen den Antragsteller hat, da nicht feststeht, ob er seine Forderung auch wird realisieren können.

1.645 Eine Beschwer des Beteiligten ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil ihm Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Er ist nämlich nicht von Erstattungsansprüchen Dritter befreit (§ 78 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 123 ZPO) und haftet im Falle von Ratenzahlungen oder Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe auf die Gerichts- und Wahlanwaltskosten.

1.646 Nur ausnahmsweise kann ein Beteiligter auch einmal durch einen zu geringen Wert beschwert sein, wenn er mit seinem Anwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hat und daher auf einen höheren Erstattungsanspruch spekuliert. Siehe Rz. 1.338.

1 Siehe Rz. 1.325.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Eine Beschwer der Landeskasse kann sich sowohl durch einen zu hohen Verfahrenswert ergeben, nämlich dann, wenn aufgrund dessen eine höhere Vergütung an die beigeordneten Anwälte auszuzahlen ist.

1.647

Die Landeskasse kann auch durch einen zu geringen Wert beschwert sein, weil sie dann nur geringere Gerichtsgebühren einziehen kann.

1.648

Der Anwalt wiederum kann nur durch einen zu geringen Wert beschwert sein, da er dann seine Vergütung nur nach dem geringeren Wert abrechnen kann.

1.649

Ist der Anwalt im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordnet worden, ist 1.650 gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da dem Anwalt insoweit ein weiter gehender Anspruch gegen den Auftraggeber zusteht, der unter den Voraussetzungen des § 50 RVG ggf. noch innerhalb der nächsten vier Jahre geltend gemacht werden kann. Abgesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 78 Abs. 1 FamFG i.V.m. 126 ZPO). Daher ist für ihn auch dann eine Beschwerde gegeben, wenn die Höchstbeträge des § 49 RVG bereits erreicht sind. Siehe Rz. 1.341 ff. Voraussetzung ist stets, dass sich durch die Wertveränderung auch eine Veränderung der daraus berechneten Kosten ergibt. Daher ist keine Beschwer gegeben, wenn lediglich eine Wertänderung innerhalb derselben Gebührenstufe beantragt werden soll.

1.651

Ebenso ist für die Landeskasse keine Beschwer gegeben, wenn sie eine Herabsetzung des Verfahrenswertes oberhalb der Grenze des § 49 RVG beantragt, da sie ohnehin nie mehr als die Höchstbeträge zahlen muss.

1.652

c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick Die Beschwerde gegen die endgültige Wertfestsetzung ist wertunabhängig zulässig, wenn das Familiengericht die Beschwerde in seinem Wertfestsetzungsbeschluss zugelassen hat (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

1.653

Das OLG ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, selbst wenn das Familiengericht die grundsätzliche Bedeutung zu Unrecht bejaht hat (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG). Es muss sich allerdings um eine wirksame Zulassung handeln (s. Rz. 1.655 ff.).

1.654

bb) Keine nachträgliche Zulassung Die Zulassung der Beschwerde muss in dem Beschluss, der die Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 1.655 FamGKG enthält, ausgesprochen worden sein (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist grundsätzlich nicht möglich; ebenso wenig eine Anfechtung der Nichtzulassung (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG). Das OLG ist an eine unzulässige nachträgliche Zulassung der Beschwerde auch nicht gebunden. Die Bindungswirkung der Zulassung erstreckt sich nur auf eine zulässige und statthafte Zulassung. Soweit also eine nachträgliche Zulassung erfolgt ist, muss das OLG im Rahmen der Zulässigkeit prüfen, ob hier ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung nachgeholt werden durfte (s. Rz. 1.420, 1.708).

1.656

Von einer nicht statthaften nachträglichen Zulassung zu unterscheiden ist eine zulässige Änderung 1.657 der Ausgangsentscheidung infolge Berichtigung, Ergänzung oder Gehörsrüge. In diesem Fall liegt keine gesonderte nachträgliche Zulassung vor. Vielmehr wird die Zulassung Bestandteil der Ausgangsentscheidung.

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1. Teil Verfahrensrecht

cc) Berichtigung

1.658 Nach § 42 FamFG kann ein fehlerhafter Beschluss jederzeit berichtigt werden. Beruht also der fehlende Ausspruch über die Zulassung der Beschwerde auf einem Schreibfehler oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 42 FamFG oder § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 319 ZPO, kann dieser Fehler jederzeit berichtigt und die Zulassung ausgesprochen werden.1 Das Versehen des Familiengerichts muss sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei der Beschlussfassung ergeben und auch für Dritte ohne weiteres deutlich sein. Faktisch handelt es sich nicht um eine nachträgliche Entscheidung über die Zulassung, sondern nur um die Korrektur eines Fehlers im ursprünglichen Beschluss. dd) Ergänzung

1.659 Hat das Gericht übersehen, über die Zulassung zu entscheiden, so ist eine Ergänzung des Beschlusses möglich, wenn die Entscheidung über die Zulassung übergangen worden ist (§ 43 FamFG; § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 321 ZPO). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Zulassung ausdrücklich beantragt worden ist, das Gericht aber diesen „Antrag“ übergangen hat.

1.660 Hat das Gericht die Beschwerde nicht zugelassen, weil es der Auffassung war, es bestehe kein Zulassungsgrund, dann darf es diese jedoch nicht nachholen.

1.661 Hat das Gericht dagegen übersehen, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich davon aus-

gegangen ist, der Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t sei erreicht und die Beschwerde daher ohnehin zulässig, so dass sie nicht gesondert zugelassen werden bräuchte, kommt eine Abänderung oder nachträgliche Zulassung nicht in Betracht. Nimmt das OLG dagegen einen Wert von unter 200,01 t an, dann muss es die Sache zunächst dem Familiengericht zurückgeben, damit dieses nunmehr die unterbliebene Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholt.2

1.662 Beispiel: In seinem Wertfestsetzungsbeschluss führt das Familiengericht aus, einer Zulassung der Beschwerde bedürfe es nicht, da sich die Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Verfahrenswert auf mehr als 200 t belaufe. Tatsächlich liegt die Differenz unter 200 t. Das OLG muss jetzt zunächst die Sache an das Familiengericht zurückgeben, damit dieses nunmehr über die Zulassung entscheidet.

ee) Gehörsrüge

1.663 Möglich ist die „nachträgliche“ Zulassung auf eine begründete Gehörsrüge hin (§ 61 FamGKG), wenn also die Nichtzulassung der Beschwerde auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhte.

1.664 Hat das Gericht über die Nichtzulassung der Beschwerde unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entschieden, und wird gegen den Beschluss Gehörsrüge eingelegt (§ 61 FamGKG), so kann das Gericht seine Entscheidung abändern. Ein solcher Fall wäre z.B. gegeben, wenn das Gericht den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben hat, auf divergierende Rechtsprechung und damit eine zwingende Divergenzzulassung hinzuweisen. ff) Abhilfeentscheidung

1.665 Ändert das Familiengericht auf eine Gegenvorstellung hin seine ursprüngliche Wertfestsetzung ab, wozu es nach § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG berechtigt ist, dann liegt ein neuer Festsetzungsbeschluss nach § 55 Abs. 2 FamGKG vor, der jetzt auch wieder eine Zulassung enthalten darf. Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus der geänderten Rechtsauffassung des Gerichts jetzt erstmals der Zulassungsgrund ergibt. 1 BGH, Beschl. v. 14.9.2004 – VI ZB 61/03, AGS 2004, 480 = MDR 2005, 103. 2 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = MDR 2010, 886.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Ein Verstoß gegen § 59 Abs. 1 Satz 2 FamFG liegt nicht vor, weil Gegenstand der Anfechtung jetzt nicht der abgeänderte Ausgangsbeschluss ist, sondern der Abhilfebeschluss und dieser enthält die Zulassung, so dass § 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG gewahrt ist.

1.666

Beispiel: Das Gericht hat den Verfahrenswert festgesetzt. Eine Beschwerde kommt nicht in Betracht, da die Beschwer von mehr als 200 t nicht erreicht ist. Nunmehr wird Gegenvorstellung erhoben. Das Gericht ändert, wozu es nach § 55 Abs. 3 FamGKG berechtigt ist, den Verfahrenswert ab.

1.667

Mit seiner Abänderungsentscheidung kann es die Beschwerde zulassen, wenn sich aus der Abänderung jetzt ein Zulassungsgrund ergibt, etwa weil die Abänderung in Divergenz zu anderweitiger Rechtsprechung steht.

d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick Ist die Beschwerde nicht zugelassen, so muss der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigen, also mindestens 200,01 v betragen. Dabei kommt es nicht auf die Differenz zwischen dem begehrten und dem festgesetzten Verfahrenswert an, sondern auf die Differenz der Kosten, die sich nach dem festgesetzten und dem begehrten Verfahrenswert ergibt.

1.668

– Legt der Anwalt gem. § 32 Abs. 2 RVG die Beschwerde ein, so ist lediglich auf die Differenz seiner Vergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. Ist der Anwalt im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen (s. Rz. 1.341 ff.). – Wird die Beschwerde im Namen eines Beteiligten eingelegt, wird also eine Herabsetzung des Wertes beantragt, so ist – zunächst immer die Differenz der Gebühren, die der Beteiligte seinem Rechtsanwalt schuldet, nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert zu berücksichtigen und darüber hinaus, – soweit er als Kostenschuldner (auch Zweitschuldner) für die Gerichtskosten in Betracht kommt, auch die Differenz der Gerichtskosten zwischen den jeweiligen Werten und – soweit der Beteiligte auch noch zur Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet ist, ist die Differenz des Erstattungsbetrages nach dem festgesetzten und dem begehrten Wert maßgebend.

1.669

Zur Berechnungsbeispielen s. Rz. 1.365 ff. bb) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200 v oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache kommt dann nicht mehr in Betracht. Die Entscheidung des Familiengerichts ist vielmehr endgültig.

1.670

Allerdings kann das Familiengericht die Beschwerde nicht selbst verwerfen. Ihm steht keine Verwer- 1.671 fungskompetenz zu. Die Sache ist auch in diesem Fall dem OLG vorzulegen, wenn die Beschwerde im Hinblick auf die Teilabhilfe und ihre damit eingetretene Unzulässigkeit nicht zurückgenommen wird. Das OLG hat dann nach Hinweis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sofern sie nicht zuvor 1.672 zurückgenommen wird.

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1. Teil Verfahrensrecht

cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme

1.673 Wird die Beschwerde vor der Nichtabhilfeentscheidung teilweise zurückgenommen, so richtet sich der für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands nur nach dem verbleibenden Interesse des Beschwerdeführers.

1.674 Wird die Beschwerde dagegen erst nach der Nichtabhilfeentscheidung und Eingang der Akte beim OLG teilweise zurückgenommen, so bleibt eine bis dahin gegebene Zulässigkeit erhalten. 7. Beschwerdefrist

1.675 Die Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG).

1.676 Zur Berechnung der Frist s. Rz. 1.383 ff. 1.677 Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist festgesetzt oder abgeändert worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 FamGKG).

1.678 In Anbetracht der nach § 55 Abs. 3 FamGKG vorgesehenen Sechsmonatsfrist ist eine zeitlich frühere Verwirkung des Beschwerderechts ausgeschlossen.1

1.679 Ist in einem Verbundverfahren eine Folgesache abgetrennt worden, ohne dass damit der Verbund aufgelöst worden ist (§ 137 Abs. 5 FamFG), beginnt die Frist erst mit rechtskräftigem Abschluss oder anderweitiger Erledigung der Folgesache.2 Das gesamte Verbundverfahren gilt als ein Verfahren (§ 44 FamGKG), so dass auch nur einheitlich ein Wert festgesetzt werden kann. Eine Teilwertfestsetzung kennt das FamGKG nicht. Soweit für die vorab entschiedenen Gegenstände ein Wert festgesetzt worden ist, handelt es sich nur um eine vorläufige Wertfestsetzung. Anderenfalls könnten sich widersprüchliche Entscheidungen ergeben.

1.680 Beispiel: Das Gericht hat den Versorgungsausgleich abgetrennt und über die Ehesache entschieden. Den Verfahrenswert für die Ehesache setzt es ausgehend von einem Monatseinkommen beider Eheleute i.H.v. insgesamt 4.000 t auf 12.000 t fest. Über den Versorgungsausgleich wird ein Jahr später entschieden. Jetzt stellt das Gericht fest, dass das Monatseinkommen beider Eheleute 8.000 t betrug. Würde man eine endgültige Wertfestsetzung zur Ehesache annehmen, wäre diese nicht mehr anfechtbar. Das Gericht müsste jetzt für den Versorgungsausgleich (10 % der Ehesache je Anrecht) entweder ausgehend von dem unzutreffend festgesetzten Wert der Ehesache sehenden Auges falsch festsetzen oder es müsste richtig festsetzen, sich damit aber in Widerspruch zu seiner Festsetzung hinsichtlich der Ehesache setzen.

8. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.681 Wird die Frist zur Einlegung der Verfahrensbeschwerde versäumt, sei es also, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG oder nicht innerhalb der Monatsfrist des § 55 Abs. 1 Satz 3 FamGKG erhoben worden ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG), kann dem Beschwerdeführer vom OLG Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (§ 59 Abs. 2 FamGKG).

1 OLG Hamm, JurBüro 1977, 73; OLG Hamburg, MDR 1964, 931; OLG Frankfurt, Rpfleger 1960, 255. 2 A.A. OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2013 – 4 WF 281/12, FamRZ 2013, 1511; OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2013 – 4 WF 281/12, AGS 2013, 414.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Die Wiedereinsetzung wird nur auf Antrag des Beschwerdeführers gewährt. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht.

1.682

Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§§ 11, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Ein fehlendes Verschulden wird vermutet, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unzutreffend ist (§ 59 Abs. 2 Satz 2 FamGKG). Ist der Beschwerdeführer allerdings anwaltlich vertreten, wird in der Praxis regelmäßig ein Verschulden vermutet, da der Anwalt die zutreffenden Fristen kennen muss.

1.683

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses 1.684 zu stellen. Innerhalb der gleichen Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 59 Abs. 2 Satz 1 FamGKG). Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 59 Abs. 2 Satz 2 FamGKG).

1.685

Zwar entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag das OLG; da die nachgeholte Beschwerde jedoch zwingend beim Familiengericht einzureichen ist (§ 57 Abs. 4 Satz 4 FamGKG), muss dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag gelten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wiedereinsetzung nur hilfsweise beantragt wird.

1.686

Über die Wiedereinsetzung entscheidet alleine das OLG. Das Familiengericht muss also, wenn es vom 1.687 Ablaufder Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem OLG vorlegen. Eine Abhilfe durch das Familiengericht ist nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, für die dem Familiengericht keine Entscheidungskompetenz zusteht. Gibt das OLG dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem Familiengericht zurückzugeben, das nunmehr zunächst über die Abhilfe zu entscheiden hat.

1.688

9. Form Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 FamGKG). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 FamGKG). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht.

1.689

Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich, da das Gericht von Amts wegen zutreffend zu entscheiden hat (§ 55 Abs. 2, 3 FamGKG). Gleichwohl ist ein Antrag oder eine Begründung sachdienlich, vor allen Dingen, weil anderenfalls ggf. Schwierigkeiten bestehen, im Falle des § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG den erforderlichen Beschwerdewert zu berechnen.

1.690

Für das Beschwerdeverfahren besteht kein Anwaltszwang, und zwar auch dann nicht, wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren Anwaltszwang besteht. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts kann daher auch der Beteiligte selbst einlegen.

1.691

10. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts hat keine aufschiebende Wirkung.

1.692

Allerdings ist ein laufendes Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO (§ 145 ZPO) oder ein Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG auszusetzen (§ 11 Abs. 4 RVG), bis über den Ver-

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1. Teil Verfahrensrecht

fahrenswert abschließend entschieden worden ist.1 Das gilt auch noch im Beschwerdeverfahren erfolgen.2 Auch das im Kostenfestsetzungsverfahren tätige Beschwerdegericht kann die ausstehende Wertfestsetzung nicht an sich ziehen.3

1.694 Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht vorgesehen, da § 59 Abs. 1 Satz 5 FamGKG die Vorschrift des § 57 Abs. 6 FamGKG von einer Verweisung ausdrücklich ausnimmt.4 Ungeachtet dessen kann die Gerichtskasse mit der Beitreibung der Kosten abwarten, bis über den Wert rechtskräftig entschieden ist. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet. 11. Abhilfeverfahren

1.695 Auf die Beschwerde hin hat das Familiengericht zunächst zu prüfen, ob der Beschwerde abzuhelfen ist (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 1 FamGKG).

1.696 Das weitere Verfahren richtet sich danach, ob und ggf. in welchem Umfang abgeholfen wird: – Soweit der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen wird, erübrigt sich die Vorlage an das Beschwerdegericht. – Soweit der Beschwerde nicht abgeholfen wird, ist die Sache alsdann dem Beschwerdegericht, also dem OLG, vorzulegen, das hierüber entscheidet. – Soweit der Beschwerde teilweise abgeholfen wird, ist zu differenzieren: – Bleibt die Beschwerde zulässig, weil – der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 t immer noch übersteigt oder – die Beschwerde zugelassen worden war ist sie dem OLG vorzulegen. – Ist die Beschwerde unzulässig geworden, – weil der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 t nicht (mehr) übersteigt und – die Beschwerde auch nicht zugelassen worden ist, muss das Familiengericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geben, aufgrund der Teilabhilfe seine jetzt unzulässig gewordene Beschwerde zurückzunehmen. Wird die Beschwerde nicht zurückgenommen, muss die Sache dem OLG vorgelegt werden. Das Familiengericht hat keine Verwerfungskompetenz.

1.697 Das Familiengericht hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Dazu gehört zumindest, dass die Beschwerde nebst Begründung den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme übermittelt wird. Legt ein Verfahrensbevollmächtigter Heraufsetzungsbeschwerde ein, so ist die Beschwerde den Beteiligten unmittelbar zuzustellen und nicht deren Verfahrensbevollmächtigten, da insoweit gegenläufige Interessen bestehen und die Beteiligten unmittelbar mit eigenen Interessen am Verfahren beteiligt sind.

1 BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, AGS 2014, 246 = MDR 2014, 566; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568; OLG München, Beschl. v. 16.10.2020 – 11 W 1436/20, JurBüro 2020, 660. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12, AGS 2014, 65. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2018 – 14 W 89/18, AGS 2019, 199. 4 KG, Rpfleger 1962, 121.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Im Verfahren der Verfahrenswertbeschwerde gilt wegen des Grundsatzes der Verfahrenswertwahrheit das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht.1 Das Gericht kann also auch im Abhilfeverfahren entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers festsetzen. Es kann also auf eine Heraufsetzungsbeschwerde hin den Wert herabsetzen und auf eine Herabsetzungsbeschwerde hin den Wert heraufsetzen.

1.698

Die Entscheidung über die Nichtabhilfe ist zu begründen. Soweit die Beschwerde neues Vorbringen und neue Argumente enthält, muss der Nichtabhilfebeschluss erkennen lassen, dass sich das Familiengericht damit auseinandergesetzt hat. Inhaltsleere Floskeln reichen dazu nicht aus.2

1.699

12. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung Gegen die Abhilfeentscheidung kann wiederum Beschwerde oder auch Anschlussbeschwerde erhoben werden.

1.700

Hilft das Gericht der Beschwerde in vollem Umfang ab, kann nunmehr ein anderer Beteiligter durch die Entscheidung erstmals beschwert sein, so dass er hiergegen jetzt Beschwerde einlegen kann. Das gilt auch dann, wenn zwischenzeitlich die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist. Die neue Beschwerde muss dann innerhalb eines weiteren Monats eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 FamGKG).

1.701

Voraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 200 t beträgt. Entweder muss also die Abhilfeentscheidung selbst einen Beschwerdegegenstand von mehr als 200 t geschaffen haben oder aus dem Zusammenspiel von Ausgangsentscheidung und Abhilfe ergibt sich jetzt zusammen ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t.

1.702

Das Gericht kann in seiner Abhilfeentscheidung aber auch die Beschwerde zulassen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG), wenn die Abhilfeentscheidung grundsätzliche Bedeutung hat oder von der Entscheidung anderer Gerichte abweicht.

1.703

Soweit das Gericht der Beschwerde teilweise abhilft und es die Sache wegen des nicht abgeholfenen Teils dem Beschwerdegericht vorlegen muss, kann der durch die Teilabhilfe erstmals beschwerte Beteiligte Anschlussbeschwerde erheben. Eine Zulassung oder das Erreichen eines bestimmten Wertes ist für die Anschlussbeschwerde nicht erforderlich.

1.704

Muster 16: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung

1.705

Amtsgericht … – Familiengericht – In Sachen … ./. … lege ich in eigenem Namen gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts Beschwerde ein. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte die Antragstellerin Zugewinnausgleich i.H.v. 30.000 a beantragt. Der Antragsgegner hat später Widerantrag gestellt und seinerseits beantragt, die Antragstellerin zur Zahlung von Zugewinnausgleich i.H.v. 20.000 a zu verpflichten.

1 Anders dagegen im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG (s. Rz. 1.1109). 2 LG Verden, Beschl. v. 24.6.2010 – 1 T 76/10; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.2.2010 – 9 WF 123/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2009 – 11 W 59/09, MDR 2010, 344.

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1. Teil Verfahrensrecht Das Gericht hat den Verfahrenswert auf 30.000 a festgesetzt, weil es offenbar der Auffassung ist, dass dem Antrag und dem Widerantrag derselbe Verfahrensgegenstand zugrunde liege und daher gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 FamGKG nur der höhere Wert maßgebend sei. Zutreffenderweise hätte der Gegenstandswert auf 50.000 a festgesetzt werden müssen. Beide Anträge sind zu addieren (§ 39 Abs. 1 Satz 1 FamGKG). Es liegt nicht derselbe Verfahrensgegenstand zugrunde. Zwar schließen sich die wechselseitigen Zugewinnausgleichsanträge aus. Es fehlt jedoch an der erforderlichen wirtschaftlichen Identität. Die Werte wechselseitiger Zugewinnausgleichsanträge sind daher zusammenzurechnen. Ich nehme insoweit Bezug auf OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1055 = FamRB 2007, 14; OLG Bamberg, NJW-RR 1995, 258 = FamRZ 1995, 492; OLG München, FamRZ 1997, 41; OLG Köln, FamRZ 1997, 41; OLG Köln, FamRZ 2001, 1386 = MDR 2001, 941; zuletzt OLG Celle, AGS 2010, 614 = FamRZ 2011, 134. Rechtsanwalt

13. Verfahren vor dem OLG a) Zuständigkeit

1.706 Das OLG entscheidet nach § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 5 Satz 1 FamGKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

1.707 Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zu übertragen, wenn sie besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG). b) Bindungswirkung der Zulassung

1.708 Das OLG ist an eine Zulassung der Beschwerde durch das Familiengericht gebunden (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

1.709 Es hat allerdings zu prüfen, ob die Zulassung wirksam ist, insbesondere, ob sie in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochen worden ist. An unwirksame Zulassungen – etwa nachträgliche Zulassungen (s. Rz. 1.352 ff.) – ist das OLG nicht gebunden. c) Verfahren

1.710 Das OLG prüft zunächst die Zulässigkeit, insbesondere die Formalien und die Frist in eigener Kompetenz.

1.711 Das OLG prüft insbesondere auch, ob der erforderliche Beschwerdewert gegeben ist, wenn die Beschwerde nicht zugelassen ist.

1.712 Hat das Familiengericht ersichtlich einen Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 t angenommen und daher über die Zulassung der Beschwerde nicht entschieden, muss das OLG die Sache dem Familiengericht zurückgeben, damit es über die Frage der Zulassung im Wege der Beschlussergänzung entscheidet.1

1.713 Ist der Wert des Beschwerdegegenstands infolge einer Teilabhilfe unter 200,01 t gesunken, so hat das OLG die Beschwerde – nach Hinweis – als unzulässig zu verwerfen. Es hat keine Abänderungsmöglichkeit. Insbesondere gilt § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG nicht, da diese Abänderungsmöglichkeit eine zulässige Beschwerde voraussetzt.

1 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = MDR 2010, 886.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Auch das OLG hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Verstöße hiergegen können mit der Gehörsrüge nach § 61 FamGKG geltend gemacht werden, wobei wegen der Möglichkeit der Gegenvorstellung der Gehörsrüge kaum Bedeutung zukommt (s. Rz. 1.732 f.).

1.714

d) Entscheidung aa) Form

1.715

Das OLG entscheidet durch Beschluss.

Die Beschwerdeentscheidung kann formlos mitgeteilt werden. Eine förmliche Zustellung ist grund- 1.716 sätzlich nicht erforderlich. Lediglich dann, wenn das OLG den Verfahrenswert abweichend vom FamG festgesetzt hat und bereits ein Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Grundlage der früheren Wertfestsetzung ergangen ist, ist eine Zustellung erforderlich, weil dadurch dann die Frist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 oder § 85 FamFG i.V.m. § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird.

1.717

bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung Fehlt eine Abhilfeentscheidung des FamG, so liegt darin grundsätzlich ein Verfahrensmangel, der 1.718 dazu führt, dass die Akten dem Familiengericht zurückzugeben sind, damit es zunächst über die Abhilfe entscheidet. Dies ist keine unnötige Förmelei. Sofern das Familiengericht abhilft, kommt eine Beschwerde nämlich nicht mehr in Betracht. Sofern der Beschwerdewert infolge einer Teilabhilfe unter den erforderlichen Beschwerdewert fällt, wäre die Beschwerde ebenfalls unzulässig. Soweit der Abhilfebeschluss mangelhaft ist, etwa weil er sich mit den mit der Beschwerde vorgebrachten Gründen nicht auseinandersetzt, ist die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe dem Familiengericht zurückzugeben.

1.719

Zu beachten ist, dass nur die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben ist, nicht auch die Ausgangsentscheidung über die Wertfestsetzung.

1.720

cc) Zurückverweisung Ist sogar die Ausgangsentscheidung mangelhaft, so kann das OLG auch die Festsetzung des Familiengerichts selbst aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die endgültige Wertfestsetzung an das Familiengericht zurückverweisen.

1.721

dd) Entscheidung in der Sache Entscheidet das OLG zur Sache, besteht keine Bindung an die Anträge der Beteiligten. Insoweit gilt § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG. Da auch das Rechtsmittelgericht den Verfahrenswert innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG jederzeit von Amts wegen abändern darf, ist es nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden.

1.722

Insbesondere gilt hier nicht das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das Beschwerdege- 1.723 richt kann also auch zum Nachteil des Beschwerdeführers entscheiden und den Wert im Falle einer Heraufsetzungsbeschwerde herabsetzen oder im Falle einer Herabsetzungsbeschwerde heraufsetzen. Zur Frage, ob das OLG von seinem Abänderungsrecht nach § 55 Abs. 3 FamGKG Gebrauch machen darf, wenn die Beschwerde unzulässig ist, s. Rz. 1.437 zum vergleichbaren Fall im Wertfestsetzungsverfahren nach dem GKG.

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1. Teil Verfahrensrecht

ee) Keine Anfechtung

1.725 Die Entscheidung des OLG ist unanfechtbar (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG). 1.726 Das OLG ist allerdings berechtigt, auf eine Gegenvorstellung hin in Anwendung des § 55 Abs. 3 FamGKG seine Beschwerdeentscheidung nachträglich abzuändern.1

1.727 Darüber hinaus sind eine Berichtigung nach § 42 FamFG, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 319 ZPO oder eine Ergänzung nach § 43 FamFG, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 321 ZPO möglich.

1.728 Ebenso ist eine Gehörsrüge nach § 61 FamGKG möglich, die in der Regel allerdings überflüssig ist, weil innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 FamGKG eine Gegenvorstellung in Betracht kommt, die zur Änderung der Wertfestsetzung führen kann.

IX. Weitere Beschwerde 1.729 Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft. Das FamGKG sieht sie nicht vor. Abgesehen davon schließt das Gesetz sie ausdrücklich aus, da eine Entscheidung des OLG unanfechtbar ist (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG).

X. Rechtsbeschwerde 1.730 Eine Rechtsbeschwerde ist ebenfalls nicht statthaft.2 Das FamGKG sieht sie nicht vor. Abgesehen davon, dass Entscheidungen des OLG unanfechtbar sind (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG). Darauf hinzuweisen, besteht Anlass, da dies vielen Beschwerdesenaten nicht bekannt ist und immer wieder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde ausgesprochen wird, die es gar nicht gibt!

XI. Erinnerung 1.731 Hat der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte den Gegenstandswert festgesetzt (z.B. im vereinfachten Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger oder der Zwangsvollstreckung) und wird der Beschwerdewert von mehr als 200 t nicht erreicht und ist die Beschwerde auch nicht zugelassen, findet gegen seine Entscheidung die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt, über die der Richter abschließend entscheidet. Allerdings kann der Richter im Rahmen seiner Entscheidung nunmehr auch die Beschwerde zulassen.3

XII. Gehörsrüge 1.732 Nach § 61 FamGKG kann Gehörsrüge erhoben werden, soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen worden ist.

1.733 Die Gehörsrüge hat im Verfahren der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach § 59 FamGKG jedoch letztlich keine Bedeutung, da das Gericht jederzeit von Amts wegen und auf Gegenvorstellung hin innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 FamFG die Wertfestsetzung abändern kann. Es fehlt in diesen Fällen in der Regel an der erforderlichen Rechtskraft.

1 Eine Abänderungsmöglichkeit des Familiengerichts besteht nicht mehr, da nur die eigene Wertfestsetzung abänderbar ist. 2 Siehe Rz. 1.457. 3 BGH, Beschl. v. 17.5.2017 – XII ZB 621/15, MDR 2017, 851 = FamRZ 2017, 1318.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

XIII. Verzögerungsrüge Unterbleibt die Wertfestsetzung oder wird eine Gegenvorstellung oder Beschwerde nicht beschieden, kann nach gem. § 198 GVG Verzögerungsrüge erhoben und Schadensersatz angekündigt werden.

1.733a

XIV. Verfassungsbeschwerde Ist gegen die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung der Rechtsweg ausgeschöpft, kommt auch die Verfassungsbeschwerde in Betracht, wenn die Partei oder der Anwalt durch die Streitwertfestsetzung in ihren Grundrechten verletzt sind. Dabei kann sowohl eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG1 in Betracht kommen als auch vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht.2

1.734

XV. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren Im Verfahren über die Wertfestsetzung werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Das Verfahren gehört mit zur Instanz.

1.735

Hier können lediglich Auslagen anfallen, ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 56 Satz 2 FamGKG i.V.m. Nr. 2005 KV FamGKG).

1.736

b) Gegenvorstellung Die Gegenvorstellung gehört mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus, abgesehen davon, dass es hierfür gar keinen Gebührentatbestand gibt. Wohl können Auslagen erhoben werden.

1.737

c) Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens auf Wiedereinsetzung und der Gehörsrüge fallen ebenfalls keine Gerichtsgebühren an (§ 57 Abs. 8 Satz 1 FamGKG).

1.738

Auslagen können erhoben werden, allerdings nur, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Vorbem. 2 Abs. 1 KV FamGKG).

1.739

Strittig ist auch hier wiederum, ob die Gebührenfreiheit nur für statthafte oder auch für unstatthafte Beschwerden gilt (s. Rz. 1.467).

1.740

d) Rechtsbeschwerdeverfahren Nach BGH wird im Rechtsbeschwerdeverfahren wird eine Festgebühr i.H.v. 132 t nach Nr. 1923 KV FamGKG erhoben, die sich im Falle der Rücknahme auf 66 t ermäßigt. Der Ausschluss des § 59 Abs. 3 Satz 1 FamGKG greift nach der Rspr. nicht, da er sich nur auf die (statthaften) Verfahren nach § 59 FamGKG bezieht, nicht aber auf ein unstatthaftes Rechtsbeschwerdeverfahren. Siehe Rz. 1.467.

1 Siehe z.B. BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.2.2007 – 1 BvR 2679/06, NJW 2007, 1445 = FamRZ 2007, 1081; BVerfG, Kammerbeschl. v. 2.11.2020 – 1 BvR 533/20, AGS 2020, 585 = NJW 2021, 52. 2 Siehe z.B. VGH Berlin, Beschl. v. 23.1.2013 – 37/11, AGS 2013, 334.

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1. Teil Verfahrensrecht

e) Erinnerung

1.742 Erinnerungsverfahren sind gerichtsgebührenfrei. f) Gehörsrüge

1.743 Gerichtsgebühren löst eine Gehörsrüge nicht aus, da das FamGKG hierfür keinen gesonderten Gebührentatbestand vorsieht. Der Tatbestand der Nr. 1800 KV FamGKG ist nicht anwendbar, da die Regelung nicht für die Gehörsrüge nach § 61 FamGKG gilt, sondern nur für die nach § 44 FamFG und abgesehen davon nach § 59 Abs. 3 Satz 1 FamGKG in den Verfahren über die Wertfestsetzung keine Gebühren erhoben werden dürfen.1 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren

1.744 Für den bereits in der Hauptsache beauftragten Anwalt löst die Tätigkeit im Verfahren auf Wertfestsetzung keine Vergütung aus. Diese Tätigkeit gehört für ihn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Gebührenrechtszug.

1.745 Ist der Anwalt ausschließlich im Wertfestsetzungsverfahren beauftragt, handelt es sich für ihn um eine Einzeltätigkeit, die nach Nr. 3403 RVG-VV zu vergüten ist. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

1.746 Soweit nur ein Antrag auf Festsetzung gestellt wird, könnte ein Fall der Nr. 3404 RVG-VV (Schreiben einfacher Art) vorliegen, so dass nur eine 0,3-Verfahrensgebühr entsteht. b) Gegenvorstellung

1.747 Auch eine Gegenvorstellung gehört für den in der Hauptsache tätigen Anwalt mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus.

1.748 Lediglich als Einzeltätigkeit, also wenn ein bisher nicht befasster Anwalt nur mit einer Gegenvorstellung beauftragt wird, entstehen gesonderte Gebühren. Es liegt dann eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3404 RVG-VV vor. Der Anwalt erhält dann eine 0,8-Verfahrensgebühr.

1.749 Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung. c) Beschwerdeverfahren

1.750 Im Beschwerdeverfahren können dagegen auch Anwaltsgebühren anfallen. 1.751 Legt der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes ein oder verteidigt er sich gegen die Herabsetzungsbeschwerde eines der Beteiligten, so wird er in eigener Sache und im eigenen Namen tätig, so dass es an einem Auftraggeber fehlt und folglich keine Gebühren ausgelöst werden können. Sie können auch nicht über § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO fingiert werden, da eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG). Siehe Rz. 1.176.

1.752 Vertritt der Anwalt dagegen einen Beteiligten, für den er Herabsetzungsbeschwerde erhebt oder für den er sich gegen die Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zur Wehr setzt, löst dies eine einfache Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 RVG-VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus.

1 Siehe Rz. 1.469.

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D. Verfahrenswertfestsetzung nach dem FamGKG

Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung.

1.753

Wird die Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben und nach erneuter Nichtabhilfe wieder dem OLG vorgelegt, handelt es sich nur um ein Beschwerdeverfahren, so dass die Gebühren nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 1 RVG). Wird dagegen die Festsetzung aufgehoben und gegen die neue Festsetzung erneut Beschwerde erhoben, liegen zwei Beschwerdeverfahren vor (§ 17 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG).

1.754

d) Rechtsbeschwerdeverfahren Im (nicht statthaften) Rechtsbeschwerdeverfahren entsteht für den Anwalt eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 RVG-VV. Der Anwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, wird diese allerdings wegen Anwaltsverschulden kaum einfordern können.

1.755

Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung.

1.756

e) Erinnerungsverfahren

1.757

In Erinnerungsverfahren ist abzurechnen wie in Beschwerdeverfahren (s. Rz. 1.750). f) Gehörsrüge Auch eine Gehörsrüge löst grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RVG), es sei denn, der Anwalt ist ausschließlich mit der Gehörsrüge beauftragt. Dann entsteht eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3330 RVG-VV.

1.758

Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung.

1.759

g) Verfassungsbeschwerde

1.760

In Verfahren der Verfassungsbeschwerde richten sich die Gebühren nach 37 RVG.

XVI. Kostenerstattung Eine Kostenerstattung, die ohnehin nur im Beschwerdeverfahren in Betracht käme, ist nach § 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG ausgeschlossen. Daher werden insbesondere die in einem Beschwerdeverfahren angefallenen Anwaltskosten nicht erstattet. Diese hat vielmehr jeder Beteiligte selbst zu tragen. Das gilt auch für Auslagen.

1.761

Der Ausschluss der Kostenerstattung soll nach der Rechtsprechung allerdings nur für statthafte Be- 1.762 schwerden gelten. Ist die Beschwerde nicht statthaft, etwa eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung oder eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des OLG, soll der Ausschluss der Kostenerstattung nicht greifen; der Beschwerdeführer soll hier vielmehr die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.1 Diese Auffassung ist insoweit bedenklich, als das FamGKG keine Kostenerstattung vorsieht. Zu dem Ergebnis der Kostenerstattung kann man nur gelangen, wenn man eine unstatthafte FamGKG-Beschwerde als eine Beschwerde nach dem FamFG ansieht, weil man nur dann zu einer Kostenentscheidung gelangen kann.

1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 W 287/10, AGS 2011, 193 = NJW-Spezial 2011, 315.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.763 Wird eine nicht statthafte Rechtsbeschwerde eingelegt, so ist nach BGH (s. Rz. 1.741) eine Kostenpflicht eine Gerichtsgebühr zu erheben wird, da § 59 Abs. 3 Satz 1 FamGKG nicht anwendbar sei. Aus dem gleichen Grund würde sich dann der Ausschluss der Kostenerstattung in § 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG nur auf die Verfahren nach § 59 FamGKG erstrecken. Die dort nicht geregelte Rechtsbeschwerde würde daher nicht erfasst.1 Insoweit stellt sich allerdings die Frage, woher man die Kostenerstattung herleitet, da das FamGKG keine Kostenerstattungsregelungen kennt. Man müsste dann auch hier die unstatthafte Wertbeschwerde als eine Beschwerde nach dem FamFG ansehen, weil man nur dann zu einer Kostenentscheidung gelangen kann.

E. Geschäftswertfestsetzung nach dem GNotKG I. Überblick 1.764 In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit richten sich die Gerichtsgebühren nach dem GNotKG (§ 1 Abs. 1 GNotKG), soweit keine anderweitigen Bestimmungen getroffen sind, wie z.B. in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die das FamGKG gilt (§ 1 Abs. 3 GNotKG, § 1 FamGKG).

1.765 Die Gebühren nach dem GNotKG werden nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand des Verfahrens hat (Geschäftswert), § 3 Abs. 1 GNotKG.

1.766 Eine vorläufige Wertfestsetzung kennt das GNotKG nicht, sondern nur die endgültige Wertfestsetzung. Daher besteht hier auch keine Pflicht zu einer Wertangabe bei Antragseinreichung.

1.767 Die gerichtliche Wertfestsetzung nach dem GNotKG gilt grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG). Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich diese abweichend davon nach einem anderen Wert berechnen, ist insoweit ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu stellen. Siehe dazu Rz. 1.813.

1.768 Beispiel: Im Erbscheinverfahren vertritt der Rechtsanwalt einen von mehreren Miterben. Der Geschäftswert für die gerichtliche Verfahrensgebühr bemisst sich nach dem Wert des gesamten Nachlasses. Für die Vergütung des Anwalts ist dagegen nur der Anteil seines Mandanten entscheidend,2 so dass auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG eine gesonderte Wertfestsetzung vorzunehmen ist.

1.769 Im Wesentlichen läuft das Wertfestsetzungsverfahren nach dem GNotKG ebenso ab, wie die endgültigen Wertfestsetzungsverfahren nach dem GKG und dem FamGKG, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann.

II. Das Festsetzungsverfahren 1. Veranlassung zur Wertfestsetzung

1.770 Das Gericht hat nach § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG den Geschäftswert durch Beschluss festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.

1 Siehe zum vergleichbaren Fall der unstatthaften Beschwerde Rz. 1.761. 2 BGH, Beschl. v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, MDR 1969, 36; BGH, Urt. v. 11.11.1976 – III ZR 57/75, MDR 1977, 295 = NJW 1977, 584 = FamRZ 1977, 130; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.12.2015 – 14 Wx 54/15, AGS 2016, 580 = ZEV 2016, 458; OLG Hamburg AGS 2012, 304 = FamRZ 2012, 1584.

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E. Geschäftswertfestsetzung nach dem GNotKG

1.771

Eine Wertfestsetzung ist nach § 79 Abs. 1 Satz 2 GNotKG entbehrlich, wenn – Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder – zumindest für den Regelfall ein fester Wert bestimmt ist. Auch die Festsetzung nach § 79 GNotKG betrifft nur den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren. Daher kommt eine Festsetzung nicht in Betracht, wenn keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen. Für die Berechnung der Anwaltsgebühren bleibt dann nur das Verfahren nach § 33 RVG.

1.772

2. Zuständigkeit Zuständig für die Wertfestsetzung ist das Gericht, das in der Hauptsache entschieden hat oder das hätte entscheiden müssen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG). Jede Instanz setzt also zunächst einmal den Geschäftswert selbst fest.

1.773

Hat das Kollegium in der Sache entschieden oder hätte es entscheiden müssen, dann hat es auch über den Geschäftswert zu entscheiden. Eine Einzelrichterzuständigkeit gibt es nach dem GNotKG nicht.

1.774

3. Verfahren Das Gericht hat die Beteiligten anzuhören. Es kann eine Beweisaufnahme oder gar die Begutachtung durch einen Sachverständigen von Amts wegen anordnen (§ 80 Satz 1 GNotKG). Die hiermit verbundenen Kosten können ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegt werden, der durch Unterlassung der Wertangabe, durch unrichtige Angaben oder unbegründetes Bestreiten oder unbegründete Beschwerde die Abschätzung veranlasst hat (§ 80 Satz 2 GNotKG).

1.775

4. Form Die Festsetzung des Geschäftswerts erfolgt durch Beschluss (§ 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG). Dieser Beschluss kann im Hauptsachebeschluss als Nebenentscheidung enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen.

1.776

5. Inhalt der Entscheidung Im Beschluss ist der Geschäftswert, der für die zu erhebende Gerichtsgebühr maßgebend ist, beziffert anzugeben.

1.777

Sind mehrere Gerichtsgebühren angefallen oder wird eine Gebühr zu unterschiedlichen Sätzen erhoben, dann sind die einzelnen Werte gesondert festzusetzen.

1.778

Der Beschluss ist grundsätzlich zu begründen, damit er für die Beteiligten nachprüfbar ist. Der Beschluss ist insbesondere dann zu begründen, wenn er beschwerdefähig ist.

1.779

Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 80 Abs. 1 Satz 2 GNotKG die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt.

1.780

Darüber hinaus muss der Wertfestsetzungsbeschluss auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 7a GNotKG).

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1. Teil Verfahrensrecht

III. Abänderung 1.782 Die Wertfestsetzung des Gerichts kann von Amts wegen abgeändert werden (§ 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG). Die Änderung ist allerdings nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren anderweitig erledigt worden ist (§ 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GNotKG).

1.783 Die Abänderung kann auch durch ein Rechtsmittelgericht erfolgen, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache, wegen der Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt (§ 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GNotKG).

IV. Beschwerde 1. Statthaftigkeit

1.784 Gegen den Wertfestsetzungsbeschluss ist grundsätzlich die Beschwerde gegeben (§ 83 GNotKG). 1.785 Anfechtbar ist immer die Erstfestsetzung des AG und des LG. 1.786 Die Festsetzung des LG ist auch dann anfechtbar, wenn das LG den Wert für ein Beschwerdeverfahren festgesetzt1 hat oder es in einem Beschwerdeverfahren erstmals den Wert für das amtsgerichtliche Verfahren nach § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG abgeändert hat.

1.787 Eine Beschwerde gegen Entscheidungen des OLG ist nicht möglich, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes unzulässig ist (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 3 Satz 3 GNotKG).

1.788 Entscheidungen des Bundesgerichthofs sind ohnehin mangels Beschwerdegericht nicht anfechtbar. 2. Zulässigkeit

1.789 Auch nach dem GNotKG ist die Beschwerde nur zulässig, – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 v übersteigt (§ 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG) oder – das Gericht die Beschwerde in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG) oder – wenn der Wertfestsetzungsantrag zurückgewiesen worden ist. 3. Frist

1.790 Die Beschwerde muss innerhalb der Frist des § 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG eingelegt werden, also innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens.

1.791 Ist der Geschäftswert erst einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder Bekanntgabe des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden (§ 83 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GNotKG).

1.792 Im Falle formloser Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gemacht (§ 83 Abs. 1 Satz 4 GNotKG).

1.793 Die Beschwerde ist beim Ausgangsgericht einzureichen (§ 81 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 5 Satz 4 GNotKG). Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend. 1 OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 34 Wx 40/06, OLGR 2006, 565 = JurBüro 2006, 427.

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E. Geschäftswertfestsetzung nach dem GNotKG

4. Wiedereinsetzung Wird die Beschwerdefrist versäumt, kann nach § 83 Abs. 2 GNotKG Wiedereinsetzung gewährt werden.

1.794

5. Form Die Beschwerde kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden 1.795 (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 GNotKG). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GNotKG). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht.

1.796

Die Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltszwang. 6. Beschwerdeberechtigung Beschwerdeberechtigt ist jeder, der durch die Wertfestsetzung betroffen ist, also insbesondere die Verfahrensbeteiligten, die für Gerichts- und Anwaltskosten haften, die Verfahrensbevollmächtigten (§ 32 Abs. 2 RVG) und sonstige am Verfahren Beteiligte, die für Gerichts- oder Anwaltskosten in Anspruch genommen werden können. Auch die Staatskasse ist beschwerdeberechtigt.

1.797

7. Verfahren Das Ausgangsgericht hat zunächst zu prüfen, ob es der Beschwerde abhilft (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 1.798 § 81 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GNotKG). Soweit dies nicht geschieht, hat es die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GNotKG). Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in den Fällen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) GVG jedoch das OLG (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 4 Satz 2 GNotKG). Nach Eingang der Beschwerde hat das Beschwerdegericht in eigener Kompetenz die Zulässigkeit zu prüfen. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss. Es hat ferner darüber zu entscheiden, ob es die weitere Beschwerde zulässt (§ 82 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 4 GNotKG).

1.799

V. Weitere Beschwerde Gegen die Entscheidung des LG als Beschwerdegericht ist die weitere Beschwerde gegeben, wenn das LG die Beschwerde zugelassen hat (§ 83 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). Gericht der weiteren Beschwerde ist dann das OLG.

1.800

Das OLG ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, sofern die Beschwerde statthaft ist (§ 83 1.801 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 3 Satz 4 GNotKG). An nachträgliche oder anderweitig unzulässige Zulassungen ist das OLG nicht gebunden. Die weitere Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Be- 1.802 schwerdegerichts eingelegt werden (§ 83 Abs. 1 Satz 6 GNotKG). Auch hier besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 83 Abs. 2 GNotKG).

1.803

Das Verfahren der weiteren Beschwerde folgt im Übrigen den gleichen Grundsätzen wie das Beschwerdeverfahren.

1.804

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1. Teil Verfahrensrecht

VI. Gegenvorstellung 1.805 Gegen jede Wertfestsetzung, auch die des Beschwerdegerichts oder des Gerichts der weiteren Beschwerde ist die Gegenvorstellung gegeben, da das Gericht von Amts wegen den Geschäftswert abändern kann (§ 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG).

1.806 Die Gegenvorstellung muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 83 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG oder der Monatsfrist des § 83 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GNotKG eingelegt werden.

VII. Gehörsrüge 1.807 Ist im Wertfestsetzungsverfahren nach § 79 GNotKG der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, kann nach § 84 GNotKG Gehörsrüge erhoben werden. In Anbetracht der Abhilfemöglichkeit nach § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG kommt der Gehörsrüge allerdings keine besondere Bedeutung zu.

VIII. Kosten 1.808 Sämtliche Verfahren sind gerichtsgebührenfrei (§ 83 Abs. 2 Satz 1 GNotKG). 1.809 Auslagen können erhoben werden, insbesondere im Falle einer Begutachtung durch Sachverständige, s. Rz. 1.775.

1.810 Für den Anwalt können dagegen auch Gebühren anfallen. Es gilt das Gleiche wie bei der Festsetzung nach dem GKG, s. Rz. 1.470 ff.

IX. Kostenerstattung 1.811 Auch im Wertfestsetzungsverfahren nach dem GNotKG einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde ist eine Kostenerstattung ausgeschlossen (§ 83 Abs. 3 Satz 2 GNotKG). Auch hier gilt das Gleiche wie bei den Verfahren nach dem GKG (s. Rz. 1.486 ff.).

1.812 Einstweilen frei.

F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG I. Überblick 1.813 Die Gebühren des Anwalts richten sich in zivil- und familiengerichtlichen Verfahren – mit Ausnahme der der Unterbringungsverfahren – gem. § 2 Abs. 1 RVG ausschließlich nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

1.814 Den Gegenstandswert regelt das RVG allerdings in den wenigsten Fällen selbst. Besondere Wertvorschriften finden sich nur in den § 23 Abs. 2, 3, §§ 23a ff. RVG. Im Übrigen verweist das RVG auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG). Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

Ergänzend hierzu ordnet § 32 Abs. 1 RVG an, dass die für die Gerichtsgebühren nach § 63 GKG, § 55 FamGKG oder § 79 GNotKG erfolgte Wertfestsetzung grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren bindend ist. Der Anwalt muss daher grundsätzlich nach dem gerichtlich festgesetzten Wert abrechnen und der Auftraggeber muss danach die Vergütung bezahlen. Daher bedarf es grundsätzlich auch keiner gesonderten Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren, zumal der Anwalt nach § 32 Abs. 2 RVG mit eigenen Rechten an den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren ausgestattet ist.

1.815

Es gibt jedoch Ausnahmefälle, in denen die Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG nicht eintritt, nämlich in den Fällen, in denen § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht greift. Das wiederum ist der Fall, wenn

1.816

– bei Gericht keine Gebühren anfallen, – bei Gericht wertunabhängige Gebühren anfallen, – bei Gericht wertabhängige Gebühren anfallen, – der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit aber von der Tätigkeit des Gerichts abweicht, – der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vom gerichtlichen Wert abweicht, – einzelne Gebühren des Anwalts nach einem abweichenden Wert zu berechnen sind, – die Tätigkeit des Anwalts vorzeitig endet, bevor das Verfahren abgeschlossen ist und eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG, § 55 Abs. 2 FamGKG, § 79 GNotKG noch nicht erfolgen konnte. Damit der Anwalt auch in diesen Fällen seine Vergütung berechnen kann und insbesondere für eine eventuelle Kostenerstattung Klarheit über die Höhe des zugrunde zu legenden Gegenstandswerts geschaffen wird, sieht das RVG in § 33 RVG ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren vor, das nur den Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) für die Anwaltsgebühren betrifft.

1.817

Liegt kein solcher Fall vor, ist ein Antrag nach § 33 RVG unzulässig. Der BGH1 geht insoweit von einem mangelnden Rechtsschutzbedürfnis aus. Tatsächlich dürfte die Zulässigkeit bereits an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 RVG scheitern.

1.818

Häufig wird ausgeführt, das Verfahren nach § 33 RVG sei subsidiär zu den Verfahren nach den § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 79 GNotKG. Dies ist in dieser Form nicht richtig. Beide Verfahren haben eine völlig unterschiedliche Ausrichtung.

1.819

Im Verfahren nach § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 79 GNotKG geht es ausschließlich um die Festsetzung des Wertes für die vom Gericht zu erhebenden Gerichtsgebühren. Dieses Verfahren hat unmittelbar mit der Anwaltsvergütung nichts zu tun. Dieses Verfahren hat lediglich mittelbar eine Folge für die Anwaltsgebühren, da sich in einem gerichtlichen Verfahren die Anwaltsgebühren gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften richten und die gerichtliche Festsetzung nach den § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 79 GNotKG insoweit dann auch für Anwalt und Mandant sowie die Landeskasse bindend ist (§ 32 Abs. 1 RVG).

1.820

Ist insoweit eine gerichtliche Wertfestsetzung getroffen worden und ist der dort festgesetzte Wert nach 1.821 § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren maßgebend, scheidet ein Verfahren nach § 33 RVG aus, da dieses ja gerade voraussetzt, dass die Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht gegeben sind. Soweit der gerichtlich festgesetzte Wert auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren gilt, ist ein Verfahren nach § 33 RVG demzufolge nicht lediglich „subsidiär“, sondern von vornherein unstatthaft. Bei den Verfahren nach § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 79 GNotKG einerseits und § 33 RVG andererseits handelt es sich um zwei völlig selbstständige Verfahren, die sogar nebeneinander bestehen kön1 BGH, Beschl. v. 28.10.2014 – XI ZR 395/13, MDR 2015, 51 = AGS 2015, 78.

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1. Teil Verfahrensrecht

nen. Eine Abhängigkeit zwischen beiden Verfahren besteht lediglich insoweit, als ein Verfahren nach § 33 RVG unzulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG vorliegen. In diesem Fall sind die Wertfragen im Verfahren nach den nach § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 79 GNotKG zu klären. Dazu räumt das RVG dem Anwalt für das Verfahren nach § 55 FamGKG ein eigenes Antragsund Beschwerderecht ein (§ 32 Abs. 2 RVG).

1.823 Im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren handelt es sich bei dem Verfahren nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren. Eine Wertfestsetzung von Amts wegen ist nicht zulässig. Daher besteht auch hier keine Möglichkeit einer Gegenvorstellung oder einer Abänderung von Amts wegen wie bei der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG. Auch ist hier in den Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) zu beachten. Siehe Rz. 1.1109.

1.824 Zu berücksichtigen ist ferner, was vielfach übersehen wird, dass es sich um ein Parteienverfahren handelt. Die Wertfestsetzung erfolgt hier – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren – nicht für das Verfahren schlechthin, sondern nur für das jeweilige Mandatsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anwalt und seiner Partei.1 So ist es z.B. möglich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach einem anderen Gegenstandwert abrechnet als der des Beklagten und dass für den Verkehrsanwalt wiederum ein anderer Wert gilt. In einem solchen Fall sind dann jeweils – auf Antrag – gesonderte Wertfestsetzungen vorzunehmen.

II. Statthaftigkeit 1. Überblick

1.825 Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Verfahrens nach § 33 RVG ist, dass Anwaltsgebühren angefallen sind und diese sich nach dem Gegenstandswert berechnen (§ 2 Abs. 1 RVG). Darüber hinaus müssen die anwaltlichen Gebühren auch in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sein. Anhängigkeit oder Rechtshängigkeit ist zwar nicht erforderlich; die Tätigkeit muss jedoch vor Gericht entfaltet worden sein, zumindest damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen.2

1.826 Schließlich ist erforderlich, dass es an einem Wert für das gerichtliche Verfahren fehlt oder ein solcher zwar festgesetzt ist, dieser aber nicht für die Anwaltsgebühren gilt. Dabei reicht es aus, dass der Antragsteller geltend macht, der gerichtliche Wert würde nicht für die anwaltlichen Gebühren gelten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht seiner Statthaftigkeit. 2. Gerichtliches Verfahren

1.827 Die Gebühren müssen in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sein. Eine Wertfestsetzung für außergerichtliche Tätigkeiten kommt nicht in Betracht.

1.828 Unproblematisch sind die Fälle, in denen die Gegenstände, die das Gericht bewerten soll, gerichtlich anhängig waren.

1.829 Problematisch sein kann die Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 33 RVG dagegen, wenn eine Wertfestsetzung für nicht anhängige Gegenstände erfolgen soll. Grundsätzlich ist dies möglich. Erforderlich ist jedoch, dass das Gericht mit diesen Gegenständen befasst war. Anderenfalls würde der Anwendungsbereich des § 33 RVG ausufern.

1 KG, Beschl. v. 18.8.2020 – 17 WF 1044/20. 2 LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 28.8.2007 – 7 T 241/07, JurBüro 2008, 89.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

So kommt also eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG in Betracht, wenn die Parteien nicht anhängige Gegenstände lediglich durch Verhandlungen vor Gericht in das gerichtliche Verfahren einbeziehen.1

1.830

War ein Vergleich geschlossen worden, der jedoch nicht bestandskräftig geworden ist, etwa weil er wirksam widerrufen wurde, ist das Verfahren nach § 33 RVG ebenfalls zulässig, um den Mehrwert der Gebühren für die anwaltlichen Vergleichsverhandlungen festzusetzen.

1.831

Gleiches gilt, wenn die Parteien lediglich eine Einigung protokollieren, ohne dass diese die Qualität eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB hat.

1.832

Wird ein Vergleich nur außergerichtlich geschlossen und im Hinblick darauf der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt oder anderweitig beendet, dürfte wegen der engen Beziehung zum Verfahren eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ebenfalls noch in Betracht kommen.2

1.833

Beispiel: In einem Verfahren auf Zugewinn einigen sich die Beteiligten außergerichtlich über den Zugewinn und die Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens einschließlich des Ausgleichs gesamtschuldnerischer Verbindlichkeiten und schließen darüber einen notariellen Vertrag. Im Hinblick auf diese Einigung wird das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt oder der Zugewinnantrag zurückgenommen.

1.834

Wegen des Zusammenhangs dürfte hier auch eine Festsetzung des Mehrwerts nach § 33 RVG in Betracht kommen.

Verhandeln die Parteien dagegen anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens lediglich außergerichtlich 1.835 ohne Beteiligung des Gerichts über nicht anhängige Gegenstände, fehlt es insoweit an einer gerichtsbezogenen Tätigkeit, so dass eine Wertfestsetzung ausscheidet. Ebenso kommt eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht in Betracht, wenn dem Anwalt lediglich weitergehende Aufträge erteilt worden sind, die jedoch nicht ausgeführt wurden.

1.836

Beispiel: In einem Rechtsstreit über 10.000 t erhält der Anwalt den Auftrag zu einer

1.837

a) Klageerweiterung um 5.000 t. b) Widerklage i.H.v. 5.000 t. Zwar richtet sich in beiden Fällen die Verfahrensgebühr des Anwalts (Nr. 3100 RVG-VV) nach dem Wert von 15.000 t, wobei hinsichtlich der weiteren 5.000 t der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 1 RVGVV greift; die weiter gehenden Aufträge führten jedoch nicht zu einer Tätigkeit vor Gericht, so dass eine Wertfestsetzung insoweit nicht in Betracht kommt.

Grund hierfür ist insbesondere, dass das Gericht in diesen Fällen den Umfang der anwaltlichen Tä- 1.838 tigkeit ohne weiteres nicht feststellen kann und ihm somit eine Bewertung nicht möglich ist. Das Gericht müsste ansonsten im Verfahren nach § 33 RVG umfangreiche Ermittlungen zum Umfang des Auftrags und zur anwaltlichen Tätigkeit durchführen. Das ist aber nicht Sinn des weitgehend formalisierten Verfahrens nach § 33 RVG. Solche Wertfestsetzungen sind dem Erkenntnisverfahren vorbehalten, das im Vergütungsprozess dann inzidenter auch über den Wert der anwaltlichen Tätigkeit entscheidet. 3. Keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG a) Überblick Weitere Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Verfahrens nach § 33 RVG ist, dass eine Bindungswirkung nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 1 RVG fehlt. Das wiederum ist der Fall, 1 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361. 2 OVG Berlin-Bdb., Beschl. v. 19.6.2013 – OVG 7 L 28.13, AGS 2013, 422 = NJW-Spezial 2013, 573; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.8.2015 – 12 W 10/15, MDR 2015, 1095.

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1. Teil Verfahrensrecht

– wenn sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder – wenn es an einem solchen Wert fehlt.

1.840 Mit der ersten Alternative sind diejenigen Fälle gemeint, in denen sich die Gerichtsgebühren zwar nach dem Wert richten und auch ein Wert festgesetzt ist, die Anwaltsgebühren sich jedoch abweichend hiervon berechnen.

1.841 Die zweite Alternative betrifft dagegen die Fälle, in denen es erst gar keine gerichtliche Wertfestsetzung gibt, entweder, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist oder sich die Gerichtsgebühren, die anfallen, nicht nach dem Wert richten. b) Die einzelnen Fallgruppen

1.842 In den Anwendungsbereich des § 33 RVG fallen folgende Fallgruppen: aa) Im gerichtlichen Verfahren werden keine Gerichtsgebühren erhoben (1) Das gerichtliche Verfahren ist gebührenfrei

1.843 Fallen in einem gerichtlichen Verfahren keine Gerichtsgebühren an, kann es keinen gerichtlichen Wert geben. Ungeachtet dessen richten sich die Anwaltsgebühren aber auch in diesen Verfahren grundsätzlich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG). In diesem Fall ist ausschließlich eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG zulässig.

1.844 Hierzu gehören insbesondere – arbeitsgerichtliche Verfahren nach Abschluss eines Vergleichs (Vorbem. 8 KV GKG), – Verfahren über eine Räumungsfrist nach §§ 721, 794a ZPO, – Verfahren über die Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, – erfolgreiche Verfahren über eine Gehörsrüge, – Erinnerungsverfahren, – Verfahren auf Gerichtsstandsbestimmung.

1.845 Da in diesen Fällen keine gerichtliche Wertfestsetzung erfolgt, bedarf es jetzt für die Anwaltsgebühren einer Wertfestsetzung. Diese kann nur im Verfahren nach § 33 RVG erfolgen.

1.846 Beispiel: Der Anwalt vertritt den Antragsgegner in einem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der Antrag wird zurückgewiesen. Zum Hauptsacheverfahren kommt es nicht mehr. Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe ist gerichtsgebührenfrei. Da sich die Gebühr des Anwalts (Nr. 3335 RVG-VV), nach dem Gegenstandswert (§ 23a RVG) berechnet, ist insoweit das Verfahren nach § 33 RVG eröffnet.

1.847 Kein Fall des § 33 RVG liegt vor, wenn für eine Partei Kostenfreiheit nach § 2 GKG, § 2 FamGKG oder § 3 GNotKG besteht. In diesem Fall ist eine Wertfestsetzung nach dem jeweiligen Gerichtskostengesetz zu treffen, die der Anwalt nach § 32 RVG ggf. erzwingen kann. (2) Das Gericht sieht von der Erhebung von Gerichtskosten ab

1.848 Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG kann das Gericht von der Erhebung von Gerichtskosten absehen. In diesem Fall ist eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG unzulässig. Die Wertfestsetzung erfolgt ausschließlich im Verfahren nach § 33 RVG. 112

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

bb) Im gerichtlichen Verfahren werden Festgebühren erhoben In vielen Fällen werden in gerichtlichen Verfahren Festgebühren erhoben, so dass auch insoweit kein 1.849 Verfahrenswert festzusetzen ist. Da sich in diesen Fällen aber wiederum die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), ist insoweit eine gesonderte Wertfestsetzung zulässig.

1.850

Diese Konstellation ist insbesondere gegeben bei – Beschwerdeverfahren nach den § 91a Abs. 2, § 99 Abs. 2 ZPO (Nr. 1810 ff. KV GKG; Nr. 1910 ff. KV FamGKG), – sonstigen Beschwerdeverfahren (Nr. 1812 ff. KV GKG; Nr. 1912 ff. KV FamGKG), – Zwangsvollstreckungssachen (Nrn. 2110 ff. KV GKG), – Familiensachen mit Auslandsbezug (Nr. 1710 ff. KV FamGKG), – erfolglosen Gehörsrügeverfahren (Nr. 1700 KV GKG; Nr. 1800 KV FamGKG). – Zwangsvollstreckungsverfahren (Nr. 2110 ff. KV GKG) und Vollstreckungsverfahren (Nr. 1600 ff. KV FamGKG). Beispiel: Der Beklagte legt nach übereinstimmend erklärter Hauptsacheerledigung (§ 91a ZPO) Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein.

1.851

Bei Gericht wird eine Festgebühr i.H.v. 66 t erhoben (Nr. 1810 KV GKG). Die Gebühr des Anwalts (Nr. 3500 RVG-VV) berechnet sich dagegen nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1. § 23 Abs. 2 RVG). Daher ist insoweit das Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG eröffnet. Beispiel: Der Ehemann ist vom FamG verpflichtet worden, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen. Da er die Auskünfte nicht erteilt, wird gem. § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, § 888 ZPO beantragt, ein Ordnungsgeld zu verhängen.

1.852

Bei Gericht entsteht eine Festgebühr i.H.v. 22 t (KV 1600 FamGKG). Die Gebühr des Anwalts (Nr. 3309 RVG-VV) berechnet sich dagegen nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Daher ist insoweit das Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG eröffnet.

Soweit das Gericht in den vorgenannten Fällen ungeachtet dessen, dass keine wertabhängigen Gebühren erhoben werden, einen Verfahrenswert festsetzt – was regelmäßig vorkommt –, ist dieser Wert irrelevant. Diese Wertfestsetzung ist nicht bindend und auf Beschwerde hin zur Klarstellung aufzuheben (s. Rz. 1.124 ff.).

1.853

cc) Bei Gericht werden wertabhängige Gebühren erhoben Berechnen sich die Gebühren im gerichtlichen Verfahren nach dem Verfahrenswert, kommt eine Festsetzung nach § 33 RVG grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Antrag nach § 33 RVG ist grundsätzlich unzulässig, da über § 32 Abs. 1 RVG eine bindende Wertfestsetzung auch für Anwaltsgebühren durch das Gericht getroffen wird.

1.854

Davon gibt es Ausnahmen:

1.855

(1) Überblick Dass bei Gericht ein Verfahrenswert festgesetzt wird, hat aber nicht zwingend den Ausschluss des Verfahrens nach § 33 RVG zur Folge. Es gibt nämlich mehrere Fälle, in denen der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vom gerichtlichen Verfahrenswert abweicht. In diesen Fällen Fall ist dann wiederum das Verfahren nach § 33 RVG gegeben.

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1. Teil Verfahrensrecht

(2) Die anwaltliche Tätigkeit bleibt hinter der gerichtlichen Tätigkeit zurück

1.857 Bleibt die anwaltliche Tätigkeit hinter der gerichtlichen Tätigkeit zurück, kann insoweit eine gesonderte Wertfestsetzung beantragt werden. Ein solcher Fall ist häufig dann gegeben, wenn ein Anwalt erst später in ein Verfahren eintritt.

1.858 Beispiel: Der Kläger beauftragt Rechtsanwalt A, 50.000 t einzuklagen. Der Beklagte erkennt 30.000 t an, so

dass das LG im schriftlichen Verfahren ein Teilanerkenntnisurteil über 30.000 t erlässt. Der Kläger kündigt daraufhin das Mandat mit Rechtsanwalt A und beauftragt Rechtsanwalt B, das Verfahren fortzuführen. Für das gerichtliche Verfahren gilt der Verfahrenswert i.H.v. 50.000 t. Für den Rechtsanwalt A ist dieser Verfahrenswert maßgebend, so dass er auf die Wertfestsetzung nach § 63 GKG zu verweisen ist (§ 32 Abs. 1 RVG). Für den eingetretenen Anwalt B gilt dagegen nur ein Wert von 20.000 t. Dieser Wert ist auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG gegebenenfalls gesondert festzusetzen.

(3) Die anwaltliche Tätigkeit geht über die gerichtliche Tätigkeit hinaus

1.859 Geht der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit über den Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit hinaus, kann insoweit ebenfalls eine gesonderte Wertfestsetzung beantragt werden.

1.860 Beispiel: Der Beklagte ist in zweiter Instanz verurteilt worden, 50.000 t zu zahlen. Er beauftragt seinen Anwalt, dagegen Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, was dann auch geschieht. Im Rahmen der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde rät der Anwalt, dies nur durchzuführen, soweit der Beklagte zu einer höheren Zahlung als 30.000 t verpflichtet worden ist. Dementsprechend wird auch nur in dieser Höhe die Beschwerde begründet. Das Gericht weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Verfahrenswert berechnet sich gem. § 47 Abs. 1 GKG nach dem Wert des Antrags und beläuft sich somit auf 20.000 t. Dieser Wert ist auch für den Anwalt des Beschwerdegegners maßgebend (§ 32 Abs. 1 RVG). Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Anwalts des Beschwerdeführers beläuft sich dagegen auf 50.000 t da der Anwalt beauftragt war, die Beschwerde uneingeschränkt einzulegen.1 Insoweit ist daher eine gesonderte Wertfestsetzung für die Tätigkeit des Anwalts des Antragstellers nach § 33 RVG zulässig.

1.861 Ein solcher Fall, in dem der Wert der anwaltlichen Tätigkeit über den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens hinausgeht, ist auch dann gegeben, wenn die Anwälte vor Gericht über nicht anhängige Gegenstände verhandeln bzw. erörtern, ohne dass es zu einer Einigung kommt oder diese widerrufen wird.

1.862 Das wiederum ist insbesondere dann gegeben, wenn vor Gericht über nicht anhängige Gegenstände lediglich verhandelt wird.2

1.863 Beispiel: Im Räumungsrechtsstreit werden im Termin zur mündlichen Verhandlung Vergleichsgespräche geführt. Dabei beziehen die Parteien auch strittige Fragen der Mietminderung und der Nebenkostenabrechnung mit ein. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich nur nach dem Wert des anhängigen Räumungsantrags. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit berechnet sich dagegen gem. § 22 Abs. 1 RVG aus der Summe der Werte von Räumung, Minderung und Nebenkosten. Insoweit muss das Gericht daher diesen Wert auf Antrag nach § 33 RVG festsetzen.

1.864 Ebenso ist ein Mehrwert der anwaltlichen Tätigkeit gegeben, wenn ein Vergleich geschlossen, aber widerrufen wird.

1 BGH, Beschl. v. 14.12.2017 – IX ZR 243/16, MDR 2018, 724 = NJW-RR 2018, 700; BGH, Beschl. v. 30.10.2019 – V ZR 299/14, MDR 2018, 927 = AGS 2020, 33; BGH, Beschl. v. 28.10.2020 – VIII ZR 383/18, JurBüro 2021, 145. 2 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Beispiel: Im Räumungsrechtsstreit wird im Termin zur mündlichen Verhandlung ein Vergleich geschlossen, der auch strittige Fragen der Mietminderung und der Nebenkostenabrechnung miteinbezieht. Der Vergleich wird später wirksam widerrufen.

1.865

Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich auch hier nur nach dem Wert der anhängigen Räumung. Eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG fällt nicht an, so dass es insoweit keiner gerichtlichen Wertfestsetzung bedarf. Für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sind die Vergleichsgegenstände dagegen wiederum zu beachten, da sie sowohl die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr auslösen. Insoweit muss das Gericht daher diesen Wert auf Antrag nach § 33 RVG festsetzen.

Ein Mehrwert ist auch dann gegeben, wenn lediglich eine Einigung protokolliert wird, die nicht die Qualität eines Vergleichs hat, so dass die gerichtliche Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG, Nr. 1500 KV FamGKG nicht ausgelöst wird, gleichwohl dafür aber Anwaltsgebühren anfallen.

1.866

Strittig ist, ob auch dann ein Mehrwert festzusetzen ist, wenn die Beteiligten außergerichtlich einen Vergleich mit Mehrwert geschlossen haben. In diesem Fall fällt nämlich keine gerichtliche Vergleichsgebühr (Nr. 1900 GKG KV; Nr. 1500 FamGKG KV) an, so dass an einer gerichtlichen Wertfestsetzung fehlt. Nach zutreffender Ansicht wird man in diesen Fällen ein Antragsrecht nach § 33 RVG bejahen müssen, wenn der außergerichtliche Vergleich im Zusammenhang mit dem Verfahrensstoff steht.

1.867

Beispiel: In einem Scheidungsverfahren ist die Folgesache Güterrecht nicht anhängig. Die Parteien verhandeln außergerichtlich und erzielen eine Einigung. Sie lassen eine Notarurkunde erstellen, in der auch der nacheheliche Unterhalt, der Haushalt und die Ehewohnung geregelt werden.

1.868

Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zählen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen mit zum Rechtszug. Durch notarielle Vereinbarung entsteht also keine Geschäftsgebühr. Vielmehr wird diese Tätigkeit durch die Gebühren nach Teil 3 RVG-VV abgegolten. Die getroffene Vereinbarung löst also insbesondere aus dem Mehrwert eine Verfahrensdifferenzgebühr (Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV) aus, sowie eine Terminsgebühr und auch eine Einigungsgebühr. Über den Wert des Zugewinnausgleichs muss das Gericht im Verfahren nach § 55 FamGKG entscheiden, da das Verfahren insoweit anhängig ist. Nach zutreffender Auffassung muss das Gericht in diesem Fall im Verfahren nach § 33 RVG auf Antrag die Mehrwerte hinsichtlich Ehegattenunterhalt, Haushalt und Ehewohnung festsetzen, da die entsprechenden Anwaltsgebühren wenn auch nicht vor Gericht, so aber doch im gerichtlichen Verfahren (s. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG) entstanden sind. Allein dies ist auch sach- und zweckmäßig, da das Gericht die erforderliche Sachnähe hat und es prozessunökonomisch wäre, dass diese Werte im Streitfall in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren zu klären wären.1

(4) Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit weicht vom gerichtlichen Verfahren ab Denkbar ist auch, dass sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit anders berechnet als der Verfahrenswert des gerichtlichen Verfahrens. Ein solcher Fall kann sich aus dem unterschiedlichen Übergangsrecht für Anwalt und Gericht ergeben.2

1.869

Beispiel: Die Ehefrau hatte im Dezember 2020 vor dem FamG ein Verfahren zur elterlichen Sorge eingeleitet. Die Antragsschrift ist dem Antragsgegner im Januar 2021 zugestellt worden, worauf dieser ebenfalls einen Anwalt beauftragt hat.

1.870

Für den Anwalt der Antragstellerin gilt nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG altes Gebührenrecht und damit gem. § 60 Abs. 1 Satz 6 RVG auch der alte Regelwert des § 45 Abs. 1 FamGKG in der Fassung vor dem 1.1.2021 i.H.v. 3.000 t. Auch das Gericht legt den Regelwert von 3.000 t zugrunde (§ 63 FamGKG). 1 OVG Berlin-Bdb., Beschl. v. 19.6.2013 – OVG 7 L 28.13, AGS 2013, 422 = NJW-Spezial 2013, 573; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.12.2018 – 12 S 1536/18, DÖV 2019, 331; VGH Mannheim, Beschl. v. 25.5.1999 – 1 S 1593/97, AGS 2000, 174 = NVwZ-RR 2000, 329; OVG Hamburg, Beschl. v. 22.11.2012 – 3 Bs 203/11, NVwZ-RR 2013, 344; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.8.2015 – 12 W 10/15, MDR 2015, 1095 = AGS 2015, 420 = NZFam 2015, 871. 2 Ausführlich Schneider/Dürbeck, NZFam 2021, 206 ff.

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1. Teil Verfahrensrecht Für den Anwalt des Antragsgegners gilt dagegen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG neues Gebührenrecht und damit gem. § 60 Abs. 1 Satz 6 RVG der neue Regelwert i.H.v. 4.000 t. Dieser Wert ist dann ggf. im Verfahren nach § 33 RVG gesondert festzusetzen.1

1.871 Eine Divergenz zwischen der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren und für die Anwaltsgebühren kann sich dann ergeben, wenn dem Verfahren ein Gegenstand zugrunde liegt, dessen Wert den Betrag von 30 Mio. v überschreitet und der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt. Für die Gerichtsgebühren ist in diesen Fällen ein Höchstwert von 30 Mio. t vorgesehen (§ 39 Abs. 2 GKG; § 33 Abs. 2 FamGKG). Bei dem Anwalt kann sich der Höchstwert dagegen auf bis zu 100 Mio. v belaufen, nämlich dann, wenn der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände vertritt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Abs. 2 RVG). Hier kann also eine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren beantragt werden, die dann die Besonderheiten des § 22 RVG berücksichtigt.2

1.872 Ein weiterer Fall betrifft die Hilfsaufrechnung oder Hilfsanträge. Während im gerichtlichen Verfahren Hilfsaufrechnung und Hilfsanträge nur berücksichtigt werden, wenn darüber auch entschieden oder ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 GKG; § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 4 FamGKG), wird hinsichtlich der Anwaltsgebühren zum Teil die Auffassung vertreten, dass für den Anwalt ein abweichender Wert gelte, nämlich dass Hilfsaufrechnung und Hilfsanträge für ihn auch dann zu berücksichtigen seien, wenn nicht darüber entschieden oder ein Vergleich darüber geschlossen werde.3 Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, ist in diesen Fällen jedenfalls ein Antrag nach § 33 RVG zulässig, weil eine entsprechende abweichende Wertfestsetzung nur im Verfahren nach § 33 RVG erfolgen kann. (5) Einzelne Gebühren des Anwalts sind nach einem abweichenden Wert zu berechnen

1.873 Denkbar ist auch, dass der festgesetzte Verfahrenswert an sich zwar auch für den Anwalt gilt, beim Anwalt aber einzelne Gebühren angefallen sind, die sich nicht aus dem vollen Wert berechnen.

1.874 Insoweit besteht nämlich ein gravierender Unterschied zwischen den Gerichtsgebühren und den anwaltlichen Gebühren. Während im gerichtlichen Verfahren nur eine einzige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen anfällt (abgesehen von einem Mehrwertvergleich), können beim Anwalt drei Gebühren anfallen. Solche Fälle kommen häufig bei Stufenanträgen vor oder auch im Verbundverfahren.

1.875 Beispiel: Der Anwalt ist beauftragt, eine Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eines noch zu beziffernden

Pflichtteilsanspruchs einzureichen. Dabei geht der Antragsteller von einer Erwartung i.H.v. 50.000 t aus. Das Gericht beraumt zunächst Termin zur mündlichen Verhandlung über den Auskunftsanspruch an. Es wird über die Auskunft verhandelt. Der Antragsgegner wird zur Auskunft verurteilt. Anschließend wird die weitergehende Klage zurückgenommen. Das Gericht hat gem. § 63 Abs. 2 GKG den Streitwert gem. § 44 GKG auf 50.000 t festzusetzen, also den höheren Wert des Leistungsantrags (s. Rz. 2.4618 ff.). Dieser Streitwert ist für den Anwalt wiederum bindend (§ 32 Abs. 1 RVG), allerdings nur hinsichtlich der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV), da diese aus dem vollen Wert entstanden ist. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) ist dagegen nur aus dem Wert der Auskunft entstanden. Dieser Wert ist für die Gerichtsgebühren jedoch irrelevant. Daher ist insoweit ein gesonderter Antrag nach § 33 RVG zulässig, den Gegenstandswert der anwaltlichen Terminsgebühr festzusetzen.4 1 AG Starnberg, Beschl. v. 10.2.2021 – 003 F 930/20, NJW-Spezial 2021, 125 = AGS 2021, 89. 2 Siehe BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = MDR 2010, 718; OLG Dresden, Beschl. v. 27.6.2006 – 10 W 600/06, AGS 2007, 521; OLG Köln, Beschl. v. 26.6.2009 – 18 U 108/07, AGS 2009, 454 = NJW 2009, 3586; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2010 – 8 U 237/07, AGS 2010, 394. 3 Siehe die Stichwörter „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff. und „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227 ff. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.2.2021 – 12 W 2/21; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2018 – 2 W 464/18, AGS 2019, 286 = JurBüro 2019, 315-317; OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147 = NJW-Spezial 2021, 59 = NZFam 2021, 177.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Beispiel: In einem Scheidungsverbundverfahren sind auf Seiten beider Ehegatten je eine gesetzliche Anwartschaft und eine Betriebsrente auszugleichen. Die Eheleute einigen sich, dass wechselseitig auf den Ausgleich der Betriebsrenten verzichtet werde und nur die gesetzlichen Anwartschaften ausgeglichen werden.

1.876

Der Verfahrenswert der Folgesache Versorgungsausgleich berechnet sich mit 4 × 10 % des dreifachen Nettoeinkommens der Eheleute (§ 50 Abs. 1 FamGKG). Danach richtet sich auch der Gegenstandswert der anwaltlichen Verfahrensgebühr sowie der Terminsgebühr. Für die Einigungsgebühr gilt dagegen nur der Wert von 2 × 20 % des dreifachen Nettoeinkommens, da nur insoweit eine Einigung getroffen worden ist.1 Dieser abweichende Wert für die Einigungsgebühr ist wiederum im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.

(6) Die Tätigkeit des Anwalts vorzeitig, bevor das Verfahren abgeschlossen Endet das Mandat des Anwalts vorzeitig, sei es, dass er gekündigt hat oder der Mandant, wird die Vergütung des Anwalts fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVG). Da das Verfahren aber noch nicht beendet ist, kann noch keine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG, § 55 Abs. 2 FamGKG, § 79 GNotKG ergehen, die eine Bindung nach § 32 Abs. 1 RVG auslösen würde. Eine solche Wertfestsetzung darf auch nicht vorgenommen werden.2 Sie kann allenfalls als vorläufige Wertfestsetzung ausgelegt werden.3 Der Anwalt ist daher darauf angewiesen, jetzt für seine bisherige Tätigkeit einen Gegenstandswert zu erhalten. Daher ist insoweit wiederum das Wertfestsetzung nach § 33 RVG eröffnet.4 Dem steht auch nicht entgegen, dass ggf. eine vorläufige Wertfestsetzung vorliegt. Diese entfaltet nämlich keine Bindungswirkung und könnte zudem auch nicht angefochten werden.5

1.877

In einem solchen Fall kann dem Anwalt nicht zugemutet werden, abzuwarten, bis das Verfahren ab- 1.878 geschlossen ist und eine endgültige Wertfestsetzung erfolgt. Bis dahin kann sein Vergütungsanspruch bereits verjährt sein. Abgesehen davon ist zum Zeitpunkt der Mandatsbeendigung auch gar nicht abzusehen, ob der später festzusetzende Verfahrenswert für den Wert seiner Tätigkeit maßgebend wäre. Es ist nämlich ohne weiteres denkbar, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens Werterhöhung durch Antragserweiterungen, Wiederanträge o.Ä. stattfinden, die für ihn aber nicht maßgebend wären. Beispiele: Der Auftraggeber ist auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 10.000 t verklagt worden. Vor der mündlichen Verhandlung kündigt er das Mandat und beauftragt einen anderen Anwalt. In der mündlichen Verhandlung wird die Klage um 5.000 t erweitert. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 15.000 t. Der erste Anwalt kann jedoch lediglich nach einem Wert i.H.v. 10.000 t abrechnen, da die Klageerweiterung nach seiner Beauftragung eingereicht worden ist und ihn daher nicht mehr betrifft. Insoweit kann daher eine gesonderte Wertfestsetzung verlangt werden. Der Auftraggeber ist auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 10.000 t verklagt worden. In der mündlichen Verhandlung wird die Klage um 5.000 t zurückgenommen und ein neuer Termin anberaumt. Hiernach kündigt der Auftraggeber das Mandat und beauftragt einen anderen Anwalt. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 10.000 t. Der zweite Anwalt kann jedoch lediglich nach einem Wert i.H.v. 5.000 t abrechnen, da die Klage vor seiner Beauftragung zurückgenommen worden ist und ihn daher nur der geringere Wert betrifft. Insoweit kann daher wiederum eine gesonderte Wertfestsetzung verlangt werden.

1 2 3 4

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.4.2012 – 16 WF 79/12, AGS 2013, 16 = FamRZ 2013, 395. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20, JurBüro 2020, 529 = AGS 2020, 515. OLG Dresden, Beschl. v. 6.10.2020 – 4 W 678/20, MDR 2021, 62 = NJW-RR 2021, 185. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2020 – 5 WF 75/20, AGS 2020, 342 = NJW 2020, 3668; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2018 – 5 WF 65/18, NZFam 2018, 530 = FamRZ 2018, 1258; OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.2.2018 – 13 WF 107/17, AGS 2018, 135 = FamRZ 2018, 125. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2018 – 5 WF 65/18, NZFam 2018, 530 = FamRZ 2018, 1258; unzutreffend insoweit in den Gründen KG, Beschl. v. 18.8.2020 – 17 WF 1044/20.

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1. Teil Verfahrensrecht Der Anwalt vertritt einen von zwei Beklagten, die auf Unterlassung rufschädigender Äußerungen verklagt worden sind. Das Gericht setzt den Gesamtstreitwert des Verfahrens auf 30.000 t fest. Für die Verfahrensgebühr des Gerichts sowie für die Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers gilt der Wert von 30.000 t. Da es sich bei den Unterlassungsansprüchen jedoch um verschiedene Gegenstände handelt, ist hinsichtlich der Beklagten zu differenzieren. Hier muss also jeweils ein eigener Wert festgesetzt werden, der dann für den jeweiligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) maßgebend ist. Auch hier bedarf es also einer gesonderten gerichtlichen Wertfestsetzung. Der Rechtsanwalt vertritt einen von mehreren Miterben im Erbscheinverfahren. Für die gerichtliche Verfahrensgebühr ist der Wert des gesamten Nachlasses maßgebend. Für die Vergütung des Anwalts ist dagegen nur der Anteil seines Mandanten entscheidend.1

1.880 Eine gesonderte Wertfestsetzung kann auch dann erforderlich sein, wenn sich verschiedene Gebühren des Anwalts nach unterschiedlichen Werten richten. Dann können gesonderte Festsetzungen erforderlich sein.

1.881 Beispiel: Der Kläger verklagt den Beklagten auf Unterlassung fünf verschiedener wettbewerbswidriger Handlungen. Vor dem Termin wird die Klage hinsichtlich drei der fünf Unterlassungsanträge zurückgenommen. Verhandelt wird nur noch über die verbliebenen zwei Anträge. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich nach dem Gesamtwert aller Unterlassungsansprüche (§ 39 Abs. 1 GKG). Dieser Wert gilt auch für die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 RVG-VV), nicht dagegen für die Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV), für die eine eigene gesonderte Wertfestsetzung wiederum erforderlich ist.

1.882 Eine gesonderte Wertfestsetzung kann auch bei einer Stufenklage erforderlich sein. 1.883 Beispiel: Der Kläger verklagt den Beklagten auf Auskunft und eines nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Betrages. Nach mündlicher Verhandlung über die Auskunft wird die Klage zurückgenommen. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich gem. § 44 GKG, § 38 FamGKG nach dem höheren Wert des Zahlungsantrags (s. das Stichwort „Stufenklage“ im ZPO-Teil, Rz. 2.4618 ff. und im FamR-Teil Rz. 3.1833 ff.). Dieser Wert gilt auch für die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 RVG-VV), nicht dagegen für die Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV), die sich nur nach dem Wert der Auskunft richtet. Daher ist für die Terminsgebühr eine eigene gesonderte Wertfestsetzung erforderlich.

1.884 Schließlich kann es geboten sein, den Wert von Nebenforderungen festzusetzen, die für die gerichtlichen Gebühren wegen § 43 Abs. 1 GKG, § 37 Abs. 1 FamGKG keine Bedeutung haben, wohl aber für die Anwaltsgebühren.

1.885 Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 t nebst Zinsen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Das Gericht weist den Anwalt des Klägers darauf hin, dass der Zinsantrag unschlüssig sei, so dass dieser daraufhin zurückgenommen wird und im Übrigen ein Versäumnisurteil ergeht. Die Gerichtsgebühr berechnet sich gem. § 43 Abs. 1 GKG aus dem Wert der Hauptforderung i.H.v. 10.000 t. Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr des Anwalts (Nr. 3100 RVG-VV) und die 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 RVG-VV. Aus dem Wert der Zinsen ist daneben für den Anwalt aber auch noch unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV angefallen.2 Dieser Wert ist im Verfahren nach § 33 RVG auf Antrag gesondert festzusetzen.

1 BGH, Beschl. v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, MDR 1969, 36; BGH, Urt. v. 11.11.1976 – III ZR 57/75, MDR 1977, 295 = NJW 1977, 584 = FamRZ 1977, 130; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.12.2015 – 14 Wx 54/15, AGS 2016, 580 = ZEV 2016, 458; OLG Hamburg AGS 2012, 304 = Hans. OLG Bremen v. 9.1.2012 – 5 W 35/11, FamRZ 2012, 1584. 2 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 = JurBüro 2006, 254.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

III. Das Festsetzungsverfahren 1. Festsetzung für jede Instanz gesondert Die Wertfestsetzung muss für jeden Rechtszug gesondert erfolgen. Sie gilt nur für die jeweilige Instanz.

1.886

Soweit ein Rechtsmittelgericht den Wert festsetzt, kann es dies nur für das Rechtsmittelverfahren 1.887 selbst, nicht auch für die Vorinstanzen. Es besteht insoweit auch keine Bindungswirkung der Vorinstanz. Allerdings dürfte im Falle einer abweichenden Festsetzung durch die Vorinstanz ein zwingender Grund vorliegen, die Beschwerde oder auch die weitere Beschwerde nach § 33 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 RVG zuzulassen. 2. Antragsberechtigung Der Gegenstandswert wird nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt. Eine Festsetzung von 1.888 Amts wegen kommt nicht in Betracht. Erforderlich ist daher eine Antragsberechtigung. Antragsberechtigt ist zunächst einmal jeder Anwalt. Das betrifft nicht nur den Hauptbevollmächtigten (in der Regel Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter), sondern auch

1.889

– den Terminsvertreter nach Nr. 3401 ff. RVG-VV, – den Verkehrsanwalt (Nr. 3400 RVG-VV), – den nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragten Anwalt (Nr. 3403 RVG-VV). Hatte sich der Anwalt in eigener Sache selbst vertreten und hat er nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO einen Erstattungsanspruch gegen seinen unterlegenen Gegner erworben, ist er ebenfalls antragsberechtigt. Hat er jedoch keinen Erstattungsanspruch erlangt, dann fehlt für den Antrag das Rechtsschutzinteresse und damit die Antragsberechtigung für die eigene Festsetzung.1 Er kann dann nur eine Festsetzung beantragen, soweit er zur Kostenerstattung verpflichtet ist.

1.890

Darüber hinaus ist auch immer jede Partei bzw. jeder Beteiligte antragsberechtigt. Auch sonstige Verfahrensbeteiligte, wie z.B. Streithelfer sind antragsberechtigt.

1.891

Auch ein erstattungspflichtiger Dritter, insbesondere der unterlegene Prozessgegner, ist antragsberechtigt.2

1.892

Schließlich ist auch die Staatskasse in den Fällen des § 45 RVG antragsberechtigt, also, soweit einem der Beteiligten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ein Anwalt beigeordnet worden ist. Ansonsten kann die Staatskasse nicht antragsberechtigt sein, da eine Festsetzung nach § 33 RVG nie auf die Höhe der Gerichtsgebühren Einfluss haben kann.

1.893

Nicht antragsberechtigt ist der Rechtsschutzversicherer einer Partei.3 Er kann allerdings seinen Versicherungsnehmer zur Antragstellung anweisen. Siehe hierzu Rz. 1.104 ff.

1.894

Auch sonstige Dritte sind nicht antragsberechtigt, selbst dann nicht, wenn sie für die Anwaltskosten 1.895 aufkommen müssen. So kann z.B. ein vom Vertretenen abweichender Auftraggeber des Anwalts keinen Antrag stellen oder ein Dritter, der kraft materiellen Rechts zur Freistellung der Prozesskosten verpflichtet ist. 1 LAG München, Beschl. v. 4.9.1987 – 2 Ta 152/87, AnwBl. 1988, 72. 2 Ein eventuell bereits anhängiges Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO ist in diesem Fall analog § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen (BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, AGS 2014, 246 = MDR 2014, 566; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568). 3 LAG München, Beschl. v. 23.10.2009 – 7 Ta 309/09, AGS 2010, 148 = NJW-Spezial 2010, 60.

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1. Teil Verfahrensrecht

3. Zuständigkeit

1.896 Zuständig für den Antrag auf Wertfestsetzung ist das Gericht des Rechtszugs (§ 33 Abs. 1 RVG), also jeweils das Gericht, das in dem Verfahren zuständig war, für das die Wertfestsetzung begehrt wird.

1.897 Im Falle einer Verweisung ist das Empfangsgericht zuständig, selbst dann, wenn die Tätigkeit des Anwalts nur vor dem Ausgangsgericht stattgefunden hat.

1.898 Beispiel: Die Klage war vor dem LG München eingereicht worden. Dort hatte der Beklagte Rechtsanwalt A in München beauftragt. Das Verfahren ist sodann an das LG Köln verwiesen worden. Daraufhin wurde das Mandat mit Rechtsanwalt A beendet und in Köln Rechtsanwalt B beauftragt. Dort wurde die Klage später erweitert. Da für Rechtsanwalt A nicht der Wert des gesamten Verfahrens gilt, kann er nach § 33 RVG Wertfestsetzung beantragen (s. Rz. 1.857 ff.). Zuständig hierfür ist das LG Köln.

1.899 Soweit der Rechtspfleger ihm übertragene Geschäfte bearbeitet, ist er nach § 33 RVG zuständig. 1.900 Soweit in der Sache der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entschieden hat – etwa in einem Erinnerungsverfahren –, ist er auch für die Festsetzung des Gegenstandswertes zuständig.

1.901 Geht es um die Wertfestsetzung in einem Verfahren vor dem LG oder dem OLG, entscheidet das Gericht über den Antrag auf Wertfestsetzung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).

1.902 Der Einzelrichter hat das Verfahren allerdings der Kammer bzw. dem Senat vorzulegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG). Ehrenamtliche Richter sind bei der Wertfestsetzung von der Mitwirkung ausgeschlossen (§ 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).

1.903 Hat der Einzelrichter das Verfahren der Kammer übertragen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, oder hat er dies unterlassen, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben waren, so kann hierauf ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 33 Abs. 8 Satz 4 RVG).

1.904 Dem Wortlaut des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG nach gilt die Einzelrichterzuständigkeit auch für Festsetzungsverfahren vor dem BGH. Da hier im GVG aber kein Einzelrichter vorgesehen ist, läuft diese Regelung insoweit leer. Daher ist der BGH zunächst davon ausgegangen, dass in Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG immer der Senat als Kollegium entscheidet.1 Er hat seine bisherige Praxis jedoch zwischenzeitlich in Zweifel gezogen und dem Großen Senat für Zivilsachen gem. § 132 Abs. 4 GVG folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: „Ist über einen Antrag nach § 33 RVG auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG weiterhin durch den Senat in der Besetzung gem. § 139 Abs. 1 GVG zu entscheiden?“.2 4. Antrag

1.905 Die Wertfestsetzung nach § 33 RVG erfolgt nur auf Antrag, niemals von Amts wegen (§ 33 Abs. 1 RVG).

1.906 Der Anwalt sollte in seinem Antrag klarstellen, dass der Festsetzungsantrag nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt wird. Das Gericht könnte anderenfalls davon ausgehen, dass eine Wertfestsetzung nach dem GKG, dem FamGKG oder dem GNotKG begehrt wird, was ggf. unzulässig, jedenfalls aber unbegrün1 BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = MDR 2010, 718; ebenso zur Erinnerung gegen den Kostenansatz BGH, Beschl. v. 13.1.2005 – V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584 = FamRZ 2005, 515. 2 BGH, Vorlagebeschl. v. 6.10.2020 – XI ZR 355/18.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

det wäre, wenn keine Gerichtsgebühren anfallen oder diese sich nicht nach dem Gegenstandswert berechnen. Klarzustellen ist, in wessen Namen der Antrag gestellt wird und auf welche Wertbeziehung sie sich 1.907 erstreckt, also wem gegenüber eine bindende Festsetzung erfolgen soll.

Muster 16a: Antrag auf Wertfestsetzung nach § 33 RVG

1.907a

An das …gericht Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 RVG In Sachen … ./. … beantrage ich den Gegenstandswert der mir zustehenden Terminsgebühr gem. § 33 RVG gesondert festzusetzen. Begründung: Im zugrunde liegenden Verfahren habe ich für den Kläger eine Stufenklage auf Auskunft und Zahlung noch eines zu beziffernden Pflichtteilsanspruchs eingereicht. Das Gericht hat ausgehend von der Erwartung des Klägers von seinem Zahlungsanspruch den Streitwert des Verfahrens auf 50.000,00 a festgesetzt, was nicht beanstandet wird. Nachdem im über die Auskunft ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren ergangen ist, wurde die Klage zurückgenommen, ohne dass über die Hauptsache verhandelt worden ist. Meine Terminsgebühr für das Anerkenntnisurteil (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG) ist daher nur aus dem Wert der Auskunft angefallen. Daher ist insoweit eine abweichende Wertfestsetzung gem. § 33 RVG geboten. Ausgehende von dem Wert der Hauptsache ist der Wert der Auskunft mit 12.500,00 a anzusetzen (25 % der Hauptsache). Rechtsanwalt

5. Fälligkeit der Vergütung Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG setzt die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung voraus (§ 33 Abs. 2 RVG). Im Gegensatz zur Wertfestsetzung nach dem GKG (§ 63 Abs. 1 GKG) sieht § 33 RVG keine vorläufige Wertfestsetzung vor, sondern nur eine endgültige.

1.908

Ein vorzeitig, also vor Eintritt der Fälligkeit gestellter Antrag ist daher unzulässig.

1.909

Daher ist insbesondere ein Antrag unzulässig, den Wert festsetzen zu lassen, um einen Vorschuss berechnen zu können.1 Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG spricht ausdrücklich von der fälligen Vergütung. Bis zur Fälligkeit muss der Anwalt daher den Gegenstandswert selbst ermitteln und hiernach angemessene Vorschüsse berechnen, die er dann nach endgültiger Wertfestsetzung gem. § 10 Abs. 2 RVG abrechnen muss.

1.910

Die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung richtet sich nach § 8 Abs. 1 RVG. Danach tritt Fälligkeit 1.911 ein, wenn – der Auftrag erledigt ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 RVG), – die Angelegenheit beendet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 RVG), 1 LAG Kiel, Beschl. v. 23.3.2006 – 2 Ta 54/06, NZA-RR 2006, 320 = NZA 2006, 1007.

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1. Teil Verfahrensrecht

– eine Kostenentscheidung ergangen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 RVG), – der Rechtszug beendet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 RVG) oder – das Verfahren länger als drei Monate ruht (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 RVG).

1.912 Da hinsichtlich einzelner Vergütungsteile unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte, also Teilfälligkeiten, eintreten können, ist insoweit dann auch zu differenzieren.

1.913 Zum einen ist nur derjenige antragsberechtigt, der an dem fälligen Vergütungsverhältnis beteiligt ist; zum anderen erfolgt die Wertfestsetzung nur hinsichtlich der Teile, aus denen sich eine fällige Vergütung berechnet.

1.914 Beispiele: Vor der mündlichen Verhandlung hat der Auftraggeber dem Anwalt das Mandat gekündigt und einen neuen Anwalt beauftragt. Die Vergütung des ersten Anwalts ist fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVG), da der Auftrag beendet ist. Er kann daher die Wertfestsetzung gegenüber seinem Mandanten und ggf. gegenüber der Landeskasse beantragen, nicht aber der zweite Anwalt, da seine Vergütung noch nicht fällig ist. Daneben kann der Auftraggeber im Verhältnis zum ersten Anwalt ebenfalls die Wertfestsetzung beantragen. Gleiches gilt für die Staatskasse, wenn sie insoweit eintrittspflichtig ist. Das Verfahren wird zum Ruhen gebracht. Nach fünf Monaten wird es wieder aufgenommen und fortgesetzt. Mit Ablauf von drei Monaten nach Ruhen des Verfahrens wird die Vergütung eines gerichtlichen Verfahrens fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 2 RVG). Daher ist insoweit jetzt eine Festsetzung des Gegenstandswertes möglich. Dass sich später der Gegenstandswert verändert und weitere Gebühren, etwa eine Terminsgebühr, nach einem höheren oder geringeren Gegenstandswert berechnet werden können, bleibt davon unberührt, da der Beschluss nur den Wert der fälligen Gebühren betrifft, nicht aber die der hiernach ausgelösten weiteren oder erstmals fällig gewordenen Gebühren. Hierfür ist dann ggf. eine weitere Wertfestsetzung vorzunehmen.

6. Form

1.915 Der Antrag muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden (§ 33 Abs. 7 Satz 1 RVG). Ansonsten ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. § 129a ZPO ist entsprechend anwendbar (§ 33 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 RVG).

1.916 Es besteht weder Anwalts- noch Postulationszwang. 1.917 Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend (§ 33 Abs. 7 Satz 2 RVG). 7. Bezifferung des Antrags

1.918 Ein bezifferter Antrag muss nicht gestellt werden. Es ist auch nicht erforderlich, eine Wertvorstellung anzugeben. Im Einzelfall kann es jedoch sinnvoll sein, die eigene Wertvorstellung mitzuteilen.

1.919 Bedeutung hat eine solche Wertangabe insbesondere für die Berechnung einer eventuellen späteren Beschwer (s. Rz. 1.982). 8. Begründung

1.920 Eine Begründung des Wertfestsetzungsantrags ist nicht erforderlich. Sinnvoll und zweckmäßig ist es jedoch, die eigene Wertvorstellung zu begründen, damit das Gericht zutreffend festsetzt. Dies kann überflüssige Beschwerden vermeiden.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

Sofern sich die Fälligkeit nicht bereits aus den Gerichtsakten ergibt, sollte auch zur Fälligkeit kurz vorgetragen werden.

1.921

Ggf. sollte im Antrag auch darauf hingewiesen werden, weshalb keine Bindungswirkung einer eventuellen gerichtlichen Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 2 RVG besteht.

1.922

9. Verfahren und Entscheidung a) Überblick Das Wertfestsetzungsverfahren findet vor dem Richter, Rechtspfleger oder Urkundsbeamten statt, der in der Sache entschieden hat oder der in der Sache zur Entscheidung berufen gewesen wäre (s. Rz. 1.896). Das Wertfestsetzungsverfahren wird in den Akten des Hauptsacheverfahrens unter dessen Aktenzeichen geführt.

1.923

b) Rechtliches Gehör Das Gericht hat die Beteiligten anzuhören. Ihnen muss rechtliches Gehör gewährt werden. Zu beteiligen sind allerdings nur diejenigen, die durch die Entscheidung betroffen sind oder im Verlauf des Verfahrens noch betroffen sein können.

1.924

Wer Beteiligter und damit anzuhören ist, ergibt sich daraus, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung erfolgen soll.

1.925

Beantragt ein Anwalt die Wertfestsetzung, ist seine Partei anzuhören und sofern diese einen Erstattungsanspruch gegen Dritte hat, auch der Dritte. Soweit der Anwalt beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte müssen nicht angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist. Beispiele: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der Anwalt des unterlegenen Beklagten die Wertfestsetzung nach § 33 RVG.

1.926

Anzuhören sind nur der Beklagte und im Falle der Prozesskostenhilfe die Staatskasse. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sind dagegen nicht anzuhören, da eine Festsetzung nach § 33 RVG für sie keine Auswirkungen haben kann. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der Anwalt des obsiegenden Beklagten die Wertfestsetzung nach § 33 RVG. Jetzt ist auch der Kläger anzuhören, da die Wertfestsetzung auch für die Kostenerstattung Bedeutung hat. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers braucht dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt für den Anwalt des Klägers keine Auswirkungen haben kann.

Beantragt eine Partei die Wertfestsetzung gegenüber ihrem Anwalt, ist der Anwalt anzuhören und 1.927 sofern die Partei einen Erstattungsanspruch gegen Dritte hat, auch der Dritte. Soweit der Anwalt beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte müssen wiederum nicht angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist. Beispiele: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der unterlegene Beklagte den Gegenstandswert gegenüber seinem Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Anzuhören ist der Anwalt des Beklagten. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter brauchen dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt für den Kläger und seinen Anwalt keine Auswirkungen haben kann. Soweit der Anwalt des Beklagten beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der obsiegende Beklagte den Gegenstandswert gegenüber seinem Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Jetzt ist auch der Kläger anzuhören, nicht aber auch dessen Anwalt.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.929 Beantragt eine Partei die Wertfestsetzung einer anderen Partei gegenüber deren Anwalt, sind die andere Partei und deren Anwalt anzuhören. Soweit der Anwalt der anderen Partei beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte – insbesondere der eigene Anwalt – wiederum müssen angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist.

1.930 Beispiel: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der unterlegene Beklagte, den Gegenstandswert im Verhältnis des Klägers zu dessen Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Jetzt sind der Kläger und dessen Anwalt anzuhören. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten braucht dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Klägers zu seinem Anwalt keine Auswirkungen auf das Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt haben kann. Soweit der Anwalt des Klägers beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden.

1.931 Wird rechtliches Gehör nicht gewährt, so kann hierauf eine Gehörsrüge nach § 12a RVG gestützt werden, sofern nicht die Beschwerde (s. Rz. 1.953 ff.) zulässig ist. c) Zulässigkeitsprüfung

1.932 Das Gericht hat zunächst zu prüfen, ob der Antrag statthaft und zulässig ist. 1.933 Es muss also prüfen, ob der Gegenstandswert für eine gerichtliche Tätigkeit in der betreffenden Instanz festgesetzt werden soll, ob eine Antragsberechtigung besteht, ob die Vergütung des Anwalts fällig ist und ob geltend gemacht wird, dass eine Bindungswirkung nach § 32 RVG nicht besteht.

1.934 Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen. Das Gericht darf sich dann mit der Bewertung nicht befassen. d) Form und Inhalt der Entscheidung aa) Form

1.935 Das Gericht entscheidet über den Festsetzungsantrag durch Beschluss. bb) Inhalt der Entscheidung

1.936 Soweit das Gericht den Festsetzungsantrag für nicht statthaft oder unzulässig hält, hat es den Antrag zu verwerfen.

1.937 Hält das Gericht den Antrag zwar für zulässig, kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass für den Anwalt der für die Gerichtsgebühren geltende Wert maßgebend ist, dass also die vom Antragsteller geltend gemachte Abweichung vom Wert der Gerichtsgebühren nicht vorliegt, dann muss es den Antrag als unbegründet zurückweisen. Es darf dann nicht festsetzen,1 was leider jedoch häufig geschieht.2 Eine Festsetzung führt in diesen Fällen nämlich zu Rechtskraftproblemen.

1.938 Beispiel: Das Gericht hat den Streitwert des Verfahrens bei Haupt- und Hilfsantrag auf 10.000 t festgesetzt und den Hilfsantrag nicht berücksichtigt, weil hierüber nicht entschieden worden ist (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Der Anwalt beantragt eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG, weil er der Auffassung ist, für seine Tätigkeit sei der Wert des Hilfsantrags mitzuberücksichtigen. Geht das Gericht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass der Wert des Hilfsantrags auch für den Anwalt nur dann Bedeutung hat, wenn darüber das Gericht entschieden hat,3 dann muss der Antrag als

1 Zutreffend z.B. KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, KGReport Berlin 2007, 800 = JurBüro 2007, 488. 2 Selbst beim BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = MDR 2010, 718. 3 Siehe das Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227 ff.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG unbegründet zurückgewiesen werden, weil sich die Anwaltsgebühren nach demselben Wert richten, wie die Gerichtsgebühren. Würde das Gericht hier – was leider häufig vorkommt – den Wert auf 10.000 t festsetzen, dann würde die Wertfestsetzung nach § 33 RVG innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses bestandskräftig, während die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren noch innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft oder sonstigem Abschluss des Verfahrens abgeändert werden kann (§ 63 Abs. 3 GKG). In diesem Falle bestünde die Gefahr, dass sich die Bindungswirkungen des § 32 Abs. 1 RVG und des § 33 RVG widersprechen.

cc) Antragsbindung Da es sich um ein Antragsverfahren handelt, spricht vieles dafür, dass das Gericht an Anträge der Be- 1.939 teiligten gebunden ist, sofern solche Anträge gestellt werden (s. Rz. 1.918). dd) Begründungszwang Der Festsetzungsbeschluss muss begründet werden; anderenfalls ist eine Überprüfung der Wertfestsetzung durch das übergeordnete Gericht nicht möglich. Je nach Einzelfall reicht eine stichwortartige Begründung, eine Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften oder einschlägige Gerichtsentscheidungen.

1.940

ee) Zulassung der Beschwerde Darüber hinaus muss das Gericht auch entscheiden, ob es die Beschwerde gegen seinen Beschluss zulässt (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

1.941

ff) Rechtsbehelfsbelehrung

1.942

Schließlich muss das Gericht auch eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilen (§ 12c RVG). e) Zustellung Da gegen die Wertfestsetzung grundsätzlich die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG gegeben ist, muss der Beschluss den Beteiligten förmlich zugestellt werden, also auch den Parteien persönlich.1 Eine formlose Mitteilung setzt die Beschwerdefrist nicht in Gang.

1.943

Eine Zustellung kann auch im Hinblick auf die Kostenfestsetzung nach § 103 ZPO oder eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG erforderlich sein, da hiermit eine eventuelle Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird (s. Rz. 1.1052 ff.).

1.944

10. Bindungswirkung Die Bindung einer Entscheidung nach § 33 RVG tritt nur zwischen den Parteien des Festsetzungsverfahrens ein. Die Entscheidung hat keine Reflexwirkung für andere Beteiligte, wenn der Anwalt den Festsetzungsantrag stellt. Dann tritt eine Bindungswirkung nur für und gegen ihn sowie den Auftraggeber ein.

1.945

Der Anwalt des Klägers ist daher nicht an eine Wertfestsetzung gebunden, die im Verhältnis des Beklag- 1.946 ten zu seinem Anwalt ergeht. Ein Verkehrsanwalt ist nicht an die Wertfestsetzung gebunden, die auf Antrag des Hauptbevollmächtigten ergeht. Er kann einen eigenen Wertfestsetzungsantrag stellen, der ggf. zu einem anderen Er-

1 LAG Köln, Beschl. v. 8.8.1991 – 11 Ta 127/91, JurBüro 1991, 1678.

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1. Teil Verfahrensrecht

gebnis führen kann, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn nur einer der beteiligten Anwälte Beschwerde einlegen kann.

1.948 Beispiel: In einem Rechtsstreit beantragt zunächst der Verkehrsanwalt die Wertfestsetzung. Das Gericht setzt den Wert auf 4.000 t fest. Eine Beschwerde hiergegen seitens des Verkehrsanwalts ist nicht möglich, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t nicht übersteigt.

Später beantragt der Prozessbevollmächtigte die Wertfestsetzung. Das Gericht setzt den Gegenstandswert wiederum auf 4.000 t fest. Hiergegen legt der Prozessbevollmächtigte Beschwerde ein, da dessen Beschwer über 200 t liegt. Das LG ändert den Beschluss ab und setzt den Wert auf 7.000 t fest. Der Prozessbevollmächtigte kann jetzt nach 7.000 t abrechnen; für den Verkehrsanwalt bleibt es dagegen bei dem Wert von 4.000 t, da das Wertfestsetzungsverfahren für ihn insoweit rechtskräftig abgeschlossen ist.

1.949 Wird die Wertfestsetzung vom Auftraggeber oder von der Staatskasse beantragt, so sind auf Seiten der Antragsgegner sämtliche Anwälte zu beteiligen, deren Vergütungsansprüche durch die Wertfestsetzung tangiert sein können. Insoweit wirkt dann auch ein Beschluss gegenüber allen Beteiligten, vorausgesetzt selbstverständlich, dass auch allen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist und die Wertfestsetzungsbeschlüsse auch allen Beteiligten zugestellt worden sind (s. Rz. 1.943). 11. Abänderung

1.950 Eine Abänderung der Wertfestsetzung von Amts wegen, wie sie bei der gerichtlichen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG in Betracht kommt, ist im Verfahren nach § 33 RVG unzulässig.

1.951 Daher ist auch ein Rechtsmittelgericht nicht berechtigt, eine vorinstanzliche Wertfestsetzung abzuändern, solange es nicht im Rahmen der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG oder der weiteren Beschwerde nach § 33 Abs. 6 RVG angerufen wird. 12. Gehörsrüge

1.952 Ist die Entscheidung über die Wertfestsetzung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen und ist eine Beschwerde nicht zulässig, kann gegen die Wertfestsetzung gem. § 12a RVG Gehörsrüge erhoben werden. Da hier – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren – eine Abänderung von Amts wegen nicht möglich ist, kommt der Gehörsrüge größere Bedeutung zu als bei den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren.

IV. Beschwerde 1. Überblick

1.953 Gegen die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG ist gem. § 33 Abs. 3 RVG die Beschwerde gegeben. Hat ein Einzelrichter entschieden, kann auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung auf die Kammer oder den Senat ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 33 Abs. 8 Satz 4 RVG).

1.954 Anfechtbar sind allerdings nur Festsetzungen des Amtsgerichts oder des Landgerichts. 1.955 Eine Wertfestsetzung des OLG ist unanfechtbar, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ausgeschlossen ist (§ 33 Abs. 4 Satz 2 RVG).

1.956 Eine Wertfestsetzung des BGH ist nicht anfechtbar, weil es kein übergeordnetes Beschwerdegericht gibt.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

1.957

Erforderlich ist, dass – der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 v übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) oder – das Gericht in seiner Entscheidung die Beschwerde zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) oder – das Gericht den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts zurückgewiesen hat.1 2. Beschwerdeberechtigung Der Wertfestsetzungsbeschluss des Gerichts ist nach § 33 Abs. 3 RVG von allen Antragsberechtigten mit der Beschwerde angreifbar. Beschwerdeberechtigt sind

1.958

– der verfahrensbevollmächtigte Anwalt, – weitere Anwälte, wie z.B. Terminsvertreter, Verkehrsanwalt, – der Auftraggeber, – ein erstattungspflichtiger Dritter, – die Staatskasse in den Fällen des § 45 RVG, also, soweit einem der Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Voraussetzung ist selbstverständlich eine Beschwer. Diese ist immer gegeben, wenn der Antrag zurückgewiesen worden ist.2 Ansonsten ist für den Anwalt eine Beschwer gegeben, wenn der Wert nach seiner Auffassung zu gering festgesetzt ist und für die Partei oder die Staatskasse, dass der Wert aus ihrer Sicht zu hoch festgesetzt ist.

1.959

Soweit zum Teil vertreten wird, beschwerdeberechtigt sei nur, wer erstinstanzlich den Antrag gestellt habe,3 ist dies unzutreffend. Auch der Antragsgegner kann Beschwerde einlegen, wenn er durch die Festsetzung beschwert ist. Lediglich sonstige Dritte, gegenüber denen die Festsetzung nicht wirkt, sind nicht beschwerdeberechtigt.

1.960

Beispiel: Nach Abschluss des Verfahrens wird auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers der Gegenstand antragsgemäß festgesetzt.

1.961

Selbstverständlich ist der Kläger jetzt beschwerdeberechtigt, da er die Gebühren seines Anwalts nach dem festgesetzten Wert zahlen muss. Dagegen sind der Beklagte und sein Anwalt nicht beschwerdeberechtigt, da ihnen gegenüber die Festsetzung nicht wirkt.

Sonstige Dritte, die nicht antragsberechtigt sind (s. Rz. 1.894, 1.895), können niemals beschwerdeberechtigt sein.

1.962

3. Form Die Beschwerde bedarf keiner besonderen Form. Sie kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll 1.963 der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 33 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 1 RVG). Die Vorschrift des § 129a ZPO ist entsprechend anwendbar (§ 33 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 RVG). Ein Anwaltszwang besteht im Beschwerdeverfahren nicht, da nach § 33 Abs. 7 Satz 1 RVG Anträge und Erklärungen ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden können.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147 = NJW-Spezial 2021, 59. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147 = NJW-Spezial 2021, 59. 3 So LAG Hamm, Beschl. v. 23.1.2006 – 13 TaBV 1268/05, NZS 2006, 267.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.965 Angegeben werden sollte, in wessen Namen die Beschwerde eingelegt wird. Ergibt sich nicht eindeutig, für wen die Beschwerde eingelegt ist, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Erhöhungsbeschwerde im Namen des Anwalts eingelegt worden ist und eine Herabsetzungsbeschwerde im Namen der Partei. 4. Bestimmter Antrag

1.966 Strittig ist, ob ein bestimmter Antrag im Beschwerdeverfahren gestellt werden muss1 oder sich zumindest aus der Beschwerdebegründung ergeben muss, welche Wertfestsetzung beantragt wird.2 Für einen bestimmten Antrag spricht, dass es sich beim Verfahren nach § 33 RVG – im Gegensatz zu den Verfahren nach § 63 GKG, § 55 FamGKG und § 79 GNotKG – um ein reines Antragsverfahren handelt und dass mangels eines Antrags im Beschwerdeverfahren nicht zu ermitteln ist, ob der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands erreicht ist. Vorsorglich sollte daher im Beschwerdeverfahren immer auch klargestellt werden, welche Wertfestsetzung beantragt wird, zumindest sollte eine ungefähre Wertvorstellung angegeben werden. 5. Zuständigkeit

1.967 Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist das jeweilige Beschwerdegericht. Das ist gem. § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG das nächst höhere Gericht und in Zivilsachen nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG das OLG. – Gegen Wertfestsetzungen des AG ist daher grundsätzlich das LG als Beschwerdegericht zuständig. Lediglich in den Fällen, in denen der Instanzenzug abweichend (AG – OLG) geregelt ist, etwa in Familiensachen und landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren, ist das OLG als Beschwerdegericht zuständig. – Gegen Wertfestsetzungen des LG ist immer das OLG Beschwerdegericht, unabhängig davon, ob das LG als erstinstanzliches Gericht, als Berufungs-, oder Beschwerdegericht entschieden hat.

1.968 Ungeachtet der Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde immer beim Ausgangsgericht einzureichen (§ 33 Abs. 7 Satz 3 RVG), da dieses zunächst zu prüfen hat, ob es der Beschwerde abhilft.

1.969 Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde beim Beschwerdegericht eingereicht, muss es sie an das Ausgangsgericht abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend.3

1.970 Das Ausgangsgericht kann allerdings – auch wenn es über die Beschwerde nicht zu entscheiden hat – abhelfen (§ 33 Abs. 4 Satz 2 RVG). 6. Frist

1.971 Die Beschwerde ist fristgebunden. Sie muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

1.971a Strittig ist, ob die Zwei-Wochen-Frist auch dann gilt, wenn die Festsetzung eines Wertes nach § 33 RVG abgelehnt worden ist. Zur Vorgängervorschrift des § 10 BRAGO wurde vertreten, dass in diesem Fall keine Frist laufe, sondern dass diese nur für die Festsetzung selbst gelten solle. Für eine solche Differenzierung gibt es aber keinen Grund, so dass auch hier die Frist des § 33 Abs. 3 RVG gilt.

1 So LAG Mainz, Beschl. v. 26.7.2006 – 11 Ta 103/06, AGS 2008, 137 = MDR 2007, 370. 2 LAG Bremen, Beschl. v. 27.8.2004 – 3 Ta 45/04, AGS 2005, 126 = ArbRB 2005, 49. 3 LSG Thüringen, Beschl. v. 25.11.2014 – L 6 F 1191/14 B, AGS 2015, 144.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung, wird die Frist des § 33 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht in Gang gesetzt, insbesondere nicht bei einer nur formlosen Mitteilung.

1.972

7. Wiedereinsetzung Wird die Beschwerdefrist versäumt, kann dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 33 Abs. 5 RVG).

1.973

Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. 1.974 Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 33 Abs. 5 Satz 1 RVG, § 85 Abs. 2 ZPO). Ein fehlendes Verschulden wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Ist der Beschwerdeführer allerdings anwaltlich vertreten, wird in der Praxis regelmäßig ein Verschulden vermutet, da der Anwalt die zutreffenden Fristen kennen muss. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses 1.975 zu stellen. Innerhalb derselben Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 33 Abs. 5 Satz 1 RVG). Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 33 Abs. 5 Satz 2 RVG).

1.976

Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet zwar das Beschwerdegericht; da die nachgeholte Be- 1.977 schwerde jedoch zwingend bei dem Gericht einzureichen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 33 Abs. 7 Satz 3 RVG), gilt dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag selbst. Über die Wiedereinsetzung entscheidet jedoch alleine das Beschwerdegericht. Das Ausgangsgericht muss also, wenn es vom Ablauf der Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem Beschwerdegericht vorlegen. Eine Abhilfe durch das Ausgangsgericht ist zunächst nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde für die dem Ausgangsgericht keine Entscheidungskompetenz zusteht.

1.978

Gibt das Beschwerdegericht dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem Ausgangsgericht zurückzugeben, das nunmehr nach § 33 Abs. 4 RVG über die Abhilfe zu entscheiden hat.

1.979

Lehnt das LG als Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung ab, kann dagegen Beschwerde erhoben werden (§ 33 Abs. 5 Satz 3 RVG). Sie muss innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden (§ 33 Abs. 5 Satz 4 RVG).

1.980

Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung durch das OLG ist eine Beschwerde nicht möglich (§ 33 Abs. 5 Satz 6, Abs. 4 Satz 3 RVG).

1.981

8. Wert des Beschwerdegegenstands Soweit das Ausgangsgericht in seiner Entscheidung die Beschwerde nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat und der Antrag auch nicht zurückgewiesen worden ist (s. Rz. 1.993), setzt eine Beschwerde voraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigt.

1.982

Der Wert des Beschwerdegegenstands (nicht der der Beschwer) muss also den Wert von mindestens 200,01 v erreichen.

1.983

Der Wert des Beschwerdegegenstands ist für jeden Beschwerdeberechtigten gesondert zu prüfen.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.985 Für den Anwalt kommt es darauf an, welche Mehrvergütung sich ergibt, wenn das Gericht der Beschwerde abhilft und den höheren Wert festsetzt. Es sind dann die Gebühren nach dem bisher festgesetzten Gegenstandswert und die Gebühren nach dem begehrten Gegenstandswert gegenüberzustellen. Beträgt die Gebührendifferenz mehr als 200 t, ist die Beschwerde zulässig; anderenfalls ist sie unzulässig. Es gilt hier nichts anderes als bei der Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG, § 68 Abs. 1 GKG.

1.986 Auch hier ist im Falle der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht auf die Beträge nach § 49 RVG abzustellen,1 sondern auf die des § 13 RVG, da sich im Falle der Abänderung oder Aufhebung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe weiter gehende Ansprüche nach den Beträgen des § 13 RVG noch ergeben können (s. Rz. 1.341 ff.).

1.987 Abzustellen ist jeweils nur auf die eigene Vergütung des Anwalts. Sind mehrere Anwälte beteiligt, kann allerdings zu addieren sein.

1.988 Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 5.000 t festgesetzt. Sowohl Prozessbevollmächtigter als

auch Verkehrsanwalt begehren einen Gegenstandswert von 7.000 t. Für den Prozessbevollmächtigten ergäbe sich ein Mehraufkommen i.H.v. 150 t, für den Verkehrsanwalt i.H.v. 100 t.

Für sich genommen, ist keiner der beteiligten Anwälte beschwerdeberechtigt, weil keiner den Wert des Beschwerdegegenstands erreicht. Eine gemeinsame Beschwerde wäre dagegen zulässig, da dann nach § 5 ZPO die Werte der einzelnen Beschwerdegegenstände zusammen zu rechnen sind.

1.989 Für den Auftraggeber und die Staatskasse kommt es dagegen immer auf den Gesamtbetrag aller Vergütungen an.

1.990 Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 7.000 t festgesetzt. Der Auftraggeber ist der Auffassung,

der Wert sei lediglich auf 5.000 t festzusetzen. Dies ergäbe gegenüber dem Prozessbevollmächtigten ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 150 t und gegenüber dem Verkehrsanwalt ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 100 t.

Für den Auftraggeber beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 250 t.

1.991 Eine erstattungspflichtige Partei wiederum wird beschwert durch einen höheren Kostenerstattungsanspruch. Daher kommt es hier nicht darauf an, welche Mehr- oder Minderbeträge sich an Vergütungsansprüchen ergeben. Hier muss vielmehr geprüft werden, inwieweit sich die Wertfestsetzung auf die Kostenerstattung auswirkt, also in welcher Höhe die Partei letztlich eine höhere Kostenerstattung an den Gegner zu erbringen hat. Nur dann, wenn der Differenzwert den Betrag von 200 t übersteigt, ist für sie die Beschwerde zulässig. Im Gegensatz zur Beschwerde nach § 68 GKG bleiben hier also Gerichtsgebühren außer Ansatz, da diese von der Wertfestsetzung nach § 33 RVG unberührt bleiben.

1.992 Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf 7.000 t festgesetzt. Der Beklagte ist der Auffassung, der Wert sei lediglich auf 5.000 t festzusetzen. Es ergäbe sich dann ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 300 t. a) Der Beklagte hat die gesamten Kosten des Klägers zu tragen. b) Der Beklagte hat die Kosten des Klägers zu 50 % zu tragen. Im Fall a) ist die Beschwerde zulässig. Im Fall b) beträgt der Beschwerdewert nur 150 t, so dass die Beschwerde nicht zulässig ist.

1 Unzutreffend LAG Mainz, Beschl. v. 17.8.2009 – 1 Ta 183/09, KostRsp. RVG § 33 Nr. 27.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

9. Zugelassene Beschwerde Unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands ist die Beschwerde auch dann zulässig, wenn das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in seinem Festsetzungsbeschluss zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

1.993

Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden (§ 33 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 1 RVG).

1.994

Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 RVG).

1.995

10. Beschwerde gegen Zurückweisung des Antrags Unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands ist die Beschwerde auch dann immer zulässig, wenn das Gericht, das den Gegenstandswert hätte festsetzen sollen, den Antrag zurückgewiesen hat.1

1.996

11. Verfahren a) Abhilfeverfahren Das Gericht, das den Gegenstandswert festgesetzt hat, kann der Beschwerde abhelfen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 RVG).

1.997

Hilft das Erstgericht der Beschwerde nicht ab, legt es die Sache dem Beschwerdegericht vor (§ 33 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 RVG).

1.998

Hilft das Erstgericht der Beschwerde ab, kann hiergegen wiederum bei Erreichen der erforderlichen Beschwer ein anderer Verfahrensbeteiligter Erstbeschwerde einlegen.

1.999

Wird einer Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist zu prüfen, ob nach Abhilfe noch der erforderliche Beschwerdewert erreicht ist. Fehlt es daran, wird die Beschwerde unzulässig. Siehe hierzu Rz. 1.377.

1.1000

b) Verfahren vor dem Beschwerdegericht aa) Zuständigkeit Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich durch den Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter, einem Rechtspfleger oder einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erlassen wurde (§ 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG).

1.1001

Der Einzelrichter hat das Verfahren allerdings der Kammer oder dem Senat vorzulegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

1.1002

Hat beim LG die Kammer entschieden, so ist der Senat für das Beschwerdeverfahren zuständig. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist nicht vorgesehen.

1.1003

bb) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts (1) Form

1.1004

Auch das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss.

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.7.2020 – 6 WF 114/20; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2020 – 5 WF 80/20, AGS 2020, 518; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2018, NZFam 2018, 530 = FamRZ 2018, 1258.

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1. Teil Verfahrensrecht

(2) Inhalt

1.1005 Soweit das Gericht die Beschwerde als unzulässig ansieht, hat es sie zu verwerfen. 1.1006 Hält das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend, so ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

1.1007 Soweit das Gericht der Auffassung ist, die Beschwerde sei begründet, hat es den festgesetzten Wert abzuändern.

1.1008 Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung der Vorinstanz aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverweisen, wenn die Festsetzung auf einem schweren Verfahrensfehler beruht. (3) Verschlechterungsverbot

1.1009 Da es sich bei dem Verfahren nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren handelt, ist das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) zu beachten.1 Das Gericht darf nicht zu Lasten des Beschwerdeführers entscheiden.

1.1010 Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 5.000 t festgesetzt. Dagegen legt der Anwalt Beschwerde ein mit dem Antrag, einen höheren Wert festzusetzen. Das Gericht ist der Auffassung der Gegenstandswert betrage lediglich 3.000 t. Das Gericht darf nur die Beschwerde als unbegründet zurückweisen. Es darf nicht den Wert auf 3.000 t abändern. Das wäre nur möglich, wenn auch der Auftraggeber (Anschluss-)Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung erhoben hätte.

(4) Bindung an den Antrag

1.1011 Bedeutung hat die Frage des bestimmten Antrags (s. Rz. 1.918) insbesondere dann, wenn bei einer Heraufsetzungsbeschwerde der tatsächliche Wert höher bzw. bei einer Herabsetzungsbeschwerde der tatsächliche Wert geringer ist als vom Beschwerdeführer beantragt.

1.1012 Fordert man für die Beschwerde einen bestimmten Antrag, dann darf das Gericht in diesen Fällen nicht über den Wert hinausgehen.2 Das beruht darauf, dass es sich bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren handelt und eine Festsetzung und Ermittlung von Amts wegen gerade nicht zulässig ist. Es würde letztlich doch wieder auf eine Amtsermittlung hinauslaufen, wenn das Gericht über bezifferte Anträge hinausgehen könnte.

1.1013 Wird kein bezifferter Antrag für erforderlich gehalten, besteht jedoch insoweit eine Bindungswirkung als das Gericht nur die angegriffenen Punkte überprüfen darf. Soweit die Wertfestsetzung nicht angefochten wird, darf das Gericht diese nicht abändern, selbst wenn sie falsch ist.

1.1014 Beispiel: In der mündlichen Verhandlung zum Scheidungstermin wird auch über den nicht anhängigen nachehelichen Unterhalt verhandelt sowie über den Zugewinn. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande. Auf Antrag setzt das Gericht den Mehrwert der Verhandlungen fest. Hiergegen legt der Anwalt Beschwerde ein und begründet dies damit, die Wertfestsetzung für das Verhandeln der Zugewinnausgleichssache sei zu gering. Das OLG als Beschwerdegericht ist nicht befugt, den Wert für die Verhandlungen über den Unterhalt abzuändern, selbst wenn diese Wertfestsetzung unzutreffend sein sollte. Es darf nur über den angefochtenen Teilwert betreffend den Zugewinnausgleich entscheiden.

1 LAG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2005 – 8 Ta 5/05, LAGReport 2005, 352; OLG Hamm, Beschl. v. 2.8.2005 – 13 TaBV 17/05, AGS 2006, 301; LAG Köln, Beschl. v. 23.6.2006 – 3 TA 196/06, AGS 2007, 526 = NZARR 2006, 598. 2 LAG Nürnberg, Beschl. v. 18.1.2021 – 2 Ta 152/20, NZA-RR 2021, 265.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

(5) Zulassung der weiteren Beschwerde Darüber hinaus muss ein LG auch darüber entscheiden, ob es die weitere Beschwerde zulässt (§ 33 Abs. 6 Satz 1 RVG). In diesem Fall muss es auch eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilen (§ 12c RVG).

1.1015

V. Gegenvorstellung Da das Gericht im Verfahren nach § 33 RVG – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren (§ 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 79 Abs. 2 Satz 1 GNotKG) – nicht befugt ist, von Amts wegen jederzeit seine Entscheidung abzuändern, kommt auch eine Gegenvorstellung nicht in Betracht.

1.1016

VI. Untätigkeitsbeschwerde Kommt das Gericht dem Antrag auf Wertfestsetzung nicht nach, sollte daran erinnert und ggf. eine Frist gesetzt werden.

1.1017

Wird dann immer noch nicht über den Gegenstandswert entschieden, ist dies als eine konkludente Ablehnung der Wertfestsetzung anzusehen. Insoweit ist dann ebenfalls die Beschwerde gegeben. Eines Beschwerdewertes bedarf es hier nicht.1

1.1018

Weigert sich das Gericht dagegen, dem Wertfestsetzungsantrag nachzukommen, weil nach seiner Auffassung der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert maßgebend ist, so liegt darin die konkludente Ablehnung des Festsetzungsantrags nach § 33 RVG als unzulässig oder unbegründet. Insoweit ist die Beschwerde gegeben, wenn der Beschwerdewert erreicht ist oder wenn das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

1.1019

VII. Weitere Beschwerde Gegen die Entscheidung des LG als Beschwerdegericht ist die weitere Beschwerde gegeben. Beschwerdeentscheidungen des OLG sind nicht anfechtbar.

1.1020

Die weitere Beschwerde ist allerdings nur dann zulässig, wenn das LG sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage in seinem Beschluss zugelassen hat (§ 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).

1.1021

Über die weitere Beschwerde entscheidet das OLG, und zwar immer in voller Besetzung. Eine Zu- 1.1022 ständigkeit des Einzelrichters ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gegeben, zumal im Falle der weiteren Beschwerde ohnehin die gesamte Kammer im Beschwerdeverfahren entschieden haben dürfte. Auch die weitere Beschwerde ist befristet und muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des LG eingelegt werden (§ 33 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Eine Wiedereinsetzung ist allerdings auch hier möglich (§ 33 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 5 RVG).

1.1023

Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die §§ 546 und 547 ZPO sind entsprechend anzuwenden.

1.1024

1 AnwK-RVG/Thiel, § 33 RVG Rz. 76.

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1. Teil Verfahrensrecht

1.1025 Wird weitere Beschwerde eingelegt, so muss das LG prüfen, ob es ihr abhilft. Anderenfalls legt es sie dem OLG vor, das dann hierüber entscheidet. Das Verfahren der weiteren Beschwerde entspricht im Übrigen dem der Erstbeschwerde.

VIII. Rechtbeschwerde 1.1026 Eine Rechtsbeschwerde ist nicht vorgesehen und daher unstatthaft.

IX. Erinnerung 1.1027 Hat der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte den Gegenstandswert festgesetzt (z.B. im Mahnver-

fahren oder in der Zwangsvollstreckung) und wird der Beschwerdewert von mehr als 200 t nicht erreicht und ist die Beschwerde auch nicht zugelassen, findet gegen seine Entscheidung die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt, über die der Richter abschließend entscheidet. Allerdings kann der Richter im Rahmen seiner Entscheidung nunmehr auch die Beschwerde zulassen.1

X. Gehörsrüge 1.1028 Nach § 12a RVG kann Gehörsrüge erhoben werden, soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen worden ist.

1.1029 Die Gehörsrüge hat hier im Gegensatz zu den Verfahren nach § 63 ff. GKG, § 55 ff. FamGKG; § 79 ff. GNotKG größere Bedeutung, da das Gericht nicht von Amts wegen und auf eine Gegenvorstellung hin die Wertfestsetzung abändern darf.

XI. Verzögerungsrüge 1.1029a Unterbleibt die Wertfestsetzung oder wird eine Gegenvorstellung oder Beschwerde nicht beschieden, kann nach gem. § 198 GVG Verzögerungsrüge erhoben und Schadensersatz angekündigt werden.

XII. Verfassungsbeschwerde 1.1030 Ist gegen die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts der Rechtsweg ausgeschöpft, kommt auch die Verfassungsbeschwerde in Betracht, wenn die Partei oder der Anwalt durch die Wertfestsetzung in ihren Grundrechten verletzt sind. Dabei kann sowohl eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG in Betracht kommen als auch vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht (s. Rz. 1.734).

XIII. Kosten 1. Gericht a) Wertfestsetzungsverfahren

1.1031 Das Verfahren über den Antrag auf Wertfestsetzung ist gebührenfrei (§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG).

1 BGH, Beschl. v. 17.5.2017 – XII ZB 621/15, MDR 2017, 851 = FamRZ 2017, 1318.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

b) Beschwerdeverfahren Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist im Gegensatz zu dem Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG, § 59 FamGKG, § 79 GNotKG nicht gerichtsgebührenfrei. Die Gebührenfreiheit gilt nur für das Verfahren über den Antrag (§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG). Für das Beschwerdeverfahren werden Gebühren nach dem GKG (§ 1 Abs. 4 GKG), dem FamGKG (§ 1 Satz 2 FamGKG) oder dem GNotKG (§ 1 Abs. 4 GNotKG) erhoben.

1.1032

Im Beschwerdeverfahren wird in Zivilsachen und in Familiensachen eine Gerichtsgebühr i.H.v. 66 v 1.1033 erhoben, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 1812 KV GKG; Nr. 1912 KV FamGKG; Nr. 19116 KV GNotKG).

1.1034

Ist die Beschwerde erfolgreich, werden keine Gerichtsgebühren erhoben.

Ist die Beschwerde teilweise erfolgreich, kann das Gericht die Verfahrensgebühr auf die Hälfte redu- 1.1035 zieren oder nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese völlig entfällt (Anm. zu Nr. 1812 KV GKG; Anm. zu Nr. 1912 KV FamGKG; Anm. zu Nr. 19116 KV GNotKG). c) Weitere Beschwerde Im Verfahren der weiteren Beschwerde gilt in Zivilsachen ebenfalls § 1 Abs. 4 GKG i.V.m. Nr. 1812 KV GKG (s. Rz. 1.1032).

1.1036

Einstweilen frei.

1.1037

Im Verfahren der weiteren Beschwerde nach dem GNotKG gilt wiederum § 1 Abs. 4 GNotKG i.V.m. Nr. 19116 KV GNotKG.

1.1038

d) Rechtsbeschwerde Eine Rechtsbeschwerde ist zwar unzulässig (s. Rz. 1.1026). Wird sie dennoch erhoben, entsteht in Zivilsachen eine Gebühr nach den Nrn. 1829, 1827 KV GKG, in Familiensachen nach Nrn. 1923, 1924 KV FamGKG. In Verfahren nach dem GNotKG gelten die Nrn. 19128, 19129 KV GNotKG.

1.1039

2. Anwalt a) Festsetzungsverfahren Vertritt der Anwalt sich in eigener Sache selbst, entsteht mangels Auftraggebers kein Vergütungsanspruch. Da eine Kostenerstattung hier ausgeschlossen ist (s. Rz. 1.1049 ff.), gilt auch nicht § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

1.1040

Vertritt der Anwalt die Partei, die sich gegen einen Festsetzungsantrag des gegnerischen Anwalts wehrt, so ist die Tätigkeit auf Wertfestsetzung der Gebühren auch dann nicht durch die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten, wenn der Anwalt die Partei in der Hauptsache vertritt, also das Mandat übernommen hat. Nur die Festsetzung der eigenen Vergütung zählt zur Instanz (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG), nicht die Abwehr der Vergütung eines vorherigen Anwalts.

1.1041

Besteht insoweit ein Einzelauftrag – auch wenn der Anwalt einen anderen Anwalt im Festsetzungsverfahren vertritt – entsteht eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 RVG-VV, jedoch nicht mehr als eine Verfahrensgebühr, die in der Hauptsache angefallen wäre (§ 15 Abs. 6 RVG).

1.1042

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1. Teil Verfahrensrecht

b) Beschwerdeverfahren

1.1043 Im Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt, der sich selbst vertritt, wiederum keine Vergütung. Da auch hier eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (s. Rz. 1.1049 f.), gilt § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO wiederum nicht.

1.1044 Vertritt der Anwalt die Partei, die sich gegen eine Heraufsetzungsbeschwerde des gegnerischen Anwalts wehrt oder vertritt der Anwalt einen anderen Anwalt im Verfahren der Heraufsetzungsbeschwerde, so erhält er eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 RVG-VV, die sich bei mehreren Auftraggebern nach Nr. 1008 RVG-VV erhöht.1 c) Weitere Beschwerde

1.1045 Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist eine neue selbständige Angelegenheit (§ 17 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Es entsteht die gleiche Vergütung wie in Beschwerdeverfahren (s. Rz. 1.1043). d) Erinnerung

1.1046 Erinnerungsverfahren werden abgerechnet wie Beschwerdeverfahren (s. Rz. 1.1043). e) Rechtsbeschwerde

1.1047 Wird unzulässigerweise Rechtsbeschwerde eingelegt, ist auch das eine neue selbständige Angelegenheit (§ 17 Nr. 1 RVG). Es entsteht die Gebühr nach Nr. 3502 RVG-VV. f) Verfassungsbeschwerde

1.1048 In Verfahren der Verfassungsbeschwerde richten sich die Gebühren nach 37 RVG.

XIV. Kostenerstattung 1.1049 Eine Kostenerstattung ist im Verfahren der Wertfestsetzung einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

1.1050 Das dürfte auch dann gelten, wenn unstatthafterweise eine Rechtsbeschwerde eingelegt wird, abgesehen davon, dass die Verfahren nach dem RVG keine Kostenerstattung vorsehen.

XV. Rechtsschutzversicherung 1.1051 Soweit für ein Verfahren Deckungsschutz besteht, ist der Versicherer bei entsprechender Erfolgsaussicht auch verpflichtet, die Kosten für eine Herabsetzungsbeschwerde bzw. die Verteidigung gegen eine Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zu übernehmen.

G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) I. Ausgangslage 1.1052 Das Gericht kann die Wertfestsetzung innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder anderweitiger Beendigung von Amts wegen abändern (§ 63 Abs. 3 GKG; § 55 1 Zu den Gebühren des Anwalts s. ausführlich N. Schneider, AGS 2003, 13.

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G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO)

Abs. 3 FamGKG; 79 Abs. 2 GNotKG). Das Gleiche gilt auf eine in dieser Zeit eingelegten Beschwerde (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG; § 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG; § 84 GNotKG, § 33 Abs. 3 RVG), weitere Beschwerde oder Gegenvorstellung einer Partei oder eines sonstigen Beteiligten. Es kommt daher mitunter vor, dass ein Kosten- oder Vergütungsfestsetzungsbeschluss bereits in Rechtskraft erwachsen ist, bevor die zugrunde liegende Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswertentscheidung bestandskräftig geworden ist. Diese Situation hindert das Gericht jedoch nicht, seine Wertfestsetzung nachträglich abzuändern. Vielmehr muss dann die Kostenerstattung korrigiert werden. Sie richtet sich dann nach den neuen Werten.

1.1053

II. Abänderung der Kostenfestsetzung Soweit durch die nachträgliche Abänderung des Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerts die aufgrund der vorherigen Werte durchgeführte Kostenfestsetzung im Nachhinein unzutreffend wird, kann jeder Beteiligte des Kostenfestsetzungsverfahrens gem. § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO1 den Antrag auf Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses stellen.

1.1054

Das Gericht berechnet dann auf der Basis der neuen Wertfestsetzung den Erstattungsanspruch neu und setzt entsprechend neu fest. Der ursprüngliche Beschluss wird gleichzeitig aufgehoben.

1.1055

Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 107 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

1.1056

Der Antrag ist nur innerhalb eines Monats ab Zustellung oder Verkündung des abändernden Wert- 1.1057 festsetzungsbeschlusses möglich (§ 107 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ebenso wie bei der Kostenfestsetzung selbst besteht für den Antrag nach § 107 ZPO kein Anwaltszwang.

1.1058

Muster 17: Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO (Erstattungsberechtigter)

1.1059

An das …gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung gem. § 107 ZPO In Sachen … ./. … beantrage ich namens meiner Partei, aufgrund des am …2 zugestellten Streitwertbeschlusses des … gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom … gem. § 107 ZPO abzuändern.3 Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das … gericht den Streitwert abgeändert und höher festgesetzt. Danach ergeben sich höhere Kosten meiner Partei, die bei der Kostenfestsetzung/Kostenausgleichung zu berücksichtigen sind. 1 In Familiensachen anwendbar aufgrund der Verweisung des § 85 FamFG (Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) oder des § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG (Verbundverfahren und Familienstreitsachen). 2 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO. 3 Ein bezifferter Antrag ist nicht erforderlich. Das Gericht muss vielmehr die Kostenfestsetzung oder -ausgleichung aufgrund der neuen Werte nachholen. Ggf. muss es bei einer Kostenausgleichung vom Gegner eine neue Berechnung aufgrund der neuen Werte anfordern.

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1. Teil Verfahrensrecht Eine neue Berechnung der dem Kläger/Beklagten entstandenen Kosten nach dem höheren Wert füge ich bei. Es wird beantragt, auch hinsichtlich der sich aufgrund der Abänderung ergebenden weiteren Kosten die gesetzliche Verzinsung auszusprechen.1 Rechtsanwalt

1.1060 Muster 18: Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO

(Erstattungspflichtiger) An das …gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung gem. § 107 ZPO In Sachen … ./. … beantrage ich namens des Klägers/Beklagten, aufgrund des mir am …2 zugestellten Streitwertbeschlusses des … gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom … gem. § 107 ZPO abzuändern. Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das … gericht den Streitwert abgeändert und niedriger festgesetzt. Danach ergeben sich geringere zu erstattende Kosten meiner Partei. Eine neue Berechnung der meiner Partei entstandenen Kosten nach dem neu festgesetzten Wert füge ich bei.3 Rechtsanwalt

III. Sofortige Beschwerde/Erinnerung 1.1061 Gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 107 ZPO ist gemäß der Verweisung in § 107 Abs. 3 ZPO auf § 104 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Wert von 200 t übersteigt. Anderenfalls ist nur die Erinnerung möglich.

IV. Rechtsbeschwerde 1.1062 Gegen die Entscheidung über die Beschwerde kommt die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO in Betracht, wenn das Beschwerdegericht sie in seiner Entscheidung zugelassen hat.

1 Dieser Antrag ist erforderlich, da ansonsten nur eine Verzinsung der ursprünglich festgesetzten Kosten ausgesprochen werden darf. Streng genommen muss das Gericht zwei Verzinsungszeitpunkte aussprechen, nämlich einen für die ursprünglich festgesetzten Kosten und einen für die weiteren Kosten. Der Anwalt kann das vermeiden, indem er schon bei der ersten Festsetzung seine Kosten nach dem höheren Wert anmeldet, wenn abzusehen ist, dass es auf eine Streitwertbeschwerde zu höheren Werten kommen kann. 2 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO. 3 Nur erforderlich bei Kostenausgleichung. Anderenfalls spielen die eigenen Kosten keine Rolle.

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G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO)

V. Sonstige Rechtsbehelfe nach Fristablauf Nach Ablauf der nicht verlängerbaren (§ 224 Abs. 2 ZPO) Frist des § 107 Abs. 2 ZPO kommt eine Änderung der Kostenfestsetzung im Wege des § 107 ZPO nicht mehr in Betracht. Damit sind die Parteien oder Beteiligten jedoch nicht rechtlos gestellt.

1.1063

Soweit sich ein höherer Kostenerstattungsanspruch ergibt, ist ohnehin jederzeit eine Nachfestset- 1.1064 zung aufgrund des höheren Streit- oder Verfahrenswertes möglich. Es ergeht dann lediglich kein einheitlicher Beschluss, sondern ein getrennter Festsetzungsbeschluss über den sich nach dem höheren Wert ergebenden Mehrbetrag. Soweit sich aufgrund der Wertänderung ein geringerer Erstattungsbetrag ergibt, kann der Erstattungspflichtige nach allgemeinen Vorschriften (§ 717 ZPO oder Bereicherungsrecht) zuviel gezahlte Beträge zurückverlangen. Er muss allerdings klagen, wenn der zuviel gezahlte Betrag nicht freiwillig zurückgezahlt wird.1 Eine vereinfachte Festsetzung ist nach Fristablauf nicht mehr möglich.

1.1065

VI. Rückfestsetzung Nach h.M. ist auch eine sog. Rückfestsetzung möglich, wenn der Kostenschuldner aufgrund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gezahlt hat, der später nach § 107 ZPO abgeändert worden ist.2 Dann ergibt sich der Rückgewähranspruch aus § 717 ZPO und aus Bereicherungsrecht. Siehe hierzu jetzt auch § 91 Abs. 4 ZPO, der dem Wortlaut nach aber nur für die obsiegende Partei gilt, die im Verlaufe des Rechtsstreits Kosten an die unterlegene Partei gezahlt hat. Gleiches gilt, wenn aufgrund einer Streitwertänderung der Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 107 ZPO abgeändert und ein geringerer Betrag festgesetzt worden ist. Soweit aufgrund des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses unstreitig gezahlt oder anderweitig erfüllt worden ist, kann insoweit auch ein zurückzuzahlender Betrag festgesetzt werden. Ist die Zahlung dagegen streitig, bleibt nur ein Klageverfahren.

1.1066

Die Rückforderung ist analog § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Antrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.

1.1067

Muster 19: Antrag auf Abänderung und Rückfestsetzung nach § 107 ZPO

1.1068

An das …gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung und Rückfestsetzung nach §§ 107, 91 Abs. 4 ZPO In Sachen … ./. … beantrage ich namens des Klägers/Beklagten, aufgrund des mir am …3 zugestellten Streitwertbeschlusses des …gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom … gem. § 107 ZPO abzuändern

1 Zöller/Herget, § 107 ZPO Rz. 3. 2 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.9.2009 – 9 Ta 186/09, AE 2010, 117; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.6.2005 – 10 W 15/05, MDR 2006, 118; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.7.1988 – 14 W 459/88, JurBüro 1988, 1526 = Rpfleger 1989, 40; s. auch von Eicken/Hellstab/Lappe/Dörndorfer/Asperger/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 22. Aufl. 2015, Rz. B 150 m.w.N. zur Rspr. 3 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO.

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1. Teil Verfahrensrecht und gleichzeitig im Wege der Rückfestsetzung gegen den Kläger/Beklagten die sich danach ergebende Rückforderung festzusetzen und auszusprechen, dass dieser Betrag ab Antragseingang gesetzlich zu verzinsen ist. Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das … gericht den Streitwert abgeändert und niedriger festgesetzt. Danach ergeben sich geringere erstattungsfähige Kosten. Eine neue Berechnung der meiner Partei entstandenen Kosten nach dem neu festgesetzten Wert füge ich bei.1 Aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom … hatte meine Partei an den Kläger/Beklagten die festgesetzten Kosten i.H.v. … a gezahlt. Eine Kopie des Überweisungsträgers füge ich bei. Nachdem der Streitwert durch Beschluss vom … abgeändert worden ist, ergibt sich aufgrund des neuen Wertes eine geringere Kostenerstattungsforderung des Klägers/Beklagten. Da die ursprüngliche Erstattungsforderung bereits bezahlt ist, wird sich daher nach Neuberechnung der zu erstattenden Kosten ein Rückforderungsanspruch meiner Partei ergeben. Dieser ist gem. §§ 107, 91 Abs. 4 ZPO gegen den Kläger/Beklagten festzusetzen. Rechtsanwalt

H. Korrektur der Kostenentscheidung nach Streitwertänderung? 1.1069 Da eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 79 Abs. 2 GNotKG noch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Verfahrens von Amts wegen abgeändert werden kann – und bei einer in diesem Zeitraum rechtzeitig eingereichten Gegenvorstellung oder Beschwerde auch noch danach –, kommt es häufig vor, dass eine gerichtliche Wertfestsetzung nachträglich abgeändert wird und sich damit für die bereits ergangene Kostenentscheidung die Kalkulationsgrundlage ändert.

1.1070 Beispiel: Der Kläger ist mit seinem Klageantrag zu 1) durchgedrungen, während der Klageantrag zu 2) ab-

gewiesen worden ist. Das Gericht hat den Wert beider Klageanträge auf jeweils 5.000 t festgesetzt und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Auf die Beschwerde hin wird der Wert für den Klageantrag zu 2) auf 10.000 t abgeändert.

Ausgehend von dieser Wertfestsetzung wäre eine Kostenentscheidung zutreffend gewesen, wonach der Kläger 2/3 der Kosten zu tragen hätte und der Beklagte 1/3.

1.1071 Das Problem, das sich nunmehr stellt, liegt darin, dass die Kostenentscheidung in der Regel bereits rechtskräftig geworden ist und daher nicht mehr abgeändert werden kann.

1.1072 Zwar kann jetzt eine Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO beantragt werden (s. Rz. 1.052 ff.). An der Kostenentscheidung ändert dies aber nichts.

1.1073 In der früheren Rechtsprechung wurde für diese Fälle zum Teil vertreten, dass hier in analoger Anwendung des § 319 ZPO eine Berichtigung der Kostenentscheidung vorgenommen werden könne. Diese Rechtsprechung hat der BGH jedoch zwischenzeitlich abgelehnt.2

1.1074 Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der Berichtigungsvorschriften ermöglichte, liegt nicht vor. Es bleibt vielmehr bei der sich im Nachhinein als unzutreffend erweisenden

1 Nur erforderlich bei der Kostenausgleichung. Anderenfalls spielen die eigenen Kosten keine Rolle. 2 BGH, Beschl. v. 30.7.2008 – II ZB 40/07, AGS 2008, 471 = MDR 2008, 1292.

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I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen

Kostenentscheidung. Im Interesse der Rechtssicherheit ist die Rechtskraft der getroffenen Kostenentscheidung hinzunehmen. Will eine Partei eine zu ihren Ungunsten aufgrund zunächst unzutreffender Wertfestsetzung ergan- 1.1075 gene fehlerhafte Kostenentscheidung korrigieren lassen, bleibt zunächst nur die Möglichkeit der isolierten Kostenbeschwerde, soweit diese ausnahmsweise möglich ist. In Zivilsachen ist die isolierte Kostenbeschwerde lediglich nach § 99 Abs. 2 ZPO (Anerkenntnis), § 91a Abs. 2 ZPO (Erledigung der Hauptsache) und nach § 269 Abs. 5 ZPO (Klagerücknahme) zulässig. Im Übrigen ist sie unanfechtbar. In Familiensachen gilt für Familienstreitsachen das Gleiche (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Lediglich in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Kostenentscheidung stets isoliert anfechtbar, wobei ggf. allerdings der Beschwerdewert des § 61 Abs. 2 FamGKG erreicht sein muss. Im Rahmen einer solchen zulässigen Kostenbeschwerde kann dann die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt werden, bis über die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung entschieden ist. Allerdings ist hier eine Beschwerde an sich nicht erforderlich, da das Beschwerdegericht im Rahmen der Überprüfung der Kostenentscheidung nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG oder § 79 Abs. 2 GNotKG ohnehin von Amts wegen befugt ist, den erstinstanzlichen Streit- oder Verfahrenswert abzuändern. Soweit eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht in Betracht kommt, besteht gegebe- 1.1076 nenfalls die Möglichkeit, in der Hauptsache Rechtsmittel einzulegen, damit das Gericht dann zumindest im Rahmen der Hauptsache die Kostenentscheidung korrigieren kann. Insoweit ist es ausreichend, dass lediglich ein Teil der ergangenen Hauptsacheentscheidung angefoch- 1.1077 ten wird. Das Gericht ist auch bei einer Teilanfechtung befugt, die gesamte Kostenentscheidung von Amts wegen zu korrigieren,1 da über die Kosten nach § 308 Abs. 2 ZPO stets von Amts wegen zu entscheiden ist. Soweit ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung nicht gegeben ist, kommt gegebenenfalls eines Gehörsrüge in Betracht, wenn das Gericht auf seine (abweichende) Auffassung zum Streitwert nicht hingewiesen und kein rechtliches Gehör gewährt hat.

1.1078

I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen I. Überblick Die Festsetzung eines Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerts ist grundsätzlich für alle Beteiligten bindend.2 Daher kann ein Beteiligter in einem nachfolgenden Verfahren – etwa in einem Kostenansatzverfahren, in einem Kosten- oder Vergütungsfestsetzungsverfahren oder in einem Vergütungsprozess – grundsätzlich nicht mit dem Einwand gehört werden, der festgesetzte Wert sei falsch.

1.1079

Soweit möglich, kann allerdings die Wertfestsetzung selbst noch angegriffen werden.

1.1080

II. Staatskasse Die Staatskasse ist an die gerichtliche Wertfestsetzung gebunden. Sie darf die Gerichtsgebühren nur nach den gerichtlich festgesetzten Werten erheben.

1.1081

Auch im Falle der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe ist die Staatskasse an die Wertfestsetzungen des Gerichts gebunden und muss danach die Vergütung des beigeordneten Anwalts bezahlen. Un-

1.1082

1 Zöller/G.Vollkommer, § 308 ZPO Rz. 9; Zöller/Heßler, § 524 ZPO Rz. 37. 2 Meyer, § 63 GKG Rz. 21; Toussaint, KostR, § 63 GKG Rz. 33.

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1. Teil Verfahrensrecht

zutreffend insoweit OLG Celle,1 das in Fällen, in denen ein „offenkundig falscher, aber inzwischen bestandskräftiger Wertfestsetzungsbeschluss“ vorliegt, die Staatskasse ausnahmsweise nicht für verpflichtet hält, eine aus diesem Grund zu hohe Wahlanwaltsvergütung nach § 50 Abs. 1 RVG mittels einer nachträglichen Zahlungsanordnung nach § 120a Abs. 1 ZPO zulasten des Beteiligten durchzusetzen.

1.1083 Soweit die Staatskasse mit der Wertfestsetzung nicht einverstanden ist, kann und muss sie aus eigenem Recht gegen die Wertfestsetzung vorgehen, soweit sie beschwert ist.

1.1084 Eine Beschwer der Staatskasse ergibt sich zum einen, wenn das Gericht einen zu geringen Wert festgesetzt hat, da dann die Gerichtsgebühren auch nur nach diesem geringeren Wert erhoben werden können. Zum anderen ist die Staatskasse bei einer zu hohen Wertfestsetzung beschwert, wenn sie hiernach Prozess- oder Verfahrenskostenhilfevergütungen auszahlen muss.

III. Anwalt und Auftraggeber 1.1085 Für den Anwalt ergibt sich die Bindungswirkung an die gerichtliche Wertfestsetzung aus § 32 Abs. 1 RVG, soweit sich der Gegenstandswert seiner Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften richtet (§ 23 Abs. 1 RVG). Er ist an die gerichtliche Wertfestsetzung gebunden, unabhängig davon, ob sie zutreffend ist oder nicht.

1.1086 Dies gilt erst recht, wenn der Wert nach § 33 RVG festgesetzt worden ist. 1.1087 Gleiches gilt für den Auftraggeber des Anwalts. Er schuldet die Vergütung nach dem gerichtlich festgesetzten Wert.

1.1088 Ist der Anwalt mit dem vom Gericht festgesetzten Wert nicht einverstanden, und will er nach einem höheren Wert abrechnen oder ist der Auftraggeber mit dem festgesetzten Wert nicht einverstanden und will er die Vergütung des Anwalts nur nach einem geringeren Wert bezahlen, so muss die Wertfestsetzung selbst angegriffen werden. Die Frage der Wertfestsetzung ist nicht im Vergütungsstreit auszutragen, soweit für die betreffenden Gegenstände eine gerichtliche Wertfestsetzung vorliegt.

1.1089 Beispiel: Der Anwalt hatte für den Mandanten eine Klage erhoben. Er sollte später die Klage erweitern. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Den Streitwert des Verfahrens hat das Gericht auf 5.000 t festgesetzt.

Soweit es im Vergütungsprozess um die Gebühren aus den rechtshängigen Gegenständen der Klage geht, ist das Gericht im Vergütungsprozess an die Wertfestsetzung im Vorprozess gebunden und darf davon nicht abweichen. Soweit es um die Gebühren für die nicht eingereichte Klageerweiterung geht, fehlt es an einer Wertfestsetzung. Diese kommt auch nicht in Betracht (s. Rz. 1.836). Daher kann das Gericht im Vergütungsprozess diesen Wert selbst feststellen.

1.1090 Für den Fall des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 11 RVG regelt das Gesetz sogar ausdrücklich, dass über den Wert nicht im Vergütungsverfahren zu entscheiden ist, sondern dass das Vergütungsfestsetzungsverfahren auszusetzen ist, bis über den streitigen Gegenstandswert im Wertfestsetzungsverfahren abschließend entschieden worden ist (§ 11 Abs. 4 RVG). Nach Auffassung des BGH ist diese Vorschrift im Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anzuwenden.2 Einer solchen entsprechenden Anwendung bedarf es allerdings nicht, weil sich im Kostenfestsetzungsverfahren diese Pflicht bereits aus § 148 ZPO ergibt.3 1 OLG Celle, Beschl. v. 29.12.2020 – 10 WF 168/20, MDR 2021, 455. 2 BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, AGS 2014, 246 = MDR 2014, 566; ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568. 3 Siehe auch OLG München, Beschl. v. 16.10.2020 – 11 W 1436/20, JurBüro 2020, 660.

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I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen

Umgekehrt besteht keine Bindungswirkung. So hindert ein rechtskräftig abgeschlossener Vergütungsprozess nicht eine anders lautende Wertfestsetzung und steht auch einer Beschwerde mit dem Ziel einer anders lautenden Festsetzung nicht entgegen.1

1.1091

Beispiel: Das Gericht hatte im Vorprozess den Streitwert auf 5.000 t festgesetzt. Da der Mandant nicht zahlt, klagt der Anwalt seine Vergütung auf der Basis eines Wertes von 5.000 t ein und erwirkt ein rechtskräftiges Urteil.

1.1092

Soweit die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG noch nicht abgelaufen ist, kann der Anwalt noch Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung einlegen. Wird der Wert auf die Beschwerde hin abweichend höher festgesetzt, kann der Anwalt nachliquidieren. Wird der Wert herabgesetzt, kann der Auftraggeber die zu viel gezahlte Vergütung zurückverlangen. Gegebenenfalls muss er Vollstreckungsabwehrklage erheben.

IV. Kostenfestsetzung Auch im Kostenfestsetzungsverfahren besteht eine Bindungswirkung an festgesetzte Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerte. Der Erstattungsberechtigte kann seine Kosten nur nach dem gerichtlich festgesetzten Wert erstattet verlangen. Der Erstattungspflichtige muss auf dieser Grundlage zahlen.

1.1093

Unzutreffend ist daher die Entscheidung des OLG Frankfurt.2 Danach soll ein offensichtlich unrich- 1.1094 tiger, aber wegen Fristversäumung nicht mehr abänderbarer Streitwertbeschluss den Rechtsanwalt auch im Hinblick auf § 32 Abs. 1 RVG (damals noch § 9 Abs. 1 BRAGO) nicht zu einer Abrechnung nach dem unrichtigen (höheren) Wert berechtigen. Es sollen vielmehr im Kostenfestsetzungsbeschluss die Gebühren des Anwalts nur in der Höhe zu berücksichtigen sein, in der sie der Anwalt nach dem richtigen Wert hätte in Rechnung stellen dürfen. Diese Entscheidung, die glücklicherweise vereinzelt geblieben ist, missachtet die Rechtskraft eines Wertfestsetzungsbeschlusses und die Bindungswirkung einer gerichtlichen Streitwertfestsetzung. Für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft besteht auch kein Anlass, da die erstattungspflichtige Partei nach § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 GKG, § 57 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 3 GKG, § 83 Abs. 1 Satz 3, § 79 Abs. 2 GNotKG sechs Monate Zeit hat, gegen eine unzutreffende Wertfestsetzung Beschwerde einzulegen. Versäumt sie dies, muss sie daraus auch die Konsequenzen tragen. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO kann der Streit über den zutreffenden 1.1095 Wert nicht ausgetragen werden, obwohl sich Rechtpfleger und Richter immer wieder dazu bemüßigt sehen. Die Kostenfestsetzungsinstanzen haben keine Kompetenz, Wertfragen zu entscheiden. Wertfragen dürfen nur im zugrunde liegenden Wertfestsetzungsverfahren nach den §§ 63 ff. GKG, §§ 55 ff. FamGKG, §§ 79 ff. GNotKG und § 33 RVG entschieden werden. Daher ist ein Kostenfestsetzungsverfahren zwingend auszusetzen, bis die fehlende Wertfestsetzung nachgeholt ist (§ 148 ZPO). Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, das Wertfestsetzungs- oder Beschwerdeverfahren zu betreiben, wenn sich dort Wertfragen stellen.3 Auch das Beschwerdegericht im Kostenfestsetzungsverfahren ist nicht berechtigt, die ausstehende Wertfestsetzung an sich zu ziehen.4 Beispiel: Eingeklagt sind 5.000 t. Wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung zahlt der Beklagte. Daraufhin erklärt der Antragsteller den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte stimmt im anschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung der Erledigung zu. Das Gericht legt die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auf. Daraufhin beantragt der Kläger die Festsetzung seiner Kosten 1 KG, Beschl. v. 10.7.1970 – 1 W 6895/70, Rpfleger 1970, 407. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.12.1998 – 12 W 235/98, OLGR 1999, 43. 3 BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, MDR 2014, 566, AGS 2014, 246 = NJW-RR 2014, 765; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12, AGS 2014, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2018 – 14 W 89/18, AGS 2019, 199.

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1. Teil Verfahrensrecht darunter auch einer Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Wert von 5.000 t. Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Terminsgebühr könne nur aus dem Wert der bis dato angefallenen Kosten berechnet werden und beruft sich hierzu auf BGH (Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35). Der Rechtspfleger setzt auch die Terminsgebühr nach dem Wert von 5.000 t fest. Dagegen wird sofortige Beschwerde/Erinnerung eingelegt. Der Rechtspfleger hätte nicht festsetzen dürfen. Er hätte das Kostenfestsetzungsverfahren aussetzen müssen, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, den Gegenstandswert der Terminsgebühr gesondert festsetzen zu lassen. Dieses Versäumnis muss das Beschwerdegericht jetzt nachholen und das Beschwerdeverfahren aussetzen.

1.1097 Für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist die Pflicht zur Aussetzung in § 11 Abs. 4 RVG sogar gesetzlich angeordnet.1 Die Rechtsprechung geht sogar so weit, dass sie in dem Einwand, der Prozessbevollmächtigte habe bei der Berechnung der Anwaltsgebühren einen unzutreffenden Gegenstandswert zugrunde gelegt, ein konkludenter Antrag auf förmliche Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gem. § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG liege.2

1.1098 Von einem Streit über den Wert zu unterscheiden ist die Frage, ob die Gebühren auch nach dem Wert angefallen sind.

1.1099 Beispiel: Das Gericht hat den Wert einer Stufenklage auf 9.000 t festgesetzt. Der unterlegene Beklagte macht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend, a) der Wert des Zahlungsanspruchs habe lediglich 6.000 t betragen. b) die Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) dürfe nur aus einem geringeren Wert berechnet werden, da über die Zahlung nicht verhandelt worden sei. Der Kläger macht dagegen glaubhaft, dass über die Zahlung zwischen den Parteien Verhandlungen zur Erledigung des Verfahrens geführt worden sind, und zwar auch über den Leistungsanspruch. Im Fall a) wird der Wert angegriffen. Über diese Frage kann nur im Wertfestsetzungsverfahren nach § 63 GKG bzw. im Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG entschieden werden. Ggf. ist das Kostenfestsetzungsverfahren so lange auszusetzen. Im Fall b) wird der Streitwert als solcher nicht angegriffen. Der Erstattungsschuldner macht lediglich geltend, dass die Terminsgebühr nicht nach dem vollen Wert des Verfahrens angefallen sei. Darüber ist im Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Soweit es allerdings wiederum zum Streit über den Wert der Auskunft kommt, wäre das Kostenfestsetzungsverfahren wiederum auszusetzen und das Verfahren nach § 33 RVG einzuleiten.

V. Vergütungsprozess 1.1100 Im Vergütungsprozess zwischen Anwalt und Auftraggeber verhält es sich ebenso. Auch hier hat das erkennende Gericht keine Kompetenz, Wertfragen aus anderweitigen gerichtlichen Verfahren zu entscheiden. Auch insoweit ist zwingend auszusetzen (§ 148 ZPO).

1.1101 Beispiel: Der Anwalt klagt gegen seinen ehemaligen Auftraggeber seine Vergütung aus einem Scheidungsverfahren ein. Der Beklagte wendet ein, der vom Kläger angesetzte Verfahrenswert sei unzutreffend. Tatsächlich sei ein geringerer Wert anzunehmen. Das Zivilgericht ist im Vergütungsprozess nicht befugt, über den Wert des Scheidungsverfahrens selbst zu entscheiden. Es muss vielmehr den Vergütungsprozess nach § 148 ZPO aussetzen und dem Beklagten die Möglichkeit gegeben, vor dem Familiengericht nach § 33 RVG oder §§ 55, 59 FamGKG eine verbindliche Wertfestsetzung herbeizuführen. Ist dann der Wert vom Familiengericht rechtskräftig festgesetzt, kann der

1 OLG Hamm, Beschl. v. 31.5.2021 – 6 WF 126/21. 2 LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.11.2020 – 26 Ta (Kost) 6101/20, AGS 2021, 34 = NJW-Spezial 2021, 28.

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I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen Vergütungsprozess fortgesetzt werden. Das Zivilgericht ist dann an die familiengerichtliche Wertfestsetzung gebunden.

VI. Nicht am Verfahren beteiligte Dritte Gegenüber Dritten, nicht am Verfahren beteiligten Personen, besteht keine unmittelbare Bindungswirkung, sondern lediglich eine mittelbare.

1.1102

Macht eine Partei Freistellungs- oder Schadensersatzansprüche gegen Dritte auf Ersatz der von ihr aufgewandten Prozesskosten geltend, kann der Dritte sich damit verteidigen, dass der zugrunde gelegte Wert unzutreffend sei. Zumindest kann er den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) erheben, wenn die erstattungsberechtigte Partei nicht sämtliche Rechtsmittel im Wertfestsetzungsverfahren ausgeschöpft hat.

1.1103

VII. Rechtsschutzversicherer Ist eine Partei rechtsschutzversichert und muss der Rechtsschutzversicherer sie von den Anwaltsund Gerichtskosten freistellen, dann besteht ebenfalls keine unmittelbare Bindungswirkung, weil der Rechtsschutzversicherer am Wertfestsetzungsverfahren nicht mit eigenen Rechten beteiligt ist.

1.1104

Grundsätzlich muss der Versicherer seinen Versicherungsnehmer allerdings nach den gerichtlich fest- 1.1105 gesetzten Werten freistellen.1 Er kann ihm lediglich vorwerfen, dass er eine Obliegenheitsverletzung begangen habe, indem er eine unzutreffende Wertfestsetzung nicht angegriffen habe.2 Auf eine Obliegenheitsverletzung kann sich der Rechtsschutzversicherer nicht berufen, wenn eine Erhöhungsbeschwerde erhoben worden ist,3 da das Gericht im Wertfestsetzungsverfahren an Anträge nicht gebunden ist und es im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens liegt, den Streitwert nach unten zu korrigieren, wenn dies geboten ist (s. Rz. 1.436).

1.1106

Hat der Versicherungsnehmer gegen seine Obliegenheit, die Kosten gering zu halten und mögliche 1.1107 Rechtsmittel gegen unzutreffende Streitwertfestsetzungen zu ergreifen verstoßen, dann schuldet der Rechtsschutzversicherer die Freistellung nur insoweit, als er bei Zugrundelegen des zutreffenden Streitwertes zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre.4 Zu beachten ist allerdings, dass die Streitwertbeschwerde in diesen Fällen für den Anwalt des Versiche- 1.1108 rungsnehmers zusätzliche Kosten ausgelöst hätte, die dann wiederum vom Rechtsschutzversicherer zu tragen gewesen wären. Beispiel: Das LG hat den Streitwert auf 8.000 t festgesetzt. Zutreffend wäre ein Streitwert von 6.000 t gewesen. Der Versicherungsnehmer hat es versäumt, Beschwerde einzulegen. Aus 8.000 t sind folgende Gebühren angefallen: 1. 2. 3. 4.

1 2 3 4

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer Gesamt

1.275,00 t

652,60 t 602,40 t 20,00 t 242,25 t 1.517,25 v

AG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2004 – 9 C 414/04, IVH 2004, 126. AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, ZfSch 2000, 360 = BRAGOreport 2001, 145. AG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2004 – 9 C 414/04, IVH 2004, 126. AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, ZfSch 2000, 360 = BRAGOreport 2001, 145.

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1. Teil Verfahrensrecht Aus 6.000 t wären lediglich folgende Gebühren angefallen: 1. 2. 3. 4.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG-VV 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 RVG-VV Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer Gesamt

995,00 t

Hätte der Versicherungsnehmer Streitwertbeschwerde erhoben, wären also um (1.517,25 t–1.184,05 t =)

507,00 t 468,00 t 20,00 t 189,05 t 1.184,05 v 333,20 v

geringere Kosten im gerichtlichen Verfahren angefallen. Andererseits wären dann aber für die Streitwertbeschwerde Anwaltskosten i.H.v. 1. 2. 3.

1.0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3500 RVG-VV (Wert: 333,20 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 RVG-VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer Gesamt hinzugekommen, so dass der Versicherer lediglich i.H.v. (333,20–34,99 t =)

29,40 t

24,50 t 4,90 t 5,59 t 34,99 v 298,21 v

leistungsfrei geworden ist. Soweit auch Gerichtskosten oder Kosten des Gegners vom Versicherer zu übernehmen waren, sind auch dort die Differenzbeträge zu berechnen; andererseits erhöht sich dann der Gegenstandswert des StreitwertBeschwerdeverfahrens (§ 23 Abs. 2 RVG) um diese Differenzbeträge.

1.1110 Eine rechtsschutzversicherte Partei ist daher gut beraten, den Rechtsschutzversicherer rechtzeitig über gerichtliche Wertfestsetzungen zu unterrichten und ggf. Weisung einzuholen, ob gegen die Streitwertfestsetzung vorgegangen werden soll.

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ZPO

2. Teil Streitwert im ZPO-Verfahren Vorbemerkung In zivilrechtlichen Verfahren richten sich die Gerichtsgebühren, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Streitwert (§ 3 Abs. 1 GKG).

2.1

Das GKG unterteilt die Vorschriften zum Streitwert in allgemeine Wertvorschriften (§§ 39 bis 47 GKG) und besondere Wertvorschriften (§§ 48 bis 60 GKG). Soweit die im GKG enthaltenen besonderen Wertvorschriften nicht greifen, enthält das Gesetz in § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG eine Verweisung auf die Wertvorschriften der ZPO (§§ 3 ff. ZPO).

2.2

Das Verfahren auf Streitwertfestsetzung ist in den §§ 61 bis 65 GKG geregelt.

2.3

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde nach § 68 GKG gegeben. Soweit das LG als Beschwerdegericht entschieden hat, ist auch die weitere Beschwerde zum OLG gegeben (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 2 GKG). Eine Rechtsbeschwerde sieht das GKG nicht vor.

2.4

Soweit eine Beschwerde nicht eröffnet ist, besteht allerdings immer die Möglichkeit einer Gegenvorstellung, da Ausgangsgericht und Rechtsmittelgericht innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft oder anderweitiger Erledigung die Wertfestsetzung auch von Amts wegen abändern können (§ 63 Abs. 3 GNotKG).

2.5

Soweit der Anwalt in einem zivilgerichtlichen Verfahren tätig ist, gelten die Vorschriften des GKG auch für ihn (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 32 Abs. 1 RVG). Ihm steht daher auch das Recht zur Beschwerde und gegebenenfalls zur weiteren Beschwerde zu (§ 32 Abs. 2 RVG).

2.6

Soweit der Anwalt außergerichtlich in Angelegenheiten tätig wird, die auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können, gelten die Vorschriften des GKG entsprechend (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

2.7

Wird der Anwalt in zivilrechtlichen Angelegenheiten tätig, die nicht Gegenstand eines gerichtlichen 2.8 Verfahrens sein können, z.B. beim Abschluss eines Mietvertrags, beim Entwurf von AGB, richten sich die Gegenstandswerte für den Anwalt gem. § 23 Abs. 3 RVG nach den Vorschriften der §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 GNotKG.

Abänderung A. Überblick Auf Antrag können Urteile nach § 323 ZPO abgeändert werden, die Verpflichtungen zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben, die dem Urteil zugrunde liegen. Gem. § 323a ZPO können vollstreckbare Urkunden unter den gleichen Voraussetzungen abgeändert werden.

2.9

Der direkte Anwendungsbereich erfasst in erster Linie vertragliche oder schadensersatzrechtliche Ren- 2.10 ten (z.B. Berufsunfähigkeitsrenten). Bei familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen aus vertraglichen

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2. Teil

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Abänderung

ZPO

Vereinbarungen gelten die §§ 323, 323a ZPO durch die Verweisung in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Zur Abänderung solcher Unterhaltstitel s. im FamR-Teil das Stichwort „Abänderung“, Rz. 3.9 ff.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.11 Der Zuständigkeitsstreitwert wird nach § 9 ZPO bestimmt. Man errechnet ihn aus dem 3 1/2fachen Jahreswert der Differenz zwischen der titulierten und der neu beantragten Leistung. Das gilt, wenn die neu beantragte Leistung höher ist als die titulierte, aber auch dann, wenn sie niedriger ist.

2.12 Wird eine Abänderung nur befristet für ein Jahr gefordert oder ergibt sich aus den Umständen, dass nach Ablauf eines Jahres erneut abgeändert werden soll, ist gem. § 9 Satz 2 ZPO nur auf den Jahreswert der begehrten Abänderung abzustellen. Das ist insbesondere bei Schadensersatzrenten häufig, weil sich die „Eckdaten“ (Einkommensverhältnisse der Hinterbliebenen, anzurechnende Rente, Reduzierung des Zinsanteils bei zu berücksichtigenden Krediten, fiktive Gehaltserhöhung des Verletzten) jährlich ändern.

2.13 Verlangen Schuldner und Gläubiger wechselseitig Abänderung, ist wegen § 5 Halbs. 2 ZPO für die Zuständigkeit nur der höhere Wert maßgebend. Die Anträge bilden zivilprozessual einen einheitlichen Streitgegenstand.1

C. Gebührenstreitwert 2.14 Für die Gerichtsgebühren richtet sich der Wert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 ZPO. Er entspricht daher dem Zuständigkeitsstreitwert. Gemäß § 23 Abs. 1 RVG gilt dieser Wert auch für die Anwaltsgebühren.

2.15 Verlangen Gläubiger und Schuldner wechselseitig Abänderung, ist streitig, ob für den Gebührenstreitwert die Werte von Klage und Widerklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zusammenzurechnen sind2 oder ob nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist.3

2.16 Nach zutreffender Ansicht sind die Werte zusammenzurechnen. Wenngleich die wechselseitigen Anträge zivilprozessual einen einheitlichen Streitgegenstand bilden,4 betreffen sie nicht denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Streitgegenstandsbegriff der ZPO und der kostenrechtliche Begriff des Gegenstandes sind nicht deckungsgleich, da letzterer wirtschaftlich zu betrachten ist.5 Wirtschaftliche Identität liegt aber nicht vor, obwohl der Erfolg der Klage den der Widerklage ausschließt und umgekehrt. Das allein rechtfertigt nicht, einen einheitlichen Gegenstand anzunehmen.6 Der Misserfolg der Klage führt nicht notwendig zum Erfolg der Widerklage, weil der titulierte Anspruch nach wie vor zutreffen kann, so dass er weder zu erhöhen noch zu ermäßigen ist.7 Zudem liegen den Anträgen unterschiedliche wirtschaftliche Interessen der Parteien zugrunde. Siehe dazu weiter im FamR-Teil das Stichwort „Wechselseitige Abänderungsanträge“, Rz. 3.2664 ff.

1 BGH, Urt. v. 1.10.1997 – XII ZR 49/96, BGHZ 136, 374 = MDR 1998, 120. 2 So OLG München, Beschl. v. 25.10.2006 – 12 WF 1613/06, FamRZ 2007, 750; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.2. 3 So OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 1 WF 215/02. 4 BGH, Urt. v. 1.10.1997 – XII ZR 49/96, BGHZ 136, 374 = MDR 1998, 120. 5 BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10. 6 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, VersR 1991, 1429. 7 OLG München, Beschl. v. 25.10.2006 – 12 WF 1613/06, FamRZ 2007, 750.

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Abgabe einer Willenserklärung

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2. Teil

2.17

Siehe das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.

Abgabe einer Willenserklärung Der Gebührenstreitwert für eine Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung zu verurteilen, ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Es kommt dabei darauf an, wie hoch das Interesse des Klägers an der antragsgemäßen Abgabe der Willenserklärung anzusetzen ist. Für die Bewertung ist wiederum das von dem Kläger verfolgte Ziel, der angestrebte Erfolg, maßgeblich.

2.18

Allgemeine Bemessungsregeln lassen sich nicht aufstellen; entscheidend ist die Einzelfallbetrachtung. Unter Umständen kann es sich anbieten, den Wert des Gegenstandes, auf den die Willenserklärung sich bezieht, nach der für ihn einschlägigen Norm zu bewerten und das Interesse hieran zu messen.1 Führt beispielsweise die Abgabe der Willenserklärung mit Eintritt der Rechtskraft den Eigentumserwerb herbei, so wird das Interesse gleich dem Verkehrswert des Übereignungsgegenstandes sein.2 Bei der Bewertung wird daher stets im Vordergrund stehen, welcher Erfolg mit der Abgabe der Willenserklärung unmittelbar verbunden ist.3

2.19

– Mit der Klage auf Abschluss eines Mietvertrags wird ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung geltend gemacht, so dass auch hier zu fragen ist, welchen Wert das Vertragsverhältnis hat, das durch die erstrebte Willenserklärung zustande kommen soll. Die Bemessung des Gebührenstreitwerts richtet sich nach § 3 ZPO. Abzustellen ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers am angestrebten Vertragsschluss. Dieses Interesse entspricht in der Regel dem Gesamtwert der vertraglichen Leistungen.4 Dabei wiederum ist jedoch die Begrenzung des § 9 ZPO für wiederkehrende Leistungen zu berücksichtigen, so dass von dem dreieinhalbfachen Jahreswert auszugehen ist. Ein kürzerer Zeitraum ist nur anzunehmen, wenn der Abschluss eines Zeitvertrags unterhalb der Dauer von dreieinhalb Jahren verlangt wird5. – Auch die Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung gem. §§ 557 ff. BGB ist eine auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Leistungsklage. Der Gebührenstreitwert wird gem. § 41 Abs. 5 GKG bestimmt und beläuft sich grundsätzlich auf den Jahreserhöhungsbetrag. Maßgeblich ist somit die Differenz zwischen der Miete, zu der die Zustimmung verlangt wird und der bisherigen Miete. Auf die Mietstruktur kommt es nicht an. Ob es sich also um eine Nettomiete, eine Bruttomiete oder eine Teilinklusivmiete handelt, ist unerheblich. Nicht relevant ist auch, ob es sich um einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit oder einen Zeitmietvertrag handelt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres endet. Dann greift § 41 Abs. 5 Satz 2 GKG mit der Folge, dass der Erhöhungsbetrag maßgeblich ist, der vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Mieterhöhung bis zum rechtlichen Ende des Mietvertrages fällig wird. Praxisrelevant sind die Fälle der gekündigten Mietverhältnisse oder diejenigen, in denen ein Zeitmietvertrag innerhalb der kommenden zwölf Monate endet.

1 2 3 4 5

OLG Bamberg, Beschl. v. 21.6.1993 – 8 W 28/93, JurBüro 1994, 361. Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.6.2002 – 9 W 5/02. Vgl. KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09.

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Abfindungsvergleich

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2. Teil

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Abgabe einer Willenserklärung

ZPO

Der Rechtsmittelstreitwert bemisst sich bei einer Zustimmungsklage gem. § 558b BGB auf den 42-fachen monatlichen Erhöhungsbetrag.1 Für die Beurteilung der Frage, ob das Gericht gem. § 313a ZPO auf die Darstellung eines Tatbestandes verzichten kann, kommt es nicht auf den Gebühren-, sondern auf den Rechtsmittelstreitwert an.2 Enthält das amtsgerichtliche Urteil keinen Tatbestand, weil dort entweder zwecks Anwendung des § 495a ZPO oder des § 313a Abs. 1 ZPO fälschlich vom Gebührenstreitwert ausgegangen wurde, und ergibt sich auch nicht aus dem Tenor oder den Entscheidungsgründen der Streitgegenstand und damit der Umfang der möglichen Rechtskraft, ist das Urteil in entsprechender Anwendung von § 538 ZPO aufzuheben und die Sache an das AG zurückzuverweisen3. Die Beschwer berechnet sich nach zutreffender Auffassung analog § 9 ZPO.4 Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift entfällt, weil es sich bei der Zustimmungsklage nicht um keine Klage auf wiederkehrende Leistungen handelt, sondern um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung. Die Berechnung der Beschwer für die Zustimmungsklage ist gesetzlich nicht geregelt. Da § 9 ZPO auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist und das auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung gerichtete Mieterhöhungsverfahren nach entsprechender Verurteilung im Ergebnis zu einem Zahlungsanspruch führt, gibt es wirtschaftlich keine Unterschiede. Praxishinweis: Bei Zustimmungsklagen gem. §§ 557 ff. BGB wirkt sich die richtige Ermittlung der Beschwer nicht nur auf die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern auch auf die mögliche Verfahrensart vor dem AG aus. Gemäß § 495a ZPO dürfen AG Verfahren mit einem Streitwert von nicht mehr als 600 t im vereinfachten Verfahren betreiben. Maßgeblich ist hier der mögliche Rechtsmittelstreitwert, der dem Zuständigkeitsstreitwert entspricht. Nur wenn dieser nicht mehr als 600 t beträgt, darf das AG das vereinfachte Verfahren gem. § 495a ZPO betreiben. Demnach dürfen Zustimmungsklagen mit einem Antrag, den Mieter zu einer Zustimmung von mehr als 14,28 t/Monat zu verurteilen, nicht im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO verhandelt werden.5 – Bei der Abgabe einer Willenserklärung zur dinglichen Einigung für eine Eigentumsübertragung (z.B. Klage auf Auflassung) ist das streitwertrelevante Interesse des Klägers grundsätzlich gem. § 6 ZPO nach dem vollen Grundstückswert zu bemessen (Rz. 2.293 ff.). – Eine Klage auf Abgabe der Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ist regelmäßig die prozessuale Geltendmachung des Eigentums, einer dinglichen Belastung oder der Freiheit von einer solchen. Der Gebührenstreitwert richtet sich in diesen Fällen grundsätzlich nach § 3 ZPO. Erstrebt der schenkende Eigentümer eines Grundstücks vom beklagten Miteigentümer die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zugunsten des Beschenkten, ist das wirtschaftliche Interesse in erster Linie auf die Abgabe einer Willenserklärung – Vollzug der Schenkung – gerichtet und nur mittelbar auf das Eigentum. Es ist also nicht § 6 ZPO anwendbar, wonach der Streitwert durch den Wert einer Sache bestimmt, falls es auf deren Besitz (oder das Eigentum) ankommt. Da im Rahmen der Streitwertfestsetzung nach § 3 ZPO lediglich der Wert des Geschenks maßgeblich ist, 1 2 3 4

Vgl. VerfG Potsdam, Beschl. v. 18.1.2019 – 54/18. Vgl. VerfG Potsdam, Beschl. v. 18.1.2019 – 54/18. Börstinghaus, jurisPR-MietR 7/2019 Anm. 7. BVerfG, Beschl. v. 30.1.1996 – 1 BvR 2388/95, NJW 1996, 1531; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, NZM 2004, 617; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = NJW 2000, 3142 (obiter dictum); LG Hildesheim, Beschl. v. 23.2.1996 – 7 S 435/95, WuM 1996, 351; LG Hildesheim, Urt. v. 26.6.1996 – 7 S 435/95, WuM 1996, 716; LG Kassel, Urt. v. 3.11.1994 – 1 S 434/94, WuM 1996, 417; LG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.1995 – 24 S 132/94, DWW 1996, 279; LG Berlin, Urt. v. 18.2.1997 – 65 S 378/96, ZMR 1997, 358; LG Berlin, Urt. v. 30.9.1996 – 62 S 161/96, MM 1996, 449; LG Kiel, Beschl. v. 10.5.1994 – 1 S 306/93, MDR 1994, 834; LG Dortmund, Urt. v. 2.5.2002 – 11 S 38/02, ZMR 2002, 918; AG Dortmund, Urt. v. 30.4.2002 – 125 C 532/02, NZM 2002, 949; a.A. LG Köln, Beschl. v. 21.3.1997 – 12 S 23/97, WuM 1997, 279; LG Bremen, Beschl. v. 16.4.1997 – 2 S 127/97, WuM 1997, 334. 5 Vgl. VerfG Potsdam, Beschl. v. 18.1.2019 – 54/18; Börstinghaus, AnwZert MietR 20/2016 Anm. 1.

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Abgabe einer Willenserklärung

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2. Teil

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kann es im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen, die dinglichen Belastungen insgesamt zu berücksichtigen.1 – Bei einer Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrags wird der Streitwert wirtschaftlich bestimmt durch den Wert des Kaufgegenstandes sowie durch die Zinsen auf den gezahlten Kaufpreis, die als Nutzungen im Falle eines Rücktritts herauszugeben wären.2 Der negativen Feststellungsklage einer Aktiengesellschaft, dass sie nicht verpflichtet sei, den Beklagten 2.20 Aktien zu einem bestimmten Nenn- und Kurswert anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung, die Aktien eben zu diesen Konditionen anzubieten. Auch hier ist nach § 3 ZPO zu bewerten; die Vorschrift des § 6 ZPO findet weder unmittelbar noch analog Anwendung. Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist es gerechtfertigt, aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausdrückliche Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.3 Die Grenzziehung zu nicht zu berücksichtigenden lediglich mittelbaren Auswirkungen ist oftmals 2.21 schwierig. So nimmt etwa das OLG Frankfurt4 an, bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages habe der Zusatzantrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung keinen besonderen Wert, da diese Verpflichtung eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit sei. Ebenso hat das OLG München entschieden.5 Das ist jedoch unzutreffend. Die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages hat grundbuchrechtlich noch keine Löschungsbewilligung zum Inhalt. Dazu ist vielmehr (s. § 29 GBO) eine zusätzliche formalisierte Willenserklärung des Beklagten erforderlich, zu deren Abgabe oder Ersetzung er gegen seinen Willen nur durch gerichtliches Urteil gezwungen werden kann. Dies rechtfertigt eine nach § 3 ZPO zu schätzende Werterhöhung. Ist das Ausscheiden eines Kommanditisten aus einer KG unstreitig und klagt der persönlich haftende Gesellschafter deshalb nur auf Verurteilung zur Mitwirkung bei der Anmeldung zum Handelsregister, dann handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. Sie ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Änderung des Registers.6

2.22

Verlangt ein Gesellschafter von einem anderen Gesellschafter die Mitwirkung bei einer bestimmten Handelsregister-Eintragung (insbesondere beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder Prokuristen oder auch bei der Bestellung eines neuen Prokuristen), wird der Streitwert von der Rechtsprechung nicht selten auf 1/10 des Wertes des Gesellschaftsanteils des Klägers oder des Wertes des entsprechenden Anteils des ausscheidenden Gesellschafters geschätzt.7 Zumeist wird hierbei der tatsächliche Wert des entsprechenden Gesellschaftsanteils berücksichtigt.8 Teilweise wird auch vom Nominalbetrag der Einlage ausgegangen.9

2.23

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65 = ZMR 2002, 346. 2 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823; BGH, Urt. v. 12.2.2003 – VIII ZR 130/01, MDR 2003, 882. 3 OLG Köln, JurBüro 1971, 713 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 270. 4 OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 247. 5 OLG München, JurBüro 1984, 1235 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 m. Anm. E. Schneider. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06. 7 Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, MDR 1979, 736–736; OLG Köln, Beschl. v. 19.9.1973 – 2 W 113/73, MDR 1974, 53–53; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1984 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 756. 8 BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1984 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 756. 9 OLG Köln, DB 1971, 1055.

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2. Teil

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Abgesonderte Befriedigung

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2.24 Auch wenn eine solche Verfahrensweise bei der Wertfestsetzung im Rahmen von § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers in vielen Fällen angemessen bewerten kann, verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise.1 So kann das wirtschaftliche Interesse an der Herbeiführung einer entsprechenden Handelsregistereintragung – aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles – sehr unterschiedlich sein. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe ist die wirtschaftliche Bedeutung der Löschung eines ausgeschiedenen Kommanditisten im Register ist für die anderen Gesellschafter (und für die Gesellschaft) in der Regel gering, und zwar auch dann, wenn die Frage des Ausscheidens zwischen den Gesellschaftern streitig ist, weil das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern durch die Löschung im Register nicht geklärt wird.2

Abgesonderte Befriedigung 2.25 Der Wert eines Rechts auf abgesonderte Befriedigung aus §§ 49 ff. InsO bemisst sich (über § 48 GKG) nach der für Pfandrechte gültigen Regel des § 6 ZPO.3 Maßgebend ist demnach die Höhe der gesicherten Forderung ohne Zinsen und Kosten, es sei denn, der Wert der gepfändeten Sache ist niedriger.4 Vorgehende Pfandrechte bleiben bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.5

2.26 Ist der Gegenstand des Pfandrechts eine Forderung, dann erfasst das Pfandrecht auch die für diese aufgelaufenen Zinsen. § 4 ZPO gelangt insoweit nicht zur Anwendung, weil das Pfandrecht einheitlich an der gesamten Forderung besteht und nicht zwischen Haupt- und Nebenforderung unterschieden werden kann.6

2.27 Ist das Recht auf abgesonderte Befriedigung als solches unstreitig, dann kann der Klageantrag darauf gerichtet werden, die Forderung zur Insolvenztabelle „für den Ausfall“ (§ 52 InsO) festzustellen. Ob und in welchem Umfang der Ausfallgläubiger aus der Masse zu befriedigen ist, steht erst zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung des von dem Insolvenzverwalter veröffentlichten Schlussverzeichnisses fest.7 Für die Streitwertberechnung ist der voraussichtliche Ausfall zu schätzen und die nach § 182 InsO maßgebliche Quote nur von dem Teil der Forderung zu berechnen, der voraussichtlich durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung nicht gedeckt ist.8

2.28 Steht die Insolvenzquote noch nicht fest, ist sie zu schätzen. Ist mit einer Quote nicht zu rechnen, ergeben sich keine Besonderheiten, da dann die geringste Gebührenstufe anzusetzen ist.

2.29 Für den Wert einer Klage auf Feststellung, dass ein Recht auf abgesonderte Befriedigung mangels Entstehung einer Grundschuld nicht begründet worden ist, kommt es darauf an, wegen welcher, wenn auch zunächst nur aufschiebend bedingt vorhandener Forderungen der Beklagte hätte gesichert werden sollen. Der Wert des gem. der Regel des § 6 ZPO damit zu vergleichenden Pfandgegenstandes ist gleich dem Verkehrswert des belasteten Grundstückes unter Nichtberücksichtigung der Vorbelastungen z.B. durch Grundpfandrechte.9

1 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06 (Streitwert, pauschal 5.000 t). 3 RG, JW 1936, 281; JW 1939, 498; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.1.2020 – 7 W 109/19; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258. 4 BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246. 5 RG, JW 1939, 498; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.1.2020 – 7 W 109/19 – Mietkaution. 7 BGH, Beschl. v. 3.5.2012 – V ZB 138/11, ZIP 2012, 2275. 8 RG, JW 1927, 848 Nr. 14; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372. 9 OLG Frankfurt, MDR 1956, 432.

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2. Teil

Nur auf den Wert des nach § 6 ZPO zu bemessenden höheren Anspruches ist auch abzustellen, wenn eine Insolvenzfeststellungsklage mit einer Klage auf Feststellung des Rechts auf abgesonderte Befriedigung verbunden wird.1 Auszugehen ist also regelmäßig von dem Streitwert des Rechts auf abgesonderte Befriedigung, der nach § 6 ZPO zu ermitteln ist.2 Dies gilt auch dann, wenn die Klage zwar formal auf Feststellung der Forderung zur Tabelle beschränkt ist, die gebotene interessengerechte Auslegung des Klagebegehrens jedoch ergibt, dass der Kläger wegen seiner Forderung abgesonderte Befriedigung verlangt.3 Dagegen ist § 182 InsO anzuwenden, wenn mit der Klage nur die Feststellung des Forderungsbetrages, nicht aber die des Absonderungsrechts begehrt wird.4

2.30

ZPO

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen A. Allgemeines Ist ein Richter im Einzelfall kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen (§ 41 2.31 ZPO) oder besteht ihm gegenüber die Besorgnis der Befangenheit, dann haben die Parteien ein Ablehnungsrecht, § 42 ZPO. Ein Sachverständiger kann von den Parteien gem. § 406 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden. Dagegen kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängig bestehen oder er die nach der Schiedsvereinbarung vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt, § 1036 Abs. 2 ZPO. Eine Kostenerstattung findet im Ablehnungsverfahren betreffend den Richter oder Sachverständigen nicht statt. Im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren ist dagegen u. U. eine Kostenentscheidung zu treffen, aufgrund derer eine Kostenfestsetzung durchgeführt werden kann.5

2.32

Über die Ablehnung eines Schiedsrichters entscheidet – soweit ein gesondertes Verfahren vereinbart worden ist – zunächst das Schiedsgericht. Die Möglichkeit einer Kostenerstattung richtet sich nach der einschlägigen Schiedsordnung. Bleibt das Ablehnungsgesuch erfolglos, kann die unterlegene Partei nach § 1037 Abs. 3 ZPO eine zivilgerichtliche Entscheidung beantragen. Dieses hat nach §§ 91 ff. ZPO zugleich über die Kosten des Antragsverfahrens zu entscheiden.

2.33

B. Zuständigkeitsstreitwert Das Verfahren auf Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen zählt prozessual zum Hauptsacheverfahren, so dass es einen Zuständigkeitsstreitwert nicht gibt.

2.34

Das gilt im Ergebnis auch für die Ablehnung eines Schiedsrichters und das Antragsverfahren nach § 1037 Abs. 3 ZPO, da hierfür das OLG ausschließlich zuständig ist, § 1062 Abs. 1 ZPO.

C. Gebührenstreitwert Im Verfahren über die Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen werden keine Gerichtsgebüh- 2.35 ren erhoben. Das Verfahren ist durch die jeweilige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen mitabgegolten. Daher ist eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 GKG nicht nur überflüssig,

1 2 3 4 5

OLG Hamm v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258. OLG Hamm v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258. OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2006 – 5 W 136/06, OLGR 2007, 604. KG, OLGE 27, 14. BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016 = AGS 2005, 413.

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2. Teil

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen

ZPO

sondern unzulässig.1 Dagegen fallen für das Verfahren über die Ablehnung eines Schiedsrichters wertabhängige Gerichtsgebühren nach Nr. 1624 KV GKG an.

2.36 Die Tätigkeit des Anwalts im Verfahren auf Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen zählt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Rechtszug. Soweit der Anwalt im Hauptsacheverfahren bereits tätig ist, also die jeweilige Verfahrensgebühr des betreffenden Verfahrens bereits verdient hat, erhält er für die Tätigkeit im Verfahren über die Ablehnung keine gesonderte Vergütung.

2.37 Nur in dem praktisch kaum relevanten Fall, dass der Anwalt ausschließlich für die Ablehnung mandatiert wird, liegt eine nach Nr. 3403 RVG wertabhängig zu vergütende Einzeltätigkeit vor. Diese Gebühr richtet sich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1RVG), hier nach dem Wert des Ablehnungsverfahrens. Der Gegenstandswert wird auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG festgesetzt.

2.38 Die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren über die Ablehnung eines Schiedsrichters vor dem OLG (§ 1037 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist in jedem Fall eine wertabhängig zu vergütende Einzeltätigkeit, hier nach Nr. 3327, 3332 VV RVG.

D. Rechtsmittel 2.39 Beschwerde, weitere Beschwerde und Rechtsbeschwerde, so sie denn statthaft sind, setzen keine Mindestbeschwer voraus.

2.40 Anders als im Ablehnungsverfahren fallen im Beschwerdeverfahren auch für die gerichtliche Tätigkeit Gebühren an. Die Gerichtsgebühren werden jedoch nicht nach dem Wert erhoben. Es handelt sich vielmehr um Festgebühren (Nr. 1812 KV GKG). Das Gleiche gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren (Nrn. 1825, 1826, 1827 KV GKG). Raum für eine Wertfestsetzung besteht daher nicht.

2.41 Dagegen löst die anwaltliche Tätigkeit im Beschwerdeverfahren für die beteiligten Anwälte eine gesonderte Vergütung aus, da es sich nach § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG um eine gesonderte Angelegenheit handelt, in der gesonderte Gebühren entstehen (Nrn. 3500 ff. VV RVG). Gemäß § 33 RVG ist auf Antrag eines Anwalts oder eines Beteiligten der Gegenstandswert festzusetzen.

2.42 Gleiches gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren. Hier erhält der Anwalt eine gesonderte Vergütung nach Nr. 3502 VV RVG. Je nach Umfang der Rechtsbeschwerde kann sich ein abweichender Wert ergeben, so dass eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 RVG erforderlich sein kann. Das wäre etwa der Fall, wenn zunächst alle drei Richter einer Kammer abgelehnt worden sind und nach erfolgloser Beschwerde im Wege der Rechtsbeschwerde nur noch die Ablehnung eines Richters weiterverfolgt wird.

E. Einzelfälle I. Ablehnung eines Richters 2.43 Nach derzeit nahezu einhelliger Ansicht bestimmt sich der Gegenstandswert in Verfahren auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) nach dem vollen Wert der Hauptsache.2 Für die früher abweichenden Auffassungen, die nur einen Bruchteil der Hauptsache angesetzt 1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.3.2014 – 3 W 16/14, MDR 2014, 1171. 2 BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 60/06, MDR 2007, 669; BGH, Beschl. v. 17.1.1968 – IV ZB 3/68, JurBüro 1968, 525; OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.7.1999 – 1 W 9/99, OLGR 1999, 469; OLG Bremen, Beschl. v. 20.4.2015 – 5 UF 96/14; OLG Bremen, Beschl. v. 3.6.2011 – 4 WF 156/10, MDR 2011, 1134; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.5.2017 – 6 W 51/16, JurBüro 2017, 364; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.2016 – 4 W 22/16, NJW-RR 2017, 191; OLG Hamm, Beschl. v. 28.7.2015 – 32 W 9/15, AGS 2015, 522; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.6.2019 – 4 W 136/19; OLG Naumburg, Beschl. v. 9.7.2021 – 8 WF 201/12, juris;

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen

2. Teil

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oder das Ablehnungsverfahren als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG bewertet haben, wird auf die 13. Aufl. verwiesen. Die meisten Entscheidungen sind in Beschwerdeverfahren ergangen, da im Ausgangsverfahren über die Ablehnung in der Regel keine gesonderten Anwaltsgebühren entstehen und es einer Wertfestsetzung damit nicht bedarf (s. Rz. 2.36). Die Bewertungsgrundsätze sind jedoch die gleichen. Die Werte von Ablehnungsverfahren, Beschwerdeverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren werden in 2.44 der Regel identisch sein. Abweichungen können sich nur ergeben, wenn im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren die Ablehnung nur noch in beschränktem Umfang geltend gemacht wird. Das wäre der Fall, wenn zunächst alle Richter eines Spruchkörpers abgelehnt werden, die Beschwerde sich aber nur noch auf einen oder zwei bezieht, weil die Ablehnung eines Richters erfolgreich war oder der Richter aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist und sich damit das Ablehnungsgesuch erledigt hat.

II. Ablehnung eines Schiedsrichters Auch hier bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit (hier über § 23 Abs. 1 RVG) nach § 3 ZPO dem Wert der Hauptsache unter Berücksichtigung der Anzahl der Schiedsrichter. Besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern bemisst sich der Wert des zivilgerichtlichen Verfahrens nach § 1037 Abs. 3 ZPO nach 1/3 des Hauptsachewertes1.

2.45

III. Ablehnung eines Sachverständigen Seit der Grundsatzentscheidung des BGH2 besteht über die Bewertung des Ablehnungsverfahren 2.46 Einigkeit.3 Danach handele es nicht um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 48 Abs. 2 GKG und der Beschwerdewert daher gem. § 3 ZPO auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festzusetzen. Dies folge aus der eingeschränkten Bedeutung und Rolle des Sachverständigen im Prozess, dessen Gutachten nicht allein den Ausgang des Verfahrens bestimme, sondern dem Gericht lediglich als Entscheidungshilfe diene, indem es ihm die für die Entscheidung notwendigen Fachkenntnisse vermittle. Zudem sei das Gericht an die Meinung des Sachverständigen nicht gebunden, sondern könne weitere Sachverständige beauftragen. Die in der Praxis starke Stellung des Sachverständigen ändere nichts an seiner nach dem Gesetz beschränkten Aufgabe. Der Entscheidung ist Ergebnis zuzustimmen, wenngleich Bewertungsgrundlage für die Gegenstandswertfestsetzung nicht § 3 ZPO, sondern § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG (Wertfestsetzung nach billigem Ermessen) ist, der auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verweist.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.6.2019 – 5 W 19/19, MDR 2019, 1213; OLG Rostock, Beschl. v. 13.8.2018 – 3 W 160/16, FamRZ 2019, 313; a.A. OLG München, Beschl. v. 7.8.2019 – 1 W 649/19: 1/3. 1 KG, Beschl. v. 12.2.2018 – 13 SchH 2/17, MDR 2018, 885; OLG München, Beschl. v. 24.11.2015 – 34 SchH 5/15, NJW 2016, 881: 2/3 bei zwei Schiedsrichtern. 2 BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03, AGS 2004, 159. 3 Zustimmend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.2017 – 4 W 19/17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2008 – 5 W 41/08, BauR 2009, 552; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.2018 – 13 WF 27/17, AGS 2018, 466; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.2008 – 11 W 24/08, NJW-Spezial 2008, 686; OLG Dresden Beschl. v. 11.3.2019 – 4 W 208/19, juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.10.2017 – 8 W 19/17, GesR 2018, 52; OLG München, Beschl. v. 16.10.2017 – 28 W 1615/17; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.10.2011 – 10 W 21/11, BauR 2012, 843.

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2. Teil

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Abnahme von Sachen

ZPO

Abnahme von Sachen 2.48 Der Gebührenstreitwert der Klage auf Abnahme von Sachen ist nach § 3 ZPO zu schätzen; § 6 ZPO gilt nicht.1 Maßgeblich ist auf den Vorteil des Klägers an der Befreiung vom Besitz abzustellen,2 beispielsweise auf ersparte oder entgangene Lagerkosten.

2.49 Klagt eine Brauerei auf Feststellung der Verpflichtung zur Abnahme von Bier, das sie herstellt, dann ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO nicht von der Gewinneinbuße, sondern von der Umsatzminderung auszugehen.3 In einem langfristigen Lieferungsvertrag über zehn Jahre mit einer jährlichen Abnahme von 63 Hektolitern hat das OLG Bamberg4 auf Umsatz und Gewinn abgestellt. Ein Zuschlag für das Brauereiinteresse an Umsatzstetigkeit ist vertretbar.5

2.50 Bei Lieferverträgen kann der Streit um die Abnahme nach dem Gewinn des Käufers bemessen werden.6

2.51 Richtet sich das Interesse des Klägers auf die Abwehr eines Abnahmeverlangens für ein Kraftfahrzeug, ist als Streitwert ein Bruchteil des Kaufpreises anzunehmen, solange der Kaufpreis nicht geltend gemacht wird.7

2.52 Richtet sich der Klageanspruch auf Abnahme einer Kaufsache, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nicht nach dem Kaufpreis, sondern nach dem Interesse an ersparten Aufwendungen, wie z.B. voraussichtliche Mehrkosten für Anmietung bzw. Transport, die durch die Abnahmeverpflichtung entstehen8. Dieser Wert der ersparten Aufwendungen ist im Einzelfall gem. § 48 Abs. 1 i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen.

2.53 Wird zugleich auf Zahlung des Kaufpreises geklagt, dann ist der Kaufpreis wertbestimmend, sofern wirtschaftliche Identität besteht.9 In diesem Fall lässt sich aber nicht grundsätzlich sagen, es sei nur der Zahlungsanspruch zu berücksichtigen.10 Die Titulierung der Abnahmeverpflichtung des Käufers ist wirtschaftlich nicht identisch mit der Titulierung der Zahlungspflicht. Im Gegenteil kann der Verkäufer ein erhebliches Interesse daran haben, die Abnahme zu erzwingen, etwa um seine Lagerräume freizubekommen oder keine Vorsorge gegen Diebstahl oder Beschädigung mehr treffen zu müssen.11

2.54 Für die Bemessung des Rechtsmittelstreitwertes einer Berufung gegen eine Verurteilung auf Abnahme einer Kaufsache, ist nicht deren Kaufpreis, sondern das Interesse des Beklagten an ersparten Aufwendungen maßgeblich.12

1 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80; KG, JurBüro 1960, 166; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Abnahme“, S. 28. 2 AG Osnabrück, Beschl. v. 30.10.2000 – 6 C 219/00, JurBüro 2001, 144; LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.5.2013 – 13 S 171/12. 3 OLG Neustadt, MDR 1962, 413. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 14.7.1977 – 3 W 22/77, MDR 1977, 935. 5 OLG Braunschweig, JurBüro 1979, 436. 6 OLG Stuttgart v. 18.6.1959 – 8 W 132/59, Rpfleger 1964, 162. 7 AG Osnabrück, Urt. v. 30.10.2000 – 6 C 219/00. 8 Vgl. LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.5.2013 – 13 S 171/12. 9 KG, JurBüro 1960, 169; Rpfleger 1962, 154. 10 So Stein/Jonas/Roth, § 5 Rz. 9; Wieczorek/Gamp, § 5 ZPO Rz. 16; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rz. 8. 11 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80; RG, RGZ 57, 400. 12 LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.5.2013 – 13 S 171/12: voraussichtliche Mehrkosten für Anmietung bzw. Transport aufgrund Abnahmeverpflichtung; Prütting/Gehrlein/Gehle, § 3 ZPO Rz. 33.

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Abtretung

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2. Teil

2.55

Siehe das Stichwort „Rechnungslegung“, Rz. 2.4148 ff.

Abschluss von Verträgen 2.56

Siehe das Stichwort „Vertragsabschluss“, Rz. 2.5506 ff.

Abtretung A. Zuständigkeitsstreitwert Für den Anspruch auf Abtretung einer Geldforderung oder eines (Grund-)Pfandrechts oder anderer Forderungen und Rechte gilt § 6 ZPO. Der Streitwert einer Klage auf Verurteilung zur Abtretung einer Forderung bestimmt sich nach dem Betrag der abzutretenden Forderung.1

2.57

Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen oder Rechte, die zu wiederkehrenden Leistungen berechtigen, geht § 9 ZPO vor. Maßgeblich ist dann der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezugs, es sei denn, der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge ist geringer.

2.58

Zinsen bleiben bei der Streitwertbemessung gem. § 4 ZPO außer Ansatz.

2.59

Bei der Klage eines Erben gegen einen Miterben auf Abtretung einer Nachlassforderung kann sich der Streitwert um einen Betrag der Forderung in Höhe des Miterbenanteils des Beklagten vermindern.2

2.60

Bei einem Rechtsstreit über die Abtretung einer Hypothek ist der Wert des Streitgegenstandes gem. § 6 ZPO nach dem Nennwert der Hypothek zu bestimmen und nicht nach dem Betrag der zu sichernden Forderung, deren Zahlung zwischen den Parteien streitig ist. Denn die im Grundbuch eingetragene Hypothek hindert den Eigentümer daran, die von der Hypothek eingenommene Rangstelle zu nutzen, z.B. durch Aufnahme eines Kredits.3

2.61

Ist die Hypothek dem Kläger bereits verpfändet, dann ist ein geringerer Wert anzusetzen, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.4

2.62

Für eine Klage auf Abtretung eines wertlosen Grundpfandrechts sind bei der Streitwertbemessung vorgehende Belastungen und Vorpfändungen abzusetzen, weil andernfalls grob unbillige Ergebnisse auftreten könnten. Das Bedenken, der Streitwert könne dann auf Null herabsinken, ist nur formaler Natur; den Streitwert „0“ (nicht zu verwechseln mit fehlender [Null-]Beschwer) gibt es nämlich nicht, sondern nur die unterste Gebührenstufe. Es erscheint richtig und geboten, in solchen Fällen entsprechend der Übung im kaufmännischen Bereich nur einen sog. Erinnerungswert anzusetzen.5

2.63

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 16.7.1997 – IV ZR 166/97, NJW-RR 1997, 1562 (zum Rechtsmittelstreitwert). Siehe näher dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 433 und das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff. OLG Köln, Beschl. v. 30.10.1968 – 9 W 83/68, JMBl.NW 1969, 274. OLG Kiel, OLGE 31, 5. OLG Köln, Beschl. v. 20.2.1969 – 14 W 58/69, JurBüro 1969, 632 m. Anm. E. Schneider.

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Abrechnung

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2. Teil

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Abtretung

ZPO

2.64 Die Klage auf Übertragung des Anteils an einer GmbH richtet sich nicht nach dem Nominalwert des Geschäftsanteils, sondern nach dem Verkehrswert.1 Die Ermittlung des Wertes ist schwieriger als bei Anteilen einer AG, da Aktien an der Börse gehandelt werden und einen Kurswert haben. Sie ist aber dadurch nicht ausgeschlossen und kann je nach der wirtschaftlichen Situation der GmbH unter oder über dem Nominalwert des Anteils liegen. Es ist jedoch kein Aufschlag wegen des Gewinnbezugsrechts zu machen, da dieser Bestandteil des Gesellschaftsanteils und damit bereits ausschlaggebender Faktor bei der Verkehrswertermittlung ist.

B. Gebührenstreitwert 2.65 Für den Gebührenstreitwert gilt über § 23 Abs. 1 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zunächst einmal der Zuständigkeitsstreitwert.

2.66 Soweit das GKG allerdings abweichende Bewertungsvorschriften enthält, und diese von ihrer Zielsetzung auch auf den Abtretungsstreit übertragbar sind, ist deren Wert zu beachten. So kann z.B. bei einem Streit über die Abtretung von zukünftigen Unterhaltsansprüchen § 42 GKG anzuwenden sein, oder bei einem Streit über die Abtretung eines Räumungsanspruchs § 41 GKG.

2.67 Inkonsequent und unzutreffend ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe,2 wonach zwar für den Zuständigkeitsstreitwert auf § 6 ZPO abzustellen sei, für den Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG jedoch auf die Vorschrift des § 3 ZPO; der Gebührenstreitwert solle sich nach dem zu schätzenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers richten, wenn die Werthaltigkeit der Forderung nach dem Klagevortrag zweifelhaft sei. Wenn sich die Risiken einer Durchsetzung der Forderung nicht ohne weiteres abschätzen ließen, solle im Zweifel die Streitwertangabe in der Klageschrift maßgebend sein. In dem entschiedenen Fall belief sich die abzutretende Forderung auf 400.000 DM zzgl. Umsatzsteuer (204.516,75 t). Der Kläger hätte lediglich einen Gegenstandswert von 6.000 t angegeben, weil die Durchsetzung der Forderung zweifelhaft war. Diesen Wert hatte das OLG festgesetzt.

2.68 Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob infolge der voraussichtlichen Wertlosigkeit der Forderung ein Abschlag vorzunehmen ist. Das muss aber dann sowohl für den Zuständigkeits- als auch für den Gebührenstreitwert gelten, da § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ausdrücklich auf die Wertvorschriften für die Zuständigkeit Bezug nimmt. Eine Differenzierung zwischen Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist nur dort möglich, wo für den Gebührenstreitwert gesonderte Vorschriften enthalten sind (also z.B. in den §§ 41, 42 GKG). Soweit jedoch auf den Zuständigkeitsstreitwert verwiesen wird, können sich hier keine Bewertungsunterschiede ergeben.

2.69 Im Grundsatz lässt sich festhalten, dass das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Erwerb der Forderung maßgeblich ist, das wiederum nach den hierfür einschlägigen Vorschriften der §§ 3 bis 9 ZPO zu bewerten ist.3

2.70 Bei Geldforderungen orientiert sich der Streitwert regelmäßig gem. § 6 Satz 1 ZPO am Nennwert der abzutretenden Forderung4. Ist die Werthaltigkeit der Forderung aber zweifelhaft, ist eine Ausnahme von diesem Nennwertprinzip geboten, da nur die Abtretung, nicht jedoch die Erfüllung erstrebt ist.5

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1979 – 17 W 35/79, JurBüro 1980, 606; ebenso Riedel, JurBüro 1962, 255. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.12.2005 – 15 W 43/05, AGS 2006, 511-512. 3 BGH, Beschl. v. 16.7.1997 – IV ZR 166/97, NJW-RR 1997, 1562; OLG München, Beschl. v. 28.2.1977 – 5 W 871/77, Rpfleger 1977, 176 = FamRZ 1977, 397. 4 BGH, Beschl. v. 16.7.1997 – IV ZR 166/97, NJW-RR 1997, 1562. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.12.2005 – 15 W 43/05, JurBüro 2006, 201 = AGS 2006, 512 m. Anm. N. Schneider.

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Akkreditiv

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2. Teil

§ 403 StPO eröffnet dem Geschädigten mit Zustimmung des Gerichts die Möglichkeit, ihm aufgrund 2.71 der Straftat zustehende Ersatzansprüche, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehören und noch nicht anderweitig anhängig sind, im Strafverfahren gegenüber dem Angeklagten geltend zu machen.1 Dabei bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die Gerichtskosten (Nr. 3700 KV GKG) nach dem 2.72 Wert des zuerkannten Anspruchs, weil nur insoweit eine rechtskräftige Entscheidung ergeht.2 Zinsen bleiben dabei ebenso außer Betracht, wie der Ausspruch über die Feststellung, dass die Hauptforderung auf eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zurückzuführen ist.3 DerGegenstandswert für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG), die auf die übrigen Gebühren (des Nebenklagevertreters) nicht angerechnet werden,4 richtet sich demgegenüber nach dem Wert des Streitgegenstandes.5 Maßgeblich ist bei einem bezifferten Adhäsionsantrag der geltend gemachte Betrag.6 Gleiches gilt für die Verteidigung des erstinstanzlich zuerkannten Verfahrens im Revisionsverfahren.7

2.73

Akkreditiv Das Akkreditiv ist ein selbständiges Schuldversprechen i.S.v. § 780 Satz 1 BGB, welches eine Bank dem Verkäufer auf Anweisung des Käufers erteilt. Die Bank verpflichtet sich in eigenem Namen und für Rechnung des Auftraggebers gegenüber dessen Vertragspartner, die im Akkreditiv versprochene Leistung zu erbringen. Es dient einerseits der Zahlungsvermittlung im Außenhandel. Zugleich sichert es sowohl die Kaufpreisforderung des Verkäufers als auch den Verschaffungsanspruch des Käufers.

2.74

Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Verschaffung eines Akkreditivs ist gem. § 6 ZPO dessen Nennbetrag, da es der Sicherstellung einer Forderung dient. Somit entspricht der Gegenstandswert für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit bei der Beschaffung eines Akkreditivs gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 53 Abs. 2 GNotKG ebenso dessen Betrag.8 Wird die Bank aus dem Akkreditiv in Anspruch genommen, handelt es sich regelmäßig um Zahlungsklagen, deren Streitwert dem Nennwert der Forderung entspricht.9

2.75

1 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Absicherung BVerfG, Beschl. v. 27.5.2020 – 2 BvR 2054/19, NJW 2020, 3774. 2 OLG Celle, Beschl. v. 19.2.2014 – 2 Ws 19/14; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, KV-GKG Nr. 3700 Rz. 1. 3 BGH, Beschl. v. 8.9.2020 – 6 StR 95/20. 4 OLG Celle, Beschl. v. 13.7.2020 – 3 Ws 164/20, JurBüro 2020, 584. 5 BGH, Beschl. v. 6.6.2018 – 2 StR 337/14, AGS 2019, 75; OLG Celle, Beschl. v. 19.2.2014 – 2 Ws 19/14; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.2.2011 – 1 Ws 80/11, NStZ-RR 2011, 390; LG Magdeburg, Beschl. v. 12.7.2013 – 24 Qs 65/13. 6 OLG Celle, Beschl. v. 19.2.2014 – 2 Ws 19/14. 7 BGH, Beschl. v. 17.3.2021 – 2 StR 351/20. 8 BGH, Urt. v. 5.3.1992 – IX ZR 117/91, MDR 1992, 616. Der BGH hat auf § 23 KostO abgestellt, die damals geltende Vorgängernorm des § 53 GNotKG. 9 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.6.2018 – 13 U 291/15, WM 2018, 1742.

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Adhäsionsverfahren

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2. Teil

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Aktien

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Aktien 2.76 Siehe das Stichwort „Wertpapiere“, Rz. 2.5894 ff.

Allgemeine Geschäftsbedingungen A. Einleitung 2.77 Im Bereich der Rechtsstreitigkeiten über Allgemeine Geschäftsbedingungen ist zwischen Verbandsklagen und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen zu unterscheiden. Nach § 1 UKlaG können Verwender und Empfehler unwirksamer AGB auf Unterlassung und auf Widerruf der Empfehlung in Anspruch genommen werden. Anspruchsberechtigt sind nach § 3 UKlaG die sog. qualifizierten Einrichtungen, die rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, Handwerkskammern sowie die Industrie- und Handelskammern. Daneben kann nach § 8 Abs. 1 UWG wettbewerbsrechtlich verlangt werden, unwirksame AGB nicht mehr zu gebrauchen.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.78 Zuständigkeitsstreitwerte brauchen nicht bestimmt zu werden. Nach § 6 Abs. 1 UKlaG ist das LG für Klagen nach dem Unterlassungsklagengesetz und nach § 14 Abs. 1 UWG für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen sachlich ausschließlich zuständig.

C. Gebührenstreitwert I. Verbandsklagen nach dem UKlaG 1. Grundsätze der Wertbemessung

2.79 Der Gebührenstreitwert wird gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen festgesetzt, jedoch wegen § 48 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GKG höchstens auf 250.000 t. Maßgebend ist ausschließlich das Interesse der Allgemeinheit, die gesetzwidrige Klausel zu verbieten, weil es sich um Popularklagen handelt.1 Um die Verbraucherschutzverbände vor Kostenrisiken zu schützen, bleibt das Interesse des Beklagten, die Wirksamkeit seiner AGB festzustellen, ebenso außer Betracht wie die wirtschaftliche Bedeutung des Verbotes, die streitgegenständlichen Klauseln zu verwenden.2

2.80 Das maßgebende Interesse der Allgemeinheit an dem Verbot der streitgegenständlichen AGB darf nicht zu hoch bewertet werden. Der gegenüber dem allgemeinen Höchstwert von 30 Millionen t nach § 39 Abs. 2 GKG erheblich niedrigere Höchstwert des § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG von 250.000 t belegt den Willen des Gesetzgebers, niedrige Streitwerte anzusetzen. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung von einem Regelstreitwert von 2.500 v für jede Klausel aus, die verboten werden soll.3 Ältere Entscheidungen, die Regelwerte von (umgerechnet) 1.500 t annahmen,4 sind überholt. Die zwischenzeitliche Geldentwertung gebot, den Regelstreitwert zu erhöhen.

1 BGH, Beschl. v. 17.11.2020 – X ZR 3/19, MDR 2021, 195. 2 BGH, Beschl. v. 6.3.2013 – IV ZR 211/11; BGH, Beschl. v. 8.9.2011 – III ZR 229/10; BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694. 3 BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 – IV ZR 211/11; BGH, Beschl. v. 19.1.2017 – III ZR 296/16. 4 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352.

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2. Teil

Höhere Werte sind anzusetzen, wenn die Klausel herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die betroffenen Verkehrskreise hat und die Entscheidung über ihre Wirksamkeit nicht nur für deren Verwender und seine Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist.1 Dies kommt etwa in Betracht, wenn um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite gestritten wird.2

2.81

ZPO

Allgemeine Geschäftsbedingungen

2. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Der Begriff des Allgemeininteresses am Klauselverbot ist kraft Natur der Sache unscharf. Um verläss- 2.82 licher einschätzen zu können, ob eine streitgegenständliche Klausel einen vom Regelstreitwert von 2.500 t abweichenden Wertansatz gebietet, sind Vergleichsfälle zu berücksichtigen. Die nachfolgende Liste ist aufsteigend nach den festgesetzten Streitwerten geordnet. 1.000 v

2.83

– Gerichtsstandsklausel eines Handwerksbetriebes, dessen Auftraggeber überwiegend in der Nähe wohnen, so dass ein anderer als der in der Klausel vorgesehene Gerichtsstand ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt.3 1.500 v

2.84

– Klausel im Formularmietvertrag, über Pflichten des Mieters von nur untergeordneter Bedeutung.4 2.500 v

2.85

– Klausel einer Bank über die Gebührenpflicht von Bareinzahlungen;5 – Klausel einer Bausparkasse, die ihr ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach 15-jähriger Vertragslaufzeit einräumt;6 – Klauseln in Bauverträgen eines Dach- und Fassadensanierers;7 – Klausel einer Fluggesellschaft über die Beförderung von Rollstühlen;8 – Klausel in einem Mietvertragsformular über Wohnraum;9 – Klausel eines Paketdienstes über die Zustellung an Nachbarn;10 – Klauseln in Riester-Rentenversicherungen zu Stornoabzügen, Rückkaufswerten usw.;11 – Klauseln über Mahn-, Rücklastschrift- und Sperrkosten in Verträgen über die Bereitstellung von Telefon und Internet;12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH, Beschl. v. 19.1.2017 – III ZR 296/16. BGH, Beschl. v. 19.1.2017 – III ZR 296/16. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.6.1983 – 2 W 27/83, WRP 1984, 112. BGH, Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.6.2018 – 17 U 147/17, MDR 2018, 1135. BGH, Beschl. v. 10.9.2019 – XI ZR 474/18; die Vorinstanz OLG Stuttgart, Urt. v. 2.8.2018 – 2 U 188/17, MDR 2018, 1326 hatte 30.000 t angesetzt. OLG Stuttgart, 31.1.2018 – 2 W 35/17. BGH, Beschl. v. 21.3.2018 – X ZR 88/16. OLG München, Beschl. v. 26.9.1997 – 29 W 2633/97, WuM 1997, 631; LG München I, Beschl. v. 8.9.1997 – 7 O 18843/96, WuM 1997, 631. BGH, Beschl. v. 5.2.2015 – I ZR 106/14. OLG Nürnberg, Urt. v. 13.2.2018 – 3 U 169/17. BGH, Beschl. v. 23.2.2017 – III ZR 389/16; OLG Koblenz, Urt. v. 14.7.2016 – 2 U 615/15, VuR 2017, 25.

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2. Teil

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Allgemeine Geschäftsbedingungen

ZPO

– Klausel zur Bereitschaft nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG, an Verbraucherstreitbeilegungsverfahren teilzunehmen.1

2.86 3.000 v – Lieferklausel und Gewährleistungsklausel in den AGB eines Möbelhändlers für jede Klausel;2 – Transparenz für eine Klausel zur Unfalldefinition eines Unfallversicherers.3

2.87 5.000 v – Klausel eines Versicherers, welche die Erstattung der Aufwendungen für ambulante psychotherapeutische Behandlungen beschränkt.4

2.88 5.500 v – Klausel einer Sparkasse über Entgelte, Kosten und Auslagen.5

2.89 7.500 v – Klausel eines Mobilfunkunternehmens über den Verfall des Restguthabens in einem bestimmten Zeitfenster.6

2.90 10.000 v – Obliegenheitsklausel einer Hausratversicherung, beim Versicherer und der Polizei unverzüglich eine Stehlgutliste einzureichen.7

2.91 10.200 v – Klausel über Abschlussgebühren in Bausparverträgen.8

2.92 25.000 v – Klausel einer Bank über Bearbeitungsgebühren bei Darlehen;9 – Klauselverbot, das beim Verwender zu Zinsverlusten in siebenstelliger Höhe führen kann, da dem Verwender nicht durch eine Wertfestsetzung unterhalb der Revisionssumme die Möglichkeit der dritten Instanz genommen werden darf;10 – Klausel zur Kostenminderungsobliegenheit einer Rechtsschutzversicherung.11

2.93 150.000 v – Klausel über erfolgsunabhängige Zahlungsverpflichtungen in Ehemäklerverträgen;12

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH, Beschl. v. 21.8.2019 – VIII ZR 265/18, MDR 2019, 1241. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.10.2012 – 2 U 45/12. BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18, MDR 2020, 36. BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694. OLG Nürnberg, Urt. v. 29.1.2008 – 3 U 1887/07, ZIP 2008, 1958. BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352. OLG Köln, Urt. v. 15.8.2017 – 9 U 12/17, NJW-RR 2017, 1502. BGH, Beschl. v. 8.2.2011 – XI ZR 3/10. BGH, Beschl. v. 10.12.2013 – XI ZR 405/12. Zu diesem Zeitpunkt war die Zulässigkeit der Bearbeitungsgebühren stark umstritten. 10 BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – XI ZR 298/90, NJW-RR 1991, 1074. 11 OLG Schleswig, Beschl. v. 18.4.2012 – 2 U 6/11, r + s 2013, 208. 12 OLG Hamburg, Urt. v. 2.11.1978 – 10 U 31/78, MDR 1979, 314.

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Allgemeine Geschäftsbedingungen

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2. Teil

250.000 v

2.94

ZPO

– Klauseln eines Konzertveranstalters über die Begrenzung von Rückerstattungsansprüchen, deren Verbot beim Veranstalter zu Kosten in Millionenhöhe bei der Absage eines einzigen Konzerts führen könnte.1 3. Streitwertbegünstigung Nach § 5 UKlaG gilt § 12 Abs. 3, 4 UWG in Verfahren nach dem UKlaG entsprechend. Die wettbewerbsrechtliche Streitwertbegünstigung kommt also auch den Anspruchsberechtigten nach § 3 UKlaG zugute. Weitere Einzelheiten zur Streitwertbegünstigung sind beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858–2.1886 zu finden.

2.95

II. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage Gebührenstreitwerte in Prozessen nach dem UWG bestimmt man nach § 51 Abs. 2 GKG. Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers, weitere gleichartige Verstöße zu unterbinden, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen bestimmt wird.2

2.96

Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend.3 Die bei Verbandsklagen nach dem UKlaG geltenden Grundsätze einschließlich des Regelstreitwerts von 2.500 t je Klausel sind unanwendbar.4 Die Streitwerte bei Unterlassungsklagen nach dem UWG sind tendenziell regelmäßig höher.5

2.97

Regelstreitwerte haben sich nicht herausgebildet, so dass stets auf die Umstände des Einzelfalls abge- 2.98 stellt werden muss. So wurde der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Untersagung einer in der Widerrufsbelehrung eines Internethändlers enthaltenen Klausel über Rücksendekosten mit 5.000 t angesetzt.6 Bei einem Rechtsstreit um Klauseln einer Internetapotheke, die das Widerrufsrecht bei Medizin ausschlossen und eine unzureichende Missbrauchskontrolle durch die Apotheke vorsahen, wurden 17.500 t angesetzt.7 Mit 10.000 t bewertet wurde die Klage eines Mitbewerbers gegen die Verwendung unzulässiger Honorarklauseln für die Studienplatzvermittlung im Ausland.8 Stützt der Verbraucherverband seinen Unterlassungsanspruch nur hilfsweise auf § 8 UWG, ist der Streitwert wegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nur dann nach den Grundsätzen für wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu bemessen, wenn das Gericht über diesen Hilfsantrag entschieden hat.9

1 OLG Celle, Beschl. v. 14.10.1994 – 13 U 78/94. 2 BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 54/11, MDR 2013, 477 = GRUR 2013, 301. 3 BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – I ZR 24/16, GRUR 2017, 212; OLG München, Beschl. v. 5.2.2018 – 19 W 1855/17, NJW-RR 2018, 575; OLG München, Beschl. v. 17.1.2018 – 29 W 1623/17; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2018 – 2 W 35/17. 4 BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – I ZR 24/16, GRUR 2017, 212; BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2018 – 20 W 55/18. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2010 – 5 W 10/10. 7 OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.6.2017 – 9 U 19/17, NJW-RR 2017, 1389. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.6.2019 – 2 U 48/18. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2018 – 20 W 55/18.

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2. Teil

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Altenteil

ZPO

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.100 Bei Verbandsklagen nach dem UKlaG berechnet man grundsätzlich auch die Beschwer des verurteilten Verwenders allein am Interesse der Allgemeinheit, die streitgegenständlichen AGB zu beseitigen und nicht an der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots für den Verwender.1 Die in der kostenrechtlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG enthaltene Wertung gilt auch für den Rechtsmittelstreitwert nach § 3 ZPO. Der Gesetzgeber hat die im verfahrensrechtlichen § 22 AGBG a.F. geregelte Streitwertbegrenzung in das GKG verlagert, ohne ihren Anwendungsbereich ändern zu wollen.2 Regelmäßig kann daher eine Beschwer von 2.500 t je Klausel angenommen werden.3

2.101 Bei Unterlassungsklagen nach dem UWG ist die Beschwer des Verwenders hingegen mit der Bedeutung des Klauselverbots für ihn zu bemessen.4

Altenteil 2.102 Altenteil ist ein Sammelbegriff. Man versteht darunter alle Rechte, die sich ein Übergeber (Landwirt oder Hausübergeber) im Übergabevertrag auf Lebenszeit am übergebenen Betrieb oder Haus vorbehält, z.B. das Wohnrecht, Naturalleistungen, Nutzungsrechte, Dienst- und Pflegeleistungen, Geldrenten usw. (s. dort Rz. 2.6002 ff.) Je nach Region wird das Altenteil auch als „Leibgeding“ oder „Auszug“ bezeichnet.

2.103 Wohnrechte sind nach § 3 ZPO zu bemessen (vgl. Rz. 2.6002 ff.). 2.104 Als „wiederkehrende Leistung“ i.S.d. §§ 100, 241 ff. BGB ist das Altenteil nach § 9 ZPO zu bewerten. Für bezifferte Einzelbeträge ist der Nennbetrag maßgeblich. Das gilt auch für die Leibrente, die keinen Anspruch auf gesetzlichen Unterhalt darstellt.5

2.105 Der Streitwert der Sicherung eines Altenteilsrechts ist nach § 6 ZPO gleich dem Betrag (Wert) der zu sichernden Forderung. Soweit für die Gebührenerhebung der Wert einer vertraglich vereinbarten Altenteilsforderung nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnen ist, weil sie sich im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht hält, ist dieser Wert auch für die Sicherung maßgebend.6

2.106 Werden Altenteilleistungen nicht ordnungsgemäß erbracht und verlangt der Berechtigte Entschädigung durch Zahlung einer Unterhaltsrente, so bemisst sich der Streitwert nicht mehr nach § 3 ZPO, sondern nach § 9 ZPO.7

2.107 Für die Frage, ob wegen des hohen Alters des Altenteilers eine Ermäßigung statthaft ist, ist entscheidend, ob die verlangten Leistungen noch eine dem § 9 ZPO entsprechende Dauer haben können oder ob eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dagegenspricht. Der Streitwert einer Klage aufgrund eines Leibgedings entspricht grundsätzlich dem 12 1/2-fachen Jahresbetrag der begehrten Leistung; ein geringerer Streitwert ist nur dann anzunehmen, wenn eine an Sicherheit grenzende Wahr-

1 BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564. 2 BT-Drucks. 12/6962, 61. 3 BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564; Seggewiße, MDR 2019, 650, 651; zu den Anforderungen an die Darlegung einer 2.500 t übersteigenden Beschwer vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VIII ZR 161/19, WRP 2021, 60. 4 BGH, Beschl. v. 18.4.2013 – I ZR 199/12. 5 LG Freiburg, Beschl. v. 9.4.1973 – 3 T 14/73, AnwBl. 1973, 169. 6 LG Braunschweig, Beschl. v. 16.1.1959 – 7 T 194/58, Nds.RPfl. 1959, 64. 7 LG Itzehoe, Beschl. v. 27.12.1960 – 1 T 95/60.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil

2. Teil

ZPO

scheinlichkeit dagegen spricht, dass sich die Rentenleistung noch über 12 1/2 Jahre erstrecken wird.1 Die Tatsache, dass die Berechtigte 79 Jahre alt ist, soll es beispielsweise noch nicht rechtfertigen, an Stelle des 12 1/2-fachen Betrages des Jahreswertes gem. § 9 ZPO als Gegenstandswert einen geringeren Wert festzusetzen.2 Die Entscheidungen ergingen zu § 9 ZPO a.F. Nach § 9 ZPO i.d.F. des RPflEntlG 1993 gilt nur noch der 3 1/2-fache Jahreswert. Damit wird sich die Rechtsprechung zur Abweichung von § 9 ZPO bei Hochbetagten völlig neu orientieren müssen. Der Tod des Berechtigten während des Rechtsstreits vermindert den Streitwert für das Altenteil nicht rückwirkend.

Androhung von Ordnungsmitteln 2.108

Siehe das Stichwort „Ordnungsmittel“; Rz. 2.3786, 2.3792, 2.3798, 2.3800 und 2.3802.

Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil A. Allgemeines Hierst zunächst zwischen dem materiell-rechtlichen Anerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) und dem pro- 2.109 zessualen Anerkenntnis (§ 307 ZPO) zu unterscheiden. Nach überwiegender Ansicht ist das prozessuale Anerkenntnis reine Prozesshandlung und enthält keine materiell-rechtliche Komponente.3

B. Gebührenstreitwert I. Außerprozessuales Anerkenntnis Wird aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) oder Schuldversprechen (§ 780 BGB) geklagt, dann ist der Forderungsbetrag maßgebend. Da das abstrakte Schuldversprechen oder Anerkenntnis eine neue Verpflichtung konstitutiv begründet, verlieren darin eingerechnete Zinsen (und Kosten) ihre Eigenschaft als Nebenforderung und werden in den Streitwert miteinbezogen.4

2.110

Ebenso ist zu bewerten, wenn derjenige, der das Schuldanerkenntnis oder das Schuldversprechen abgegeben hat, mit negativer Feststellungsklage dessen Bestand angreift.

2.111

Die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines abstrakten Schuldanerkenntnisses oder Schuldversprechens schafft keinen vollstreckungsfähigen Titel. Der Streitwert ist deshalb entsprechend den Bewertungsregeln für positive Feststellungsklagen regelmäßig um 20 % zu ermäßigen (s. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.).

2.112

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld oder auch nur ein präjudizielles Rechtsverhältnis lediglich bestätigen und die vertraglichen Beziehungen der Parteien beweisrechtlich klarstellen sowie die bei Abgabe bekannten Einwendungen als auch die (spätere) Leug-

2.113

1 OLG Celle, Beschl. v. 18.4.1961 – 7 W 7/61, MDR 1961, 778; LG Freiburg, Beschl. v. 9.4.1973 – 3 T 14/73, AnwBl. 1973, 169. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.2.1959 – 2 W 261/58, JurBüro 1959, 247. 3 BGH, Urt. v. 27.5.1981 – IVb ZR 589/80, MDR 1981, 925; Zöller/Feskorn, vor § 306 ZPO Rz. 3. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97, AGS 1999, 43 = JurBüro 1999, 197; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 11; E. Schneider, Anm. zu OLG Köln, KostRsp. GKG § 22 Nr. 8.

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ZPO

2. Teil

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil

nung der klagebegründenden Tatsachen ausschließen.1 Daneben gibt es Schuldanerkenntnisse, die ohne rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen als bloße tatsächliche Erklärung des Schuldners seine Erfüllungsbereitschaft anzeigen und die Last der Beweisführung verändern.2 In derartigen Fällen ist der Streit um die Wirksamkeit nach § 3 ZPO zu schätzen. Für die Bewertung ist dabei darauf abzustellen, in welchem Maß das konkrete Anerkenntnis dem Gläubiger die Rechtsverfolgung erleichtert.

2.114 Hierbei bleiben Zinsen, auch wenn sie in einem deklaratorischen Anerkenntnis mit der Hauptforderung zu einer einzigen Summe zusammengefasst werden, gem. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt.3

II. Prozessuales Anerkenntnis 2.115 Das prozessuale Anerkenntnis ist die nicht notwendigerweise ausdrückliche Erklärung, sich dem Klageanspruch zu unterwerfen und die mit der Klage verbundene Rechtsfolgenbehauptung als begründet anzuerkennen. Durch seine Bezugnahme auf den Anspruch unterscheidet es sich vom Geständnis (§ 288 ZPO), das einzelne Tatsachenbehauptungen zum Gegenstand hat. Im Einzelfall bedarf es einer Abgrenzung des Anerkenntnisses von der Erledigungserklärung, insbesondere wenn sich die Erklärung des Beklagten auf eine während des Rechtsstreits erfolgte Erfüllungshandlung bezieht.4 Zweifel, ob in der Erklärung des Beklagten, anerkennen zu wollen, nicht vielmehr eine Zustimmung zu einer Klagerücknahme (§ 269 Abs. 2 ZPO) oder eine Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 ZPO) verbunden mit einem Anerkenntnis der Kostentragungspflicht5 liegt, sind durch Nachfrage (§ 139 ZPO) aufzuklären. Denn sie könnten beim Kläger zu einer Antragsermäßigung oder zu einer Einverständniserklärung führen, was den Streitwert ändern würde.

2.116 Als Prozesshandlung ist das Anerkenntnis gegenüber dem Gericht zu erklären und für den Beklagten für das gesamte Verfahren bindend. Die Erklärung kann innerhalb eines vorbereitenden Schriftsatzes abgegeben werden, einer Erklärung in der mündlichen Verhandlung bedarf es nicht mehr (§ 307 Satz 2 ZPO).6

2.117 Die Abgabe der Anerkenntniserklärung entbindet das Gericht zwar von der Prüfung, ob die Klage schlüssig oder begründet gewesen ist,7 hat aber keinen Einfluss auf den Streitgegenstand selbst. Dies wird schon daraus ersichtlich, dass der Beklagte durch die Verkündung des Anerkenntnisurteils im Umfang der Verurteilung materiell beschwert wird.8 Der Streitwert für die Gerichtsgebühren und die anwaltliche Tätigkeit verändert sich folglich bis zur Verkündung grundsätzlich nicht.9

2.118 Ist die Anerkenntniserklärung dagegen auf einen Teil des Klagebegehrens beschränkt und kommt es nicht zum Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils, dann ändert sich der Streitwert für das weitere Ver1 BGH, Urt. v. 9.7.1986 – VIII ZR 232/85, MDR 1986, 926 = NJW 1986, 2948 – Bestätigungsvertrag über Vorbehaltseigentum; BGH, Urt. v. 23.3.1983 – VIII ZR 335/81, MDR 1983, 1017; Palandt/Sprau, § 781 BGB Rz. 3, 4. 2 BGH, Urt. v. 5.5.2003 – II ZR 50/01, MDR 2003, 1188 = GmbHR 2003, 954, WM 2003, 1421; BGH, WPM 1974, 411; BGHZ 66, 250; Palandt/Sprau, § 781 BGB Rz. 6. 3 OLG Köln, Beschl. v. 30.1.1980 – 2 W 6/80, JurBüro 1980, 578. 4 OLG Stuttgart v. 17.1.2011 – 5 U 158/10, MDR 2011, 513; LG Leipzig, Urt. v. 19.12.1996 – 12 S 5051/09, NJW-RR 1997, 571. 5 BGH, Beschl. v. 3.6.1985 – II ZR 248/84, MDR 1985, 914. 6 Siehe auch OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2005 – 13 U 99/05, OLGR 2005, 894. 7 Zöller/Feskorn, § 307 ZPO Rz. 5. 8 Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rz. 19a. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.1986 – 2 W 136/86, JurBüro 1987, 396; OLG München, Beschl. v. 9.12.2016 – 8 W 2038/16, MDR 2017, 120; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120; unzutreffend daher KG, Urt. v. 8.11.2017 – 26 U 109/16.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil

2. Teil

fahren, soweit von diesem nur der streitige Teil des prozessualen Anspruchs betroffen ist.1 So liegt es etwa, wenn der Beklagte einen Teil der Klageforderung anerkennt, das Gericht aber ohne vorherigen Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils Beweis über den nicht vom Anerkenntnis betroffenen Teil der Klageforderung erhebt oder die Parteien sich über diesen (ggfs. unter Einschluss des anerkannten Teils) vergleichen. Hier sind – soweit für eine gesonderte Festsetzung Anlass besteht – der Gegenstandswert der Beweisaufnahme (Nr. 1010 VV RVG)2 und des Vergleichs3 entsprechend zu reduzieren.

III. Anerkenntnisurteil Während das Anerkenntnisurteil die Instanz insgesamt beendet und auf den Gebührenstreitwert kei- 2.119 nen Einfluss hat,4 führt die Verkündung eines Teil-Anerkenntnisurteils zu einer Reduzierung des für die anwaltlichen Gebühren maßgeblichen Gegenstandswerts für das weitere Verfahren auf den Umfang des Restanspruchs.5

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Kostenentscheidung Gemäß § 93 ZPO kann das Gericht die Kosten des Rechtsstreits dem obsiegenden Kläger auferlegen, 2.120 wenn der Beklagte die Klageforderung sofort anerkannt und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Die Kostenentscheidung ist unabhängig von der Hauptsache, soweit deren Streitwert über 600 t liegt, mit der sofortigen Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO angreifbar.6 Der für die anwaltlichen Gebühren maßgebliche Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Interesse an der Erstattung eigener und der Abwendung fremder Kosten (Kosteninteresse) und damit nach den erstinstanzlich insgesamt angefallenen Kosten des Rechtsstreits.

II. Unterliegen des Klägers Erkennt der Beklagte die Klageforderung unter gleichzeitiger Berufung auf ein Zurückbehaltungs- 2.121 recht an, wird er durch Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil – beispielsweise – zur Werklohnzahlung Zug-um-Zug gegen Beseitigung im Einzelnen benannter Mängel verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die (formelle) Beschwer des Klägers bestimmt sich in diesen Fällen nach der von ihm – zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung (§ 756 ZPO) – zu erbringenden Gegenleistung, im Beispiel also nach den Mängelbeseitigungskosten. Die Reichweite des Zurückbehaltungsrechts, die ein Vielfaches des Werts der Gegenleistung betragen und den Wert der Klageforderung im Einzelfall übersteigen kann (vgl. etwa § 641 Abs. 3 BGB), bleibt demgegenüber unberücksichtigt. Denn der Kläger erreicht die Durchsetzbarkeit bereits mit dem von ihm aufzuwendenden Betrag.

1 Insoweit zutr. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.5.2006 – 8 Ta 94/06 – fehlerhaft jedoch soweit die nachfolgende Klageerweiterung für die Verfahrensgebühr nur mit dem nach Teil-Anerkenntnisurteil reduzierten Wert addiert wird; s. auch das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5086. 2 OLG Köln, Beschl. v. 6.2.1984 – 25 WF 246/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 692 m. Anm. E. Schneider = JurBüro 1984, 877; unklar OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1980 – 20 WF 772/80, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 530 m. Anm. E. Schneider = JurBüro 1981, 554. 3 Siehe hierzu ausführlich unten Rz. 2.127. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.1986 – 2 W 136/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 867 m. Anm. E. Schneider = JurBüro 1987, 396. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 11.9.1985 – 2 WF 211/85, JurBüro 1986, 267; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.1.1990 – 7 WF 4/90, JurBüro 1990, 771. 6 Zu beachten bleibt aber die Kostenmindestbeschwer von 200 t, § 567 Abs. 2 ZPO.

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2. Teil

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil

ZPO

III. Unterliegen des Beklagten 2.122 Für die Ermittlung der mit dem Anerkenntnisurteil für den Beklagten verbundenen (materiellen) Beschwer ist nicht auf die in der Vorinstanz gestellten Anträge, sondern darauf abzustellen, ob die ergangene Entscheidung für den Beklagten nachteilig ist und durch das Rechtsmittel die Möglichkeit einer zu seinen Gunsten abweichenden Entscheidung besteht.1 Die Freiwilligkeit der Unterwerfung ist für die Bewertung ohne Bedeutung.

2.123 Der Gebührenstreitwert für die Rechtsmittelinstanz richtet sich nach dem Umfang der beantragten Überprüfung, also der Differenz zwischen Urteil und Berufungsantrag. Unerheblich ist, dass der Beklagte die Klageforderung anerkannt und in welcher Weise er sonst zum Klagevorbringen Stellung genommen hat.2

2.124 Uneinigkeit besteht über die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts, wenn der Beklagte erstinstanzlich durch Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt wird, unbeschränkt Berufung einlegt und diese vor Antragstellung und Begründung zurücknimmt. Die überwiegende Ansicht stellt für die Wertfestsetzung gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG auf die materielle Beschwer ab und unterscheidet nicht zwischen dem anerkannten und dem streitig zugesprochenen Teil des Urteilsbetrags.3 Demgegenüber stellt ein Teil der Rechtsprechung und Literatur4 für § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG auf die formelle Beschwer des Beklagten ab und legt der Wertfestsetzung allein den streitig zuerkannten Klagebetrag zugrunde. Dem ist nicht zuzustimmen, denn ob der anerkannte Teilbetrag zweitinstanzlich „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ keiner Überprüfung mehr unterzogen wird, ist – wie bei offenkundig unzulässigen oder aussichtlosen Berufungen – für die Wertfestsetzung unerheblich. Aus diesem Grund rechtfertigt auch der geringe Arbeitsaufwand, keine abweichende Beurteilung. Zumal dieser Ansatz einen kostenrechtlich inakzeptablen „Nullwert“ nicht auszuschließen vermag. So bliebe der vom (Teil-)Anerkenntnisurteil erfasste Klagebetrag mangels abweichendem Sachantrags des Beklagten auch dann unberücksichtigt, wenn Zweifel an der Wirksamkeit seines Anerkenntnisses den Beklagten zur (vorsorglichen) Rechtsmitteleinlegung veranlasst haben, er dieses aber nach (interner) Prüfung vor Antragstellung und Begründung zurücknimmt. Es ist bleibt Aufgabe der Beklagten, durch rechtzeitige und eindeutige Rechtsmittelanträge klarzustellen, in welchem Umfang die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt wird.

2.125 Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4252.

D. Vergleich 2.126 Wird der anerkannte Teilanspruch, ohne dass ein Teilanerkenntnisurteil erlassen wurde, in einem sich anschließenden Vergleich abschließend mitgeregelt, soll er in den Vergleichswert aufgrund der Titulierung in voller Höhe miteinzubeziehen sein.5

2.127 Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn hat der Beklagte von Beginn an keinerlei Einwendungen gegen den anerkannten Teil der Klageforderung erhoben, liegt im Anerkenntnis kein gegen1 BGH, Beschl. v. 8.5.2013 – XII ZB 198/12, MDR 2013, 865; BGH, Urt. v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 545. 2 BGH, Beschl. v. 1.10.2003 – XII ZB 202/02, FamRZ 2003, 1922; BGH, Beschl. v. 15.1.1992 – XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513. 3 KG, Beschl. v. 23.3.2011 – 12 U 8/11, MDR 2011, 880; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.12.1981 – 16 UF 185/81, MDR 1982, 417; OLG Rostock, Beschl. v. 19.4.2004 – 7 U 206/03, OLGR 2005, 17. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2008 – 24 U 80/08, MDR 2008, 1244; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.39. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 28.8.1990 – 3 W 27/90, JurBüro 1990, 1619; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

2. Teil

ZPO

seitiges Nachgeben, durch das ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis behoben worden wäre.1 Zudem behält das (Teil-)Anerkenntnis – aufgrund seiner Bindungswirkung – auch ohne Erlass eines (Teil-)Anerkenntnisurteils seine Wirkung regelmäßig für den ganzen Prozess unabhängig davon, ob nachfolgend streitig verhandelt worden ist.2 Bei der Bestimmung des Vergleichswerts ist jedoch ein etwaiges Titulierungsinteresse zu berücksichtigen. Siehe hierzu unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5089.

Anerkennung ausländischer Titel Im Verfahren auf Anerkennung ausländischer Titel (vgl. § 328 ZPO) fallen für das Gericht sowohl im Antragsverfahren (Nr. 1510 bis 1512 KV GKG) als auch im Beschwerdeverfahren (Nr. 1520 KV GKG) Festgebühren an, so dass es einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf. Der Anwalt erhält im Antragsverfahren die (wertabhängigen) Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV RVG, so dass eine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG erfolgen muss. Maßgeblich für den nach den Vorschriften des GKG bzw. FamGKG zu bestimmenden Wert ist dann der Inhalt des ausländischen Titels.3 Dabei sind nach § 4 Abs. 1 ZPO und § 40 GKG4 Zinsen nicht zu berücksichtigen, wenn sie nach dem ausländischen Titel nur Nebenforderungen sind.5

2.128

Anfechtung Siehe die Stichwörter „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130 ff. „Gläubigeranfechtung“, Rz. 2.1940 ff., „Insolvenzverfahren“, Rz. 2.2330 ff. sowie „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a.

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Literatur: Saenger, Aktienrechtliche Anfechtungsklagen – Verfahrenseffizienz und Kosten, AG 2002, 536; Brandes, Die Rechtsprechung des BGH zur Aktiengesellschaft, WM 2000, 53; Günther, Zur Bestimmung des Streitwerts und des für die Zulässigkeit der Revision maßgeblichen Werts der Beschwer bei aktienrechtlichen Nichtigkeitsklagen und Anfechtungsklagen, EwiR 1995, 103; Happ/Pfeifer, Der Streitwert gesellschaftsrechtlicher Klagen und Gerichtsverfahren, ZGR 1991, 103. A. Aktiengesellschaft

B. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.157

I. Rechtsanwendungsgrundsätze . . . . . . . . 2.130

C. Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.164

II. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . 2.146

D. Gewerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.169

III. Streitwertspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.152

E. OHG und KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.170

1 Herget, Anm. zu OLG Bamberg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 58. 2 BGH, Urt. v. 17.3.1993 – XII ZR 256/91, MDR 1993, 1238. 3 Vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.12.2011 – 8 W 34/11, AGS 2012, 353 = NJW-RR 2012, 331 für ausländische Unterhaltstitel. 4 BGH, Beschl. v. 8.10.1956 – II ZR 305/55, WM 1956, 1506. 5 So auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117 hinsichtlich des Verfahrens auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für einen ausländischen Titel.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

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Stichwortübersicht Abberufung eines Geschäftsführers . . . . . . . 2.162 Aktienbesitz des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . 2.140 Anfechtung von Wahlhandlungen . . . . . . . . 2.168 Aufsichtsratsmitglied, Rücktritt, Wahl . . . . . 2.147 Auswirkungen der Nichtigerklärung . . . . . . 2.141 Bilanzsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.138, 2.146 Einsatz des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.153 Entlastung des Vorstandes . . . . . . . . . . . . 2.146 ff. Genossenschaft/-anteil . . . . . . . . . . . . . . . 2.164 ff. Geschäftsanteil des Beklagten, Einziehung . . 2.163 Geschäftsanteil des Genossen . . . . . . . . . . . . 2.166 Geschäftsanteil Komplementärin . . . . . . . . . 2.160 Gewerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.169 Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.148 GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.157 Größe der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.141 Grundkapital . . . . . . . . . 2.132, 2.141, 2.146, 2.158 Hauptversammlung, neue ~ . . . . . . . . . . . . . 2.141 Hilfsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.154 Interesse der Gesellschaft . . . . . . . . . . 2.137, 2.141 Interesse des Klägers . . . . . . . . . . . . . . 2.137, 2.140

Interessengegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalherabsetzung/-erhöhung . . . . . . . . . . Kurswert des Aktiengesetzes . . . . . . . . . . . . . Mehrzahl von – Anfechtungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . – Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Beschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwertermäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwertspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögen, Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . Verpflichtungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufige Streitwertfestsetzung . . . . . . . . . . Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . Zustimmung zur Klageerhebung . . . . . . . . .

2.139 2.146 2.149 2.146 2.142 2.144 2.143 2.138 2.154 2.132 2.161 2.156 2.152 2.153 2.136 2.167 2.139 2.147 2.138 2.151

A. Aktiengesellschaft I. Rechtsanwendungsgrundsätze 2.130 Mit § 247 AktG steht eine besondere Regelung zur Streitwertbemessung bei Anfechtungsklagen eines Aktionärs gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zur Verfügung. Diese gilt auch für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 251 Abs. 3 AktG), des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 254 Abs. 2 AktG), der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 255 Abs. 3 AktG) sowie der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 257 Abs. 2 AktG).

2.131 Gemäß § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt das Prozessgericht den Streitwert von Streitigkeiten zwischen Aktionären und der Aktiengesellschaft, mithin auch für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen.

2.132 Dieser sog. Regelstreitwert darf nach § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG ein Zehntel des Grundkapitals oder,

wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 t beträgt, 500.000 t nur überschreiten, wenn und soweit die Bedeutung der Sache für den Anfechtungskläger eine höhere Bewertung rechtfertigt. Der Umfang der Überschreitung hat sich an dem weitergehenden Interesse ausschließlich des Anfechtungsklägers zu orientieren. Anderenfalls liefe die mit der Wertgrenze bezweckte effektive Rechtskontrolle der Hauptversammlung ohne unverhältnismäßige Kostenrisiken leer.1

2.133 Sinngemäße Anwendung findet diese Regelung auf Klagen, mit der die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 249 Abs. 1 AktG), der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 250 Abs. 3 AktG), des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 253 Abs. 2 AktG) sowie des festgestellten Jahresabschlusses (§ 256 Abs. 7 AktG) geltend gemacht werden.2 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2019 – 6 AktG 1/18, ZIP 2019, 1570. 2 Vgl. zur weitergehenden Berücksichtigung auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2000 – 6 W 33/00, OLGR 2000, 472 = AG 2001, 267; LG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.1999 – 10 O 495/99, WM 2000, 528, AG 2000, 233.

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2. Teil

Anfechtungsklagen (§ 246 AktG) und Nichtigkeitsklagen (§ 249 AktG), nach zutreffender Ansicht beides Gestaltungsklagen,1 unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Fassung des Antrags und die berücksichtigungsfähigen Beschlussmängel (Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe):

2.134

ZPO

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

„… wird für nichtig erklärt“ oder „… wird festgestellt, dass … nichtig ist …“ Unabhängig von dem Antrag der Gestaltungsklage bleibt der Streitgegenstand auch bei einem Wechsel von der Anfechtungs- zur Nichtigkeitsklage und umgekehrt unverändert.2

2.135

Aktienrechtliche Anfechtungsklagen betreffen ebenso wie die Nichtigkeitsklagen immer dann vermögensrechtliche Ansprüche, wenn der Unternehmensgegenstand geschäftlicher Art ist.3

2.136

Bei der Streitwertbemessung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen des klagenden Aktionärs und der beklagten Gesellschaft und einer Fülle von einzelnen Bewertungsumständen4 ein konkreter Wert zu ermitteln. Bisherige Bemühungen der Rechtsprechung, die Streitwertbestimmung auf eine allgemein gültige Berechnungsmethode zurückzuführen, sind nicht überzeugend.5

2.137

Weder der Ansatz eines „Mittelwertes“, wonach der Wert des höheren Interesses der Gesellschaft durch die Zahl zu teilen ist, mit der der Wert des geringeren Interesses des Klägers multipliziert werden muss, um zu demselben Ergebnis zu gelangen,6 noch eine generelle Bemessung nach 1/1000 der Bilanzsumme der beklagten Aktiengesellschaft7 erfassen hinreichend die Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen. Dies insbesondere dann, wenn – wie häufig – mehrere Beschlüsse in einer Anfechtungsklage angegriffen werden, die dann jeweils selbständig zu beurteilen sind.8 Auch der Vorschlag, den Streitwert des Anfechtungsanspruchs auf 50 % des Leistungs- oder Schadensersatzanspruchs zu reduzieren, weil die Anfechtungsklage lediglich der erleichterten Durchführung der Leistungsklage diene,9 trägt nicht. Denn mit der Orientierung am Streitgegenstand der Leistungsklage wird in Einzelfällen das Interesse der Gesellschaft nicht erfasst. Bei der Bewertung ist aber stets die wirtschaftliche Bedeutung des Ausgangs des Rechtsstreits für beide Parteien zu berücksichtigen.10

2.138

Erforderlich ist vielmehr ein Interessenausgleich. Dazu sind die Interessen beider Parteien gegen- 2.139 einander abzuwägen.11 Die demnach zu Beginn des Rechtsstreits nur vorläufige Wertfestsetzung wird durch während des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse beeinflusst, soweit sich diese auf Umstände beziehen, die bereits bei Klageeinreichung (§ 40 GKG) vorlagen. Das Interesse des Anfechtungsklägers i.S.d. § 247 AktG bestimmt nach seinem wirtschaftlichen Interesse an der Nichtigerklärung des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses. Es wird begrenzt

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 II 2. Siehe Karsten Schmidt, JZ 1977, 669 ff. BGH, WPM 1982, 359. Beispielsweise Höhe des Aktienbesitzes des Klägers, Grundkapital der Gesellschaft, Bedeutung des Rechtsstreits für beide Parteien, wirtschaftliche Auswirkungen einer Nichtigerklärung usw.; vgl. E. Schneider, AG 1976, 20. Im Ergebnis, ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434. OLG Hamm, AG 1976, 19; LG Berlin, Beschl. v. 6.11.2000 – 99 O 83/99, AG 2001, 543 = DB 2001, 913. OLG München, BB 1962, 690. BGH, Beschl. v. 6.4.1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.2001 – 5 W 4/01, DB 2001, 2139 = AG 2002, 562; OLG München, AG 1962, 346. So OLG Frankfurt, WPM 1984, 655. OLG Hamburg, AG 1973, 279. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, JurBüro 1984, 918.

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2. Teil

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

durch den Wert seines Aktienbesitzes,1 ohne mit diesem notwendigerweise übereinzustimmen. Häufig hat die Beschlussfassung keinen (unmittelbaren) Einfluss auf den Wert der Beteiligung selbst, etwa wenn mit der Beanstandung einer Kapitalerhöhung die Sperrminorität des derzeitigen Anteils am Grundkapitals erhalten werden soll.2

2.141 Neben dem Klägerinteresse ist sodann das Interesse der beklagten Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen.3 Es ist in der Regel deutlich höher als das Klägerinteresse und auch maßgebend für die Rechtsmittelbeschwer.4 Wesentlich für die Interessenbezifferung sind die Größe der Gesellschaft und ihr Grundkapital,5 desgleichen die Auswirkungen der Nichtigerklärung auf die finanzielle Situation der Gesellschaft, hierzu zählen die Kosten der Vorbereitung einer neuen Hauptversammlung.6 Sind konkrete wirtschaftliche Auswirkungen nicht dargetan, ist nur ein „Lästigkeitswert“ des klägerischen Begehrens mit höchstens 10 % des Stammkapitals in Ansatz zu bringen.7

2.142 Für die Bewertung kommt es aber nur auf den Inhalt und den Gegenstand des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses an, nicht auf die Art oder eine Mehrzahl von Anfechtungsgründen.8

2.143 Werden mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung angegriffen, ist jeder Beschluss stets gesondert zu bewerten.9

2.144 Klagen mehrere Aktionäre mit unterschiedlichem Aktienbesitz innerhalb eines Verfahrens gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss, sind die Streitwerte der einzelnen Klage regelmäßig nicht identisch. Der Gesamtstreitwert für die Gerichtskosten richtet sich nach dem höchsten Einzelstreitwert, für die außergerichtlichen Kosten nach der Höhe des jeweiligen Aktienbesitzes.10 In verschiedenen Verfahren geführte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind bis zu einer Verbindung der Prozesse gem. § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG gebührenrechtlich selbständig. Die nach den jeweiligen Einzelwerten angefallenen Gerichtskosten werden durch die Verbindung nicht berührt.11

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, JurBüro 1984, 918; OLG Hamburg, Beschl. v. 5.1.2011 – 2 W 125/10, MDR 2011, 628; OLG München, BB 1962, 690; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, WPM 1984, 655, jedoch mit der Einschränkung „zumindest im vorliegenden Fall“. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2019 – 6 AktG 1/18, ZIP 2019, 1570; OLG Hamm, Beschl. v. 6.6.2011 – 8 AktG 2/11, AG 2011, 826. 3 BGH, Beschl. v. 10.11.2020 – II ZR 243/19; BGH, Beschl. v. 28.9.1981 – II ZR 88/81, MDR 1982, 209 = ZIP 1981, 1335 = JurBüro 1982, 66; BGH, Beschl. v. 6.4.1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122; OLG Neustadt, JurBüro 1960, 401. 4 BGH, Beschl. v. 28.9.1981 – II ZR 88/81, MDR 1982, 209 = ZIP 1981, 1335 = JurBüro 1982, 66. 5 OLG Hamburg, AG 1973, 279; LG Dortmund, AG 1968, 390, 392. 6 OLG Hamburg, AG 1964, 160; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/3, JurBüro 1984, 918; LG Bonn, AG 1968, 25. 7 BGH, Beschl. v. 10.11.2020 – II ZR 243/19; BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438. 8 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, AG 1994, 469 = ZIP 1994, 1355 = NJW-RR 1995, 225 = EWiR § 546 ZPO 1/95, 103. 9 BGH, Beschl. v. 6.4.1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370; OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.2.2015 – 2 U 143/12, NZG 2015, 1323 – GmbH; OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13, AG 2104, 866; OLG Stuttgart v. 23.1.2002 – 20 U 54/01, AG 2003, 165 = NZG 2003, 1170. 10 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251 = AG 2002, 296 = NZG 2001, 522. 11 BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 12/12, MDR 2013, 1008 = NJW 2013, 2824; OLG Hamburg, Beschl. v. 25.11.2010 – 4 W 269/10.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

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2. Teil

2.145

ZPO

Der nach § 247 Abs. 1 AktG ermittelte Streitwert ist zugleich Grundlage für die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Beschwer.1

II. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Richtet sich die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse über die Entlastung des Vorstands und die Feststellung des Jahresabschlusses, ist der Streitwert nach den gesamten im Einzelfall gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Beschlüsse festzusetzen.2

2.146

Auszugehen ist gem. § 3 ZPO vom Interesse des Aktionärs am Wegfall der Entlastung und des festgestellten Jahresabschlusses, begrenzt durch den Kurswert seines Aktienbesitzes. Weil dieser Wert mit Rücksicht auf die Urteilswirkung für und gegen alle Aktionäre sowie Vorstand und Aufsichtsrat der Bedeutung der Sache nicht gerecht würde, gebietet § 247 AktG neben dem Umfang des klägerischen Aktienbesitzes die Berücksichtigung des Interesses der Aktiengesellschaft.3 In die Bewertung einzubeziehen sind daher das Grundkapital, die Bilanzsumme und die mit dem Wegfall der Entlastung verbundene Schmälerung des Ansehens.4 Kommt dem Entlastungsbeschluss nur eine geringe Bedeutung zu, kann der Streitwert für die Anfechtung des Beschlusses auf 5.000 t beziffert werden.5 Richtet sich die Klage gegen die Feststellung mehrerer Jahresabschlüsse, dann sind die Beschluss- 2.146a gegenstände einzeln zu bewerten und die Beträge gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.6 Dagegen scheidet eine Addition der gegen die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung regelnden Beschlusses wegen wirtschaftlicher Identität aus.7 Der Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 AktG ist nach § 36 GNotKG – und damit im Regelfall – mit 5.000 t zu bewerten.8

2.146b

Der Streitwert bei einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG betreffend den Rücktritt eines Aufsichtsratsmitgliedes ist unter Berücksichtigung der Jahresvergütung mit 2.000 DM und betreffend die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds mit 10.000 DM bewertet worden.9

2.147

Bei einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Zuführung des ausgewiesenen Gewinns in eine Rücklage an Stelle der Ausschüttung ist der Streitwert mit einem Betrag anzusetzen, der zwischen der erstrebten Dividendenausschüttung und dem Reingewinn liegt.10 Der

2.148

1 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, GmbHR 1995, 302 = AG 1994, 469; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, OLGR 2008, 320 = NZG 2008, 155; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.1.2004 – 20 U 3/03, OLGR 2004, 160 = AG 2004, 271. 2 BGH, Beschl. v. 6.4.1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370 – Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.11.2012 – 14 U 39/12, GmbHR 2013, 472; OLG München, BB 1962, 690; KG, Rpfleger 1962, 154. 4 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, AG 1999, 376 = NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, AG 1995, 237 = WM 1995, 620. 5 OLG Stuttgart v. 23.1.2002 – 20 U 54/01, AG 2003, 165 = NZG 2003, 1170; OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13: 3.000 t; vgl. auch KG, JurBüro 1967, 686. 6 OLG München, Beschl. v. 7.1.2008 – 7 U 3773/07, AG 2008, 509 = WM 2008, 876; OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.11.2012 – 14 U 39/12, GmbHR 2013, 472. 8 OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13. 9 OLG Koblenz, JurBüro 1955, 75. 10 LG Mannheim, BB 1954, 755.

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2. Teil

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

ZPO

Streit über die Verabschiedung eines Betriebsfortführungskonzeptes kann aus Sicht der Gesellschaft mit dem Interesse an der Erlangung weiterer Kreditmittel bewertet werden.1

2.149 Die Bewertung einer Nichtigkeitsklage, deren Erfolg zugunsten der klagenden Kleinaktionäre keine un-

mittelbaren positiven wirtschaftlichen Auswirkungen hat, sollte nicht über 100.000 DM (51.129,19 t) liegen – hier Angriff gegen Kapitalherabsetzung und anschließende Barkapitalerhöhung zwecks Sanierung einer Gesellschaft unter Bezugsrechtausschluss.2

2.150 Bei einer Anfechtungsklage gegen die Zustimmung der Hauptversammlung einer AG zum Verkauf von Anteilen an einer anderen Gesellschaft ist gem. § 247 AktG nicht grundsätzlich das höhere Interesse der beklagten Gesellschaft, sondern eine wertende Ermittlung einer Zwischengröße für die Bewertung maßgeblich. Ausgangspunkt ist nach Ansicht des OLG Frankfurt das geringwertigere, unter Berücksichtigung des Aspekts der Rechtssicherheit anzuhebende Interesse des Aktionärs.3

2.151 Der Streitwert einer Klage auf Zustimmung des Ehegatten zur Erhebung der Anfechtungsklage bei gemeinschaftlicher Verwaltung von zum Gesamtgut gehörenden GmbH-Anteilen entspricht dem Bruchteil (1/5) des Verkehrswertes des Geschäftsanteils des Klägers.4

III. Streitwertspaltung 2.152 Ist nach dem glaubhaften Vorbringen einer Partei zu besorgen, dass die Belastung mit den nach dem Regelstreitwert (§ 247 Abs. 1 AktG) berechneten Kosten des Rechtsstreits ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährdet, so kann das Prozessgericht gem. § 247 Abs. 2 und 3 AktG auf Antrag der Partei anordnen, dass ihre Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung von Gerichtskosten und außergerichtlicher Kosten (auch des Gegners) sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. § 247 Abs. 2 AktG ermöglicht dem Gericht damit die Festsetzung eines – bezogen auf die Parteien – gespaltenen und für eine Seite ermäßigten Streitwertes.5

2.153 Zur Prüfung, ob die gebührenrechtlichen Folgen des Regelstreitwertes zu einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei – in der Regel des Anfechtungsklägers – führen, ist zunächst der Regelstreitwert gem. § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG zu bestimmen. Danach sind auf Grundlage des festzusetzenden Regelstreitwertes die Prozesskosten zu ermitteln,6 die dem Anfechtungskläger im Falle des vollständigen Unterliegens (§ 91 ZPO) aufzuerlegen wären. Von einer ernstlichen Vermögensgefährdung ist auszugehen, wenn ein „vernünftiger Aktionär“ ohne eine Streitwertspaltung von einer gerichtlichen Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde, weil die Beeinträchtigung seiner Einkünfte und seines Vermögens aus seiner Sicht in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem verfolgten Klageziel steht. Erst dann ist der Regelstreitwert so weit herabzusetzen, dass der Kläger nicht ruiniert wird. Der teilweise Einsatz seines Vermögens wird ihm allerdings zugemutet.7

2.154 Es geht dabei auch nicht um die Berücksichtigung einer „Hilfsbedürftigkeit“ i.S.d. §§ 114, 115 ZPO, da die Festsetzung eines ermäßigten Streitwertes zugunsten des Anfechtungsklägers nicht den Zweck hat, die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu ersetzen.8

1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Bremen v. 5.1.2011 – 2 W 125/10, NZG 2011, 312 = MDR 2011, 628 (Ls.). OLG Frankfurt v. 6.10.2004 – 25 W 44/02, AG 2005, 122. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.2001 – 5 W 4/01, AG 2002, 562 = DB 2001, 2139. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.1.2002 – 5 W 362/01 – 113, FamRZ 2002, 1034 = FuR 2002, 572 = FÜR 2002, 189. Siehe dazu ausführlich bei dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1828 ff. OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 347. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 W 18/83, WM 1984, 1470 = KostRsp. AktG § 247 Nr. 11 m. Anm. Schneider: Kostenbelastung in Höhe der Hälfte (!) des Vermögens des Anfechtungsklägers. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, WM 1984, 655.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

2. Teil

Der Antrag auf Ermäßigung kann zurückgewiesen werden, wenn ohne weiteres, d.h. ohne Verzögerung 2.155 des Rechtsstreits, festgestellt werden kann, dass die Klage rechtsmissbräuchlich, völlig mutwillig oder aussichtslos ist.1 Wird dem – auch noch in der Berufungsinstanz möglichen2 – Antrag dagegen stattgegeben, besteht die Ermäßigung in einem Bruchteil des wirklichen Streitwerts.3 Hierbei wirkt die Streitwertermäßigung – den allgemeinen Regeln folgend – nur innerhalb der Instanz.4

2.156

B. GmbH Für das Recht der GmbH sollte ausweislich des § 197 RegE 1971 eine dem § 247 AktG entsprechende Vorschrift geschaffen werden. Nachdem eine Aufnahme in das GmbHG ausblieb, ist die aktienrechtliche Regelung nach allgemeiner Auffassung für die GmbH-rechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage analog anzuwenden.5

2.157

Umstritten ist dagegen, ob auch die Streitwertbegrenzung in § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechende 2.158 Anwendung findet, wonach der Regelstreitwert des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG auf 1/10 des Grundkapitals, höchstens aber 500.000 t begrenzt ist, wenn nicht eine höher zu bewertende Bedeutung für den Anfechtungskläger gegeben ist. Von der überwiegenden Ansicht wird dies mit Hinweis darauf verneint, dass der Ansatz, kleine Aktionäre großer Gesellschaften vor unverhältnismäßig hohen Streitwerten zu schützen, sich nicht auf die GmbH übertragen lasse.6 Dem ist jedenfalls seit der Einführung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) zuzustimmen.7 Für den Wert des Geschäftsanteils ist maßgeblich auf den Verkehrswert der Gesellschaftsanteile abzustellen. Bei einer Schätzung auf Grundlage des Buchwertes ist – wenn möglich – der Umfang der stillen Reserven aufzuklären.8 Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann von einem Abfindungsguthaben auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile geschlossen werden.9

1 BGH, Beschl. v. 4.7.1991 – II ZR 249/90, MDR 1992, 355 = AG 1992, 59 = BB 1991, 1656 = NJW-RR 1992, 484; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.12.1993 – 6 U 2/93, WM 1994, 337; OLG Frankfurt, OLGZ 90, 351; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1992 – 8 W 28/92, AG 1993, 470 = WPM 1993, 1283. 2 OLG Frankfurt v. 28.8.1984 – 5 U 110/83, BB 1985, 1360. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, JurBüro 1984, 918. 4 BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, MDR 1993, 184 = JurBüro 1993, 551; zustimmend Lappe, NJW 1994, 1189; a.A. noch OLG Frankfurt v. 28.8.1984 – 5 U 110/83, BB 1985, 1360; OLG Hamburg, AG 1973, 279. 5 BGH, Beschl. v. 10.11.2020 – II ZR 243/19; BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438; BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823; OLG Köln, Urt. v. 24.5.2018 – 18 U 36717, MDR 2018, 947OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.2.2015 – 2 U 143/12, NZG 2015, 1323. 6 BGH v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NZG 1999, 999 = NJW-RR 1999, 1485; OLG Frankfurt, GmbHR 1995, 300; OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 300; OLG Saarbrücken, Beschl. 4.1.2013 – 4 W 338/12, ZIP 2013, 999 = NZG 2013, 341; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.12.2013 – 20 U 5/13; Scholz/Karsten Schmidt, § 45 GmbHG Rz. 153; a.A. OLG Bremen, Beschl. v. 5.1.2011 – 2 W 125/10, MDR 2011, 628 = NZG 2011, 312 für die Publikums-KG; ohne Auseinandersetzung mit dem Streitstand OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.2.2015 – 2 U 143/12, NZG 2015, 1323; Happ/Pfeifer, ZGR 1991, 103, 120; offen lassend BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438; OLG Köln, Urt. v. 24.5.2018 – 18 U 36/17, MDR 2018, 947. 7 OLG Dresden, Urt. v. 28.5.2020 – 8 U 2611/19, MDR 2020, 935. 8 OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97. 9 OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267.

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2. Teil

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

ZPO

2.160 Dass die Gesellschaft als Komplementärin einer wirtschaftlich erfolgreichen Kommanditgesellschaft ist, hat nur Einfluss auf den Wert ihrer Anteile, wenn sie am Vermögen der Kommanditgesellschaft beteiligt ist.1

2.161 Geht es bei der Nichtigkeitsklage gegen einen GmbH-Beschluss wirtschaftlich nur um das Stimmrecht, dann ist der Streitwert geringer als der volle Anteil des Gesellschafters am Stammkapital anzusetzen.2

2.162 Gemäß § 3 ZPO und nicht nach § 247 AktG ist die Anfechtungsklage zu bewerten, die sich gegen einen Gesellschafterbeschluss richtet, durch den ein Geschäftsführer abberufen wird. Die Beschwer bestimmt sich nach § 9 ZPO und die Gebühren nach § 42 Abs. 2 GKG (§ 42 Abs. 3 GKG a.F.).3 Siehe näher dazu die Stichwörter „Gesellschaft“, Rz. 2.1768 und „Organe, Organmitglieder“, Rz. 2.3809 ff.

2.163 Die Beschwer des Beklagten bei Stattgabe einer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils richtet sich nach dem Interesse an der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses und damit grundsätzlich nach dem betroffenen Geschäftsanteil. Eine streitgenössische Nebenintervention unterstützender Gesellschafter rechtfertigt aufgrund wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände keine Wertaddition.4

C. Genossenschaft 2.164 Über die entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 1 AktG auf die Anfechtung genossenschaftlicher Beschlüsse besteht kein Streit. Auch hier ist nicht nur das Interesse des Klägers streitwertbestimmend, sondern es ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien zu berücksichtigen.5

2.165 Insgesamt ist der Streitwert nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO zu schätzen. Dabei sind die gesamten Verhältnisse des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Interesses der Genossenschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen.6

2.166 Die Höhe des Geschäftsanteils eines anfechtenden Genossen begrenzt den Streitwert der gem. § 51 GenG erhobenen Anfechtungsklage nicht.7

2.167 Der mit der Anfechtungsklage verbundene zusätzliche Antrag auf Feststellung, dass der jeweilige Leiter der Generalversammlung verpflichtet sei, einen näher bezeichneten Antrag zur Abstimmung vorzulegen, ist vom OLG Bamberg8 als nichtvermögensrechtliche Angelegenheit angesehen worden.

1 BGH, Beschl. v. 10.11.2020 – II ZR 243/19. 2 OLG Frankfurt, GmbHR 1956, 92. 3 BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, MDR 2009, 815; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJWRR 1995, 1502; OLG Frankfurt, NJW 1968, 2112 = JurBüro 1968, 829: § 247 AktG unanwendbar; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416; OLG Jena, Urt. v. 8.1.2014 – 2 U 627/13, GmbHR 2014, 706 = NZG 2014, 391. 4 BGH v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, MDR 2009, 815; BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, GmbHR 2001, 576 = MDR 2001, 1006 = NJW 2001, 2638. 5 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131; OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.6.2006 – 8 U 86/05, OLGR 2007, 750. 6 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Oldenburg, NJW 1953, 1716. 7 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.4.1951 – 6 W 22/51, JurBüro 1951, 303. 8 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 759.

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2. Teil

Der Streitwert für die Anfechtung von Wahlhandlungen zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft bemisst das OLG Schleswig1 im Hinblick auf die gegenüber den Wahlen zum Vorstand oder Aufsichtsrat geringere Bedeutung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Beteiligung des Klägers (Genossenschaftsanteile im Nominalwert von 1.000 t) und dem Interesse der Gesellschaft an der Vermeidung einer Wiederholung der Wahl auf 15.000 t.

2.168

ZPO

Angebot der Gegenleistung

D. Gewerk Die Anfechtungsklage eines Gewerken gegen den Beschluss einer Gewerkenversammlung ist ebenfalls analog § 247 Abs. 1 AktG zu bewerten.2

2.169

E. OHG und KG Auf die OHG und die KG ist § 247 AktG nicht anzuwenden, da es an einer zur GmbH, der Genossenschaft und der bergrechtlichen Gewerkschaft gleichartigen Ausgangslage fehlt. Dort lässt sich die Analogie damit begründen, dass von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen eines einzelnen Klägers auch ein höher zu bewertendes Interesse der juristischen Person an der Aufrechterhaltung des Beschlusses betroffen wird. Diese Voraussetzungen sind bei der OHG und der KG in der Regel nicht gegeben.3 Bei der auf eine Vielzahl von Anlegern mit im Verhältnis zum Gesamtkapital geringfügigen Einlagen ausgelegten Publikums-KG ist die Situation dagegen der einer Aktiengesellschaft ähnlich und rechtfertigt auch hier eine entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 1 AktG.4

2.170

Angebot der Gegenleistung Der Streitwert der Klageforderung wird nicht dadurch gemindert, dass der Kläger im Klageantrag die dem Beklagten geschuldete Gegenleistung anbietet, selbst wenn diese ebenso wie die Klageforderung auf Zahlung von Geld gerichtet ist.5 Etwas anderes gilt nur, wenn der Kläger selbst die Gegenforderung, etwa durch Aufrechnung, von der Klageforderung absetzt.6

2.171

Eine Saldierung ist dagegen geboten, wenn der Kläger eine von ihm geschuldete Vorteilsausgleichung 2.172 trotz Gleichartigkeit der von ihm zu erbringenden Leistung nicht vom Klagebetrag abzieht, sondern als Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung anbietet, also z.B. Zahlung von Schadensersatz Zugum-Zug gegen Zahlung einer bezifferten oder nach dem Klagevorbringen zumindest bezifferbaren7 Nutzungsentschädigung anbietet.8

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131. 2 BGH, Warneyer 1969 Nr. 277 = MDR 1970, 218 = Rpfleger 1970, 18. 3 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, AG 2003, 318 = NZG 2002, 518 = NJW-RR 2002, 823 – betr. Streit zwischen den Gesellschaftern einer zweigliedrigen KG; abweichend BGH, Beschl. v. 21.6.2011 – II ZR 22/10, NZG 2011, 997 = AG 2011, 823. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 5.1.2011 – 2 W 125/10, NZG 2011, 312 = MDR 2011, 628 (LS) Streit über Betriebsfortführungskonzept; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.2013 – 4 W 338/12, NZG 2013, 341 = ZIP 2013, 999. 5 BGH, Beschl. v. 13.2.209 – V ZR 68/17 betr. Rückabwicklung Kaufvertrag. 6 LG Münster, JMBl.NW 1951, 10. 7 Also nicht bei einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung, zutr. Insoweit OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.9.2020 – 2 W 23/20, JurBüro 2020, 597. 8 BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.3.2020 – 17 U 122/19; OLG Koblenz, Urt. v. 30.6.2020 – 3 U 1869/19; OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2021 – 7 W 40/20, NJW-Spezial

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2. Teil

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Anlageberatung

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2.173 Siehe auch die Stichwörter „Leistungsklage“, Rz. 2.2831 ff., und „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff.

Anlageberatung A. Allgemeines 2.174 Der vom bloßen Auskunftsvertrag abzugrenzende Anlageberatungsvertrag verpflichtet den Berater zur anleger- und anlagegerechten Beratung. Im Falle einer inhaltlich unzureichenden oder unzutreffenden Beratung ist der Berater gem. § 280 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Das Klagebegehren des geschädigten Anlegers ist dann regelmäßig auf Rückabwicklung der infolge der Beratung geschlossenen Beteiligung sowie weiteren Schadensersatz gerichtet, insbesondere wenn diese zwischenzeitlich einen Wertverlust erlitten hat oder die Fondsgesellschaft in Insolvenz geraten ist.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.175 Der Streitwert für die sachliche Zuständigkeit und die Gebühren bestimmt sich regelmäßig nach § 48 GKG, §§ 3 ff. ZPO. Maßgeblich ist das klägerische Interesse, wie es im Antrag seinen Ausdruck findet. Regelmäßig können folgende Klagebegehren unterschieden werden:

I. Rückabwicklung der Vermögensanlage 2.176 Da der durch die fehlerhafte Beratung ausgelöste Schaden nach der Rechtsprechung des BGH bereits im Abschluss des Beteiligungsvertrages liegt, ist die schadensrechtliche Naturalrestitution regelmäßig auf Rückabwicklung der Anlage gerichtet. Der Anlageberater schuldet dem Anleger die Rückzahlung des Anlagebetrages einschließlich eines etwaig gezahlten Agios und den Kosten einer Fremdfinanzierung. Auf den so errechneten Zahlbetrag sind etwaige Ausschüttungen im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Die Bewertung der Leistungsklage folgt den allgemeinen Regeln, daher ist auch die Zug um Zug anzubietende Rückübertragung der Rechte an der Beteiligung streitwertrechtlich unerheblich.1

2.177 Hat der Anleger den Erwerb der Beteiligung finanziert (sog. verbundenes Geschäft) und begehrt (infolge des Widerrufs seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung) die Rückabwicklung des Darlehensvertrages Zug um Zug gegen Abtretung seiner Fondsbeteiligung, dann bemisst sich der Streitwert nach dem Nettodarlehensbetrag.2

II. Feststellung des Annahmeverzuges mit der Rücknahme der Beteiligung 2.178 Die allgemeinen Regeln gelten auch für die Bewertung des wegen § 756 ZPO (Voraussetzungen der Zug um Zug Vollstreckung) zulässigen Feststellungsbegehren. Dessen Streitwert bemisst sich regelmäßig nach den ersparten Kosten eines Vollstreckungsangebotes (s. hierzu ausführlich das Stichwort „Feststellungsklage“.). Da es allein der erleichterten Durchsetzung des Rückabwicklungsverlangens

2021, 188; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.11.2014 – 12 W 40/14; OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15, SchlHA 2015, 331. 1 BGH, Beschl. v. 29.1.2015 – III ZR 114/14. 2 BGH, Beschl. v. 7.4.2015 – XI ZR 121/14.

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Anlageberatung

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2. Teil

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dient, ist das Feststellungsbegehren wirtschaftlich betrachtet auf denselben Gegenstand gerichtet und rechtfertigt neben dem Rückabwicklungsbegehren keine Werterhöhung.1

III. Freistellung von Folgeschäden Regelmäßig verlangt der geschädigte Anleger von seinem Berater neben der Rückabwicklung, dass dieser ihn von künftigen Folgeschäden freistellt. Hierzu zählt zunächst der Fall, dass der Anleger als Kommanditist auf Rückzahlung der Ausschüttungen gem. § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen wird. Angesichts der Ungewissheit, ob eine Rückforderung droht, finden sich unterschiedliche Bewertungen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird regelmäßig eine auf den Anlagebetrag bezogene Bruchteilsbewertung vorgenommen, wobei sich die Höhe des Bruchteils am Risiko der Inanspruchnahme orientiert.2

2.179

Dem ist nicht zuzustimmen. Der Wert des Feststellungsbegehrens bestimmt sich (hier) nach dem Leistungsinteresse des Klägers und nicht nach der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. So kommt es auch für die Bewertung des auf Feststellung des Annahmeverzuges gerichteten Antrags nicht darauf an, wie wahrscheinlich eine spätere Zwangsvollstreckung ist. Mit dem BGH ist daher auf die Ausschüttungen in voller Höhe, im Einzelfall begrenzt durch eine etwaig vertraglich vereinbarte Haftsumme des Kommanditisten, abzustellen und hiervon der übliche Feststellungsabschlag von 20 % vorzunehmen.3

2.180

Beruht das Feststellungsbegehren auf dem Risiko steuerlicher Nachteile für den Anleger, dann sind diese überschlägig zu ermitteln und nach vorstehender Maßgabe zu bewerten.4 Ist eine Bezifferung der nachteiligen steuerlichen Folgen im Einzelfall nicht (sicher) möglich, kann 1/10 der Anlagesumme ohne Agio angesetzt werden.5

2.181

IV. Entgangener Gewinn als Schaden Verlangt der Anleger neben der Rückabwicklung zugleich eine Verzinsung seines Anlagebetrages mit 2.182 dem Argument, dass er diesen ohne die fehlerhafte Beratung anderweitig gewinnbringend angelegt hätte, rechtfertigt das keine Werterhöhung. Dies unabhängig davon, ob der entgangene Gewinn als errechneter Betrag, ggf. sogar im Gesamtschadensbetrag enthalten, oder als bloßer Zinsantrag geltend gemacht wird. In allen Fällen handelt es sich um eine für den Streitwert nicht relevante Nebenforderung i.S.v. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 43 GKG.6

V. Herausgabe vereinnahmter Provisionen oder Rückvergütungen Höchstrichterlich noch ungeklärt ist die Frage, ob der getäuschte Anleger von dem Berater die Herausgabe der von diesem aufgrund der Vermittlung der Kapitalanlage vereinnahmten Provisionen oder

1 BGH, Beschl. v. 18.1.2018 – III ZR 537/16 – Nebenforderung; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185; BGH v. 6.7.2010 – XI ZB 40/09, MDR 2010, 1087 = NJW-RR 2010, 1295. 2 OLG Celle, Urt. v. 25.10.2018 – 11 U 153/16: 50 % der Anlagesumme; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.2.2016 – 19 U 217/15: 20 % der Anlagesumme. 3 BGH, Beschl. v. 18.1.2018 – III ZR 537/16; BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – III ZR 615/16. 4 BGH, Beschl. v. 29.1.2015 – III ZR 41/14: 500 t. 5 BGH, Beschl. v. 6.12.2016 – XI ZR 242/16: 1.500 t (= 10 % der Anlagesumme ohne Agio). 6 BGH, Beschl. v. 18.1.2018 – III ZR 537/16; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; BGH, Beschl. v. 6.12.2016 – XI ZR 242/16; ausf. BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185; ebenso OLG Celle, Urt. v. 25.10.2018 – 11 U 153/16; OLG Köln, Urt. v. 1.2.2017 – 13 U 124/15; ausf. OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.11.2016 – 3 W 21/16, AGS 2017, 131.

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2. Teil

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Anmeldung zum Handelsregister

Rückvergütungen beanspruchen kann.1 Schadensersatzrechtlich käme allerdings nur eine – zur Rückabwicklung – alternative Geltendmachung in Betracht. Wird die Herausgabe von Provisionen oder Rückvergütungen zusätzlich zur Rückabwicklung verlangt, kommt eine Werterhöhung nicht in Betracht. Da die Ansprüche nur alternativ verlangt werden können, sind diese wirtschaftlich identisch. Wertbestimmend ist der höhere Einzelanspruch und damit regelmäßig das Rückabwicklungsverlangen.2

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.184 Bei der Ermittlung der Beschwer sind die Forderungen mehrerer Beschwerdeführer (Anleger) gegen eine Fondsgesellschaft bzw. Bank mit jeweils unter 20.000 t liegenden Forderungen grundsätzlich zu addieren, § 5 ZPO.3

2.185 Beratungspflichtverletzungen, die einen Bezug zu einer veröffentlichen Kapitalmarktinformation haben, Gegenstand eines Musterverfahrens sind und den Ausgang des Rechtsstreits beeinflussen, zwingen zur Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 8 Abs. 1 KapMuG. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Aussetzung unterliegt der Beschwerde und bei entsprechender Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Streitwert bemisst sich gem. § 3 ZPO nach 1/5 des Wertes des Rechtsstreits (s. auch das Stichwort „Aussetzung“).4

Anmeldung zum Handelsregister A. Bewertungsgrundsätze 2.186 Bei der Klage auf Mitwirkung der Anmeldung zum Handelsregister, beispielsweise auf Verurteilung des Beklagten, eine Eintragung im Handelsregister anzumelden, handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu schätzen;5 maßgebend ist das Interesse des Klägers daran, dass die jeweiligen Eintragungen vollzogen werden.6 In der Regel wird dabei ein Bruchteil i.H.v. 1/10 bis 1/4 des Anteils des klagenden Gesellschafters angesetzt.7 Gleiches gilt für die auch praxisrelevanten Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen z.B. über die Einziehung eines Geschäftsanteils oder über die Abberufung als Geschäftsführer.

2.187 Immer kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalles an, etwa darauf, ob die anzumeldende Tatsache zwischen den Parteien streitig ist oder nicht, ob es sich lediglich um eine förmliche Registerbereinigung handelt oder um eine gewichtige, die Rechtsstellung eines Gesellschafters grundsätzlich betreffende Eintragung.8 Deshalb darf nie unter Übergehen der Einzelheiten mit einem „Regel-Bruchteil“ bewertet werden.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Offengelassen in BGH, Beschl. v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 = MDR 2014, 413. BGH, Beschl. v. 5.6.2018 – XI ZR 364/17. BGH, Beschl. v. 23.7.2015 – XI ZR 263/14, MDR 2015, 1149. BGH, Beschl. v. 30.4.2019 – XI ZB 13/18, MDR 2019, 1335. Allg. Meinung, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.10.2012 – 14 U 19/12, NotBZ 2013, 281–287. Vgl. etwa OLG Köln, DB 1971, 1055. Siehe OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1884 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 856. BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, JurBüro 1979, 977 = Rpfleger 1979, 194. BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87.

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Anmeldung zum Handelsregister

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2. Teil

Der Streitwert einer Klage gegen einen ausgeschiedenen Kommanditisten einer KG, die zu seiner Löschung im Handelsregister erforderlichen Erklärungen abzugeben, ist nicht gleichzusetzen mit der Höhe der eingetragenen Kommanditeinlage.1

2.188

Ebenso liegt es, wenn nur eine deklaratorisch bedeutsame Eintragung (als persönlich haftender Ge- 2.189 sellschafter) erstrebt wird. Für den Antrag, den Beklagten zur Mitwirkung bei der Löschung seiner Eintragung als Gesellschafter 2.190 im Handelsregister zu verurteilen, ist neben dem Streitwert der Klage auf Feststellung des Ausgeschiedenseins kein gesonderter Wert festzusetzen, weil dieser Antrag neben dem Feststellungsantrag keine selbständige Bedeutung hat.2 Die Klage auf Verurteilung, die Änderung einer gemeinsamen Firma zum Handelsregister anzumelden, ist vom OLG Bamberg3 mit 1/10 des Werts des Gesellschaftsanteils des Klägers beziffert worden.

2.191

Geht es um die Eintragung als Kommanditist, dann ist nicht vom Buchwert oder steuerlichen Wert des Anteils auszugehen, sondern von dem wirklichen Wert des Kommanditanteils unter Berücksichtigung stiller Reserven. Der so gefundene Wert ist jedoch nur mit einem Bruchteil anzunehmen, weil mit der Klage auf Anmeldung zum Handelsregister keine rechtskräftige Entscheidung über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft herbeigeführt werden kann.4 Streiten die Parteien insoweit um die materielle Berechtigung, kann der Streitwert im Einzelfall auf das Fünffache des Nennwerts begrenzt werden und die Ansetzung eines Viertels dieses Werts angemessen sein.5

2.192

Ist das Ausscheiden eines Kommanditisten aus einer KG unstreitig und klagt der persönlich haftende Gesellschafter deshalb nur auf Verurteilung zur Mitwirkung der Anmeldung zum Handelsregister, dann ist das Interesse des Klägers an der Offenlegung des wirklichen Beteiligungsverhältnisses nach außen wertbestimmend. Dieses Interesse ist gering zu bewerten; im Regelfall ist ein Ansatz i.H.v. 1/10 der Einlage angemessen.6 Es ist höher anzusetzen, wenn der Gegner auf seiner Gesellschafterstellung beharrt).

2.193

Der Antrag auf Verurteilung des Beklagten, im Handelsregister die Eintragung einer bestimmten Person als Gesamtprokurist neben einem persönlich haftenden Gesellschafter zu beantragen, ist vom OLG Köln7 mit 1/10 des Wertes des Gesellschaftsanteils des Klägers bemessen worden.

2.194

Hat ein Kommanditist sich mit einer Einlage von seinerzeit 40.000 DM an einer zum Betrieb einer 2.195 Apotheke errichteten Kommanditgesellschaft beteiligt und außerdem der Gesellschaft ein Darlehen von 80.000 DM gewährt und hat die Gesellschaft bereits vor Eintragung in das Handelsregister ihre Geschäfte begonnen, so ist für eine Klage des Kommanditisten gegen den persönlich haftenden Gesellschafter auf Mitwirkung bei der Anmeldung der Kommanditgesellschaft zum Handelsregister der Betrag von 10.000 DM als angemessener Streitwert angenommen worden.8 Auch bei einem Streit darüber, ob ein Kommanditist ausgeschieden ist, kann dessen Einlage nicht als maßgebend angesehen werden. Die Verurteilung, das Ausscheiden eines Gesellschafters zum Han1 2 3 4 5

OLG Koblenz, Beschl. v. 21.9.1953 – 5 W 478/53, Rpfleger 1956, 147. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 7.8.1964 – 11 S 110/63, JurBüro 1964, 829. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1984 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 756. BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87. BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, Rpfleger 1979, 194 = MDR 1979, 736; BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IV a ZR 84/87; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.10.2012 – 14 U 19/12, NotBZ 2013, 281–287. 6 OLG Köln, DB 1971, 1055. 7 OLG Köln, Beschl. v. 19.9.1973 – 2 W 113/73, MDR 1974, 53. 8 OLG Frankfurt, NJW 1959, 945.

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2.196

ZPO

B. Beispiele aus der Rechtsprechung

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2. Teil

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Annahmeverzug

delsregister anzumelden, enthält nämlich keine rechtskräftige Entscheidung darüber, ob der Beklagte der Gesellschaft noch angehört oder nicht. Das Eintragungsinteresse ist deshalb zwangsläufig geringer als dasjenige an einer Ausschließungs- oder Feststellungsklage. Die Höhe des Anmeldungsinteresses bestimmt sich wiederum danach, ob der Beklagte die Registeranmeldung verweigert und aus welchen Gründen, insbesondere ob er sich nach wie vor als Gesellschafter ansieht oder nicht. Das Beharren auf der Gesellschafterstellung muss sich in einem höheren Streitwert niederschlagen.1 Denn macht der Beklagte geltend, noch Gesellschafter zu sein, so kommt es für den Kläger nicht nur auf die förmliche Registerbereinigung, sondern auch darauf an, dem Beklagten die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zu nehmen, die ihm das Handelsregister im Rechtsverkehr zu Lasten der Gesellschaft bieten könnte. Ein solches Interesse kann in der Regel nicht gering veranschlagt werden, wenn es um den vertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft geht.2

2.197 Der BGH hat in der in Rz. 2.196 angeführten Entscheidung den Streitwert von zweitinstanzlich seinerzeit 25.000 DM auf drittinstanzlich 350.000 DM angehoben – ein verfassungsrechtlich allerdings schon bedenklicher Sprung in der Gebührentabelle, da damit der ursprünglichen Prozesskostenberechnung völlig die Grundlage entzogen wird.

2.198 Bei der Berufung eines Kommanditisten, der ein Urteil auf Wiedereintragung der Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin angreift, ist wertbestimmend sein Interesse daran, diese Wiedereintragung zu verhindern. Dabei sind die Machtbefugnisse zu berücksichtigen, die nach außen hin mit einer solchen Eintragung verbunden sind, und die vermögensrechtlichen Auswirkungen gesellschaftlicher Entscheidungen auf die Rechtsstellung der anderen Gesellschafter. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3

2.199 Der Gebührenstreitwert einer Klage eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers auf Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen über die Einziehung seines Geschäftsanteils und seiner Abberufung als Geschäftsführer gem. § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 63 Abs. 3 GKG bemisst sich nach dem geschätzten Wert des Geschäftsanteils des Klägers.4

Annahmeverzug 2.200 Siehe das Stichwort „Feststellungsklage“ bei Rz. 2.1509–2.1512.

Anspruchshäufung 2.201 Mehrere Ansprüche, die in einer Klage geltend gemacht werden, ob nun gegen einen oder mehrere Beklagte (§ 260 ZPO), sind zusammenzurechnen (§ 5 Halbs. 1 ZPO, § 39 GKG). Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt das nicht für den Gegenstand der Klage und Widerklage (§ 5 Halbs. 2 ZPO). Für den Gebührenstreitwert gilt insoweit § 45 GKG.

2.202 Anspruchshäufung kann zu unterschiedlichen Prozesslagen führen. Siehe dazu das Stichwort „Mehrere Ansprüche, (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, Rpfleger 1979, 194 = MDR 1979, 736. BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, Rpfleger 1979, 194 = MDR 1979, 736. BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, Rpfleger 1979, 194 = MDR 1979, 736. OLG Brandenburg v. 21.8.2019 – 7 U 169/18, GmbHR 2020, 98.

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Anwaltsvergütung

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2. Teil

2.203

Siehe das Stichwort „Organe, Organmitglieder“, Rz. 2.3805 ff.

Antragsänderung 2.204

Siehe das Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff., 2.2547.

Antragsüberschreitung 2.205

Siehe das Stichwort „Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO“, Rz. 2.5473 ff.

Anwaltsbeiordnung 2.206

Siehe das Stichwort „Notanwalt“, Rz. 2.3750 ff.

Anwaltsvergütung A. Zuständigkeitsstreitwert I. Klage des Anwalts gegen den Auftraggeber Klagt der Anwalt seine Vergütung ein, richtet sich der Wert gem. § 3 ZPO nach dem verlangten Betrag. Auslagen und Umsatzsteuer (Nr. 7000 ff. VV RVG) sind in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es handelt sich keineswegs um Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO.

2.207

II. Klage des Anwalts gegen Dritte Klagt der Anwalt seine Vergütung gegen einen Dritten ein, der für die Vergütung unmittelbar haftet (etwa aus Bürgschaft, Schuldbeitritt o.Ä.), ist ebenso zu bewerten wie bei einer Klage gegen den Auftraggeber.

2.208

Klagt der Anwalt den (vormaligen) Erstattungsanspruch des Mandanten gegen einen Dritten ein (etwa aufgrund Abtretung oder Forderungsübergang nach § 9 Satz 1 BerHG), handelt es sich um einen Freistellungsanspruch, s. hierzu Rz. 2.1623 ff.

2.209

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ZPO

Anstellungsvertrag eines Organs

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2. Teil

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Anwaltsvergütung

ZPO

III. Klage des Auftraggebers gegen den Anwalt 1. Rückzahlung

2.210 Verlangt der Auftraggeber vom Anwalt Rückzahlung bereits geleisteter Anwaltsvergütung, insbesondere nicht verbrauchter Vorschüsse, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. Maßgebend ist der verlangte Betrag. 2. Abrechnung

2.211 Verlangt der Auftraggeber lediglich Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG), so ist das Interesse an der Abrechnung nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.212 Soweit der Auftraggeber noch nicht gezahlt hat, dürfte das Interesse – vergleichbar einer Auskunftsklage – auf einen Bruchteil des zu erwartenden Rückzahlungsanspruchs abzustellen sein.

2.213 Soweit die Abrechnung einen Rückzahlungsanspruch wegen zu viel gezahlter Beträge oder Vorschüsse vorbereiten soll, dürfte ebenfalls auf einen Bruchteil des zu erwartenden Rückzahlungsanspruchs abzustellen sein.

2.214 Benötigt der Auftraggeber die Abrechnung, um die gezahlte Anwaltsvergütung steuerlich geltend machen zu können, ist auf den zu erwartenden Steuervorteil abzustellen.

2.215 Wird die Rechnung benötigt, um die gezahlte Anwaltsvergütung bei einem Dritten einzufordern, ist das Interesse mit dem Betrag anzusetzen, den der Auftraggeber von dem Dritten erstattet verlangen kann. 3. Abrechnung und Rückzahlung

2.216 Verlangt der Auftraggeber im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) Abrechnung und eine nach Abrechnung noch zu beziffernde Rückzahlung, so sind die Werte für den Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 Halbs. 1 ZPO zu addieren. Siehe das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

IV. Klage und Widerklage 2.217 Klagt der Anwalt auf Zahlung und der Auftraggeber auf Rückzahlung oder umgekehrt, ist jeder Anspruch gesondert zu bewerten. Die Werte werden für den Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 Halbs. 2 ZPO nicht addiert.

V. Klage des Auftraggebers gegen Dritte 1. Erstattung

2.218 Wird gegen einen Dritten isoliert auf Erstattung bereits aufgewandter Anwaltskosten geklagt, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. Maßgebend ist der verlangte Betrag. 2. Freistellung

2.219 Wird von einem Dritten isoliert Freistellung verlangt, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. Siehe hierzu das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

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Anwaltsvergütung

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2. Teil

Klagt der Auftraggeber neben seiner Hauptforderung aufgewandte Anwaltsgebühren als Schadensposition mit ein, handelt es sich um Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, soweit die Anwaltsgebühren aus den miteingeklagten Gegenständen resultieren. Unerheblich ist insoweit, ob Freistellung oder Erstattung verlangt wird.

2.220

Soweit Anwaltskosten aus bereits erledigten Schadenspositionen geltend gemacht werden, handelt es sich dagegen um Hauptforderungen. Siehe hierzu ausführlich das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653 ff.

2.221

Einstweilen frei.

2.222

B. Gebührenstreitwert I. Zahlungsklage 1. Klage Der Wert einer Klage auf Zahlung einer Anwaltsvergütung oder auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen oder Vorschüsse wird auch für den Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO bemessen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Anwalt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2.223

Stützt der Anwalt seinen Vergütungsanspruch primär auf eine Vergütungsvereinbarung und hilfs- 2.224 weise auf die gesetzliche Vergütung, so handelt es sich nur um eine Hilfsbegründung, nicht um einen Hilfsantrag, so dass dadurch keine Werterhöhung nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG eintritt. Beispiel: Der Anwalt klagt auf Zahlung von 3.000 t aufgrund einer Vergütungsvereinbarung. Der Beklagte bestreitet die Wirksamkeit der Vereinbarung und ist ohnehin der Auffassung, nichts zahlen zu müssen. Für den Fall, dass die Vergütungsvereinbarung tatsächlich unwirksam sein sollte, verlangt der Kläger die gesetzliche Vergütung, die sich nach seiner Auffassung auf 2.000 t beläuft.

2.224a

Der Streitwert beläuft sich nur auf 3.000 t, da insgesamt nur ein Zahlungsanspruch i.H.v. maximal 3.000 t geltend gemacht wird.

2. „Hilfsaufrechnung“ des Auftraggebers Erklärt der beklagte Auftraggeber gegenüber dem von ihm bestrittenen Vergütungsanspruch hilfsweise 2.225 die Aufrechnung mit einem auf Freistellung von der Vergütungsforderung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Mandatsführung, handelt es sich nicht um eine Hilfsaufrechnung. Dieser Einwand führt daher nicht zu einer Streitwerterhöhung.1 Der Schaden, den der Auftraggeber geltend macht, besteht dann in einer Verbindlichkeit aus einem aufgedrängten oder nutzlos gewordenen Vertrag, so dass der Anspruch auf die Gegenleistung erst gar nicht geltend gemacht werden kann. Einer Aufrechnung bedarf es daher nicht.2 Für den Rechtsanwalt hat ein entsprechender gegen ihn gerichteter Schadensersatzanspruch unmittelbar den Verlust des Vergütungsanspruchs zur Folge, ohne dass es einer Aufrechnung bedarf.3 Gleiches gilt, wenn der Anwalt ohne Grund gekündigt hat und

1 BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, AGS 2009, 495 = MDR 2009, 1251 = BRAK 2009, 244 u. 286 (hier Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO). 2 Siehe auch BGH, Beschl. v. 19.1.1978 – VII ZR 175/75, MDR 1978, 483. 3 BGH, Urt. v. 7.10.1976 – III ZR 110/74, MDR 1977, 476 f.; BGH, Urt. v. 8.10.1981 – III ZR 190/79, MDR 1982, 386 = NJW 1982, 437; BGH, Urt. v. 17.10.1996 – IX ZR 37/96, MDR 1997, 197.

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ZPO

3. Erstattung oder Freistellung neben Hauptforderung

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Anwaltsvergütung

ZPO

der Mandant einwendet, an der Leistung des Anwalts kein Interesse mehr zu haben, weil er einen anderen Rechtsanwalt beauftragen und vergüten musste.1 3. Klage und Widerklage

2.226 Erhebt der Anwalt einerseits Klage auf Zahlung ausstehender Vergütung und klagt der Auftraggeber im Wege der Widerklage andererseits auf Rückzahlung geleisteter Vergütung oder Vorschüsse, sind die Werte nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zu addieren. Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Auch wenn in der Regel dem einen Antrag nicht stattgegeben werden kann, ohne den anderen abzuweisen, fehlt es an der erforderlichen wirtschaftlichen Identität, so dass nicht derselbe Streitgegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 GKG gegeben ist.

2.226a Beispiel: Der Anwalt hatte einen Vorschuss von 5.000 t erhalten. Er klagt auf Zahlung restlicher Vergütung

i.H.v. 4.000 t, da er von einer Gesamtvergütung i.H.v. 9.000 t ausgeht. Der Beklagte beantragt Klageabweisung und verlangt widerklagend 2.000 t bereits gezahlter Vergütung zurück, da er der Auffassung ist, insgesamt nur 3.000 t zu schulden, also bereits zu viel gezahlt zu haben.

Die Werte von Klage und Widerklage sind zu addieren. Der Streitwert beläuft sich auf 6.000 t.

II. Klage auf Abrechnung 2.227 Verlangt der Auftraggeber lediglich Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG), so ist das Interesse an der Abrechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen. Es gilt das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert (s. Rz. 2.211).

III. Klage auf Abrechnung und Rückzahlung 2.228 Verlangt der Auftraggeber im Wege der Stufenklage Abrechnung und Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge oder nicht verbrauchter Vorschüsse,2 sind die Ansprüche zwar rechnerisch einzeln zu bewerten; es gilt dann aber der höhere Wert (§ 44 GKG). Siehe das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

IV. Klage des Auftraggebers gegen Dritte 2.229 Zum Gegenstandswert bei Klagen auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten s. „Vorgerichtliche Kosten“ (Rz. 2.5653).

C. Beschwer 2.230 Die Beschwer berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie der Zuständigkeitsstreitwert. Es gelten keine Besonderheiten. Lediglich die Beschwer des Anwalts bei einer Verurteilung zu Abrechnung dürfte geringer zu bewerten sein und sich am Aufwand für die Erstellung der Abrechnung orientieren. Siehe das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff.

1 BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 182/94, MDR 1995, 854; BGH, Urt. v. 17.10.1996 – IX ZR 37/96, MDR 1997, 197 = NJW 1997, 188; BGH, Urt. v. 15.7.2004 – IX ZR 256/03, MDR 2004, 1387; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.2005 – 24 U 43/04, MDR 2005, 1140; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.2008 – I-24 U 224/07, AnwBl. 2009, 72 = AGS 2009, 6. 2 Siehe hierzu BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, MDR 2019, 637 = AGS 2019, 170 = NJW-Spezial 2019, 284 = AnwBl. 2019, 364.

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Arrest

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2. Teil

ZPO

Arrest Literatur: E. Schneider, Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens bei Arrest und einstweiliger Verfügung, JurBüro 1977, 1516; H. Schneider, Vergütung für die Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung in Zivil- und Familiensachen, JurBüro 2019, 337. Stichwortübersicht Ablehnung der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . 2.252 Arrest und einstweilige Verfügung . . . . . . . . 2.257 Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 2.248–2.249 Auslandswohnsitz des Antragsgegners . . . . . 2.236 Dinglicher Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.258 Drittwiderspruchsklage gegen Arrestvollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.253 Einstweilige Einstellung der Vollstreckung . . 2.254 Flugzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.255 Hauptsacheklage mit Arrestantrag . . . . . . . . 2.259 Hauptsachewert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.238 Hinterlegung der Lösungssumme . . . . . . . . . 2.250

Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.237 Lasten des Sicherungsobjektes . . . . . . . . . . . 2.234 Mehrere Anträge . . . . . . . . . . . . 2.257, 2.258, 2.259 Persönlicher Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.258 Regelbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.235 Schutzschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.240 Seeschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.256 Sicherungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.234 Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.243 Vorläufige Einstellung der Vollstreckung . . . . 2.254 Widerspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.247

A. Zuständigkeitsstreitwert Die sachliche Zuständigkeit für den Arrestantrag richtet sich gem. § 919 Fall 1, § 943 Abs. 1 ZPO allein danach, ob das Gericht für die Hauptsache zuständig wäre. Daher ist das LG sachlich zuständig, wenn der Streitwert der Hauptsache 6.000 t beträgt, selbst wenn das Arrestverfahren wegen seines vorläufigen Charakters nur einen Streitwert von 3.000 t hätte. Daneben ist stets das AG streitwertunabhängig zuständig, in dessen Sprengel sich der zu arrestierende Gegenstand (§ 919 Fall 2 ZPO) oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person befindet (§ 919 Fall 3 ZPO). Man braucht daher keinen eigenen Zuständigkeitsstreitwert für den Arrest zu bestimmen.

2.231

B. Gebührenstreitwert I. Bruchteilsbewertung In Verfahren über Anträge auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes ist der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG zu schätzen.

2.232

Ausgangspunkt der Schätzung ist der Wert der zu sichernden Hauptsacheforderung im Zeitpunkt des 2.233 Eingangs des Antrags. Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung dieses Anspruchs,1 wobei grundsätzlich kein Bewertungsunterschied zwischen dem dinglichen und dem persönlichen Arrest zu machen ist.2 Der Streitwert des Arrestverfahrens ist grundsätzlich niedriger als der Streitwert des Hauptprozesses, weil es den Anspruch des Antragstellers nur vorläufig sichert und nicht befriedigt.3 1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.3.1995 – 2 UF 39/95, JurBüro 1996, 148; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 738. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 31.5.1991 – 5 W 316/91, JurBüro 1992, 191 m. zust. Anm. Mümmler; KG, Beschl. v. 17.9.1993 – 7 W 5248/93. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 93; OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, NJW-RR 1996, 946.

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2. Teil

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Arrest

ZPO

2.234 Das Sicherungsinteresse ist wirtschaftlich zu bemessen, also an der Bedeutung der Sicherstellung für den Antragsteller. Eventuelle Vollziehungsschwierigkeiten oder Probleme bei der Ermittlung pfändbaren Vermögens sind nicht zu berücksichtigen, da sie keinen Bezug zum Antragsverfahren haben. Auch das Abwehrinteresse des Gegners bleibt bei der Bewertung unberücksichtigt. Jedoch sind Lasten zu berücksichtigen, die dem Sicherungsobjekt (z.B. Grundstück) anhaften.1

2.235 Trotz der gebotenen Einzelfallbetrachtung dürfte eine Bewertung zwischen 1/3 und 1/2 des Hauptsachewertes die meisten Fälle abdecken. Die Rechtsprechung setzt regelmäßig Bruchteile von 1/4 bis 1/3,2 einem Drittel,3 1/3 bis 1/24 oder nach dem halben Wert der zu sichernden Forderung5 an.

2.236 Der Bruchteil kann bis zum halben Wert der Hauptsacheforderung erhöht werden, wenn der Antragsgegner im Ausland wohnt und die durch den Arrest gesicherte Forderung das einzige inländische Vermögen ist, das dem Antragsteller eine Befriedigungsmöglichkeit bietet.6

2.237 Man darf den Streitwert nicht erhöhen oder gar auf den vollen Betrag der Forderung festzusetzen, weil nach der Arrestanordnung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.7 Maßgebend für die Bewertung des Gläubigerinteresses ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG nur der Zeitpunkt, in dem der Arrestantrag gestellt wird. Dass das Sicherungsinteresse sich während des laufenden Verfahrens steigert, beeinflusst den Streitwert daher nicht.

2.238 Der Streitwert erreicht den Wert der Hauptsache nur ausnahmsweise.8 Das kommt in Betracht, wenn ohne den Arrest die Vollstreckung ganz vereitelt würde, wenn der Arrest praktisch zur Befriedigung führt,9 so dass mit einem nachfolgenden Hauptverfahren nicht mehr zu rechnen ist oder wenn das Arrestverfahren faktisch schon über die Hauptsache entscheidet.10

2.239 Ist das Vermögensobjekt, das zur Sicherung herangezogen werden soll, geringwertiger als der anzusetzende Bruchteil des Forderungswertes, dann ist für die Streitwertberechnung in entsprechender Anwendung von § 6 Satz 2 ZPO nur von dem geringeren Wert des Sicherungsobjekts auszugehen.11

1 OLG Köln, Beschl. v. 20.7.1962 – 9 W 42/62, MDR 1963, 510; RG, Urt. v. 24.4.1936 – VII 264/35, RGZ 151, 167; RG, Beschl. v. 26.6.1936 – VII 157/36, RGZ 151, 319. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.1983 – 8 W 46/83, AnwBl. 1984, 94; OLG Koblenz, Beschl. v. 31.5.1991 – 5 W 316/91, JurBüro 1992, 191. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 31.3.2016 – 2 W 17/16; OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2015 – 24 W 40/15, ZEV 2016, 280; OLG Köln, Urt. v. 5.6.2014 – 15 U 4/14; OLG Köln, Urt. v. 25.9.2019 – 5 U 126/18, ZInsO 2020, 2019; OLG Dresden, Beschl. v. 17.10.2007 – 21 WF 0476/06, AGS 2007, 259; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.10.1997 – 18 WF 71/97; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 – 1 Ws 212/13, JurBüro 2015, 132. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 94; OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, NJW-RR 1996, 946. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.5.2019 – 2 U 1/19, MDR 2019, 960; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.7.2017 – 3 W 28/17, MDR 2017, 1387; OLG Köln, Beschl. v. 23.7.2014 – 18 W 44/14; BFH, Beschl. v. 26.5.1982 – I B 24/81, BB 1982, 1353. 6 OLG Dresden, Beschl. v. 17.10.2007 – 21 WF 0476/06, AGS 2007, 259 (50 % der zu sichernden Hauptforderung); OLG Koblenz, Beschl. v. 31.5.1991 – 5 W 316/91, JurBüro 1992, 191 m. zust. Anm. Mümmler. 7 A.A. LG Detmold, Beschl. v. 14.10.1974 – 2 T 266/74, JurBüro 1974, 1590. 8 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2013 – 4 W 26/13; OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 220; OLG Köln, JurBüro 1961, 621; OLG Köln, JurBüro 1965, 390. 9 KG, Beschl. v. 20.12.1996 – 14 W 8213/96; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.2004 – 2 W 8/04, RVGreport 2004, 278. 10 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 93. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.9.1974 – 20 W 639/74, JurBüro 1974, 1437.

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2. Teil

Reicht eine Partei vorbeugend eine Schutzschrift i.S.v. § 945a Abs. 1 Satz 2 ZPO beim Zentralen Schutzschriftenregister ein, gilt sie gem. § 945a Abs. 2 ZPO mit der Einstellung ins Register als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht. Das Register erhebt eine Festgebühr nach Nr. 1160 KV JVKostG, die der Einreicher gem. § 15a JVKostG schuldet.

2.240

Der Rechtsanwalt erhält eine wertabhängige 1,3fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für 2.241 das Einreichen der Schutzschrift, wenn er zugleich mit der Vertretung des Einreichers im erwarteten Arrestverfahren mandatiert wurde. Wird der Rechtsanwalt zunächst nur beauftragt, die Schutzschrift zu fertigen, erhält er nur eine 0,8-fache Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG.1 Obwohl das Schutzschriftenregister eine Justizverwaltungseinrichtung ist,2 gilt das Einreichen der Schutzschrift wegen der Fiktion des § 945a Abs. 2 ZPO anwaltsgebührenrechtlich als Gerichtsverfahren. Der Gegenstandswert entspricht dem Streitwert, den das erwartete Arrestverfahren hätte. Findet das Arrestverfahren statt, gehört das Einreichen der Schutzschrift gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a RVG zum Rechtszug, so dass der Anwalt die Gebühr nur einmal erhält.3 Wenn der Anwalt zunächst nur eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG verdient hatte, geht sie in der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auf, wenn er später im Arrestverfahren mit der Vertretung beauftragt wird.4 Der Gegenstandswert ist der Streitwert des Arrestverfahrens.

2.242

III. Vollziehungsverfahren Der Antragsteller kann mit dem Arrestgesuch bereits den Antrag auf Pfändung einer Forderung verbinden, da § 929 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Vollziehung des Arrestes bereits vor der Zustellung des Arrestbefehls an den Schuldner gestattet. Der Streitwert für das Arrestverfahren wird durch die gleichzeitig erfolgende Vollziehung nicht erhöht. Die Vollziehung des Arrestes löst aber – unabhängig davon, ob sie zugleich mit der Arrestanordnung oder später erfolgt – eine streitwertunabhängige Festgebühr nach Nr. 2111 KV GKG aus.

2.243

Für den Anwalt ist das Arrestvollziehungsverfahren gem. § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG eine eigene Angelegenheit, für die er Gebühren nach den Nrn. 3309, 3310 VV RVG erhält, deren Gegenstandswert § 25 RVG bestimmt. Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG ist der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen entscheidend.5 Bei Herausgabe und Duldung ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert der Vollstreckungshandlung für den Gläubiger maßgeblich, der durch den Wert des Anordnungsverfahrens begrenzt wird.6

2.244

Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.6401 ff., nach.

2.245

IV. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren Die Bewertungsregeln des Anordnungsverfahrens gelten nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG gleichermaßen im Verfahren auf Aufhebung eines Arrestes (§§ 926 Abs. 2, 927,

1 2 3 4 5 6

Hartung/Schons/Enders, RVG, § 19 Rz. 11. BT-Drucks. 18/6380, S. 11. BT-Drucks. 18/6380, S. 12. Hartung/Schons/Enders, RVG, § 19 Rz. 13. H. Schneider, JurBüro 2019, 337, 339. OLG Köln, Beschl. v. 31.3.1993 – 17 W 47/93, JurBüro 1994, 113; KG, Beschl. v. 14.12.1999 – 1 W 574/98; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.1999 – 3 W 47/99.

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II. Schutzschrift

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2. Teil

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Arrest

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934 ZPO) und im Widerspruchsverfahren (§ 924 ZPO). Für den Anwalt ist das Verfahren dagegen gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit (§ 16 Nr. 5 RVG).

2.247 Das Widerspruchsverfahren nach § 924 ZPO ist gerichtskostenrechtlich bereits durch das auf den Erlass des Arrestbefehls gerichtete Verfahren abgegolten.1 Sein Wert ist daher nur für die Anwaltsgebühren (des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten) bedeutsam, der im Regelfall wie das Anordnungsverfahren zu bewerten ist. Bei einem auf die Kostenfrage beschränkten Widerspruch (Kostenwiderspruch) ist allerdings nur das Kosteninteresse maßgeblich, das sich nach den bislang entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten bemisst.2

2.248 Nach Erlass oder Bestätigung eines Arrestbefehls kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes, die Aufhebung der im Eilverfahren getroffenen Entscheidung verlangt werden. Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO bemisst sich nach dem Interesse des Gläubigers an der Aufrechterhaltung der Arrestanordnung, weil es kein Rechtsmittelverfahren ist, in dem das Aufhebungsinteresse des Schuldners maßgeblich wäre. Er entspricht im Regelfall dem Wert des Anordnungsverfahrens, wenn sich der Wert des Arrestbefehls nicht zwischen seinem Erlass und Aufhebungsantrag verringert hat.3 Wegen § 4 ZPO ist kein Zins- oder Kostenpauschquantum hinzuzurechnen.4

2.248a Beispiel: Das Interesse verringert sich, wenn ein Unterlassungsgebot durch Zeitablauf gegenstandslos geworden ist oder die Parteien sich mittlerweile außergerichtlich geeinigt haben und deshalb nur noch der formale Bestand der gerichtlichen Anordnung beseitigt werden muss.5

2.249 Bei Aufhebungsanträgen nach § 926 Abs. 2 ZPO (Versäumung der Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache) ist das Aufhebungsverfahren jedenfalls dann geringer als das Anordnungsverfahren zu bewerten, wenn der Arrest gegenstandslos geworden ist.6 Für die Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 926 Abs. 1 ZPO braucht man keinen Wert zu bestimmen, weil weder Gerichts- noch Anwaltsgebühren anfallen.

2.250 Bei Hinterlegung der Lösungssumme nach § 923 ZPO ist der vollzogene Arrest aufzuheben. Wertbestimmend für das Aufhebungsverfahren nach § 934 ZPO ist das Beseitigungsinteresse des Antragsgegners, das selbständig zu bemessen ist.7 Die Lösungssumme ist nicht ausschlaggebend.

C. ABC der Einzelfälle 2.251 Siehe auch das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1136 ff. Die dort aufgeführten Entscheidungen sind weitgehend auch auf die Bemessung des Arrestes anwendbar. Ablehnung einer Fristsetzung

2.252 Der Wert einer Beschwerde gegen die Ablehnung einer Fristsetzung gem. § 926 Abs. 1 ZPO entspricht dem Verfahrenswert.8 1 Zöller/G. Vollkommer, § 922 ZPO Rz. 28. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.1990 – 6 W 79/90, JurBüro 1990, 1210; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.8.1995 – 8 W 180/95, MDR 1996, 102. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.3.2010 – 5 W 12/10; KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, JurBüro 2002, 479. 4 Meyer, GKG/FamGKG, § 53 GKG Rz. 8; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1961 – 4 W 73/61, MDR 1962, 60. 5 KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, JurBüro 2002, 479. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 18.10.1977 – 3 W 170/77, WRP 1977, 814. 7 E. Schneider, JurBüro 1977, 1518. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.11.1980 – 5 W 24/80, ZIP 1980, 1144.

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Arrest

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2. Teil

Eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen Maßnahmen aus dem Arrest ist nach § 6 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten, wenn der Pfandgegenstand weniger wert ist als die Arrestforderung.1

2.253

Einstellung der Zwangsvollstreckung Für ein Verfahren auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer Arrestentscheidung 2.254 wird kein Gerichtsgebührenstreitwert festgesetzt, da für das Gericht keine Gerichtsgebühren bzw. nur Festgebühren anfallen. Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren ist nach § 25 Abs. 2 RVG anhand des Interesses des Schuldners am zeitweiligen Aufschub der Vollstreckung zu schätzen. Ausgangspunkt dieser Schätzung ist der Titel, gegen dessen Vollstreckung sich der Antragsteller mit seinem Antrag zur Wehr setzt. Bei der Wertbestimmung kann auf die frühere Rechtsprechung zum Gerichtsgebührenwert zurückgegriffen werden. Danach sind Einstellungsanträge in der Regel nur mit 1/5 des Wertes des bekämpften Anspruchs zu bemessen.2 Handelt es sich um die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem einen Arrestbeschluss aufhebenden Urteil, ist auf die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Schuldners abzustellen.3 Flugzeuge Der Streitwert für den Arrest in ein Flugzeug ist auf 3/4 des Wertes der Hauptsache anzusetzen. Die Be- 2.255 schlagnahme des Luftfahrzeuges ist für den Antragsteller meist besonders wirksam. Die Rechtsprechung setzt für den Arrest in ein Seeschiff denselben Bruchwert an.4 Die Wirksamkeit beider Arreste ist vergleichbar, zumal die Arrestvollziehung bei in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugen nach § 99 Abs. 2 LuftfzRG der von ins Schiffsregister eingetragenen Seeschiffen nach § 931 ZPO ähnelt. Seeschiffe Der Streitwert für den Arrest in ein Seeschiff ist auf 3/4 des Wertes der Hauptsache anzusetzen, weil die Beschlagnahme des Schiffs für den Antragsteller meist besonders wirksam ist.5

2.256

Verbindung von Arrest und einstweiliger Verfügung Werden Arrest und einstweilige Verfügung zugleich beantragt, sind beide Anträge isoliert zu bewer- 2.257 ten und die Werte dann zu addieren.6 Wird einer der beiden Anträge hilfsweise gestellt, berechnet sich der Streitwert nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG. Der Wert des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs wird mit dem Wert des Hauptanspruchs zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen Arrest und einstweilige Verfügung allerdings denselben Gegenstand – dies ist der Fall, wenn nur der Arrest oder die einstweilige Verfügung in Betracht kommen kann – richtet sich der Streitwert nur nach dem höheren der beiden Werte.

1 2 3 4

RG, Warneyer 1925 Nr. 43. Vgl. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100 ff. OLG Köln, Beschl. v. 30.4.1973 – 2 U 4/73, VersR 1973, 1032. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.5.1991 – 6 W 24/91, MDR 1991, 1196. In diesem Fall war das Schiff zudem der einzige Vermögensgegenstand des Schuldners im Inland. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 29.5.1991 – 6 W 24/91, MDR 1991, 1196. In diesem Fall war das Schiff zudem der einzige Vermögensgegenstand des Schuldners im Inland. 6 OLG München, Bay.JMBl. 1952, 164; a.A. KG, Beschl. v. 12.12.1936 – 20 Wa 209/36, JW 1937, 263: getrennte Berechnung der Gebühren.

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Drittwiderspruchsklage

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2. Teil

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Auffangwert

ZPO

Verbindung von dinglichem und persönlichem Arrest

2.258 Soweit der Antragsteller zugleich die Anordnung des persönlichen und des dinglichen Arrestes beantragt, ist dies nur einmal zu bewerten.1 Beides soll denselben Anspruch sichern, indem man den Schuldner hindert, dem Gläubiger pfändbares Vermögen zu entziehen. Gebührenrechtlich handelt es sich damit um denselben Gegenstand. Verbindung von Arrestantrag und Hauptsacheklage

2.259 Wenn ein Arrestantrag mit der Hauptsacheklage verbunden wird, sind die Streitwerte praktisch nicht zusammenzurechnen. Die Verbindung von Hauptsache- und Arrestprozess ist unzulässig, so dass sie zwingend nach § 145 ZPO zu trennen sind. Nach der Trennung ist der Streitwert rückwirkend jeweils so festzusetzen, als seien die Verfahren von vornherein getrennt anhängig gemacht worden.2 Wenn die unzulässige Verbindung prozessordnungswidrig bis zur Verfahrensbeendigung erhalten bleibt, sollen die Streitwerte der Hauptsacheklage und des Arrestverfahrens zu addieren sein.3 Regelmäßig dürfte dann aber wirtschaftliche Identität anzunehmen sein, die eine Wertaddition ausschließt. Weitere Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Einstweilige Verfügung“ unter Rz. 2.1121, 2.1122 nach.

Auffangwert 2.260 Im Gegensatz zu den verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 52 Abs. 2 GKG) und den familiengerichtlichen Verfahren (§ 42 Abs. 3 FamGKG) kennt das GKG schon lange keinen Auffangwert oder Regelwert mehr. Dieser war früher einmal (bis 1975) für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten in § 14 Abs. 1 Satz 1 der damaligen Fassung des GKG enthalten. Gleichwohl wird in der gerichtlichen Praxis immer wieder auf einen vermeintlichen „Regelwert“ abgestellt. Dies ist jedoch unzutreffend. Sofern keine besonderen Wertvorschriften vorhanden sind, richtet sich sowohl der Zuständigkeits- als auch der Gebührenstreitwert für die Gerichtsgebühren nach § 3 ZPO und ist nach billigem Ermessen zu schätzen. Einen allgemeinen Regelwert in zivilgerichtlichen Verfahren gibt es nicht.4

2.261 In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dagegen ein Auffangstreitwert oder auch ein sog. Regelwert vorgesehen. Fehlen besondere Wertvorschriften und sind auch keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für eine Schätzung des Geschäftswerts gegeben, so ist nach § 36 Abs. 3 GNotKG von einem Wert i.H.v. 5.000 t auszugehen.

2.262 Auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren ist ein Auffangwert vorgesehen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG). Diese Wertvorschrift gilt allerdings nicht für gerichtliche Verfahren. Hier richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Wert des gerichtlichen Verfahrens (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies gilt auch für außergerichtliche Tätigkeiten, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG). Lediglich für außergerichtliche Tätigkeiten, die nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können, sieht das RVG einen Auffangwert von 5.000 t vor, wenn keine besonderen Wertvorschriften eingreifen und es sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit handelt oder um eine vermögensrechtliche, bei der jedoch keine Anhaltspunkte für eine konkrete Wertbemessung gegeben sind.

1 OLG Dresden, Beschl. v. 28.8.1939 – 14 W 317/39, HRR 1940, 316; Meyer, GKG/FamGKG, § 53 GKG Rz. 6. 2 BFH, Beschl. v. 13.4.2016 – X E 5/16; OLG Dresden, Beschl. v. 16.1.2019 – 8 W 8/19, MDR 2019, 510. 3 Vgl. LG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.6.2020 – 4 T 28/20. 4 BGH v. 22.1.2015 – I ZR 95/14, WRP 2015, 454 = Schaden-Praxis 2015, 170 – kein Regelstreitwert für Wettbewerbssachen.

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Aufgebotsverfahren

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2. Teil

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Aufgebotsverfahren Literatur: Heinemann, Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das FamFG und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, DNotZ 2009, 6; Wilsch, Das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung von Grundschuldbriefen, FGPrax 2012, 231.

A. Allgemeines Das Aufgebotsverfahren, das für bis zum 31.8.2009 eingeleitete Verfahren in den §§ 946 bis 1024 ZPO geregelt war, ist mit Erlass des FamFG in das Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 433 bis 484 FamFG) eingegliedert worden. Im Hinblick auf die zuweilen erhebliche Dauer des Verfahrens wird die Kommentierung zur alten Rechtslage – unter Hinweis auf die Regelungen im FamFG – für die Übergangszeit fortgeführt. Zum Verfahren nach neuer Rechtslage s. die Kommentierung beim Stichwort „Aufgebotssachen“, Rz. 4.12, im freiwG-Teil.

2.263

Bei dem Aufgebotsverfahren handelt es sich um die öffentliche gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten (§ 946 Abs. 1 ZPO bzw. § 433 FamFG). Die Unterlassung der Anmeldung führt zu Rechtsnachteilen in Form des Verlustes oder der Minderung nicht angemeldeter Rechte.

2.264

Folgende Aufgebotsfälle sind in der ZPO geregelt:

2.265

1. Ausschluss des Grundstückseigentümers, § 977 ZPO (vgl. §§ 442 bis 445 FamFG), 2. Ausschluss von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldgläubigern, § 982 ZPO (vgl. §§ 447 bis 453 FamFG), 3. Ausschluss von Vormerkungs-, Vorkaufs- und Reallastberechtigten, § 988 ZPO (vgl. § 453 FamFG), 4. Ausschluss von Nachlassgläubigern, § 989 ZPO (vgl. §§ 454 bis 464 FamFG), 5. Ausschluss des Schiffsgläubigers, §§ 981a, 987a, 1002 ZPO (vgl. §§ 446, 452, 465 FamFG), 6. Kraftloserklärung von Urkunden, § 1003 ZPO (vgl. §§ 466 bis 484 FamFG).

B. Zuständigkeitsstreitwert Nach § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 7 GVG sind die Aufgebotsverfahren – wie schon nach alter Rechtslage (§ 946 Abs. 2 ZPO, § 23 Nr. 2h GVG) – vom Streitwert unabhängig den Amtsgericht zugewiesen. Funktionell zuständig ist der Richter, nach neuer Rechtslage der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1c RPflG).

2.266

C. Gebührenstreitwert I. Antrag auf Erlass eines Ausschlussurteils, § 947 ZPO (vgl. § 434 FamFG) Mangels besonderer Bewertungsvorschriften ist der Streitwert in allen Fällen nach § 3 ZPO zu schätzen. Die Wertvorschriften der bis zum 31.7.2013 geltenden KostO finden keine Anwendung.1 Abzustellen ist auf das Interesse des Antragstellers.2

1 Zöller/Geimer, 27. Aufl., vor § 946 ZPO Rz. 8. 2 BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZB 140/08, MDR 2009, 229.

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2. Teil

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Aufgebotsverfahren

ZPO

2.268 Daher ist bei dem Ausschluss des Grundstückseigentümers (§ 977 ZPO bzw. §§ 442 bis 445 FamFG) der Grundgedanke des § 6 ZPO zu berücksichtigen und auf den vollen Verkehrswert des Grundstücks bzw. des betroffenen Miteigentumsanteils abzustellen.1

2.269 Hingegen ist bei dem Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Hypotheken-, Grundschuldoder Rentenschuldbriefes (§ 988 ZPO bzw. §§ 447 bis 453 FamFG) oder bei Sparkassenbüchern, Schuldscheinen und anderen Beweisurkunden oder Legitimationspapieren (§ 1003 ZPO bzw. §§ 466 bis 484 FamFG) ein Bruchteil des Nennbetrages anzusetzen,2 sofern nicht der Wert des Grundstücks noch niedriger ist. Insoweit entspricht es weitgehender Praxis, als Streitwert 10 bis20 % des Nennbetrages anzusetzen.3 Bezweckt der Antragsteller mit der Löschung der Eigentümergrundschuld, den Grundschuldgläubiger mit seiner Forderung auszuschließen und die volle Verkehrsfähigkeit des Grundstücks herzustellen, soll nach dem LG Potsdam der Nennbetrag der Grundschuld wertbestimmend sein. Dies zumindest dann, wenn nicht bekannt ist, wie hoch und zu wessen Gunsten ein Grundpfandrecht valutiert.4

2.270 Bei dem Ausschluss dinglich Berechtigter (§ 988 ZPO bzw. §§ 447 bis 453 FamFG) ist der Wert der Forderung maßgeblich, soweit nicht der Verkehrswert des Grundstücks bzw. Miteigentumsanteils niedriger ist.5

II. Anmeldung entgegenstehender Rechte, § 951 ZPO (vgl. § 438 FamFG) 2.271 Der Gebührenstreitwert für die anwaltliche Tätigkeit, die auf die Anmeldung von Rechten eines Dritten (§ 953 ZPO) gerichtet ist (Nr. 3324 VV RVG), bestimmt sich entsprechend § 6 ZPO regelmäßig nach dem Wert des angemeldeten Rechts, sofern nicht der Wert des Rechts des Antragstellers geringer ist.6 Dies folgt aus der Gestaltungswirkung des Ausschlussurteils gegenüber den nicht angemeldeten Ansprüchen und Rechten.

D. Rechtsmittel und Anfechtung 2.272 Gegen einen den Aufgebotsantrag zurückweisenden Beschluss sowie gegen in das Ausschlussurteil (nunmehr Ausschlussbeschluss) aufgenommene Beschränkungen und Vorbehalte steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde gem. § 952 Abs. 4 ZPO (nunmehr fristgebundene Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG) zu. Die Beschwer entspricht bei vollständiger Zurückweisung dem Gebührenstreitwert für das Verfahren, ansonsten dem wertmäßigen Interesse an einem unbeschränkten Ausschluss. Im Übrigen findet ein Rechtsmittel nicht statt (§ 957 Abs. 1 ZPO).

2.273 Nach alter Rechtslage wird das Ausschlussurteil mit seiner Verkündung rechtskräftig und kann nur unter besonderen Voraussetzungen mit der Anfechtungsklage (§ 957 ZPO) angegriffen werden. Hierfür ist das LG, in dessen Bezirk das Aufgebotsgericht seinen Sitz hat, vom Streitwert unabhängig örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, § 957 Abs. 2 ZPO.7 Der Gebührenstreitwert richtet sich hier nach dem Interesse des Anfechtungsklägers und damit in der Regel nach dem Wert des ausgeschlosse-

1 LG Hildesheim, Nds.RPfl. 1967, 131; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“ Rz. 6. 2 LG Hildesheim, Beschl. v. 12.3.1964 – 5 T 120/64, Rpfleger 1965, 241; Wagner, JR 1952, 234. 3 BGH, Beschl. v. 3.3.2004 – IV ZB 38/03, MDR 2004, 640; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969; LG Berlin, Beschl. v. 27.5.1988 – 82 T 176/88, JurBüro 1988, 1367; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“ Rz. 4, 5. 4 LG Potsdam, Beschl. v. 14.3.2008 – 7 T 142/07, MDR 2008, 653. 5 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“ Rz. 7. 6 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“ Rz. 10. 7 Zöller/Geimer, 27. Aufl., § 957 ZPO Rz. 2.

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Aufhebung von Gemeinschaften

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2. Teil

Mit dem neuen Recht ist im Zuge einer Harmonisierung der Rechtsmittelvorschriften die fristgebun- 2.274 dene Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG) an die Stelle der Anfechtungsklage getreten. Unverschuldeten Fristversäumnissen ist mit der Wiedereinsetzung (§ 439 Abs. 4 i.V.m. §§ 17 bis 19 FamFG) und gravierenden Verfahrensfehlern mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 439 Abs. 4 i.V.m. 48 Abs. 2 FamFG) Rechnung getragen worden.

Aufhebung von Gemeinschaften A. Bruchteilsgemeinschaft Die Gemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. ist die Innehabung eines Rechts durch mehrere Rechtsträger zu ideellen Bruchteilen. Es handelt sich um eine geteilte Rechtszuständigkeit. Der gemeinsam gehaltene Gegenstand bleibt dagegen ungeteilt. Das Recht des einzelnen Mitglieds der Gemeinschaft besteht daher in einem ideellen Bruchteil an dem ungeteilten Gegenstand.2 Der Umstand, dass ein Recht mehreren gemeinschaftlich zusteht, führt bereits zum Entstehen der Bruchteilsgemeinschaft insoweit, als „sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Daraus folgt nicht, dass jede Vorschrift der §§ 741 ff. BGB zwingend ist; vielfach ergibt die Auslegung der Normen die Abdingbarkeit. So sind die §§ 742 ff. BGB subsidiär anzuwenden, sofern die Sonderregelungen einschlägiger Interessengemeinschaften anwendbar sind. Besondere Bedeutung erlangen die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft über die Verweise auf ihre entsprechende Anwendung. So wird z.B. in der Regel §§ 731, 1477, 2042, 2044 BGB auf die Bruchteilsgemeinschaft bzw. Teile der entsprechenden Vorschriften verwiesen.3

2.275

Der Wert von Klagen auf Aufhebung der Gemeinschaft oder auf Ausschluss daraus ist nach § 3 ZPO zu schätzen.4

2.276

Das Interesse des Klägers ist ausschlaggebend. Abzustellen ist auf sein Interesse an der Verteilung und 2.277 damit auf den von ihm begehrten Anteil,5 beispielsweise bei der Klage auf Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück durch Teilung in Natur, entsprechend einer amtlichen Vermessung.6 Dabei sind Grundstücksbelastungen nicht zu berücksichtigen.7 Wenn bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft lediglich über die Art der Teilung gestritten wird, dann bestimmt sich der Streitwert auch nach dem herausverlangten Teil, so dass ein geringerwertiger Auskunftsanspruch bedeutungslos ist.8

2.278

Betreibt ein Miteigentümer die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft, dann kann sich ein Miteigentümer dagegen unter Umständen in entsprechender Anwendung des § 771 ZPO mit einer Klage auf Unzulässigerklärung der Teilungsversteigerung wehren.9 Man spricht dann von einer sog. unechten Drittwiderspruchsklage. Der Streitwert bestimmt

2.279

1 Vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1955 – 3 U 3/54: Ausschluss betr. 3 Wechsel je 100.000 Reichsmark = 20.000 DM. 2 Staudinger/Langhein/v. Proff, vor § 741 BGB Rz. 9 ff. 3 Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Kommentar, 14. Aufl. 2019, § 741 BGB Rz. 3. 4 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1969, 247; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. 6 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1969, 247. 7 KG, Beschl. v. 1.10.2008 – 1 W 455/08, MDR 2008, 1417 = JurBüro 2008, 652. 8 OLG Schleswig, SchlHA 1979, 57. 9 BGH, FamRZ 1972, 364; 1984, 564.

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nen Rechts bzw. Anspruchs, ggf. begrenzt auf den Wert des Rechts des Antragstellers, § 3, § 6 Satz 1, § 2 ZPO.1

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Aufhebung von Gemeinschaften

sich dann nicht nach § 6 ZPO, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der Miteigentumsgemeinschaft durch Verhinderung der Versteigerung. Dieses Interesse ist auch hier gem. § 3 ZPO zu schätzen.1 Der Wert entspricht jedoch weder dem Gesamtwert noch seinem Miteigentumsanteil, denn um diese geht es nicht. Wertbestimmend ist vielmehr nur der Zweck der Klage, eine Verschleuderung des Grundstücks durch wertunangemessene Gebote im Versteigerungstermin zu verhindern.2 Siehe auch das Stichwort „Drittwiderspruchsklage“, Rz. 2.933 ff.

2.280 Bewertungserheblich ist nur das mit der unechten Drittwiderspruchsklage verfolgte unmittelbare Interesse. Daraus folgt, dass der Grundstückswert nicht maßgebend ist, sondern dass vom Anteilswert des Klägers auszugehen ist. Die weitergehende nachrangige wirtschaftliche Zielsetzung des Klägers ist bewertungsunerheblich, etwa das Bestreben, in der Ausübung eines auf dem Grundstück oder den Grundstücken eingerichteten Gewerbebetriebes nicht behindert zu werden. Derartige Fernwirkungen müssen unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht dem Bewertungsobjekt anhaften und zu Streitwerten führen könnten, die erheblich über dem Verkehrswert nicht nur des Anteils des Klägers, sondern sogar des Grundstückes selbst liegen könnten.

2.281 Entgegen der Auffassung des OLG Saarbrücken3 ist das Interesse des Klägers nicht gleich dem Wert seines Anteils, weil ihm durch die Teilungsversteigerung nicht der ersatzlose Verlust seines Anteils droht. Er befürchtet vielmehr einen Zuschlag an den Meistbietenden, der nicht mehr dem wirklichen wirtschaftlichen Anteilswert entspricht. Der Streitwert der unechten Drittwiderspruchsklage muss deshalb unterhalb des Anteilswertes des Miteigentümers angesetzt werden.4 Da das Interesse des Widersprechenden wirtschaftlich lediglich dahin geht, die Versteigerung zu verhindern, um einem Verlust des Grundstücks und damit seines Anteils am Miteigentum unter Wert vorzubeugen, ist der Streitwert in Beziehung zu setzen zu der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem vom Widersprechenden befürchteten Mindererlös bei einem Zuschlag in der Zwangsversteigerung. Dieser Wert ist dann zu reduzieren auf den befürchteten anteiligen Verlust, der den Widersprechenden treffen kann. Ein ideelles Interesse am Fortbestand der Gemeinschaft, etwa um sich das soziale Umfeld zu erhalten, darf nicht berücksichtigt werden, weil dadurch weder der Verkehrswert noch der mögliche Versteigerungserlös beeinflusst werden kann.5

2.282 Die Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG ist auch zulässig zur Verwirklichung des Übernahmerechts aus § 1477 Abs. 2 BGB. In diesem Fall ist das Interesse des Klägers darauf gerichtet, den Hälfteanteil des geschiedenen Ehepartners gegen Wertersatz zu übernehmen. Deshalb ist in solchen Fällen auf den Verkehrswert des zu übernehmenden Hälfteanteils oder auf die Höhe der Abstandszahlung abzustellen. Entgegen OLG Bamberg6 kommt es nicht auf den Wert des dem Kläger schon gehörenden Anteils an.

2.283 Nach Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) verläuft die Abwicklung in Stufen.7 Wird dementsprechend geklagt auf 1. Zustimmung zur Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft an bestimmten Gegenständen, 2. Zustimmung zum Verkauf dieser Gegenstände und 3. Zahlung der Hälfte des voraussichtlichen Erlöses,

1 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 2 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547; OLG Hamm, JurBüro 1977, 1616; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598 m. Anm. Mümmler. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598 m. Anm. Mümmler. 4 Zustimmend Mümmler, JurBüro 1989, 1599; das OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 402 = JurBüro 1977, 1616 hat rund 1/6 des Anteilswerts angesetzt. 5 Schneider, BGH v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 6 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1065 m. Anm. Schneider = JurBüro 1991, 1694. 7 Siehe dazu ausführlich mit Nachw. H. Schneider, DGVZ 1985, 51 ff.

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dann sind die Anspruchswerte nicht zu addieren, weil sämtliche Anträge – der Stufenklage vergleichbar – wirtschaftlich eine Einheit bilden. Der Streitwert bemisst sich nach dem Anspruch, der den höchsten Wert hat, und das ist immer der Leistungsanspruch. Der Anteil des klagenden Miteigentümers ist – ebenso wie bei Miterbenstreitigkeiten (s. das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.) – abzuziehen.1 Der Erwerb aller Erbanteile durch mehrere in Bruchteilsgemeinschaft verbundene Personen führt 2.284 nicht zur Auflösung der Erbengemeinschaft und damit auch nicht zur Entstehung von Bruchteilseigentum an den einzelnen Nachlassgegenständen. Die Erwerber treten vielmehr in die vermögensund mitgliedschaftsrechtliche Stellung der verfügenden Miterben in der Gesamtheitsgemeinschaft ein, ohne dadurch selbst Erben im Rechtssinne zu werden. Die Gesamthandsgemeinschaft wird daher auch bei vollständiger Auswechslung ihrer Mitglieder nicht neu begründet, sondern mit anderen Personen fortgesetzt2. Mangels anderer Anhaltspunkte kann sich der Gebührenstreitwert am Regelwert gem. § 36 Abs. 3 GNotKG orientieren. Werden Mitwirkungshandlungen verlangt, die zur eigenen Geltendmachung einer gemeinschaftlichen Forderung gem. § 754 BGB notwendig sind, richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem Individualinteresse des Miteigentümers. Bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts einer auf die Mitwirkung zur Übertragung einer Grundschuld an die anderen Miteigentümer gem. § 747 Satz 2, § 754 Satz 2 BGB gerichteten Klage ist die damit verfolgte Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft im Rahmen des individuellen Kosteninteresses mit zu berücksichtigen.3

2.285

B. Gesamthandsgemeinschaft Im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft ist bei der Gesamthandsgemeinschaft die Rechtszuständig- 2.286 keit ungeteilt. Es ist gesamthänderisch gebundenes Vermögen geschaffen worden, das vom Vermögen des einzelnen Teilhabers zu unterscheiden ist. Der Gesamthandsanteil bezieht sich auf das Gesamthandsvermögen, nicht auf einzelne Gegenstände oder Rechte an diesen. Dem BGB sind die folgenden Gesamthandsgemeinschaften zu entnehmen: Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, fortgesetzte Gütergemeinschaft.

2.287

Bei Aufhebung einer Gemeinschaft mit gemeinsamer Berechtigung – z.B. gemeinschaftlicher Bausparvertrag – richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Verteilung und damit nach dem von ihm begehrten Anteil.4 Das gesamte Guthaben ist deshalb nicht wertbestimmend, weil dem die wirtschaftliche Betrachtungsweise entgegensteht, die sich insbesondere bei Miterbenstreitigkeiten auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt hat.5

2.288

Bei der Erbengemeinschaft werden mehrere Personen kraft Gesetzes durch einen Erbfall gesamthän- 2.289 derisch verbunden. Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft mit dem Erbfall ungeteilt als Ganzes auf die Miterben über. Der Nachlass bleibt zunächst zusammen und steht den Miterben gemeinschaftlich zur gesamten Hand zu. Sein Anteil an dieser Gemeinschaft verschafft dem Miterben keine unmittelbare gegenständliche Beziehung zum Nachlass oder Teilen davon, also auch keine dingliche Berechtigung am einzelnen Nachlassgegenstand selbst, sondern nur eine Gesamtberechtigung und einen Anspruch auf Auseinandersetzung. Die einzelnen Nachlassgegenstände stehen im Gesamthandseigentum. Die Erbengemeinschaft ist von vornherein auf Auflösung angelegt. Die zu beachtenden

1 2 3 4 5

OLG Köln, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 55. OLG Jena, Beschl. v. 16.6.2014 – 3 W 184/14, ZEV 2014, 603 = Rpfleger 2014, 665. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2015 – 5 W 96/14, Rpfleger 2015, 488. OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. Siehe dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 433.

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2. Teil

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Auflassung

Grundsätze für die Ermittlung des Streitwertes, wenn eine solche Auseinandersetzung mit Hilfe des Gerichts erstrebt wird, sind bei dem Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff., ausführlich dargestellt. Dort sind insbesondere die zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Gesichtspunkte – vornehmlich der Anteil eines mitberechtigten Klägers – herausgearbeitet.

2.290 Bei einem Antrag auf Zustimmung der Umwandlung eines Sparkassenkontos zu einem Konto der Erbengemeinschaft richtet sich das Interesse „nur“ auf die Ermöglichung bzw. Erleichterung der banktechnischen Abwicklung und nicht etwa nach dem Wert der eingehenden Beträge oder den Wertvorstellungen eines Miterben über seine Beteiligung am Nachlass und ist nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO zu bestimmen.1

2.291 Hat das Berufungsgericht in einem Verfahren auf Auseinandersetzung einer ungeteilten Erbengemeinschaft in Abweichung von der Teilungsanordnung des Erblassers im Teilungsplan, dem Beklagten das Alleineigentum an einer Eigentumswohnung zugesprochen und ansonsten den Parteien die Erträge und Kosten von anderen Eigentumswohnungen hälftig zugewiesen, so bemisst sich der Rechtsmittelstreitwert nach dem Wert des von ihm geltend gemachten Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung sowie dem 3,5-fachen Wert des einjährigen Bezuges der Nutzungen aus den anderen Eigentumswohnungen. Demgegenüber ist der Nutzungsvorteil des Beklagten, der eine Eigentumswohnung trotz eines nur anteiligen Gebrauchsrechts allein nutzt, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn der Kläger sein eigenes Mitgebrauchsrecht nicht geltend gemacht hat.2

2.292 Wird eine Grundstücksgemeinschaft durch Prozessvergleich auseinandergesetzt, so bemisst sich der Vergleichswert nach dem wirtschaftlichen Interesse der die Auseinandersetzung betreibenden Partei. Dies gilt entsprechend für den Vergleichsmehrwert, der festzusetzen ist, weil der Auseinandersetzungsanspruch nicht Klagegegenstand war.3

Auflassung 2.293 Für die Auflassung ist der Zuständigkeitsstreitwert und der Rechtsmittelstreitwert sowie über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der Gebührenstreitwert nach § 6 ZPO zu beurteilen. Gemäß § 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO ist bei Streitigkeiten über eine Sache, wenn es auf deren Besitz ankommt, hinsichtlich des Streitwerts auf den Wert der Sache abzustellen. Die Norm grundsätzlich für alle Streitwertarten, wobei für den Gebührenstreitwert gegenüber § 6 Satz 1, 1. Alt ZPO die Vorschrift des § 41 GKG vorgeht. Ansonsten ist § 6 ZPO auch insoweit über § 48 Abs. 1 GKG, § 23 Abs. 1 RVG anwendbar.

2.294 Nach § 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO ist bei Streitigkeiten über die bloße Sicherung einer Forderung oder über ein Pfandrecht grundsätzlich der volle Wert der gesicherten Forderungen zugrunde zu legen. Das gilt nach § 6 Satz 2 ZPO nicht, wenn der Haftungsgegenstand weniger wert ist als die gesicherte Forderung. Auch wenn sich § 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO seinem Wortlaut nach nur auf Streitigkeiten um den Besitz einer Sache bezieht, ist die Vorschrift im Wege eines Erst-Recht-Schlusses nach allgemeiner Meinung anwendbar, wenn es um das Eigentum an einer Sache geht.4

2.295 Im Grundsatz – und rein normativ unter dem Blickwinkel des § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO betrachtet – bestimmt sich das streitwertrelevante Interesse des Klägers nach dem vollen Verkehrswert des Grundstücks.5 Hierbei sind Grundpfandrechte und sonstige Belastungen des streitgegenständli1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – IV ZR 7/13, ErbR 2014, 20 m. Anm. N. Schneider. BGH, Urt. v. 17.3.1998 – BGH v. 17.3.1999 – IV ZR 205/98, ZEV 1999, 233 = EzFamR ZPO § 9 Nr. 3. OLG Stuttgart, Urt. v. 10.10.2003 – 13 W 39/03, OLGR 2004, 19. Vgl. nur OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458. 5 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83.

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chen Grundstücks grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.1 Der BGH vertritt insoweit nach wie vor die Auffassung, dass bei einer auf Auflassung eines Grundstücks gerichteten Klage für die Wertfestsetzung § 6 ZPO und damit der Verkehrswert des Grundstücks maßgebend ist.2 Dieser Grundsatz wird allerdings zunehmend aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. Einvernehmen besteht, dass eine rein normative Ermittlung des Streitwerts in gewissen Fallkonstellationen angesichts der wirtschaftlichen Interessen der Parteien einer Korrektur bedarf.

2.296

So hat das BVerfG hinsichtlich des Streitwerts eines Anspruchs auf Löschung einer Grundschuld oder Sicherungshypothek festgestellt, dass der Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten Partei im Zivilprozess verletzt werde, wenn durch eine Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen.3

2.297

Seither erfolgt in der Rechtsprechung eine zunehmend restriktive Auslegung der Norm. Nach einer grundlegenden Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2001,4 bestimmt sich der Gebührenstreitwert einer Klage auf Vollzug einer Auflassung (Erteilung einer Zustimmungserklärung), die wegen einer umstrittenen Restgegenforderung verweigert wird, nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung des Werts der streitigen Gegenforderung.5 Nunmehr wird angenommen, dass es vor allem bei solchen Klagen, die auf Herausgabe oder Auflassung eines Grundstücks gerichtet sind und gegen die sich der Beklagte mit einem Zurückbehaltungsrecht auf Grund einer verhältnismäßig geringen Gegenforderung verteidigt, erforderlich sei, eine Anpassung vorzunehmen, weil sonst der Wert der eigentlich im Streit stehenden Frage um ein Vielfaches durch die Kosten des Rechtsstreits übertroffen werde,6 was die unterlegene Partei unverhältnismäßig belaste.

2.298

Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG7 ist immer dann eine Abkehr von der normativen 2.299 Betrachtungsweise geboten und verstärkt die wirtschaftlichen Interessen der Parteien einzubeziehen, wenn eine wortlautgetreue Anwendung von § 6 ZPO dem dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmenden Justizgewährungsanspruch zuwiderläuft. Davon ist auszugehen, wenn zwischen den einer Partei entstehenden Kosten und dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrensgegenstands ein derartiges Missverhältnis besteht, dass hierin regelmäßig eine unzumutbare Erschwerung des Rechtsweges liegt.8 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG liegt ein solcher Fall vor, wenn es nicht nur um geringfügige Beträge geht und wenn schon das Gebührenrisiko für eine Instanz das wirtschaftliche Interesse eines Beteiligten an dem Verfahren erreicht oder sogar übersteigt.9 Wird also die Auflassung nur wegen eines streitigen Kaufpreiseinbehalts verweigert, bestimmt sich das Prozessinteresse der Parteien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht durch den Verkehrswert des Grundstücks, sondern durch den Betrag der offenstehenden Restkaufpreisforderung. Gerade in Immobiliarstreitigkeiten

1 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00; BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81. 2 BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – IV ZR 178/18; vgl. auch OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 4438/18. 3 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 4 BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295. 5 H.M., vgl. nur OLG München, Beschl. v. 18.1.2011 – 13 W 2712/10, IMR 2011, 125; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.5.2014 – 22 U 139/13, BauR 2015, 869. 6 KG, NJW-RR 2003, 787; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353; OLG Nürnberg v. 8.12.2010 – 2 W 2145/10, MDR 2011, 514 = NJW-RR 2011, 1007; 2012, 1105; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.1.2019 – 3 W 5/19. 7 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 8 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 9 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946; BVerfG, Beschl. v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, MDR 1992, 713.

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besteht die Gefahr, den Zugang zu den Gerichten mit nicht im Verhältnis zum wirklichen wirtschaftlichen Streit der Parteien stehenden Streitwerten zu erschweren.1

2.300 In der Rechtsprechung besteht daher Uneinigkeit darüber, ob der Gebührenstreitwert bei einer Auflassungsklage analog § 6 Satz 1 ZPO nach dem Verkehrswert des Grundstücks2 oder aber bei Verweigerung der Auflassung wegen einer geringfügigen Gegenforderung gem. § 3 ZPO nach deren Höhe3 bzw. nach einem Bruchteil des Verkehrswertes des Grundstücks4 zu bemessen ist.

2.301 Verweigert der Bauträger die Auflassung wegen der noch offenen Schlussrate und erhebt der Grundstückskäufer die Auflassungsklage, ist für die Streitwertfestsetzung das wirtschaftliche Interesse des Käufers an der begehrten Eigentumsumschreibung maßgeblich, das nicht auf die Zahlung bzw. Nichtzahlung der Schlussrate beschränkt ist, sondern einen darüber hinausgehenden, wesentlich höheren Stellenwert hat. Deshalb ist der Streitwert auf 20 % des Verkehrswertes bzw. Kaufpreises festsetzen.5

2.302 Nimmt ein Bauträger einen Erwerber auf Rückabwicklung eines Bauträgervertrags (Löschung der Auflassungsvormerkungen) in Anspruch und hält der Erwerber den Rücktritt des Bauträgers für unwirksam, ist der vereinbarte Kaufpreis die Bemessungsgrundlage für den Streitwert.6 Das Gleiche gilt, wenn umgekehrt der Erwerber auf Erfüllung eines Bauträgervertrags klagt und der Bauträger sich auf den Rücktritt von diesem Vertrag beruft.7 Ist der Vertrag, dessen Rückabwicklung umstritten ist, noch nicht vollständig erfüllt, ist der Streitwert in der Regel mit einer Quote der Bemessungsgrundlage anzusetzen.8

2.303 Dass in Einzelfällen die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses einer Partei geboten sein kann und Streitwertreduzierungen durch eine analoge Anwendung des § 3 ZPO oder eine verfassungskonforme Anwendung des § 6 ZPO rechtfertigt, darf der in der Norm zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung allerdings nicht völlig zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber wollte eine leicht und objektiv nachprüfbare Bewertungspraxis in diesen Fällen erreichen, so dass ein Rückgriff auf § 3 ZPO auch der eindeutigen gesetzgeberischen Intention widerspricht. Gerade in Fällen, in denen nicht die Umsetzung, also die Zustimmung zum Vollzug der Auflassung, sondern die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung als solche begehrt wird, ist § 6 ZPO uneingeschränkt anzuwenden. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers entspricht dem Verkehrswert des Grundstücks. Für einen Rückgriff auf § 3 ZPO oder eine verfassungskonforme Einschränkung des § 6 ZPO ist hier kein Raum9.

2.304 Klagt ein Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft gegen ein anderes Mitglied der Gemeinschaft auf Auflassung des der Gemeinschaft gehörenden Grundstücks an sich, so richtet sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Anteil des beklagten Miteigentümers. Grundstücksbelastungen sind in diesem Fall nicht zu berücksichtigen.10

2.305 Werden mehrere Beklagte auf Zustimmung zu einer begehrten Auflassung verklagt, so hat der Anspruch gegen jeden der Beklagten den vollen Streitwert. Diese Werte der einzelnen Ansprüche sind allerdings wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzurechnen. Maßgebend ist insgesamt nur einmal der Verkehrswert des Grundstücks, da der Kläger mit seinem Begehren nicht mehr als einmal das Eigentum am Grundstück erlangen kann. Demnach richtet sich der Streitwert der Klage eines Ver1 Vgl. Stichwort „Besitz“, Rz. 2.739 ff. 2 Vgl. OLG Köln v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Hamm v. 2.9.2004 – 22 W 49/04, OLGR Hamm 2005, 16; OLG Roststock, Beschl. v. 22.12.2011 – 3 W 205/11. 3 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353. 4 OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2002 – 4 W 162/02; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.5.2005 – 2 W 30/05. 5 LG Darmstadt, Beschl. v. 17.9.2018 – 11 O 18/18, ZfIR 2019, 98. 6 KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18. 7 KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18. 8 KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18. 9 Insoweit unzutreffend OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353. 10 KG, Beschl. v. 1.10.2008 – 1 W 455/08, MDR 2008, 1417 = AGS 2009, 185.

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Auflassungsvormerkung

2. Teil

ZPO

mächtnisnehmers gegen einen oder mehrere Miterben auf Übereignung eines durch Vermächtnis zugewandten Grundstücks nach dem vollen Verkehrswert des Grundstücks und nicht lediglich nach einem Bruchteil in Höhe des jeweiligen Erbteils des in Anspruch Genommenen.1

Auflassungsvormerkung A. Eintragung einer Auflassungsvormerkung Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu ermitteln durch freie Schätzung des Interesses, das der Kläger an der Sicherung seines Eigentumserwerbs hat.2 Denn die Auflassungsvormerkung sichert einen Anspruch auf Übertragung oder Einräumung des dinglichen Rechts selbst. Wirtschaftlich betrachtet ist sie ein Teil des Vollrechts.

2.306

Die Streitwertbemessung orientiert sich grundsätzlich an dem Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung von Belastungen, die die wirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigen (Dienstbarkeiten), nicht aber von Hypotheken und Grundschulden.3

2.307

Steht die Eintragung der Auflassungsvormerkung im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf, entspricht das streitwertrelevante wirtschaftliche Interesse dem Kaufpreis; Zubehör bleibt dabei außer Betracht. Daher ist bei der Bemessung des Streitwerts für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung der Wert einer mitverkauften Aufdach-Photovoltaikanlage nicht miteinzubeziehen, da es sich bei ihr um Zubehör des verkauften Grundstücks i.S.d. § 97 BGB handelt.4

2.308

Da die Eintragung der Auflassungsvormerkung auf die freie Verfügbarkeit des Grundstücks abzielt 2.309 und darauf gerichtet ist, sich dessen wirtschaftlichen Wert durch Veräußerung nutzbar zu machen, ist das Vorliegen eines Verwertungswillens und einer Verwertungsmöglichkeit Voraussetzung. Liegt der Fall anders und ist der Berechtigte darin gehindert, hat dies auf die Streitwertbemessung Einfluss. Denn dann ist sein wirtschaftliches Interesse im Wesentlichen deckungsgleich entweder mit der Vermeidung unnötiger Zinsen oder mit entgangenem Veräußerungsgewinn.5 Das aber lässt sich mit Zahlen belegen. Und deshalb sollte, was in der Praxis eigentlich nie geschieht, dem Kläger vor der Wertfestsetzung aufgegeben werden, solche Zahlen wenigstens annäherungsweise mitzuteilen.6 ZurRechtslage, wenn der Beklagte als Berufungskläger die Abänderung des ihn zur Einwilligung in 2.310 die Löschung einer Auflassungsvormerkung verurteilenden Urteils in eine Verurteilung Zug-um-Zug gegen Zahlungen des Klägers an ihn begehrt, s. das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

B. Löschung einer Auflassungsvormerkung 2.311

Siehe dazu auch bei dem Stichwort „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.311–2.319.

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12, MDR 2012, 978, ErbR 2012, 280 (m. Anm. N. Schneider). 2 OLG Kiel, HRR 1941 Nr. 550; OLG Oldenburg, Nds.RPfl. 1955, 135; OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 147; 1957, 316; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 1; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238. 3 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094. 4 OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.9.2012 – 12 W 230/12, JurBüro 2013, 96. 5 OLG Köln, Beschl. v. 14.3.1983 – 2 W 15/83, MDR 1983, 495. 6 Siehe dazu E. Schneider, MDR 1983, 638; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.1.1983 – 1 W 53/82, AnwBl. 1983, 174.

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2. Teil

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Auflassungsvormerkung

ZPO

2.312 Der Streitwert einer Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ist vom Gericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen.1 Maßgeblich ist das zu schätzende wirtschaftliche Interesse des Klägers an der freien Verfügbarkeit des Grundstücks, wobei die obere Grenze der lastenfreie Wert des Grundstücks ist. Je massiver in die Verwertbarkeit des Grundstücks eingegriffen wird, desto höher ist der Wert anzunehmen.

2.313 Grundsätzlich ist der Streitwert für eine auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung gerichtete Klage auf ein Viertel des Verkehrswertes des Grundstücks zu bemessen.2

2.314 Steht jedoch fest, dass die Auflassungsvormerkung erloschen ist, kann ein deutlich geringerer Betrag anzusetzen sein.3

2.315 Das OLG Köln4 hält es im Allgemeinen für angemessen, den Streitwert auf etwa 1/10 des Grundstückswerts festzusetzen. Das OLG Bamberg5 hält 1/10 ausnahmsweise für vertretbar, zugleich aber auch für die unterste Grenze. In einer weiteren Entscheidung6 hat das OLG Bamberg ebenfalls mit 1/10 des Grundstückswertes bemessen und als Bewertungsumstände angeführt: Wertangabe in der Klageschrift; geringe Einschränkung der Verfügungsfreiheit und deren wirtschaftliche Folgen für den Kläger; nur formaler Charakter des Löschungsstreits; Verwertungshindernisse nicht vorgetragen.

2.316 Das OLG Frankfurt7 geht für den Wert des Anspruchs auf Löschung einer Auflassungsvormerkung von der Höhe derjenigen Nachteile aus, die durch die Löschung wirtschaftlich verursacht werden. Regelmäßig wird in diesem Fall von einem Bruchteil des gesicherten Rechts auszugehen sein, der zwischen 1/2 und 1/10 des Verkehrswertes schwankt.8 Ist die Eigentumsfrage ebenfalls Gegenstand des Prozesses, ist der Wert mit 1/10 des vereinbarten Kaufpreises anzusetzen.

2.317 Das OLG Schleswig9 hat 1/6 als Höchstwert bezeichnet. Das OLG Frankfurt10 geht bis zu 1/4; dieser Bruchteil scheint bevorzugt zu werden.11 Ebenso hat das OLG Celle12 für den Streitwert einer Klage auf Löschung einer im Grundbuch eingetretenen Abtretung der Rechte aus einer Auflassungsvormerkung entschieden.

2.318 Das OLG Nürnberg13 nimmt für Klagen auf Löschung einer Auflassungsvormerkung den halben Grundstückswert an.

2.319 Im Grundsatz gilt, dass immer dann, wenn es um die Löschung von Rechten geht, die das Grundstücksrecht zwar im Ganzen betreffen, von ihrer Eigenart her aber den Gebrauch des Rechts als sol1 BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17, GE 2019, 1571. 2 BGH, Beschl. v. 16.6.2016 – V ZR 49/15, AGS 2017. 3 BGH, Beschl. v. 14.2.1973 – V ZR 179/72, NJW 1973, 654; BGH, Beschl. v. 11.7.2019 –V ZR 244/17, GE 2019, 1571 (1/10 des Verkehrswerts). 4 OLG Köln, Beschl. v. 14.3.1983 – 2 W 15/83, MDR 1983, 495. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1247. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.2006 – 1 W 24/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1007 m. Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 1511. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.4.1997 – 9 W 7/97, OLGR 1997, 177. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, OLGR 2008, 321: ohne Valutierung 20 % des Nennwertes. 9 OLG Schleswig, SchlHA 1966, 85. 10 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 526. 11 Ebenso OLG Nürnberg, JurBüro 1977, 717; München, JurBüro 1978, 1564; OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114; OLG Frankfurt v. 18.1.1983 – 1 W 53/82, AnwBl. 1983, 174; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1764. 12 OLG Celle, Beschl. v. 14.7.1986 – 4 W 100/86, JurBüro 1987, 1866. 13 OLG Nürnberg, AnwBl. 1970, 55.

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Auflösung einer GmbH

2. Teil

ZPO

ches nur teilweise einschränken, nicht der gesamte Grundstückswert für die Streitwertbemessung zugrunde gelegt werden kann. Vielmehr ist nach den Umständen des Einzelfalls ein angemessener prozentualer Abschlag zu machen, der die Intensität der Einwirkung des zu löschenden Eintrags auf das Gesamtrecht berücksichtigt. Regelmäßig wird ein Bruchteil des Grundstückswerts im Bereich von 1/10 bis höchstens 1/3 für die Streitwertbemessung nicht zu beanstanden sein.

Auflösung einer GmbH Die Auflösung einer GmbH ist in §§ 60 ff. GmbHG geregelt. Es muss ein Auflösungsgrund bestehen (§ 60 GmbHG). Der Auflösung folgt grundsätzlich ein Liquidationsstadium. Nach Begleichung der Schulden (§ 70 GmbHG) wird das Vermögen nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt (§ 72 GmbHG). Mit Abschluss der Liquidation (kein Aktivvermögen mehr vorhanden) ist die GmbH beendet und verliert die Rechtsfähigkeit. Die Beendigung ist zum Handelsregister anzumelden (§ 65 GmbHG). Die Eintragung hat allerdings nur deklaratorische Wirkung.

2.320

Der Wert einer Klage auf Auflösung einer GmbH (§ 61 GmbHG), auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens wegen unwirksamer Auflösung oder auf Feststellung des Nichtbestehens wegen bereits erfolgter Auflösung ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

2.321

Dabei ist das Interesse des Klägers an der Klärung der Frage der Auflösung für die Wertfestsetzung entscheidend.1 Es ist eine Zusammenschau aller konkret in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren geboten, z.B. Beteiligungswert, Verlustgefahr, drohende Haftungserweiterung, Höhe des Auseinandersetzungsguthabens, nicht jedoch mögliche Folgewirkungen.2 Zu berücksichtigen ist ggf. auch der Wert des Gesellschaftsanteils, den sich der Beklagte durch Nichtanerkennen der Kündigung zu Unrecht beilegt.3

2.322

Da die Auflösung letztlich darauf gerichtet ist, das vorhandene Vermögen der Gesellschaft nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen, ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO zunächst vom Verkehrswert des Geschäftsanteils des klagenden Gesellschafters auszugehen.4 Dieser Wert begrenzt den Wert der Auflösungsklage nach oben.

2.323

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Urteil, durch welches die Gesellschaft aufgelöst wird, noch 2.324 keinen vollstreckbaren Titel für den Zugriff auf ein eventuelles Auseinandersetzungsguthaben enthält. Daher gibt die Höhe der gesellschaftlichen Beteiligung des Klägers zwar einen Anhaltspunkt für sein Interesse, ist aber nicht ohne weiteres mit ihm gleichzusetzen,5 sondern nur ein Bemessungsumstand neben anderen. Fehlt es an messbaren wirtschaftlichen Vorteilen einer Auflösung der GmbH oder wirtschaftlichen Nachteilen bei deren Fortbestand, dann ist auf den nominellen Wert seines Geschäftsanteils abzustellen.6

1 OLG Dresden v. 4.3.2019 – 8 W 150/19, 8 W 170/19, ZIP 2019, 1071; OLG Naumburg, Urt. v. 20.4.2012 – 10 U 24/10, GmbHR 2013, 37; OLG Hamm, GmbHR 1955, 225. 2 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 22.6.1982 – 2 W 79/82, EWiR § 3 ZPO 1/88, 407. 3 OLG München, OLGE 25, 124. 4 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, EWiR § 3 ZPO 1/88, 407; OLG München, GmbHR 1957, 43. 5 RG, JW 1901, 395 Nr. 2. 6 OLG Naumburg, Urt. v. 20.4.2012 – 10 U 24/10, OLG Naumburg v. 20.4.2012 – 10 U 24/10, GmbHR 2013, 37.

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2.325

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2. Teil

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Aufrechnung

ZPO

2.326 Eine Wertfestsetzung auf den vollen Betrag der Stammeinlage kommt in Betracht, wenn die Auflösung der Gesellschaft erstrebt wird, um dem vollen Verlust der bisher ungeschmälerten Einlage vorzubeugen.1 Ansonsten ist regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der gesellschaftlichen Beteiligung des Klägers anzusetzen.2 Das Gleiche (Bruchteilsbewertung) gilt, wenn nicht die Auflösung an sich, sondern nur ihr Zeitpunkt streitig ist.

Aufrechnung Literatur: Bläsing, Der Streitwert im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Diss. 2001, S. 119; Madert, Streitwert der Hilfsaufrechnung, AGS 2002, 170 und 218; N. Schneider, Streitwert und Gebühren bei Vergleichsabschluss unter Einbeziehung einer Hilfsaufrechnung, AGS 2003, 150; E. Schneider, Anwaltsvergütung bei nichtbeschiedener Hilfsantrag oder Hilfsaufrechnung, AGS 2004, 274; Mock, Die Berechnung des Streitwertes bei Klage, Widerklage, Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung, RVHReport 2006, 405; N. Schneider, Streitwert bei Hilfsaufrechnung, AGS 2006, 34; N. Schneider, Die Berechnung des Gegenstandswertes bei der Rechtsanwaltstätigkeit bei nicht rechtskraftfähiger Entscheidung über eine Hilfsaufrechnung, AGS 2007, 255; Hansen, Der Streitwert des Berufungsverfahrens nach hilfsweiser Aufrechnung in erster Instanz, RVGReport 2008, 316; N. Schneider, Vergleich über die Hilfsaufrechnung, NJW-Spezial 2011, 411; H. Schneider, Wert- und Kostenberechnung bei hilfsweiser Aufrechnung, AGS 2012, 553; Leichsenring, Die Rücknahme der Prozessaufrechnung, NJW 2013, 2155; N. Schneider, Die Hilfsaufrechnung des Streitgenossen, NJW-Spezial 2015, 603. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.327 I. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.328 II. Anrechnung und Verrechnung . . . . . . 2.330 III. Geltendmachung im Prozess . . . . . . . . 2.334 IV. Haupt- und Hilfsaufrechnung . . . . . . . 2.337 V. Anzuwendende Vorschriften . . . . . . . . 2.339 B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . . 2.340 C. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . 2.341 I. Geltendmachung der Aufrechnung 1. Erfüllungseinwand/Prozessaufrechnung 2. Verteidigung mit Gewährleistungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderung/Freistellung von Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschuss- und Ersatzansprüche . . . d) Vertragsstrafeversprechen . . . . . . . . .

2.345 2.349 2.352 2.353 2.356 2.365

II. Hauptaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.366 III. Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eventualverhältnis a) Prozessuale Rügen . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrfache Hauptaufrechnungen . . . 2. Bestrittene Gegenforderung . . . . . . . . . .

2.369 2.370 2.372 2.374

3. Rechtskraftfähige Entscheidung . . . . . . . a) Entscheidung über Aufrechnungseinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung über Gegenforderung . aa) Unzulässigkeit der (Hilfs-)Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Aufrechnungslage . . . . 4. Umfang der Rechtskrafterstreckung a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reduktion der Klageforderung . . . . . c) Mehrfache Aufrechnung . . . . . . . . . .

Kurpat

2.379 2.388 2.390 2.396 2.401 2.404 2.405

IV. Wechsel zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.411 V. Instanzunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . 2.417 VI. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Besondere Verfahren Negative Feststellungsklage . . . . . . . . . . Klagenhäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . Wiederaufnahmeklage . . . . . . . . . . . . . .

2.424 2.426 2.427 2.432 2.434 2.435 2.437

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.438 I. Unterliegen des Klägers . . . . . . . . . . . . 2.440 II. Unterliegen des (aufrechnenden) Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.442

1 RG, JW 1901, 395; OLG Dresden, OLGE 31, 5. 2 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, BB 1988, 365.

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2.375

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Aufrechnung

2. Teil

III. Verwerfung des Rechtsmittels . . . . . . . 2.450

I. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.458

IV. Rücknahme des Rechtsmittels . . . . . . . 2.452

II. Anwaltliche Gebühren . . . . . . . . . . . . . 2.463

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.456

Stichwortübersicht Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.350 Abrechnung, Rechnungsposten . . . . . . . . . . 2.348 Abrechnungssaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.333 Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.384 Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 2.330, 2.448, 2.465 – hilfsweise erklärte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.444 Anwaltliche Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.463 Aufrechnung – des Klägers mit der Klageforderung . . . . . 2.247 – eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.377 – mehrfache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.405 – mit mehreren Gegenforderungen . . . . . . . 2.447 – verspätet zurückgewiesene . . . . . . . . . . . . 2.393 Aufrechnungseinwand . . . . . . . . . . . . 2.379, 2.381 Aufrechnungserklärung – außerprozessuale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.375 – wirksame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.384 Aufrechnungsforderung, ungenügend individualisierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.392 Aufrechnungslage, fehlende . . . . . . . . . . . . . 2.397 Aufrechnungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.395 Aufrechnungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.328 Bedingungsfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2.337 Berechnungsposten, unselbständige . . . . . . . 2.441 Bürge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.346, 2.377 Darlehensrückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.363 Dienstvertragliche Rechtsverhältnisse . . . . . . 2.355 Differenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.464 Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.386 Einzelforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.333 Empfangsbedürftige Erklärung . . . . . . . . . . . 2.328 Erfüllungseinwand . . . . . . . . . . 2.333, 2.335, 2.345 Erklärung von Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.346 Ersatzvornahmekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.357 Eventualforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.457 Eventualverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.370 – Missachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.372, 2.388 Fälligkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.399 Fehlerhafte anwaltliche Beratung . . . . . . . . . 2.355 Freistellung von Vergütung . . . . . . . . . . . . . . 2.353 Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.341 Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.445 – bestrittene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.341, 2.374 – Inhaber der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.345 – mehrere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.368, 2.409 – wertmäßig übersteigende . . . . . . . . . . . . . 2.367 Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.400 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.458

Geschäftsbesorgung, entgeltliche . . . . . . . . . 2.355 Gewährleistungsrechte – Gegenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 – Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.430 – Verteidigung mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.349 Gleichartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.394 Haupt- und Hilfsaufrechnung . . . . . . 2.337, 2.366, 2.309, 2.443 Hauptaufrechnung . . . . . . . . . . 2.366, 2.309, 2.443 – mehrfache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.372 Hilfserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.390 Hilfswiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.342 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.434 Instanzbezogene Wertfestsetzung . . . . . . . . . 2.461 Instanzunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.417 Kauf- und Werkvertragsrecht . . . . . . . . . . . . 2.353 Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.427 Klageforderung bestritten . . . . . . . . . . . . . . . 2.406 Klageforderung mit Aufrechnung . . . . . . . . . 2.347 Mangel-/Mangelfolgeschäden . . . . . . . . . . . . 2.362 Mietrechtliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 2.354 Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.353 Negative Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . 2.424 Nichterfüllung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . 2.356 Prozessaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.336 Prozessuale Rügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.370 Qualifizierung, fehlerhafte . . . . . . . . . . . . . . 2.351 Rechnungsposten, unselbständige . . . . . . . . . 2.330 Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.329 Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.341 Rechtskrafterstreckung, Umfang . . . . . . . . . . 2.401 Rechtskraftfähige Entscheidung . . . . . 2.375, 2.422 Reduktion der Klageforderung . . . . . . . . . . . 2.404 Rücknahme der Aufrechnungserklärung . . . . 2.384 Rücknahme des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . 2.452 Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.352 – Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Sachvortrag, verspäteter . . . . . . . . . . . . . . . . 2.398 Saldoforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.384 Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.362 – wegen einzelner Mängel . . . . . . . . . . . . . . 2.357 – wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.356 – wegen Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.364 – wegen Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.363 Sperrgrenze, § 322 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . 2.459 Streitwert bis/nach Übergang der Hilfszur Hauptaufrechnung . . . . . . . . . . 2.411, 2.393

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2. Teil

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Aufrechnung

Substantiierung, unzureichende . . . . . . . . . . 2.397 Überzahlung auf Abschlagrechnung . . . . . . . 2.332 Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.391 Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.463 Verfahrensstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.460 Vergebliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . 2.357 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.456 Vergleich im Rechtsmittelverfahren . . . . . . . 2.461 Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.385 Verstoß gegen § 308 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . 2.382 Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.344 Vertragsstrafeversprechen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3652 Verwerfung des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . 2.450

Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . 2.435, 2.449 Vorbehaltsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.387 Vorgreifliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . 2.381 Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.357 Vorschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.343 Vorschusszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.332 Wertfestsetzung, getrennte . . . . . . . . . . . . . . 2.419 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.342 Wiederaufnahmeklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.437 wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . 2.466 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . 2.378, 2.380 Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . 2.340

A. Allgemeines 2.327 Im Prozess kann sich der Beklagte mit Einreden und Einwendungen gegen die Klageforderung verteidigen. Beruft er sich erfolgreich darauf, dass die Klageforderung durch eine wirksame Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen ist, wird die Klage als unbegründet abgewiesen. Dabei ist zwischen der Erklärung der Aufrechnung als materiell-rechtlicher Gestaltungserklärung (§ 388 BGB) und der Geltendmachung der erklärten Aufrechnung im Prozess zu unterscheiden.

I. Aufrechnung 2.328 Aufrechnung ist die wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen. Sie stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft dar, dessen Vornahme durch empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem anderen Teil erfolgt. Diese muss für die Herbeiführung materiell-rechtlicher Folgen nicht ausdrücklich abgegeben werden, hinreichend ist eine klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens. Daher kann in dem Verweis auf eine bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeblich erklärte Aufrechnung im Einzelfall deren Wiederholung liegen.1 Aufgrund ihrer endgültigen Wirkung (§ 389 BGB) kann jedoch eine einmal wirksam erklärte Aufrechnung weder wiederholt werden noch kann ihr mit einer weiteren Aufrechnung (sog. Replik der Aufrechnung) entgegnet werden.

2.329 Nicht selten wird vorprozessual wie auch innerhalb des Prozesses eine Verteidigung vom Beklagten als „Aufrechnung“ bezeichnet, obwohl sie es nicht ist. Deshalb ist diese Vorfrage stets aufgrund rechtlicher Würdigung zu klären. So reicht es für die Streitwertbestimmung und eine danach im Einzelfall gebotene Wertaddition nicht aus, dass der Beklagte seine Verteidigung irrig als Aufrechnung bezeichnet. Verlangt er beispielsweise Herabsetzung des Kaufpreises wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB), etwa aufgrund unterlassener Aufklärung über die Ertragsumstände einer Praxis, dann leugnet er, dass die Klageforderung in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Der Streitwert ist dann einfach zu berechnen, auch wenn der Beklagte „nachdrücklich die Aufrechnung erklärt“.2

II. Anrechnung und Verrechnung 2.330 Abzugrenzen ist die Aufrechnung daher von der – für die Streitwertbestimmung unbedeutenden – Anrechnung und der (vertraglich vereinbarten) Verrechnung. Im Gegensatz zur Aufrechnung, bei der sich 1 BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 127/93, MDR 1994; zust. nur für die außerprozessuale Aufrechnung Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 11. 2 OLG Köln, Beschl. v. 9.5.1984 – 16 W 36/84.

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Aufrechnung

2. Teil

ZPO

zwei selbständige Forderungen gegenüberstehen, sind bei der Anrechnung von einem Anspruch unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen.1 Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung einer Partei bedarf. Eine nach dieser Maßgabe fehlerhaft erklärte Aufrechnung bleibt wirkungslos. Auch gelangen hier weder Aufrechnungsverbote zur Anwendung noch erwächst die Entscheidung über den Bestand der Einzelposten in Rechtskraft.2 Zur Berechnung der Beschwer bei irrtümlicher Bescheidung als Aufrechnung s. Rz. 2.3511.

2.331

Fälle der Anrechnung sind die Kürzung einer Auszahlung aufgrund von Vorschusszahlungen,3 die Verteidigung mit Überzahlungen auf Abschlagsrechnungen,4 die Anwendung der Saldotheorie bei der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 818 BGB,5 die Schadensermittlung nach der Differenztheorie,6 die Vorteilsausgleichung7 und nach überwiegender Ansicht auch die Rückabwicklung beim Rücktritt vom Vertrag gem. § 346 BGB.8 Zur Verteidigung mit gewährleistungsrechtlichen Gegenansprüchen s. auch nachfolgend Rz. 2.349 ff.

2.332

Anders als bei der Aufrechnung erfolgt die Tilgung einander gegenüberstehender Forderungen bei der Verrechnung nicht durch einseitige Erklärung, sondern im Wege des Vertrages (Aufrechnungsvertrag), beispielsweise im Fall der Kontokorrentabrede. Stützt der Kläger seine Klage auf einen sich daraus ergebenden Abrechnungssaldo, dann bleiben die verrechneten Einzelforderungen unselbständige Bestandteile. Beruft sich der Beklagte gegenüber der (prozessualen) Geltendmachung einer Einzelforderung auf eine entsprechende Verrechnung, handelt es sich um einen bloßen Erfüllungseinwand. Eine (Hilfs)Aufrechnung ist nur dann anzunehmen, wenn sie einen von dem mit der Klage geltend gemachten Saldo unabhängigen Wert enthält.9

2.333

III. Geltendmachung im Prozess Im Prozess werden die Rechtsfolgen der Aufrechnung als Verteidigungsmittel (§ 296 ZPO) durch Pro- 2.334 zesshandlung geltend gemacht, deren Zulässigkeit und Wirksamkeit sich nach dem Verfahrensrecht bestimmt. Insoweit ist aufgrund des verfahrensgestaltenden Charakters eine ausdrückliche Erklärung erforderlich, da schlüssiges Verhalten nur in den vom Gesetz ausnahmsweise vorgesehenen, hier nicht einschlägigen Fällen (z.B. § 39, § 138 Abs. 3, § 295 ZPO) ausreicht.10

1 MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 Rz. 50. 2 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702; BGH, Beschl. v. 10.4.1997 – VII ZR 266/96, NJW-RR 1997, 1157; BGH, Urt. v. 13.1.1993 – XII ZR 212/90, MDR 1993, 543; KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 1071/99, JurBüro 2000, 419; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 3; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 11. 3 RGZ 141, 259; MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 BGB Rz. 50. 4 KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 1071/99, JurBüro 2000, 419 – ungenau als Verrechnung bezeichnet; wohl auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauR 2005, 1520 = IBR 2005, 525; Meyer, § 45 Rz. 29. 5 BGH, Urt. v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951; BGH, Urt. v. 24.6.1963 – VII ZR 229/62, NJW 1963, 1870; Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 50. 6 BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 71/99, NJW 2001, 3535; Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 20. 7 BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, MDR 1997, 1671; Palandt/Grüneberg, Vorb. § 249 Rz. 71. 8 BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907; MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 Rz. 50; a.A. Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rz. 2 unter Verweis auf § 348 BGB. 9 OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.3.2012 – 13 W 12/12, JurBüro 2012, 363. 10 Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rz. 19.

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2. Teil

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Aufrechnung

ZPO

2.335 Dabei kann sich die Geltendmachung auf die Bezugnahme einer bereits außerprozessual erklärten Aufrechnung beschränken. Es handelt sich dann um einen bloßen Erfüllungseinwand nach § 389 BGB, der ohne weitere Anhaltspunkte keine Wiederholung der Aufrechnungserklärung darstellt.1

2.336 Fallen hingegen Aufrechnungserklärung und prozessuale Geltendmachung in einer Handlung zusammen (sog. Prozessaufrechnung), ist deren materiell- und prozessrechtliche Doppelnatur2 zu beachten. Als Verteidigungsmittel, das nur für den Fall erklärt wird, dass das Gericht die Klageforderung in seiner abschließenden Entscheidung für begründet erachtet, kann die Hilfsaufrechnung bis zum Eintritt der Rechtskraft frei zurückgenommen werden.3

IV. Haupt- und Hilfsaufrechnung 2.337 Gemäß § 388 Satz 2 BGB ist die Aufrechnungserklärung als Gestaltungsgeschäft unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Dennoch kann die Aufrechnung im Rechtsstreit hilfsweise für den Fall erklärt werden, dass anderweitig geltend gemachte Einreden nicht durchgreifen oder die Hauptforderung vom Gericht für begründet erachtet wird. Diese sog. Rechtsbedingung beschreibt lediglich ein Erkenntnisproblem hinsichtlich des Bestandes der Hauptforderung zum Zeitpunkt der Erklärung und nicht die Abhängigkeit von einem künftigen ungewissen Ereignis.4

2.338 Ob mit der Rechtsverteidigung eine Haupt- oder Hilfsaufrechnung gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist nicht die Wahl des Ausdrucks, sondern der sachliche Gehalt der Rechtsverteidigung ausschlaggebend.5 Ob Hauptvorbringen und Hilfsvorbringen im Prozess in einem Eventualverhältnis stehen, richtet sich ganz allein nach dem – gem. § 139, § 278 Abs. 2 ZPO zu erfragenden – Willen der erklärenden Partei.6 Im Zweifel ist von einer nur hilfsweise erklärten Prozessaufrechnung auszugehen.7 Siehe auch Rz. 2.369 ff.

V. Anzuwendende Vorschriften 2.339 Ebenso wie bei der Widerklage ist auch bei der Aufrechnung zwischen Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert sowie Rechtsmittelstreitwert und Beschwer zu unterscheiden. Gesetzlich normiert ist mit § 45 GKG nur der Gebührenstreitwert der Hilfsaufrechnung, und zwar in Abs. 3 für den Rechtsstreit und in Abs. 4 für den Vergleich. Dessen Auslegung hat zu zahlreichen Streit- und Zweifelsfragen geführt. Hinzu kam bis zum 30.6.1994 die widersprüchliche Regelung von Haupt- und Hilfsantrag in § 19 Abs. 4 GKG a.F.,8 die von Gerichten zur Auslegung herangezogen wurde. Der Hilfsanspruch ist durch das KostRÄndG 1994 der Regelung von Klage und Widerklage angeglichen. Dies ist anlässlich der Neufassung in § 45 GKG beibehalten worden. Bei der Heranziehung älterer Rechtsprechung darf die Neuregelung durch das KostRÄndG 1994 nicht unbeachtet bleiben.

1 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 219/94, MDR 1995, 407; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 11; weitergehend BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 127/93, MDR 1994, 1144; Schneider, JurBüro 1969, 785. 2 Vgl. BGH, NJW 1957, 591; Palandt/Grüneberg, § 388 BGB Rz. 2. 3 BGH, Beschl. v. 25.3.2020 – XII ZR 29/19, MDR 2020, 749. 4 MünchKomm.BGB/Schlüter, § 388 Rz. 4; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 13 m.w.N. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 24.6.1985 – 14 W 322/85, JurBüro 1985, 147; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, OLGR 1995, 79 = JurBüro 1995, 645; OLG Köln, Beschl. v. 30.4.1993 – 19 W 15/93, JurBüro 1994, 495. 6 Kion, Eventualverhältnisse im Zivilprozess, 1971, § 3 I; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 18 II; Merle, ZZP 1970 (83), 437. 7 Palandt/Grüneberg, § 388 BGB Rz. 3. 8 Vgl. hierzu E. Schneider, NJW 1975, 2107.

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Aufrechnung

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2. Teil

Auf den Zuständigkeitsstreitwert hat die Geltendmachung der Aufrechnung keinen Einfluss, denn dieser wird durch den Streitgegenstand bestimmt und setzt Rechtshängigkeit des Anspruchs (§ 261 Abs. 1 ZPO) voraus. Da die Gegenforderung mit der Geltendmachung der Aufrechnung nicht rechtshängig wird,1 ist insbesondere für eine Addition von Forderung und Gegenforderung gem. § 5 Satz 1 ZPO kein Raum.2

2.340

C. Gebührenstreitwert Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes ist zunächst davon abhängig, ob die Geltendmachung der Aufrechnung primär, also ohne Bestreiten der Klageforderung, oder nur hilfsweise (sekundär) erfolgt. Sodann ist zu unterscheiden, ob die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bestritten oder unbestritten ist. Denn eine Addition von Klage- und Gegenforderung erfolgt nur, wenn und soweit über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und bestrittene Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 3 GKG, § 322 Abs. 2 ZPO. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an dieser Prüfungsreihenfolge.

2.341

Geht der Beklagte von der Rechtsverteidigung zum Angriff über und verfolgt seine zur Aufrechnung 2.342 gestellten Ansprüche (zugleich) mit der Widerklage, sind die Einzelwerte von Klage und Widerklage – jetzt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG – zusammenzurechnen, soweit nicht derselbe Gegenstand betroffen ist.3 Ferner ist zu addieren, wenn eine – für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung erhobene – Hilfswiderklage vom Gericht beschieden wird (s. hierzu ausführlich Rz. 2.369 ff.). Die Geltendmachung der Aufrechnung löst ebenso wenig wie die Erhebung der Widerklage eine Vorschusspflicht gem. § 12 GKG aus. Da erst bei Abschluss der Instanz feststeht, ob über die Gegenforderung rechtskräftig entschieden oder sie durch Prozessvergleich verbraucht wird, kann der Streitwert erst bei Instanzbeendigung endgültig festgesetzt werden, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.

2.343

Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist gem. § 32 RVG auch für die – durch die Tätigkeit 2.344 im gerichtlichen Verfahren ausgelösten – anwaltlichen Gebühren maßgeblich. Das gilt auch soweit gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit einander nicht entsprechen, etwa wenn der Vortrag zu einer hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung unberücksichtigt bleibt, weil die Klage bereits mangels Schlüssigkeit abzuweisen ist. Dem Begehren, in diesen Fällen (auf Antrag) neben dem Gebührenstreitwert gem. § 33 Abs. 1 RVG einen Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit unter Hinweis auf den mit der Begründung (bzw. Abwehr) der Aufrechnungsforderung verbundenen Aufwand festzusetzen, ist die Rechtsprechung ganz überwiegend entgegen getreten.4 Eine Berücksichtigung der Auf-

1 BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, BGHZ 57, 422 = MDR 1972, 318; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 18. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438; Mattern, NJW 1969, 1087 ff.; Musielak/Voit/Heinrich, § 3 ZPO Rz. 23 unter „Aufrechnung“; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 9. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255. 4 BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – VII ZB 99/07, MDR 2009, 54 = AGS 2008, 584 m. Anm. N. Schneider; KG, Beschl. 21.10.2008 – 7 W 59/08, JurBüro 2009, 86 = AGS 2009, 249; KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488; OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.8.2006 – 13 W 31/05; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.8.2009 – 14 W 63/09, JurBüro 2009, 645; OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2007 – 19 U 48/06, MDR 2007, 618 = AGS 2007, 204 m. Anm. E. Schneider; OLG Jena, Beschl. v. 1.7.2008 – 5 U 552/07, MDR 2008, 1426; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470 mit abl. Anm. E. Schneider; Madert, AGS 2002, 218, 220; a.A. LAG Hamm, Beschl. v. 26.5.1989 – 8 Ta 65/89, MDR 1989, 852; LAG Köln, Beschl. v. 14.9.2001 – 13 Ta 214/01, NZA-RR 2002, 437 = AnwBl. 2002, 185; LAG Nürnberg, Beschl. v. 30.9.2004 – 6 Ta 27/04, MDR 2005, 120; VGH BW, AGS 2008, 138; AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 Rz. 15, 17 ff.; Hansens, RVGreport 2008, 154.

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B. Zuständigkeitsstreitwert

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rechnungsforderung ist dagegen im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten denkbar, zumindest dann, wenn der Anwalt weitergehend mandatiert und vorprozessual entsprechend tätig war.1

I. Geltendmachung der Aufrechnung 1. Erfüllungseinwand/Prozessaufrechnung

2.345 Wie bereits dargelegt, kann sich der (Wider-)Beklagte im Prozess in unterschiedlicher Weise auf die Folgen der Aufrechnung berufen. Für die Streitwertbemessung bedarf es jedoch keiner Differenzierung danach, ob die Aufrechnung vom Inhaber der Gegenforderung über den Erfüllungseinwand oder als Prozessaufrechnung in den Rechtsstreit eingeführt wird, da die § 45 Abs. 3 GKG, § 322 ZPO nicht auf die Erklärung der Aufrechnung, sondern nur auf die „Geltendmachung“ von deren Folgen abstellen. Folgerichtig erwächst auch die Bescheidung des bloßen Erfüllungseinwandes bezüglich des Bestehens bzw. Nichtbestehens der außergerichtlich zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung in Rechtskraft.2

2.346 Beruft sich der Beklagte auf die Folgen der von einem Dritten erklärten Aufrechnung, etwa der verklagte Bürge auf die des Hauptschuldners, ändert dies nichts am rechtsvernichtenden Charakter der Einwendung (Tilgungseinwand). Die Uneinigkeit darüber, ob in diesem Fall der Gebührenstreitwert entsprechend § 45 Abs. 3 GKG zu bestimmen ist, wird streitwertrechtlich daher nicht an dieser Stelle entschieden. Denn problematisch ist nicht die Geltendmachung der Aufrechnung, sondern ob darüber eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, was nicht der Fall ist, da diese nur zwischen den Parteien wirkt (s. hierzu Rz. 2.377 ff.).

2.347 An einer Rechtskrafterstreckung gem. § 322 Abs. 2 ZPO fehlt es auch, wenn sich der Beklagte auf eine (außerprozessuale) Aufrechnung des Klägers mit der Klageforderung beruft. Denn § 322 Abs. 2 ZPO dient dem Schutz des Klägers vor einer erneuten Inanspruchnahme aufgrund der bereits beschiedenen Gegenforderung. Daher fehlt es an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung über eine Aufrechnungsforderung, wenn die Klage nur deshalb abgewiesen wird, weil der Kläger während des Rechtsstreits außerprozessual die Aufrechnung mit der Klageforderung gegenüber einer (nicht streitgegenständlichen) Forderung des Beklagten erklärt und Letzterer dies im Rechtsstreit geltend gemacht hat.3 Auf diesen Fall ist § 322 Abs. 2 ZPO weder unmittelbar noch analog anzuwenden, weil der aufrechnende Kläger hier – anders als bei Aufrechnung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage4 – nicht Schuldner derjenigen Forderung ist, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet.

2.348 Ebenso fehlt es an der Geltendmachung, wenn der Kläger mit seiner Zahlungsklage eine Saldoforderung zum Gegenstand macht und hierbei entgegen einer – vorprozessualen – Berechnung des Beklagten eine von diesem eingestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, d.h. in Abzug gebracht hat. Bei der Gegenforderung handelt es sich dann lediglich um einen Rechnungsposten im Rahmen der Abrechnung, hinsichtlich deren Berechtigung die Entscheidung nicht gem. § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft erwächst.5

1 BGH, Beschl. v. 22.7.2020 – XII ZR 29719, JurBüro 2021, 42 zur vorgerichtlichen Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels; KG, Beschl. v. 21.10.2008 – 7 W 59/08, JurBüro 2009, 86 = AGS 2009, 249; KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.8.2009 – 14 W 63/09, JurBüro 2009, 645. 2 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.1.1989 – 8 W 248/88, NJW-RR 1989, 841; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 5; Meyer, § 45 Rz. 28; Zöller/G. Vollkommer, § 322 ZPO Rz. 15. 3 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643. 5 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702.

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Auch bei der Anrechnung stehen sich nicht zwei selbständige Forderungen gegenüber. Vielmehr sind hier von einem Anspruch unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen. So werden bei vertraglichen Schuldverhältnissen Gewährleistungsrechte häufig nicht über eigenständige und damit im Wege der Aufrechnung verfolgbare Ansprüche, sondern durch eine Saldierung bei der Berechnung des Hauptanspruches berücksichtigt.

2.349

So liegt beispielsweise beim Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Abgrenzung zwischen 2.350 Aufrechnung und Anrechnung die Frage zugrunde, ob für den Inhalt des Schadensersatzanspruches unabhängig von der Gegenleistung allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers (sog. Austauschoder Surrogationstheorie) oder auf die Einheit von vertraglich geschuldeter Leistung und Gegenleistung abgestellt und damit der Ersatzanspruch des Gläubigers auf die Nichterfüllung des ganzen Vertrages, d.h. auf die Differenz zwischen Erfüllung und Nichterfüllung der beiderseitigen Verpflichtungen, zurückgeführt wird (sog. Differenztheorie).1 Hat er – wie in der hier zu bewertenden Fallkonstellation (Verteidigung mit Gewährleistungsrechten) – seine Gegenleistung (Vergütung) noch nicht erbracht, kann er seinen aus der Nichterfüllung resultierenden Schaden nach der Differenztheorie berechnen. Das Vertragsverhältnis wandelt sich nach bislang herrschendem Verständnis dann zu einem Abrechnungsverhältnis, in dem die Einzelleistungen und -aufwendungen, u.a. die ersparte Gegenleistung (Vergütung), nur noch bloße Rechnungsposten darstellen. Ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung eines etwaigen Differenzbetrages stellt danach einen Fall der Anrechnung und nicht der Aufrechnung dar.2 Dem ist der BGH (7. Zivilsenat) – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – entgegengetreten.3 Danach stehen sich Vergütungsanspruch und Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung als selbständige Forderungen aufrechenbar gegenüber. Die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung und etwaigen Aufrechnungsverboten dürften durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Verrechnung nicht unterlaufen werden. Dieser Ansicht haben sich mittlerweile die OLG Hamm4, Düsseldorf 5 und Brandenburg6 angeschlossen.7 Ob eine eigenständige Forderung zur Aufrechnung gestellt oder nur ein Fall der Anrechnung vorliegt, 2.351 bedarf im jeweiligen Einzelfall daher einer genauen juristischen Prüfung, ohne dass es dabei auf die von dem Beklagten vorgenommene sprachliche Einordnung ankommt.8 Für die Bestimmung der Beschwer ist weiter zu klären, ob eine fehlerhafte Qualifizierung und Bescheidung des Verteidigungsvorbringens als Aufrechnung in Rechtskraft erwächst und allein deshalb den Beklagten beschwert.9 Ungeachtet dieser Vorfragen darf nicht übersehen werden, dass sich die Bewertungsproblematik bei nur teilweiser Nichterfüllung der dem Kläger obliegenden Leistung oder dem Verlangen des Beklagten nach Aufwendungsersatz oft nicht stellt. Regelmäßig wird hier die Klageforderung als solche nicht in Abrede gestellt, so dass selbst bei einer Qualifizierung als Aufrechnung eine Wertaddition schon aufgrund der bloßen Primärverteidigung ausscheidet.10 Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden:

1 MünchKomm.BGB/Emmerich, vor § 281 BGB Rz. 26 ff.; Palandt/Heinrichs, § 281 BGB Rz. 20 m.w.N. 2 BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 71/99, NJW 2001, 3535; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; BGH, Urt. v. 19.1.1978 – VII ZR 175/75, MDR 1978, 483. 3 BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, MDR 2005, 1344. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 30.11.2005 – 17 W 42/05, NJW-RR 2006, 456. 5 OLG Düsseldorf v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; s. aber bereits OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – 11 W 52/13, ZAP EN-Nr. 247/2014. 7 Zust. Kessen, BauR 2005, 1691, 1697. 8 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 9 Bejahend BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 148/01, MDR 2002, 601; BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285. 10 E. Schneider, Anm. zu OLG Düsseldorf, KostRsp. GKG § 19 Nr. 87, 88.

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2. Verteidigung mit Gewährleistungsrechten

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a) Rücktritt

2.352 Erklärt der Beklagte, etwa gem. § 437 Nr. 2, § 440 bzw. § 634 Nr. 3, § 636 BGB, den Rücktritt vom Vertrag, ist der Vertrag rückabzuwickeln, § 346 Abs. 1 BGB. Dies stellt keine Aufrechnung dar, so dass eine Wertaddition ausscheidet.1 Beruft sich der Beklagte gegenüber der auf Rückzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung gerichteten Klage auf die Verpflichtung des Klägers zur Nutzungsentschädigung (§ 346 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB), handelt es sich nach Auffassung des BGH2 um einen Fall der Anrechnung. § 348 BGB, wonach die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen sind, steht dem nicht entgegen.3 b) Minderung/Freistellung von Vergütung

2.353 Mit der Minderung (§ 437 Nr. 2, § 634 Nr. 3 BGB) macht der Beklagte geltend, dass der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch von vornherein nicht in der Höhe entstanden ist, die der Kläger ansetzt. Auch hier wird also nicht aufgerechnet, sondern die Klageforderung anders und geringer berechnet. Greift der Minderungseinwand durch, dann wird im Kauf- und Werkvertragsrecht der Erfüllungsanspruch mit Zugang der Erklärung auf den nach § 441 Abs. 3 BGB bzw. § 638 Abs. 3 BGB zu berechnenden Betrag herabgesetzt. Eine Wertaddition ist ausgeschlossen, da nicht zwei selbständige Forderungen gegenübergestellt und miteinander verrechnet werden, so dass auch nicht über den Bestand einer Gegenforderung (§ 322 Abs. 2 ZPO) rechtskräftig entschieden worden ist.4

2.354 In mietrechtlichen Streitigkeiten ist zu unterscheiden: Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der auf Zahlung von Miete gerichteten Klage mit dem Einwand der Mietminderung, scheidet die Annahme einer Aufrechnung aus den vorstehenden Erwägungen aus. Für eine abweichende Ansicht ist auch schon deswegen kein Raum, weil sich die Miete bei Sach- und Rechtsmängeln kraft Gesetzes mindert. § 536 Abs. 1 und 3 BGB begründen keinen Anspruch, sondern eine rechtsvernichtende Einwendung des Mieters.5 Anders liegt es dagegen, wenn der Beklagte sich gegenüber dem Zahlungsanspruch auf minderungsbedingte Überzahlungen nicht streitgegenständlicher Zeiträume beruft. Hier rechnet der Beklagte (werterhöhend) mit einem eigenständigen Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf.

2.355 Für dienstvertragliche Rechtsverhältnisse und die entgeltliche Geschäftsbesorgung fehlt es an speziellen gewährleistungsrechtlichen Regelungen. Wendet der Beklagte gegenüber der Vergütungsklage ein, die Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung sei aufgrund ihrer mangelhaften Ausführung für ihn ohne oder nur von geringem Wert gewesen, liegt darin keine Aufrechnungserklärung. Hier ist, etwa bei einem auf einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung beruhenden Gebührenanspruch, für die Annahme einer Aufrechnung kein Raum. Mit dem Einwand stellt der Beklagte dem Zahlungsverlangen keinen eigenständigen Anspruch gegenüber, sondern beruft sich auf eine unzulässige Rechtsausübung des Klägers. Denn der Vergütungsanspruch ist nur in dem Umfang durchsetzbar, in dem er – beispielsweise – ohne die fehlerhafte Beratung entstanden wäre. Damit handelt es sich um einen Fall der Anrechnung, der den durch die Klageforderung bestimmten Streitwert nicht verändert.6 Das gilt auch, soweit der Beklagte ausdrücklich die Aufrechnung mit einem diesbezüglichen Schadensersatzan1 2 3 4

BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907. BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907. So aber Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rz. 2. Nur im Ergebnis zutreffend OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228, das jedoch zu Unrecht auf die mit der Gegenforderung verbundene gerichtliche und anwaltliche „Mehrarbeit“ abstellt. 5 BGH, Urt. v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 1. 6 BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, MDR 2009, 1251 = AGS 2009, 495; BGH, Urt. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.2000 – 24 W 53/00, MDR 2001, 113 = AGS 2001, 130; OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2011 – 28 U 63/10, AGS 2012, 439; Anders/Gehle/Kunze, Stich-

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spruch erklärt, wobei der Ersatzanspruch ohnehin nur auf Freistellung von einer Verbindlichkeit und damit auf eine nicht gleichartige Leistung (§ 387 BGB) gerichtet wäre.1 Anders liegt es jedoch, wenn der Beklagte einen über die fehlerhafte und damit wertlose Beratungsleistung hinausgehenden Schaden geltend macht. c) Vorschuss- und Ersatzansprüche Verteidigt sich der Beklagte mit dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281, § 283, 311a BGB), war auf Grundlage der Differenztheorie nach bislang herrschender Ansicht von einer Anrechnung auszugehen. Dies zumindest dann, wenn der Beklagte die Werkleistung wegen völliger Wertlosigkeit zurückweist und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages beansprucht.2

2.356

Umstritten ist dagegen, ob eine Saldierung der Aktiv- und Passivposten auch vorzunehmen ist, wenn der Besteller das Werk behält und nur Schadensersatz wegen einzelner Mängel, mithin Gewährleistungsrechte aus teilweiser Nichterfüllung des Vertrages, beansprucht. Von Bedeutung ist dies für die Einordnung der Verteidigung mit einem Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten (§ 637 Abs. 1 BGB), auf Zahlung eines Vorschusses darauf (§ 637 Abs. 3 BGB) und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 634 Nr. 4, § 284 BGB).

2.357

Die bislang überwiegende Ansicht geht auch hier nur von einer Anrechnung aus und verneint eine 2.358 nach § 45 Abs. 3 GKG zur Streitwerterhöhung führende (Hilfs-)Aufrechnung i.S.d. § 387 BGB. Der Unterschied zu dem Schaden, der für den Auftraggeber mit der völligen Wertlosigkeit der Werkleistung verbunden ist, sei nur quantitativ und nicht qualitativ. Dementsprechend könne der Werkunternehmer auch nur eine reduzierte Vergütung für seine Leistung beanspruchen, so dass auch in diesen Fällen von einem Abrechnungsverhältnis auszugehen sei.3 Dies gelte zumindest für alle baurechtlichen Streitigkeiten. Auch die mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 (BGBl. I 2000, S. 330) verbundene Änderung des § 302 ZPO zwinge nicht zu einer Neubewertung der Problematik. Zwar habe der Gesetzgeber die Möglichkeit einer schnellen Titulierung durch Erlass eines Vorbehaltsurteils erweitern wollen, hierbei aber die sich aus der Anrechnung ergebenden Einschränkungen übersehen.4

1 2

3

4

wort „Aufrechnung“ Rz. 6; die Problematik nicht erkennend und daher unzutreffend OLG Rostock, Beschl. v. 18.4.2008 – 1 U 12/08, JurBüro 2009, 88. Vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, MDR 2009, 1251 = FamRZ 2009, 1663. BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; BGH, Beschl. v. 10.11.1983 – VII ZR 282/83; OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 277; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauR 2005, 1520; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.9.1996 – 23 W 26/96, BauR 1997, 888; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223; OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, MDR 2002, 71; OLG Naumburg, Urt. v. 1.3.2000 – 12 U 63/98, BauR 2001, 1615; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.4.1999 – 4 W 1167/99, MDR 1999, 957; OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 6; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VIII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; BGH, Urt. v. 26.4.1991 – V ZR 213/89, MDR 1991, 1197; offen lassend: BGH, Beschl. v. 10.4.1997 – VII ZR 266/96, NJW-RR 1997, 1157; KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 10711/99, JurBüro 2000, 419; OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 277; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.1992 – 5 W 60/91, OLGR 1992, 94; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223 = JurBüro 2005, 541; OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.1991 – 17 U 15/90, NJW-RR 1992, 448; OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, MDR 2002, 715; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683; OLG München, Urt. v. 16.7.2002 – 9 U 1813/02, BauR 2003, 421; OLG München, Beschl. v. 26.1.1987 – 28 W 3010/86, MDR 1987, 620; OLG Naumburg, Urt. v. 1.3.2000 – 12 U 63/98, BauR 2001, 831; OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2003 – 2 U 232/02, BauR 2003, 1079; OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228. OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, MDR 2002, 715; Schmeel, MDR 2003, 601.

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2.359 Demgegenüber bejaht ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung eine grundsätzlich werterhöhende (Hilfs-)Aufrechnung unter Hinweis darauf, dass der Besteller in diesen Fällen dem aufgrund des Einbehalts der Werkleistung (auch nach der Differenztheorie) verbleibenden vollen Werklohnanspruch mit einem eigenen Anspruch entgegentrete.1 Dem entspricht die neuere Rechtsprechung des BGH,2 der die Selbständigkeit und Aufrechenbarkeit der Ansprüche auf Vergütung und Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung betont und es insbesondere ablehnt, dass Regelungen zur Aufrechnung und etwaigen Aufrechnungsverboten durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Verrechnung unterlaufen werden.3

2.360 Denn diese gehe in ihrer Grundlage davon aus, dass das streitige Abrechnungsverhältnis vorrangig der Klärung und Ermittlung des Schadens dient. Daher komme der Vergütungsanspruch nur dann als bloßer Verrechnungsposten in Betracht, wenn das gesamte Schuldverhältnis sich durch die Leistungsstörung in ein auf Schadensersatz gerichtetes Schuldverhältnis umgewandelt habe. Ausgehend von der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO sei die Annahme einer Aufrechnung mit eigenständigen gewährleistungsrechtlichen Forderungen auch deswegen geboten, weil den Parteien an einer endgültigen Entscheidung über die von dem Besteller erhobenen Ansprüche gelegen sei, die aber bei einer bloßen Anrechnung – unstreitig – ausbleibe.4

2.361 Für die erstgenannte Ansicht spricht, dass eine Wertaddition nach der Ratio des § 45 Abs. 3 GKG nicht gerechtfertigt ist. Danach sollen Gericht und Anwälte für die auf die Gegenforderung verwandte Mehrarbeit eine zusätzliche Vergütung erhalten. Bei der werkvertraglichen Abrechnung macht es jedoch keinen Unterschied, mit welchen Rechten sich der Besteller gegenüber einem mangelhaften Werk verteidigt, da die bautechnischen Probleme, die zu klären sind, dieselben bleiben.5 Zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen führen beide Ansichten jedoch nur im Ausnahmefall. Denn auch bei Annahme selbständiger, d.h. nicht anrechenbarer Einzelansprüche ist nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung eine Werterhöhung regelmäßig ausgeschlossen, weil wechselseitig dasselbe wirtschaftliche Interesse betroffen ist.6 So etwa, wenn eine streitwertrechtlich unerhebliche Primärverteidigung (z.B. Einwand der fehlenden Fälligkeit oder Minderung, Hauptaufrechnung) vorliegt oder das hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatz- oder Vorschussverlangen auf gleicher Mangelgrundlage geltend gemacht wird.7

2.362 Eine Anrechnung scheidet aber aus, wenn sich der Beklagte gegenüber der Vergütungsklage mit anderweitigen Schadensersatzansprüchen verteidigt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit 1 Zuletzt KG, Beschl. v. 15.8.2014 – 21 W 23/14; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – 11 W 52/13, ZAP EN-Nr. 247/2014; OLG Düsseldorf v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; s. aber bereits OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88; OLG Hamm, Beschl. v. 30.11.2005 – 17 W 42/05, NJW-RR 2006, 456; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2010 – 10 W 54/10, AGS 2011, 385 = NJW 2011, 540. 2 BGH, Urt. v. 7.4.2011 – VII ZR 209/07, MDR 2011, 652 = BauR 2011, 1185; BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, MDR 2005, 1344. 3 Zustimmend Kessen, BauR 2005, 1691, 1697. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauRB 2005, 323 – betr. den Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.9.1996 – 23 W 26/96, BauR 1997, 888; OLG Hamm, Urt. v. 5.9.1997 – 12 U 113/96, OLGR 1998, 58; OLG Hamm, Urt. v. 21.4.1995 – 12 U 25/94, BauR 1996, 437; OLG Oldenburg, Urt. v. 23.2.2000 – 2 U 295/99, BauR 2001, 831; OLG Schleswig, Urt. v. 31.3.2000 – 1 U 148/98, BauR 2001, 1615. 5 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 7 Zutreffend so KG, Beschl. v. 15.8.2014 – 21 W 23/14; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – 11 W 52/13, ZAP EN-Nr. 247/2014; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 93; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauR 2005, 1520; OLG Hamm, Beschl. v. 21.2.2011 – 17 W 38/10, NZBau 2011, 495; OLG Hamm, Beschl. v. 30.11.2005 – 17 W 42/05, NJW-RR 2006, 456; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2010 – 10 W 54/10, AGS 2011, 385 = NJW 2011, 540; Kessen, BauR 2005, 1691, 1697.

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der mangelhaften Hauptleistung stehen und über die gesetzlichen Gewährleistungsfolgen hinausgehen.1 Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn bei Erstellung eines Bauwerks eine Mauer nicht lotrecht gemauert worden ist, so dass sich die Anschlussarbeiten erheblich verteuern. Neben der streitwertrechtlich unerheblichen Minderung des Werklohnanspruchs (s. Rz. 2.353) kann der Bauherr gegenüber dem verbleibenden Vergütungsanspruch die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen seiner zusätzlichen Aufwendungen bei den Anschlussarbeiten erklären. Insoweit ist eine Wertaddition geboten, denn es handelt sich um Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB). Eine geeignete Abgrenzung zwischen diesen eigenständigen Ersatzansprüchen und den der Anrechnung unterliegenden Abrechnungspositionen kann dadurch erreicht werden, dass zwischen den sog. Mangelschäden und Mangelfolgeschäden unterschieden wird. Letztere stehen mit den Hauptleistungspflichten in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Daher ist von einer bloßen Anrechnung auszugehen, wenn sich der Beklagte mit Schadensersatzan- 2.363 sprüchen aufgrund einer Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten verteidigt, die für den Abschluss des Vertrages ursächlich waren. Erklärt der Beklagte beispielsweise gegenüber einer auf Darlehen (§ 607 BGB) gestützten Klage (hilfsweise) die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Aufklärungspflichten des Klägers und macht geltend, bei gebotener Aufklärung hätte er den Vertrag nicht geschlossen, scheidet eine Wertaddition aus.2 Ist eine haftungsbegründende Pflichtverletzung zu bejahen, besteht der Schaden des Beklagten in seiner Belastung mit den Darlehensrückzahlungen. Ausgeräumt wird dieser Schaden durch Befreiung von der Darlehensrückzahlung, so dass sich der Kläger bereits dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ausgesetzt sieht (s. auch Rz. 2.355). Keine Anrechnung, sondern (streitwerterhöhende) Aufrechnung liegt vor, wenn der Beklagte sich gegenüber dem Vergütungsanspruch (hilfsweise) mit Schadensersatzansprüchen aufgrund Verzuges (§ 280 Abs. 2, § 286 BGB) verteidigt. Aufgrund der vollständigen, wenngleich verzögerten Leistungserbringung gelangt die Differenztheorie nicht zur Anwendung.3 Ebenso liegt es, wenn Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) geltend gemacht werden, die nur gelegentlich bei der Werkleistung erfolgte (z.B. Diebstahl durch Mitarbeiter des Werkunternehmers zum Nachteil des Bestellers).

2.364

d) Vertragsstrafeversprechen Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der Werklohnklage (hilfsweise) mit der Aufrechnung einer Gegenforderung aus einem Vertragsstrafeversprechen, liegt kein Fall der Anrechnung vor. Die Vertragsstrafe tritt als eigenständige Verpflichtung neben die synallagmatischen Pflichten und ist daher kein bloßer Rechnungsposten bei der Ermittlung des Vergütungsanspruchs.4

2.365

II. Hauptaufrechnung Von Haupt- oder Primäraufrechnung spricht man, wenn der Beklagte die Klageforderung nicht be- 2.366 streitet, gleichwohl aber Klageabweisung beantragt, weil der Klageanspruch durch eine von ihm erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung erloschen sei. Der Beklagte setzt seine Gegenforderung nicht

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, JurBüro 2002, 197 = AGS 2002, 126: Aufrechnung mit Aufwendungen über Gewährleistungsfolgen oder Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB (pVv), ohne Zusammenhang mit Mängeln; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683. 2 BGH, Beschl. v. 26.9.1985 – III ZR 26/84, MDR 1986, 131. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999 – 17 W 349/99; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.4.1999 – 4 W 1167/99, MDR 1999, 957; Meyer, § 45 Rz. 28; a.A. OLG Düsseldorf, BauR 1975, 57; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26.

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nur hilfsweise, sondern „primär“ ein. Da in diesem Fall nur über den Bestand der Gegenforderung gestritten wird, unterbleibt eine Wertaddition.1

2.367 Das gilt auch soweit die Aufrechnung mit einer die Klageforderung wertmäßig übersteigenden Gegenforderung erklärt wird. Eine Werterhöhung im Umfang des weiter gehenden Forderungsteils scheidet aus, da hierüber nicht rechtskräftig entschieden wird, selbst wenn die Gegenforderung in den Entscheidungsgründen in vollem Umfang verneint wird, § 322 Abs. 2 BGB.2 Insbesondere wäre es verfehlt, den überschießenden Teil der Gegenforderung als Hilfsaufrechnung zu bewerten (s. dazu Rz. 2.408).

2.368 Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der unstreitigen Klageforderung durch Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen, ist zu unterscheiden. Liegt die Summe aller Gegenforderungen unter dem Wert der Klageforderung oder überschreitet sie diesen nur in einem Umfang, der unter dem Wert der geringsten Gegenforderung liegt, handelt es sich insgesamt um eine Primäraufrechnung. Folglich verbleibt es für die Wertfestsetzung beim Wert der Klageforderung. Erklärt der Beklagte hingegen die Aufrechnung mit mehreren, die Klageforderung jeweils übersteigenden Gegenforderungen, ist nur bezüglich der ersten von einer Primäraufrechnung und im Übrigen von Hilfsaufrechnungen auszugehen.

III. Hilfsaufrechnung 2.369 Zur Abgrenzung der Hilfsaufrechnung von der wertneutralen Hauptaufrechnung ist die Prozesserklärung der aufrechnenden Partei auszulegen. Hierbei ist nicht die Wahl des Ausdrucks, sondern der sachliche Gehalt der Rechtsverteidigung ausschlaggebend (s. ausführlich Rz. 2.410). Entscheidend ist, ob der Beklagte neben der Aufrechnung auch den Bestand der Klageforderung in Abrede stellt,3 wobei weitere prozessuale Bedingungen für die Aufrechnungserklärung, etwa eine (nur) quotale Haftung im Verkehrsunfallprozess,4 nicht ausgeschlossen sind. Für die Ermittlung des Gebührenstreitwertes ist maßgebend, welche Parteierklärung das Gericht zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat. Ist es beispielsweise davon ausgegangen, die Klageforderung sei unstreitig, dann steht damit für diese Instanz fest, dass eine den Streitwert nicht erhöhende Primäraufrechnung vorliegt.5 1. Eventualverhältnis a) Prozessuale Rügen

2.370 Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung steht nicht schon dann in einem Eventualverhältnis zur Klageforderung, wenn der Beklagte allein das Fehlen von Prozessvoraussetzungen, beispielsweise die internationale Zuständigkeit rügt, aber die materielle Berechtigung der Klageforderung nicht bestreitet.6 Nach den Motiven zur Gesetzesfassung sollte eine Wertaddition ausscheiden, wenn der „Streit in seinem Kern nur um eine Forderung geht“. Da mit der „bestrittenen Gegenforderung“ in § 45 Abs. 3 GKG der materiell-rechtliche Anspruch gemeint ist – denn die Aufrechnung führt nicht zur

1 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.11.2003 – 2 W 72/03, OLGR 2004, 162; OLG Köln, MDR 1971, 311. 2 Allg. Meinung: BGH, Beschl. v. 24.11.1971 – VIII ZR 80/71, MDR 1972, 234; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.11.2003 – 2 W 72/03, OLGR 2004, 162. 3 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = JurBüro 2004, 378 = AGS 2004, 249; OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98z MDR 1999, 119. 4 KG, Beschl. v. 7.12.2010 – 12 W 42/09, daher keine Aufrechnung bei Alleinhaftung der aufrechnenden Partei. 5 KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063, JurBüro 1986, 416. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.1998 – 3 W 42/98, MDR 1998, 1249; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 19; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.8.1985 – 21 W 36/85, JurBüro 1985, 1677 m. zust. Anm. Mümmler.

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Anderenfalls müsste selbst dann eine (werterhöhende) Eventualaufrechnung bejaht werden, wenn nur über das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen gestritten wird, die von Amts wegen zu prüfen sind.2 Die Rüge der Wahrung einer Klage- oder Rechtsmittelfrist oder der fehlenden Vollmacht oder der Erkennbarkeit einer Unterschrift usw. würde folglich genügen, um den Streitwert zu verdoppeln.3

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Rechtshängigkeit1 –, ist zu folgern, dass von einer Eventualaufrechnung nur auszugehen ist, wenn die Klageforderung auf derselben, nämlich der materiell-rechtlichen, Ebene im Streit steht. Für diesen Ansatz spricht auch der Gleichlauf der Rechtskrafterstreckung, denn scheitern Klage oder Aufrechnung bereits an Zulässigkeitserwägungen, fehlt es an einer materiellen Rechtskrafterstreckung, was bei der Hilfsaufrechnung eine Wertaddition ausschließt (s. dazu Rz. 2.390).

2.371

b) Mehrfache Hauptaufrechnungen Eine Hilfsaufrechnung liegt jedoch dann vor, wenn der Beklagte die Klageforderung zwar nicht be- 2.372 streitet, sich dagegen aber mit mehreren im Eventualverhältnis stehenden Gegenforderungen verteidigt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Beklagte gegenüber einem auf Zahlung von 5.000 t gerichteten unstreitigen Klageanspruch die Aufrechnung mit drei, untereinander hilfsweise gestaffelten (streitigen) Gegenforderungen über jeweils 5.000 t erklärt. Hier handelt es sich nur bei der ersten Aufrechnung um eine Primäraufrechnung, während die nachfolgenden (bei einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung) streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind.4 Siehe auch bei Rz. 2.409. Bestreitet der Beklagte die Klageforderung nur teilweise und rechnet mit einer Gegenforderung primär gegen den unstreitigen Teil und zugleich hilfsweise gegen den streitigen Teil der Klageforderung auf, so ist die auf das Doppelte der Klageforderung gesetzte Obergrenze (§ 322 Abs. 2 ZPO, § 45 Abs. 3 GKG) derart zu ermitteln, dass zunächst die Klageforderung um den Betrag der Primäraufrechnung reduziert und nur der verbleibende Betrag verdoppelt wird.5 Davon ist die Fallgestaltung zu unterscheiden, dass in unzulässiger Weise mit verschiedenen Teilen eines Anspruchs (Gegenforderung) gegen denselben Teil der Klageforderung aufgerechnet wird (s. Rz. 2.406).

2.373

2. Bestrittene Gegenforderung Eine Werterhöhung kommt nach § 45 Abs. 3 GKG nur in Betracht, wenn neben der Klageforderung auch die Aufrechnungsforderung im Streit steht. Erklärt der Beklagte daher hilfsweise die Aufrechnung mit einer unbestrittenen Gegenforderung, bleibt diese wertmäßig unberücksichtigt.6

2.374

3. Rechtskraftfähige Entscheidung Gemäß § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich der Streitwert bei einer Hilfsaufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung nur, soweit über diese rechtskräftig entschieden wird. Erforderlich ist eine der materiellen und nicht nur formellen Rechtskraft fähige positive oder negative Entscheidung über die Aufrechnungsforderung.7 Für die Streitwertberechnung ist daher zu unterscheiden, ob das Gericht bei seiner Entscheidung den Aufrechnungseinwand berücksichtigt und – bejahendenfalls – in einer der Rechtskraft fähigen Weise über den Bestand der Gegenforderung entschieden hat. Maßgeblich ist 1 2 3 4

BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, MDR 1957, 318. So in der Tat Mümmler, JurBüro 1985, 1678. Zweifelnd auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.8.1985 – 21 W 36/85, JurBüro 1985, 1677. BGH, Beschl. v. 6.11.1991 – VIII ZR 294/90, MDR 1992, 307; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 5714; OLG Karlsruhe v. 12.5.1989 – 10 U 263/88, MDR 1989, 921. 5 OLG Köln, Beschl. v. 30.4.1993 – 19 W 15/93, OLGR 1993, 157. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = JurBüro 2004, 378 = AGS 2004, 249; OLG Hamm, Beschl. v. 6.12.1999 – 22 U 81/99, MDR 2000, 296. 7 BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285; Meyer, § 45 GKG Rz. 33.

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dabei die – möglicherweise auch fehlerhafte – Bewertung des Gerichts. Erachtet dieses die Geltendmachung einer Gegenforderung nicht als Hilfsaufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch (z.B. nach § 628 Abs. 2 BGB), sondern als Einwendung (hier nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB), dann fehlt es an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung über die Gegenforderung.1

2.376 Hierbei ist die Rechtskraftwirkung der Entscheidung nicht davon abhängig, ob die geltend gemachte Aufrechnung im oder außerhalb des Prozesses erklärt worden ist. Daher wirkt auch die über den Erfüllungseinwand mitbeschiedene außerprozessuale Aufrechnungserklärung streitwerterhöhend.2

2.377 Da jedoch die Rechtskraft nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits wirkt, bleibt der Einwand des Beklagten, die Klageforderung sei aufgrund der außerprozessualen Aufrechnung eines Dritten erloschen, streitwertrechtlich ohne Folgen. Denn ist der Forderungsinhaber nicht Partei, kann über den Bestand der Gegenforderung nicht endgültig entschieden werden. So beispielsweise, wenn der in Anspruch genommene Mitgesellschafter sich nur gem. § 129 Abs. 1 auf den Einwand der Aufrechnung HGB beruft3 oder der verklagte Bürge gegenüber der Klageforderung einwendet, diese sei bereits aufgrund einer Aufrechnung des Hauptschuldners erloschen.4 Hier besteht auch für eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 3 GKG kein Raum.

2.378 Soweit dies mit Blick darauf befürwortet wird, dass der Prüfungsumfang der gerichtlichen Tätigkeit dem bei einer (hilfsweisen) Aufrechnung durch den verklagten Hauptschuldner entspreche,5 ist dies nicht überzeugend. Einer Werterhöhung für die Gerichtsgebühren stünde schon das gebührenrechtliche Analogieverbot entgegen. Der für die anwaltlichen Gebühren maßgebliche Gegenstandswert wiederum hat der Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren zu folgen, § 32 RVG. Zudem ist die fehlende Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes, unabhängig von der grundsätzlichen Eignung dieses Anknüpfungspunktes,6 kein eigenständiges Phänomen der Hilfsaufrechnung. Beruft sich der Beklagte gegenüber der Klageforderung beispielsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 3 ZPO, welches unstreitig nicht unter § 45 Abs. 3 GKG fällt, bleibt der damit verbundene Klärungsaufwand ebenfalls gebührenrechtlich unberücksichtigt. Stellt man bei diesen Konstellationen hingegen die fehlende Entscheidung über die Gegenforderung in den Vordergrund,7 lässt sich deren gebührenrechtliche Bedeutungslosigkeit widerspruchsfrei erklären. a) Entscheidung über Aufrechnungseinwand

2.379 Fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand, weil schon die Klage unzulässig oder auch ohne Berücksichtigung der Aufrechnung in vollem Umfang unbegründet ist,8 bleibt für eine Wertaddition kein Raum.

2.380 Macht der Beklagte in erster Linie Gegenansprüche auf Herausgabe von Sachen geltend, aus denen er ein Zurückbehaltungsrecht ableitet, so ist die zusätzlich erklärte Hilfsaufrechnung streitwertmäßig ebenfalls unbeachtlich, wenn bereits das Zurückbehaltungsrecht bejaht wird.9

1 BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZR 2/09, AGS 2011, 344. 2 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611 – zur Rechtskraft; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.1.1989 – 8 W 248/88, OLGZ 1989, 179; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 5. 3 BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – II ZA 12/18. 4 BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – II ZA 12/18; BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146: Beschwer. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 6 Vgl. hierzu etwa Lappe, Anm. zu OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 19 Nr. 106; Rödding, NJW 1968, 1917. 7 Vgl. für das Zurückbehaltungsrecht BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960. 8 Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 13. 9 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1865; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26.

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An einer (rechtskräftigen) Entscheidung über den Aufrechnungseinwand mangelt es ferner, wenn 2.381 das Ergebnis seiner Prüfung für die Entscheidung der Klage nur vorgreiflich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Beklagte gegen eine allein auf Zahlung von Zinsen gerichtete Klage geltend macht, gegenüber der dem Zinsanspruch zugrunde liegenden Hauptforderung die Aufrechnung erklärt zu haben. Hier ist für eine Wertaddition kein Raum.1 Rechtlich entspricht dieser Sachverhalt demjenigen, bei dem im Rechtsstreit allein die Zinszahlungspflicht im Streit steht. Auch dort erfasst die Rechtskraft der Verurteilung zur Zinszahlung oder die Abweisung der Zinsklage nicht die vorgreifliche Entscheidung hinsichtlich des Bestandes der Hauptforderung. Das gilt – trotz Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand – auch, wenn das Gericht die Kla- 2.382 ge aufgrund der Hilfsaufrechnung abweist und hierbei ausdrücklich offenlässt, ob die Klage zulässig und die Klageforderung zunächst entstanden ist. Darin liegt eine Missachtung des Eventualverhältnisses und damit ein Verstoß gegen § 308 ZPO.2 Die (positive) Bescheidung der Gegenforderung wird von der Rechtskraft nicht erfasst.3 Verteidigt sich der Beklagte schriftsätzlich mit einer Hilfsaufrechnung, lässt diese dann aber in der 2.383 mündlichen Verhandlung fallen und erkennt die Klage an, dann verhält sich das daraufhin ergehende Anerkenntnisurteil nicht zu dem (schriftsätzlich) hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Anspruch. Eine Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG scheidet aus.4 Das OLG Hamm begründet dies damit, dass aufgrund „unbestrittener Klageforderung“ über die Hilfsaufrechnung nicht mehr entschieden werden könne und es zudem an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung fehle, da wegen fehlender Entscheidungsgründe nicht erkennbar sei, dass „neben der Klageforderung über weitere – hilfsweise zur Aufrechnung gestellte – Ansprüche entschieden worden“ ist. Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig, in der Begründung unzutreffend. Ob die in einem vorbereitenden Schriftsatz (§ 129 ZPO) erklärte (Hilfs-)Aufrechnung bereits mit Zu- 2.384 gang des Schriftsatzes oder erst mit Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung wirksam wird, ist eine Frage der Auslegung. Nach wohl herrschender Ansicht ist bei einer Prozessaufrechnung regelmäßig von einer bloßen Ankündigung auszugehen.5 Teilt man diese Ansicht, fehlt es schon an einer wirksamen Aufrechnungserklärung, die zur Entscheidung hätte anstehen können. Anderenfalls wäre zu prüfen, ob der Beklagte von der hilfsweise erklärten Prozessaufrechnung Abstand nehmen konnte.6 Wird dies bejaht, stand der zur Aufrechnung gestellte Anspruch zum Schluss der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr zur Entscheidung und Ausführungen zur Rechtskraft des Anerkenntnisurteils wären dann überflüssig. Hält man dagegen eine Rücknahme der Aufrechnungserklärung wegen ihrer Gestaltungswirkung für ausgeschlossen, läge nach dem (materiell-rechtlichen) Anerkenntnis des Beklagten notwendigerweise eine Hauptaufrechnung vor und eine Werterhöhung schiede schon aus diesem Grunde aus. Im Übrigen ist der rechtskräftige Inhalt von Urteilen ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe über das Parteivorbringen zu ermitteln.7 Wird über die Klage durch Versäumnisurteil entschieden, bleibt eine zuvor (schriftsätzlich) erklärte Hilfsaufrechnung gleichfalls unberücksichtigt.8 Denn aufgrund der Säumnis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fehlt es an der Geltendmachung des mit dem Schriftsatz nur angekündig1 Anders aber KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.7.1997 – 2 W 88/97, OLGR 1998, 268. 3 BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157; BGH, Urt. v. 25.6.1956 – II ZR 78/55, LM Nr. 21 zu § 322 ZPO; OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.7.1997 – 2 W 88/97, OLGR 1998, 268. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 17.11.2000 – 34 W 29/00, AGS 2001, 111 m. Anm. Madert. 5 Zöller/Greger, § 129 ZPO Rz. 6 m.w.N. 6 Bejahend BGH, Beschl. v. 25.3.2020 – XII ZR 29/19, MDR 2020, 749; Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, MDR 1972, 318. 7 Zöller/G. Vollkommer, vor § 322 ZPO Rz. 31 m.w.N. 8 KG, Beschl. v. 30.7.2008 – 2 U 110/04, JurBüro 2008, 652; OLG Köln, MDR 1971, 311; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26; Toussaint/Elzer, KostR, § 45 GKG Rz. 43 unter „Versäumnisurteil“.

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ZPO

2. Teil

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Aufrechnung

ten Aufrechnungseinwandes.1 Die bei ausbleibendem Einspruch (§ 338 ZPO) eintretende (materielle) Rechtskraft der Entscheidung erfasst daher nicht die Gegenforderung des Beklagten. Wollte man dies anders sehen, müsste (bei schlüssiger Klage) aufgrund der Geständnisfiktion (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eine unstreitige Klageforderung und damit eine wertneutrale Hauptaufrechnung angenommen werden.

2.386 Legt der Beklagte Einspruch ein, kommt eine Wertaddition nur in Betracht, wenn auch über die Gegenforderung verhandelt und entschieden wird.

2.387 Soweit ein Urteil der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) nicht fähig ist, wie beispielsweise ein Vorbehaltsurteil im Urkunden- und Wechselprozess (§ 599 ZPO) oder ein Vorbehaltsurteil zur Aufrechnung (§ 302 ZPO), scheidet auch bei einer vom Beklagten zuvor hilfsweise erklärten Aufrechnung eine Streitwerterhöhung aus.2 b) Entscheidung über Gegenforderung

2.388 Enthält das Urteil eine Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand, ist damit für die Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG noch nichts entschieden. Denn hierfür bedarf es einer inhaltlichen Entscheidung „über die Gegenforderung“. Unproblematisch ist das in den Fällen, in denen das Gericht die Klage aufgrund der Hilfsaufrechnung ganz oder teilweise abweist, soweit nicht eine Missachtung des Eventualverhältnisses (§ 308 ZPO) vorliegt (s. Rz. 2.382).

2.389 Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn der Aufrechnungseinwand bei der Urteilsfindung ohne Folgen bleibt, weil die Klage trotz Aufrechnung in vollem Umfang zugesprochen wird. Hier ist für die Annahme einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung und damit für die Wertaddition maßgeblich darauf abzustellen, ob sich das Urteil in den Entscheidungsgründen zur Aufrechnungslage verhält. Folgende Fallgestaltungen sind zu unterscheiden: aa) Unzulässigkeit der (Hilfs-)Aufrechnung

2.390 Wird die (Hilfs-)Aufrechnung vom Gericht für unzulässig erachtet, fehlt es an einer Entscheidung über die Aufrechnungslage (§ 387 BGB). Der Streitwert erhöht sich nicht.3 Auch dann nicht, wenn das Gericht fehlerhaft eine Unzulässigkeit bejaht4 oder prozessordnungswidrig die Zulässigkeit einer Hilfsaufrechnung offen lässt, weil die Gegenforderung „jedenfalls unbegründet“ sei.5 Ebenso verhält es sich – also keine Werterhöhung –, wenn das Gericht im Urteil in Hilfserwägungen auf die Begründetheit eingeht.6

2.391 Die Unzulässigkeit der Aufrechnung kann auf verfahrensrechtlichen und auf materiell-rechtlichen Gründen beruhen. Unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Gegenforderung, weil das Gericht die (Hilfs-)Aufrechnung bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen für unzulässig erachtet, fehlt es bezüglich der zur Aufrechnung gestellten Forderung an einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung. So beispielsweise, wenn das Gericht aufgrund einer kaufmännischen Prorogation (§ 29 1 Zöller/Greger, § 129 ZPO Rz. 6 m.w.N. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.1985 – 22 W 24/85; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2000 – 14 U 65/99, OLGR 2001, 20; OLG München, Beschl. v. 11.1.1988 – 28 W 2952/87, JurBüro 1989, 137; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 3 BGH, Beschl. v. 22.12.2010 – IV ZR 221/10, AGS 2011, 139; BGH, Beschl. v. 31.7.2001 – XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256 = NJW 2001, 3616; BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, MDR 1991, 240 = NJWRR 1991, 127; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.1981 – 6 U 10/81, JurBüro 1982, 265 m. Anm. Mümmler; Madert, FS für H. Schmidt, S. 77; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 4 BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, MDR 1991, 240 = NJW-RR 1991, 127. 5 BGH, Beschl. v. 25.5.1988 – VIII ZR 18/88, MDR 1988, 956. 6 BGH, Beschl. v. 31.7.2001 – XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256 = AGS 2002, 27; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1987 – 2 U 113/86.

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Aufrechnung

2. Teil

Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Verfahrenslage, bei der die Aufrechnungsforderung ungenügend individualisiert worden ist. Insoweit ist die Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend anzuwenden. Eine Klage, die den Gegenstand nicht genügend bestimmt und deshalb als unzulässig zurückgewiesen wird, kann erneut erhoben werden. Deshalb erwächst auch die Nichtberücksichtigung der Aufrechnung wegen fehlender Individualisierung (im Gegensatz zur fehlenden Substantiierung, s. Rz. 2.397) nicht in Rechtskraft und steht damit einer Wertaddition entgegen.5

ZPO

Abs. 2 ZPO) – zu Recht oder zu Unrecht1 – von einer örtlichen Unzuständigkeit für eine Entscheidung über die Gegenforderung ausgeht,2 oder eine Auseinandersetzung mit der Gegenforderung aufgrund der Nichtzulassung der (Hilfs-)Aufrechnung im Rechtsmittelverfahren nach § 533 ZPO ausbleibt.3 Das gilt in gleicher Weise, wenn die Geltendmachung der Hilfsaufrechnung als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) gewertet und als unzulässig zurückgewiesen wird.4

2.392

Ebenso verhält es sich, wenn die Geltendmachung der Aufrechnung gem. §§ 296, 296a ZPO als ver- 2.393 spätet zurückgewiesen wird. Als Verteidigungsmittel unterliegt der Einwand der Aufrechnung den Verspätungsvorschriften.6 Wird dieser vom Gericht für prozessual unzulässig erachtet, ist für eine Wertaddition gem. § 45 Abs. 3 GKG kein Raum.7 Denn mangels Befassung mit der Gegenforderung fehlt es an einer rechtskräftigen Entscheidung.8 Diese Konstellation ist nicht zu verwechseln mit der Zurückweisung tatsächlichen Vorbringens zur Aufrechnungsforderung als verspätet (vgl. Rz. 2.398). Wird die Gleichartigkeit von Klageforderung und Aufrechnungsforderung verneint, ist damit eine 2.394 rechtskräftige Aberkennung der Gegenforderung nicht verbunden. Die Prozesslage entspricht vielmehr derjenigen bei unzulässiger Aufrechnung. Das Gericht lehnt es ab, sich mit der Aufrechnungsforderung zu befassen, weil es an einer Aufrechnungslage fehle. Eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG entfällt.9 Schließlich können materiell-rechtliche Gründe der Zulässigkeit einer Aufrechnung widerstreiten. Im Vordergrund stehen hier Aufrechnungsverbote, sei es vertraglicher oder gesetzlicher Art.10 So scheidet eine Werterhöhung aus, wenn der (Hilfs-)Aufrechnung ein mietvertraglich vereinbarter Aufrechnungsausschluss entgegensteht,11 weil die Gegenforderung gem. § 390 BGB einredebehaftet ist12 oder die Klageforderung aus einer unerlaubten Handlung herrührt, § 393 BGB.13 Gleichgelagert ist der Fall, in dem der (Hilfs-)Aufrechnung gegenüber einer vom Insolvenzverwalter klageweise geltend gemachten Forderung das Aufrechnungsverbot gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegensteht.14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 19 m.w.N. BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – IX ZR 117/83. BGH, Beschl. v. 11.7.1984 – VIa ZR 95/84 – zu § 530 Abs. 2 ZPO a.F.; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 15. BGH, Beschl. v. 22.12.2010 – VI ZR 221/10, AGS 2011, 139. BGH, Beschl. v. 25.9.1996 – IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, JurBüro 1995, 645; E. Schneider, Anm. zu BGH KostRsp. GKG § 19 Nr. 92; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 16a. BGH, Urt. v. 28.5.1990 – II ZR 248/89, MDR 1991, 227; BGH, Urt. v. 30.5.1984 – VIII ZR 20/83, MDR 1984, 837; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 15 m.w.N. OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.1999 – 19 W 13/99, OLGR 1999, 178. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.10.1983 – 17 W 57/83, MDR 1984, 239. OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2003 – 6 W 240/99, JurBüro 2003, 475; Meyer, JurBüro 2004, 300. BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, MDR 1991, 240. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.1997 – 10 U 73/96, WuM 1997, 428. BGH, Beschl. v. 31.7.2001 – XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.1981 – 6 U 10/81, KostRsp. GKG § 19 Nr. 52 m. Anm. E. Schneider = JurBüro 1982, 265 m. Anm. Mümmler. OLG Oldenburg, Urt. v. 18.11.1983 – 8 W 123/83, MDR 1984, 239.

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2.395

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Aufrechnung

ZPO

bb) Fehlende Aufrechnungslage

2.396 Gelangt das Gericht im Urteil zu dem Ergebnis, dass die Klageforderung mangels Aufrechnungslage nicht erloschen ist, ergeht eine den Streitwert erhöhende Entscheidung über die Gegenforderung. Dies gilt nicht nur in dem unproblematischen Fall, dass dem Beklagten der Nachweis der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen der Gegenforderung nicht gelungen ist, sondern auch, wenn die Aufrechnung nicht durchgreift, weil es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag fehlt.

2.397 Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Aufrechnung wegen unzureichender Substantiierung des die Gegenforderung betreffenden Sachvortrages, wird die Gegenforderung wegen fehlender Schlüssigkeit rechtskräftig aberkannt.1

2.398 Ebenso liegt es, wenn der für die Schlüssigkeit erforderliche Sachvortrag zur Gegenforderung nach § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen wird.2

2.399 Wird die Wirksamkeit der Aufrechnung mit der Begründung verneint, die Forderung des Beklagten sei noch nicht fällig, dann erwächst nur die Fälligkeitsprüfung in Rechtskraft. Der Beklagte kann seinen Anspruch später noch geltend machen. Rechtskräftig steht nur fest, dass die Gegenforderung der Klage „zurzeit“ nicht entgegensteht. Der Klageforderung darf deshalb auch nur ein nach § 3 ZPO zu schätzender Betrag hinzugerechnet werden (s. das Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.470).

2.400 Verneint das Urteil die Gegenseitigkeit der (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung, erwächst in Rechtskraft, dass die Gegenforderung der beklagten Partei jedenfalls nicht im Verhältnis zu der klagenden Partei zusteht, mag sie ihm auch gegen einen Dritten zustehen. Dieser Sachverhalt fällt unter § 45 Abs. 3 GKG, weil die Rechtskraftwirkung sich auf den gesamten Gegenanspruch erstreckt. Es ist also volle Wertaddition geboten,3 beispielsweise weil die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gegenüber dem nach Abtretung neuen Gläubiger der Hauptforderung (§ 406 BGB) nicht vorliegen.4 Rechtskräftig aberkannt werden Gegenansprüche umgekehrt auch dann, wenn sie deshalb als unbegründet bewertet werden, weil sie nicht dem Aufrechnenden allein, sondern nur gesamthänderisch mit einem Dritten zustehen.5 4. Umfang der Rechtskrafterstreckung a) Allgemeines

2.401 Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht oder aufgrund der vom Beklagten erklärten Aufrechnung gem. § 389 BGB nicht mehr besteht, nur bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Höher als die Klageforderung kann die – einzelne – Aufrechnungsforderung für die Streitwertbemessung also nicht in Ansatz gebracht werden, § 45 Abs. 3 GKG.6

1 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – VII ZR 209/93, MDR 1994, 612; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, JurBüro 2002, 197 = AGS 2002, 126; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, JurBüro 1995, 645; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.7.2000 – 9 U 61/00, OLGR 2001, 267; a.A. LG Hannover, Beschl. v. 15.7.1993 – 3 T 96/93. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 88 = MDR 1984, 239; OLG Koblenz, JurBüro 2002, 197. 3 KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416; OLG Celle, Beschl. v. 1.11.1983 – 5 W 28/83, AnwBl. 1984, 31; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.8.1996 – 6 U 8/95, MDR 1996, 1299. 4 OLG Nürnberg, Urt. v. 29.11.2000 – 4 U 2053/99, BauR 2001, 961. 5 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 20.3.1984 – 5 W 30/84, JurBüro 1984, 903; OLG Schleswig, JurBüro 1984, 257 m. Anm. Mümmler.

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Aufrechnung

2. Teil

2.402

Übersteigt die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung den Betrag des Klageanspruchs, der für begründet erkannt wird, kommt daher auch nur in dieser Höhe eine Aufrechnungswirkung in Betracht. Nur um den verbrauchten Teil der Gegenforderung erhöht sich folglich der Streitwert.2

2.403

ZPO

Wird die Aufrechnung gegenüber einer (zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufrechnungslage) bereits zu verzinsenden Klageforderung erklärt, dann erhöht sich der Umfang der Rechtskraft der Entscheidung und damit der Wert der Hilfsaufrechnung um die bereits aufgelaufenen Zinsen.1

b) Reduktion der Klageforderung Die durch § 45 Abs. 3 GKG geschaffene Verknüpfung zwischen Klageforderung und Aufrechnungsfor- 2.404 derung bleibt auch dann erhalten, wenn sie streitwertmindernd wirkt, insbesondere wenn die Klage teilweise für erledigt erklärt oder teilweise zurückgenommen wird (§§ 91a, 269 Abs. 1 ZPO), bevor eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung getroffen wird. Die Aufrechnungsforderung darf dann nur bis zur Höhe des verminderten Klagewertes berücksichtigt werden.3 c) Mehrfache Aufrechnung Stellt der Beklagte mehrere (bestrittene) Gegenforderungen zur Aufrechnung, ist für den Gebührenstreitwert zunächst danach zu unterscheiden, ob die Klageforderung unabhängig von der Aufrechnungserklärung oder einem darauf beruhenden Erfüllungseinwand in ihrem Entstehungsgrund bestritten oder unbestritten ist.

2.405

Bei bestrittener Klageforderung erfolgt die Aufrechnungserklärung ungeachtet der Anzahl der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen notwendigerweise nur hilfsweise, da von dem Beklagten zunächst eine von der Aufrechnung unabhängige gerichtliche Entscheidung über den Bestand der Klageforderung angestrebt wird. Der Umfang der Werterhöhung entspricht daher der Summe der in rechtskraftfähiger Weise entschiedenen Gegenforderungen, berücksichtigt wird also der Wert jeder Gegenforderung bis zur Höhe der (nach der vorherigen Aufrechnung) noch verbliebenen Klageforderung.4

2.406

Der gegenteiligen Ansicht, wonach bei mehrfach gestaffelter Hilfsaufrechnung und Entscheidung über alle Gegenforderungen in analoger Anwendung von § 19 Abs. 4 GKG in der bis zum 30.6.1994 geltenden Fassung zur Klageforderung allein der Wert der höchsten Gegenforderung zu addieren sei,5 begrenzt auf die Höhe der Klageforderung,6 ist spätestens durch die mit dem KostRÄndG 1994 verbundene Änderung des § 19 Abs. 4 GKG a.F. der Boden entzogen worden, war jedoch bereits nach vorheriger Gesetzeslage verfehlt.7

2.407

Will der Beklagte bei unbestrittener Klageforderung diese mit dem Aufrechnungseinwand zu Fall bringen und erklärt er die Aufrechnung nur mit einer Gegenforderung, handelt es sich um den Standardfall der Hauptaufrechnung. Eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG scheidet schon nach dem Wortlaut aus, maßgeblich ist immer der Wert der Klageforderung. Dies gilt auch dann, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung die Klageforderung im Wert übersteigt und vom Gericht in vollem

2.408

1 2 3 4

OLG Rostock, Urt. v. 28.1.2010 – 3 U 113/09. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.1993 – 10 W 67/93, Rpfleger 1994, 129. ArbG Würzburg, AnwBl. 1978, 180; Madert, FS für H. Schmidt, S. 70. BGH, Urt. v. 30.1.1979 – VI ZR 154/78, BGHZ 73, 249; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 9; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 5 So OLG Köln, Beschl. v. 1.9.1978 – 11 U 9/78, JMBl.NW 1979, 70. 6 So OLG Frankfurt, MDR 1980, 567 mit abl. Anm. E. Schneider = JurBüro 1980, 1544 mit abl. Anm. Mümmler. 7 Vgl. hierzu ausführlich E. Schneider, Anm. zu OLG Köln, Beschl. v. 1.9.1978 – 11 U 9/78.

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2. Teil

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Umfang für unbegründet erachtet wird. Hier kann eine Werterhöhung nicht mit dem Argument begründet werden, dass der die Klageforderung übersteigende Teil der Gegenforderung hilfsweise zur Aufrechnung gestellt werde. Dem steht entgegen, dass Teilbeträge aus einem auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gestützten Anspruch nicht, auch nicht durch gestaffelte Hilfsaufrechnungserklärungen, prozessual verselbständigt werden können.1

2.409 Stellt der Beklagte hingegen mehrere (rechtlich selbständige) Gegenforderungen zur Aufrechnung, handelt es sich nur bei der ersten um eine Hauptaufrechnung. Denn die weiteren Gegenforderungen werden nur für den Fall zur Aufrechnung gestellt, dass die Klageforderung – entgegen der Erwartung des Beklagten – nicht bereits durch die erste, die Hauptaufrechnung, erloschen (§ 389 BGB) ist. Damit ist die Klageforderung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die zweite Gegenforderung nicht mehr unbestritten, da sie dem auf der Hauptaufrechnung beruhenden Tilgungseinwand ausgesetzt ist.2 Folglich handelt es auch nicht um eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG.3

2.410 Anders liegt es nur, wenn die Summe der Gegenforderungen in ihrem Wert die Klageforderung nicht übersteigt, da hier die Gegenforderungen notwendigerweise sämtlich primär eingesetzt werden.4

IV. Wechsel zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung 2.411 Geht der Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits von der Hilfsaufrechnung zur Primäraufrechnung über, dann sind ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG nach einhelliger Auffassung nicht mehr gegeben.5

2.412 Uneinigkeit besteht darüber, ob der Streitwert bis zum Übergang zur Primäraufrechnung der Wertaddition unterliegt, also beispielsweise die vor dem Übergang angefallene Terminsgebühr nach dem erhöhten Wert zu berechnen ist.

2.413 Während dies nach einer Auffassung unter Hinweis auf den Normzweck des § 45 Abs. 3 GKG bejaht wird,6 scheidet nach anderer Ansicht eine Wertaddition ausgehend vom Wortlaut des § 45 Abs. 3 GKG aus.7

1 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; zust. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/09, BauR 2010, 937. 2 BGH, Beschl. v. 12.7.2000 – VIII ZR 2/99, EWiR 2000, 1043; BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; BGH, Beschl. v. 6.11.1991 – VIII ZR 294/90, MDR 1992, 307; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – 11 W 52/13, ZAP EN-Nr. 247/2014; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 5714; OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.5.1989 – 10 U 263/88, MDR 1989, 921; OLG Köln, Beschl. v. 27.9.1991 – 19 W 44/91, FamRZ 1992, 1195; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 19 Nr. 125 m. Anm. Schneider; OLG Schleswig, Beschl. v. 14.11.1986 – 14 W 5/86, JurBüro 1987, 737; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 8, 9. 3 So aber und deshalb ablehnend Lappe, NJW 1983, 1468. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 7. 5 KG, Beschl. v. 24.5.2018 – 4 W 17/18, AGS 2019, 27 = JurBüro 2018, 472; OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, MDR 1999, 119; OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127; OLG München, Beschl. v. 26.3.1987 – 23 W 125/87, JurBüro 1987, 1055 m. Anm. Mümmler; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2010 – 10 W 54/10, AGS 2011, 385 = NJW 2011, 540. 6 So OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, MDR 1999, 119; LAG Hamm, Beschl. v. 19.8.1982 – 8 Ta 193/82, MDR 1982, 1052; LG Bayreuth, Beschl. v. 24.2.1992 – 1 T 7/92, JurBüro 1992, 761 m. zust. Anm. Mümmler; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 7 So OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.1998 – 3 W 42/98, MDR 1998, 1249; Lappe, NJW 1983, 1468; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 5; Meyer, § 45 GKG Rz. 31.

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Aufrechnung

2. Teil

2.414

Der deshalb vereinzelt unternommene Versuch, in der Entscheidung über die Gegenforderung eine „zurückwirkende Bedingung“2 zu erkennen, ist ebenfalls nicht überzeugend. Im Gesetzeswortlaut findet dieser Ansatz keine Stütze, da § 45 Abs. 3 GKG mit „soweit“ nicht auf ein (zeitlich relatives) „Ob“, sondern auf den der Rechtskraft fähigen Umfang der Werterhöhung abstellt. Dies erhellt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber ausweislich § 19 GKG in der Fassung vor dem KostRÄndG 1994 durchaus danach zu unterscheiden wusste, ob sich der Streitwert erhöht, „soweit“ eine Entscheidung über einen Anspruch (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GKG a.F.) ergeht oder der Wert eines (Hilfs-)Anspruchs bereits maßgebend ist, „wenn“ über ihn entschieden wird (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.).

2.415

Schließlich zwingt auch der Normzweck des § 45 Abs. 3 GKG zu keiner abweichenden Beurteilung, denn der gerichtliche Arbeitsaufwand wird maßgeblich davon beeinflusst, ob im Urteil über Klageund Gegenforderung oder – nach einem Wechsel zur Primäraufrechnung – nur noch über die Gegenforderung streitig zu entscheiden ist. Soweit das für die anwaltliche Tätigkeit nur eingeschränkt gilt, handelt es sich nicht um ein auf die Bewertung der Hilfsaufrechnung beschränktes Phänomen. Denn der Verweisung (§ 23 RVG) auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften ist immanent, dass damit der anwaltliche Arbeitsaufwand nicht für alle prozessualen Konstellationen vollständig abgebildet wird. Zudem sind vorliegend mit Rücknahme oder Abweisung der Klage (ohne Berücksichtigung der Aufrechnung) Fallgestaltungen denkbar, in denen die anwaltliche Auseinandersetzung mit der Gegenforderung mangels Anwendbarkeit des § 45 Abs. 3 GKG – nach allen vertretenen Ansichten – unberücksichtigt bleibt.3

2.416

ZPO

Dem letztgenannten Ansatz ist zuzustimmen. § 45 Abs. 3 GKG setzt tatbestandlich die Entscheidung über eine – zu diesem Zeitpunkt – hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung voraus.1 Die Geltendmachung des Anspruchs allein rechtfertigt – anders als bei Klage und Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG) – noch keine Addition der Streitwerte. Der gegenteilige Ansatz läuft darauf hinaus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm nicht mehr zum Zeitpunkt ihrer Anwendung, sondern nur unabhängig voneinander zu einem beliebigen Zeitpunkt im Laufe des Rechtsstreits vorgelegen haben müssen. Offen bleibt auch, warum dann nach dem Übergang von der Hilfs- zur Hauptaufrechnung die Voraussetzungen für eine Wertaddition gem. § 45 Abs. 3 GKG nicht mehr gegeben sein sollen. Zudem müssten die Gerichtskosten immer nach der Wertaddition berechnet werden, da gem. § 40 GKG zumindest zeitweilig ein höherer Streitwert vorlag und die Verfahrensgebühr (Nr. 1210 KV GKG) sich nicht nachträglich vermindert.

V. Instanzunterschiede Nicht selten wird die Rechtslage bei einer Aufrechnung im Prozess in erster Instanz anders beurteilt als in zweiter Instanz. Hier kommen zwei Sachverhalte in Betracht:

2.417

– So ist denkbar, dass die Klage erstinstanzlich ohne Berücksichtigung der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung abgewiesen, vom Rechtsmittelgericht dagegen erst nach materiellrechtlicher Auseinandersetzung mit der Gegenforderung für begründet oder unbegründet erachtet wird. – Schließlich kommt in Betracht, dass in erster Instanz die Klage erst nach sachlicher Entscheidung der Gegenforderung abgewiesen oder zugesprochen wird, während das Rechtsmittelgericht bereits die Klageforderung für unschlüssig erachtet.

2.418

Über die Wertfestsetzung besteht in beiden Fällen Uneinigkeit.

1 E. Schneider, MDR 1989, 300, 302; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 5. 2 LG Bayreuth, Beschl. v. 24.2.1992 – 1 T 7/92, JurBüro 1992, 761. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127.

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2.419 Im erstgenannten Fall bestimmt sich der Streitwert nach den bereits dargestellten Regeln, d.h. für die 1. Instanz allein nach dem Wert der Klageforderung und für die 2. Instanz unter Berücksichtigung der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG. Insbesondere scheidet nach ganz überwiegender Ansicht eine nachträgliche Erhöhung des erstinstanzlichen Streitwerts aufgrund der zweitinstanzlichen Entscheidung über die Gegenforderung aus.1 Vielmehr müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Wertvorschrift ausgehend vom „Grundsatz der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“2 innerhalb der Instanz erfüllt werden.3

2.420 In der zweiten Fallgestaltung, also bei einer zweitinstanzlich abändernden Entscheidung ohne sachliche Berücksichtigung der Gegenforderung, ist der Streitwert der Vorinstanz nach (der nicht näher begründeten) Auffassung des BGH4 nachträglich auf den Wert der Rechtsmittelinstanz herabzusetzen, wenn das Rechtsmittelgericht das zur Überprüfung stehende Urteil in der Weise (bestandskräftig) abgeändert hat, dass damit über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht mehr sachlich entschieden wird.5 Der Entscheidung, die im Widerspruch zu der vom BGH postulierten instanzbezogenen Wertfestsetzung steht,6 hat sich das OLG Düsseldorf 7 unter Hinweis darauf angeschlossen, dass anderenfalls der Kläger mit den Kosten der Hilfsaufrechnung belastet werde, obwohl er nach der Rechtsmittelentscheidung insoweit nicht unterlegen sei.

2.421 Dagegen vertritt der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht, dass eine zweitinstanzlich ausbleibende Entscheidung über die Gegenforderung auf die Wertberechnung der Vorinstanz ohne Auswirkungen bleibe.8 Dem ist zuzustimmen.

2.422 Für die Streitentscheidung ist maßgeblich, dass die Wertberechnung gem. § 45 Abs. 3 GKG nicht instanzübergreifend, sondern für jede Instanz selbständig zu erfolgen hat. Daher bleibt es auf den erstinstanzlichen Streitwert ohne Einfluss, dass es mit der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils durch das Rechtsmittelgericht an einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung (§ 322 Abs. 2 ZPO) fehlt. Der Streitwert der jeweiligen Instanz richtet sich danach, was in dieser Instanz geschehen ist, nicht danach, wie die vorausgegangene oder nachfolgende Instanz die streitentscheidenden Fragen beurteilt. Für die Werterhöhung bedarf es keiner rechtskräftigen, sondern nur einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung.9 Nur dies trägt dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des § 45 Abs. 3 GKG Rechnung, die durch eine gerichtliche Entscheidung dokumentierte Tätigkeit zur Gegenforderung gebührenrechtlich zu erfassen und zu honorieren. Eine abändernde Entscheidung im Rechtsmittelzug kann nichts daran ändern, dass die Prozessbevollmächtigten in der vorangegangenen Instanz streitig über die zur Hilfsaufrechnung gestellte Forderung verhandelt haben und das Gericht darüber entschie1 BGH, Beschl. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117; insoweit zutr. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934; OLG Rostock, Beschl. v. 29.5.2012 – 3 W 176/10, JurBüro 2012, 589; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 11; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.1980 – 17 W 18/80, JurBüro 1981, 248 mit abl. Anm. Mümmler. 2 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117. 3 OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, OLGR 1995, 176; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934. 4 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 217/83, MDR 1985, 487. 5 So schon OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.1980 – 17 W 18/80, JurBüro 1981, 248 mit abl. Anm. Mümmler; ebenso Lappe, Anm. zu OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 19 Nr. 31. 6 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457. 8 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 9 U 154/84, JurBüro 1987, 1053 m. Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.4.2001 – 23 W 50/00, MDR 2001, 776; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480; OLG Rostock, Urt. v. 28.1.2010 – 3 U 113/09; OLG Schleswig, Urt. v. 13.2.1986 – 9 U 74/85, JurBüro 1986, 1064; Schumann, NJW 1982, 1261. 9 KG, Beschl. v. 7.12.2010 – 12 W 42/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; OLG Köln, Beschl. v. 8.8.1994 – 18 U 234/93, MDR 1994, 1152.

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Zu gleich gelagerten Bewertungsproblemen kommt es, wenn die fehlende sachliche Bescheidung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung nicht auf einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Klageforderung, sondern auf einer Rücknahme des Rechtsmittels oder vergleichsweisen Regelung des Rechtsstreits beruht (s. hierzu Rz. 2.452 ff. und 2.461).

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den hat. Schon aus diesem Grund trägt auch der Einwand von Lappe1 nicht, wonach es im Hinblick auf § 30 GKG nach Abänderung des erstinstanzlichen Urteils an einem Entscheidungsschuldner fehlen soll.2

2.423

VI. Besondere Verfahren 1. Negative Feststellungsklage Stützt der Kläger seine negative Feststellungsklage allein darauf, dass die vom Beklagten behauptete Forderung durch Aufrechnung getilgt sei (§ 389 BGB), bestimmt sich der Wert nach der Forderung, deren der Beklagte sich berühmt.

2.424

Erhebt der Kläger dagegen primär anspruchsleugnende Einwendungen und nur hilfsweise den Auf- 2.425 rechnungseinwand, dann sind die Werte von Feststellungsklage und Gegenforderung, Letztere begrenzt auf den Wert des Klagewertes, zu addieren.3 In entsprechender Anwendung von § 322 Abs. 2 ZPO erfasst die Rechtskraft auch die Entscheidung über die Gegenforderung des Klägers.4 2. Klagenhäufung Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und verteidigen sie sich mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, kommt eine Erhöhung des Streitwerts nur für diejenigen Streitgenossen in Betracht, bei denen das Gericht eine Haftung für die Klageforderung bejaht und die Inhaber der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung sind.5 Verteidigt sich dagegen nur einer der gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Streitgenossen mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, soll die Streitwerterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG nach Ansicht des KG auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und nicht aufrechnenden Beklagten gelten.6 Hierfür spreche, dass § 45 Abs. 3 GKG nur allgemein von einer Erhöhung des Streitwertes spreche und der nicht aufrechnende Beklagte gem. § 422 BGB von der Hilfsaufrechnung im Falle ihres Erfolges profitiere.

2.426

3. Klage und Widerklage Der Rechtskraft fähig und damit werterhöhend zu berücksichtigen ist ferner die Entscheidung über die Aufrechnung des Klägers gegen eine vom Beklagten erhobene Widerklage. Es ist dann ein Gesamtstreitwert zu bilden aus der Summe der Werte von Klage, Widerklage und Aufrechnungsforderung (bis zur Höhe der Widerklage), wenn die Aufrechnung hilfsweise erfolgt. Der Wert einer außerdem noch erhobenen Feststellungswiderklage ist dem Streitwert hinzuzurechnen, soweit er durch die Wertsumme der Forderungen noch nicht erfasst ist. Er ist nach § 3 ZPO zu schätzen und richtet sich nach dem Interesse des Widerklägers.7 1 2 3 4 5

Lappe, Rpfleger 1995, 401. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.12.1979 – 4 W 16/79, MDR 1980, 411. BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611. BGH, Urt. v. 10.4.2018 – II ZR 149/17 – Beschwer. AG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2008 – 20 C 180062/06, AGS 2008, 137 m. zust. Anmerkung N. Schneider. 6 KG, Beschl. v. 3.3.2009 – 2 U 258/02, MDR 2009, 586 = AGS 2009, 400; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 1.6.1967 – II ZR 130/65, MDR 1967, 821. 7 OLG Düsseldorf, AnwBl. 1969, 403.

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2.428 Erhebt der Beklagte, der sich gegenüber der unstreitigen Klageforderung mit einer Aufrechnung verteidigt, zugleich Hilfswiderklage für den Fall, dass das Gericht die Aufrechnung für unzulässig halten sollte, ist zu differenzieren.

2.429 Eine Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung rechtfertigt keine Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG, da diese primär geltend gemacht wird, woran sich durch die Hilfswiderklage nichts ändert. Auch die Beschwer errechnet sich allein nach dem Wert der Klageforderung.1 Der Wert der Hilfswiderklage bleibt, da über sie nicht entschieden worden ist, nach zutreffender Ansicht unberücksichtigt.2 Siehe hierzu auch unter dem Stichwort „Hilfswiderklage“, Rz. 2.2256 ff.

2.430 Erachtet das Gericht die Primäraufrechnung demgegenüber für unzulässig und entscheidet über die Hilfswiderklage, sind die Werte von Klage und Widerklage – nunmehr jedoch nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG – zusammenzurechnen, es sei denn, sie betreffen denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Danach scheidet eine Wertaddition dort aus, wo sich das beiderseitige Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, während eine Zusammenrechnung geboten ist, wo „durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.3 Siehe ausführlich unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511 ff.

2.431 Von einer Identität der Gegenstände ist bei gewährleistungsrechtlichen Streitigkeiten immer dann auszugehen, wenn die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung nicht der Aufrechnung, sondern der Anrechnung unterliegen würde, beispielsweise wenn die Klage auf Zahlung von Werklohnzahlung und die Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln der Werkleistung (§ 634 Nr. 4 BGB) gerichtet ist. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob die Gegenforderung einredeweise oder im Wege der Widerklage erhoben wird. In beiden Fällen ist sie nach der Differenztheorie materiell-rechtlich nur ein Rechnungsposten desselben Anspruchs.4 Siehe hierzu auch Rz. 2.349 ff. und unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511 ff. 4. Erledigung der Hauptsache

2.432 Bei übereinstimmender Erledigungserklärung ist für eine Erhöhung des Gebührenstreitwerts um den Wert der Hilfsaufrechnungsforderung (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) kein Raum, da es an einer Entscheidung über diese fehlt.5

2.433 Beantragt der Kläger nach einseitig gebliebener Erledigungserklärung festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, weil er mit der Klageforderung nach Klageerhebung gegen einen Anspruch des Beklagten aufgerechnet habe und diese daher erloschen sei, dann bestimmt sich der Gebührenstreitwert allein nach der Klageforderung. Einer Werterhöhung um die Forderung des Beklagten steht schon entgegen, dass die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils sich auf diese nicht erstreckt.6

1 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736. 2 BGH, Rpfleger 1973, 432; 1972, 363 = MDR 1972, 357; E. Schneider, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223 = JurBüro 2005, 541; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255 m. Anm. E. Schneider, das jedoch die Identitätsformel des RG fehlerhaft anwendet. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 2019, 310. 6 BGH, Urt. v. 10.4.2018 – II ZR 149/17 – Beschwer.

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2. Teil

Verteidigt sich der Beklagte mit einer Hilfsaufrechnung, nachdem der Kläger wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten gem. § 179 InsO (§ 146 KO) vom Leistungsantrag zum Feststellungsantrag übergegangen ist, dann ist für die Additionsgrenze des § 45 Abs. 3 GKG der Wert des Leistungsantrages, nicht derjenige des Feststellungsantrages maßgebend, weil der Wert nach § 182 InsO (§ 148 KO) als reiner Gebührenstreitwert nicht die Rechtskraftgrenze des § 322 Abs. 2 ZPO bei Aberkennung der Gegenforderung bestimmt.1

2.434

6. Vollstreckungsabwehrklage Der Primäraufrechnung gleich steht die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), die der Kläger al- 2.435 lein auf eine zwischenzeitlich von ihm erklärte Aufrechnung gegenüber der titulierten Forderung des Beklagten (Vollstreckungsgläubigers) stützt. Zwar erfasst die Rechtskraft gem. § 322 Abs. 2 ZPO auch die Entscheidung über die Gegenforderung, soweit über sie entschieden worden ist.2 Für die Geltendmachung der Aufrechnung ist nämlich – bezogen auf die Beteiligten des Rechtsstreits – nur Voraussetzung, dass die Aufrechnung vom Schuldner derjenigen Forderung erklärt wird, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet. Dies ist bei der Vollstreckungsabwehrklage aufgrund der „vertauschten Parteirollen“ der Kläger.3 Für eine Werterhöhung fehlt es jedoch an einem – neben dem Aufrechnungseinwand bestehenden – Streit auch über die titulierte Hauptforderung.4 Anders verhält es sich folgerichtig, wenn der Kläger bei der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) neben weiteren Einwendungen geltend macht, dass die titulierte Forderung zumindest aufgrund einer von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen sei. Hier erfasst die Rechtskraft gem. § 322 Abs. 2 ZPO analog auch die Entscheidung über die Gegenforderung und führt zu einer Werterhöhung (auch der Beschwer), soweit über sie entschieden wird.5 Die Werterhöhung ist daher auch hier auf den Wert der titulierten Forderung begrenzt.6

2.436

7. Wiederaufnahmeklage Hat im Verfahren über die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage der Gegner hilfsweise mit einer Gegenforderung aufgerechnet, so sind nach BGH7 die Werte nicht zusammenzurechnen. Das Urteil nach § 589 ZPO entscheidet nur über die Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage. In diesem Verfahrensabschnitt und im „aufhebenden Verfahren“ ist weder für eine Hilfsaufrechnung noch für eine Hilfswiderklage Raum. Darüber wird daher auch nicht entschieden.

2.437

D. Rechtsmittel und Beschwer Die Rechtsmittelbeschwer bei der Eventualaufrechnung bestimmt sich maßgeblich danach, welche Partei das Rechtsmittel einlegt. Bei der Ermittlung der Beschwer einer für den (aufrechnenden) Be1 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1979 – 7 W 41/78, SchlHA 1981, 189. 2 Zöller/G. Vollkommer, § 322 ZPO Rz. 24. 3 BGH, Beschl. v. 10.4.2018 – II ZR 149717; BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643. 4 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 4. 5 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643; OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03, OLGR Köln 2004, 14; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 5; Meyer, § 45 Rz. 27. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 21.5.2014 – 7 U 12/14, MDR 2014, 857. 7 BGH, Warneyer 1970 Nr. 24.

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5. Insolvenzverfahren

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klagten nachteiligen Entscheidung ist wiederum eine zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung differenzierende Betrachtung geboten.

2.439 Der Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens bestimmt sich richtigerweise zunächst nach der formellen Beschwer des Rechtsmittelführers und erst im Falle einer sachlichen Bescheidung der (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung auch unter Berücksichtigung von deren Wert, soweit in einer der Rechtskraft fähigen Weise (§ 322 Abs. 2 ZPO) entschieden worden ist.

I. Unterliegen des Klägers 2.440 Für den Kläger ist dessen sog. formelle Beschwer maßgebend. Wertbestimmend ist folglich die Differenz zwischen dem Klageantrag und der Urteilssumme. Ob die Klageabweisung auf fehlende Schlüssigkeit, den Erfolg einer Hauptaufrechnung oder erst auf eine hilfsweise erklärte Aufrechnung zurückgeht, ist ohne Bedeutung. Er ist in allen Fällen nur in Höhe der Klageforderung beschwert, weil sein Klagebegehren als solches verneint worden ist; es findet deshalb keine Addition statt.1

2.441 Eine weitergehende Beschwer kann sich jedoch ergeben, wenn das Berufungsgericht einer auf Teilzahlung eines Abrechnungssaldos gerichteten Klage in vollem Umfang stattgibt, die Klage aber unter Verkennung des Streitgegenstandes teilweise abweist und damit den Anschein erweckt, unter Missachtung von § 322 Abs. 2 BGB rechtskräftig über eine nur als unselbständigen Berechnungsposten eingestellte Gegenforderung des Beklagten (zum Nachteil des Klägers) entschieden zu haben.2

II. Unterliegen des (aufrechnenden) Beklagten 2.442 Für die aufrechnende Partei ist auf deren materielle Beschwer abzustellen, so dass für deren Berechnung im Ergebnis § 45 Abs. 3 GKG zur Anwendung gelangt.3 Da der Beklagte wegen § 322 Abs. 1 ZPO zur Hilfsaufrechnung keinen Sachantrag stellen muss, fehlt für ihn als Rechtsmittelführer zwangsläufig ein Klageantrag als Bewertungsobjekt. Es kann folglich nur darauf abgestellt werden, welchen nachteiligen rechtskräftigen Inhalt die angefochtene Entscheidung für den Beklagten hat.

2.443 Hat der Beklagte sich allein mit einer Hauptaufrechnung verteidigt, entspricht seine Beschwer bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung dem Verurteilungsbetrag. Dass im Urteil mit Klage- und Gegenforderung über zwei Forderungen entschieden worden ist, ändert nichts an der materiellen Belastung des Beklagten, der das Entstehen der Klageforderung nicht in Abrede stellt.4 Dringt der Beklagte mit der Hauptaufrechnung durch, ist allein der Kläger durch die klageabweisende Entscheidung beschwert.

2.444 Demgegenüber erhöht sich die Beschwer des Beklagten, wenn das Gericht der Klage trotz einer hilfsweise erklärten Aufrechnung stattgibt oder die Klage nur aufgrund der Hilfsaufrechnung abweist. Hier ist der Beklagte, der den Bestand der Klageforderung bestritten hat, einmal um den Wert der Klageforderung und um den Verlust seiner Gegenforderung beschwert. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Verlust der (bestrittenen) Gegenforderung auf die mit der Aufrechnung verbundene Tilgungswirkung (§ 389 BGB) zurückgeht oder darauf beruht, dass im Urteil eine Gegenforderung verneint wird.5 1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702. Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 23. BGH, Beschl. v. 30.6.2004 – XII ZB 21/03, FamRZ 2004, 1714; BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 173; unklar Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 3. 5 BGH, Beschl. v. 25.9.1996 – IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15: zusätzlich zur Klageforderung jeweils in gleicher Höhe beschwert; BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, BGHZ 59, 17.

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2. Teil

Soweit das Rechtsmittel des Beklagten sich allein dagegen richtet, dass ihm seine Aufrechnungsforderung aberkannt worden ist, bestimmt sich der Beschwerdegegenstand1 nur nach der Gegenforderung. Dementsprechend ist auch der Gebührenwert danach zu bemessen.2

2.445

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Beispiel: K klagt gegen B auf Kaufpreiszahlung von 10.000 t, dieser bestreitet den Abschluss eines Kaufvertrages und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 10.000 t. B wird zur Kaufpreiszahlung verurteilt, wobei das Gericht den Bestand einer Gegenforderung verneint. B legt Berufung ein und begründet diese allein damit, dass seine Gegenforderung erstinstanzlich zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Hier stellt B die erstinstanzliche Entscheidung, die für ihn mit einer materiellen Beschwer von 20.000 t verbunden ist, nur hinsichtlich der Aberkennung der Gegenforderung zur Überprüfung. Beschwerdegegenstand und Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens belaufen sich daher (nur) auf 10.000 t. In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn der Beklagte in der Rechtsmittelinstanz erklärt, an seiner erstinstanzlich erklärten Hilfsaufrechnung nicht mehr festhalten und das Urteil diesbezüglich nicht zur Überprüfung stellen zu wollen.3

Bestreitet der Beklagte den Bestand der Klageforderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit 2.446 einer geringwertigeren Gegenforderung und gibt das Gericht der Klage wegen der Hilfsaufrechnung nur im Übrigen statt, dann bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Umfang der Klageabweisung und die des Beklagten nach dem Umfang der Verurteilung und dem Wert der Gegenforderung.4 Verteidigt sich der Beklagte primär durch Aufrechnung mit mehreren, die Klageforderung jedoch im Wert jeweils übersteigenden Gegenforderungen, sind die der ersten nachfolgenden Gegenforderungen werterhöhend in Ansatz zu bringen, wenn über diese der Rechtskraft fähig entschieden wird. Denn soweit der Beklagte, der mit der ersten, primär zur Aufrechnung gestellten Forderung nicht durchdringt, verteidigt er sich mit den weiteren Forderungen – wie bereits dargestellt (s. Rz. 2.409) – nur hilfsweise und damit werterhöhend.5

2.447

Zuweilen wird vom Ausgangsgericht nicht beachtet, dass die von dem Beklagten (hilfsweise) zur „Auf- 2.448 rechnung“ gestellte Gegenforderung, beispielsweise bei gewährleistungsrechtlichen Einwendungen (s. Rz. 2.349 ff.), nur einen unselbständigen Rechnungsposten einer materiell-rechtlich gebotenen Anrechnung darstellt. Bei zutreffender Sachbehandlung bliebe die bloße Verrechnung etwaiger Gegenansprüche für die Beschwer ohne Auswirkungen, da die Entscheidung insoweit nicht gem. § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft erwächst. Werden etwaige Gegenansprüche vom Gericht dennoch unter dem Gesichtspunkt der Aufrechnung gewürdigt und umfassend beschieden, nimmt diese Entscheidung gem. § 322 Abs. 2 ZPO an der Rechtskraft des Urteils teil. Ebenso liegt es, wenn den Entscheidungsgründen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass aus materiell-rechtlichen Gründen nur eine Verrechnung gewollt ist. In beiden Fällen ist daher (unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen) eine Erhöhung der Beschwer des Beklagten aufgrund des rechtskräftigen Verbrauchs der Gegenansprüche möglich.6 Wird eine Vollstreckungsabwehrklage neben anderen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vorsorglich auch mit einer Aufrechnung begründet, so ist der Kläger im Fall der Klageabweisung in Höhe sowohl der titulierten Forderung als auch der aberkannten Aufrechnungsforderung beschwert.7 Dringt der Vollstreckungskläger mit dem hilfsweise erhobenen Aufrechnungseinwand durch, ist er ein1 2 3 4 5

Vgl. zum Verhältnis von Beschwer und Beschwerdegegenstand Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 13. BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79. KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85. OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013 – 1 W 67/13, AGS 2014, 337. BGH, Beschl. v. 12.7.2000 – VIII ZR 2/99, EWiR 2000, 1043; BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960. 6 BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 148/01, MDR 2002, 601; BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285. 7 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407.

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fach beschwert. Es ist das Spiegelbild zur Klageabweisung aufgrund erfolgreicher Hilfsaufrechnung des Beklagten.

III. Verwerfung des Rechtsmittels 2.450 Nach vorstehender Maßgabe scheidet eine Erhöhung des zweitinstanzlichen Gebührenstreitwerts nach § 45 Abs. 3 GKG ferner aus, wenn das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 1, § 552 Abs. 1 ZPO verworfen wird.1 Hier wird nur über die Zulässigkeit des Rechtsmittels, nicht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung („sie“) entschieden. Es geht allein darum, ob die Rechtsmitteleinlegung Anlass zu einer erneuten Sachprüfung gibt.

2.451 Die mit der hilfsweisen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 45 Abs. 1 und 3 GKG verbundene Werterhöhung setzt jedoch eine materiell-rechtliche und damit der Rechtskraft zugängliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über Hilfsanspruch und Gegenforderung voraus.2 Demgegenüber erfasst die aus der Verwerfung resultierende Rechtskraft nur die – erstinstanzliche – Entscheidung über die Gegenforderung.3 Bei abweichender Betrachtung müsste eine Werterhöhung selbst dann bejaht werden, wenn die Möglichkeit eines Rechtsmittels unzweifelhaft nicht eröffnet ist. Ebenso rechtfertigt der Umstand keine Addition, dass der Berufungsanwalt sich in der Berufungsbegründung mit der aberkannten Gegenforderung befasst hat und hat befassen müssen, um dem gesetzlichen Begründungszwang des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu genügen. Konstruktiv entspricht die Rechtsmittelverwerfung der vom Gericht erkannten Unzulässigkeit einer Klageänderung, mit welcher der Kläger einen Hilfsantrag in den Prozess einführen will. Auch hier wird nicht i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG über die Forderung, genauer den Hilfsanspruch („ihn“), entschieden. Eine Werterhöhung scheidet aus.

IV. Rücknahme des Rechtsmittels 2.452 Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Findet das Verfahren vor (fristgerechter) Einreichung solcher Anträge sein Ende, ist die Beschwer des Rechtsmittelführers maßgebend, § 47 Abs. 1 GKG. Ist der Beklagte erstinstanzlich mit der von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung nicht durchgedrungen, weil das Gericht eine Aufrechnungslage verneint hat, bestimmt sich seine Beschwer nach dem Wert von Klageforderung und Gegenforderung, soweit über Letztere gem. § 322 Abs. 2 ZPO entschieden worden ist (s. Rz. 2.444). Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn der Beklagte sein Rechtsmittel gegen die Entscheidung zurücknimmt.

2.453 Nach Ansicht des BGH4 und ihm folgend des OLG Frankfurt5 sowie des OLG Schleswig6 bestimmt sich der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittel des Beklagten, der die Klage erneut mit der Hilfsaufrechnung angreift, von Beginn an nach der Addition von Klage- und Gegenforderung, ohne dass es hierfür einer zweitinstanzlichen Entscheidung über die Gegenforderung bedürfe, also auch bei einer Rücknahme der Berufung oder Revision noch vor Antragstellung. § 45 Abs. 3 GKG sei „im Lichte“ von § 47

1 KG, Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; Madert, FS für H. Schmidt, S. 77; a.A. Schneider, Anm. zu KostRsp. GKG § 19 Nr. 16; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236. 3 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; KG, Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236. 4 BGH, Beschl. v. 28.9.1978 – VII ZR 52/78, MDR 1979, 133; BGH, Beschl. v. 30.6.1978 – I ZR 72/77, JurBüro 1979, 358. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013 – 1 W 67/13, AGS 2014, 337.

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GKG zu „interpretieren“,1 da dem Beklagten abweichend zur ersten Instanz von Beginn an nicht nur an einem Erfolg seiner primären Einwendungen, sondern auch an der Wiederherstellung seiner erstinstanzlich aberkannten Hilfsaufrechnungsforderung gelegen sei. Darüber hinaus könne § 45 Abs. 3 GKG nicht entnommen werden, dass die danach notwendige Entscheidung über die Gegenforderung in der Rechtsmittelinstanz ergangen sein müsse, um eine Werterhöhung zu rechtfertigen. Hierfür sei vielmehr ausreichend, dass bereits erstinstanzlich eine Entscheidung ergangen sei. Der Ansatz ist nicht überzeugend. Mit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung nahezu einhellig vertretenen Auffassung bleibt der Wert der erstinstanzlich beschiedenen Gegenforderung bei der Rechtsmittelrücknahme unberücksichtigt. Für eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG fehlt es an einer Bescheidung der Gegenforderung durch das Rechtsmittelgericht.2 Unzutreffend ist auch die Annahme, dem Rechtsmittel des Beklagten liege ein – über das erstinstanzlich auf Klageabweisung gerichtetes – hinausgehendes Interesse zugrunde. Hierbei wird verkannt, dass der Beklagte bereits mit einem Erfolg seiner primären Einwendungen eine „Wiederherstellung“ seiner Gegenforderung erreicht, da es ohne Hauptforderung an einer Aufrechnungslage und der damit verbundenen Tilgungswirkung (§ 389 BGB) fehlt. Einer Entscheidung über die Gegenforderung bedarf es für diese Feststellung gerade nicht. Die fehlende zweitinstanzliche Entscheidung kann auch nicht durch einen Rückgriff auf die Entscheidung des Ausgangsgerichts ersetzt werden. Wegen des „Grundsatzes der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“3 müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wertvorschrift innerhalb der Instanz erfüllt werden.4 Anderenfalls wären unvermeidbare Wertungswidersprüche die Folge, da eine Werterhöhung auch dann bejaht werden müsste, wenn das Rechtsmittelgericht zwar in der Sache entscheidet, aber hierbei auf die Gegenforderung nicht eingeht.5

2.454

§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Dieser bezweckt allein, die Ungewissheit über die Reichweite des vom Rechtsmittelführer beabsichtigten Angriffs zu beheben, indem bei ausbleibender Antragstellung unterstellt wird, dass sich der Beklagte in vollem Umfang gegen die ihn beschwerende Entscheidung gewandt hätte. Dem liegt die – (nur) für den Regelfall zutreffende – Annahme zugrunde, dass Beschwer und unbeschränkter Rechtsmittelantrag wertmäßig einander entsprechen. Eine Werterhöhung im Umfang der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung folgt daraus gerade nicht. Denn gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG wird der Streitwert – unabhängig vom Umfang der materiellen Beschwer – durch den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz, also „durch das Interesse des Klägers an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruch“ begrenzt.6 Dem widerspricht auch nicht der Vorbehalt des § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG, wonach die Wertbegrenzung auf die formelle Beschwer nicht gilt, wenn der Streitgegenstand erweitert wird. Denn zum Streitgegenstand wird die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erst mit der (wider)klageweisen Geltendma-

2.455

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121. 2 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2006 – 13 U 135/05; OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 9 U 154/84, JurBüro 1987, 1053 m. Anm. Mümmler; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2012 – 19 W 48712; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, JurBüro 1995, 485; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507; a.A. Diehl, NJW 1970, 1092. 3 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117. 4 OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, OLGR 1995, 176; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934. 5 OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159. 6 BGH, Urt. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 840; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159.

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chung.1 Es kann daher dahinstehen, ob § 45 Abs. 3 GKG dem § 47 Abs. 1 GKG als lex speciales vorgeht2 oder einen davon grundverschiedenen Sachverhalt betrifft.3

E. Vergleich 2.456 Während der Prozessvergleich im Fall der Identität von Vergleichs- und Streitgegenstand streitwertrechtlich keine Besonderheiten aufweist, bedarf der Wert des Vergleichsgegenstandes einer gesonderten Prüfung, wenn mit dem Vergleich auch eine Regelung nicht anhängiger Ansprüche erfolgt.4 Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Beklagte sich vor der vergleichsweisen Erledigung gegenüber der Klageforderung primär oder hilfsweise mit einer Aufrechnung verteidigt hat. Hier ist häufig eine für die Gerichtsgebühren und die anwaltlichen Gebühren gesonderte Wertfestsetzung notwendig.

2.457 Eine Erhöhung des Verfahrenswertes kommt – abweichend zum Gegenstandswert der Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000, 1003 RVG – jedoch nur in Betracht, wenn der Rechtsstreit durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet wurde. Eine entsprechende Anwendung von § 45 Abs. 4 GKG auf außergerichtliche Vergleiche, denen eine übereinstimmende Erledigungserklärung nachfolgt, scheidet aus.5 Unerheblich ist dagegen, in welchem Rechtsstreit der Vergleichsabschluss erfolgt. Es genügt die Erledigung der Eventualforderung in einem anderen Rechtsstreit.6 Das gilt auch dann, wenn für die Prüfung der Gegenforderung ein anderes Gericht ausschließlich zuständig wäre.7

I. Gerichtsgebühren 2.458 Während bis zum KostRÄndG 1994 die vergleichsweise Beendigung auf den Verfahrenswert ohne Einfluss blieb, d.h. dieser sich mangels Entscheidung über die Gegenforderung gem. § 12 Abs. 1 GKG a.F. (§ 48 Abs. 1 GKG) weiterhin nach dem Wert der Klageforderung richtete, wurde mit der Änderung des GKG die vergleichsweise Beendigung der streitigen Entscheidung (weitgehend) gleichgestellt. Diese Regelung wurde vom KostRMoG 2004 in § 45 Abs. 4 GKG übernommen, wonach § 45 Abs. 3 GKG bei einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits entsprechend anzuwenden ist. Eine Erhöhung des Verfahrenswerts kommt also nur in Betracht, wenn und soweit eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und bestrittene Gegenforderung durch den Prozessvergleich endgültig erledigt wird, d.h. über ihr Bestehen oder Nichtbestehen zwischen den Parteien eine abschließende Einigung getroffenen worden ist.8

2.459 Hierbei ist die Werterhöhung (für den Verfahrenswert) bei vergleichsweiser Regelung einer die Klageforderung übersteigenden, hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung – wie im Falle der streitigen Entscheidung – auf den Umfang der Klageforderung beschränkt. Die Sperrgrenze des § 322 Abs. 2 ZPO gilt gem. § 45 Abs. 4 GKG entsprechend, so dass für den Verfahrenswert (und die anwaltliche Verfahrensgebühr) die Werte der Gegenforderungen jeweils nur bis zur Höhe des Werts der Klageforderung addiert werden dürfen.9 Denn die Bezugnahme auf § 45 Abs. 3 GKG setzt den Abschluss eines Vergleichs voraus und stellt die Wertbegrenzung damit gerade nicht (mehr) unter den Vorbehalt 1 OLG Rostock, Beschl. v. 3.3.2004 – 3 U 267/03, OLGR 2004, 262. 2 So KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159. 3 So E. Schneider, Anm. zu OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934. 4 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1984 – 6 WF 12/84, JurBüro 1984, 736 m. Anm. Mümmler. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2003 – 23 W 120/03, OLGR 2004, 14 = AGS 2004, 27 m. Anm. N. Schneider; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2012 – 14 W 55/12, MDR 2013, 424. 6 Insoweit zutr. OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680. 7 KG, Beschl. v. 8.8.1983 – 12 W 3119/83, Rpfleger 1983, 505. 8 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1219; Madert, FS für H. Schmidt, S. 79. 9 OLG Celle, Beschl. v. 17.12.2010 – 14 W 36/10, BauR 2011, 886.

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einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung. Anderenfalls bliebe auch unverständlich, warum die mit dem Verfahren anfallenden Gebühren sich wegen eines Forderungsteils erhöhen sollen, der selbst bei streitiger Erledigung niemals Verfahrensgegenstand wäre. Verfahrenswert und Vergleichswert müssen daher gesondert berechnet werden.1 Die vom OLG München2 und neuerdings auch vom OLG Saarbrücken3 vertretene Ansicht, wonach sich bei Abschluss eines Vergleichs auch der Verfahrensstreitwert ohne die Begrenzung des § 45 Abs. 3 GKG erhöhe, vermag nicht zu überzeugen. Der ohne Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung vertretene Ansatz übersieht, dass § 45 Abs. 4 GKG eine Ausnahmevorschrift gegenüber § 45 Abs. 3 GKG darstellt, bedingt dadurch, dass bei Prozessvergleichen keine Rechtskraftbeschränkung gem. § 322 Abs. 2 ZPO eintreten kann. Mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1 bis 3 GKG „entsprechend“ anzuwenden, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es bei einer vergleichsweisen Regelung an dem nach § 45 Abs. 3 GKG notwendigen Bedingungseintritt, d.h. einer positiven Entscheidung des Gerichts über die Klageforderung, fehlt.4

2.460

Wird der Vergleich nach einer abschlägigen Bescheidung der Hilfsaufrechnung erst im Rechtsmittelverfahren geschlossen, so bemisst sich dessen Gebührenstreitwert mangels zweitinstanzlicher Entscheidung über die Gegenforderung allein nach dem Wert der Klageforderung.5 Für die erste Instanz verbleibt es – ausgehend vom Grundsatz der instanzbezogenen Wertfestsetzung – bei der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG. Dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht rechtskräftig wird, ist unerheblich, da es für die Werterhöhung allein einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung bedarf.6

2.461

Zu beachten bleibt, dass sich die Gerichtsgebühren bei einer vergleichsweisen Regelung nicht anhängiger Ansprüche um eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG erhöhen, berechnet nach dem Unterschied der Streitwerte.

2.462

II. Anwaltliche Gebühren Die Wertbestimmung für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), folgt gem. § 23 RVG dem Verfahrenswert. Insoweit kann für die Auswirkungen der vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

2.463

Ferner löst die anwaltliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs oder an den diesem vo- 2.464 rausgehenden Verhandlungen u.a. eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000, 1003 VV RVG aus. Da sich der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung grundsätzlich danach bestimmt, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird,7 kommt eine Werterhöhung regelmäßig in Betracht, wenn sich die Parteien vergleichen, nachdem der Beklagte gegenüber der (streitigen) Klageforderung die Aufrechnung (mit einer streitigen Gegenforderung) erklärt hat und der Vergleich auch die Gegenforderung erfasst. 1 KG, Beschl. v. 24.5.2018 – 4 W 17/18, AGS 2019, 27 = JurBüro 2018, 472; OLG Celle, Beschl. v. 17.12.2010 – 14 W 36/10, BauR 2011, 886; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.4.1987 – 9 W 29/87, JurBüro 1987, 1383; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.2011 – 10 W 8/11, juris; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, MDR 1998, 680; OLG München, Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10. 2 OLG München, Beschl. v. 20.3.1987 – 11 W 1132/87, AnwBl. 1988, 247 mit abl. Anm. Madert. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2008 – 4 W 4/08, OLGR 2008, 364: Erhöhung sämtlicher vor dem Vergleich verwirkten Gebührentatbestände ohne Begrenzung auf die Höhe der Klageforderung. 4 Zustimmend KG, Beschl. v. 24-5-2018 – 4 W 17/18, AGS 2019, 27 = JurBüro 2018, 472. 5 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.4.2001 – 23 W 50/00, MDR 2001, 776 = AGS 2002, 40. 7 BGH, NJW 1964, 1523; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.8.1986 – 2 WF 138/86, FamRZ 1987, 184; KG v. 18.12.2003 – 12 U 164/02, KGReport Berlin 2004, 310; OLG Köln, JurBüro 1996, 476; OLG München, JurBüro 2001, 141; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 4; E. Schneider, Rpfleger 1986, 81; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177.

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2.465 Gewährleistungsrechtliche Einwendungen, die nur zur Anrechnung führen und keine Aufrechnung ermöglichen (s. Rz. 2.349 ff.), erhöhen – wenn ihr Wert den der Klageforderung nicht übersteigt – auch den Vergleichswert nicht.1 Die abweichende Entscheidung des OLG Celle,2 dass sich der Vergleichswert „grundsätzlich nach allen streitigen Ansprüchen bestimme“, übersieht, dass es im Fall der Anrechnung zumindest bis zur Höhe der Klageforderung an einer Gegenforderung fehlt. Diese ergibt sich erst bei einem zugunsten des Beklagten über die Höhe des verlangten Werklohnes hinausgehenden schadensersatzrechtlichen Nichterfüllungsanspruch. Unabhängig davon lägen bei abweichender Betrachtung bezüglich des Werklohnanspruchs und des zur „Aufrechnung“ gestellten Vorschussanspruchs (§ 637 BGB) wirtschaftlich identische Gegenstände vor, so dass eine Werterhöhung dann aus diesem Grunde ausgeschlossen wäre.

2.466 Zu beachten ist, dass auch bei der Bewertung einer vergleichsweisen Regelung über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. Ist die mitverglichene Gegenforderung nicht oder voraussichtlich nicht realisierbar, dann kann das zu Abstrichen beim Vergleichswert führen. Anzusetzen ist dann der Teilbetrag, der nach den Umständen des Falles für realisierbar gehalten werden konnte.3 Siehe zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.

2.467 Im Übrigen ist wie folgt zu unterscheiden: – Im Falle der Primäraufrechnung ist die Klageforderung unstreitig, so dass eine Wertaddition ausscheidet.4 Vielmehr ist für den Vergleichswert auf die höherwertige Forderung abzustellen. Die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO findet hier keine Anwendung, da es mit dem Vergleich an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung mangelt. – Demgegenüber ist eine Zusammenrechnung von Forderung und Gegenforderung geboten, wenn der Beklagte primär die Aufrechnung erklärt und sich nur hilfsweise mit anderweitigen Einwendungen verteidigt.5 Denn für den Vergleich und damit für den Vergleichswert ist das Eventualverhältnis bedeutungslos, so dass sich die Klageforderung trotz der nur hilfsweise erhobenen anderweitigen Einwendungen als streitig darstellt. – Hat der Beklagte die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung nur hilfsweise erklärt, ist der Vergleichswert immer aus der Summe der verglichenen Ansprüche zu bilden. Hier stehen Klageforderung und Gegenforderung im Streit, der durch die vergleichsweise Einigung beendet wird.6 Der Vergleichswert wird auch hier durch die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nicht begrenzt, da § 45 Abs. 3 GKG nach einhelliger Ansicht nur für den Verfahrenswert gilt.7

1 LG Bayreuth, Beschl. v. 14.7.1989 – 2 O 227/89, JurBüro 1989, 1601. 2 OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 278. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.1980 – 5 U 124/79, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.9.1984 – 15 W 52/84, Justiz 1985, 139, 140; OLG München, Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10. 4 A.A. Meyer, § 45 Rz. 43. 5 KG, Beschl. v. 21.12.1976 – 5 W 1061/76. 6 Nur insoweit zutreffend OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, OLGR 2007, 198. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680; OLG Köln, JurBüro 1994, 496; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, MDR 1998, 680; OLG München, Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10 = AnwBl. 1999, 132; OLG Nürnberg, JurBüro 1982, 1380; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 15; N. Schneider, AGS 2003, 150, 152; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177; unzutreffend OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, Nds.RPfl. 2007, 69, das die Begrenzung (ohne nähere Begründung) auch auf den Vergleichswert erstreckt.

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Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

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2. Teil

2.468

Siehe das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“, Rz. 2.275 ff.

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Ein Handelsvertreter kann nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses unter bestimmten Umständen einen Ausgleich vom Unternehmer nach § 89b HGB verlangen. Für die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes ist entscheidend, auf welchem Wege bzw. auf welche Weise er seinen Anspruch geltend macht:

2.469

A. Bezifferte Anträge Erhebt der Handelsvertreter gegen den Unternehmer eine bezifferte Zahlungsklage, so entspricht der Streitwert dem geforderten Betrag.

2.470

Berühmt sich der Handelsvertreter eines bezifferten Anspruchs, dann bestimmt dessen Höhe auch den Streitwert einer negativen Feststellungsklage des Unternehmers. Denn bei einer leugnenden Feststellungsklage gegen einen bezifferten Anspruch ist im Gegensatz zur positiven Feststellungsklage der volle Wert des aus dem Rechtsverhältnis abgeleiteten Interesses zugrunde zu legen.1

2.471

B. Unbezifferte Anträge Bei einem unbezifferten Klageantrag des Handelsvertreters auf Ausgleichszahlung ist der Streitwert unter Berücksichtigung von § 89b Abs. 2 HGB und der generellen Grundsätze für unbezifferte Leistungsanträge nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Entscheidend ist also, welcher Betrag dem Kläger unter Zugrundelegung seines klagebegründenden Sachvortrags zuzubilligen wäre.2

2.472

Beispiel: Hat der Kläger eines Ausgleichsanspruches seinen unbezifferten Antrag in der Klagebegründung mit 6.000 t bewertet, verfolgt er aber im Laufe des Rechtsstreites die Aufrechterhaltung eines zu seinen Gunsten erstrittenen Versäumnisurteils über 10.000 t, so ist der Rechtsstreit jedenfalls dann mit 10.000 t zu bewerten, wenn das Versäumnisurteil auf der Grundlage des klagebegründenden Sachvortrages ergangen ist.3

2.473

Die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG gilt auch für die negative Feststellungsklage des Unternehmers, dass dem ausgeschiedenen Handelsvertreter kein Anspruch mehr zusteht.

2.474

Beispiel: Nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg kann, wenn sich ein Vertreter, der bisher jährlich mehr als (umgerechnet) 15.000 DM verdient hat, nach Auflösung des mehrjährigen Vertretungsverhältnisses eines nicht bezifferten Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB berühmt, der Streitwert für eine negative Feststellungsklage auf (umgerechnet) 5.000 t festgesetzt werden.4

2.475

1 2 3 4

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, OLGR 1998, 39. Vgl. dazu das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff. OLG Köln, Urt. v. 28.3.1973 – 2 U 131/72, VersR 1973, 1065. OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 515.

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ZPO

Auseinandersetzung

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2. Teil

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Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB

ZPO

C. Auskunftsanspruch 2.476 Wird ein Auskunftsanspruch über die in den letzten Jahren gezahlte Jahresprovision geltend gemacht oder innerhalb einer Stufenklage vorgeschaltet, dann kann er im Wege einer Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit etwa 1/5 bis 1/4 des Wertes der Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB angenommen werden, die er vorbereiten soll.1 Die Bewertungsregeln für Auskunftsklagen sind anwendbar.2 Dabei ist der zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilte Unternehmer gehindert, den damit verbundenen Aufwand zur Begründung seiner Beschwer von seinem vorinstanzlichen Vorbringen zu beziffern, um die Erwachsenheitssumme zu erreichen.3

Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB 2.477 Bei einer Klage auf Feststellung der Ausgleichspflicht gem. § 2050 BGB, gerichtet auf deren Grund und Höhe oder dahingehend, dass der Ausgleichspflichtige bei der Auseinandersetzung nichts mehr erhält, ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat. Es ist also § 3 ZPO und nicht § 6 ZPO anzuwenden.4 Die Festsetzung des Wertes nach freiem Ermessen rechtfertigt sich daraus, dass die Verurteilung für die Beklagten nicht dieselben Folgen hat wie eine Verurteilung zur Leistung nach § 2039 BGB.

2.478 Für die Klage auf Feststellung, dass der Kläger Vorerbe des Erblassers geworden sei, ist der Streitwert geringer zu bemessen als bei der Feststellungsklage, die eine Vollerbenstellung betrifft.5 Denn bei der Wertfestsetzung kann nicht der Gesichtspunkt maßgeblich sein, dass der Vorerbe an der Erbschaft die gleichen Nutzungsrechte hat wie der Vollerbe. Die Erbenstellung erschöpft sich nicht darin, dem Erben eine Nutzung der zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände zu ermöglichen; ebenso bedeutsam ist für ihn die Befugnis, über die Nachlassgegenstände verfügen zu können. Die Verfügungsmacht des Vorerben unterliegt bereits bei Rechtsgeschäften unter Lebenden gewissen Einschränkungen. Die Möglichkeit, von Todes wegen über die Erbschaft zu verfügen, fehlt dem Vorerben gänzlich. Die Stellung eines Vorerben ist demnach erheblich schwächer als die eines Erben, und zwar auch dann, wenn der Nacherbfall nicht nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums, sondern erst mit dem Tode des Vorerben eintritt. Das ist auch bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen.

2.479 Sind ausgleichungspflichtige Zuwendungen i.S.d. §§ 2050 ff. BGB Gegenstand einer Auskunftspflicht des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug auf die fiktiven Nachlassaktiva, ist der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO an dem Interesse der Beklagten zu bemessen, die Auskünfte (und ggf. ein Verkehrswertgutachten für eine Nachlassimmobilie) nicht erteilen zu müssen.6

2.480 Der Streitwert einer Auskunftsklage betreffend ausgleichungspflichtiger Zuwendungen an Miterben entspricht nicht dem der Hauptsache, sondern stets nur einen Teilwert, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.7 Die Rechtsprechung kommt zu Teilwerten zwischen 1/10 und 1/4, jedenfalls weniger als 1/2

1 2 3 4 5 6 7

BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796 m. Anm. Weiher. Vgl. dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481. BGH, Beschl. v. 30.4.2020 – VII ZR 151/19, NJW-RR 2020, 1258. BGH, Beschl. v. 3.10.1956 – IV ZR 208/56, Rpfleger 1957, 247. BGH v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958: 25 %. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.5.2011 – 1 U 249/10, ZEV 2011, 379. BGH v. 10.2.2011 – III ZR 338/09, MDR 2011, 559.

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Kurpat und Monschau

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Auskunftsanspruch

2. Teil

ZPO

des Wertes der Hauptsache.1 Maßgebend ist, in welchem Maß die Durchsetzbarkeit der Ansprüche des Klägers von der Auskunft des Beklagten abhängt; das Interesse umso höher zu bewerten, je geringer seine Kenntnisse und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind.2

Auskunftsanspruch A. Zuständigkeitsstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften Mangels spezieller Bewertungsvorschriften ist der Zuständigkeitsstreitwert einer Auskunftsklage nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.481

II. Bewertungsgrundsätze Soweit ein Anspruch auf Auskunft ohne Bezug zu einem Leistungsanspruch geltend gemacht wird, 2.482 ist der Streitwert gem. § 3 ZPO frei nach dem Interesse des Klägers zu schätzen.3 In aller Regel soll der Anspruch auf Auskunftserteilung jedoch einen Leistungsanspruch vorbereiten. In diesem Fall stellt sich sein Wert als Bruchteil des Anspruchs dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll, also des jeweiligen Leistungsanspruchs. Das dürfte auch dann gelten, wenn der Kläger aus Kostengründen nicht im Wege der Stufenklage vorgeht, aber zugleich ankündigt, im Falle einer Auskunft mögliche Leistungsansprüche auch durchzusetzen.4

2.483

Der Wert des Auskunftsanspruchs lässt sich dabei nicht generell auf einen bestimmten Bruchteil des Leistungsanspruchs festlegen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Je nach Bedeutung der Auskunft ist dabei ein höherer oder geringerer Bruchteil anzusetzen.

2.484

Das Auskunftsinteresse darf jedoch grundsätzlich nicht dem Erfüllungsinteresse gleichgesetzt werden. 2.485 Nur in besonderen Fällen kann das Auskunftsinteresse bis an den Hauptsachewert heranreichen, etwa, wenn der Leistungsanspruch mit der Auskunft „steht und fällt“, wenn also ohne Auskunft der Leistungsanspruch nicht feststellbar oder durchsetzbar sein wird. Maßgebend für das zu bewertende Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft ist die Höhe des Leistungsanspruchs, dessen sich der Kläger berühmt oder der aufgrund der vom Kläger vorgetragenen objektiven Kriterien zu erwarten ist.

2.486

Abzustellen ist darauf, welche Vorstellung sich der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO) von dem Wert seines Leistungsantrages gemacht hat. Dabei ist auf seinen Klagevortrag abzustellen. Auf subjektive Erwartungen kommt es nicht an, sondern darauf, was nach den vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen objektiv zu erwarten ist. Fehlen entsprechende Darlegungen, sind diese anzufordern (§ 139 ZPO).

2.487

1 Vgl. u.a. OLG Hamm v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06; KG v. 18.9.1995 – 12 W 5217/95; OLG Koblenz v. 6.8.2004 – 6 W 489/04. 2 Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 3 ZPO Rz. 16, Stichwort „Auskunft“ m.w.N. 3 BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – IV ZB 21/15, ErbR 2016, 230. 4 Andeutend BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – IV ZB 21/15, ErbR 2016, 230.

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2. Teil

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Auskunftsanspruch

2.488 Kann der Antragsteller mangels entsprechender Kenntnisse und Informationen keine Darlegungen

ZPO

erbringen, ist zu schätzen.

2.489 Das Interesse der Parteien daran, schon mithilfe des Auskunftsanspruchs eine rechtliche Prognose über den Ausgang der Hauptsache zu erlangen, ist unbeachtlich, weil die Auskunftsstufe insoweit nicht zu einer rechtskräftigen Klärung führen kann.1

2.490 Wertangaben der Parteien (§ 61 GKG) und wirklicher Wert der Gegenstände oder Ansprüche, über die Auskunft verlangt wird, haben nur indizielle Bedeutung.

2.491 Als generelle Auslegungsregel zur Bewertung lässt sich mit der Rechtsprechung formulieren: Das Auskunftsinteresse des Klägers ist umso höher zu bewerten, je geringer seine Kenntnisse und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (s. auch das Stichwort „Rechnungslegung“, Rz. 2.4153).

2.492 Hinsichtlich der dabei zu berücksichtigenden Umstände lässt sich im Anschluss an den BGH2 folgende Bewertungsskala für das Angriffsinteresse des Klägers aufstellen: 1. Hohe Bewertung, wenn der Kläger seinen Anspruch ohne Auskunft voraussichtlich nicht durchsetzen kann. 2. Mittlerer Wertansatz, wenn die Auskunft dem Kläger die Begründung des Zahlungsanspruchs erleichtert. 3. Geringer Wertansatz, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bezifferung des Zahlungsanspruchs weitgehend geklärt sind. 4. Geringste Bewertung, wenn dem Kläger die maßgeblichen Unterlagen bereits zur Verfügung stehen und die Auskunft nur noch Kontrollfunktion oder Erhöhung der Übersichtlichkeit bezweckt.

2.493 So ist beispielsweise der Auskunftsanspruch hoch zu bewerten, wenn der Berechtigte ohne die Auskunft nicht einmal weiß, welche Rechte ihm zustehen.

2.494a Beispiel: A hat eine Wohnung an B vermietet. Als Mietdauer sind fünf Jahre vereinbart. B ist zur Untervermietung berechtigt. Nach Ablauf der fünf Jahre hat B, wenn er nicht untervermietet hat, die Wohnung geräumt und renoviert an A zurückzugeben. Bei Untervermietung soll A nach Ablauf der Frist in das Mietverhältnis eintreten; B hat ihm dann die notwendigen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen dazu – Untermietvertrag usw. – auszuhändigen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses geschieht nichts. A weiß nicht, ob B die Wohnung selbst nutzt oder untervermietet hat. Er weiß also auch nicht, ob er einen Anspruch auf Räumung gegen B hat oder einen Anspruch auf Mietzinszahlung gegen einen ihm noch unbekannten Mieter. Folglich muss er auf Auskunft klagen, um überhaupt zu erfahren, welche Rechte ihm zustehen. Ohne diese Auskunft ist er faktisch rechtlos gestellt. Das rechtfertigt es, den Auskunftsanspruch sehr hoch anzusetzen.

2.494 Umgekehrt sinkt der Auskunftsstreitwert, wenn die für die Durchsetzung des Leistungsanspruchs erforderlichen Auskünfte nur geringe Bedeutung haben oder der Kläger sich die erforderlichen Informationen auch ohne Auskunft des Beklagten anderweitig verschaffen kann.

2.495 Soweit keine besonderen Umstände gegeben sind, geht die Rechtsprechung von einem Bruchteil zwischen 20 % und 25 % des zu erwartenden Leistungsanspruchs aus.

1 BGH, Urt. v. 27.11.1991 – VIII ZR 37/91, NJW-RR 1992, 69. 2 BGH, Beschl. v. 4.11.1982 – VII ZR 147/82, JurBüro 1983, 118.

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Auskunftsanspruch

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2. Teil

Der Gebührenstreitwert richtet sich erstinstanzlich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Es gilt das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert.

2.496

Im Rechtsmittelverfahren gilt § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Beschwer Bezug genommen werden.

2.497

C. Beschwer In der Rechtsmittelinstanz kommt es darauf an, von welcher Partei das Rechtsmittel eingelegt worden ist.1

2.498

Das Interesse des Klägers als Rechtsmittelführer, wenn er also mit seinem Rechtsmittel den abgewiesenen Antrag auf Erteilung einer Auskunft weiterverfolgt, ist ebenso zu bewerten wie der Zuständigkeitsstreitwert, so dass auf die Rz. 2.482 ff. verwiesen werden kann.

2.499

Bei einem Rechtsmittel des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Auskunftserteilung ist die Beschwer eigenständig zu ermitteln. Sie ist nicht lediglich die spiegelbildliche Beschwer des Leistungsinteresses des Klägers.2

2.500

Dabei ist der Wert der Beschwer nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse zu bewerten, nicht aber nach dem Wert des Auskunftsanspruchs. Dabei bleibt das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer für ihn nachteiligen Kostenentscheidung außer Betracht. Diese Grundsätze hat der BGH grundlegend in einer Entscheidung des Großen Zivilsenats3 festgelegt und hält daran in ständiger Rechtsprechung fest.4 Sie gelten auch für die Verurteilung zur Einsichtsgewährung in Unterlagen5 oder zur Auskunft über Namen und ladungsfähige Anschrift der an einer Behandlung beteiligten Ärzte.6

2.501

Dabei ist der zur Auskunft verurteilte Beklagte gehindert, den damit verbundenen Aufwand zur Begründung seiner Beschwer abweichend von seinem vorinstanzlichen Vorbringen zu beziffern, um die Erwachsenheitssumme zu erreichen.7 Der Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen ist dabei entsprechend den Regelungen für Zeugen im JVEG zu bewerten. Als Stundensatz für den eigenen Zeitaufwand kann dabei nur der eigene Aufwand angesetzt werden und nicht der Stundensatz gelten, den der zur Auskunft verpflichtete Dritte für seine berufliche Tätigkeit in Rechnung stellt.8

2.502

Der eigene Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen ist dabei maximal mit den gem. § 22 JVEG für die Entschädigung von Zeugen maßgeblichen Höchstsätzen zu bewerten.9 Der BGH10 geht sogar davon

2.503

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, Beschl. v. 19.10.1977 – IV ZR 64/77. BGH, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 243/82, JurBüro 1984, 382. BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, NJW 1995, 664. Zuletzt BGH, Beschl. v. 22.4.2015 – XII ZB 317/14. BGH, Beschl. v. 19.4.2016 – II ZB 29/14, ZOV 2017, 201 – Einsicht in Buchhaltungsunterlagen einer Gesellschaft. OLG Dresden, Beschl. v. 5.9.2018 – 4 U 973/18, GesR 2019, 111: nicht mehr als 300 t. BGH, Beschl. v. 30.4.2020 – VII ZR 151/19, NJW-RR 2020, 1258. BGH, Beschl. v. 21.3.2012 – XII ZB 420/11, FuR 2012, 383; BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888. BGH, Beschl. v. 21.3.2012 – XII ZB 420/11, FuR 2012, 383; BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299; BGH, Beschl. v. 10.3.2010 – IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891. BGH, Beschl. v. 11.3.2015 – XII ZB 317/14, MDR 2015, 536.

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B. Gebührenstreitwert

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2. Teil

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Ausländische Währung

aus, dass der zur Auskunft Verpflichtete die hierfür erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbringen kann, so dass nur von einem Stundensatz von 3,50 t auszugehen ist.

2.504 Darüber hinaus können die Kosten für die Zuziehung sachkundiger Hilfspersonen (etwa eines Steuerberaters) zu berücksichtigen sein, wenn der Auskunftspflichtige ohne sie die geforderte Auskunft nicht sachgerecht zu erteilen vermag.1

2.505 Daneben kommt in Ausnahmefällen noch ein Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten in Betracht,2 beispielsweise bei konkurrierenden Unternehmen. Ein zu berücksichtigendes Geheimhaltungsinteresse scheidet allerdings aus, wenn der Verurteilte Auskünfte der Art, zu deren Erteilung er verurteilt ist, zu Werbezwecken in seinem Internetauftritt nutzt.3

Ausländische Währung Literatur: Mümmler, JurBüro 1993, 269; Ritter, Prozessrechtliche Fragen in der Übergangszeit der Europäischen Währungsunion, NJW 1999, 1213 ff.

A. Allgemeines 2.506 Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld – z.B. bei einer echten Fremdwährungsschuld (§ 244 BGB)4 oder bei der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils oder eines Schiedsspruchs –, dann sind diese Geldbeträge in Euro umzurechnen, um den jeweiligen Streitwert bestimmen zu können.

2.507 Entsprechend ist zu verfahren, wenn dem Streitgegenstand eine in Deutsche Mark (DM) bezeichnete Geldschuld zugrunde liegt, wie dies bei vor 1999 entstandenen Forderungen der Fall war. Angesichts möglicher Umrechnungsdifferenzen sind gesetzliche Rundungsregelungen bei einer objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZPO), auch wenn der Klageantrag auf Zahlung eines Gesamtbetrages lautet, streitgegenstandsbezogen anzuwenden.5 Bezieht sich der Streitgegenstand auf eine in Reichsmark bezeichnete Geldschuld, z.B. bei einem Aufgebot eines Sparkassenbuches aus der Zeit vor 1945, ist der Streitwert in Euro unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung zu bestimmen.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.508 Maßgeblich für den Zuständigkeitsstreitwert ist der Umrechnungsbetrag in Euro zum Zeitpunkt der Klage- bzw. Antragseinreichung (Anhängigkeit), § 4 Abs. 1 ZPO. Folglich bleiben nach Anhängigkeit eintretende Veränderungen durch Kursschwankungen, gleich in welche Richtung, unberück-

1 BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 21.3.2012 – XII ZB 420/11, FuR 2012, 383; BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888; BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766. 2 BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766; BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – VI ZR 287/08, GuT 2009, 329; BGH, WPM 1984, 180; BGH, Beschl. v. 22.2.1995 – IV ZB 20/94, NJW-RR 1995, 764. 3 BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766. 4 RGZ 109, 61; BGH, Urt. v. 22.6.1989 – IX ZR164/88, MDR 1989, 989. 5 Vgl. Ritter, NJW 1999, 1213, 1215 ff.

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Ausländische Währung

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2. Teil

ZPO

sichtigt.1 Für den Zuständigkeitsstreitwert folgt dies für die Zeit nach Rechtshängigkeit zudem aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

C. Gebührenstreitwert Im Grundsatz folgt der Gebührenstreitwert dem Zuständigkeitsstreit, d.h. maßgebend ist gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) der Umrechnungsbetrag bei Anhängigkeit.2 Spätere Kursschwankungen bleiben auf die Wertbestimmung ohne Einfluss.3

2.509

Bei der Berücksichtigung älterer Rechtsprechung ist zu beachten, dass nach § 15 Abs. 1 GKG in der vor dem 1.7.1994 geltenden Fassung für die Wertbestimmung der höchste Wert zwischen Klageeinreichung und Beendigung der Instanz maßgebend war.4

2.510

Hingegen war auch nach altem Recht eine im Laufe der Instanz eingetretene Wertminderung auf den Streitwert stets ohne Einfluss, d.h. der höhere Wert bei Beginn der Instanz blieb maßgebend. Dies gilt auch für den Berufungsrechtszug.5 Hieran hat sich durch Neufassung des GKG zum 1.7.2004 nichts geändert.6

2.511

Für die Änderungen nach Anhängigkeit s. auch im Einführungskapitel „1. Teil: Verfahrensrecht“, Rz. 2.278 ff.

2.512

D. Rechtsmittel und Beschwer Für den Gebührenstreitwert ist ebenfalls gem. § 40 GKG auf den die Instanz einleitenden Antrag, folglich auf den Tag des Eingangs der Rechtsmittelschrift abzustellen.7

2.513

Zu beachten ist, dass gem. § 47 Abs. 2 GKG der Gebührenstreitwert bei unverändertem Streitgegenstand durch den Wert des Streitgegenstandes in erster Instanz begrenzt wird.8 Kurssteigerungen nach Klageeinreichung bleiben bei unverändertem Klageantrag daher auch für die Rechtsmittelinstanz

2.514

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 284/88, MDR 1991, 164; LG Hamburg, Urt. v. 2.11.2017 – 316 O 77/17. 2 Vgl. KG, Beschl. v. 31.5.1999 – 8 W 3707/99, NJW-RR 2000, 215; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127 – Klageerweiterung; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.1999 – 10 W 124/99, NJW-RR 2000, 1594; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.3.2001 – 13 WF 31/01; OLGR 2001, 393. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.4.2008 – 24 U 186/06, GI aktuell 2010, 167; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.29; a.A. wohl Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 22 unter Berufung auf eine noch zur alten Gesetzeslage (§ 15 GKG i.d.F. vor dem 1.7.1994) ergangenen Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 284/88, MDR 1991, 164. 4 Vgl. beispielhaft OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.1981 – 23 W 442/81, JurBüro 1981, 1860 m. Anm. Mümmler. 5 BGH, Urt. v. 17.3.1982 – IVa ZR 234/80, MDR 1982, 736 = VersR 1982, 591; KG, Rpfleger 1973, 36; OLG München, Beschl. v. 3.6.1996 – 12 WF 823/96, FamRZ 1997, 34; OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.3.1999 – 1 W 18/99, NJW-RR 1999, 942; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 284/88, JurBüro 1991, 208 mit abl. Anm. Mümmler = MDR 1991, 164. 6 Hartmann/Toussaint, KostR, § 40 GKG Rz. 3. 7 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 – XII ZB 12/05, MDR 2010, 461 = JurBüro 2010, 201. 8 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.4.2020 – 17 U 9/19; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.1981 – 6 U 85/80, JurBüro 1981.

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Auslegung des Klageantrags

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streitwertrechtlich ohne Bedeutung. Die gegenteilige Auffassung des BGH1 ist mit dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 GKG nicht in Einklang zu bringen.2

Auslegung des Klageantrags 2.515 Klageanträge sind – wie alle Erklärungshandlungen im Prozess (z.B. bei der Aufrechnung) – der Auslegung fähig und bei Unklarheiten auch bedürftig.3 Vorrangig vor der Auslegung sind jedoch immer die Ausübung des Fragerechts (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO.

2.516 Angaben zum Gebührenstreitwert nach § 61 GKG oder für die Zuständigkeit nach § 253 Abs. 3 ZPO oder für die Rechtsmittelbeschwer nach § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO dürfen bei der Prüfung, was mit einem textlich unklaren Klageantrag bezweckt ist, als Auslegungsumstand berücksichtigt werden.4

2.517 Ergibt die Auslegung eines Antrags, der auf Verurteilung zur Zahlung eines bestimmten Klagebetrages gerichtet ist, dass der Kläger in Wahrheit nur den Unterschiedsbetrag zwischen dieser Summe und einem ihm bereits in einem anderen Verfahren (z.B. Entschädigungsverfahren) zugeteilten Betrag fordert, so ist nur der Unterschiedsbetrag der für die Streitwertfestsetzung maßgebende Streitgegenstand.5

2.518 Wird im Klageantrag nicht zwischen Haupt- und Nebenforderungen unterschieden, sondern werden diese in einem Betrag geltend gemacht, dann ist der Klagebetrag aufzuschlüsseln. Denn eine nach § 4 ZPO, § 43 GKG für den Streitwert unmaßgebliche Nebenforderung verliert ihren Charakter nicht dadurch, dass sie in den bezifferten Hauptantrag eingerechnet wird. Das gilt nicht nur für ausgerechnete und der Hauptforderung zugeschlagene Zinsen6 oder in den Klagebetrag eingerechnete Kosten des Vorprozesses bei der Vollstreckungsabwehrklage7, sondern auch für die klageweise Geltendmachung der Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheprozess. Im letztgenannten Fall ist der Klageantrag dahingehend auszulegen, dass allein die Hauptforderung geltend gemacht und die Entscheidung über die Kostentragung dem Festsetzungsverfahren vorbehalten und bei der Streitwertermittlung unberücksichtigt bleibt.8

2.519 Wird nach Teilleistungen in der mündlichen Verhandlung ein Klageantrag auf Zahlung (nebst Zinsen) „abzüglich am … geleisteter …, – Euro“ gestellt, bedarf es – auch für die Streitwertbestimmung – zunächst der Klärung, was damit prozessual ausgedrückt werden soll: teilweise Klagerücknahme oder teilweise Hauptsacheerledigung. Regelmäßig wird davon auszugehen sein, dass der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklären will.9 Dann ist der Antrag, soweit eine abweichende Leistungsbestimmung des Schuldners nicht ersichtlich ist, weiter dahin zu verstehen, dass die

1 BGH, Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, MDR 1999, 689; BGH, Beschl. v. 5.10.1981 – II ZR 49/81, MDR 1982, 299 – hier noch auf zwischenzeitlich aufgehobenen § 14 Abs. 2 Satz 3 GKG i.d.F. bis zum 30.6.1994 abstellend. 2 Ebenso Toussaint/Toussaint, KostR, § 47 GKG Rz. 8. 3 Siehe dazu Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rz. 25. 4 OLG Oldenburg, Urt. v. 14.1.2021 – 1 U 160/20. 5 OLG Frankfurt, MDR 1962, 992. 6 BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – III ZR 325/03. 7 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; OLG Jena, Beschl. v. 23.4.2008 – 5 W 527/07, OLGR 2008, 634; KG, Beschl. v. 5.1.2009 – 2 U 125/06, JurBüro 2009, 436; a.A. OLG Hamburg v. 23.8.1988 – 5 W 68/88, MDR 1988, 1060. 8 OLG Jena, Beschl. v. 20.11.2003 – 5 W 288/03, OLGR 2004, 223. 9 OLG Frankfurt, MDR 1977, 56.

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Ausscheiden eines Gesellschafters

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2. Teil

Ergibt sich aus der Klagebegründung, dass die Bezifferung eines Antrages auf Verurteilung zur Zahlung auf einem Berechnungsfehler beruht, dann ist der Streitwert nach dem wirklich gewollten Antrag (Betrag) zu beziffern, der sich bei richtiger Berechnung ergibt.1 Ob die nach § 319 ZPO, § 133 BGB vorzunehmende Auslegung den Streitwert erhöht oder ermäßigt, ist in diesem Fall unerheblich. Die Berichtigung kann auch vom Rechtsmittelgericht vorgenommen werden.2

2.520

Bei unbezifferten Klageanträgen, also solchen, bei denen der Kläger die Entscheidung über die Anspruchshöhe in das Ermessen des Gerichts stellt (sog. Ermessensanträge), ist der Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen. Unabhängig davon kann eine Auslegung des Klageantrags ergeben, dass der Kläger, beispielsweise bei einem Schmerzensgeldverlangen, mit seiner Klage die Zahlung eines Mindestbetrages anstrebt.3 Diesen vom Kläger für angemessen erachteten Mindestbetrag darf das Gericht bei der Streitwertfestsetzung nach überwiegender und zutreffender Ansicht nicht unterschreiten.4 Siehe dazu ausführlich unter dem Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff.

2.521

Wird auf eine zeitlich unbefristete Auskunft über die Einkommensverhältnisse geklagt, soll der Klageantrag (zur Vermeidung einer Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung) auf Auskunft für den Zeitraum bis zur Klageeinreichung ausgelegt und der Streitwert entsprechend (niedriger) beziffert werden.5

2.522

Ausscheiden eines Gesellschafters Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft infolge Kündigung ausgeschieden ist, bemisst sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung, dass der Beklagte nicht mehr Gesellschafter ist.6 Bei der Schätzung ist insbesondere zu berücksichtigen, mit welchem Anteil der Kläger an der Gesellschaft beteiligt ist und inwiefern er daher an dem (geschätzten) Interesse der Gesellschaft an dem Ausscheiden partizipiert.7

2.523

Würde der Kläger mit seinem Kapitalanteil auch bei Ausscheiden des Beklagten weiterhin in einer gesellschaftsrechtlichen Bindung bleiben, weil der Kapitalanteil des Beklagten lediglich gegen einen neu zu bildenden Kapitalanteil eines neuen Gesellschafters ausgetauscht würde, dann kann für den Streitwert weder die Höhe des Kapitalanteils des Klägers noch die Höhe des Kapitalanteils des Beklagten maßgebend sein. Das Interesse des Klägers muss vielmehr nach der Veränderung des Ertragswertes seines Kapitalanteils bemessen werden, die bei der vorgesehenen neuen gesellschaftsrechtlichen Verbindung eintreten würde.8

2.524

1 2 3 4

5 6 7 8

OLG Oldenburg, Rpfleger 1968, 313. BGH, NJW 1964, 1858. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 4 W 343/09. BGH, Urt. v. 2.10.2001 – VI ZR 356/00, MDR 2002, 49 = NJW 2002, 212; OLG München, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 W 2878/93, VersR 1995, 1117; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 4 W 343/09; OLG Zweibrücken, Beschl. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 20.1.2004 – 12 W 35/04; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.169. OLG Dresden, Beschl. v. 7.8.2001 – 22 WF 803/00, FamRZ 2002, 681. OLG Celle, Urt. v. 20.8.2014 – 7 U 38714, RdL 2015, 47. BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311. OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 829.

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Zahlung zunächst auf die bis zum Zahlungszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen und erst dann auf die Hauptforderung (§ 367 Abs. 1 BGB) verrechnet werden soll.

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2. Teil

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Ausscheiden eines Gesellschafters

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2.525 Der Streitwert eines Verfahrens, in dem festgestellt werden soll, dass der Austritt eines Gesellschafters unwirksam ist, bemisst sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers am Verbleib des Beklagten in der Gesellschaft.1 Das BVerfG2 hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es für den Streitwert in den Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters zwar auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers ankomme. Allerdings dürfe der Streitwert nicht außer Verhältnis zu dem vom Kläger erstrebten persönlichen wirtschaftlichen Vorteil stehen. Denn dies bedeute eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten.

2.526 Ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist der Streitwert eines Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung eines Geschäftsanteils3 und die Ausschließung eines Gesellschafters. Maßgeblich ist hier der Verkehrswert des Geschäftsanteils des betroffenen Gesellschafters4, der im Einzelfall mangels diesbezüglicher Erkenntnisse auf den Nennwert geschätzt werden kann.5 Fehlt es an einem substantiellen Wert und einer Einlageverpflichtung, dann kann der Wert auf einen geringfügigen Betrag werden.6

2.527 Eine Vergütung, die dem Gesellschafter aufgrund der ihm nach dem Gesellschaftsvertrag übertragenen Geschäftsführertätigkeit gewährt wird, bleibt, da nicht auf der Gesellschafterstellung beruhend, unberücksichtigt.7 Wird die Klage gegen die übrigen Gesellschafter und die Gesellschaft gerichtet, findet wegen wirtschaftlicher Identität keine Zusammenrechnung der Werte statt.8

2.528 Den Streitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung des Beklagten als Kommanditisten aus dem

Handelsregister hat das OLG Karlsruhe mit 5.000 t bemessen.9 Die wirtschaftliche Bedeutung der Löschung des ausgeschiedenen Kommanditisten im Register sei nämlich für die anderen Gesellschafter in der Regel gering. Für den Kläger habe die Bereinigung des Registers in erster Linie eine optische Bedeutung im Auftreten nach außen (das Register ist auf dem neuesten Stand). Dies gelte auch dann, wenn die Frage des Ausscheidens zwischen den Gesellschaftern streitig sei. Denn das Verhältnis der Gesellschafter untereinander werde durch die Löschung im Register gerade nicht geklärt.

2.529 Siehe auch die Stichwörter „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.2130 ff., „Anmeldung zum Handelsregister“, Rz. 2.186 ff., und „Ausschließung“, Rz. 2.530 ff.

1 OLG Celle, Urt. v. 20.8.2014 – 7 U 38714, RdL 2015, 47. 2 BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311. 3 BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 81/11; BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 203, 414. 4 BGH, Beschl. v. 13.7.2020 – II ZR 33/20; BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 81/11, ZIP 2013, 1692; Beschl. v. 11.12.2012 – II ZR 27/12; OLG Brandenburg, Urt. v. 21.4.2021 – 7 U 22/20; OLG Koblenz, Urt. v. 15.7.2014 – 3 U 1462/12, MDR 2014, 1160; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.2.2014 – 14 U 14/13; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 11/12, NZG 2013, 456; OLG München, Beschl. v. 7.6.2013 – 7 U 908/13, NZG 2013, 1260. 5 BGH, Beschl. v. 9.3.2021 – II ZR 93/20; BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 132/12; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 203, 414. 6 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006: 1.000 t; OLG München, Beschl. v. 7.6.2013 – 7 U 908/13, NZG 2013, 1260 zur Beschwer: 100 t. 7 BGH, NZG 2015, 2015; NZG 2011, 911; OLG München, Beschl. v. 7.6.2013 – 7 U 908/13, NZG 2013, 1260. 8 OLG Stuttgart, Urt. v. 26.2.2014 – 14 U 14/13. 9 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06, NJW-RR 2007, 1046.

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Ausschließung

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2. Teil

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Ausschließung A. Allgemeines Praktische Bedeutung hat vor allem die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Kapitalgesellschaft oder aus einer Personengesellschaft. Es handelt sich dabei um eine eigenständige Form des Ausscheidens aus der Gesellschaft neben dem Austritt des Gesellschafters. Sie zieht ebenso wie diese eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nach sich.

2.530

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen besteht darin, dass die Ausschließung gegen 2.531 den Willen des betroffenen Gesellschafters stattfindet. Durchgeführt wird die Ausschließung aus einer Kapital- oder Personengesellschaft mangels abweichender Satzungsregelung mit einer Ausschlussklage und einem ihr entsprechenden gerichtlichen Gestaltungsurteil. Bei der Entscheidung ist eine Gesamtabwägung aller durch das Urteil betroffenen Interessen erforderlich. Dies ist bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Streitwert ist mangels spezieller Bewertungsvorschrift nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu 2.532 schätzen.1 Dies gilt auch für den Streitwert der Feststellungsklage, die auf die Unwirksamkeit eines auf Ausschließung von Gesellschaftern gerichteten Beschlusses abzielt.2 Als Grundsatz gilt, dass für die Bewertung in erster Linie das subjektive Interesse des Klägers am wirtschaftlichen Ergebnis der sich anschließenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung maßgebend ist.3 Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem konkreten Umfang der Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft. Der Verkehrswert seiner Geschäftsanteile bleibt auch dann wertbestimmend, wenn der Streit die Geschäftsführerstellung des auszuschließenden Gesellschafters miterfasst.4 Soweit der Kläger allerdings Rechte der Gesellschaft geltend macht, können bei der Schätzung auch die damit verbundenen höheren objektiven Interessen berücksichtigt werden.5

2.533

Wendet sich der Betroffene gegen mehrere in der Rechtsfolge inhaltsgleiche Ausschließungsbeschlüsse, dann findet keine Werterhöhung statt, da der Kläger nicht mehr als den Fortbestand seiner Gesellschafterstellung erreichen kann.6

I. OHG und KG Der Streitwert einer Ausschließungsklage nach § 140 Abs. 1 (i.V.m. § 161 Abs. 2) HGB ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dabei ist das Interesse der Kläger an der von ihnen erstrebten Ausschließung des beklagten Gesellschafters maßgebend. Wie dieses Interesse konkret zu bestimmen ist, darüber besteht Streit: – Nach herrschender Meinung bemisst sich das Interesse regelmäßig nach dem (wirtschaftlichen) Wert der Gesellschaftsanteile der Kläger, da es das Ziel der Klage ist, diesen Wert sicherzustellen

1 2 3 4

OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1984 – 12 W 254/84, JurBüro 1985, 1083. BGH, Beschl. v. 24.6.2014 – II ZR 29/13, NZG 2015, 321; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. BGH, Beschl. v. 14.9.2013 – II ZR 81/11, ZIP 2013, 1692; BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II ZR 127/10, NZG 2011, 911. 5 BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311. 6 BGH, Beschl. v. 11.9.2018 – II ZR 37/18 zur Genossenschaft.

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Ausschließung

und zu erhalten.1 Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann es angezeigt sein, den Wert des Streitgegenstandes niedriger als den Wert der Geschäftsanteile anzusetzen,2 z.B. bei Wertminderung des Geschäftsanteils durch Verluste.3 – Nach anderer Auffassung richtet sich das Interesse der Kläger einer Ausschlussklage nicht nach dem Verkehrswert der Anteile, sondern nach dem wirtschaftlichen Wert, den das Ausscheiden nach dem Vorbringen der übrigen Gesellschafter für diese hat. Der Streitwert berechnet sich demgemäß nach dem Schaden, der durch das weitere Verbleiben des Beklagten in der Gesellschaft eintritt bzw. nach den Möglichkeiten, die sich durch das Ausscheiden für die erfolgreiche Arbeit der Gesellschaft ergeben. Erst für die wirtschaftliche Bewertung dieser Umstände sind dann allerdings auch das Gesellschaftsvermögen, die Gewinne der letzten Zeit und der Verkehrswert mitheranzuziehen.4 Aus diesem Grunde kommen die beiden Meinungen in der praktischen Anwendung vielfach zu ähnlichen Ergebnissen.

2.535 Geht das Interesse des Klägers dahin, nach dem Ausschluss der anderen Gesellschafter das Geschäft allein fortzuführen und sich damit mindestens den Geschäftsgewinn zu erhalten, den er in den vorangegangenen Jahren durchschnittlich jährlich erzielt hat, so ist der Streitwert nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt5 auf etwa das Fünffache dieses Jahresbetrages festzusetzen. Dem hat sich das OLG München6 jedenfalls für den Fall angeschlossen, dass die Gesellschaft bei geringem Eigenkapital hohe Gewinne erzielt.

2.536 Bei der Bewertung einer Klage des ausgeschiedenen Kommanditisten auf Feststellung, dass die Ausschließung nichtig ist, ist für die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht der Kapitalanteil des Beteiligten, sondern das Interesse an dem Ausschluss maßgeblich. Ausgangspunkt ist der Wert der Geschäftsanteile des Klägers (also des Ausgeschiedenen), wobei maßgeblich auf den Verkehrswert abzustellen ist.7

2.537 Die Klage auf Eintragung des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft in das Handelsregister (§ 143 Abs. 2 HGB) ist mit 1/4 des Wertes des Anteils des Klägers anzusetzen.8

II. GmbH 2.538 Die Ausschließung aus einer GmbH ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Soll der Gesellschafter unter Auszahlung seines Geschäftsanteils ausgeschlossen werden, so ist der Wert des auszuzahlenden Anteils bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Bestimmend ist vielmehr der Wert der Anteile der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter, weil es diesen darum geht, sich den Wert ihrer Geschäftsanteile durch Ausschließung des ungeeigneten Gesellschafters zu erhalten und sicherzustellen.9 Der Streitwert wird durch einen Streit um die Ausschließungsbedin-

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1083; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.12.2012 – 14 U 11/12, NZG 2013, 456. 2 BGHZ 19, 173; OLG Frankfurt JurBüro 1966, 1068. 3 OLG Hamburg, OLGE 31, 4. 4 OLG Hamm, Rpfleger 1962, 222. 5 OLG Frankfurt, BB 1953, 426. 6 OLG München, MDR 1962, 63 unter Ablehnung von BGHZ 19, 173. 7 BGHZ, 19, 175; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97. 8 BGH, Rpfleger 1979, 194; diff. OLG Karlsruhe (Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06, OLGR 2007, 591), wonach für die Klage auf Zustimmung des Beklagten zur Löschung seiner Kommanditistenstellung im Handelsregister – unabhängig von dem Wert der Anteile des Klägers – pauschal 5.000 t anzusetzen seien, da das wirtschaftliche Interesse an einer solchen Bereinigung des Registers regelmäßig gering sei. 9 BGHZ 19, 175; OLG Frankfurt, MDR 1967, 138; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1.

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Ausschließung

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2. Teil

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gungen nicht erhöht.1 Die Anteile der verbleibenden Gesellschafter sind dabei mit ihrem wirtschaftlichen Wert, nicht mit ihrem Nennwert anzusetzen.2

III. Stille Gesellschaft Die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer atypischen stillen Gesellschaft ist ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.3 Den Streitwert hat das OLG Köln entsprechend der Einlage des stillen Gesellschafters bemessen. Dagegen sollen der Verkehrswert des Unternehmens, das Betriebsvermögen und die Gewinnerwartungen für die Zukunft keine Berücksichtigung finden, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, die Nichtigkeit des Beteiligungsvertrages festzustellen.

2.539

IV. Genossenschaft Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Genossen ist grundsätzlich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen und nach den oben dargelegten Grundsätzen zu schätzen. Ausnahmsweise betrifft der Streit einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand, wenn der Ausschluss auf die Behauptung ehrenrührigen Verhaltens gestützt wird. Dies gilt auch dann, wenn (weitere) vermögenswerte Interessen der Genossen mit im Spiele sind. Der Gebührenstreitwert ist dann nach § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen.4

2.540

Für die Bemessung des Streitwerts einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausschließung eines Genossen ist, wenn in einer solchen Klage die Geltendmachung eines vermögensrechtlichen Anspruches erblickt wird, lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für jeden Genossen hat, also der Vorteil, den die Mitgliedschaft als solche für den Einzelnen mit sich bringt.5 Hält ein Genosse mehrere Anteile, dann erhöht sich der Streitwert entsprechend.

2.541

V. Idealverein Der Streit um die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Mitgliedes aus einem Idealverein wird zumeist im Wege der Feststellungsklage des Mitglieds oder des Vereins vor Gericht ausgetragen. Es handelt sich dabei in der Regel um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.6

2.542

Der Streitwert einer solchen Klage ist nach § 48 Abs. 2 GKG nach den gesamten Umständen des Falles festzusetzen.7 Zu berücksichtigen sind bei der Festsetzung nicht nur das Affektionsinteresse des Mitglieds, sondern auch mögliche wirtschaftliche Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft, beispielsweise eine persönliche Haftung als nicht entlastetes Vorstandsmitglied.8

2.543

1 2 3 4 5

OLG Neustadt, MDR 1964, 605. OLG Bamberg, JurBüro 1963, 556. OLG Köln, JurBüro 1970, 427. RGZ 163, 202; OLG Celle, JurBüro 1961, 455. BGH, Beschl. v. 11.9.2018 – II ZR 37/18; BGH, Beschl. v. 27.4.2009 – II ZR 16/08; MDR 2009, 1241; OGH, Rpfleger 1948/49, 469. 6 BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 8/14, WM 2016, 96 – Parteiausschluss. 7 OLG Frankfurt, Rpfleger 1966, 25. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1989 – 5 W 374/89, JurBüro 1990, 1034 – 2.000 t betr. Streit über Ausschluss aus Idealverein (Porsche-Club); OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153–500 t betr. Streit über Ausschluss aus Idealverein.

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2. Teil

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Ausschließung

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2.544 Wenn allerdings hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen, sollten die Gerichte nicht mit Begründungshülsen scheinbar genaue Werte festsetzen, sondern sich am Regelwert des § 52 Abs. 2 GKG bzw. § 23 Abs. 3 RVG (derzeit 5.000 t) orientieren. Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Idealverein“, Rz. 2.2308 ff.

2.545 Stehen diese dagegen im Vordergrund, weil das Mitglied ausschließlich oder zumindest vorrangig wirtschaftlich Zwecke verfolgt, etwa weil die Vereinszugehörigkeit Voraussetzung für eine bestimmte Teilnahme am Wirtschaftsleben ist, dann handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.1

VI. Erbengemeinschaft 2.546 Innerhalb einer Erbengemeinschaft kommt der Ausschluss eines Miterben wegen Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB) in Betracht. Die Erbunwürdigkeit wird gem. § 2340 Abs. 1, § 2342 BGB durch Erhebung einer Anfechtungsklage mit dem Ziel geltend gemacht, dass der Anfall der Erbschaft als nicht erfolgt gilt.

2.547 Seit der Entscheidung des BGH vom 20.10.19692 bemisst die Rechtsprechung den Streitwert gem. § 3 ZPO. Entscheidend sei dabei die Beteiligung des Beklagten am Nachlass und der ihm drohenden finanziellen Einbuße durch die Erbunwürdigkeitserklärung.3 Dies wird damit begründet, dass ein solcher Bewertungsmodus dem Beklagten unter Umständen einen Rechtsmittelweg eröffnet, der nicht gegeben wäre, wenn lediglich auf den Vorteil des Klägers abgestellt würde, der bei einer mehr als zwei Personen umfassenden Erbengemeinschaft geringer als der umstrittene Anteil des Beklagten sein kann.4 Nach anderer Ansicht5 ist für die Bestimmung des Streitwertes nur der vom Kläger erstrebte Vorteil maßgeblich, der sich aus der beantragten Ausschließung des Beklagten aus der Erbengemeinschaft ergibt.

2.548 Die Vertreter der ersten Meinung verkennen den Unterschied zwischen Streitwert und Beschwer: Für den Streitwert als Grundlage der Zuständigkeitsbestimmung und der Gebührenberechnung ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG das Interesse des Klägers am Rechtsstreit maßgeblich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Erbunwürdigkeitsklage um eine Gestaltungsklage handelt, die nicht nur die wirtschaftliche Position des Klägers, sondern auch die Stellung des Beklagten als Erbe bzw. Mitglied der Erbengemeinschaft unmittelbar zum Gegenstand hat. Für die Wertfestsetzung ist daher entscheidend, welchen erbrechtlichen Vorteil der Kläger mit dem Wegfall des Beklagten als Erbe bzw. aus der Erbengemeinschaft anstrebt. Diese Bewertung versperrt dem Beklagten auch kein sonst gegebenes Rechtsmittel. Denn bei Bestimmung der Beschwer des Beklagten ist seine Belastung durch die angefochtene Entscheidung maßgeblich (vgl. das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.).

2.549 Hat die Ausschlussklage gegen einen Erben das Ziel, ein Nachlassgrundstück vom Beklagten herauszuverlangen, wurde der Streitwert früher gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem vollen Wert des Nachlasses6 bzw. nach dem vom Kläger durch erbrechtliche Besserstellung erstrebten Vorteil bemessen.7

1 BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 8/14, WM 2016, 96. 2 BGH, Beschl. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, MDR 1970, 124. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 540; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/96, MDR 1997, 693. 4 Vgl. dazu Schneider, MDR 1972, 278. 5 Toussaint/Elzer, KostR, § 3 ZPO Rz. 23 unter „Erbrechtlicher Anspruch“; so auch für den Fall der Erbauseinandersetzung OLG Celle, Beschl. v. 23.3.2001 – 22 W 21/01, OLGR 2001, 142. 6 Vgl. OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 219. 7 BGH, Urt. v. 10.7.1959 – V ZR 30/59, LM Nr. 16 zu § 3 ZPO; BGH, Beschl. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, MDR 1970, 124; Speckmann, MDR 1972, 908.

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2. Teil

Der Streitwert in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die Punkte zu beschränken, die zwischen den Parteien streitig sind.1

2.550

ZPO

Aussetzung

VII. Gemeinschaft Siehe dazu die Stichwörter „Aufhebung von Gemeinschaften“, Rz. 2.275, und „Wohnungseigentum“, Rz. 2.6025 ff.

2.551

Aussetzung Literatur: N. Schneider, Zum Streitwert einer gegen die Aussetzung des Rechtsstreits gerichteten Beschwerde, AGS 2003, 82.

Die Aussetzung eines Rechtsstreits dient der Entscheidungsharmonie und der sachlich gebotenen Be- 2.552 rücksichtigung außerprozessualer Vorgänge bei der Urteilsfindung.2 Anordnung und Ablehnung der Aussetzung unterliegen der sofortigen Beschwerde, § 252 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung steht die Aussetzung in der Regel nicht entgegen.3 Der Streitwert für ein Verfahren über einen Aussetzungsantrag entspricht nicht dem Streitwert des Hauptverfahrens.4 Gegen eine Heranziehung des Streitwerts der Hauptsache spricht bereits, dass mit der Aussetzung keine inhaltliche Ausgestaltung der Sachentscheidung, sondern nur deren Aufschub begehrt wird. Maßgeblich ist vielmehr das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse der antragstellenden Partei an einer Aussetzung, das gilt sowohl für eine Aussetzung nach § 148 ZPO,5 nach § 149 ZPO6 als auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG.7

2.553

Dieser Maßstab gilt auch für die Bestimmung des Beschwerdewertes,8 ferner für die Bewertung der gesetzlich nicht geregelten Untätigkeitsbeschwerde.9

2.554

Nach ganz überwiegender Ansicht ist eine Bruchteilsbewertung von 1/5 in Ansatz zu bringen.10 Dem ist als Regelbewertung zuzustimmen, die Bewertung entspricht derjenigen für den Streit über eine

2.555

1 BGH, Beschl. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, MDR 1975, 741; OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, RVG-Berater 2004, 126; zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369. 2 Zöller/Greger, § 148 ZPO Rz. 1. 3 BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, MDR 2014, 566 = AGS 2014, 246; BGH, Beschl. v. 8.11.1999 – II ZB 1/99, MDR 2000, 168 = NJW 2000, 1199; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.7.2006 – 2 W 30/06. 4 So aber OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2012 – 20 W 9/12, KTS 2013, 78; NJW 1971, 273. 5 BGHZ 22, 283; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2018 – 13 W 94/18, VersR 2019, 1106; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 56. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 23.2.1973 – 6a W 78/73. 7 OLG Dresden, Beschl. v. 22.4.2003 – 10 UF 660/01, FamRZ 2004, 34. 8 BGHZ 22, 283; KG, Beschl. v. 23.2.2001 – 21 W 1336/00, AGS 2003, 81 m. Anm. N. Schneider; OLG Hamburg v. 30.11.2001 – 12 W 23/01, MDR 2002, 479; OLG Köln v. 23.11.1981 – 6 W 65/81, WRP 1982, 236; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aussetzung“ Rz. 2. 9 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2008 – 5 W 46/08, BauR 2009, 1933 mit einem nicht näher begründeten Ansatz von 1/5 der Klageforderung; OLG Rostock, Beschl. v. 4.9.2009 – 3 W 74/09, OLGR 2009, 959: 1.000 t. 10 BGH, Beschl. v. 25.7.2019 – I ZB 82/18, MDR 2019, 1524; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.10.1995 – 10 UF 61/95, FamRZ 1996, 496; OLG Braunschweig, Beschl. v. 18.1.2019 – 3 W 5/18, MDR 2019, 441 – zu § 8 KapMuG; OLG Celle, Beschl. v. 20.2.2017 – 13 W 68/16 (Kart), MDR 2017, 600 – § 8 KapMuG; OLG

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2. Teil

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Aussonderung

einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (s. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100) und über die Aufnahme eines ruhenden Verfahrens (s. das Stichwort „Verfahrensruhe“, Rz. 2.5047 ff.).

2.556 Besondere Umstände eines Einzelfalles können jedoch zu einer Bruchteilserhöhung oder -ermäßigung Anlass geben.1 Hierzu dürfte jedoch nicht ausreichen, dass der Beklagte einer Aussetzung unter Hinweis auf eine Entscheidungsreife des Rechtsstreits widerspricht.2 Anders kann es liegen, wenn der Kläger die Glaubwürdigkeit der prozessentscheidenden Aussage des Beklagten durch ein Strafverfahren erschüttern will und den Rechtsstreit bis zu dessen Beendigung ausgesetzt haben will.3 Wird die Aussetzung oder das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf schwebende Musterprozesse begehrt, kann auch auf die Ersparnis von Aufwendungen und der Entlastung vom Prozesskostenrisiko abgestellt werden.4 Für die Bewertung eines Streits über die Aussetzung eines Verletzungsrechtsstreits bis zur Entscheidung eines Streits über die Rechteinhaberschaft kann auch auf die mit der Aussetzung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile abgestellt werden.5

2.557 Auch für einen Antrag auf zeitweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung bemisst sich der Streitwert nicht gem. § 6 ZPO nach dem Betrag der Vollstreckungsforderung, wie vom OLG München6 angenommen wird, sondern nach § 3 ZPO. Er ist also frei zu schätzen, ohne dass hierbei von der Höhe der Gebühren auf die Höhe des Streitwertes geschlossen werden kann.7

Aussonderung 2.558 Die Streitwertbestimmung bei Klagen von Aussonderungsberechtigten (§§ 47 ff. InsO) und Massegläubigern (§ 53 InsO) hinsichtlich eines dem Schuldner nicht gehörenden Gegenstands aus der Insolvenzmasse aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts richtet sich nicht nach § 182 InsO, sondern nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.8 Maßgeblich ist die Höhe der Forderung oder der geringere Wert des Gegenstandes, an dem das persönliche oder dingliche Recht geltend gemacht wird.9 Das gilt in gleicher Weise, wenn das Aussonderungsrecht Gegenstand wechselseitiger Feststellungsklagen ist.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Düsseldorf, Beschl. v. 31.1.2013 – 2 W 1/13 – für Aussetzung eines Patentrechtsstreits; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2002 – 20 W 31/02, InstGE 2, 229; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2001 – 12 W 23/01, MDR 2002, 479; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2005 – 5 W 656/05, MDR 2006, 289; OLG Köln, Beschl. v. 8.3.2017 – 19 W 12/17; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.8.2012 – 8 W 48/12, IPRspr. 2012, Nr. 194, 445; OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.7.2019 – 14 W 26/19, NJW-RR 2019, 1408; abweichend OLG Jena, Beschl. v. 2.3.2001 – 2 W 53/01: 1/10; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2018 – 13 W 94/18, VersR 2019, 1106; Hauptsachewert bei Aussetzung zur Fortführung des selbständigen Beweisverfahrens; OLG Koblenz, Beschl. v. 23.2.1973 – 6a W 78/73: 1/10; OLG Dresden, Beschl. v. 25.6.2020 – 4 W 426/20, NJW-RR 2020, 1037; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.7.1970 – 3 W 18/70: 1/3. OLG Köln, MDR 1973, 683. So aber OLG Hamm OLGR Hamm 1997, 354 und Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.31: dann 1/2. OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.1965 – 2 W 87/64. So für das finanzgerichtliche Verfahren BFH, Beschl. v. 18.11.1970 – I B 29-31/70, BB 1971, 598: hier Bruchteilsbewertung mit 1/20. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.1.2013 – 2 W 1/13. OLG München, NJW 1953, 1716. OLG Köln, Rpfleger 1976, 138. BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87; Schneider, MDR 1974, 101. OLG Naumburg, Urt. v. 27.5.2009 – 5 U 36/09, ZInsO 2009, 1448. OLG Frankfurt, Urt. v. 11.2.2010 – 16 U 176/09, ZIP 2010, 437.

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Automatenaufstellvertrag

2. Teil

Die Bewertung der Aussonderungsansprüche ist demgemäß so vorzunehmen, dass die konkret ver- 2.559 folgten Rechte entsprechend dem Klageantrag nach den jeweils einschlägigen Bewertungsregeln zu bemessen sind, wobei es sich meist um materiell-rechtliche Ansprüche nach § 985 BGB handelt. Für die Klagen der Massegläubiger gilt dies selbst dann, wenn unsicher ist, ob die Masse zur Deckung ausreicht.1 Jedoch ist der Nominalbetrag der Forderung eines Massegläubigers dann nicht anzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter sich ausdrücklich auf Masseunzulänglichkeit beruft und der Kläger zum Feststellungsantrag auf Bestehen einer bezifferten Masseforderung übergeht.2

2.560

Automatenaufstellvertrag A. Zuständigkeitsstreitwert Wird eine bezifferte Forderung geltend gemacht, ist ihr Wert maßgebend, § 3 ZPO. Ist das Rechtsver- 2.561 hältnis selbst Streitgegenstand, etwa bei einer Klage auf Feststellung des Rechts zur Aufstellung von Automaten oder auf Unterlassung, dieses Recht zu beeinträchtigen, dann ist von den voraussichtlichen Gewinnen des Automatenaufstellers der restlichen behaupteten Vertragslaufzeit auszugehen. Dieser hat, um seiner Pflicht zur Wertangabe nach § 253 Abs. 2 ZPO nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Wird auf Feststellung geklagt, dass ein Vertragsverhältnis nicht (mehr) bestehe, ist das Interesse des Klägers zu schätzen.

B. Gebührenstreitwert Das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen Automaten in einen Gaststättenbetrieb eingegliedert werden 2.562 (Automatenaufstellvertrag), ist kein der Miete oder der Pacht ähnliches Nutzungsverhältnis i.S.d. § 41 GKG. Dem Aufsteller geht es nicht um Rechte an einer Fläche oder an einem Raum, sondern um den Einsatz seines Automaten; der Gastwirt wiederum will nicht Fläche oder Raum vermieten, sondern sich am Einspielgewinn beteiligen.3 Beim üblichen Automatenaufstellvertrag handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, bei dem für beide Vertragspartner die Gewinnzuteilung im Vordergrund steht. Der Automat wird damit dem Gastwirt nicht etwa zur Nutzung i.S.v. § 41 GKG überlassen, so dass eine Beschränkung des Streitwerts auf höchstens einen Jahresbetrag nicht stattfindet.4 Deshalb ist der Streitwert mangels einer speziellen Vorschrift nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen. Bewertungsschwierigkeiten ergeben sich selten, weil der Automatenaufsteller in der Regel eine bezifferte Leistungsklage wegen Schadensersatzes oder entgangenen Gewinns erhebt, so dass sich der Streitwert nach § 3 ZPO richtet und gleich der Höhe der Forderung ist.

2.563

Wird auf Feststellung des Rechts zur Aufstellung von Automaten oder auf Unterlassung, dieses Recht zu beeinträchtigen geklagt, ist von den voraussichtlichen Gewinnen des Automatenaufstellers auszugehen. Dieser hat, um seiner Pflicht zur Wertangabe nach § 61 GKG nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Diese muss wenigstens so substantiiert sein, dass eine nachvollziehbare Schätzung nach § 64 GKG möglich ist.

2.564

2.565–2.584

Einstweilen frei.

1 OLG Frankfurt, OLGE 31, 6. 2 BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, zur Revisionsbeschwer; LAG Berlin-Brandenburg, 5.6.2019 – 26 Ta (Kost) 6036/19, ZIP 2019, 1395 zur Bewertung eines Mehrvergleichs. 3 Siehe dazu BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 ff. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.6.1980 – 14 W 212/80, JurBüro 1980, 1861 = Rpfleger 1980, 487.

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2. Teil

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Bauhandwerkersicherungshypothek

ZPO

Bauhandwerkersicherungshypothek 2.585 Bei einer Klage auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) richtet sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Auszugehen ist bei der Schätzung vom Wert der zu sichernden Forderung.1 Kosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.2 Maßgebend ist das Interesse des Gläubigers im Zeitpunkt der Antragstellung.3

2.586 Wird die Eintragung einer Vormerkung verlangt, sind die wichtigsten Bemessungsfaktoren neben der Höhe der zu sichernden Forderung die Dringlichkeit des Sicherungsinteresses und die Rangwahrung einer Vormerkung. Als Bruchteil wird hier meist ein Bruchteil von 1/4 bis 1/3 der erstrebten Sicherungshypothek angesetzt.4

2.587 Zur Eintragung einer Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 648, 885 BGB5 s. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1138. Zur Löschung einer bereits eingetragenen Vormerkung vgl. das Stichwort „Vormerkung“, Rz. 2.739.

2.588 Streitig ist die Wertbestimmung, wenn die Klage auf Zahlung des Werklohns mit einer Klage auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek6 verbunden wird: – Nach einer Meinung erhöht dieser zusätzliche Antrag den Streitwert nicht. Es ist lediglich auf die Höhe der Werklohnforderung abzustellen. Da der Sicherungsanspruch nur aus dem Leistungsanspruch folgt, seien beide auf dasselbe Interesse ausgerichtet und verfolgten beide den Zweck, die Befriedigung des Gläubigers zu bewirken. Es handele sich um einen Anwendungsfall des Additionsverbotes wegen wirtschaftlicher Identität.7 – Die Gegenmeinung8 stellt darauf ab, dass die wirtschaftliche und rechtliche Abhängigkeit des Sicherungs- vom Forderungsanspruch keine Identität der beiden Ansprüche bedeutet, da durchaus unterschiedliche Entscheidungen über sie ergehen könnten. Bereits dies mache deutlich, dass für beide Ansprüche eigenständige Streitwerte anzusetzen und diese nach § 5 ZPO zusammenzurechnen

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.2.2012 – 10 W 5/12, JurBüro 2013, 27 für die Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136. 2 LG Tübingen, Beschl. v. 23.6.1983 – 2 O 11/83, BauR 1984, 309. 3 LG Frankenthal, Beschl. v. 18.5.1983 – 1 T 156/83, AnwBl. 1983, 556. 4 OLG Celle, Urt. v. 6.2.2020 – 14 U 160/19, NJW 2020, 1075; OLG Bremen, Beschl. v. 22.12.1980 – 2 W 101/80, JurBüro 1982, 1052; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 649; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719; vgl. auch OLG Saarbrücken, JurBüro 1987, 1218: 1/2 der Forderung einschl. der Kostenpauschale. 5 OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2011 – 11 U 128/11 – Bruchteil (1/3) der zu sichernden Forderung. 6 Für die Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB offenlassend: OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.2.2012 – 4 W 34/11, BauR 2012, 997. 7 KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/97, BauR 1998, 829; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.2.2012 – 4 W 34/11; OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09, IBR 2010, 370; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 6 W 1/08; OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2003 – 6 W 2019/03, MDR 2003, 1382 = JurBüro 2003, 594; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.3.2013 – 10 W 14/13, MDR 2013, 741. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2012 – 23 W 30/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322 = BauR 2009, 1009; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.3.2021 – 4 U 90/19; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2018 – 4 W 81/18; OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.2017 – 12 W 16/17, JurBüro 2017, 586; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, BauR 2000, 927.

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Baulandverfahren

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2. Teil

Der erstgenannten Ansicht ist der Vorzug zu geben. Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG scheidet bei einer Mehrzahl von prozessualen Ansprüchen eine Zusammenrechnung aus, wenn diese „denselben Gegenstand“ betreffen, weil der eine Anspruch aus dem anderen folgt, auf dasselbe (wirtschaftliche) Interesse ausgerichtet ist oder nur den Zweck verfolgt, den anderen Anspruch zu rechtfertigen oder ihm als Voraussetzung oder Begründung zu dienen.3 Maßgebend für die Wertfestsetzung ist dann allein der höhere Wert. Verbindet der Kläger – wie hier -dem Anspruch auf Leistung einen Anspruch auf Sicherung seines Leistungsinteresses, kommt eine Wertaddition daher nicht in Betracht.

2.589

Baulandverfahren A. Zuständigkeitsstreitwert § 217 Abs. 1 BauGB listet einzelne Verwaltungsakte auf, bei denen der Rechtsschutz durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei den ordentlichen Gerichten gewährt wird. Neben den besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 217 ff. BauGB gelten in Baulandverfahren nach § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Vorschriften für Klagen in Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entsprechend.

2.590

In Baulandsachen braucht man keinen Zuständigkeitsstreitwert zu ermitteln. Das LG ist gem. § 217 2.591 Abs. 1 Satz 4 BauGB sachlich ausschließlich zuständig. Das gilt gem. § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB, § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch für selbständige Beweisverfahren. Diese sind auch in Baulandverfahren zulässig.4

B. Gebührenstreitwert Besondere Bewertungsvorschriften für den Gebührenstreitwert gibt es nicht. Seine Bemessung hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren stimmt gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG mit dem Streitwert überein.

2.592

I. Geldentschädigung Wird mit der Klage eine bezifferte Geldentschädigung verlangt, ist der Streitwert der geforderte Nennbetrag oder der Mehrbetrag gegenüber der bereits bewilligten Summe (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 Satz 1 ZPO).5

2.593

Unbezifferte Anträge auf Entschädigungszahlung sind nach den allgemeinen Regeln zu bemessen, also nach dem Betrag, der den Kläger angemessen entschädigt, wenn man dessen Tatsachenbehaup-

2.594

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.1.2000 – 9 U 212/99, MDR 2000, 543; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.2001 – 9 W 101/00, OLGR 2001, 217; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, BauR 2000, 927. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08: 1/3; OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.2017 – 12 W 16/17, JurBüro 2017, 586: 1/3; OLG Hamm, Beschl. v. 9.6.2011 – 24 U 147/08, BauR 2011, 1546: 1/5 bei vorangegangener rangwahrender Vormerkung. 3 Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.3.2019 – 1 W 524/18 Baul, MDR 2019, 733. 5 BGH, Beschl. v. 30.9.2004 – III ZR 81/04, BauR 2005, 367; OLG Brandenburg, Urt. v. 18.6.2019 – 11 U 2/16. Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Enteignungsentschädigung“, Rz. 2.1251 ff. nach.

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seien. Uneinigkeit besteht darüber, ob hierbei der Wert der Sicherungshypothek mit dem vollen Forderungsbetrag1 oder nur mit einem Bruchteil dessen2 zu berücksichtigen ist.

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2. Teil

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tungen zum anspruchsbegründenden Geschehen und zum Umfang des entstandenen Schadens zugrunde legt.1

2.595 Im Klageantrag angegebene Mindest- oder Höchstbeträge, die sich unter Umständen aus der Streitwertangabe in der Klageschrift ergeben können, sind in jedem Fall die Unter- oder Obergrenze für den Streitwert.2 Ausnahmsweise ist der unbezifferte Leistungsantrag in Baulandsachen nicht nach den genannten Höchstbeträgen anzusetzen, wenn sich aus einer vom Kläger beigefügten Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt, dass der Zahlenvorschlag nicht als Entschädigungssumme angestrebt sein kann, sondern lediglich einen Höchstschaden beziffert, um daraus die angemessene und erstrebte Entschädigung zu berechnen.3

II. Enteignung 2.596 Bei gerichtlichem Vorgehen im Zuge eines Enteignungsverfahrens (§§ 85 ff. BauGB) richtet sich der Streitwert nach dem objektiven Verkehrswert des von der Enteignung betroffenen Grundstücks (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 Satz 1 ZPO).4 Nicht entschädigungslos hinzunehmende denkmalschutzrechtliche Nutzungseinschränkungen sind dabei nicht wertmindernd zu berücksichtigen.5

2.597 Auch der Streitwert eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung, der die Behörde zur Einleitung eines Enteignungsverfahrens verpflichten soll, wird durch den Wert des Grundstücks bestimmt, das enteignet werden soll.6 Denn der Streit, ob der Eigentümer sein Eigentum im Wege der Enteignung hergeben muss, steht einer Klage auf Auflassung so nahe, dass § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden sind.

2.598 Der Streitwert eines Antrages auf Aufhebung des Enteignungsbeschlusses richtet sich auch dann nach dem Verkehrswert des betroffenen Grundstückes, wenn der Eigentümer vorträgt, die festgesetzte Entschädigung sei zu niedrig.7 Ein höherer Wert kann nur festgesetzt werden, wenn der Kläger eine den Verkehrswert übersteigende Entschädigung zumindest hilfsweise geltend macht.8 Entgegen der Auffassung des OLG Bremen9 kann nicht stets unterstellt werden, die im Enteignungsbescheid festgesetzte Entschädigungssumme entspreche dem Verkehrswert. Dabei handelt es sich vielmehr um eine Frage des Einzelfalls. Maßgeblich sind die allgemeinen Grundsätze der Wertermittlung bei Grundstücken, die bei den Stichworten „Grundstück“, Rz. 2.1994 ff. und „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 ff. nachgeschlagen werden können.

2.599 Bei enteignender Belastung eines Grundstückes mit einer beschränkt persönlichen Leitungsdienstbarkeit ist die Beschwer gleich der Differenz der Verkehrswerte des Grundstücks ohne und mit Belastung.

1 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 17.12.1969 – 2 W 173/69, JurBüro 1970, 606; OLG München, Beschl. v. 22.5.1968 – W 1/67 (Baul), Rpfleger 1968, 361; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.33. 2 BGH, Beschl. v. 28.10.2015 – III ZR 75/14. 3 OLG Köln, Beschl. v. 19.10.1970 – 2 W 82/70 Baul, JurBüro 1971, 85. 4 BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, BGHZ 50, 291; BGH, Beschl. v. 20.12.2018 – III ZR 133/18. 5 BGH, Beschl. v. 11.1.1996 – III ZR 96/95. 6 BGH, Beschl. v. 28.9.1967 – III ZR 164/66, NJW 1968, 153. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 7.12.1984 – W (B) 1/84 (a), JurBüro 1985, 764; wohl auch OLG Brandenburg, Urt. v. 19.6.2015 – 11 Bauland U 1/13. 8 OLG Bremen, Beschl. v. 7.12.1984 – W (B) 1/84 (a), JurBüro 1985, 764. 9 OLG Bremen, Beschl. v. 7.12.1984 – W (B) 1/84 (a), JurBüro 1985, 764.

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2. Teil

In Umlegungssachen (§§ 45 ff. BauGB) ist anhand des Ziels des klägerischen Begehrens hinsichtlich der Streitwertbestimmung zu differenzieren:

2.600

1. Enteignungsgleicher Eingriff Geht es dem Antragsteller nicht in erster Linie um die Zuweisung von Ersatzland im Tauschverfahren 2.601 oder um eine höhere Geldentschädigung, sondern steht der Verlust einer Grundstücksfläche im Vordergrund, so dass der Streitfall enteignungsähnliche Züge trägt, ist der Streitwert entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des eingebrachten Grundstücks zu bemessen.1 2. Anfechtung des Umlegungsplans Im Übrigen richtet sich der Streitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.2 § 6 ZPO ist nicht anwendbar, weil der Umlegung die Idee der ungebrochenen Fortsetzung des Eigentums an einem verwandelten Grundstück zugrunde liegt und dem Eigentümer bei wirtschaftlicher Betrachtung sein Eigentum nicht genommen wird.3

2.602

Bekämpft der Kläger die Einbeziehung eines Grundstücks in ein Umlegungsverfahren oder ficht er Regelungen des Umlegungsplans an, beträgt der Streitwert grundsätzlich 20 % des Grundstückswerts, in den neben dem Bodenwert die Werte vorhandenen Aufbauten einzurechnen sind.4 Das OLG Celle5 setzt allerdings 20 % bis 33 % des Verkehrswertes als Regelwert an. Will der Kläger erreichen, dass ein weiteres Grundstück in den Umlegungsplan einbezogen wird, ist der Streitwert mit 20 % des Wertes des Grundstückes anzusetzen, dessen Einbeziehung begehrt wird.6

2.603

Es hat keinen Einfluss auf den Streitwert, wenn der Kläger geltend macht, dass die beabsichtigte Umlegung den Wert weiterer Grundstücke mindere, die außerhalb des Umlegungsgebiets liegen.7

2.604

Geht es dem Antragsteller nur darum, Erschwernisse bei der Zufahrt zu seinem Grundstück zu vermeiden, dann kann der Wert mit 10 % der in die Umlegung einbezogenen Fläche angesetzt werden.8

2.605

Eine Ausnahme von der Bruchteilsbewertung gilt dann, wenn mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Zuteilung weiteren Grundbesitzes erstrebt wird. Dann kann der volle Verkehrswert des zusätzlich begehrten Grundstücks angesetzt werden.9

2.606

Das Rechtsschutzinteresse eines an der Umlegung beteiligten Grundstückspächters kann nicht in Anlehnung an den Grundstückswert, sondern lediglich in Anlehnung an den Wert des Nutzungsrechtes bemessen werden. Für Miet- und Pachtverträge sieht § 41 GKG eine Bewertung in Höhe des einjähri-

2.607

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 29.5.1998 – 9 BAU W 6/98, JurBüro 1998, 542. 2 BGH, Beschl. v. 22.2.1968 – III ZR 140/66, BGHZ 49, 319; BGH, Beschl. v. 13.2.1969 – III ZR 123/68, BGHZ 51, 341; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2006 – 21 U 1/05, JurBüro 2006, 538; OLG Hamburg, Beschl. v. 5.6.1965 – 1 W 35/64 (Baul), NJW 1965, 2404. 3 BGH, Beschl. v. 27.1.2011 – III ZR 119/10; BGH, Beschl. v. 1.12.1977 – III ZR 139/77, MDR 1978, 648. 4 BGH, Beschl. v. 27.1.2011 – III ZR 119/10; BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 326/08. 5 OLG Celle, Beschl. v. 12.10.1994 – 4 W (Baul) 175/94, OLGR 1995, 23. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.3.2004 – 4 W (Baul) 284/03. 7 BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 326/08. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.9.1974 – W 1/74 Baul, AnwBl. 1974, 353. 9 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2006 – 21 U 1/05, JurBüro 2006, 538; BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – III ZR 187/88.

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III. Umlegung

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2. Teil

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ZPO

gen Entgelts vor. Sofern die Umlegung nicht zur Aufhebung, sondern lediglich zur Umgestaltung des Nutzungsrechtes führt (§ 61 BauGB), kommt sogar noch ein Abschlag hiervon in Betracht.1

2.608 Die Beanstandung des Umlegungsplanes mit dem Ziel, das zugewiesene Grundstück gegen ein anderes zu tauschen, um eine nachteilige Bebauung zu verhindern, ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu bewerten. Das OLG Bamberg2 hat das Interesse, die Bebauung zu verhindern, in einer früheren Entscheidung mit 20 % des Grundstücksverkehrswertes bewertet. Der Wertansatz erscheint zu hoch und dürfte kaum mit der gefestigten Rechtsprechung in Einklang zu bringen sein, wonach sogar die Abwehr des Umlegungsplanes mit dem Ziel, das eigene Grundstück ganz aus der Umlegung herauszuhalten, lediglich mit 20 % des Verkehrswertes beziffert wird.

2.609 Ein Verfahren, mit welchem die Eigentümer den beschleunigten Abschluss eines seit über elf Jahren andauernden Umlegungsverfahrens erstrebten, wurde mit 20 % des Wertes von Grund und Boden der eingeworfenen Fläche einschließlich vorhandener baulicher Anlagen, Anpflanzungen und sonstiger Einrichtungen bewertet.3 3. Beteiligung mehrerer Grundstückseigentümer

2.610 Sind mehrere Grundstückseigentümer am gerichtlichen Verfahren beteiligt, sind die Werte der Grundstücke aller Beteiligten zusammenzurechnen; von dieser Summe sind dann 20 % als Streitwert festzusetzen.4

IV. Vereinfachte Umlegung 2.611 Anträge, die sich gegen eine vereinfachte Umlegung (§§ 80 ff. BauGB)5 richten, sind entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO nach dem Wert der Teilfläche zu bewerten, die der Kläger im Wege des Flächenaustausches oder einer einseitigen Zuteilung an einen anderen Eigentümer verlieren soll.6 Streitgegenstand ist der Eigentumsverlust an der Teilfläche des Grundstücks.

V. Vorzeitige Besitzeinweisung 2.612 Der Streitwert für ein gerichtliches Verfahren über eine vorzeitige Besitzeinweisung (§§ 77, 116, 224 BauGB) ist entsprechend § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers zu bemessen.7 Es ist regelmäßig mit 20 % des Wertes des Gegenstandes, um dessen Besitz es geht, angemessen bewertet.8 Wendet sich der Pächter eines Grundstücks gegen die vorzeitige Besitzeinweisung, ist entsprechend § 41 Abs. 1 GKG der Jahresbetrag der Pacht anzusetzen.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.2.2006 – 21 W 1/06, JurBüro 2006, 539. Vgl. OLG Bamberg v. 29.5.1998 – 9 BAU W 6/98, JurBüro 1998, 542. BGH, Beschl. v. 1.12.1977 – III ZR 139/77, MDR 1978, 648. OLG Köln, JurBüro 1969, 1090; BGH, Urt. v. 22.2.1968 – III ZR 140/66, BGHZ 49, 317 und damit zugleich eine vom OLG München vorgeschlagene Halbierung der einzelnen Streitwerte abgelehnt, vgl. OLG München, Beschl. v. 5.6.1967 – W 1/66, NJW 1967, 1666. Früher „Grenzregelung“ genannt. BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, BGHZ 50, 291. OLG Hamburg, Beschl. v. 5.6.1964 – 1 W 35/64 (Baul), NJW 1965, 2404. BGH, Urt. v. 27.9.1973 – III ZR 131/71, NJW 1973, 2202; OLG München, Beschl. v. 22.2.2018 – 8 W 9/18. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.2.2006 – 21 W 1/06 Baul.

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2. Teil

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nach § 224 Satz 1 Nr. 3 BauGB keine aufschiebende Wirkung, wenn er sich gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung richtet. Ihre Herstellung kann aber nach § 224 Satz 2 BauGB, § 80 Abs. 5 VwGO bereits vor Einleitung des Hauptverfahrens beim Gericht beantragt werden.

2.613

Der Streitwert für Anträge auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich gem. § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG nach der Bedeutung für den Kläger.1 Weil § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG auf § 52 GKG verweist, ist dieser anwendbar, obwohl die Kammern für Baulandsachen besondere Spruchkörper der ordentlichen Gerichte und kein VG sind.

2.614

Die Bedeutung für den Kläger kann regelmäßig mit der Hälfte des Wertes des Verfahrens auf vorzeitige Besitzeinweisung, also grundsätzlich mit 10 % des Grundstückswertes angesetzt werden.2 In einer älteren Entscheidung hat das OLG München allerdings den Wert für den Antrag eines Mieters an die Kammer für Baulandsachen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung entsprechend § 41 Abs. 1 GKG mit dem Mietzins eines Jahres angesetzt.3 Angemessener erschiene hier der Ansatz des Mietzinses für ein halbes Jahr. Dann entspräche der Wert des Antrages auf aufschiebende Wirkung auch bei Mietern und Pächtern 1/2 des Wertes des Verfahrens auf vorzeitige Besitzeinweisung.

2.615

VII. Selbständiges Beweisverfahren Selbständige Beweisverfahren sind in Baulandsachen unter den Voraussetzungen des § 485 ZPO zulässig, auch wenn das für eine gerichtliche Entscheidung nach § 217 BauGB erforderliche Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt worden ist. Ihr Gebührenstreitwert richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.4 Die Bewertung dieses Interesses wird beim Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503 ff. erläutert.

2.616

C. Rechtsmittel und Beschwer Gemäß § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist in Baulandverfahren die Berufung nur 2.617 statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 t übersteigt und die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur, wenn die Beschwer 20.000 t übersteigt.5 Der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Berufung oder Revision, mit der ein Grundstückseigentümer die Regelung in einem Umlegungsplan aufgehoben sehen will, wonach hinsichtlich der von dem betreffenden Eigentümer eingeworfenen Grundstücksfläche zum Teil eine Landabgabe für Verkehrszwecke, zum Teil die Zuweisung einer anderen Grundstücksfläche sowie die Entrichtung von Ausgleichszahlungen stattfinden soll, ist mit 20 % des Wertes von Grund und Boden der eingeworfenen Fläche einschließlich vorhandener baulicher Anlagen, Anpflanzungen und sonstiger Einrichtungen zu bemessen.6

1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, Beschl. v. 19.1.2017 – 16 W (Baul) 1/16, MDR 2017, 269. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.10.2003 – 100 W 1/03. OLG München, Beschl. v. 8.10.1971 –W 4/71 Baul, JurBüro 1972, 52. OLG Koblenz, Beschl. v. 26.3.2019 – 1 W 524/18 Baul, MDR 2019, 733. BGH, Urt. v. 10.11.1988 – III ZR 63/87, MDR 1989, 236. BGH, Urt. v. 22.2.1968 – III ZR 140/66, BGHZ 49, 317; BGH, Beschl. v. 27.1.2012 – III ZR 119/10.

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VI. Aufschiebende Wirkung

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2. Teil

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Bausparvertrag

ZPO

2.619 Die Beschwer eines Rechtsmittels, das sich gegen eine vereinfachte Umlegung (§§ 80 ff. BauGB) richtet, ist in entsprechender Anwendung von § 6 ZPO nach dem Wert der Teilfläche zu bestimmen, die der Rechtsmittelführer im Wege des Flächenaustausches oder einer einseitigen Zuteilung an einen anderen Eigentümer verlieren soll.1

Bausparvertrag A. Einleitung 2.620 Nach § 1 Abs. 2 BauSparkG erwirbt ein Bausparer mit einem Bausparvertrag einen Anspruch auf Gewährung eines verzinslichen Bauspardarlehens, nachdem er genug Bauspareinlagen geleistet hat. Sobald der Bausparer einen Mindestbetrag (in der Regel 40 % der Bausparsumme) angespart und gewisse Wartezeiten erfüllt hat (Zuteilungsreife), besteht ein Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens und Gewährung des vereinbarten Bauspardarlehens (zusammen: Bausparsumme).2 Bausparverträge verbinden daher Elemente von Darlehens- und Sparverträgen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.621 Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert stimmen überein. Die §§ 3 ff. ZPO sind gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch maßgeblich, wenn man den Gebührenstreitwert bestimmt.

I. Gewährung des Bauspardarlehens 2.622 Leistungsklagen auf Auszahlung des bisher Angesparten sind mit dem bezifferten Auszahlungsbetrag zu bewerten. Wegen des Streitwerts einer Klage auf Gewährung des Bauspardarlehens (Abschluss des Bausparvertrages) kann zunächst auf die Ausführungen zum Stichwort „Darlehen“, Rz. 2.2853– 2.2856, verwiesen werden; maßgebend ist gem. § 6 ZPO der gewünschte Darlehensbetrag ohne Zinsen. Die Möglichkeit, Einlagen zu leisten und deren Verzinsung dürfte nach § 3 ZPO nur dann eine Rolle spielen, wenn der Kläger hieran wegen hoher Zinsen ein besonderes Interesse hat; eine Bewertung als Nebenforderung (§ 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG) kommt allerdings nicht in Betracht. Die Klage des Bausparers auf die (negative) Feststellung, die Bausparkasse könne keine Abnahme des Bauspardarlehens verlangen, ist gem. §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahreswert des vereinbarten Darlehenszinses zu bewerten.3

II. Erhöhung der Bausparsumme 2.623 Will ein Bausparer die Bausparkasse klageweise verpflichten, seine Bausparsumme zu erhöhen, ist der Streitwert gleich dem Nennwert des begehrten Erhöhungsbetrages.4

1 2 3 4

BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, BGHZ 50, 291. MünchKomm.BGB/Berger, Vorb. § 488 Rz. 29. BGH, Beschl. v. 7.1.2020 – XI ZR 277/18, BKR 2020, 408. BGH, Beschl. v. 12.11.2019 – XI ZR 148/19.

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Bearbeitungsgebühren

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2. Teil

Zehn Jahre nach Erreichen der Zuteilungsreife kann die Bausparkasse den Bausparvertrag nach § 489 2.624 Abs. 1 Nr. 2 BGB kündigen.1 Wendet sich der Bausparer mit einer (positiven) Feststellungsklage auf Fortbestand des Bausparvertrags gegen die Kündigung, ist der Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Guthabenzinsen (Grund- und etwaige Bonuszinsen2) abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 % zu bewerten.3 Das gilt jedenfalls in der augenblicklichen Niedrigzinsphase, weil das objektiv zu ermittelnde wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgeblich ist. In Zeiten „normaler“ Zinsen dürfte hingegen regelmäßig nicht feststehen, ob das Interesse des Klägers am Vertragsfortbestand objektiv vom Bauspardarlehen oder den Zinsen bestimmt wird. Dann entspricht der Streitwert der Summe aus dem Betrag des Bauspardarlehens, das nach dem Vertragsstand beansprucht werden kann und dem dreieinhalbfachen Jahresguthabenzins, wovon ein Abschlag von 50 % zu machen ist, weil man Guthabenzins und Darlehen nicht gleichzeitig beanspruchen kann.4 Kündigt die Bausparkasse einen vollständig bis zur Bausparsumme besparten Bausparvertrag, be- 2.625 steht kein Anspruch mehr auf ein Bauspardarlehen.5 Der Streitwert einer Feststellungsklage auf Fortbestand des Bausparvertrages bemisst sich daher in diesen Fällen gem. §§ 3, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Guthabenzinsen abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 %. Wird der Bausparvertrag dagegen nicht in der Ansparphase, sondern nach Auszahlung des Bauspar- 2.626 darlehens gekündigt, ist der Streitwert einer Feststellungsklage auf Fortbestand des Bausparvertrags mit der Summe der offenen Darlehensforderung zu beziffern.6

Bearbeitungsgebühren Werden Bearbeitungsgebühren zurückverlangt, weil der Kläger der Auffassung ist, diese seien vom Vertragspartner unter Verstoß gegen § 307 BGB erhoben worden,7 ist der volle Wert des verlangten Betrags maßgebend.

2.627

Muss nach einem Schadensfall, insbesondere nach einem Verkehrsunfall, der Geschädigte mangels eigener Mittel einen Kredit aufnehmen, um die Unfallfolgen beheben zu lassen und macht er anschließend die Finanzierungskosten als Schadensersatz geltend, sind diese einschließlich eventueller Bearbeitungsgebühren bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen, da es sich um eigenständige Gegenstände handelt.8 Es handelt sich nicht um „Kosten“ i.S.d. Streitwertrechts (s. zu diesem Begriff das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.). Unzutreffend ist die Auffassung des OLG Köln,9 das diese Kosten als Nebenforderung nach den § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigen will.

2.628

Siehe auch das Stichwort „Inkassokosten“, Rz. 2.2327.

2.628a

1 BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 185/16, MDR 2017, 531. 2 BGH, Beschl. v. 1.9.2020 – XI ZB 2/20. 3 BGH, Beschl. v. 21.2.2017 – XI ZR 88/16, NJW 2017, 2343 mit Nachweisen zu dem zuvor in der Instanzrechtsprechung bestehenden Meinungsstreit. 4 OLG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2016 – 9 U 171/15, ZIP 2016, 910. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.2013 – 19 U 106/13; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011 – 9 U 151/11, WM 2013, 508. 6 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 7 Siehe zuletzt BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, MDR 2014, 912. 8 Siehe auch das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5307. 9 OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1993 – 2 W 21/73, JMBl.NW 1974, 46.

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III. Kündigung des Bausparvertrags

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2. Teil

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Bebauungsverpflichtung

ZPO

Bebauungsverpflichtung 2.629 Eine Bebauungsverpflichtung findet sich in Grundstückskaufverträgen, wenn der Verkäufer sicherstellen will, dass das Grundstück überhaupt (innerhalb einer bestimmten Frist) bzw. auf eine bestimmte Art und Weise bebaut wird. Beispielsweise wird eine Gemeinde den Grundstückskäufern Bebauungsverpflichtungen auferlegen, wenn sie mit der Veräußerung des Grundstücks den Zweck verfolgt, einen Gewerbebetrieb anzusiedeln und dadurch ihr Steueraufkommen zu erhöhen oder wenn sie bei dem Grundstücksverkauf sicherstellen will, dass die Einheitlichkeit des Stadtbildes durch eine in etwa gleichzeitige Bebauung eines größeren Baugebiets gewährleistet wird. Ein privater Verkäufer kann beispielsweise das Interesse haben, eine ihm obliegende Bauverpflichtung an einen Grundstückserwerber weiterzugeben.

2.630 Die Bewertung einer solchen Bebauungsverpflichtung spielt in erster Linie im Rahmen des Gerichtsund Notarkostengesetzes (GNotKG) eine Rolle, nämlich bei der Frage, welcher Geschäftswert für den betreffenden Grundstückskaufvertrag anzusetzen ist, um die Kosten des Urkundsnotars zu berechnen. Gemäß § 50 Nr. 3 GNotKG ist nach der Art der Bebauung zu unterscheiden. Die Verpflichtung zur Errichtung eines Wohngebäudes (Nr. 3a) ist mit 20 % des Verkehrswertes des unbebauten Grundstücks zu bewerten, die zur Errichtung eines gewerblich genutzten Bauwerks (Nr. 3b) mit 20 % der voraussichtlichen Herstellungskosten. Handelt es sich um ein gewerblich zu nutzendes Wohngebäude, ist auf den Verkehrswert des unbebauten Grundstücks abzustellen.1

2.631 Zur Bewertung einer Bauverpflichtung, die der Erwerber eines Grundstücks gegenüber dem Veräußerer übernimmt, werden unterschiedliche Ansätze vertreten: – Nach einer Auffassung bot der von einer Gemeinde gewährte Preisnachlass gegenüber dem Verkehrswert des verkauften Grundstücks einen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine von dem Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG abweichende Schätzung des Werts.2 – Nach anderer Auffassung sollte der Geschäftswert einen Bruchteil der zu erwartenden Baukosten betragen.3 – Wiederum andere setzten einen Bruchteil des Kaufpreises oder des für den Fall der Nichteinhaltung der Bauverpflichtung vereinbarten Rückkaufpreises an.4 – Schließlich wurde die Auffassung vertreten, dass mangels anderer Anhaltspunkte als Geschäftswert der Bauverpflichtung der Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG anzunehmen sei.5

2.632 Nach Ansicht des BGH6 ist der Geschäftswert nach dem Gesamtwert der Leistungen des Käufers bzw. nach dem (höheren) Verkehrswert des Grundstücks zu berechnen. Die Übernahme einer Bau- und Selbstnutzungsverpflichtung in einem Grundstückskaufvertrag stelle auch im Falle eines nur ideelen Interesses des Verkäufers eine vermögensrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 36 Abs. 3 GNotKG dar. Gewähre der Verkäufer dem Käufer für die Übernahme einer Bau- und Selbstnutzungsverpflichtung einen Preisnachlass, so sei mangels anderer Anhaltspunkte die Differenz zwischen dem vereinbarten 1 BGH, FGPrax 2018, 44; KG v. 24.5.2018 – 4 W 17/18, NJW-RR 2018, 1277; OLG Köln, Beschl. v. 12.5.2017 – 2 Wx 104/17, MDR 2017, 1030. 2 LG Kassel, Beschl. v. 15.6.2012 – 3 OH 18/12: Anhaltspunkt; OLG Zweibrücken, JurBüro 1998, 202. 3 OLG Hamm, NVwZ-RR 2004, 814; Lappe, NotBZ 2005, 339; Wielgoss, JurBüro 2001, 520. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.12.2005 – 14 Wx 47/04, JurBüro 2006, 149; LG Kassel, Beschl. v. 15.6.2012 – 3 OH 18/12: Anhaltspunkt; OLG Zweibrücken, FGPrax 1999, 76; BayObLG, MittBayNot 1993, 226; OLG Celle, Beschl. v. 14.3.1995 – 8 W 17/95, OLGR 1995, 252; OLG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1997, 137. 5 OLG Hamm, NVwZ-RR 2004, 811; LG Bonn, Beschl. v. 9.2.2005 – 6 T 106/04: bei Verfolgung ideeller Interessen; LG Kassel, Beschl. v. 15.6.2012 – 3 OH 18/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.1994 – 10 W 26/94, MDR 1994, 625 = DNotZ 1994, 723; OLG Köln, JurBüro 1986, 589. 6 BGH, Beschl. v. 24.11.2005 – V ZB 103/05, MDR 2006, 714.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit

2. Teil

ZPO

Kaufpreis und dem Verkehrswert des Grundstücks als Wert der übernommenen Verpflichtung anzusetzen. Entspreche der Kaufpreis dem Verkehrswert, so sei der Wert der Verpflichtung grundsätzlich mit einem prozentualen Anteil des Kaufpreises unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Für die Wertfestsetzung bedarf es keiner Unterscheidung zwischen der wesensgleichen ausdrücklich vereinbarten („positiven“) und stillschweigend vereinbarten („negativen“) Bauverpflichtung.1

2.633

Soweit die Bebauungsverpflichtung außerhalb des Bereichs des GNotKG zum Streitpunkt wird – also beispielsweise bei einer Klage des Veräußerers auf Erfüllung der Bebauungsverpflichtung oder auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Nichterfüllung – ist zur Berechnung des Zuständigkeitsund Gebührenstreitwertes nach §§ 3, 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den konkreten Klageantrag abzustellen.2

2.634

Bedingte Rechte A. Aufschiebende Bedingung Bei aufschiebend bedingten Rechten (§ 158 Abs. 1 BGB) ist nicht § 9 ZPO, sondern § 3 ZPO Bemessungsgrundlage.3

2.635

Bei der Schätzung nach § 3 ZPO ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Voraussetzungen für die Entstehung des künftigen Anspruchs zu berücksichtigen.4 Das kann ein Bruchteil des geltend gemachten Anspruchs, aber im Einzelfall auch der volle Wert sein.5

2.636

B. Auflösende Bedingung Steht ein Recht unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dann ist der Streitwert nach allgemeinen Grundsätzen in erster Linie nach §§ 3, 6 ZPO zu bestimmen. Da das Recht voll besteht, ist in der Regel der volle Wert anzusetzen. Im Einzelfall kann allerdings die konkrete Gefahr des Eintritts der auflösenden Bedingung das Recht (teilweise) entwerten und zu einem Abschlag vom Hauptsachewert führen.

Befreiung von einer Verbindlichkeit Literatur: Görmer, Der Streitwert eines Befreiungsanspruchs, JurBüro 2010, 68; Görmer, Berücksichtigung von Zinsen und Kosten beim Wert der Befreiungsklage, NJW 1999, 1309; Weisbrodt, Die Berücksichtigung von Nebenforderungen beim Wert des Freistellungsanspruchs, JurBüro 1995, 115.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.12.2005 – 14 Wx 47/04, JurBüro 2006, 149. 2 Vgl. etwa OLG Köln, Beschl. v. 4.10.2011 – 16 W 29/11; OLG Frankfurt, Urt. v. 5.3.1998 – 1 U 190/96, OLGR 1998, 321 – jeweils § 30 KostO a.F. und Rückauflassungsverlangen wegen Nichterfüllung. 3 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.11.1960 – 5 W 61/60. 4 RG, JW 1908, 13 Nr. 15. 5 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36.

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2.637

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2. Teil

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Befreiung von einer Verbindlichkeit

ZPO

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.638 I. 1. 2. 3. 4.

Leistungsklagen Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederkehrende Leistungen . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.639 2.640 2.643 2.644

5. Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.645 6. Persönliche und dingliche Haftung . . . . 2.653 7. Einrede des Befreiungsanspruchs, „Aufrechnung“ mit Befreiungsanspruch . . . . 2.656 II. Feststellungsanträge und unbezifferte Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.657 B. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.660

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.638 Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert für Ansprüche auf Befreiung von einer Verbindlichkeit sind nach §§ 3 ff. ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG gilt der Wert auch für die Anwaltsgebühren.

I. Leistungsklagen 1. Allgemeines

2.639 Bezifferte Ansprüche auf Befreiung von einer Verbindlichkeit werden nach § 887 ZPO vollstreckt. Ihr Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Er entspricht in der Regel dem Nennbetrag der Forderung, von welcher der Kläger befreit werden will.2 Eine niedrigere Bewertung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die künftige Inanspruchnahme des klagenden Befreiungsgläubigers nahezu ausgeschlossen erscheint.3 Die sinngemäße Anwendung privilegierender Kostenvorschriften (z.B. § 41 GKG, § 51 FamGKG) scheidet grundsätzlich aus, es sei denn, die privilegierenden Tatbestandsmerkmale sind bei beiden Parteien gegeben. 2. Wiederkehrende Leistungen

2.640 Bei Klagen auf Befreiung von einer Pflicht zur Zahlung wiederkehrender Leistungen i.S.v. § 9 ZPO bestimmt man den Streitwert des Freistellungsanspruchs nach § 3 ZPO. Allerdings ist bei der Ausübung des in § 3 ZPO eingeräumten Ermessens die Wertung des § 9 ZPO zu berücksichtigen.4 Meist ist daher nach §§ 3, 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung maßgeblich.5

2.641 Der Streitwert einer Klage auf Freistellung von künftig sukzessive fällig werdenden Versicherungsbeiträgen ist nach §§ 3, 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Prämien zu beziffern.6

2.642 Auch bei Freistellung von gesetzlichen Unterhaltspflichten ist nach § 3 ZPO zu schätzen.7 Im Rahmen der Schätzung ist die Bemessungsvorschrift des § 51 FamGKG unanwendbar; denn es wird in diesem Fall nicht um die Unterhaltsverpflichtung selbst gestritten, sondern um einen selbständigen und andersgearteten Leistungsanspruch.8 Eine analoge Anwendung privilegierender Vorschriften, etwa des § 51 FamGKG, kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsmerkmale der Sondervorschrift bei 1 BGH, Beschl. v. 20.9.1974 – IV ZR 113/74, NJW 1974, 2128. 2 BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW 1990, 958; OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769; Meyer, GKG/FamGKG, § 3 ZPO Rz. 11. 3 BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – III ZR 23/11, MDR 2011, 1075; a.A. Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 48. 4 BGH, Beschl. v. 30.5.2000 – IX ZR 450/99. 5 BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – IX ZR 27/01; BGH, Beschl. v. 30.5.2000 – IX ZR 450/99. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246. 7 BGH, Beschl. v. 20.9.1974 – IV ZR 113/74, NJW 1974, 2128. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2002 – 24 W 36/02 (§ 9 ZPO).

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Befreiung von einer Verbindlichkeit

2. Teil

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beiden Parteien gegeben sind, beispielsweise wenn ein kraft Gesetzes Unterhaltspflichtiger von einem anderen gesetzlich Unterhaltspflichtigen Befreiung verlangt. Dann handelt es sich auch um eine Familiensache, für die die Wertvorschriften des FamGKG gelten. Wird der andere jedoch aus einem anderen Rechtsgrund in Anspruch genommen, etwa aus vertraglicher Übernahme oder aus Delikt, dann scheidet eine analoge Anwendung der privilegierenden Vorschrift aus.1 3. Zinsen Zinsen des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, sind nach zutreffender Ansicht Nebenforderungen des Befreiungsanspruchs und gem. § 4 ZPO bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.2 Hätte nämlich der Freistellungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch an seinen Gläubiger abgetreten und machte dieser ihn dann als Zessionar klageweise geltend, wären die Zinsen Nebenforderungen der Zahlungsklage. Dieser enge Zusammenhang rechtfertigt, die Zinsen auch beim Befreiungsanspruch als Nebenforderung anzusehen.3

2.643

4. Kosten Bei der Bemessung des Wertes eines Freistellungsanspruchs sind neben der Forderung, von der Frei- 2.644 stellung begehrt wird, die Kosten eines wegen dieser Hauptforderung geführten Vorprozesses streitwerterhöhend zu berücksichtigen.4 Denn diese sind Schadensersatzansprüche, die als Haupt- und nicht als Nebenforderungen zu qualifizieren sind.5 Der enge Zusammenhang, der bei den Zinsen die Einordnung als Nebenforderung rechtfertigt, fehlt hier.6 Sie sind streitwertmäßig nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie im Freistellungsprozess nicht streitgegenständlich sind.7 5. Gesamtschuldner Erheben mehrere Gesamtschuldner gegen einen Dritten Klage auf Freistellung von einer Forderung, für die jeder von ihnen gesamtschuldnerisch haftet, übersteigt der Streitwert den Betrag der Gesamtschuld nicht.8

2.645

Beispiel: A und B haften dem C als Gesamtschuldner auf Zahlung von 50.000 t. Sie verklagen gemeinsam D auf Freistellung von dieser Schuld.

2.646

Der Streitwert beträgt 50.000 t und nicht etwa 3 × 50.000 t = 150.000 t. Mehr als 50.000 t braucht D nicht zu zahlen.

Verlangt ein Gesamtschuldner Befreiung vom anderen, so kommt es auch hier auf die Höhe der ver- 2.647 langten Freistellung an.9 Regelmäßig entspricht er dem Betrag, auf den der freizustellende Gesamtschuldner im Innenverhältnis haftet.10 Freilich spielt die Mithaftung des Klägers nur dann eine Rolle, wenn sie im gegebenenfalls analog §§ 133, 157 BGB ausgelegten Klageantrag zum Ausdruck kommt. 1 BGH, Beschl. v. 20.9.1974 – IV ZR 113/74, NJW 1974, 2128; ausf. Schneider, ZAP Fach 13, S. 369. 2 BGH, Beschl. v. 6.10.1960 – VII ZR 42/59, MDR 1961, 48; BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 354/15; a.A. RG, Urt. v. 10.7.1940 – II 155/39, DR 1940, 2009; Görmer, JurBüro 2010, 68; Görmer, NJW 1999, 1309 (1310). Siehe dazu auch das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff. 3 Weisbrodt, JurBüro 1995, 115, 116. 4 BGH, Urt. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, AGS 2003, 214 m. Anm. N. Schneider. 6 Weisbrodt, JurBüro 1995, 115, 116. 7 BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – IV ZR 29/20. 8 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345. 9 OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, 1 W 43/08, JurBüro 2009, 197. 10 OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/18, 1 W 43/18; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2002 – 5 WF 62/01, AGS 2002, 125; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.10.1997 – 2 WF 130/97, FamRZ 1998, 1311; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57.

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2. Teil

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Befreiung von einer Verbindlichkeit

ZPO

Ob und in welcher Höhe tatsächlich eine Gesamtschuld besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht aber eine Frage des Streitwerts.

2.648 Beispiel: A und B haften dem C als Gesamtschuldner auf Zahlung von 50.000 t, und zwar mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB je zur Hälfte. Verlangt A von B die Freistellung i.H.v. 25.000 t, beläuft sich der Streitwert auf 25.000 t. Er wird den Prozess gewinnen. Verlangt A von B die Freistellung i.H.v. 50.000 t, beläuft sich der Streitwert auf 50.000 t. Die eigene Haftung des A ist nicht etwa abzuziehen. Er wird den Prozess jetzt allerdings zur Hälfte verlieren.

2.649 Wird ein Vergleich geschlossen, wonach eine Partei die andere von Schulden freistellt, ist danach zu fragen, in welcher Höhe der Freistellungsanspruch streitig war. Unzutreffend ist es, ohne weiteres auf den Wert der freizustellenden Forderung abzustellen.

2.650 Das OLG Karlsruhe1 hatte den Wert einer Scheidungsvereinbarung, durch die sich der Beklagte verpflichtet hatte, die Klägerin von ihrer Mithaftung aus einem Darlehensvertrag zu befreien und der Klägerin eine entsprechende Freistellungserklärung der Darlehensgläubigerin zu verschaffen, dem Betrag der Darlehensschuld im Zeitpunkt der Vereinbarung gleichgestellt.

2.651 Diese Bewertung trifft nicht stets zu. Der Gesamtschuldner, der einen anderen Gesamtschuldner freistellt, übernimmt nur dessen Anteil zusätzlich. Für seinen eigenen Anteil hatte er vor und nach der Übernahme der Verbindlichkeit einzustehen. Der volle Betrag kann daher auf keinen Fall angesetzt werden, wenn unstreitig ist, dass der Freistellungsverpflichtete zu einem bestimmten Teil ohnehin freistellungsverpflichtet ist und die Parteien sich nur über den Anteil des Freizustellenden streiten. Ist dagegen die Freistellung insgesamt streitig, etwa weil der in Anspruch genommene Gesamtschuldner meint, ihm stehe selbst ein Freistellungsanspruch zu, dann ist der Gesamtwert anzusetzen.

2.652 Beispiel: Die Parteien haften als Gesamtschuldner auf Zahlung von 100.000 t. Die Ehefrau ist der Auffassung, sie sei freizustellen. a) Die hälftige Freistellung ist von vornherein unstreitig. Der Streitwert beläuft sich auf 50.000 t. b) Der Ehemann ist der Auffassung, die Ehefrau hafte für die Schulden insgesamt, also er selbst habe einen Freistellungsanspruch. Der Streitwert beläuft sich jetzt auf 100.000 t. c) Der Ehemann ist zunächst der Auffassung, die Ehefrau hafte für die Schulden insgesamt; später stellt er die hälftige Freistellungsverpflichtung unstreitig. Der Streitwert beläuft sich auf 100.000 t, da es nach § 40 GKG auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage ankommt. Sofern ein Teilanerkenntnisurteil über die Hälfte ergeht, berechnen sich allerdings weitere Kosten (etwa eine Einigungsgebühr) nur noch nach dem verbliebenen Teil.

6. Persönliche und dingliche Haftung

2.653 Die Befreiung von der persönlichen Haftung für eine Hypothek bemisst sich nach dem Nennbetrag der Forderung.2

2.654 Wird auf Befreiung von der persönlichen und der dinglichen Haftung geklagt, dann ist die Forderung nur einmal anzusetzen; es wird nicht zusammengerechnet.3

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.10.1974 – 12 W 23/74, JurBüro 1974, 1592. 2 RG, Gruchot 34, 1137. 3 RG v. 14.10.1905 – V Zs., Recht 1906 Nr. 1955; KG, Beschl. v. 10.8.1967 – 1 W 1156/67, JurBüro 1968, 466; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 48.

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2. Teil

Der Wert des Anspruchs eines Gesamtschuldners gegen den anderen auf Freistellung von der Inanspruchnahme aus einem Baudarlehen und der dafür gestellten Hypothek ist nach dem Nennbetrag der Forderung zu berechnen. Eine doppelte Berücksichtigung wegen der persönlichen und der dinglichen Haftung kommt nicht in Betracht.1 Weder die Unwahrscheinlichkeit noch der Umfang einer etwaigen Inanspruchnahme rechtfertigen einen Abzug vom Streitwert.2

2.655

ZPO

Befreiung von einer Verbindlichkeit

7. Einrede des Befreiungsanspruchs, „Aufrechnung“ mit Befreiungsanspruch Nicht streitwerterhöhend ist die Einwendung des Beklagten, ihm stehe gegen die vom Kläger geltend gemachte Forderung ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Freistellung dieser Verbindlichkeit gehe. Das gilt auch dann, wenn die Freistellung nur hilfsweise neben anderem Bestreiten geltend gemacht wird. Dadurch wird keine (hilfsweise) Aufrechnung i.S.v. § 45 Abs. 3 GKG erklärt, sondern der aus § 242 BGB folgende dolo agit-Einwand.3

2.656

II. Feststellungsanträge und unbezifferte Anträge Wird der Freistellungsanspruch unbeziffert geltend gemacht, bemisst man den Streitwert gem. § 3 2.657 ZPO nach der zu schätzenden voraussichtlichen Inanspruchnahme des Klägers.4 Geschätzt wird auf der Grundlage der klägerischen Tatsachenbehauptungen.5 Nur völlig überhöhte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen bleiben außer Betracht.6 Weil Freistellungsanträge wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beziffert gestellt werden müssen,7 ist aber jeweils analog §§ 133, 157 BGB auszulegen, ob nicht in Wahrheit ein Feststellungsantrag gestellt worden ist. Beantragt der Kläger, der Beklagte möge ihn von Forderungen freistellen, die er dem Beklagten schuldet, liegt in Wahrheit eine negative Feststellungsklage vor.8 Die Bewertungsgrundsätze für den Leistungsantrag auf Freistellung gelten nach § 3 ZPO auch bei ei- 2.658 nem Feststellungsbegehren des Klägers, der Beklagte habe ihn vom Anspruch eines Dritten freizustellen. Davon ist dann ein Feststellungsabschlag zu machen, weil das Feststellungsurteil nicht vollstreckbar ist.9 Der Abschlag beträgt grundsätzlich 20 % gegenüber der Leistungsklage.10 Hat der Dritte, dessen Ansprüche der Kläger auf den Beklagten abwälzen will, seine Regressforderung beziffert, beeinflusst das den Streitwert nur, wenn der Kläger diese Bezifferung übernimmt oder konkrete Wertangaben daraus herleitet.11

1 RG v. 14.10.1905 – V Zs., Recht 1906 Nr. 1955; KG, Beschl. v. 10.8.1967 – 1 W 1156/67, JurBüro 1968, 466; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 48. 2 KG, Beschl. v. 10.8.1967 – 1 W 1156/67, JurBüro 1968, 466; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57 (nur wenn keine Umstände vorliegen, wegen derer das Interesse geringer ist). 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.2000 – 24 W 53/00, MDR 2001, 113; BGH, Beschl. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770. 4 KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97, MDR 1998, 1310. 5 BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. 6 BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. 7 BGH, Urt. v. 22.3.2010 – II ZR 66/08, MDR 2010, 820; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.11.2013 – 14 U 40/13. 8 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17. 9 BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.1983 – 17 W 47/82; JurBüro 1983, 1561; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, MDR 1998, 1310. 10 BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. 11 OLG Köln, v. 8.5.1978 – 2 U 48/78, JurBüro 1978, 1062; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 48.

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2. Teil

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Befriedigung, abgesonderte

ZPO

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.660 Die Beschwer des zur Freistellung verurteilten Beklagten wird auf der Grundlage der klägerischen Tatsachenbehauptungen geschätzt.1 Nur völlig überhöhte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen bleiben außer Betracht.2

2.661 Die Beschwer bei einer Verurteilung zur Zahlung statt zur Freistellung kann pauschal mit 1/10 der Forderung bewertet werden.3

Befriedigung, abgesonderte 2.662 Siehe das Stichwort „Abgesonderte Befriedigung“, Rz. 2.25 ff.

Behandlungsunterlagen, Einsicht und Herausgabe Literatur: Riemer, Zur Frage der Bemessung des Streitwertes bei einer Klage auf Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen, AGS 2010, 503 ff.

2.663 Der Streitwert einer auf Einsicht in ärztliche Behandlungsunterlagen oder gem. § 630g BGB deren Herausgabe gerichteten Klage ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Das gilt auch für den Gebührenstreitwert (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG).

2.664 Maßgebend ist das Interesse des Klägers, insbesondere in welchem Maß die Durchsetzbarkeit des Anspruchs von der Vorlage der Unterlagen abhängig ist. Das wiederum bemisst sich nach einem Bruchteil des vom Kläger erwarteten bzw. angegebenen Schadensersatzanspruchs.

2.665 Eine feste Regel zur Bewertung von Klagen auf Einsicht in die Unterlagen oder Herausgabe von Kopien ärztlicher Behandlungsunterlagen gibt es nicht. Welcher Bruchteil des zu erwartenden Hauptsacheanspruchs angemessen ist, hängt von der Bedeutung der Dokumentation für die Prozessführung im Hauptsacherechtsstreit ab.4 Fehlen im Einzelfall besondere Umstände, dann finden sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Bruchteilsbewertung: – 10 % der Hauptforderung;5 – 20 % der Hauptforderung;6 – zwischen 10 und 25 % der Hauptforderung.7

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.5.2011 – 13 U 63/11, MDR 2011, 1258. OLG München, Beschl. v. 13.4.2007 – 1 W 1328/07. OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2009 – 5 W 32/09, AGS 2010, 100; OLG Köln, Beschl. v. 13.8.2010 – 5 W 27/10, AGS 2010, 502; OLG München, Beschl. v. 13.4.2007 – 1 W 1328/07. 6 KG, Beschl. v. 12.4.2018 – 20 W 14/18, JurBüro 2019, 95; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.11.1998 – 3 O 240/98, NJW 1999, 873; OLG München, Beschl. v. 21.6.2011 – 1 W 1039/11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2010 – 5 W 620/10, MDR 2010, 1418. 7 Für diesen Rahmen OLG Saarbrücken, Beschl. v. 8.1.2007 – 1 W 301/06, MedR 2008, 164; OLG München, Beschl. v. 2.3.2012 – 1 W 357/12, MDR 2012, 869 = AGS 2013, 339; OLG München, Beschl. v.

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2. Teil

Im Falle eines Rechtsmittels des die Auskunft verlangenden Klägers gilt der Wert auch für die Beschwer. Legt dagegen der zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen Verurteilte Rechtsmittel ein, dürfte nur auf den Aufwand der Auskunftserteilung abzustellen sein. Siehe dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff.

2.666

ZPO

Belästigung

Beiordnung eines Notanwalts 2.667

Siehe das Stichwort „Notanwalt“, Rz. 2.3750 ff.

Belästigung A. Einleitung Der Begriff Belästigung bezeichnet das nachhaltige Einwirken einer oder mehrerer Personen auf eine andere Person (Opfer), wobei entscheidend ist, dass das jeweilige Verhalten vom Opfer als beeinträchtigend oder schädigend wahrgenommen wird. Die Belästigung unterscheidet sich von der unerwünschten Werbung dahingehend, dass der Inhalt der Kontaktaufnahme nicht von Geschäftsinteressen geprägt, sondern rein privat ist.

2.668

Die möglichen Begehungsformen der Belästigung sind äußerst vielfältig. Eine Belästigung kann durch 2.669 persönliche Kontaktaufnahme, telefonisch, durch E-Mail oder SMS oder auch durch Briefe erfolgen. Sie kann gegenüber dem Opfer selbst oder auch gegenüber Dritten (z.B. in Form der üblen Nachrede) stattfinden. Besondere Ausprägungen der Belästigung sind das – zumeist im arbeitsrechtlichen Bereich angesiedelte – sog. Mobbing sowie das sog. Stalking (Nachstellen). Neben der zivilrechtlichen Seite einer Belästigung, die in Form von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen des Opfers zum Ausdruck kommt, gibt es auch eine strafrechtliche Seite, soweit die Belästigung z.B. den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB), Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder Nachstellung (§ 238 StGB) erfüllt. Dies rechtfertigt keine Absenkung des Streitwertes gegenüber anderweitigen Unterlassungsbegehren,1 denn das für die Wertbestimmung maßgebliche klägerische Interesse an der Beachtung seiner Rechtsgüter wird durch individualschützende Strafnormen nicht berührt.

2.670

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Die zivilrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, die aus einer Belästigung resultieren, 2.671 stellen im Regelfall nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten dar, deren Gebührenstreitwert sich nach § 48 Abs. 2 GKG bestimmt. Danach ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 t nicht übersteigen. In Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG kann sowohl für den Gerichtsgebührenstreitwert als auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren von einem Betrag von 5.000 t ausgegangen werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls ist dieser Betrag dann zu reduzieren bzw. zu erhöhen. Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach freiem 6.6.2011 – 1 W 953/11: abhängig von Bedeutung der Unterlagen für die Durchsetzbarkeit des Hauptanspruchs. 1 So aber OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.6.2013 – 5 W 56/13, MDR 2013, 1244.

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2. Teil

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Belästigung

Ermessen zu schätzen. Ausnahmsweise ist der Streitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO als vermögensrechtliche Streitigkeit zu schätzen, wenn mit dem Unterlassungsanspruch ein wirtschaftliches Interesse verfolgt wird. In Betracht kommen hier insbesondere Fälle von Kreditgefährdung, Verleumdung gegenüber Geschäftspartnern oder dem Arbeitgeber bzw. Belästigungen, die mit unmittelbaren finanziellen Nachteilen verbunden sind.

2.672 Soweit aufgrund der konkreten Belästigung Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) getroffen werden, handelt es sich um den Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hinsichtlich der Wertfestsetzung in diesen Fällen wird daher auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Gewaltschutzsachen“, Rz. 3.1169 ff. verwiesen. Für den Gebührenstreitwert kann offenbleiben, ob, wenn neben dem Erlass von Maßnahmen nach dem GewSchG auch Unterlassung gem. §§ 823, 1004 BGB beansprucht wird, verschiedene Streitgegenstände vorliegen.1 Jedenfalls wären diese (Klage)Anträge – wirtschaftlich betrachtet – identisch und damit der, weil unbefristet, weitergehende Unterlassungsanspruch wertbestimmend.

2.673 Nach Ansicht des OLG Köln übersteigt der Wert einer Unterlassungsverfügung gegen trennungsbedingtes Verfolgungsverhalten (Zusendung von E-Mails und SMS, belästigende Anrufe, Geltendmachung unberechtigter Ansprüche) in der Regel nicht die Grenze von 5.000 t, so dass das AG für die Entscheidung des Streits zuständig ist.2

2.674 Das LG Rostock hat den Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen das ständige Nachstellen durch den ehemaligen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch wiederholte Briefe, Geschenke, SMS und Gespräche, wiederholten Aufenthalt in der Nähe und wiederholte Beobachtungen auf 1.000 t festgesetzt.3

2.675 Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, er fühle sich durch ständige Anfeindungen in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich benachteiligt, gemobbt und sei deswegen arbeitsunfähig erkrankt, ist eine wesentliche Beeinträchtigung sowohl immaterieller Rechtsgüter als auch materieller Rechtsgüter benannt und sind von den behaupteten Störungen auch erhebliche Auswirkungen auf eine eventuelle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen, so ist der Gegenstandswert auf den Regelwert des § 23 Abs. 3 RVG (5.000 t) festzusetzen.4

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.676 Bei der Unterlassung der Zusendung von E-Mails im gewerblichen und privaten Bereich bestimmt sich die Beschwer des Unterlassungsklägers nach dem Umfang der abzuwehrenden Beeinträchtigung ohne Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte.5 Die Beschwer des Unterlassungsschuldners bemisst sich nach den Nachteilen, die mit der Beachtung des Unterlassungsgebots verbunden sind, d.h. bei gewerblichem Handeln die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit,6 bei privatem Handeln dagegen in der Regel der Aufwand zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen.7

1 So OLG Hamburg, Beschl. v. 25.10.2019 – 2 UF 121/19, MDR 2020, 160; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 24.8.2011 – 17 UF 3/11, FamRZ 2012, 456; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.5.2010 – 5 UF 26/10, FamRZ 2010, 1812. 2 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, NJW-RR 2002, 1723 – der Senat hat auch für die einstweilige Verfügung den Wert der Hauptsache angenommen. 3 LG Rostock – 2 T 377/07, 2 T 279/07, n.v. 4 LAG Mainz, Beschl. v. 9.10.2006 – 4 Ta 190/06, AGS 2007, 427. 5 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04; OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 6 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11, MDR 2013, 1478 = GRUR 2013, 1271. 7 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13 – Löschungsaufwand mit 50 t bewertet.

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Beratungshilfe

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2. Teil

2.677

Siehe das Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293 ff.

Beleidigung 2.678

Siehe das Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“, Rz. 2.994 ff.

Beratungshilfe A. Beratungshilfevergütung Die Anwaltsgebühren in Beratungshilfesachen sind streitwertunabhängig. In den Nrn. 2500 VV RVG ff. sind ausschließlich Festbeträge vorgesehen. Die Frage eines Gegenstandswerts stellt sich daher nicht.

2.679

B. Bewilligungsverfahren I. Gerichtskosten Das Verfahren auf Bewilligung von Beratungshilfe – einschließlich des Erinnerungsverfahrens – ist kostenfrei. Gleiches gilt für ein Aufhebungsverfahren nach § 6a oder 8a BerHG – einschließlich der Beschwerde.

2.680

II. Anwaltsvergütung Wird der Anwalt damit beauftragt, einen Beratungshilfeantrag zu stellen, insbesondere im Falle des § 6 Abs. 2 BerHG, ist die Tätigkeit durch die Beratungshilfegebühren mitabgegolten, wenn Beratungshilfe bewilligt wird. Fragen des Gegenstandswerts stellen sich dann nicht.

2.681

Wird Beratungshilfe nicht bewilligt, steht dem Anwalt grundsätzlich für den Beratungshilfeantrag eine Vergütung zu. Darauf wird er allerdings zuvor hinweisen müssen, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. Für den Antrag entsteht dann eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Interesse, also nach den Gebühren, die die Landeskasse im Falle der Bewilligung hätte zahlen müssen. Dabei wird es sich angesichts der geringen Beratungshilfegebühren wohl stets um die unterste Streitwertstufe handeln. Es darf nicht auf die gesetzlichen Gebühren abgestellt werden, die der Rechtsuchende als Wahlanwaltsvergütung für die beabsichtigte Rechtssache würde zahlen müssen, denn ob ein Wahlanwaltsauftrag erteilt wird, steht zu diesem Zeitpunkt gar nicht fest. Die Wertvorschrift des § 23a RVG ist nicht anwendbar und mit der hier gegebenen Interessenlage nicht vergleichbar.

2.682

Legt der Anwalt gegen die Ablehnung der Beratungshilfe Erinnerung ein (§ 7 BerHG), löst dies gegenüber dem Bewilligungsverfahren keine gesonderte Anwaltsvergütung aus, so dass sich auch hier die Frage nach dem Gegenstandswert nicht stellt. Ist der Anwalt nur mit der Erinnerung beauftragt, entsteht eine Vergütung nach Nr. 3500 VV RVG. Die Wertvorschrift des § 23a RVG ist allerdings auch hier

2.683

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Belastung

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2. Teil

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Bereicherungsansprüche

nicht anwendbar. Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG und dürfte sich auf das Kosteninteresse belaufen, also auf die von der Staatskasse voraussichtlich zu übernehmenden Kosten.

C. Aufhebungsverfahren 2.684 Soll die Bewilligung der Beratungshilfe aufgehoben werden (§ 6a BerHG), dürfte für den Anwalt, der einen Rechtsuchenden in diesem Verfahren vertritt (Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG), von dem Wert der Vergütung auszugehen sein, den der Rechtsuchende bei Aufhebung der Bewilligung an seinen Anwalt als Wahlanwaltsvergütung oder als für diesen Fall vereinbarte Vergütung würde zahlen müssen.

2.685 Auch ein Verfahren über die Erinnerung gegen die Aufhebung (§ 7 BerHG) kann eine gesonderte Anwaltsvergütung auslösen, wenn der Anwalt nur im Erinnerungsverfahren beauftragt ist (Nr. 3500 VV RVG). Die Wertvorschrift des § 23a RVG ist allerdings auch hier nicht anwendbar. Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG und dürfte sich wiederum nach der Vergütung bemessen, die der Rechtsuchende bei Aufhebung der Bewilligung an seinen Anwalt als Wahlanwaltsvergütung oder als für diesen Fall vereinbarte Vergütung würde zahlen müssen.

Bereicherungsansprüche 2.686 Wird eine Klage auf Bereicherungsrecht gestützt, richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert nach dem konkreten Begehren. Der Gebührenstreitwert ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG regelmäßig identisch. Gegenstand einer bereicherungsrechtlichen Klage können Ansprüche auf Rückzahlung des Erlangten, Einräumung einer Mitberechtigung,1 Wiedereinräumung des Besitzes, Befreiung von einer Verbindlichkeit2 oder von der persönlichen Haftung,3 Wiedereinräumung einer Rangstelle im Grundbuch, Verzicht auf ein Recht usw. sein.

2.687 Bei Klagen auf Zahlung oder Abtretung4 bestimmt gem. § 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der verlangte Betrag bzw. der Wert der abzutretenden Forderung den Streitwert.5 Geht der Bereicherungsanspruch auf Herausgabe einer Sache, ist gem. § 6 Satz 1 ZPO deren Verkehrswert maßgebend.6

2.688 Zinsen und Nutzungen erhöhen als Nebenforderungen den Streitwert wegen § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht. Sie sind aber ein streitwerterhöhender Teil der Hauptforderung, wenn sie Gegenstand eines einheitlichen bereicherungsrechtlichen Gesamtanspruchs sind. Das ist der Fall beim Anspruch auf Herausgabe eines Betrages, der zur Bezahlung einer Nichtschuld nebst Zinsen aufgewandt wurde oder beim Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung einer aus hinterlegtem Betrag und aufgelaufenen Zinsen bestehenden Hinterlegungsmasse.7

2.689 Nutzungsersatzansprüche bei der Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. sind deswegen ebenfalls streitwerterhöhende Teile der Hauptforderung.8 1 OLG Hamburg, Urt. v. 23.4.1959 – 6 U 35/59, MDR 1959, 753. 2 BGH, Urt. v. 15.5.1990 – VI ZR 162/89, WM 1990, 1324; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97, MDR 1998, 1310; OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, AGS 2003, 214 m. Anm. N. Schneider. 3 RG, Urt. v. 20.5.1927 – VI 518/26, JW 1927, 1931. 4 BGH, Urt. v. 15.3.1990 – III ZR 248/88, WM 1990, 799. 5 Meyer, GKG/FamGKG, § 3 ZPO Rz. 11. 6 RG, v. 29.9.1897 – V 141/97, JW 1897, 541; OLG Breslau, Beschl. v. 10.2.1917 – 3. ZS., OLGE 35, 24. 7 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015; RG, Urt. v. 5.10.1909 – VII 567/08, JW 1909, 691; Meyer, GKG/FamGKG, § 43 GKG Rz. 7. 8 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251.

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Schneider und Seggewiße

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Berufsunfähigkeitsversicherung

2. Teil

ZPO

§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO dient nach dem Willen des Gesetzgebers einer einfachen und klaren Wertermittlung, weil von dem Wert die sachliche Zuständigkeit der Gerichte und die Zulässigkeit von Rechtsmitteln abhängt.1 Der Zweck würde verfehlt, wollte man in der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Einzelnen ermitteln, in welcher Höhe der Nutzungsersatz vom Anspruch auf Rückzahlung der Prämien abhängt, der mit dem Bereicherungsanspruch der Versicherung wegen des faktisch genossenen Versicherungsschutzes und einem typischerweise bereits ausgezahlten Rückkaufwert zu saldieren ist.2 Diese Argumente gelten auch bei der kostenrechtlichen Beurteilung nach § 43 GKG.3 § 43 GKG stimmt nach dem Willen des Gesetzgebers mit § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO sachlich überein und soll ebenfalls zeitraubende Berechnungen ersparen.4

Berichtigung 2.690

Siehe das Stichwort „Grundbuchberichtigung“, Rz. 2.1954 ff.

Berufsunfähigkeitsversicherung A. Allgemeines Berufsunfähigkeitsversicherungen nach §§ 172 ff. VVG sollen die wirtschaftliche und soziale Exis- 2.691 tenzgrundlage des Versicherungsnehmers erhalten, wenn dessen Einkommen wegfällt, weil er seinen Beruf wegen Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall dauerhaft nicht mehr ausüben kann.5 Gewöhnlich pflegt man eine monatliche Rente und eine Befreiung von der Beitragspflicht bei Berufsunfähigkeit zu vereinbaren. Berufsunfähigkeitsversicherungen kommen rechtspraktisch als separate Verträge und als Zusatzversicherungen in Lebens- und Rentenversicherungsverträgen vor.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Bei Streitigkeiten aus oder um Berufsunfähigkeitsversicherungen hängt die Bemessung des Streit- 2.692 werts vom konkreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

1 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 2 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2019 – 8 W 868/19, NJW-RR 2019, 803; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2019 – 12 W 1/19, VersR 2019, 774 unter ausdrücklicher Aufgabe der gegenteiligen Ansicht aus OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.7.2017 – 12 U 75/17, MDR 2017, 1053; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 U 275/18, NJW-RR 2019, 807. 4 BT-Drucks. 7/2016, 73; BT-Drucks. 15/1971, 155. 5 Wermeckes/Seggewiße, VersR 2019, 271, 272 m.w.N.

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2. Teil

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Berufsunfähigkeitsversicherung

ZPO

I. Leistungsklagen 1. Versicherungsprämien

2.693 Verlangt der Versicherer Beitragszahlung, ist der verlangte Betrag maßgebend. Fordert er künftige Beiträge ein, begrenzt § 9 ZPO den Streitwert auf die Summe der Prämien der nächsten dreieinhalb Jahre. Fällige und zukünftige Beiträge rechnet man zusammen (§ 5 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG). 2. Versicherungsleistungen

2.694 Klagt der Versicherungsnehmer künftige Berufsunfähigkeitsrenten ein, handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die nach § 9 ZPO zu bewerten sind.1 Ist die Zahlung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente und die vertraglich vereinbarte Freistellung von der Prämienzahlungspflicht streitgegenständlich, ergibt sich der Streitwert gem. § 9 ZPO aus der Summe des dreieinhalbjährigen Werts der Rente und des dreieinhalbjährigen Werts der Prämie, von der der Versicherungsnehmer freigestellt werden soll.2

2.695 Fällige Leistungen sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Werden sowohl fällige als auch künftige Beträge geltend gemacht, rechnet man gem. § 5 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG die bis zur Anhängigkeit der Klage angefallenen fälligen Leistungen den künftigen Leistungen hinzu.3

II. Feststellungsklagen 1. Versicherungsleistungen

2.696 Wird nur die Feststellung der Leistungspflicht eingeklagt, ist zunächst wie bei der Leistungsklage zu bewerten und der Wert dann um einen Feststellungsabschlag von 20 % zu kürzen.4 2. Fortbestand des Versicherungsvertrags

2.697 Soll der (Fort-)Bestand des Vertrages klageweise festgestellt werden, hängt der Streitwert davon ab, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht.

2.698 Ist der Versicherungsfall noch nicht eingetreten, ist der Streitwert mit 20 % des für eine Klage auf Leistung aus der Versicherung maßgeblichen Werts zu bemessen.5 Der verhältnismäßig hohe Abschlag ist gerechtfertigt, weil der Kläger selbst nicht vorträgt, die Versicherungsleistung in absehbarer Zeit in Anspruch nehmen zu müssen, was sein Fortbestandsinteresse mindert.

2.699 Wenn der Kläger behauptet, der Versicherungsfall sei eingetreten, dies aber ungeklärt ist, setzt man den Wert mit 50 % des für eine Klage auf Leistung aus dieser Versicherung maßgeblichen Wertes an.6

1 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2016 – 20 U 216/15, NJW-RR 2017, 154. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.4.2019 – 11 U 137/17. 4 OLG Köln, Beschl. v. 21.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378; LG Kleve, Urt. v. 14.6.2018 – 6 O 90/14, VersR 2019, 279. 5 BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; OLG Celle, Beschl. v. 3.1.2007 – 8 U 123/06, VersR 2008, 1515. 6 BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, VersR 2005, 959; BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – IV ZR 9/94.

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Berufungsrücknahme

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2. Teil

ZPO

Ist der Eintritt des Versicherungsfalles unstreitig, ist der Wert mit 80 % des Leistungsantrages zu bemessen.1 3. Vertragsanpassung Wehrt sich der Versicherungsnehmer gegen eine Vertragsanpassung des Versicherers nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG, hat diese Feststellungsklage die Hälfte des Streitwerts, den eine Klage auf Fortbestand des Vertrages hätte.2

2.700

III. Klagehäufung Wenn eine Klage auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen mit einer Klage auf Feststellung kombiniert wird, der Vertrag bestehe fort, sind die Anträge wirtschaftlich teilidentisch. Ihre Werte summiert man deswegen nur eingeschränkt, so dass der Feststellungsantrag den Streitwert um 20 % des 3 1/2fachen Jahresbetrages von Berufsunfähigkeitsrente und Versicherungsprämie erhöht.3 Das gilt entsprechend beim Mehrwert eines Vergleichs, wenn sich die Parteien in einem Rechtsstreit auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente auch über die Beendigung des Versicherungsvertrags einigen.4

2.701

Berufung 2.702

Siehe das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

Berufungsrücknahme A. Einleitung Nach Rücknahme der Berufung ergeht von Amts wegen ein Beschluss, in dem der Berufungsführer des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt wird und ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt werden (§ 516 Abs. 3 ZPO). Die Parteien können den eigenen Kostenerstattungsanspruch außergerichtlich ausschließen.5

2.703

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Gerichtsgebühren fallen für den Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO nicht an. Die Frage, welcher Gegenstandswert für die Verlustigerklärung im Hinblick auf die Anwaltsgebühren festzusetzen ist, ist umstritten. Der praktische Anwendungsbereich dieser Streitwertbestimmung ist allerdings gering:

1 2 3 4

OLG Bamberg, Beschl. v. 6.5.2008 – 1 W 14/08, VersR 2009, 701. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.4.2014 – 7 U 253/13, MDR 2014, 721. BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474. OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.8.2014 – 8 W 1409/14, AGS 2015, 79; OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2012 – 20 W 13/12, VersR 2013, 920; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2015 – 20 W 75/14. 5 BGH, Beschl. v. 11.10.2006 – XII ZR 285/02, MDR 2007, 558 = NJW 2007, 1213; OLG Rostock, Beschl. v. 30.8.2007 – 6 U 1/06, MDR 2007, 1398; LG Karlsruhe, Beschl. v. 5.7.2013 – 9 T 146/11, NJW-RR 2013, 1343.

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2. Teil

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Berufungsrücknahme

Ist der Anwalt Prozessbevollmächtigter des vorhergehenden Rechtszugs, so erhält er für die Tätigkeit im Rahmen des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO keine eigene Gebühr neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, weil diese noch zum Rechtszug gehört (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG).1 Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren, in welchem der Anwalt bereits vor Rücknahme der Berufung tätig war, berechnet sich nach dem Wert des Berufungsverfahrens in der Hauptsache (vgl. § 47 GKG). Für den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens ist die Tätigkeit ebenfalls mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) bzw. – wenn die Rücknahme im Termin erklärt wird – mit der Terminsgebühr (Nr. 3202 VV RVG) abgegolten. Es verbleibt damit nur der Anwalt, für den die Entgegennahme der Rücknahmeerklärung und des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO eine Einzeltätigkeit darstellt. Für diesen muss zur Berechnung der verdienten Gebühren ein eigenständiger Wert für den Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO festgesetzt werden.

2.705 Nach einer Ansicht2 ist der Wert des Hauptsacheverfahrens für den Gegenstandswert maßgeblich. Nach anderer Ansicht3 richtet sich der Streitwert nach dem Betrag derjenigen Kosten, die bis zur Rücknahme des Rechtsmittels angefallen sind. Darüber hinaus sei ggf. für die Verlustigerklärung ein eigener, nach § 3 ZPO zu schätzender Wert zu addieren.4

2.706 Beispiel: Der in erster Instanz unterlegene Kläger verlangt mit der Berufung weiterhin die Zahlung von 15.000 t. Nach Hinweis des Senats auf die mangelnden Erfolgsaussichten nimmt er die Berufung zurück. Es ergeht ein Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO. Nach der ersten Meinung gilt für diesen Beschluss ein Gegenstandswert von 15.000 t (Hauptsachewert). Nach der zweiten Meinung sind für den Gegenstandswert die bislang angefallenen Kosten (Gerichtsgebühren sowie Anwaltsgebühren für zwei Parteien) zu berechnen.

2.707 Da sowohl die Verlustigerklärung als auch die Kostentragungspflicht des Berufungsführers von Amts wegen in demselben Beschluss ausgesprochen werden, kommt nur ein gemeinsamer Gegenstandswert in Betracht. Richtigerweise muss für die Berechnung dieses Wertes nach dem Zeitpunkt der Berufungsrücknahme differenziert werden: – Ist – was in der Praxis allerdings selten sein dürfte – die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen, kann dem Beschluss über Verlustigerklärung und Kosten nur der Wert der bisher entstandenen Kosten beigemessen werden. Denn die Verlustigerklärung hat für den Berufungsbeklagten in diesem Fall kein zusätzlich messbares Interesse, da sie sich nur auf das konkrete Rechtsmittel bezieht und eine erneute Berufung innerhalb der laufenden Frist eingelegt werden kann.5 – Ist jedoch die Berufungsfrist im Zeitpunkt der Rücknahme bereits abgelaufen, so bedeutet die Verlustigerklärung, dass der Berufungsbeklagte vor einem erneuten Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil geschützt und der Rechtsstreit abgeschlossen ist. Insofern ist es hier gerechtfertigt, den Wert des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den vollen Wert des Berufungsverfahrens zu schätzen.

2.708 Ähnliche Bewertungsprobleme können auch bei der Klagerücknahme auftreten.6 1 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2003 – 8 W 152/03, MDR 2003, 1261. 2 RGZ 155, 382; OLG München, Beschl. v. 27.2.2004 – 19 U 1540/04, MDR 2004, 966; OLG Rostock, Beschl. v. 30.8.2007 – 6 U 1/06, MDR 2007, 1398 (hier ging es allerdings in der Sache um den Wert des Berufungsverfahrens und nicht um einen isolierten Wert für das Verfahren nach Berufungsrücknahme); Zöller/Heßler, § 516 ZPO Rz. 27. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.1954 – V ZR 8/53, BGHZ 15, 394; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.1.1981 – 10 W 53/80; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.12.1982 – 14 W 651/82, MDR 1983, 414; OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1995 – 13 UF 375/95, JurBüro 1996, 307. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.1954 – V ZR 8/53, BGHZ 15, 394; Herget, Anm. zu KostRsp. BRAGO § 31 Ziff. 1 Nr. 81; Schneider, JurBüro 1970, 899 f.; vgl. auch das Stichwort „Klagerücknahme“, Rz. 2.2563 ff. 5 BGH, Beschl. v. 1.4.1958 – VIII ZR 191/57, BGHZ 27, 60; BGH, Urt. v. 9.12.1993 – IX ZR 64/93, MDR 1994, 1038 = NJW 1994, 737. 6 Vgl. das Stichwort „Klagerücknahme“, Rz. 2.563 ff.

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Beseitigung

S. 277 von 1232 Druckdaten

2. Teil

2.709

Siehe das Stichwort „Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB)“, Rz. 2.915 ff.

Beschränkte Haftung 2.710

Siehe das Stichwort „Haftungsbeschränkung“, Rz. 2.2075 ff.

Beschwerde 2.711

Siehe das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

Beseitigung Literatur: N. Schneider, JurBüro 2002, 532 (Beseitigung von Parabolantennen); Gerold, JurBüro 1959, 364 (Beseitigung eines auf einem zu räumenden Pachtgrundstück errichteten Bauwerks); Schmidt, JurBüro 1961, 379 (Beseitigung von Bauschutt).

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Gemäß § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG ist der Wert des Beseitigungsverlangens nach freiem Ermessen zu 2.712 schätzen. Wertbestimmend ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung, d.h. an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes.1 Dabei sind insbesondere die wirtschaftlichen Nachteile zu berücksichtigen, die dem Kläger durch den unrechtmäßigen Zustand erwachsen.2 Bei der Störung von Grundeigentum ist der Wertverlust maßgebend, den die Sache durch die Störung erleidet.3 Das Interesse an der Beseitigung ist – soweit mit der Störung keine Substanzbeeinträchtigung einhergeht – wertmäßig nicht identisch mit dem zur Wiederherstellung erforderlichen Aufwand. Der Beseitigungsaufwand ist als lediglich mittelbare wirtschaftliche Folge des Urteils auch nicht neben dem Wiederherstellungsinteresse zu berücksichtigen.4 Ebenfalls ohne Bedeutung ist – an dieser Stelle – das

1 BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZR 19/12, Grundeigentum 2012, 1314; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374; OLG Hamm, Beschl. v. 16.10.2015 – 32 SA 49715. 2 KG, JurBüro 1956, 348: Entfernung von Reklameanlage auf Hausdach; OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1998 – 7 U 349/97, OLGR 1999, 114. 3 BGH, Beschl. v. 24.9.2015 – V ZB 56/15, Grundeigentum 2015, 1593 – Stromkabel; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 – Parabolantenne; OLG Hamm, Beschl. v. 16.10.2015 – 32 SA 49715 – Zaunanlage. 4 BGH, Beschl. v. 24.9.2015 – V ZB 56/15, Grundeigentum 2015, 1593; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374; München, Beschl. v. 8.8.2016 – 34 AR 92/16, NZM 2017, 93; a.A. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 160L.

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Beschränkt persönliche Dienstbarkeit

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2. Teil

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Beseitigung

ZPO

Abwehrinteresse des Beklagten.1 Wird neben Beseitigung zugleich auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen geklagt, dann sind die Einzelwerte zusammenzurechnen.2

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.713 Der Beschwerdewert einer Beseitigungsklage bestimmt sich nach § 3 ZPO3 und ist für den Kläger und den Beklagten in der Regel unterschiedlich zu bemessen.

2.714 Während die (formelle) Beschwer des vollständig unterliegenden Klägers dem Gebührenstreitwert entspricht, kann die (materielle) Beschwer des unterliegenden Beklagten diesen Betrag übersteigen.4 Denn die Beschwer des Beklagten bestimmt sich nach dessen Interesse, nicht mit dem mit der Beseitigung verbundenen Aufwand belastet zu werden. Dieser entspricht daher regelmäßig den zur (Wieder)Herstellung des nach dem Urteil geschuldeten Zustandes erforderlichen Beseitigungskosten,5 die auf der Grundlage der Kosten einer Ersatzvornahme geschätzt werden können.6 Im Einzelfall kann ein darüber hinausgehendes Interesse am Erhalt des angegriffenen Zustandes zu berücksichtigen sein.7 Hierfür bedarf es der konkreten Darlegung, dass die mit der Beseitigung verbundenen Nutzungs- oder sonstigen Einbußen von dem Beklagten nicht anderweitig (in gleichartiger Weise) kompensiert werden können. Beispielsweise, dass eine unter Verletzung nachbarrechtlicher Abstandsvorschriften gepflanzte Hecke unter Beachtung des gebotenen Abstandes umgepflanzt, während eine zu beseitigende Garage aufgrund einer geringen Grundstücksgröße an keiner anderen Stelle des Grundstücks errichtet werden kann. Etwaige mit der Wiedererrichtung an anderer Stelle verbundene Kosten bleiben als lediglich mittelbare wirtschaftliche Folge der Verurteilung bei der Bewertung außer Betracht.8

2.715 Zur Beschwer bei der Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung s. auch die Stichwörter „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff., „Nachbarrechtliche Ansprüche“, Rz. 2.3510 ff. und „Rechtsmittel“, Rz. 2.4209.

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 2.716 Für die Bewertung einer auf Beseitigung kredithinderlicher Eintragungen („Schufa-Eintragungen“) gerichteten Klage ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung, d.h. in der Regel das Ausmaß etwaiger durch sie drohende Kreditnachteile maßgeblich. Negative Eintragungen können insbesondere zur Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines potentiellen Kreditnehmers führen und erhebliche Kredit-

1 OLG München, Beschl. v. 8.8.2016 – 34 AR 92/16, NZM 2017, 93; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534. 2 BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZR 19/12, Grundeigentum 2012, 1314. 3 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374. 4 Ausführlich BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374; BGH, Beschl. v. 26.6.1997 – IX ZR 59/97, WM 1997, 2049. 5 BGH, Beschl. v. 6.12.2012 – V ZR 44/12, Grundeigentum 2013, 347; BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – V ZR 110/08; BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431, NZM 2005, 677; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 92/02, MDR 2005, 1194; BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352. 6 BGH, Beschl. v. 15.1.2015 – V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – VII ZR 134/11, NJW-RR 2012, 1107; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, MDR 2009, 522, AGS 2009, 240 = NJW-RR 2009, 549. 7 BGH, Beschl. v. 2.7.2020 – V ZB 137/19, NJW-RR 2020, 1004; BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – V ZR 224/18, NZM 2019, 881 – jeweils auf die für den Bau aufgewandten Kosten abstellend; offenlassend noch BGH, Beschl. v. 15.1.2015 – V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337. 8 BGH, Beschl. v. 15.1.2015 – V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337.

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Beseitigung

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2. Teil

Der Streitwert einer auf Beseitigung von Internet-Inhalten gerichteten Klage richtet sich nach dem 2.717 Umfang der Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs bzw. der wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsstellers. Gegenstand des Beseitigungsverlangen können dabei Angaben auf einer Internetseite (z.B. auf Facebook, eBay etc.) oder die Anmeldung und Unterhaltung von Internetadressen (z.B. Tippfehlerdomains)2 sein. Soweit neben der Beseitigung die Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verlangt wird, ist der höherwertige Unterlassungsanspruch maßgebend. Eine Zusammenrechnung der Werte der Einzelansprüche findet nicht statt (vgl. im Einzelnen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2948 ff.). Wird Beseitigung von Leuchtreklame verlangt, dann ist nach OLG Saarbrücken3 auf die Höhe der monatlichen Nutzungsentschädigung abzustellen, die der Kläger durch die Vermietung der Reklamewand erzielen könnte, der 3,5-fachen Jahresmiete (§ 9 ZPO). Das Interesse des Vermieters an der Beseitigung einer an der Hauswand ohne seine Zustimmung angebrachten Metallverkleidung ist nach der optischen Beeinträchtigung der Hausfassade und etwaig drohender Gewährleistungsansprüchen der übrigen Mieter und Nachbarstreitigkeiten zu bewerten.4

2.718

Den Streitwert einer Klage auf Beseitigung eines (18 m langen) Jägerzaunes hat das AG Königstein5 mit 600 t bemessen.

2.719

Den Streitwert des Anspruchs auf Beseitigung einer Funkantenne hat das LG Hamburg mit (umgerechnet) 500 DM bewertet und dabei u.a. auf die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes abgestellt.6

2.720

Bei der Bewertung der Klage auf Beseitigung einer Parabolantenne werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansätze vertreten. Während ein Teil ausschließlich auf den mit der Beseitigung verbundenen Aufwand abstellt,7 berücksichtigen andere neben dem Beseitigungsaufwand das Interesse des Hauseigentümers (Vermieters) an der Erhaltung des optischen Gesamteindrucks des Hauses.8 Schließlich wird – entsprechend den vorstehenden Ausführungen – allein auf den Wert der Beeinträchtigung des Hauseigentümers (Vermieters) durch die mit der Anbringung einhergehende optische und/oder die Gebäudesubstanz verletzende Beeinträchtigung abgestellt.9 Dem letztgenannten Ansatz hat sich – für die gleichlaufende Beschwer des unterliegenden Klägers – nunmehr auch der

2.721

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls.): 10.000 t; OLG Düsseldorf, ZMR 2007, 108; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2005 – 15 U 196/04, NJW 2005, 2401. 2 LG Stuttgart, Urt. v. 27.1.2009 – 43 O 101/08 KfH, LG Stuttgart v. 27.1.2009 – 41 O 101/08, MMR 2009, 271: 10.000 t je Domain. 3 OLG Saarbrücken, JurBüro 1980, 280. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.2011 – 10 W 33/11, Grundeigentum 2011, 752. 5 AG Königstein, Urt. v. 12.11.2000 – 21 C 365/99, NZG 2001, 112. 6 LG Hamburg, Urt. v. 3.9.1990 – 311 T 74/90, WuM 1991, 359; ebenso AG Lörrach, Beschl. v. 20.9.2011 – 4 C 1292/11; zum Anspruch selbst s. auch OLG aktuell 1/92 Seite 2. 7 LG Berlin, Urt. v. 13.8.2001 – 62 S 99/01; LG Kiel, Beschl. v. 18.3.1994 – 1 S 319/93, WuM 1996, 632; LG München, Beschl. v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, – 20 S 16565/98, LG München v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, 20 S 16565/93, WuM 1993, 745; LG Wuppertal, Urt. v. 9.4.1997 – 8 S 11/97, WuM 1997, 324. 8 LG Frankfurt, Beschl. v. 8.5.2002 – 2-11 T 22/02, JurBüro 2002, 532 = WuM 2002, 378; Schmittmann, JurBüro 1995, 509; LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2000 – 9 T 40/99, AGS 2000, 135; AG Lörrach, Beschl v. 20.9.2011 – 4 C 1292/11. 9 LG Cottbus, Urt. v. 26.2.2014 – 5 S 59/13, WuM 2014, 197 (Plattenbau); LG Berlin, Beschl. v. 4.6.1993 – 64 T 75/93, Grundeigentum 1993, 805; LG Bonn, Beschl. v. 11.1.1993 – 6 S 416/92: 1200 DM m. Anm. Herget = WuM 1993, 468; N. Schneider, JurBüro 2002, 532.

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erschwernisse oder Nachteile bei der Anbahnung anderweitiger Dauerschuldverhältnisse (Miete) mit sich bringen.1

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2. Teil

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Beseitigung

BGH1 angeschlossen und dem Beseitigungsaufwand eine (mittelbare) Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass die mit der Wiederherstellung verbundenen Kosten einen Anhaltspunkt für die Wertminderung des Gebäudes darstellen. Demgegenüber bemisst sich die Beschwer des zur Beseitigung verurteilten Beklagten grundsätzlich nach den für die Beseitigung der Parabolantenne erforderlichen Aufwendungen. Im Einzelfall kann jedoch das Interesse des Mieters am Empfang zusätzlicher, insbesondere muttersprachlicher Fernsehprogramme werterhöhend berücksichtigt werden.2 Siehe auch das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3286 f.

2.722 Zum Streitwert einer Klage auf Räumung eines Grundstücks und Beseitigung darauf befindlicher beweglicher und unbeweglicher Sachen (im letztgenannten Fall liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor)3, s. ausführlich unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3128 ff. Wird dagegen vom Vermieter nicht Räumung und Herausgabe, sondern nur die Entfernung von Aufbauten verlangt, ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an deren Beseitigung zu bemessen.4

2.723 Zur Beseitigung eines Überbaus, hier ist für die Wertbestimmung grundsätzlich der Wertverlust maßgeblich, den das betroffene Grundstück durch den Überbau erleidet,5 s. das Stichwort „Überbau“, Rz. 2.4832. Zur Beseitigung von gegenwärtigen Besitzstörungen (§ 862 BGB) s. auch unter dem Stichwort „Besitz“, Rz. 2.757, 2.771.

2.724 Verlangt der Kläger aufgrund vertraglicher Beziehungen mit dem Beklagten die Beseitigung von Mängeln gegenständlicher Vertragsleistungen, z.B. der fehlerhaften Ausführung baulicher Leistungen (§ 635 BGB), bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an einer mangelfreien Leistung und damit der Minderwert der mangelhaften Leistung. Der Betrag entspricht in der Regel den Kosten der Mängelbeseitigung, da diese – zumindest bei neuwertigen Waren und Leistungen – im Falle der Veräußerung vom Verkehrswert der mangelfreien Sache abgezogen werden (s. auch unter den Stichwörtern „Werkvertrag“, Rz. 2.5824 ff. und „Kaufvertrag“, Rz. 2.2495 ff.).

2.725 Auch bei einer Klage des Mieters auf Beseitigung von Schäden der Mietsache oder – gleichbedeutend – auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes ist auf das Interesse des Mieters am begehrten Zustand der Sache abzustellen. Dieses Interesse ist nicht ohne weiteres identisch mit den vom Vermieter zur Beseitigung des Mangels aufzuwendenden Kosten.6 Insbesondere rechtfertigt § 538 Abs. 2 BGB es nicht, das Wiederherstellungsinteresse des Mieters mit dem entsprechenden Kostenaufwand des Vermieters wirtschaftlich gleichzustellen. § 538 BGB ist nur eine Privilegierung, bei der als vertretbare Handlung anzusehenden Mängelbeseitigung sofort auf Vorschuss bzw. Ersatzvornahmekosten zu klagen. Das ändert nichts an dem zugrunde liegenden Nutzungsinteresse, wie das Beispiel zeigt, dass eine fehlende Schraube (MB-Aufwand 50 t) einen Heizungsausfall (Minderung 100 %) verursacht.

2.726 Soweit eine Mietwohnung betroffen ist, greifen jedoch die Sperrbeträge des § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG ein. Der Streitwert darf nicht höher als eine Jahresmiete angesetzt werden, da es in sich widersprüchlich wäre, den Bestandsschutz an einer Wohnung geringer zu bewerten als den Anspruch auf Beseitigung von Mängeln und auf Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes.7 Insoweit ist auch der Ansatz abzulehnen, wonach das Mieterinteresse auf den Mietminderungsbetrag für 36 bzw. 42 Mo-

1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639. Offengelassen in BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639. Zutr. BGH, Beschl. v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, MDR 2012, 1117 (Beschwer). LG Cottbus, Beschl. v. 10.7.2013 – 5 S 10/13, AGS 2014, 382 (Fertigteilgarage). BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – V ZB 250/10, WuM 2011, 432. OLG Schleswig, Beschl. v. 18.7.1991 – 4 U 59/91, SchlHA 1991, 202; LG Hamburg, ZMR 1985, 1032 = JurBüro 1985, 1701. 7 OLG Schleswig, Beschl. v. 18.7.1991 – 4 U 59/91, SchlHA 1991, 202.

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Besichtigung

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2. Teil

Bei einer auf Beseitigung eines auf dem Grundstück des Klägers verlegten Energieversorgungskabels gerichteten Klage, ist das klägerische Interesse an dieser Beseitigung, hilfsweise an der Unterlassung der Benutzung des Kabels, wertbestimmend. Die Bewertung hat sich vorrangig auch an der Wertminderung des betroffenen Grundstücks zu orientieren. Diese kann entweder durch einen hälftigen Abschlag von dem Wert der betroffenen Teilfläche oder durch einen Abschlag vom Wert der Gesamtfläche zwischen 5–30 % bestimmt werden.2

2.727

Besichtigung Literatur: Lützenkirchen, Besichtigungsrechte des Vermieters von Wohn- und Gewerberaum, NJW 2007, 2152.

A. Allgemeines Zuweilen entsteht im Rahmen vertraglicher Nutzungs- oder Leistungsverhältnisse das Bedürfnis einer Vertragspartei, den Vertragsgegenstand zu besichtigen. Dem Wesen nach handelt es sich um einen auf Duldung gerichteten Anspruch, da den zur Ermöglichung der Besichtigung erforderlichen Leistungshandlungen, etwa der Gewährung des Zutritts, nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Besichtigung durch den Kläger selbst oder durch Dritte, etwa einen Sachverständigen, erfolgen soll.3

2.728

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Bei der auf Duldung einer Besichtigung gerichteten Klage bestimmen sich Zuständigkeits- und Ge- 2.729 bührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG. Dies gilt auch im Zusammenhang mit einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis, wenn beispielsweise der Vermieter vom Mieter verlangt, die Mietsache selbst oder über einen Dritten besichtigen zu können. Da es sich um einen Streit über die aus einem Nutzungsverhältnis erwachsenden Verpflichtungen handelt, ist § 41 GKG unmittelbar nicht anwendbar. Das in allen Fällen für den Streitwert maßgebliche klägerische Interesse ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung zu ermitteln.4

2.730

Geht es um eine Besichtigung durch Mietinteressenten, dient sie der Ermöglichung einer Weitervermietung, also dem Abschluss eines Mietvertrages. Hier ist eine Bruchteilsbewertung geboten, bezogen auf die für den Vertragsabschluss geltenden Bewertungsmaßstäbe (s. unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“, Rz. 2.5506). Insoweit kann das Vermietungsinteresse gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen des Jahresbetrages der Miete bemessen werden und entsprechend der Bewertung des Auskunfts-

2.731

1 LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1984 – LG Hamburg v. 11.5.1985 – 16 T 16/84, MDR 1985, 1032 = ZMR 1985, 1032 = JurBüro 1985, 1701; ZMR 1998, 294 = NZM 1998, 305; LG Berlin, ZMR 1999, 556. 2 BGH, Beschl. v. 24.9.2015 – V ZB 56/15, Grundeigentum 2015, 1593; BGH, Urt. v. 6.11.1998 – V ZR 48/98, ZfIR 1998, 749; OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1998 – 7 U 349/97, OLGR 1998, 114: 20%ige Minderung bei Wald- und Wiesengrundstücken. 3 BGH, Beschl. v. 9.7.2020 – I ZB 79/19, MDR 2020, 1276 betr. Einstweilige Verfügung zur Durchsetzung einer Besichtigung durch den Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren. 4 Zutreffend AG Coesfeld, Urt. v. 15.10.2013 – 4 C 210/13, WuM 2014, 165.

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ZPO

nate zu schätzen sei.1 Dafür findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Siehe auch unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3088 f.

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2. Teil

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Besichtigung

anspruchs – je nach Dringlichkeit und Bedeutung – ein Bruchteil zwischen 1/10 und 1/5 angesetzt werden. Denn die Besichtigung dient nur der Vorbereitung weiter gehender Ansprüche bzw. Rechtsänderungen, indem sie Auskunft über den Zustand der Mietsache gibt.1

2.732 Ähnlich liegt es, wenn es um eine Besichtigung durch Kaufinteressenten und damit um das Verwertungsinteresse des Vermieters geht. Für den Streitwert ist daher auf einen Bruchteil des beabsichtigten Kaufpreises abzustellen.2 Den Mindererlös aufgrund eines (etwaigen) Scheiterns der Kaufverhandlungen heranzuziehen,3 erscheint dagegen wenig sinnvoll. Weder lassen sich das Risiko des Scheiterns und ein daraus – möglicherweise – resultierender Mindererlös bei Klageerhebung annähernd einschätzen, noch repräsentiert dieser das Verwertungsinteresse des Klägers. Da es um das Verwertungsinteresse des Vermieters geht, scheidet als Anknüpfungspunkt die Jahresmiete4 aus, da diese allein den Nutzungswert repräsentiert.

2.733 Dient die Besichtigung durch den Vermieter der Klärung, ob die Mietsache mit Mängeln behaftet oder sonst in ihrer Substanz gefährdet ist, ist Ausgangspunkt das Interesse des Vermieters am Substanzerhalt. Da es sich hierbei um notwendige Vorbereitungen zu etwaig geschuldeten Instandsetzungsoder zu duldenden Erhaltungsmaßnahmen handelt, ist – zumindest im Bereich des Wohnungsmietrechts – ein Bruchteil des für den Anspruch auf Mängelbeseitigung nach § 41 Abs. 5 GKG maßgeblichen Wertes geboten.5 Verlangt ein Versorgungsunternehmen eine Besichtigung zwecks Inspektion und ggf. Wartung des Versorgungsanschlusses, dann ist dessen Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Leitungsnetzes wertbestimmend.6

2.734 Ist die Klage auf Duldung der Besichtigung eines Hausgrundstücks durch einen Sachverständigen zum Zwecke der Wertschätzung gerichtet, ist nach den Grundsätzen für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs zu beziffern; maßgebend ist daher das Bewertungsinteresse des Klägers, nicht das Duldungsinteresse des Beklagten.7 Geht es um die Duldung der Besichtigung im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens8 ist auf das Interesse des Klägers an der Beweissicherung und der vorzubereitenden Rechtsverfolgung in der Hauptsache abzustellen und die Bruchteilsbewertung nach der Bedeutung der Beweissicherung zu bemessen. Wird durch den Besitzer des Hausgrundstücks eine Besichtigung der Innenräume verhindert und führt das zu einem Sicherheitsabschlag bei der Verkehrswertermittlung, dann ist der Streitwert begrenzt auf den Wert des Sicherheitsabschlags.9

2.735 Der Streitwert eines Besichtigungsanspruchs nach § 101a Abs. 1 Satz 1 UrhG richtet sich nach dem Streitwert der Ansprüche, deren Vorbereitung er dient. Für das Verhältnis vom Besichtigungs- zum Hauptanspruch kann auf die Grundsätze zur Bemessung des Auskunftsanspruchs zurückgegriffen werden, der ebenfalls der Vorbereitung des Hauptanspruchs dient und regelmäßig mit 1/10 bis 1/4 des Hauptsachewertes zu bemessen ist. Im Einzelfall ist darauf abzustellen, in welchem Umfang der Kläger zur Begründung seines Hauptanspruches auf die Auskunftserteilung angewiesen ist.10

1 Vgl. auch Toussaint/Elzer, KostR, 50. Aufl. Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rz. 11 unter „Mietverhältnis, Besichtigung“: 1 Monatsmiete; Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156. 2 LG Berlin, Beschl. v. 27.11.2017 – 6 T 132/17: 1 %; AG Dorsten, Beschl. v. 22.9.1978 – 3 C 319/78, WuM 1979, 155: und davon 1/3 bei einstweiliger Verfügung. 3 So Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156; unzutreffend dagegen AG Alsfeld, Urt. v. 18.12.2020 – 30 C 73/20, das auf die Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch die Besichtigung abstellt. 4 So aber AG Steinfurt, Urt. v. 10.4.2014 – 21 C 987/13, WuM 2014, 405. 5 So auch Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.2.2020 – 5 W 10/20, JurBüro 2020, 302. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.9.1986 – 7 WF 50/86, JurBüro 1987, 427. 8 Vgl. LG Aurich, Urt. v. 28.10.2011 – 5 O 854/11, NZM 2012, 428 = NZBau 2012, 369. 9 BGH, Beschl. v. 7.12.2017 – V ZB 86/16, MDR 2018, 182. 10 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – I ZR 27/09; BGH, Beschl. v. 25.1.2006 – IV ZR 195/04, FamRZ 2006, 119; OLG Braunschweig, Beschl. v. 22.10.2019 – 2 U 76/19, GRUR-RR 2020, 3.

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2. Teil

Während sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des Klageantrages und damit nach dem Gebührenstreitwert bestimmt, ist für die Beschwer des Beklagten auf die mit der (ggf. mehrfachen) Besichtigung verbundene Beeinträchtigung abzustellen. Insofern ist von Bedeutung, ob der titulierte Anspruch auf Vornahme von Besichtigungen Beschränkungen enthält, etwa hinsichtlich der Anzahl und Zeitpunkt.1 Abzustellen ist auf den mit der Besichtigung für den Beklagten verbundenen Zeit- und Kostenaufwand. Hier kann auch Verdienstausfall berücksichtigt werden, der dem Beklagten entsteht, weil er bei der Besichtigung anwesend sein will.2 Die Beschwer wird bei einer zu duldenden Besichtigung durch einen Sachverständigen oder zweimal jährlich durch einen Miteigentümer regelmäßig 600 t unterschreiten.3

2.736

Ist der Beklagte zur Duldung der Wertermittlung seines Grundstücks durch einen Sachverständigen verurteilt worden, bleiben die Kosten der zu duldenden Maßnahme bei der Ermittlung der Beschwer außer Ansatz, da diese dem Kläger als Auftraggeber und Beweisführer obliegen. Zu berücksichtigen ist jedoch auch hier der Verdienstausfall des Beklagten, wenn er wegen der Begutachtung unbezahlten Urlaub nehmen muss. Dagegen bleiben die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts unberücksichtigt, da sich die Auskunftsverurteilung nicht darauf erstreckt, sondern sich in der Pflicht erschöpft, den Zutritt zum Grundstück zu dulden.4

2.737

Im Einzelfall können auch die mit einer Besichtigung verbundenen Eingriffe in die Bausubstanz, etwa bei einer Ortsbesichtigung durch einen Sachverständigen, (zusätzlich) wertbestimmend sein.5

2.738

Besitz A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.739 B. Zuständigkeitsstreitwert

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.763

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.740

II. Wert der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.765

II. Wert der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.744

III. Besitzeinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.766

III. Besitzeinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.748

IV. Besitzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.771

IV. Besitzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.757

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.774

V. Besitzeinweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.761

Stichwortübersicht Abnahme, Kaufgegenstand . . . . . . . . . . . . . . Affektionsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baulandverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befahren von Grundstücken . . . . . . . . . . . . .

2.742 2.744 2.762 2.759

Begriff des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.739 Dingliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.746 Eigenbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.739 Einräumung

1 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765; BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – V ZB 36/07, NZM 2007, 660 = NJW-RR 2007, 1384. 2 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647 = NJWE-FER 1999, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264. 3 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765 – Miteigentümer; OLG Koblenz, Beschl. v. 2.4.1999 – 5 U 535/99, AnwBl. 2000, 264: „praktisch ohne Gewicht“. 4 BGH, Beschl. v. 30.10.1991 – XII ZB 127/91, NJW-RR 1992, 188. 5 BGH, Beschl. v. 4.11.1998 – XII ZB 111/98, FamRZ 1999, 647 = NJWE-FER 1999, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264.

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C. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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– vom Bauträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.769 – von Mitbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.754 – an Wohnhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.770 Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.764 Einweisung in Grundstücksbesitz . . . . . . . . . 2.761 Entziehung von Wohnraumbesitz . . . . . . . . 2.767 Fremdbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.739 Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.745 Grundstücksübergabe, Verzögerung . . . . . . . 2.753 Hauskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.770 Herausgabe von Eigentum und ~ . . . . . . . . . 2.748 Kfz-Fahrwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.759 Leihvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.740 Miet-/Pachtverhältnis . . . . . . . . 2.751, 2.766, 2.772 Mitbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.743

Mittelbarer ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.739 Parkplätze, Besitzstörung . . . . . . . . . . . . . . . 2.759 Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.775 – des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.760 Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.740, 2.764 Ungerechtfertigte Bereicherung . . . . . . . . . . 2.750 Unterlassung der Besitzstörung . . . . . . . . . . 2.757 Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.755 Verkehrswert . . . . . . . . . . . . . . 2.744, 2.752, 2.765 Verletzung von Strafgesetzen . . . . . . . . . . . . 2.758 Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.740 Vorläufige Besitzübertragung . . . . . . . . . . . . 2.770 Vorlegung einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.742 Wert der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.740 Wohnhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.770

A. Einleitung 2.739 Unter Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache zu verstehen, § 854 BGB. Der Besitzbegriff der §§ 854 ff. BGB schließt den unmittelbaren und mittelbaren Besitz, Eigenbesitz und Fremdbesitz ein.1

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines 2.740 Gemäß § 6 ZPO wird der Zuständigkeitsstreitwert durch den Wert der Sache bestimmt, wenn es auf deren Besitz ankommt. Streitgegenstand ist der Sachbesitz immer, wenn der Klageantrag darauf abzielt, den Besitz zu erlangen oder wiederzuerlangen, selbst wenn der Beklagte nicht Besitzer ist, sondern er dem Kläger den Besitz anderweitig verschaffen soll. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger selbst Eigentümer ist,2 beispielsweise bei dem Verlangen der Herausgabe von Sachen aufgrund eines Leihvertrages oder eines Verwahrungsvertrages.3 Streitigkeiten über die Herausgabe eines Pfandgegenstandes sind dagegen nach dem Nominalwert der zu sichernden Forderung zu bewerten, soweit nicht der Sachwert niedriger ist.4

2.741 Ob der Wert der Sache ebenso maßgeblich ist, wenn allein die Eigentumsübertragung, nicht aber die Besitzeinräumung im Streit steht, ist umstritten.5 Siehe hierzu unter den Stichwörtern „Auflassung“, Rz. 2.293 und „Eigentum“, Rz. 2.1024.

1 RGZ 61, 92. 2 OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18, WM 2018 – Herausgabeklage des Leasinggebers; LAG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2008 – 1 Ta 190/08, JurBüro 2009, 140 – Herausgabeklage des Leasingnehmers. 3 OLG München, Beschl. v. 11.3.2020 – 32 W 284/20, JurBüro 2020, 206 zugleich zur Abgrenzung zu § 41 Abs. 1 GKG; OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18, WM 2018 – Leasingvertrag; RGZ 61, 92. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2020 –11 W 5/20. 5 Bejahend KG, JurBüro 1970, 174; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 238; OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599; verneinend OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, JurBüro 1983, 1691; OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, JurBüro 1983, 1393; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 1 m.w.N.

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Besitz

2. Teil

2.742

Auch der Streit um ein Mitbenutzungsrecht wird nicht nach § 6 ZPO bewertet, da dieses nicht dem (Mit-)Besitz entspricht. Wertbestimmend ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse.3

2.743

ZPO

Die Erlangung des Besitzes steht nicht im Streit, wenn der Kläger gem. § 809 BGB die Vorlegung einer Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Einsicht1 oder nach § 433 Abs. 1 BGB die Abnahme des Kaufgegenstandes verlangt. Hier ist der Wert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse zu bestimmen.2 Siehe auch das Stichwort „Abnahme von Sachen“, Rz. 2.48.

II. Wert der Sache Der Wert der Sache bemisst sich nach ihrem objektiven Verkehrswert, also dem Betrag, der sich bei einer Veräußerung erzielen lässt.4 Dieser Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen,5 wobei der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Einreichung der Klage oder des Rechtsmittels ist, § 4 ZPO.6 Von kostenträchtigen Ermittlungen ist abzusehen, wenn auf ein für andere Gerichtsverfahren eingeholtes Wertgutachten zurückgegriffen werden kann.7 Der Verkehrswert bestimmt sich nicht ohne weiteres nach einem etwaig vereinbarten Kaufpreis, obschon dieser einen Anscheinsbeweis für die Höhe des Verkehrswerts begründet.8 Ein etwaig vorhandenes Affektionsinteresse bleibt unberücksichtigt.9

2.744

Bei der Wertermittlung bleiben Gegenleistungen außer Ansatz, selbst wenn nur über sie gestritten wird.10 Siehe aber auch nachfolgend Rz. 2.765. Dies gilt auch für von den Beklagten in Bezug auf die Sache erhobene Einwendungen, beispielsweise Zurückbehaltungsrechte.11

2.745

Die auf Immobiliareigentum ruhenden dinglichen Lasten (Grundschulden, Hypotheken) werden 2.746 nicht wertmindernd berücksichtig, da bei der Veräußerung das Eigentum entweder lastenfrei übertragen oder nur unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen werde.12 Anders liegt es jedoch, wenn auf dem Eigentum liegende Rechte Dritter die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beeinträchtigen, wie dies etwa bei Nießbrauchs- und Wegerechten der Fall ist.13 Siehe zu den Einzelheiten der Berechnung auch unter dem Stichwort „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 ff.

1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 6. 2 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80; KG, JurBüro 1960, 166; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2009 – 19 W 28/09, AGS 3009, 499 – Mitbenutzungsrecht eines Ehepartners an dem im Alleineigentum des anderen Ehepartners stehenden Wohnhaus; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 9. 4 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189; LAG Frankfurt, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 2. 6 LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06. 7 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; a.A. OLG Köln, MDR 2005, 299. 9 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 11. 10 OLG Nürnberg, MDR 1995, 966; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 2. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.1983 – 8 W 46/83, AnwBl. 1984, 94. 12 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; KG v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56. 13 BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80 m. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Karlsruhe, Justiz 1967, 240: maßgeblich ist der wirtschaftliche Erfolg.

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III. Besitzeinräumung 2.748 Das Begehren nach Besitzeinräumung umfasst den Anspruch auf Herausgabe des gegnerischen Besitzes sowie auf Verschaffung des von einem Dritten gehaltenen Besitzes.

2.749 Der Klage auf Herausgabe einer Sache steht wiederum das Begehren nach Duldung der Wegnahme gleich.1 Siehe auch unter dem Stichwort „Duldungsklage“, Rz. 2.963 ff. Ist die Klage auf Duldung des Ausbaus von Messeinrichtungen der Energieversorgung gerichtet, bestimmt sich der Wert nur dann nach dem Verkehrswert der Messeinrichtung, wenn das Interesse des Klägers nicht auf die Einstellung der Versorgung (durch Ausbau) gerichtet ist.2 Siehe ausführlich unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238 ff.

2.750 Unerheblich ist, auf welcher materiell-rechtlichen Grundlage der Besitzeinräumungsanspruch beruht. Daher fallen Besitzansprüche aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) ebenso unter § 6 ZPO,3 wie dingliche (§§ 861, 985 BGB) oder obligatorische (z.B. § 433 Abs. 1 BGB) Herausgabeansprüche.4

2.751 Davon ausgenommen sind jedoch Besitzeinräumungsansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen, soweit sie nicht wertunabhängig in die sachliche Zuständigkeit des AG fallen. Hier bestimmt sich der Wert gem. § 8 ZPO nach dem auf die streitige Zeit entfallenden Nutzungsentgelt, soweit nicht der 3,5-fache Jahresbetrag geringer ist.5 Dies gilt auch, wenn sich der Beklagte gegenüber dem Herausgabeverlangen mit (angeblichen) Rechten aus einem Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt. Von § 8 ZPO nicht erfasst werden Herausgabeansprüche nach unstreitig beendetem Miet- oder Pachtverhältnis.6 Wegen der Einzelheiten s. insoweit unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff.

2.752 Die Umstände des Einzelfalls können eine vom Verkehrswert abweichende Bewertung rechtfertigen. So ist etwa beim Verlangen nach Wiedereinräumen des Besitzes eine unbestrittene Eigentümerstellung wertmindernd zu berücksichtigen, die auf dem Grundstück ruhenden Lasten vom Verkehrswert sind abzuziehen.7

2.753 Für den Streitwert einer Räumungs- und Herausgabeklage des Käufers ist nicht der Verkehrswert, sondern nur das (geringwertigere) Interesse des Käufers an der alsbaldigen Besitzverschaffung maßgeblich, wenn ein an sich erfüllungsbereiter Grundstücksverkäufer kurzfristig die Übergabe des Grundstücks verzögert.8

2.754 Begehrt der Kläger nur die Einräumung von Mitbesitz, bestimmt sich der Wert nach einem Bruchteil des Verkehrswertes. Die Sachherrschaft des Mitbesitzers erfasst zwar die ganze Sache, sie ist jedoch durch gleichen Besitz anderer Personen beschränkt.9 Die infolge der Beschränkung gebotene Bruchteilsbewertung richtet sich beim qualifizierten Mitbesitz nach der Anzahl der Mitbesitzer und beim

1 BGH v. 12.6.1991 – XII ZB 30/91, NJW 1991, 3221; KG, Rpfleger 1971, 227; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 10. 2 Vgl. LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern, 2008, 23 – Herausgabeklage der nicht mit der Energieversorgung befassten Netzbetreibergesellschaft. 3 RG, JW 1897, 541. 4 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024 – Herausgabeverlangen nach verbotener Eigenmacht; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118/15, AGS 2016, 287 – Herausgabeverlangen des vom Kaufvertrag zurückgetretenen Verkäufers. 5 BGH, Beschl. v. 22.1.2013 – VIII ZR 104/12, AGS 2014, 67 – Beschwer. 6 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 – Beschwer. 7 Insoweit zutr. OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.1981 – 22 W 30/80, MDR 1981, 589. 8 KG, JurBüro 1968, 740. 9 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 4; Hillach/Rohs, S. 187.

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2. Teil

Verlangt der Kläger die Herausgabe einer Urkunde, ist § 6 ZPO nur anwendbar, wenn der Wert des Rechts, wie etwa bei echten Inhaberpapieren, unmittelbar durch den Besitz der Urkunde verkörpert wird. Anderenfalls ist das Interesse an der Innehabung nach § 3 ZPO zu bemessen.2 Dieses besteht bei einem Vollstreckungstitel für den Titelschuldner nicht darin, den Titel für eigene Zwecke zu nutzen, sondern einen Missbrauch des Titels zu verhindern. Nur wenn bereits eine die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende Entscheidung vorliegt, kommt eine (geringe) Bruchteilsbewertung in Betracht. Will der Titelschuldner dagegen allein mit dem Herausgabeantrag die Vollstreckbarkeit beseitigen, dann entspricht der Wert dem eines Vollstreckungsabwehrantrages (§ 767 ZPO) und damit dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Maßgeblich ist dann der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit.3

2.755

Siehe auch unter dem Stichwort „Wert einer Sache“, Rz. 2.5890.

2.756

IV. Besitzstörung Gemäß § 862 Abs. 1 BGB kann derjenige, dessen Besitz rechtswidrig gestört wird, die Beseitigung der 2.757 Störung und Unterlassung künftiger Störungen verlangen. Das Interesse des Klägers an der Beseitigung einer Besitzstörung ist nach § 3 ZPO zu schätzen.4 Hier gilt also nicht § 6 ZPO, der nur dann anzuwenden ist, wenn vom Störer Wiedereinräumung verlorenen Besitzes verlangt wird.5 Beruht das Unterlassungsbegehren auf Besitzstörungen, die unter Verletzung der Strafgesetze begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt worden sind, ist regelmäßig ein erhöhter Streitwert gerechtfertigt.6 Setzt sich der Beeinträchtigte mit einer einstweiligen Verfügung zur Wehr und wird dadurch (faktisch) ein endgültiger Rechtsschutz erreicht, ist der Streitwert des Verfügungsverfahrens mit einem höheren Bruchteil als gewöhnlich zu bemessen.7

2.758

Der Streitwert einer Unterlassungsklage, mit der das Verbot begehrt wird, Grundstücke mit Kraftfahrzeugen zu befahren und sie dort abzustellen, ist ebenfalls gem. § 3 ZPO zu bewerten. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an ungestörter Benutzung der Parkplätze, wobei nach Ansicht des OLG Bamberg8 als Bewertungshilfe § 41 Abs. 1 GKG herangezogen werden könne.9

2.759

Richtet sich die Klage gegen die Störung des Eigentums (Geräusche, Behinderungen, unbefugte Inanspruchnahme des Grundstücks usw.), dann ist ebenfalls nicht der Wert der dem Kläger gehörenden Sache (§ 6 ZPO) maßgebend. Vielmehr ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei darauf ab-

2.760

1 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 6 ZPO Rz. 3. 2 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – VI ZR 120/01, AGS 2002, 230; BGH, Beschl. v. 25.9.1991 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2011 – 24 W 20/11, AGS 2012, 190 – Kraftfahrzeugbrief; OLG Köln, Beschl. 22.2.2013 – 19 W 6/13 – Bürgschaftsurkunde; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, MDR 1997, 203: Schuldschein; LAG Koblenz, Beschl. v. 5.6.2008 – 1 Ta 94/08, AE 2008, 240 (Ls.) – Leistungsnachweise zur Abrechnung gegenüber Dritten. 3 BGH, Beschl. v. 17.9.2014 – XII ZB 284/13, MDR 2015, 115, AGS 2014, 565. 4 RGZ 3, 394; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2012 – 24 W 17/12, MDR 2012, 1187. 5 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; OLG Hamburg, OLGE 23, 72; Schneider, MDR 1985, 272. 6 OLG Köln, Beschl. v. 25.11.1975 – 2 W 133/75, ZMR 1977, 62. 7 OLG Köln, JMBl. NW 1976, 71: Hälfte des Hauptsachewerts. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.1971 – 4 U 17/70. 9 Ebenso OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 284; a.A. Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262: § 16 GKG a.F. verfolge den sozialen Zweck, Mietprozesse kostenmäßig niedrig zu halten, und gelte daher nicht für Streitigkeiten über Kfz-Fahrwege.

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schlichten Mitbesitz nach den Umständen des Einzelfalles. Im Falle des Teilbesitzes ist auf den Wert des betroffenen Sachteils abzustellen.1

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zustellen ist, wie hoch das Interesse des Klägers an der Beseitigung der Störung seines Eigentums anzusetzen ist.1 Handelt es sich um eine Störung gewerblichen Mietbesitzes, kann auf die damit einhergehende Umsatzeinbuße abgestellt werden.2

V. Besitzeinweisung 2.761 Streiten die Parteien über eine Besitzeinweisung der klagenden Ersteherin in den Besitz des erstandenen Grundstücks, bemisst sich der Wert gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Grundstücks, nicht nach dem des behaupteten Pachtrechts des Schuldners.3

2.762 Bestreitet der Kläger dagegen in Baulandverfahren nur die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Einweisung (§ 116 BauGB), ist sein Aufhebungsinteresse gem. § 3 ZPO zu bewerten. Angesichts des vorläufigen Charakters der Verwaltungsmaßnahme ist entsprechend § 53 GKG eine auf den Grundstückwert bezogene Bruchteilsbewertung geboten, die sich im Hinblick auf die Bewertung des Umlegungsverfahrens4 auf 1/5 beläuft.5 Siehe auch unter dem Stichwort „Baulandverfahren“, Rz. 2.590 ff.

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 2.763 Für den Gebührenstreitwert findet sich keine allein auf besitzrechtliche Streitigkeiten zugeschnittene Bewertungsvorschrift. Daher gelangen über § 48 Abs. 1 GKG die §§ 3 ff. ZPO entsprechend zur Anwendung, soweit nicht Sonderregelungen des GKG, etwa § 41 GKG, vorgehen. Daher wird zunächst auf die Ausführungen zum Zuständigkeitswert verwiesen, hier insbesondere zum Anwendungsbereich des § 6 ZPO.

2.764 Ist der Besitz Streitgegenstand eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens (Arrest und einstweilige Verfügung), bestimmt sich (nur) der Gebührenstreitwert gem. § 53 Abs. 1 GKG nach § 3 ZPO. Der Hauptsachewert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG ist nur Ausgangspunkt des zu bewertenden Sicherungsinteresses des Antragstellers. Die demnach grundsätzlich gebotene Bruchteilsbewertung richtet sich nach dem Umfang der ohne vorläufigen Rechtsschutz drohenden Rechtsgutsgefährdung und der (faktischen) Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung.6

II. Wert der Sache 2.765 Der für die Zuständigkeit nach § 6 ZPO maßgebliche objektive Verkehrswert der Sache7 kann für den Gebührenstreitwert nur eingeschränkt herangezogen werden. Hier ist bei besitzrechtlichen Klagen auf das vom Kläger angestrebte Rechtsschutzziel und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis abzustellen. Denn mit einer rein formalen Anknüpfung an § 6 ZPO besteht insbesondere bei Immobiliarstreitigkeiten die Gefahr, den Zugang zu den Gerichten mit Streitwerten zu erschweren, die in keinem Verhältnis

1 2 3 4 5

RGZ 3, 394. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2012 – 24 W 17/12, MDR 2012, 1187. LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 28. BGH, MDR 1978, 648. BGH, JurBüro 1974, 186 = MDR 1974, 30; OLG Naumburg, Urt. v. 29.11.2012 – 2 U 63/12; OLG München, Beschl. v. 1.12.2003 – W 8/03 Bau, BauR 2004, 1044. 6 OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.12.1999 – 7 W 45/99, OLGR 2000, 290; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/00, AGS 2000, 134. 7 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83.

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Besitz

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zum „wirklichen wirtschaftlichen Streit der Parteien“ stehen.1 Probleme zeigen sich insbesondere dann, wenn der Besitz an einer Sache nur deswegen zurückbehalten wird, weil die Parteien über den Bestand oder die Erfüllung einer wertmäßig unterhalb des Verkehrswertes der Sache liegenden Forderung streiten.

III. Besitzeinräumung Neben den bereits beim Zuständigkeitsstreitwert erörterten Fragestellungen ist bei besitzrechtlichen Streitigkeiten aufgrund eines (behaupteten) Miet- oder Pachtverhältnisses die Sondervorschrift des § 41 GKG zu beachten. Hiernach ist bei einem Streit über den Bestand oder die Dauer eines Mietverhältnisses sowie über die Verpflichtung zur Räumung regelmäßig nur der Jahresbetrag des vereinbarten Nutzungsentgelts wertbestimmend.2

2.766

Bei Klagen, die auf Besitzentziehung von Wohnraum gestützt sind (§§ 861, 823 BGB), ist der Streit- 2.767 wert nach § 3 ZPO, jedoch unter Berücksichtigung der Berechnungsweise des § 41 Abs. 1 GKG zu schätzen. In der Regel wird hiernach für die Wertberechnung der Betrag des einjährigen Nutzungsentgelts mit entsprechenden Abschlägen in Betracht kommen,3 wenn nur Mitbesitz eingeräumt werden soll und/oder es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.4 Dagegen scheidet eine Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG aus, wenn der Vermieter die Herausgabe der Mietsache nach unstreitig beendetem Mietverhältnis beansprucht.5 Siehe zu den Einzelheiten das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff.

2.768

Verlangt der Käufer eines schlüsselfertigen Eigenheims die Einräumung vom Bauträger, dann sind darauf §§ 3 ff. ZPO, § 48 Abs. 1 GKG und nicht § 41 GKG anzuwenden, weil die sozialen Erwägungen, die dieser Ausnahmevorschrift zugrunde liegen, hier nicht gegeben sind.6 Umstritten ist dagegen, ob die Bewertung gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache oder gem. § 3 ZPO nach dem zwischen den Parteien streitigen Kaufpreisanteil zu erfolgen hat, wenn sich der Streit – wirtschaftlich betrachtet – allein auf die Berechtigung zu einem entsprechenden Einbehalt beschränkt.7

2.769

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Besitzübertragung nach dem Kauf eines Wohnhauses kann entsprechend § 41 GKG mit dem fiktiven Jahresnutzungsentgelt beziffert werden. Das OLG Düsseldorf 8 hat stattdessen 2/5 des Kaufpreises angenommen, was wesentlich übersetzt erscheint.

2.770

1 BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946; BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – IX ZR 72/14: Wert des Nutzungsinteresse (Vermietung) weit unterhalb des Verkehrswertes; KG, NJW-RR 2003, 787; OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.12.1999 – 7 W 45/99, OLGR 2000, 290; OLG Frankfurt, Beschl. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356: Herausgabe entgegenstehendes Werkunternehmerpfandrecht; OLG Köln, Beschl. v. 8.10.2003 – 19 W 52/03, OLGR 2004, 28; BGH, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 m. zust. Anm. Lappe; Schneider, MDR 1984, 142; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2004 – 12 W 14/04, RVG-Letter 2004, 83; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458. 2 KG, Beschl. v. 7.1.2008 – 12 U 127/06, ZMR 2008, 448; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2008 – 10 W 6/08, AGS 2008, 307. 3 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189. 4 LG Bielefeld, Beschl. v. 3.2.1992 – 3 T 89/92, FamRZ 1992, 1095; ohne Abschlag OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189. 5 OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18, WM 2018, 1526 – Leasingvertrag. 6 LG Bayreuth, JurBüro 1978, 553. 7 Verkehrswert: BGH, FamRZ 2005, 265: Verkehrswert; Kaufpreis: KG, Beschl. v. 14.8.2018 – 21 W 5/18, MDR 2018, 1371: OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.5.2014 – 22 U 139/13; OLG Hamm, Beschl. v. 22.1.2013 – 12 W 37/12; offenlassend BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.1985 – 9 W 58/85, AnwBl. 1986, 36.

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Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO, Zuständigkeit

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IV. Besitzstörung 2.771 Die Bewertung der Besitzstörung erfolgt auch für den Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG nach den Vorschriften zum Zuständigkeitsstreitwert (§ 3 ff. ZPO).1

2.772 Dies gilt auch dann, wenn der mit der Nutzung einer Miet- oder Pachtsache verbundene Besitz durch Dritte oder von der anderen Mietvertragspartei ausgeht und das Unterlassungsbegehren mietvertraglich begründet wird. Denn für eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG besteht nur Raum, wenn aufgrund der Störung der Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst in Frage gestellt wird. Wertbestimmend ist in beiden Fällen das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestehender oder Verhinderung weiterer Störungen. Hierbei kann in der Regel auf die Wertung in § 41 Abs. 5 GKG abgestellt und eine Bemessung nach dem Jahresbetrag der aufgrund der Störung anzunehmenden Mietminderung (§ 537 BGB) vorgenommen werden.2 Denn das Interesse an einem ungestörten Gebrauch der Mietsache entspricht – wirtschaftlich betrachtet – dem zur Gebrauchsgewährung erforderlichen Aufwand. Zudem wäre auch der Gebührenstreitwert einer gegen den Vermieter als mittelbaren Störer bzw. den zur unbeeinträchtigten Gebrauchsgewährung Verpflichteten gerichtete Klage nach Maßgabe von § 41 Abs. 5 GKG zu bemessen.3

2.773 Handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen den Mietvertragsparteien, soll im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO die Bemessungsregel des § 41 Abs. 1 GKG nicht überschritten werden.4 Sinnvoll ist eine Orientierung am Jahresbetrag der aufgrund der Störung möglichen Minderung.5

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.774 Es gelten die allgemeinen Regeln, der Wert der Beschwer entspricht in der Regel dem Wert der herauszugebenden Sache. Wird dagegen der Streit – wirtschaftlich betrachtet – nur um den Bestand eines von dem Besitzer geltend gemachten Pfandrechts geführt, ist der Wert des Pfandrechts für die Beschwer maßgeblich. Hierbei entspricht der Wert des Werkunternehmerpfandrechts dem Wert der von ihm gesicherten Werklohnforderung.6

2.775 Zu beachten bleibt, dass bei der auf Beseitigung oder Unterlassung von Besitzstörungen gerichteten Klage die Beschwer von Kläger und Beklagten regelmäßig unterschiedlich zu bewerten sind. Während die Beschwer des Klägers notwendigerweise dem Zuständigkeitsstreitwert (§ 3 ZPO) folgt, ist für den Beklagten maßgeblich darauf abzustellen, mit welchem Aufwand die ihm auferlegte Störungsbeseitigung bzw. -unterlassung verbunden ist.

Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO, Zuständigkeit 2.776 Siehe das Stichwort „Gerichtsstandsbestimmungsverfahren“, Rz. 2.1722 ff.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92. 4 BGH, Beschl. v. 7.4.1993 – XII ZR 244/92; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2; s. auch OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262 u. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 –8 W 25/85, WuM 1986, 15. 6 OLG, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356; LG Münster, Beschl. v. 18.7.2007 – 9 S 99/07.

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Bewilligung

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2. Teil

2.783

Siehe das Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503 ff.

Beweisaufnahme, besonders umfangreiche Nach Nr. 1010 VV RVG erhält der Anwalt eine 0,3-Zusatzgebühr, wenn eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, bei der mindestens drei gerichtliche Termine stattgefunden haben, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen worden sind. (zum Beweisverfahren s. auch das Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503). Eine Gerichtsgebühr wird dagegen nicht ausgelöst.

2.777

Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG scheidet daher aus. Da sich aber die Gebühr des Anwalts nach dem Gegenstandswert berechnet (§ 2 Abs. 1 RVG), bedarf es ggf. einer gesonderten Wertfestsetzung nach § 33 RVG.

2.778

Maßgebender Gegenstandswert ist der Gesamtwert aller Gegenstände, über die Beweis erhoben worden ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Deckt sich dieser Wert mit dem Wert der Hauptsache – ist also über die gesamte Hauptsache Beweis erhoben worden – richtet sich die Zusatzgebühr gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nach dem gerichtlichen Streitwert. Eine gesonderte Wertfestsetzung ist dann unzulässig.

2.779

Möglich ist aber auch, dass Wert der Beweisaufnahme hinter dem Wert der Hauptsache zurückbleibt. In diesem Fall ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Beweisaufnahme auf Antrag im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG gesondert festzusetzen.

2.780

Beispiel: In einer Bausache (Wert: 200.000 t) kommt es zu einer umfangreichen Beweisaufnahme mit drei Terminen zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. Beweis wird über die gesamte Klageforderung erhoben.

2.781

Eine gesonderte Wertfestsetzung ist unzulässig, da nach § 32 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Bindung an die gerichtliche Streitwertfestsetzung besteht. Beispiel: In einer Bausache (Wert: 200.000 t) kommt es wegen einzelner Gewerke im Wert von 120.000 t zu einer umfangreichen Beweisaufnahme mit drei Terminen zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen.

2.782

Jetzt ist auf Antrag eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorzunehmen. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Zusatzgebühr ist auf 120.000 t festzusetzen.

Bewilligung Siehe die Nachweise bei dem jeweiligen Gegenstand der Bewilligung z.B. bei den Stichwörtern „Auflassung“, Rz. 2.293 ff., „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.306 ff., „Grunddienstbarkeit“, Rz. 2.1966, „Grundschuld“, Rz. 2.1975–2.1984, „Hypothek“, Rz. 2.2290–2.2299, „Nießbrauch“, Rz. 2.3747–2.3749, „Reallast“, Rz. 2.4139–2.4140, „Vorkaufsrecht“, Rz. 2.5720–2.5721, „Vormerkung“, Rz. 2.5739, „Widerspruch gegen Grundbucheintragung“, Rz. 2.5921 und „Wohnrecht“, Rz. 2.6006 f., 2.6020 f.

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Beweisverfahren

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Bewilligung oder Aufhebung von Prozesskosten- und Beratungshilfe

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Bewilligung oder Aufhebung von Prozesskosten- und Beratungshilfe 2.785 Zur Bewilligung und Aufhebung von Prozesskostenhilfe s. das Stichwort „Prozesskostenhilfe“, Rz. 2.3933 ff. Zur Bewilligung und Aufhebung von Beratungshilfe s. das Stichwort „Beratungshilfe“, Rz. 2.679 ff.

Bierabnahmepflicht 2.786 Der sog. Bierlieferungsvertrag ist ein wichtiger Anwendungsfall der Bezugsverpflichtung. Eine spezielle Bewertungsvorschrift fehlt. Daher ist das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.787 Klagt eine Brauerei auf Feststellung der Verpflichtung zur Abnahme von selbst hergestelltem Bier, dann ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO nicht von der Gewinneinbuße, sondern von der Umsatzminderung auszugehen.1

2.788 Überwiegend dürfte jedoch auf den Gewinn abgestellt werden, den der Lieferant bei Einhaltung der Bierbezugsverpflichtung zu erwarten hat.2

2.789 Im Ergebnis weichen beide Ansichten nicht oder nur gering voneinander ab. Berechnungsgrundlage ist in jedem Fall die voraussichtliche jährliche Bierbezugsmenge. Der Gewinn wiederum muss immer mitberücksichtigt werden. Beide Bewertungsumstände sind daher miteinzubeziehen und der Schätzung nach § 3 ZPO zugrunde zu legen.

2.790 Vertretbar ist ein Aufschlag auf den Streitwert zur Abgeltung des Interesses der Brauerei an der Stetigkeit des Umsatzes,3 etwa wenn es um eine Bezugsbindung von noch langer Dauer geht.4

2.791 Den Streitwert einer Klage auf Nichtigkeit eines Getränkebezugsvertrages hat das OLG Saarbrücken5 nach dem vollen Wert der Leistungen bemessen, von denen der Nichtigkeitskläger freigestellt werden wollte. Diese Auffassung ist insofern abzulehnen, als sie von einem starren Grundsatz ausgeht und im Einzelfall dazu führen kann, dass wesentliche streitwertmindernde Umstände entgegen wirtschaftlicher Betrachtungsweise unbeachtet bleiben. Insbesondere sind alle Faktoren zu berücksichtigen, die das Interesse beeinflussen, etwa der Wert der Gegenleistung, das Absatzinteresse6 oder sonstige mitlaufende Vergünstigungen.

2.792 Bei Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit betreffend eine Abnahmeverpflichtung aus Getränkelieferungen ist maßgebender Bewertungsausgangspunkt der vom Kläger zu erwartende Gewinn, der auf der Grundlage des Umsatzes zu ermitteln ist.

1 OLG Neustadt, MDR 1962, 413. 2 KG, Beschl. v. 8.9.1969 – 1 W 6749/69, Rpfleger 1969, 443 = JurBüro 1969, 1195; OLG Bamberg, Beschl. v. 5.7.1984 – 1 W 47/84, JurBüro 1985, 441; LG Bayreuth, Beschl. v. 27.11.1978 – 3 O 89/78, JurBüro 1979, 253. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.10.1978 – 2 O 69/74, JurBüro 1979, 436. 4 Siehe dazu auch OLG Bamberg, MDR 1977, 935. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.9.1978 – 1 W 20/78, JurBüro 1978, 1718 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 427 m. krit. Anm. Schneider. 6 LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O 134/13.

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2. Teil

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Bilanz Literatur: Stötter, DB 1972, 271.

Bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Handelsgesellschaft ist er abzufinden. Die Berechnung seines Guthabens wird anhand der sog. Abschichtungs- oder Auseinandersetzungsbilanz vorgenommen. Zur Bestimmung des Zuständigkeits- bzw. Gebührenstreitwerts einer solchen Klage auf Bilanzerteilung ist nicht der Aktivsaldo maßgebend, sondern das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.1 Maßgeblich ist dafür das Interesse des Klägers an der Bilanz. Wie dieses Interesse zu bewerten ist, hängt davon ab, welchen Zweck der Kläger mit der Bilanz verfolgt.

2.793

Ist die orlage der Bilanz beispielsweise als Auskunft erforderlich, um einen Anspruch berechnen bzw. in einem späteren Prozess darlegen zu können, können die Grundsätze für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs bzw. eines Anspruchs auf Rechnungslegung entsprechend angewandt werden.2 Ist die Bilanzerstellung Gegenstand einer Stufenklage, die auf der Leistungsstufe auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens gerichtet ist, gelangt § 44 GKG zur Anwendung.3

2.794

Ist die Bilanz zur Vorlage bei Behörden oder öffentlichen Stellen erforderlich bzw. entspricht ihre Er- 2.795 stellung einer gesetzlichen Pflicht, so ist für den Wert nach § 3 ZPO der Aufwand zu schätzen, den die Erstellung der Bilanz erfordert. Die Höhe der Beschwer eines zur Rechnungslegung verurteilten Beklagten ist jedenfalls dann nach den Kosten für eine Fremdleistung zu bemessen, wenn er glaubhaft macht, aus Alters- oder Krankheitsgründen zur Eigenleistung nicht in der Lage zu sein.4 Insofern ergibt sich bei der Klage auf Erstellung einer Bilanz ein unterschiedlicher Streitwert für die Klage und für die Berufung des zur Auskunft verurteilten Beklagten.5

2.796

Ist die Bilanz Gegenstand einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Gesellschaft, dann bemisst sich das für den Streitwert maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Klägers nach den zusätzlichen, von dem Jahresergebnis der Gesellschaft abhängigen Tantieme- und Gewinnansprüchen.6 Sollen diese Ansprüche mit der Klage nur vorbereitet werden, ist eine Bruchteilsbewertung angemessen.7

2.797

Bild Das Recht am eigenen Bild soll als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Selbstbestimmung des Betroffenen sichern. Klagen auf Unterlassung wegen Verletzung dieses Rechts oder auf Herausgabe der betreffenden Bilder/Negative betreffen daher eine nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewertende nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.8 Der Gebührenstreitwert ist unter Berücksichtigung aller Um1 RG, Warneyer 1940 Nr. 173; OLG München, Beschl. v. 14.3.1996 – 15 W 888/96, OLGR 1996, 106; OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.9.2016 – 1 U 21/16. 2 Vgl. dazu die Stichwörter „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff. und „Rechnungslegung“, Rz. 2.4148 ff. 3 OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.9.2016 – 1 U 21/16; OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2014 – 1 W 83/14. 4 BGH, Beschl. v. 5.2.2001 – II ZB 7/00, MDR 2001, 709 = NJW 2001, 1284. 5 BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85; OLG München, Beschl. v. 14.3.1996 – 15 W 888/96, OLGR 1996, 106. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.10.2013 – 17 W 37/13. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.10.2013 – 17 W 37/13: 1/5. 8 BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999; KG JurBüro 1969, 1190.

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stände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 t nicht überschreiten. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO frei zu schätzen. Dass dabei der (unrechtmäßigen) Online-Veröffentlichung gegenüber der Printveröffentlichung generell ein geringer Wert zukommen soll,1 erscheint angesichts der Perpetuierungswirkung von Onlinepublikationen, die regelmäßig längerfristig als Veröffentlichungen in Printmedien abrufbar sind, zweifelhaft.2

2.799 Die Klagen auf Unterlassung oder Herausgabe sind nur dann als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen, wenn sich aus der Klage oder offenkundigen Umständen ergibt, dass es dem Kläger in wesentlicher Weise auch um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen geht.3 Dabei müssen allerdings bloße vermögensrechtliche Reflexwirkungen außer Betracht bleiben.4 Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Kläger Ersatz von Vermögensschäden oder Schadensersatz wegen Beeinträchtigung eigener Vermarktungschancen fordert.

2.800 Wird das Unterlassungsbegehren auf eine unbefugte Nutzung von Bildern gestützt, die von privaten oder Kleingewerbetreibenden zum Zwecke der Produktwerbung erstellt worden sind, dann bemisst sich der Streitwert nach überwiegender Ansicht in Höhe eines Vielfachen des vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschadens.5 Nach anderer Auffassung ist bei derartigen urheberrechtlichen Verstößen zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um ein privates oder gewerbliches Verkaufsangebot handelt. Anhängig von den nach den weiteren Umständen des Einzelfalls, etwa die Anzahl der Verkaufsangebote oder die Dauer der Online-Einstellung, mit 2.000 t,6 3.000 t,7 5.000 t,8 6.000 t9 oder 9.000 bis 15.000 t je Bild zu bewerten.10 Werden die Bilder zeitgleich auf ein und derselben Homepage veröffentlicht, dürfte eine schematische Addition der Einzelwerte ausscheiden, weil sich damit der „wirtschaftliche Angriffsfaktor“ damit überlagert.11

2.801 Anders liegt es, wenn das Geschäftsmodell der streitenden Parteien gerade im Verkauf der streitgegenständlichen Motive bzw. von Produkten besteht, auf denen die Motive angebracht sind.12

1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11 12

So KG, Beschl. v. 18.4.2011 – 10 W 129/10, AfP 2011, 284: regelmäßig nur 1/3. OLG Köln, Beschl. v. 19.1.2012 – 15 W 63/11, AfP 2012, 268. BGH, Urt. v. 28.6.1994 – VI ZR 252/93, MDR 1995, 698 = VersR 1994, 1120. BGH, Urt. v. 27.5.1986 – VI ZR 169/85, MDR 1987, 44 = VersR 1986, 1075. OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.8.2013 – 6 W 31/13, GRURPrax 2013, 470: das 10fache; OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.10.2011 – 2 W 92/11, GRUR-RR 2012, 93: Verdopplung; OLG Hamm, Beschl. v. 13.9.2012 – 22 W 58/12, JurBüro 2013, 28: Verdopplung; a.A. OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.2.2013 – 3 W 81/12, MDR 2013, 343. OLG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2013 – 5 W 5/13, ZUM-RD 2014, 90. OLG Dresden, Beschl. v. 5.11.2012 – 11 W 692/11; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2015 – 5 W 46/15; OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2011 – 6 W 256/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.5.2012 – 9 U 9/12, GRUR-RR 2013, 135: 1.500 t bei einstweiliger Verfügung. OLG Hamm, Beschl. v. 17.11.2015 – 4 U 34/15, GRUR-RR 2016, 188. OLG Hamm, Beschl. v. 6.9.2016 – 32 SA 50/16; OLG Köln, Beschl. v. 6.3.2015 – 6 W 15/15; OLG Köln, Beschl. v. 25.8.2014 – 6 W 123/14, WRP 2014, 1236; OLG München, Beschl. v. 21.6.2011 – 6 W 435/11; OLG Rostock, Beschl. v. 14.11.2006 – 2 W 25/06, WRP 2007, 1264. OLG München, Beschl. v. 10.4.2015 – 6 W 2204/14, ZUM 2015, 585: 15.000 t; OLG München, Beschl. v. 16.12.2009 – 6 W 226/11: 9.000 t bei zwei Fotos; OLG München, Beschl. v. 21.6.2001 – 6 W 1049/11: 10.000 t gewerbliche Nutzung eines Fotos. OLG Hamm, Beschl. v. 17.11.2015 – 4 U 34/15, GRUR-RR 2016, 188. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2014 – 11 U 117/12; OLG Hamm, Beschl. v. 6.9.2016 – 32 SA 49/16, K&R 2017, 63: mind. 5.000 t.

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Bürgschaft

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2. Teil

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Herausgabe von Börsenpapieren bestimmt sich gem. § 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach deren Wert im Zeitpunkt der Klageerhebung oder der sonst die Instanz einleitenden Antragstellung (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO, § 40 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist dabei der Börsenkurswert. Ein im Laufe des Verfahrens schwankender Kurs hat auf diesen Streitwert keinen Einfluss. Das Abstellen auf einen bei Klageerhebung zu berechnenden Durchschnittswert bei stark schwankenden Kursen ist abzulehnen, da dies mehr oder minder willkürlich ist.1

2.802

Bruchteilsgemeinschaft 2.803

Siehe das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“, Rz. 2.275 ff.

Bürgschaft A. Einleitung Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Gegenstand eines Bürgschaftsvertrags kann jede schuldrechtliche Verpflichtung sein. Praktisch verpflichtet sich der Bürge in der Regel zur Zahlung von Geld.

2.804

B. Zahlungsklagen Der Streitwert einer Zahlungsklage gegen den Bürgen ist mit dem Nennbetrag der streitgegenständlichen Forderung zu beziffern (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die neben der Hauptschuld zu entrichtenden Zinsen und Kosten bleiben bei der Wertberechnung jedoch gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt, weil sie aus der maßgeblichen Sicht des Klägers (Gläubigers) Nebenforderungen seines Anspruchs sind.2

2.805

I. Mietbürgschaft Sichert die Bürgschaft einen Anspruch auf Miet- oder Pachtzahlung, richtet sich der Streitwert einer 2.806 Klage gegen den Bürgen, für künftige Mieten des Hauptschuldners einzustehen, gem. § 9 ZPO nach dem dreieinhalbjährigen Mietzinsbetrag zzgl. miteingeklagter Rückstände gem. § 42 Abs. 3 GKG. Der Jahreswert des Mietzinses nach § 41 Abs. 1 GKG ist nicht maßgeblich. Die Gegenansicht3 verkennt, dass § 41 GKG bei Zahlungsklagen gegen den Mieter ebenfalls nicht gilt.4 Zudem sind die mietrecht-

1 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, MDR 1989, 909; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 494; OLG Rostock, Urt. v. 16.7.2008 – 1 U 48/08, MDR 2009, 133 – zum Börsenkurs für Edelmetalle. 2 BGH, Beschl. v. 14.7.1958 – VII 188/57, MDR 1958, 765. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.1907 – 3. ZS., OLGE 15, 53; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 36. 4 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101.

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Börsenpapiere

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2. Teil

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Bürgschaft

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lichen Sondervorschriften des Prozessrechts auf den Bürgen nicht anzuwenden, weil die Bürgschaft ein eigenständiges Rechtsverhältnis begründet.1

II. Unterhaltsbürgschaft 2.807 Hat sich der Beklagte für einen familienrechtlichen Unterhaltsanspruch verbürgt, ist der Gebührenstreitwert der gegen den Bürgen gerichteten Klage auf Zahlung künftigen Unterhalts entsprechend § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG mit dessen Jahresbetrag zu beziffern.2 Zwar begründet die Bürgschaft ein eigenständiges Rechtsverhältnis.3 Wirtschaftlich ist die Klage des Unterhaltsberechtigten gegen den Bürgen aber darauf gerichtet, seinen Unterhaltsanspruch zu verwirklichen. Der gesetzliche Zweck, Unterhaltsansprüche kostengünstig durchsetzen zu können, gilt auch bei Klagen gegen den Bürgen, zumal der Gesetzgeber es für sachgerecht gehalten hat, den Anwendungsbereich des § 51 FamGKG auf vertragliche Unterhaltsansprüche zu erweitern.4 Miteingeklagte Rückstände erhöhen gem. § 42 Abs. 3 GKG den Streitwert. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bestimmt sich freilich nach § 9 ZPO.

III. Klage gegen Bürgen und Hauptschuldner 2.808 Nimmt der Gläubiger neben dem Bürgen mit der Klage zusätzlich auch den Hauptschuldner auf Zahlung in Anspruch, dann werden die Ansprüche nicht zusammengerechnet, weil der Gläubiger die Leistung nur einmal beanspruchen kann (wirtschaftliche Identität).5

IV. Aufrechnungseinwand 2.809 Erklärt der Bürge gegenüber dem Zahlungsanspruch die „hilfsweise Aufrechnung“ mit Gegenforderungen des Hauptschuldners, erhöht das den Streitwert nicht.6 In dem Rechtsstreit wird nicht nach § 322 Abs. 2 ZPO, § 45 Abs. 3 GKG rechtskräftig über den Bestand der Gegenforderungen des Hauptschuldners entschieden, weil der Bürge selbst nicht mit Forderungen des Hauptschuldners aufrechnen, sondern sich nur darauf berufen kann, der Hauptschuldner habe wirksam aufgerechnet (§ 767 BGB) oder könne wirksam aufrechnen (§ 770 Abs. 2 BGB).7

C. Klagen auf Bestellung, Freistellung, Feststellung 2.810 Klagen auf Bestellung einer Bürgschaft, Freistellung von einer Bürgschaftsverpflichtung bzw. auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Bürgschaft dienen der Sicherung einer Forderung und bemessen sich gem. § 6 Satz 1 ZPO nach der Höhe der gesicherten Forderung.8 Das gilt auch

1 BGH, Beschl. v. 16.12.2003 – X ARZ 270/03, MDR 2004, 769 (keine Anwendung von § 29a ZPO auf den Bürgen einer Mietschuld). 2 RG, Beschl. v. 2.11.1940 – IV 809/39, DR 1940, 2267; OLG Königsberg, Beschl. v. 12.4.1926 – 7 W 156/26, JW 1926, 2477; OLG Königsberg, Beschl. v. 26.11.1928 – 7 W 719/28, JW 1929, 139; Meyer, GKG/ FamGKG, § 51 FamGKG, Rz. 12. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.2003 – X ARZ 270/03, MDR 2004, 769. 4 BT-Drucks. 16/6308, 307; BT-Drucks. 17/11471, 251. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1997 – 22 W 78/96. 6 BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146. 7 BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146. 8 RG, v. 19.11.1897 – III 220/97; JW 1898, 3; KG, Beschl. v. 26.2.1912 – 16. ZS., OLGE 25, 46; KG, Beschl. v. 14.8.1933 – 8 W 6586/33, JW 1933, 2402; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.2.1956 – 8 W 37/56, Rpfleger 1957, 97; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168.

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Bürgschaft

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2. Teil

Ist die Hauptforderung zwischen den Parteien streitig, bestimmt deren vom Kläger behauptete Höhe den Streitwert.2

2.811

Beispiel: Der Kläger erhebt Klage auf Freistellung von einer Bürgschaftsverpflichtung. Die Höhe der Hauptforderung, für welche die Bürgschaft gilt, gibt er mit 25.000 t an. Hier ist der Streitwert auf 25.000 t festzusetzen, auch wenn der Beklagte geltend macht, die Hauptforderung bestehe nur in geringerer Höhe.

2.812

Lautet die Bürgschaftsurkunde auf einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nach dem Prinzip des § 6 Satz 2 ZPO für die Höhe des Streitwerts nur die Klageforderung maßgebend.3

2.813

Beispiel: Die Bürgschaft lautet auf einen Betrag von 50.000 t, eingeklagt werden nur 30.000 t. Hier ist der Streitwert auf 30.000 t festzusetzen, wenn nicht gleichzeitig Widerklage auf Feststellung erhoben wird, dass keine über 30.000 t hinausgehende Haftung des Bürgen besteht.

2.814

Bei negativen Feststellungsklagen auf Unwirksamkeit einer Höchstbetragsbürgschaft ist gem. § 6 Satz 2 ZPO deren Höchstbetrag für den Streitwert maßgebend, wenn ihn die Hauptschuld übersteigt.4 Ansonsten ist von der noch valutierten Hauptschuld auszugehen und für den nicht valutierten Teil der Bürgschaft eine nach § 3 ZPO zu schätzende Quote von 20–30 % anzusetzen, weil sich die Forderung wieder erhöhen kann, beispielsweise wegen der Zinsen.5

2.815

Beispiel: Die negative Feststellungsklage wird hinsichtlich einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 t erhoben. Die Hauptschuld beläuft sich im Zeitpunkt der Klageerhebung auf 20.000 t. Damit setzt sich der Streitwert aus 20.000 t Hauptschuld zzgl. 30 % des nicht valutierten Teils von 30.000 t (= 9.000 t) zusammen und beträgt 29.000 t.

2.816

Erstrebt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit einer Mietzinsbürgschaft, richtet sich der Gebüh- 2.817 renstreitwert nach § 9 ZPO zzgl. bereits entstandener Rückstände gem. § 42 Abs. 3 GKG ohne Abschlag, weil es eine negative Feststellungsklage ist, mit der die Pflicht zur Zahlung der Bürgschaftsforderung geleugnet wird. Die Gegenauffassung, die nach § 41 GKG die Jahresmiete ansetzt,6 übersieht, dass die Parteien nicht um den Bestand des Mietvertrages des Hauptschuldners streiten, sondern um den Bestand der Bürgschaft, die kein „ähnliches Nutzungsverhältnis“ i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG ist. Bei einer Klage auf Feststellung, der Bürge hafte ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr für die Miete, ist gem. § 9 Satz 2 ZPO die Summe der Mietzinsen des streitgegenständlichen Zeitraums maßgeblich, wenn dieser kürzer als 3 1/2 Jahre ist.7 Eine Klage gegen den Bürgen, mit der dessen Pflicht zur Zahlung der Bürgschaftssumme festgestellt 2.818 werden soll, ist hingegen ein Feststellungsabschlag von 20 % zu machen, weil das Klageziel hinter einer Leistungsklage zurückbleibt.8

1 OLG München, Beschl. v. 30.4.1954 – 6 W 876/54, Rpfleger 1956, 58; so wohl auch BGH, Beschl. v. 15.2.2006 – VIII ZB 93/04, WuM 2006, 215; a.A. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.1936 – 7 W 83/36, JW 1936, 2574; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.2.1956 – 8 W 37/56, Rpfleger 1957, 97. 3 OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678. 4 OLG Brandenburg, Urt. v. 1.10.2007 – 3 U 177/06. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1991 – 17 W 10/91, MDR 1991, 1197. Im konkreten Fall wurden 30 % angesetzt. 6 KG, Beschl. v. 4.1.1906 – 14. ZS., OLGE 13, 71. 7 KG, Beschl. v. 26.2.1912 – 16. ZS., OLGE 25, 46. 8 BGH, Beschl. v. 15.10.2019 – XI ZR 160/19.

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dann, wenn der Bürgschaftsgläubiger den Bürgen wahrscheinlich nur wegen eines geringeren Betrages in Anspruch nehmen wird.1

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2. Teil

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D. Regressklagen des Bürgen 2.819 Bei der Regressklage des Bürgen gegen den Hauptschuldner werden – anders als bei der Zahlungsklage gegen den Bürgen – Zinsen und Kosten mitgerechnet. Sie sind keine Nebenforderungen des Regressanspruches. Dieser ist vielmehr ein einheitlicher Anspruch, der sich nur aus verschiedenen Berechnungspositionen zusammensetzt.1 Auch § 4 ZPO ist nicht anwendbar.2

2.820 Verlangt der Bürge vom Bürgschaftsgläubiger die Rückzahlung eines auf erstes Anfordern gezahlten Betrages, weil der Bürgschaftsvertrag nichtig sei, ist der geltend gemachte Rückforderungsbetrag ohne Zinsen und Kosten maßgeblich.3

E. Herausgabe der Bürgschaftsurkunde I. Allgemeines 2.821 Wird auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde geklagt, dann bestimmt sich der Streitwert nicht gem. § 6 ZPO nach der Höhe der gesicherten Forderung, sondern nach dem Herausgabeinteresse des Klägers, das nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist.4 Ausgangspunkt für die Schätzung ist die Höhe der Hauptschuld. Entscheidend ist sodann, ob und inwieweit zum Zeitpunkt der Erhebung der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen noch in Betracht kommen kann.5 Weiter kann man die mit der Bürgschaftsurkunde verbundenen finanziellen Aufwendungen (z.B. laufende Kosten der Bankbürgschaft) berücksichtigen.6

2.822 Das Interesse kann im Einzelfall gleich der Höhe der Hauptschuld sein, wenn es darum geht, – mit der Herausgabe den Bürgschaftsvertrag zu beseitigen7 und damit die volle Inanspruchnahme des Bürgen zu verhindern,8 – oder bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern,9 weil diese dem Gläubiger innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zur Verfügung stellt, wenn er die Bürgenleistung vertragsgemäß anfordert.

1 RG, Beschl. v. 18.5.1917 – II 94/17, Recht 1917 Nr. 1663, 1664; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 66. 2 KG, Beschl. v. 25.11.1909 – 13. ZS., OLGE 21, 63. 3 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2006 – 5 U 115/05; die Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen und dabei die Wertfestsetzung übernommen: BGH, Beschl. v. 24.4.2008 – VII ZR 102/06. 4 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, NJW-RR 1994, 758; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98; KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, AGS 2002, 126. § 6 ZPO ist für den Besitzstreit nur dann maßgeblich, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – VI ZR 120/01, BGHR 2002, 155). 5 KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, AGS 2002, 126. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 1.3.2021 – 4 U 90/19. 7 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, NJW-RR 1994, 758; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.7.1980 – 1 W 23/80, AnwBl. 1980, 460; LG Hamburg, Beschl. v. 23.10.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81; LG Berlin, Beschl. v. 13.5.2002 – 67 T 29/02, JurBüro 2002, 478; OLG Dresden, Beschl. v. 21.10.2002 – 9 U 774/02, BauR 2003, 931. 8 BGH, Beschl. v. 15.2.2006 – VIII ZB 93/04, WuM 2006, 215; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99. 9 KG, Beschl. v. 6.3.2000 – 26 W 599/00, AGS 2001, 253; OLG München, Beschl. v. 29.12.1999 – 15 W 3367/99, BauR 2000, 607.

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2. Teil

2.823

Da das Interesse nach § 3 ZPO geschätzt werden muss, liegt es im Sinne der Rechtssicherheit, hier – ähnlich etwa wie bei der Bewertung einstweiliger Verfügungen oder positiver Feststellungsklagen – in den übrigen Fällen die Wertermäßigung zu pauschalieren: Überwiegend wird der Wert der Herausgabeklage mit 20 bis 30 % der Bürgschaftsforderung angesetzt.2 Teilweise lehnt man dagegen eine Pauschalierung ab und hält jeweils eine Einzelbewertung des konkreten Missbrauchsrisikos für erforderlich.3

2.824

Soweit das OLG Düsseldorf 4 das Interesse dem „Beweiswert der Bürgschaftsurkunde“ gleichsetzt, überzeugt das nicht, denn die Bürgschaftsurkunde hat keinen Beweiswert für das Bestehen der gesicherten Forderung, so dass dieser Gesichtspunkt als Bewertungskriterium ausscheiden muss.

2.825

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Auf der anderen Seite ist das Interesse besonders gering zu bewerten, wenn die gesicherte Forderung unstreitig erloschen ist oder die Bürgschaft nicht mehr besteht und mit der Klage nur ein möglicher missbräuchlicher Gebrauch der Bürgschaftsurkunde verhindert werden soll.1

II. Zurückbehaltungsrecht Wehrt sich der Beklagte gegen das Herausgabeverlangen mit einem Zurückbehaltungsrecht aufgrund angeblicher Gegenansprüche, so hat das keinen Einfluss auf die Streitwertberechnung.5

2.826

III. Klage und Widerklage Beim Zusammentreffen der Zahlungsklage gegen den Bürgen und der Widerklage des Bürgen auf Herausgabe der Urkunde sind die Streitwerte nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen, da wirtschaftliche Identität vorliegt.6 Dasselbe gilt, wenn der Kläger die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt und der Beklagte Widerklage auf Zahlung der durch die Bürgschaft gesicherten Forderung erhebt.7

2.827

Ist allerdings beim Zusammentreffen von Zahlungsklage und Widerklage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde der Zahlungsantrag geringwertiger als die verbürgte Verpflichtung, besteht wirtschaftliche Identität nur, soweit sich die Werte decken. Wenn eine weitere Inanspruchnahme der Bürgschaft nicht auszuschließen ist, kann ein nach § 3 ZPO zu schätzender Aufschlag von 20–30 % des Mehrbetrages geboten sein.8

2.828

Beispiel: Aus einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 t wird Klage auf Zahlung von 20.000 t erhoben. Widerklagend wird Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt. Hier liegt wirtschaftliche Identität hinsichtlich des Streits über die Verpflichtung zur Zahlung über 20.000 t vor. Für den verbleibenden Teil der

2.829

1 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, NJW-RR 1994, 758; OLG Hamm, Beschl. v. 19.1.1981 – 4 U 6/81, JurBüro 1981, 434. 2 OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.3.2021 – 4 U 90/19. 3 OLG Köln, Beschl. v. 22.9.1993 – 2 W 161/93, MDR 1994, 101. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1981 – 21 W 45/81, JurBüro 1981, 1893. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 16.5.1990 – 5 W 42/90, JurBüro 1990, 1512; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.7.1980 – 1 W 23/80, AnwBl. 1980, 460. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2016 – 9 W 8/15, NJW-RR 2016, 1215; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99; a.A. LG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81 (Zusammenrechnung). 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98. 8 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678.

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Darlehen

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Höchstbetragsbürgschaft (30.000 t) kann ein Aufschlag i.H.v. 30 % des Wertes (= 9.000 t, s. Rz. 2.2815) hinzugerechnet werden.

2.830 Klagt der Hauptschuldner dagegen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Herausgabe der Bankbürgschaft und macht der Gläubiger widerklagend Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend, so ist nur der Höhere der beiden Werte maßgeblich.1

2.831–2.851 Einstweilen frei.

Darlehen Literatur: A. Maier, Streitwert bei Widerruf des Darlehensvertrags, VuR 2016, 9.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.852 Die Bemessung des Streitwerts hängt vom konkreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.

I. Zahlungsklage 2.853 Für den Streitwert einer Klage des Darlehensnehmers auf Auszahlung des Darlehens ist der vereinbarte Darlehensnennbetrag maßgeblich.2

2.854 Bei Klagen des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens ist grundsätzlich der geltend gemachte Nennbetrag der Darlehensvaluta maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn der Darlehensnehmer nur einwendet, der volle Betrag sei nicht fällig, sondern es seien nur monatliche Raten geschuldet.3 Soweit vertragliche Zinsen sich aus der streitgegenständlichen Valuta errechnen, sind sie nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG und zwar unabhängig davon, ob sie als Prozentsatz oder ausgerechneter Betrag miteingeklagt werden.4 Soweit die Zinsen auf nicht miteingeklagten Teile der Valuta entfallen, sind sie dagegen keine Nebenforderungen.5 Klagt der Darlehensgeber auf Zahlung einer fälligen Darlehensrate, gilt das Gleiche.

2.855 Werden die Bearbeitungsgebühren separat eingeklagt, sind sie eine Hauptforderung, die mit ihrem Nennbetrag zu bewerten ist.6 Ansonsten sind Abschlusskosten und Bearbeitungsgebühren Nebenforderungen.7 Streitig ist, ob der einheitliche „Gesamtkreditbetrag“ den Streitwert bildet, wenn sie mitkreditiert werden8 oder die Abschlusskosten und Bearbeitungsgebühren dennoch Nebenforderung 1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99. 2 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.53; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 67. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 4 BGH, Beschl. v. 6.8.1981 – III ZR 176/79, WM 1981, 1092; BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – III ZR 325/03; OLG Celle, Beschl. v. 16.7.2009 – 2 W 188/09. 5 BGH, Beschl. v. 6.8.1981 – III ZR 176/79, WM 1981, 1092; BGH, Beschl. v. 17.3.2009 – XI ZR 142/08. 6 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.7.2016 – 7 U 109/15 (Rückzahlungsklage wegen nicht wirksamer Vereinbarung). 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1975 – 16 U 91/75, MDR 1976, 663; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 11; Meyer, GKG/FamGKG, § 43 GKG Rz. 6. 8 OLG München, Beschl. v. 10.11.1975 – 25 W 1976/75, JurBüro 1976, 237.

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Höchstbetragsbürgschaft (30.000 t) kann ein Aufschlag i.H.v. 30 % des Wertes (= 9.000 t, s. Rz. 2.2815) hinzugerechnet werden.

2.830 Klagt der Hauptschuldner dagegen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Herausgabe der Bankbürgschaft und macht der Gläubiger widerklagend Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend, so ist nur der Höhere der beiden Werte maßgeblich.1

2.831–2.851 Einstweilen frei.

Darlehen Literatur: A. Maier, Streitwert bei Widerruf des Darlehensvertrags, VuR 2016, 9.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.852 Die Bemessung des Streitwerts hängt vom konkreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.

I. Zahlungsklage 2.853 Für den Streitwert einer Klage des Darlehensnehmers auf Auszahlung des Darlehens ist der vereinbarte Darlehensnennbetrag maßgeblich.2

2.854 Bei Klagen des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens ist grundsätzlich der geltend gemachte Nennbetrag der Darlehensvaluta maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn der Darlehensnehmer nur einwendet, der volle Betrag sei nicht fällig, sondern es seien nur monatliche Raten geschuldet.3 Soweit vertragliche Zinsen sich aus der streitgegenständlichen Valuta errechnen, sind sie nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG und zwar unabhängig davon, ob sie als Prozentsatz oder ausgerechneter Betrag miteingeklagt werden.4 Soweit die Zinsen auf nicht miteingeklagten Teile der Valuta entfallen, sind sie dagegen keine Nebenforderungen.5 Klagt der Darlehensgeber auf Zahlung einer fälligen Darlehensrate, gilt das Gleiche.

2.855 Werden die Bearbeitungsgebühren separat eingeklagt, sind sie eine Hauptforderung, die mit ihrem Nennbetrag zu bewerten ist.6 Ansonsten sind Abschlusskosten und Bearbeitungsgebühren Nebenforderungen.7 Streitig ist, ob der einheitliche „Gesamtkreditbetrag“ den Streitwert bildet, wenn sie mitkreditiert werden8 oder die Abschlusskosten und Bearbeitungsgebühren dennoch Nebenforderung 1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99. 2 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.53; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 67. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 4 BGH, Beschl. v. 6.8.1981 – III ZR 176/79, WM 1981, 1092; BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – III ZR 325/03; OLG Celle, Beschl. v. 16.7.2009 – 2 W 188/09. 5 BGH, Beschl. v. 6.8.1981 – III ZR 176/79, WM 1981, 1092; BGH, Beschl. v. 17.3.2009 – XI ZR 142/08. 6 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.7.2016 – 7 U 109/15 (Rückzahlungsklage wegen nicht wirksamer Vereinbarung). 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1975 – 16 U 91/75, MDR 1976, 663; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 11; Meyer, GKG/FamGKG, § 43 GKG Rz. 6. 8 OLG München, Beschl. v. 10.11.1975 – 25 W 1976/75, JurBüro 1976, 237.

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Darlehen

2. Teil

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bleiben.1 Zutreffend ist die erste Auffassung. Die Bearbeitungsgebührenforderung der Bank hat der Darlehensnehmer durch vereinbarungsgemäße Verrechnung mit seinem Darlehensauszahlungsanspruch in dieser Höhe erfüllt. Die Verrechnung ist kein bloßer Buchungsvorgang, sondern vollzieht eine vertragliche Vereinbarung. Zur Hauptforderung können sie, wie Zinsen, zudem durch Novation werden,2 etwa nach einem Rechnungsabschluss im Kontokorrent nach § 355 HGB.

II. Abschluss oder Änderung des Darlehensvertrages Für den Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Darlehensvertrags gem. § 3 ZPO ist der gewünschte Darlehensbetrag maßgebend.3 Wird die Bewilligung eines Dispositionskredits eingeklagt, ist der Streitwert mit dem Betrag der gewünschten Kreditlinie anzusetzen.4 Sind nur die Bedingungen des Darlehens Streitgegenstand, ist das Interesse an der begehrten Konditionsänderung maßgeblich, das gegebenenfalls mit der Zinsdifferenz bemessen werden kann.5

2.856

III. Unwirksamkeit der Darlehenskündigung Der Streitwert einer Klage des Darlehensnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Darlehenskündigung bestimmt sich nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluta ohne Abschlag.6 Der Sache nach handelt es sich nämlich um eine negative Feststellungsklage, die Valuta (derzeit) nicht zahlen zu müssen.

2.857

IV. Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages Widerrufe von Verbraucherdarlehen beschäftigen nach wie vor die Rechtspraxis, insbesondere auf- 2.858 grund der sog. „ewigen Widerrufsrechte“ bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen. Der Streitwert bemisst sich nach dem jeweiligen Begehren. 1. Zahlungsklage Klagt der Darlehensnehmer nach Widerruf des Vertrages im Wege der Leistungsklage einen konkret bezifferten Betrag ein, ist allein der geltend gemachte Betrag für den Streitwert maßgebend.7 Miteingeklagter Nutzungsersatz erhöht den Streitwert wegen § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht.8

2.859

Verklagt der Darlehensnehmer die Bank auf Zahlung eines Geldbetrages Zug um Zug gegen Zahlung eines bezifferten Geldbetrages an die Bank, soll der Streitwert nach Ansicht des XI. Zivilsenates des BGH allein nach dem geforderten Betrag ohne Berücksichtigung der Zug um Zug angebotenen Zahlung festzusetzen sein.9 Dem ist nicht zu folgen, der „zurückbehaltene“ Geldbetrag ist abzuziehen.10

2.860

1 OLG Köln, Urt. v. 23.9.1966 – 4 U 254/65, MDR 1967, 42. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97, JurBüro 1999, 197. 3 BGH, Urt. v. 18.6.1959 – VII ZR 155/58, NJW 1959, 1493 m. Anm. Geißler; OVG NW, Beschl. v. 30.10.2007 – 2 E 791/07, FamRZ 2008, 800. 4 LG Kleve, Urt. v. 3.12.2013 – 4 O 4/13, NJW-RR 2014, 1011. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – 24 U 57/09, MDR 2010, 715; vgl. auch OVG NW, Beschl. v. 30.10.2007 – 2 E 791/07, FamRZ 2008, 800. 6 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 7 BGH, Beschl. v. 10.7.2018 – XI ZR 613/17; BGH, Beschl. v. 24.7.2018 – XI ZR 740/17; BGH, Beschl. v. 18.9.2018 – XI ZR 703/17; BGH, Beschl. v. 20.11.2018 – XI ZR 228/18, BKR 2019, 243. 8 BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – XI ZR 33/15. 9 BGH, Beschl. v. 8.7.2019 – XI ZR 309/18. 10 Vgl. BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.2019 – 4 W 46/19, MDR 2019, 1190; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.9.2019 – 5 W

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Der Kläger hat durch seinen Zug-um-Zug-Antrag eindeutig aufgerechnet.1 Die Zurückbehaltung einer fälligen Geldforderung wegen einer gleichfalls fälligen Geldforderung ist selbst dann eine Aufrechnung, wenn man ausdrücklich erklärt, nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.2 Analog § 133 BGB sind Klageanträge nicht nach dem buchstäblich erklärten, sondern dem erkennbar gewollten auszulegen.3 „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“4 Wenn der Kläger die von ihm Zug um Zug zu erbringende Geldleistung nicht beziffert, mindert sie den Streitwert allerdings nicht.5 Die in dem Zug-um-Zug-Antrag liegende Aufrechnung ist nicht wirksam erklärt, da sie mangels Bezifferung dem der Doppelnatur der Prozessaufrechnung geschuldeten Bestimmtheitsgebot6 nicht genügt.

2.861 Beispiel: Der Kläger begehrt nach Widerruf des Darlehens von der beklagten Bank die Zahlung von 100.028,97 t Zug um Zug gegen Zahlung von 80.000 t an die Bank. Der BGH hat den Streitwert auf 100.028,97 t festgesetzt.7

Richtigerweise wäre der Streitwert auf nur 20.028,97 t festzusetzen gewesen, weil der Kläger durch den Zugum-Zug-Antrag erkennbar aufgerechnet und nur die Zahlung der verbleibenden Differenz begehrt hat.

2. Positive Feststellungsklage

2.862 Eine – allerdings grundsätzliche unzulässige8 – Klage auf die (positive) Feststellung, der Widerruf habe das Darlehen in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, ist gem. § 3 ZPO mit der Summe aller bis zum Widerruf gezahlten Zinsen und Tilgungen ohne Feststellungsabschlag zu bemessen.9 Ansprüche auf Nutzungsersatz sind wegen § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht mit einzurechnen.10 Nach Erklärung des Widerrufs weitergezahlte Raten erhöhen den Streitwert nicht, weil der Darlehensnehmer sie nicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis, sondern nach §§ 812 ff. BGB zurückverlangen kann.11 Ergeben sich für den klagenden Darlehensnehmer nach dem Widerruf keine Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis, etwa beim Widerruf eines noch nicht ausgezahlten Forward-Darlehens, soll der Streitwert dagegen nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahreswert der Vertragszinsen anzusetzen sein.12

2.863 Ob die Ansprüche des Darlehensnehmers aus dem Rückgewährschuldverhältnis bereits (teilweise) durch eine vorprozessuale Aufrechnung erloschen sind, soll nach der Auffassung des BGH unerheblich sein.13 Dem ist nicht zu folgen, weil die Feststellungsklage damit höher zu bewerten wäre als eine Zahlungsklage.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

33/19 und OLG München, Beschl. v. 18.10.2019 – 21 U 3241/19, MDR 2020, 163 bei entsprechenden Zug-um-Zug-Anträgen, die in Wahrheit als Saldierung im Vorteilsausgleich zu verstehen waren. BGH, Urt. v. 25.4.2017 – XI ZR 108/16, MDR 2017, 713. RG, Urt. v. 30.9.1913 – III 233/13, RGZ 83, 138; RG, Urt. v. 21.4.1931 – II 241/30, RGZ 132, 305; NomosKommentar-BGB/Wermeckes, BGB, § 387, Rz. 3. Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rz. 25. 2. Kor 3,6. OLG München, Beschl. v. 29.9.2020 – 8 U 201/20, MDR 2020, 1506. BGH, Urt. v. 7.11.2001 – VIII ZR 263/00, MDR 2002, 410. BGH, Beschl. v. 8.7.2019 – XI ZR 309/18. BGH, Urt. v. 14.3.2017 – XI ZR 442/16, MDR 2017, 656. BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, MDR 2016, 480. BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, MDR 2016, 480. BGH, Beschl. v. 10.1.2017 – XI ZB 17/16, AGS 2017, 228. BGH, Beschl. v. 17.12.2019 – XI ZR 83/18. BGH, Beschl. v. 10.7.2018 – XI ZR 674/16, VuR 2018, 464.

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2. Teil

Ohne gesonderten Antrag auf Löschung der Grundschuld hat es auf die Wertbemessung keinen Einfluss, ob das Darlehen durch eine Grundschuld besichert ist oder nicht.1 Ansprüche auf Löschung dieser Grundschulden ergeben sich nicht aus dem durch den Widerruf entstehenden Rückgewährschuldverhältnis, sondern nur bei einem Wegfall der Sicherungszwecks aus der vom Darlehensvertrag verschiedenen Zweckabrede.2

2.864

ZPO

Darlehen

3. Negative Feststellungsklage Nach Auffassung des BGH ist der Streitwert einer Klage des Darlehensnehmers auf die (negative) Feststellung, er schulde wegen des Widerrufs die vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsraten nicht mehr, ebenso wie bei der (positive) Klage auf Feststellung der Umwandlung des Darlehens in ein Rückgewährschuldverhältnis mit der Summe aller bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zu bemessen.3 Dem ist nicht zu folgen. Vielmehr ist der Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahreswert der vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsraten zu bemessen.4 Gegenstand der negativen Feststellungsklage ist die Abwehr dieser in die Zukunft gerichteten Ansprüche des Darlehensgebers und gerade kein Zahlungsanspruch des Darlehensnehmers aus dem Rückgewährschuldverhältnis.5 Dass zwei Streitgegenstände vorliegen, entspricht auch der Rechtsprechung des BGH.6 Begehrt der Darlehensnehmer hingegen die Feststellung, dem Darlehensgeber nichts mehr zu schulden, ist der Streitwert nach der Höhe der Darlehensschuld zu bemessen, die der Darlehensgeber noch beansprucht.7

2.865

4. Klagehäufung a) Positive und negative Feststellungsklage Neben einer Klage auf die positive Feststellung, der Darlehensvertrag habe sich durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandt, soll der Antrag auf die negative Feststellung, die vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsraten nicht mehr zu schulden, keinen eigenen Streitwert haben.8 Dem ist nicht zu folgen. Die Werte sind vielmehr zu summieren, weil zwei rechtlich und wirtschaftlich unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Die negative Feststellungsklage wehrt zukünftige Ansprüche des Darlehensgebers ab, während die positive Feststellungsklage Erstattungsansprüche des Darlehensnehmers aus dem Rückgewährschuldverhältnis verfolgt.9

2.866

b) Zahlungs-/Feststellungsklage und Löschung der Grundschuld Wird dagegen neben einem aufgrund des Widerrufs gestellten Zahlungs- oder Feststellungsantrages zugleich beantragt, die Löschung der Grundschuld zu bewilligen, werden die Werte der Anträge gem. § 5 Halbs. 1 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG summiert.10 Es handelt sich um rechtlich und wirtschaftlich verschiedene Gegenstände. Grundlage der Grundschuldbestellung ist die Sicherungszweckabrede, nicht 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.8.2016 – 6 W 45/16, AGS 2016, 412; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 31.3.2016 – 8 W 143/16, AGS 2016, 285. 2 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2015 – 31 U 41/15. 3 BGH, Beschl. v. 4.12.2018 – XI 196/18. 4 OLG Jena, Urt. v. 6.10.2020 – 5 U 708/19; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.7.2018 – 19 U 49/18, MDR 2018, 1528; OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2018 – 12 U 20/17; OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2017 – 31 W 40/17. 5 OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2018 – 20 U 20/17. 6 BGH, Urt. v. 2.4.2019 – XI ZR 583/17. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2016 – 6 W 29/16. 8 BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – XI ZR 6/16, WM 2016, 2299. 9 OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2018 – 20 U 20/17; vgl. auch BGH, Urt. v. 2.4.2019 – XI ZR 583/17. 10 BGH, Beschl. v. 4.3.2016 – XI ZR 39/15, AGS 2016, 285; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2016 – 6 W 29/16; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.10.2017 – 9 W 14/17, MDR 2018, 236, das wirtschaftliche Identität annimmt; so wohl auch BGH, Beschl. v. 23.2.2010 – XI ZR 219/09.

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der Darlehensvertrag. Der Wegfall des Darlehensvertrages begründet keinen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, sondern nur der Wegfall des Sicherungszwecks.1 Dieser entfällt aber durch den Widerruf des Darlehens nicht, da er auch die Ansprüche aus dem entstehenden Rückgewährschuldverhältnis erfasst.2

2.868 Das Begehren, die Grundschuld löschen zu lassen, ist nicht wirtschaftlich identisch mit der Feststellung, die vertraglich vereinbarten Zinsen und Tilgungen nicht mehr zu schulden. Obgleich eine negative Feststellungsklage das Gegenstück einer gegenläufigen Leistungsklage ist, steht dem nicht entgegen, dass nach zutreffender Ansicht Ansprüche auf Leistung und auf Sicherung des Leistungsinteresses wirtschaftlich identisch sind. Zwar wären deswegen bei einer gleichzeitig auf Zahlung und auf Sicherheitsleistung für dieselbe Forderung gerichteten Klage die Werte beider Anträge nicht zu summieren. Exaktes Gegenstück einer solchen Klagehäufung wären aber zwei verbundene negative Feststellungsklagen, nämlich vertraglich nichts mehr zu schulden und keine Sicherheit leisten zu müssen.3 Eine solche Klagehäufung liegt aber nicht vor. Vielmehr wird eine negative Feststellungsklage mit einer Leistungsklage auf Bewilligung der Löschung der Grundschuld verbunden. 5. Verbundener Vertrag

2.869 Anders als beim Verbraucherdarlehen braucht der Darlehensnehmer nach dem Widerruf eines verbundenen Vertrages wegen § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB dem Darlehensgeber die Restvaluta nicht zurückzugewähren, sondern muss ihm nur die finanzierte Sache herausgeben.4 Daher ist das klägerische Interesse nach § 3 ZPO abweichend zu bemessen.5 Widerruft der Darlehensnehmer einen verbundenen Vertrag i.S.d. § 358 BGB und begehrt von der Bank die Rückzahlung bereits geleisteter Zinsen und Tilgungen, sowie die Feststellung, keine Zahlungen mehr leisten zu müssen, entspricht der Streitwert dem Nettodarlehensbetrag, weil er wirtschaftlich so gestellt werden will, als hätte er die verbundenen Geschäfte nicht getätigt.6 Hat er eine Kapitalanlage oder einen Autokauf nur teilweise durch einen verbundenen Vertrag finanziert und im Übrigen aus Eigenmitteln bezahlt, bildet man den Streitwert aus der Summe der Werte der zurückzuzahlenden Eigenmittel und des Nettodarlehensbetrags.7

V. Freistellung 2.870 Der Streitwert eines Anspruchs eines Gesamtschuldners gegen einen anderen Gesamtschuldner, ihn von seiner Mithaftung aus einem Darlehensvertrag gegenüber dem Darlehensgeber freizustellen, entspricht gem. § 3 ZPO regelmäßig dem Betrag, auf den der freizustellende Gesamtschuldner im Innenverhältnis haftet.8 Bei einer Klage auf Freistellung eines Sparkontos von einer Verpfändung sind die Zinsen keine Nebenforderung.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2015 – 31 U 41/15. BGH, Urt. v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00, MDR 2003, 343. Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 6 W 1/08. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2019 – 5 SA 47/17; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.4.1997 – 24 U 141/96, NJW-RR 1997, 2056. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2019 – 5 SA 47/17. BGH, Beschl. v. 7.4.2015 – XI ZR 121/14; BGH, Beschl. v. 29.5.2015 – XI ZR 335/13; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2018 – 11 W 41/18. BGH, Beschl. v. 29.5.2015 – XI ZR 335/13 (Kapitalanlage); OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2019 – 6 W 47/19; LG Ellwangen, Urt. v. 25.1.2018 – 4 O 232/17 (Autokauf). OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/18, 1 W 43/18; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2002 – 5 WF 62/01, AGS 2002, 125; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.10.1997 – 2 WF 130/97, FamRZ 1998, 1311; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57. BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196.

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Datenschutzrechtliche Ansprüche

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2. Teil

Die Beschwer des Klägers bemisst man bei vollständiger Klageabweisung nach dem im Klageantrag ge- 2.871 forderten und mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Anspruch. Bei teilweiser Klageabweisung ist für das weitere Verfahren und für die Rechtsmittelbeschwer der aberkannte Differenzbetrag maßgebend.1 Für die Beschwer des verurteilten Beklagten ist die im Tenor genannte Zahlungsverpflichtung maßgeblich. Hat der Kläger statt der begehrten vollen Rückzahlung des Darlehens nur eine Erhöhung der monatlichen Raten erreicht, dann berechnet sich der Streitwert für ein Rechtsmittel des Beklagten nach dem ihm auferlegten Rückzahlungs-Mehrbetrag.2

2.872

Datenschutzrechtliche Ansprüche A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Ob der ordentliche Rechtsweg nach § 13 GVG eröffnet ist, entscheidet grundsätzlich die Rechtsnatur des streitgegenständlichen datenschutzrechtlichen Anspruchs.3 § 40 Abs. 2 VwGO eröffnet ihn zudem für Schadensersatzklagen wegen Datenschutzverletzungen durch den Staat. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts regeln Art. 79 Abs. 2, Art. 82 Abs. 6 DSGVO. § 44 Abs. 1 BDSG begründet besondere örtliche Gerichtsstände.

2.873

Die sachliche Zuständigkeit folgt den allgemeinen Regeln der §§ 23, 71 GVG. Für Schadensersatzklagen wegen behördlicher Datenschutzverletzungen ist das LG gem. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG streitwertunabhängig sachlich ausschließlich zuständig, weil es sich der Sache nach um besondere Amtshaftungsansprüche handelt. Ansonsten bestimmt der Streitwert, ob das Amts- oder das LG zuständig ist.

2.874

Das Gesetz kennt keinen Sonderstreitwert für Streitigkeiten über datenschutzrechtliche Ansprüche. Dessen Bemessung hängt daher vom konkreten Klageziel ab.

2.875

I. Schadensersatz (Art. 82 DSGVO) Der Streitwert einer Klage auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO wird genauso ermittelt wie bei anderen Schadensersatzklagen. Weitere Einzelheiten lese man beim Stichwort „Schadensersatz“, Rz. 2.4406 ff. nach.

2.876

II. Datenauskunft (Art. 15 DSGVO) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt einen Anspruch auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO ist auch über die Empfänger Auskunft zu erteilen, denen der Auskunftspflichtige die Daten offengelegt hat oder noch offenlegen wird. Von den verarbeiteten Daten hat der Auskunftspflichtige den Anspruchsinhaber nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO auf Verlangen Kopien zu überlassen. Die erste Kopie muss kostenfrei sein.

1 BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, WM 1985, 279. 2 BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, WM 1985, 279. 3 LG Stuttgart, Beschl. v. 15.2.2019 – 12 O 33/19, ZIP 2019, 585.

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2.877

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B. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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Datenschutzrechtliche Ansprüche

ZPO

1. Grundsätze

2.878 Es gibt im Zivilprozess keinen gesetzlichen Regelstreitwert für Ansprüche auf Auskünfte über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten (Datenauskunft). § 52 Abs. 2 GKG gilt im bürgerlichen Rechtsstreit nicht (entsprechend).1

2.879 Vielmehr ist bei der Ermittlung des Streitwertes an den Zweck anzuknüpfen, den der Kläger mit dem Auskunftsbegehren verfolgt. Dieser Zweck entscheidet, ob der Rechtsstreit über die Datenauskunft vermögens- oder nichtvermögensrechtlicher Natur ist. 2. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

2.880 Dient die Auskunft allein ideellen oder persönlichen Zielen, ist der Streit nichtvermögenrechtlich und der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu ermitteln. Somit sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere Bedeutung und Umfang der Sache nebst den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien maßgeblich. Der nach § 3 ZPO zu schätzende Zuständigkeitsstreitwert stimmt damit überein, weil beim Gebrauch des freien Ermessens nach § 3 ZPO die Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG heranzuziehen sind.2 Wird die Datenauskunft aus nichtvermögensrechtlichen und zugleich aus wirtschaftlichen Gründen begehrt, etwa um die Durchsetzung anderer Ansprüche zu erleichtern, ist nach § 48 Abs. 3 GKG das höherwertige Interesse wertbestimmend.3

2.881 Verlangt der Kläger die Datenauskunft ohne besonderen Grund, frönt er allein seiner Neugier (die die Rechtsprechung vornehmer als „allgemeines Informationsinteresse“ bezeichnet). Sein Interesse ist dann nach § 48 Abs. 2 GKG mit einem Streitwert von 500 t angemessen bewertet.4 Dient sie weitergehenden Zwecken, etwa weil sie eine ehrschützende Unterlassungsklage vorbereiten soll, ist eine höhere Bewertung angebracht. 3. Vermögensrechtliche Streitigkeit

2.882 Werden mit der Datenauskunft zugleich wirtschaftliche Zwecke verfolgt, bestimmt man den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GKG. Sie dient auch wirtschaftlichen Zwecken, wenn sie ermöglichen oder erleichtern soll, vermögensrechtliche Ansprüche durchsetzen zu können.5 Da der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch vorrangig bezweckt, Berichtigungs- und Löschungsansprüche nach Art. 16, 17 DSGVO durchzusetzen, kann aber dennoch grundsätzlich kein Bruchteil eines durch ihn zugleich vorbereiteten Schadensersatzanspruchs als Streitwert angesetzt werden.6 Das OLG Köln setzt für solche Datenauskünfte pauschal einen Wert von 5.000 t an, wenn keine Anhaltspunkte für einen geringeren Wert der vorbereiteten Leistungsansprüche vorliegen.7 Da die Datenauskunft vorrangig der Durchsetzung von Berichtigungs- und Löschungsansprüchen dient, ist sie mit Schadensersatzansprüchen nicht wirtschaftlich identisch, so dass die Werte bei objektiver Klagehäufung zu addieren sind.8

1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2018 – 9 U 120/17, ZD 2018, 269 mit ablehnender Anm. Riemer. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. OLG Köln, Beschl. v. 25.7.2019 – 20 W 10/18. OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2018 – 9 U 120/17, ZD 2018, 269; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2019 – 35 T 14/19 (das im konkreten Fall 2.000 t angesetzt hat). OLG Köln, Beschl. v. 25.7.2019 – 20 W 10/18; LG Wiesbaden, Urt. v. 3.11.2020 – 8 O 14/19. OLG Köln, Beschl. v. 3.9.2019 – 20 W 10/18, MDR 2019, 1403. OLG Köln, Beschl. v. 12.11.2020 – 9 W 34/20, CR 2021, 162. OLG Köln, Beschl. v. 17.6.2020 – 5 W 16/20, MDR 2020, 1082.

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2. Teil

Der Anspruch auf Datenauskunft gegen Absender unerwünschter Werbe-E-Mails wurden je nach Einzelfall mit 400 t1 oder 750 t2 bewertet.

2.883

Der Anspruch eines Versicherungsnehmers aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO gegen seinen Berufsunfähigkeitsversicherer, ihm eine Kopie des über ihn eingeholten medizinischen Gutachtens zu überlassen, wurde mit 1.000 t,3 ein Auskunftsbegehren über die dem Versicherer im Zusammenhang mit zwei Lebensversicherungsverträgen vorliegenden Daten mit 500 t4 bewertet. Ein Auskunftsbegehren gegen einen Versicherer, um Beratungsfehler beim Abschluss einer Lebens- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nachzuweisen, wurde mit 5.000 t bewertet.5

2.884

III. Löschung (Art. 17 DSGVO) 1. Grundsätze Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 DSGVO gewährt einen Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten, wenn einer der dort genannten Fälle vorliegt. Insbesondere kann die Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO verlangt werden, wenn die Daten nicht mehr für die Zwecke nötig sind, für die sie erhoben und verarbeitet wurden („Recht auf Vergessenwerden“). Ein in die Zukunft gerichteter Anspruch, die rechtswidrige Datenverarbeitung zu unterlassen, ergibt sich dagegen nicht aus Art. 17 DSGVO, sondern aus § 1004 BGB.6

2.885

Es gibt keinen gesetzlichen Regelstreitwert für Ansprüche auf Löschung eigener personenbezogener Daten. § 52 Abs. 2 GKG kann nicht angewendet werden. Vielmehr ist bei der Ermittlung des Streitwertes an den Zweck der Löschung anzuknüpfen, der entscheidet, ob der Rechtsstreit vermögens- oder nichtvermögensrechtlicher Natur ist.

2.886

2. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Sind Daten streitgegenständlich, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit beeinträchtigen, ist die Angelegenheit nichtvermögensrechtlich.7 Der Gebührenstreitwert ist gem. § 48 Abs. 2 GKG zu ermitteln. Somit sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere Bedeutung und Umfang der Sache nebst den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien maßgeblich. Der nach § 3 ZPO zu schätzende Zuständigkeitsstreitwert stimmt damit überein, weil beim Gebrauch des freien Ermessens nach § 3 ZPO die Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG heranzuziehen sind.8 Wird die Löschung aus nichtvermögensrechtlichen und zugleich aus wirtschaftlichen Gründen begehrt, ist nach § 48 Abs. 3 GKG das höherwertige Interesse maßgeblich.9

2.887

Soll Suchmaschinen die Anzeige bestimmter Treffer untersagt werden, ist bei der Wertbemessung nach § 48 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen, dass deren Betreiber die angezeigten Äußerungen zwar nicht selbst tätigt, die Daten im Internet aber gerade durch die Anzeige in Suchmaschinen besonders weit verbreitet werden. Das OLG Dresden hat den Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, bei dem grobe Beleidigungen des Verfügungsklägers gegenständlich waren, auf 6.000 t festgesetzt.10

2.888

1 2 3 4 5 6 7

OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. AG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2009 – 32 C 12779/08. KG, Beschl. v. 23.10.2018 – 6 U 45/18, MDR 2019, 227. LG Köln, Urt. v. 18.3.2019 – 26 O 25/18, ZD 2019, 313. OLG Köln, Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18. LG München I, Urt. v. 7.11.2019 – 34 O 13123/19. Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 8 BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. 9 OLG Köln, Beschl. v. 25.7.2019 – 20 W 10/18, (zu Art. 15 DSGVO). 10 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2019 – 4 W 1149/18, MDR 2019, 349.

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2. Teil

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Datenschutzrechtliche Ansprüche

ZPO

3. Vermögensrechtliche Streitigkeit

2.889 Beeinträchtigen die Daten den wirtschaftlichen Kredit des Klägers, sind Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.

2.890 Das Begehren des Geschäftsführers eines mittelständischen Unternehmens gegen eine Suchmaschine, die Links zu Presseartikeln zu löschen, in denen über seine gesundheitlich bedingte Abwesenheit trotz finanzieller Schieflage des Unternehmens berichtet wurde, hat das OLG Frankfurt mit 75.000 t bewertet.1 Das LG Frankfurt hat ein Begehren, 35 Jahre alte Presseberichte über Straftaten und eine Mitgliedschaft beim iranischen Geheimdienst nicht mehr als Treffer anzuzeigen, mit 45.000 t bewertet2 und mit 20.000 t eine einstweilige Verfügung, keine Treffer anzuzeigen, aus denen sich ergibt, dass die Schweizer Finanzaufsicht Untersuchungen gegen den Kläger eingeleitet hat.3

2.891 An Art. 17 DSGVO ist zu messen, ob gegenüber Wirtschaftsauskunfteien die Löschung von Eintragungen begehrt werden kann. Dabei wurde der Streit um die Löschung der Eintragung über eine dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung mit 15.000 t bewertet.4 Weitere Einzelheiten sind beim Stichwort „Schufa-Eintragung“, Rz. 2.4494 ff. nachzulesen.

2.892 Der Anspruch eines Arztes aus Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO, seine Daten aus einem Ärztebewertungs-

portal löschen zu lassen, wurde mit 50.000 t bewertet.5 Ein Streitwert von 10.000 t wurde für das Begehren einer Bäckereimitarbeiterin gegenüber einem Internet-Bewertungsportal angesetzt, eine Kundenbewertung zu löschen, die sie als unfreundlich beschrieb.6

2.893 Den Antrag eines Kunden gegen einen Kreditkartenanbieter, den Betrieb einer datenverarbeitenden Internetseite zu unterlassen, ohne die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen gegen Datendiebstahl einzuhalten, ist vom LG München I mit 4.500 t7, vom OLG München dagegen mit 16.000 t8 bewertet worden.

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.894 Die Rechtsmittelbeschwer des unterlegenen Klägers berechnet man nach den oben für den Streitwert dargestellten Grundsätzen.

2.895 Die Rechtsmittelbeschwer des zur Erteilung der Datenauskunft verurteilten Beklagten bemisst sich dagegen nach dem Zeit- und Kostenaufwand, den die Auskunft verursacht.9 Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen, nach denen die Beschwer bei Auskunftsansprüchen bemessen wird.10 Es gibt keinen Grund, die Beschwer bei der Datenauskunft anders zu bewerten. Wegen weiterer Einzelheiten zur Berechnung der Beschwer des zur Auskunft Verurteilten wird auf das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.498–2.505 verwiesen.

1 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt, Urt. v. 6.9.2018 – 16 U 193/17, CR 2019, 90. LG Frankfurt/M., Urt. v. 28.6.2019 – 3 O 315/17. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.12.2018 – 3 O 464/18. LG Heilbronn, Urt. v. 11.4.2019 – 13 O 140/18, ZInsO 2019, 1077. OLG Köln, Urt. v. 14.11.2019 – 15 U 126/19. LG Essen, Urt. v. 29.10.2020 – 4 O 9/20, AfP 2020, 527. LG München I, Urt. v. 7.11.2019 – 34 O 13123/19 (für die einstweilige Verfügung wurde 1/3 davon angesetzt, also 1.500 t). 8 OLG München, Beschl. v. 29.10.2019 – 15 W 1308/19. 9 BGH, Beschl. v. 3.7.2018 – II ZB 13/17, ZD 2019, 31; AG München, Urt. v. 4.9.2019 – 155 C 1510/18. 10 BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – XII ZB 11/19, MDR 2019, 1331.

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2. Teil

Der zur Löschung verurteilte Beklagte ist mindestens mit dem Zeit- und Kostenaufwand beschwert, 2.896 den die Löschung verursacht. Seine Beschwer kann im Einzelfall höher sein, wenn die Löschungspflicht sein Geschäftsmodell beeinträchtigt.

Dauerwohnrecht 2.897

Siehe das Stichwort „Wohnrecht“, Rz. 2.6002 ff.

Derselbe Streitgegenstand 2.898

Siehe das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

Design A. Zuständigkeitsstreitwert Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu bestimmen. Die LG sind nach § 52 Abs. 1 DesignG1 sachlich ausschließlich zuständig.

2.899

B. Gebührenstreitwert Der Gebührenstreitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen bestimmt. Inhaltlich entspricht die Vorschrift in der Sache § 3 ZPO.2 Das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt den Wert.3

2.900

Dessen Wertangaben bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) binden das Gericht nicht,4 indizieren aber den 2.901 Wert des wirklich im Streit stehenden Interesses.5 Das gilt erst recht bei übereinstimmenden Wertangaben der Parteien.6 Dennoch darf das Gericht diese Werte nicht unbesehen übernehmen, sondern muss sie selbständig prüfen. Maßstab sind dabei die objektiven Gegebenheiten, die Erfahrung des Gerichts und die Wertfestsetzung in gleichartigen oder ähnlichen Fällen.7 Insbesondere wenn Parteien überein1 2 3 4 5

Bis zum 1.1.2014 GeschmacksmusterG. BT-Drucks. 13/9971, 44; BT-Drucks. 15/1971, 154. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831. BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; BGH, Urt. v. 24.4.1985 – I ZR 130/84, GRUR 1986, 93; OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1980 – 6 W 127/80, WRP 1981, 221. 6 BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2014 – 2 U 27/13; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. 7 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344.

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2. Teil

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stimmend ihre Wertangaben bewusst niedrig halten und (vorsätzlich) die Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, muss das Gericht einen höheren Wert festsetzen.1 1. Auskunft

2.902 Klagen auf Auskunft nach § 46 DesignG und Besichtigung nach § 46a DesignG dienen dazu, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen vorzubereiten. Ihr Streitwert ist daher mit einem Bruchteil des Wertes des vorbereiteten Anspruchs zu bemessen.

2.903 Wenn für eine Auskunftsklage Verkehrsdaten i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG erlangt werden müssen, bedarf es einer vorherigen gerichtlichen Anordnung. Für dieses Vorschaltverfahren ist nach § 46 Abs. 9 Satz 2 GebrMG streitwertunabhängig das LG zuständig. Für die Gerichtskosten wird eine Festgebühr nach Nr. 15213 KV GNotKG erhoben. Ein Gegenstandswert ist daher nur für die Anwaltsgebühren zu bestimmen. Es ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Bruchwert des Wertes der Ansprüche anzusetzen, deren Geltendmachung vorbereitet wird. Wenn keine besonderen tatsächlichen Umstände Anhalt für eine höhere oder niedrigere Festsetzung geben, liegt dem Vorschaltverfahren der Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG von 5.000 t zugrunde.2 2. Unterlassung

2.904 Bei Unterlassungsklagen gibt es keine Regelstreitwerte.3 Das Interesse des Klägers an der Unterlassung bewertet man anhand seiner Nachteile, wenn der Beklagte das Design weiterhin verletzt. Diesen Wert des Unterlassungsanspruchs kann man regelmäßig nur pauschalierend prognostizieren.4 In die Prognose bezieht man die Bedeutung des durch das Design geschützten Gegenstands, die verbleibende Schutzdauer und die Einschätzung ein, wieweit der Verletzer den Wert des Designs in Zukunft gefährdet.5 Welche Verletzungen zukünftig zu erwarten sind, ist anhand des Umfangs der bereits begangenen Verletzungen, Art und Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit, vorhandenen betriebliche Einrichtungen und Handelsbeziehungen, personeller Ausstattung und Finanzkraft sowohl des Schutzrechtsinhabers als auch des Verletzers zu schätzen.6 Subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers, wie etwa sein Verschuldensgrad, können ebenfalls Rückschlüsse auf die von ihm ausgehende Gefahr zulassen.7 Das OLG Düsseldorf sieht bei Patenten als Untergrenze des Streitwertes den Wert der Lizenzgebühren an, die dem Kläger mutmaßlich zustünden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Schutzrechts fortgesetzt werden.8 Die Auffassung trifft auch beim Design zu, weil dies nach § 42 Abs. 2 Satz 3 DesignG (wie bei Patenten nach § 139 Abs. 3 Satz 2 PatG) eine zulässige Methode zur Berechnung des Schadens ist.

2.905 Es beeinflusst den Streitwert nicht, wenn das Design während eines Unterlassungsprozesses wegen des Ablaufs der gesetzlichen Schutzdauer wirkungslos wird, weil sich der Unterlassungsanspruch mit dem Ablauf in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, für dessen Bemessung der gesamte Zeitraum bis zum Ablauf des Designs berücksichtigt werden muss.9

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. 2 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16; OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159; OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10 (jeweils zum Vorschaltverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG). 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 (zum Markenrecht). 4 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 5 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 6 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 7 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08 (zum Patent); Kühnen, GRUR 2009, 288, 293.

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2. Teil

Bei der Berechnung des wertbestimmenden Zeitraums eines Designs für Textilien ist zu berücksichtigen, dass sich dessen Wert bereits innerhalb der Schutzfrist wegen des raschen Wandels der Mode verringert.1 Daher sind regelmäßig Zeiträume unterhalb der gesetzlichen Schutzdauer anzusetzen.

2.906

ZPO

Design

3. Nichtigkeit Die Nichtigkeit eines Designs ist nach § 33 Abs. 3 Fall 1 DesignG grundsätzlich in einem Verfahren 2.907 vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geltend zu machen. Klageweise ist dies nach § 33 Abs. 3 Fall 2 DesignG nur für den Beklagten in einem Verletzungsverfahren im Wege der Widerklage möglich. a) Nichtigkeitsverfahren Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren eines vor dem DPMA durchgeführten Nichtigkeitsverfahrens ist gem. § 34a Abs. 5 Satz 2 DesignG nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen. Maßstab der Wertfestsetzung ist das wirtschaftliche Interesse des Rechteinhabers an der Aufrechterhaltung seines Designs,2 das dessen gemeinem Wert entspricht. Diesen kann man anhand der fiktiven Lizenzgebühren aller Konkurrenten während der Restlaufzeit des Schutzrechts errechnen.3 Der gemeine Wert kann – wie im Markenlöschungsverfahren – regelmäßig mit 50.000 v angesetzt werden.4

2.908

Im Beschwerdeverfahren beim BPatG gegen die Entscheidung des DPMA nach § 23 Abs. 4 Satz 1 2.909 DesignG entstehen nach Nr. 401 100 ff. KV PatKostG streitwertunabhängige Festgebühren. Auch die Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH nach § 23 Abs. 5 DesignG werden gem. § 1 Nr. 14 GKG, Nr. 1255 KV GKG als Festgebühr erhoben. Es sind daher keine Gebührenstreitwerte festzusetzen. Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren des Beschwerdeverfahrens vor dem BPatG und des Rechtsbeschwerdeverfahrens beim BGH im Löschungsstreit ist gem. § 23 Abs. 2 RVG das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Designs, das mit dessen gemeinem Wert zu beziffern ist, dieser wiederum ist anhand der fiktiven Lizenzgebühren aller Konkurrenten während der Restlaufzeit des Schutzrechts anzusetzen.5

2.910

b) Nichtigkeitswiderklage Bei Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage (§§ 52, 52a DesignG) ist deren Streitwert wie beim Nich- 2.911 tigkeitsverfahren mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Schutzrechts zu bemessen, das dessen gemeinem Wert entspricht. Dieser kann auf den Streitwert der Verletzungsklage zzgl. eines Aufschlages von 1/4 für das höhere Allgemeininteresse geschätzt werden.6 Klage und Widerklage sind nicht wirtschaftlich identisch i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass ihre Streitwerte zusammenzuzählen sind.7

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.9.1965 – 6 W 9/65, GRUR 1966, 691. 2 BGH, Beschl. v. 28.5.2020 – I ZB 25/18, WRP 2020, 1457. 3 Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 53; vgl. auch BPatG, Beschl. v. 17.12.2009 – 35 W (pat) 26/09 (zum Gebrauchsmuster). 4 BGH, Beschl. v. 28.5.2020 – I ZB 25/18, WRP 2020, 1457; a.A. BPatG, Beschl. v. 30.1.2019 – 30 W (pat) 802/17 (Regelwert von 100.000 t). 5 Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 53; vgl. auch BPatG, Beschl. v. 17.12.2009 – 35 W (pat) 26/09 (zum Gebrauchsmuster). 6 Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG, § 54 Rz. 8; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.4.2011 – X ZR 28/09, GRUR 2011, 757 (zur Nichtigkeitswiderklage bei Patenten). 7 Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG, § 54 Rz. 8.

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2. Teil

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Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB)

ZPO

c) Löschungs-Beschwerdeverfahren

2.912 Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Designlöschungs-Beschwerdeverfahren erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie in Patentnichtigkeitsverfahren, so dass der gemeine Wert des Designs maßgeblich ist.1 4. Streitwertbegünstigung

2.913 Gemäß § 51 Abs. 5 GKG, § 54 DesignG kann eine Streitwertbegünstigung gewährt werden. Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858 ff. nach.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.914 Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Designverletzers entspricht regelmäßig dem korrespondierenden Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche, weil deren wirtschaftliche Bedeutung den wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.2

Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB) 2.915 Nach § 1090 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, die den Begünstigten berechtigt, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen oder ihm eine sonstige Befugnis einräumt, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkt persönliche Dienstbarkeit). Sie ist bei der Streitwertbestimmung von der Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) abzugrenzen, wonach ein (dienendes) Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines (herrschenden) Grundstücks in bestimmter Weise belastet werden kann.

2.916 Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerte bei Klagen, deren Gegenstand beschränkt persönliche Dienstbarkeiten betreffen, sind nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. § 7 ZPO gilt nur für die Grunddienstbarkeit, nicht aber für die beschränkt persönliche, weil bei ihr kein herrschendes Grundstück vorhanden ist.

2.917 Ein dingliches Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) – s. hierzu auch das Stichwort „Wohnrecht“, Rz. 2.6002 ff. – ist grundsätzlich kein dem Miet- bzw. Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsrecht.3 Die Schätzung nach § 3 ZPO kann sich an der Wertstaffel des § 52 GNotKG4 oder § 41 GKG, nicht aber an § 9 ZPO orientieren.5 Bei der Löschung eines Wohnrechts ist der Rohbetrag anzusetzen, der dem Eigentümer durch die Wiedererlangung der freien Verfügung über den belasteten Gegenstand zufließt.6

2.918 Soll eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit für eine Abnahmeverpflichtung aus Getränkelieferungen bestellt werden, ist der vom Kläger zu erwartende Gewinn Ausgangspunkt der Bewertung, der auf der Grundlage des Umsatzes zu ermitteln ist.7 Einzelheiten für die Bewertung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten zum Betrieb von Tankstellen schlage man beim Stichwort „Tankstellendienstbarkeit“, Rz. 2.4726–2.4727 nach. 1 2 3 4 5

BPatG, Beschl. v. 16.6.1964 – 17 W 56/63, NJW 1964, 2371. BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. BGH, Beschl. v. 20.2.1986 – IX ZR 146/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 m. Anm. Schneider. AG Lahr, Beschl. v. 21.7.2005 – 2 C 260/03, AGS 2005, 355. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 20.7.2011 – 1 T 82/11. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 29.3.1984 – 7 W 29/84. 7 Siehe die Stichworte „Bierabnahmepflicht“, Rz. 2.786 ff. und „Abnahme von Sachen“, Rz. 2.48 ff.

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Dingliche Sicherung

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2. Teil

Der mittlerweile gängig verwendete Begriff „digitaler Nachlass“ beschreibt keine erbrechtliche Son- 2.919 derkategorie, sondern ist ein Sammelbegriff für die Gesamtheit des digitalen Vermögens, also neben Hardware und Software z.B. auch gespeicherte Daten (z.B. E-Books), Vertragsbeziehungen mit Telekommunikationsunternehmen und Internetanbietern, Zugangsberechtigungen, E-Mail-Accounts, Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken sowie Benutzerprofile im Internet. Der Übergang von Todes wegen richtet sich im Grundsatz nach den allgemeinen Regeln der Universalsukzession gem. § 1922 BGB.1 Die Erben können somit z.B. alle lokal durch den Erblasser gespeicherten Daten einsehen, sind aber auch berechtigt, in die Nutzerkonten, die der Verstorbene bei Online-Dienstanbietern (z.B. Social-Media-Accounts, Online-Bezahldienste) geführt hat, Einsicht zu nehmen und/oder seine Nutzerkonten weiter zu nutzen, zu löschen oder zu kündigen. Dementsprechend ist auch Auskunft über den digitalen Nachlass zu erteilen.2 Es gelten die Ausführungen unter „Auskunft“ (vgl. Rz. 2.481 ff.).

2.920

Der Streitwert einer Klage gerichtet auf Zugangsgewährung zu dem vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin vorgehaltenen Inhalten3 ist nach § 3 ZPO zu bemessen. Maßgeblich ist das im Einzelfall zu schätzende Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über den Account. Das LG Münster4 ist hinsichtlich des beabsichtigten Zugangs zu einem Account Apple ID: online.de in der iCloud von 10.000 t ausgegangen.

2.921

Dingliche Sicherung Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert eines Anspruchs auf dingliche Sicherung entspricht dem Nennbetrag der zu sichernden Forderung (§ 6 Satz 1 Halbs. 2 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Ist der Wert der verlangten Sicherheit geringer als der Nominalbetrag der Forderung, ist gem. § 6 Satz 2 ZPO deren Wert maßgebend. Unerheblich ist, ob die Sicherheit auf einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch gestützt wird und wie die Sicherheit geleistet werden soll (z.B. Sicherungsabtretung, Eintragung einer Grundschuld oder einer Vormerkung, Stellen einer Bürgschaft5).

2.922

Für die Gebührenerhebung berechnet man den Wert einer vertraglich vereinbarten Altenteilsforderung nicht nach deren dreieinhalbfachen Jahreswert gem. § 9 ZPO, sondern entsprechend § 51 Abs. 1 FamGKG nach dem Jahreswert, soweit sie eine gesetzliche Unterhaltspflicht erfüllen soll. Dieser Wert gilt dann auch für deren Sicherung.6

2.923

1 Grundlegend, die „Facebook-Entscheidung“ des BGH, Urt. v. 12.7.2018 – III ZR 183/17, MDR 2018, 1002. 2 BGH, Urt. v. 12.7.2018 – III ZR 183/17, MDR 2018, 1002. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 27.8.2020 – III ZB 30/20, NJW 2021, 160. 4 LG Münster, Versäumnisurt. v. 16.4.2019 – 14 O 565/18, MDR 2019, 1067. 5 Einzelheiten schlage man jeweils bei diesen Einzelstichwörtern nach. 6 LG Braunschweig, Beschl. v. 16.1.1959 – 7 T 194/58, Nds.Rpfl. 1959, 64; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 22. Wegen weiterer Einzelheiten s. das Stichwort „Altenteil“, Rz. 2.102 ff.

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Digitaler Nachlass

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2. Teil

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Direktanspruch

ZPO

Direktanspruch 2.924 Siehe das Stichwort „Versicherungsschutz“, Rz. 2.5439, 2.5440.

Dividende 2.925 Dividenden (Gewinnanteile) sind Anteile am Jahresgewinn einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft, die unter den Mitgliedern der betreffenden Vereinigung zu verteilen sind (z.B. § 58 Abs. 4, § 60 AktG, § 29 GmbHG). Im Aktienrecht gelten Dividenden als Früchte der Aktie (§ 99 BGB),1 so dass sie bei Streit über das Aktionärsrecht gem. den § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO bei der Berechnung des Streitwerts außer Ansatz bleiben.2

2.926 Von den Dividenden zu unterscheiden ist das Bezugsrecht (Gewinnrecht) des Aktionärs. Es ist ein gesetzliches Recht auf Bezug neuer Aktien bei einer Kapitalerhöhung (§ 186 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dieses Bezugsrecht ist streitwertmäßig selbständig, erhöht also den Wert und ist nicht als wertmäßig unerhebliche „Frucht“ i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO anzusehen.3

Drittauskunft Literatur: Enders, Ist der Vollstreckungsauftrag auf Einholung Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners (§ 802l ZPO) eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit?, JurBüro 2015, 617; Klüsener, Verfahrensgebühr für den Antrag auf Einholung von Drittauskünften; Volpert, Vergütung des Gläubigeranwalts für das Einholen von Drittauskünften, AGS 2019, 2.

A. Zuständigkeit 2.927 Unter den Voraussetzungen des § 802l ZPO kann der Gläubiger Auskünfte von den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern über Arbeitsverhältnisse des Schuldners, vom Bundeszentralamt für Steuern über dessen Bankkonten und vom Kraftfahrt-Bundesamt über von ihm gehaltene Kraftfahrzeuge bekommen. Diese Drittauskünfte holt gem. § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 802e Abs. 1, § 802l Abs. 1 ZPO stets der Gerichtsvollzieher ein. Drittauskünfte können unabhängig von der Höhe der Gläubigerforderung eingeholt werden. Der früher nach § 802l Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 ZPO a.F. erforderliche Mindestbetrag von 500 t ist zum 26.11.2016 entfallen.4 Man braucht daher keinen Zuständigkeitsstreitwert zu berechnen.

B. Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren 2.928 Es ist kein Streitwert festzusetzen, weil für die Einholung der Drittauskünfte keine Gerichtsgebühren erhoben werden. Der Gerichtsvollzieher erhält für die Erhebung von Daten bei den in § 802l Abs. 1 ZPO genannten Stellen eine Festgebühr nach Nr. 440 KV GvKostG. Die Gebühr fällt gem. § 10 Abs. 2 1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2000 – 11 Wx 108/00, MDR 2001, 455, OLGR 2001, 44; OLG Bremen, DB 1970, 1436. 2 RG, Gruchot, Bd. 52, 1095; OLG München, SeuffArch Bd. 72, 189. 3 OLG München, OLGE 35, 22; KG, OLGE 24, 140. 4 BGH, Beschl. v. 21.6.2017 – VII ZB 17/14, DGVZ 2017, 174.

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Drittschuldner

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2. Teil

ZPO

Satz 3 Nr. 3 GvKostG mehrfach, an, wenn er bei mehreren der Stellen Auskünfte anfordert. Für die Übermittlung der Daten nach § 802l Abs. 4 ZPO erhält er eine Festgebühr nach Nr. 442 KV GvKostG.

C. Anwaltsgebühren I. Gegenstandswert Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 RVG in der ab dem 1.1.2021 geltenden Fassung bestimmt man den 2.929 Gegenstandswert für die 0,3fache Anwaltsgebühr (Nr. 3309 VV RVG) nach dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird. Maßgebend ist daher der Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird. Wenn der titulierte Forderungsbetrag durch Zahlung vermindert worden ist, bestimmt nur der verminderte Betrag den Gegenstandswert, da es nicht auf die Titulierung, sondern darauf ankommt, wie hoch die titulierte Schuld noch ist. Der Wert ist aber auf höchstens 2.000 v begrenzt. Beispiel: Eine Forderung von 4.000 t nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 250 t wurde tituliert. Der Schuldner zahlt 1.000 t, die zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet werden. Das folgende Verfahren auf Einholung der Drittauskünfte hat – wegen der ab dem 1.1.2021 geltenden Wertgrenze – einen Gegenstandswert von 2.000 t.

2.929a

War das Mandat zur Einholung der Drittauskünfte bereits bis zum 31.12.2020 erteilt, bemisst sich der Gegenstandswert für die 0,3fache Anwaltsgebühr der Nr. 3309 VV RVG dagegen nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG und die Wertgrenze des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG (a.F.) ist nicht anwendbar.1

2.930

Beispiel: Eine Forderung von 4.000 t nebst Zinsen i.H.v. insgesamt 250 t wurde tituliert. Der Schuldner zahlt 1.000 t, die zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet werden. Das folgende Verfahren auf Einholung der Drittauskünfte hat einen Gegenstandswert von 3.250 t. Die Obergrenze von 2.000 t gilt bei bis zum 31.12.2020 erteilten Mandaten nicht.

2.930a

II. Mehrere Vollstreckungshandlungen Das Verfahren zur Einholung der Drittauskünfte ist eine besondere Angelegenheit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG.2 Die Einholung von Drittauskünften bei mehreren der in § 802l Abs. 1 ZPO genannten Stellen mit gleicher Zweckrichtung ist nur eine Angelegenheit.3 Die Vollstreckung in das Schuldnervermögen nach Erhalt der Auskunft ist dagegen eine neue Angelegenheit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG.4 Ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO sind zwei Angelegenheiten, die jeweils eine Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG auslösen. Das gilt auch dann, wenn die Anträge gleichzeitig gestellt werden.5

2.931

Drittschuldner 2.932

Siehe das Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3884 ff.

1 BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17, MDR 2019, 189; BGH, Beschl. v. 28.3.2019 – I ZB 81/18; Klüsener, JurBüro 2019, 169, 170. 2 BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17, MDR 2019, 189. 3 Volpert, AGS 2019, 2, 4. 4 Volpert, AGS 2019, 2, 4; a.A. Enders, JurBüro 2015, 617, 619. 5 BGH, Beschl. v. 28.3.2019 – I ZB 81/18.

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2. Teil

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Drittwiderspruchsklage

ZPO

Drittwiderspruchsklage A. Einleitung 2.933 Mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) kann ein Dritter im Rahmen der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage geltend machen, dass ihm an dem Vollstreckungsgegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.934 Bei der Drittwiderspruchsklage aus § 771 ZPO ist der Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berechnen.1 Maßgeblich ist also die Höhe der Forderung, für die gepfändet wurde, es sei denn, dass der Wert des gepfändeten Gegenstands geringer ist.2

I. Wert der Forderung 2.935 Maßgebend für die Wertberechnung ist die Höhe der Forderung zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).3 Titulierte Nebenforderungen, insbesondere also Zinsen und Kosten, bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.4

2.936 Diese Bemessungsgrundlage gilt auch dann, wenn der Drittwiderspruchskläger nur Sicherungseigentümer ist. Denn die Abrede, die übereignete Sache nur in bestimmter Höhe in Anspruch zu nehmen, vermindert den Streitwert nicht. Durch eine solche Vereinbarung wird der Sicherungseigentümer nämlich nur schuldrechtlich gebunden. Seine Stellung als (Voll-)Eigentümer bleibt davon unberührt. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, wegen einer solchen Abrede den Streitwert lediglich nach der Höhe der Forderung des Widerspruchsklägers zu berechnen, denn diese ist nicht in Streit.5

2.937 Geben die Parteien den Betrag der Forderung verschieden an, dann ist auf den Betrag abzustellen, wegen dessen das Pfandrecht beansprucht wird. Auf den Betrag, den der Widerspruchskläger als richtig zugibt oder der sich später objektiv als richtig herausstellt, kommt es dann nicht an.6

2.938 Soweit in der Zeit zwischen Zwangsvollstreckung und Erhebung der Drittwiderspruchsklage Zahlungen auf die Forderung erfolgen, verringern diese den Streitwert und sind vom ursprünglichen Wertansatz abzuziehen.7 Wird der Anspruch des Gläubigers zwischen Zwangsvollstreckung und Erhebung der Drittwiderspruchsklage des Berechtigten auf andere Weise als durch Zahlungen des Schuldners teilweise getilgt, z.B. durch Zufließen von Verwertungserlösen, dann vermindert auch dies den Streitwert.8 Soweit bei Zustellung der Klage die Forderung bereits teilweise getilgt war, ist daher nur

1 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547; BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246. 2 BGH, Beschl. v. 9.2.2017 – IX ZR 142/16, JurBüro 2017, 263; BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.9.1991 – 11 U 15/91. 3 KG, Rpfleger 1962, 426; OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 4 BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZR 69/05; BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246. 5 KG, Rpfleger 1962, 155; vgl. aber zum Herausgabeanspruch des Sicherungsgebers gegen den Sicherungsnehmer das Stichwort „Sicherungsübereignung“, Rz. 2.4534 (die geringwertigere Forderung ist maßgebend). 6 OLG Kiel, JW 1932, 2901 Nr. 18. 7 KG, Rpfleger 1962, 426; OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 8 OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179.

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Drittwiderspruchsklage

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2. Teil

Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlags- 2.939 beschluss in der Grundstücks-Zwangsversteigerung (§ 93 ZVG), so ist bei der Berechnung des Streitwertes zu differenzieren: – Beruft sich der Drittwiderspruchskläger auf einen Miet- oder Pachtvertrag als das „die Veräußerung hindernde Recht“, so ist der Wert nach § 41 GKG und nicht nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.2 Das erklärt sich daraus, dass nach § 57 ZVG der Grundsatz des § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) gilt, wenn das ersteigerte Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen war.3 – Geht es lediglich um den Besitz (die Nutzung) des Grundstücks, ohne dass der Nutzende sich auf einen Miet- oder Pachtvertrag als Besitzrecht beruft, ist die Drittwiderspruchsklage nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen.4 Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen mehrfache Pfändungen desselben Gläubigers, dann ist der Wert der Forderung, derentwegen gepfändet wurde, nur einmal anzusetzen.5

2.940

II. Wert des Pfandgegenstands Auf den Wert des Pfandgegenstands ist bei der Streitwertbemessung abzustellen, wenn dieser geringer ist als die Forderung des Pfändungsgläubigers.

2.941

Beispiel: Der Gläubiger hat eine Forderung i.H.v. 10.000 t. Er lässt in der Wohnung des Schuldners einen Fernseher pfänden. Hier ist bei der Wertberechnung der (geringere) Wert des Fernsehers zugrunde zu legen.

2.942

Bei gepfändeten Sachen ist der Verkehrswert (gewöhnlicher Verkaufswert) maßgebend, nicht der voraussichtliche Versteigerungserlös.6

2.943

Richtet sich die Widerspruchsklage gegen einen Gläubiger, der im Anschluss an andere Gläubiger 2.944 (nachrangig) gepfändet hat, sind bei der Bewertung des Pfandgegenstandes die vorhergehenden Pfandrechte nicht abzuziehen.7 Die Versteigerung des Pfandgegenstandes unter Wert verändert den Streitwert nicht.8 Das gilt umgekehrt auch bei einem höheren Erwerbspreis: Hat das Gericht bei der Streitwertbemessung einer Drittwiderspruchsklage hinsichtlich der in einer Wohnung gepfändeten Hausratsgegenstände auf den Wert der Pfandstücke abzustellen, so kommt es selbst dann nicht auf den Erwerbspreis der Gegenstände an, wenn diese vor ganz kurzer Zeit erworben und bisher noch nicht benutzt worden sind.

1 2 3 4 5 6 7 8

OLG München, OLGE 23, 65. OLG Celle, KostRsp. GKG § 16 Nr. 52 m. Anm. Schneider. Anders: LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403. LG Kassel, Beschl. v. 9.3.1987 – 2 T 106/87, Rpfleger 1987, 425; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 5.7.1989 – 81 T 462/89, Rpfleger 1990, 35. LG Ellwangen, JW 1929, 886. BGH, Beschl. v. 9.2.2017 – IX ZR 142/16, JurBüro 2017, 263; BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83 = WM 1991, 1656; KG, Rpfleger 1956, 90. BGH, Beschl. v. 7.7.1952 – IV ZR 1/52, NJW 1952, 1335; LG Essen, Urt. v. 4.1.1956 – 1 S 468/55, NJW 1956, 1033. OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 25.

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2.945

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der Restbetrag wertbestimmend.1 Zahlungen nach Klageerhebung beeinflussen wegen § 40 GKG den Streitwert nicht mehr.

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2. Teil

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Drittwiderspruchsklage

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Entscheidend ist vielmehr stets der für den Zeitpunkt der Klageerhebung zu ermittelnde gewöhnliche Verkaufswert.1

2.946 Wertmäßig nicht zu beachten ist weiter die Einrede der Anfechtung nach dem AnfG, die der Beklagte gegenüber dem als Widerspruchskläger auftretenden Abtretungsempfänger einer Forderung geltend macht (vgl. auch das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1065 ff.).

III. Mehrere Gläubiger oder Gegenstände 1. Pfändung desselben Gegenstandes

2.947 Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen denselben Gegenstand oder dieselben Gegenstände gepfändet, dann berechnen sich die Gerichtskosten für die gegen die Gläubiger erhobene Drittwiderspruchsklage nach der Summe der Forderungen (§ 5 ZPO), sofern nicht der Wert des Pfandes oder der Pfänder geringer ist (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).2

2.948 Beispiel: A, B und C haben jeweils Forderungen i.H.v. 10.000 t gegen den Schuldner. Sie pfänden das neue Mercedes-Cabrio, das sich in der Garage des Schuldners befindet. Der angebliche Eigentümer D erhebt Drittwiderspruchsklage gegen sämtliche Titelgläubiger. Der Wert für die Gerichtsgebühren beläuft sich auf 30.000 t.

2.949 Der Wert für die Anwaltsgebühren entspricht dem Wert für die Gerichtskosten, soweit mehrere Beteiligte einer Parteiseite durch denselben Anwalt vertreten werden. Bei Beauftragung mehrerer Anwälte hat jeder so abzurechnen, wie es seinem Auftragsverhältnis entspricht.3

2.950 Hat also jeder Beklagte einen eigenen Anwalt, so müssen diese ihre Gebühren nach dem Wert der jeweiligen Beteiligung des Auftraggebers abrechnen. Der Streitwert bemisst sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Forderung oder des geringerwertigen Pfandes.4

2.951 Beispiel: Im obigen Beispiel können die Anwälte von A, B und C ihre Gebühren jeweils aus einem Gegenstandswert von 10.000 t berechnen.

2.952 Haben einzelne Beklagte denselben Anwalt, so sind die nach § 6 ZPO zu ermittelnden Einzelwerte bezüglich des gemeinsamen Anwaltes für dessen Gebührenberechnung nach § 5 ZPO, § 22 Abs. 1 RVG zu addieren.

2.953 Beispiel: Im obigen Beispiel kann der gemeinsame Anwalt von A und B seine Gebühren aus einem Wert von 20.000 t berechnen, der Anwalt des C aus einem Wert von 10.000 t.

2. Pfändung verschiedener Gegenstände

2.954 Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen verschiedene Gegenstände gepfändet, dann darf der Wert der Drittwiderspruchsklage wegen § 6 Satz 2 ZPO nicht höher sein als der Gesamtwert der gepfändeten Sachen. Deshalb sind zur Ermittlung des Gerichtskostenwertes zunächst bei jedem Gläubiger Forderung und Pfand zu vergleichen und der geringere Wert ist anzusetzen. Danach sind die so ermittelten Werte zu summieren. Bei dieser Berechnungsweise kann der Gesamtwert unterhalb der Pfandobjekte liegen, deren Wert auch erreichen, niemals aber ihn übersteigen. Der Wert für die Anwaltsgebühren entspricht dem Wert für die Gerichtskosten, soweit mehrere Betei1 OLG Celle, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 35. 2 BGH, Urt. v. 18.9.1952 – III ZR 144/51, NJW 1952, 1335; OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 25; OLG München, Beschl. v. 29.7.1988 – 21 W 2168/88, JurBüro 1989, 848. 3 OLG München, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 120 m. Anm. Schneider = JurBüro 1989, 848. 4 OLG München, JurBüro 1973, 737; OLG München, JurBüro 1977, 1421; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 152.

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Drittwiderspruchsklage

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2. Teil

ZPO

ligte einer Parteiseite durch denselben Anwalt vertreten werden. Bei Beauftragung mehrerer Anwälte hat jeder so abzurechnen, wie es seinem Auftragsverhältnis entspricht. 3. Pfändung teilweise derselben Gegenstände Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen teils dieselben, im Übrigen aber verschiedene Gegenstände gepfändet, dann sind zunächst bei jedem Gläubiger dessen Forderung und die von ihm gepfändeten Gegenstände zu vergleichen, um den geringeren Wert als Streitwert zu ermitteln; die so ermittelten Einzelwerte sind dann zusammenzurechnen und machen den Gesamtstreitwert aus.1

2.955

Dabei werden jedoch Pfandgegenstände, in die mehrere Gläubiger vollstreckt haben, nur einmal an- 2.956 gesetzt. Die Wertaddition kommt also nur hinsichtlich solcher Gegenstände in Betracht, in die von verschiedenen Gläubigern nur jeweils einmal vollstreckt worden ist. Bei der Drittwiderspruchsklage mehrerer Kläger gegen mehrere Beklagte ist entsprechend zu berechnen.

IV. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 2.957

Siehe das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100 ff.

V. Unechte Drittwiderspruchsklage Die Regelung des § 771 ZPO wird entsprechend auf die Klagen angewandt, mit denen geltend ge- 2.958 macht wird, es fehle an einem Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft an einem Grundstück durch Zwangsversteigerung gem. § 180 Abs. 1 ZVG zu bewirken (sog. unechte Drittwiderspruchsklage)2. In diesen Fällen liegt der Vollstreckung weder ein Pfandrecht noch eine Forderung zugrunde, derentwegen gepfändet worden ist, so dass für den Streitwert nicht gem. § 6 ZPO der Gesamtwert des Grundstücks entscheidend ist. Vielmehr ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf das Interesse des Klägers abzustellen, der verhindern will, dass das Grundstück verschleudert wird.3

2.959

Das Klägerinteresse ist in diesen Fällen in der Regel in Höhe eines Bruchteils des Grundstückswertes anzusetzen, wobei Werte zwischen 10 %4 und 20 %5 vom Verkehrswert des auf den Kläger entfallenden Miteigentumsanteils vertreten werden. Ausnahmsweise kann der volle Wert angesetzt werden, wenn der Kläger sich Besitz und wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sichern wollte.6

2.960

Auch ein mögliches affektives oder ideelles Interesse des Klägers kann berücksichtigt werden, jedoch nicht durch Erhöhung des Bruchteils vom Grundstückswert.7 Das OLG Karlsruhe8 hat dieses Affektionsinteresse mit einem Viertel des berechneten Bruchteils vom Grundstückswert, also mit 5 % zusätzlich angesetzt.

2.961

1 RG JW 1909, 730 Nr. 29; OLG Hamm JW 1933, 539 Nr. 19. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598 m. Anm. Mümmler; vgl. auch das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“, Rz. 2.275 ff. 3 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598 m. Anm. Mümmler. 4 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2003 – 2 WF 136/03, FamRZ 2004, 1221; OLG Celle, Beschl. v. 20.5.1994 – 13 W 29/94, OLGR Celle 1994, 96. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.7.1991 – 2 WF 72/91, JurBüro 1991, 1694; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598. 7 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2003 – 2 WF 136/03, FamRZ 2004, 1221.

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Duldungsklage

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C. Rechtsmittel und Beschwer 2.962 Die Berufungsbeschwer des Klägers entfällt, wenn der Gläubiger nach Urteilserlass und vor Einlegung der Berufung die Freigabe der gepfändeten Sachen erklärt und den Schuldner zur Entfernung der Pfandzeichen ermächtigt (Berufung des Gläubigers nur aus Kosteninteresse).1 Bei der unechten Drittwiderklage ist zu beachten, dass sich die Beschwer des Beklagten nach dem Verlust der Möglichkeit bemisst, sich an dem gepfändeten Gegenstand oder der gepfändeten Forderung zu befriedigen zu können. Maßgeblich ist daher der Wert seiner angeblichen Forderung bzw. der geringere Wert des gepfändeten Gegenstandes.2

Duldungsklage A. Anzuwendende Vorschriften . . . . . . . . 2.963

III. Duldung der Zwangsvollstreckung . . . . 2.969

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.965

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . 2.976

C. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.975

I. Duldung einer Handlung . . . . . . . . . . . 2.967 II. Duldung der Wegnahme von Sachen . . . 2.968

A. Anzuwendende Vorschriften 2.963 Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB). Hierbei rechnet zum Unterlassen auch das Dulden als ein Nichttun gegenüber dem Eingriff eines anderen in die eigene Rechts- und Machtsphäre. Die auf Erzwingung der Duldung gerichtete Klage ist eine Leistungsklage.3

2.964 Gegenstand gesetzlicher Duldungspflichten sind beispielweise das Gestatten, ein Grundstück zu betreten (§ 867 BGB), oder die Hinnahme der Zwangsvollstreckung in einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand (§ 2213 Abs. 3 BGB) oder die Vollstreckung wegen Vermögensübernahme nach § 419 BGB zu dulden,4 und dergleichen. Selbstverständlich kann die Duldungspflicht auch durch individuellen Vertrag begründet werden (§ 305 BGB).

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.965 Für die Streitwertbestimmung im Einzelfall ist maßgebend, welche konkrete Duldung erzwungen werden soll.

2.966 Wird in demselben Rechtsstreit im Wege der objektiven Klagehäufung auf Leistung und zugleich auf Duldung die Leistung betreffender Handlungen geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nur nach dem Wert des Leistungsanspruchs; es liegt eine wirtschaftliche Identität der Ansprüche vor,5 die eine Wertaddition ausschließt.6 1 OLG Hamm, Urt. v. 5.3.1991 – 19 U 234/90, NJW-RR 1991, 1343 – Erledigung zwischen den Instanzen, s. auch BGH, Urt. v. 16.11.1993 – X ZR 7/92, MDR 1994, 1185 = NJW 1994, 942. 2 BGH, Beschl. v. 26.6.1997 – IX ZR 59/97, WM 1997, 2049. 3 Zöller/Greger, vor § 253 ZPO Rz. 3. 4 BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 281/82, NJW 1984, 793 = MDR 1984, 393. 5 Siehe dazu Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rz. 4; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8. 6 OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2001 – 4 AR 79/01, OLGR 2002, 11; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklage“ Rz. 4; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.55.

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Duldungsklage

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2. Teil

Wird darauf geklagt, dass der Beklagte eine Handlung zu dulden habe, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Vornahme der Handlung und ist in der Regel gem. § 3 ZPO frei zu schätzen.1 Dabei ist regelmäßig auf den Erfolg bzw. das Ziel der beabsichtigten Maßnahme abzustellen.2

2.967

II. Duldung der Wegnahme von Sachen Besteht die vom Beklagten zu duldende Handlung hingegen in der Wegnahme eingebauter Sachen, richtet sich der Streitwert – wie bei der Klage auf Herausgabe des Besitzes – in der Regel nach § 6 ZPO. Maßgebend ist der Verkehrswert, den die Sachen nach ihrer Trennung vom Gebäude oder vom Grundstück haben, nicht der Betrag der Kosten, der nach Wegnahme zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufzubringen ist.3 Hierbei ist zu beachten, dass der ansonsten übliche Wert dieser Sachen schon aufgrund der Trennung gemindert sein dürfte.

2.968

III. Duldung der Zwangsvollstreckung Ist die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 7 AnfG, §§ 737, 1134, 2213 BGB) gerichtet, dann findet § 6 ZPO entsprechende Anwendung. Der Streitwert der Vollstreckungs-Duldungsklage bestimmt sich nach der Höhe der Forderung, zu deren Realisierung vollstreckt wird.4

2.969

Abweichend hiervon hat das OLG Celle5 den Wert auf 1/10 des Forderungsbetrages festgesetzt, dessentwegen Duldung eingeklagt war. Die Besonderheit war hier jedoch, dass mit der Klage nicht Befriedigung begehrt wurde, sondern der Beklagte für den Fall nicht vertragsgerechter Rückzahlung einer Darlehensschuld unter den Druck sofortiger Vollstreckbarkeit gestellt werden sollte.

2.970

Nur dann, wenn der Wert der Forderung, wegen der vollstreckt werden soll, höher ist als der Wert des Vollstreckungsobjekts, ist gem. § 6 Satz 2 ZPO der geringere Wert bestimmend.6

2.971

Da dingliche Belastungen auch bei Erfolg der Duldungsklage die Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers 2.972 schmälern, müssen sie vom Verkehrswert abgezogen werden.7 Mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist es unvereinbar, dabei zwischen dauernden und nur vorübergehenden Belastungen zu unterscheiden. Auch ablösbare, aber nicht abgelöste Grundpfandrechte schmälern das Verwertungsrecht des Duldungsklägers, so dass § 6 Satz 2 ZPO eingreift. Das OLG Bamberg hat in einer späteren Entscheidung8 seine zutreffende Auffassung aufgegeben und die Abzugsfähigkeit von Grundschuldbeträgen verneint. Dabei ging es um die Bemessung des Streitwerts einer Rückauflassungsklage.

1 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, OLGR 2000, 248; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rz. 1; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.55. 2 OLG Saarbücken, Beschl. v. 26.2.2020 – 5 W 10/20; JurBüro 2020, 302: Erhalt der Funktionsfähigkeit bei beabsichtigter Wartung. 3 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 196. 4 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, NJW-RR 1999, 1080; LG Gera, Urt. v. 19.12.2007 – 3 O 1009/06, NotBZ 2009, 34; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rz. 3. 5 OLG Celle, Beschl. v. 16.4.1992 – 4 W 14/92, Nds.Rpfl. 1992, 142. 6 OLG Stuttgart, Urt. v. 1.4.1998 – 9 U 246/97, OLGR 1998, 227; OLG Frankfurt, OLGE 31, 4; OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – I W 130/89, JurBüro 1990, 773.

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I. Duldung einer Handlung

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2. Teil

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Duldungsklage

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2.973 Bei der Bemessung des Streitwertes sind Zinsen und Kosten der Forderung mit in Ansatz zu bringen.1 § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO stehen dem nicht entgegen, da „Hauptanspruch“ (§ 43 Abs. 1 GKG) nicht die Forderung, deretwegen vollstreckt wird, sondern der Duldungsanspruch ist.

2.974 Demgegenüber bleiben die Kosten der Befriedigung der auf dem Grundstück gerichteten Rechtsverfolgung bei der Festsetzung des Streitwertes außer Betracht.2

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.975 Während für die Beschwer des unterliegenden Klägers auf dessen Interesse an der Vornahme der Handlung3 und damit auf den Gebührenstreit (formelle Beschwer) abzustellen ist, ist für die Beschwer des unterliegenden Beklagten dessen wirtschaftliches Interesse an der Abwehr des geltend gemachten Duldungsanspruchs in die mit der Vornahme der Handlung verbundene wirtschaftliche Einbuße maßgebend.4

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 2.976 Klagt ein Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz gegen denjenigen, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben, aber wieder veräußert hat, gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung, dann werden die Ansprüche nicht zusammengerechnet.5 Hingegen sind hier Zinsen und Kosten bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen.6

2.977 Der Streitwert der auf Duldung einer Besichtigung gerichteten Klage bemisst sich nach dem Interesse des Klägers; der Streitwert ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung zu ermitteln. Für die Beschwer des verurteilten Beklagten sind die ihm mit der Besichtigung entstehenden Kosten maßgeblich. In Betracht kommen der Verdienstausfall, der dem Beklagten entsteht, weil er bei der Besichtigung anwesend sein will, oder etwaige mit der Begutachtung verbundene Eingriffe in die Bausubstanz.7 Siehe auch unter dem Stichwort „Besichtigung“, Rz. 2.724.

2.978 Eine auf Duldung der Unterbrechung der Energieversorgung bzw. Wegnahme erforderlicher Messund Regeleinrichtungen gerichtete Klage des Versorgungsträgers ist keine mietrechtliche Streitigkeit und daher gem. §§ 3 ff. ZPO zu bewerten. Zutreffend dürfte sein, auf das Interesse des Versorgers an der Verhinderung einer weiteren Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen8 und damit für den 1 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, NJW-RR 1999, 1080; a.A. OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.4.1998 – 9 U 246/97, OLGR 1998, 227. 2 BGH, Beschl. v. 30.11.1954 – V ZR 149/54, LM Nr. 6 zu § 3 ZPO. 3 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742. 4 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765 – Besichtigung; BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647; BGH Beschl. v. 22.5.2002 – VIII ZR 217/01, ZfIR 2003, 265: Duldung der Verlegung von Versorgungsleitungen; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 549/99, AnwBl. 2000, 264. 5 OLG Frankfurt, MDR 1955, 496. 6 BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435. 7 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264. 8 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13 W 17/10; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NJW-RR 2010, 14; LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596.

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Duldungsklage

2. Teil

Wird mit der Leistungsklage gegen Erben zugleich die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen deren Testamentsvollstrecker erhoben, dann ist wegen wirtschaftlicher Identität nur der Streitwert der Leistungsklage in Anwendung des § 5 ZPO anzusetzen, der Duldungsantrag dagegen streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen.5

ZPO

Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 3 ZPO bzw. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf den Jahresbetrag einer künftigen Nutzung abzustellen, der auf Grundlage der zu leistenden Vorauszahlungen berechnet werden kann.1 Das gilt auch dann, wenn die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – notwendigerweise mit einer Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen verbunden ist.2 Abweichend ist zu bewerten, wenn die Klage nicht auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen z.B. zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen.3 Der bereits aufgelaufene Zahlungsrückstand ist als Anknüpfungspunkt nicht geeignet, weil er weder in einer Beziehung zum Umfang des weiter drohenden Ausfalls steht noch durch die begehrte Versorgungsunterbrechung verringert wird.4 Siehe ausführlich unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238.

2.979

Werden im Streitgenossenprozess Leistungsbeklagter und Duldungsbeklagter durch denselben An- 2.980 walt vertreten, dann schuldet, da der Streitwert für Leistungs- und Duldungsbegehren deckungsgleich ist, jeder Streitgenosse gesamtschuldnerisch mit dem anderen dem gemeinsamen Anwalt die Gebühren nach dem nämlichen Wert.6 Ein besonderer Streitwert für die abgewiesene Duldungsklage braucht deshalb nicht festgesetzt zu werden.7 Für eine Klage auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit, hier eines Wege- und Überfahrrechtes, ist der Streitwert gem. §§ 3, 7 Alt. 1 ZPO analog danach zu bemessen, welchen Wert die begehrte Nutzung für das begünstigte Grundstück hat.8 Ist die Wertminderung durch die Belastung für das betroffene Grundstück größer, ist auf diesen Wert abzustellen.9 Die besonderen Verhältnisse in den Bundesländern des Beitrittsgebietes rechtfertigen keinen abweichenden Bewertungsmaßstab.10 Siehe auch das Stichwort „Grunddienstbarkeit“, Rz. 2.1965.

2.981

Der Streitwert einer Klage auf Duldung der Benutzung eines Grundstücks zur Herstellung der er- 2.982 forderlichen Verbindung mit einem öffentlichen Weg (Notweg) bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der zu duldenden Handlung. Maßgebend ist die Wertsteigerung, die das klägerische Grundstück durch die Gewährung des Notwegrechts erfährt.11 Für deren Berechnung sind die mit der Errich1 OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 77/09, n.v.; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; LG Itzehoe, Beschl. v. 9.4.2008 – 9 T 20/08, ZMR 2008, 799; LG Köln, Beschl. v. 3.8.2007 – 13 T 132/07, IR 2008, 42 (Ls.). 2 Zutreffend LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstweiliger Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG HamburgBergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596; a.A. AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NJW-RR 2003, 949: Verkehrswert der Messeinrichtung; AG Nürnberg, Urt. v. 22.2.2001 – 20 C 567/01, NZM 2002, 144. 3 LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern 2008, 23. 4 Zutreffend AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09. 5 KG, AnwBl. 1979, 229. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 316. 7 KG, JW 1933, 2074; OLG Stettin, JW 1926, 868. 8 BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZR 21/17, Grundeigentum 2018, 323. 9 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 18/03, MDR 2004, 296; vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2006 – 5 W 666/09, JurBüro 2010, 200 – Herstellungskosten zzgl. des 3 1/2fachen der jährlichen Notwegrente für Klage auf dessen Einräumung. 10 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 18/03, MDR 2004, 296; a.A. OLG Jena, OLG-NL 2001, 263. 11 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; OLG Jena, Beschl. v. 20.10.1998 – 3 W 626/98, JurBüro 1999, 196.

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2. Teil

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Durchsuchungsanordnung

tung und Unterhaltung des Notwegs verbundenen Kosten und die Höhe der Notwegrente ohne Bedeutung.1 Dagegen bestimmt sich die Beschwer des zur Duldung verurteilten Beklagten nach der Wertminderung, die sein Grundstück durch die Pflicht zur Duldung des Notwegs erfährt.2 Eine zu seinen Gunsten ausgeurteilte Notwegrente bleibt unberücksichtigt.3

2.983 Der Klageanspruch auf Duldung der Wertschätzung eines Hausgrundstücks durch einen Sachverständigen ist nach den Grundsätzen für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs zu beziffern; maßgebend ist daher das Bewertungsinteresse des Klägers, nicht das Duldungsinteresse des Beklagten.4 Für die Berechnung der Beschwer des Beklagten sind die Kosten der zu duldenden Maßnahme unerheblich, weil der Gegner sie als Auftraggeber und Beweisführer zu tragen hat. Zu berücksichtigen ist jedoch der Verdienstausfall des Beklagten, wenn er wegen der Begutachtung unbezahlten Urlaub nehmen muss. Hingegen bleiben die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts unberücksichtigt, da sich die Auskunftsverurteilung nicht darauf erstreckt, sondern sich in der Pflicht erschöpft, den Zutritt zum Grundstück zu dulden.5

2.984 Da die Zwangsverwaltung sich nicht auf einen Forderungsbetrag beschränkt, sondern das zu verwaltende Objekt allgemein erfasst, ist bei einer Klage auf Duldung der Zwangsverwaltung und auf Herausgabe des Grundstücks an den Zwangsverwalter der Grundstückswert maßgebend, nicht der niedrigere Wert der Forderung des klagenden Gläubigers.6

2.985 Die Beschwer des zur Duldung eines bestimmten Mietgebrauchs verurteilten Vermieters bestimmt sich nach dem Wertverlust, den er durch die Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet.7 Zur Duldung von Modernisierungsarbeiten durch den Mieter s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3093 f.

2.986 Rechtsstreitigkeiten, bei denen sich erst in der Zwangsvollstreckung eine Haftungsbeschränkung ergeben kann (vgl. §§ 781, 786 ZPO), sind nicht wie Duldungsklagen zu bewerten. Bei ihnen ist ohne Rücksicht auf den Wert der Haftungsmasse lediglich der Zahlungsanspruch wertbestimmend, der durchgesetzt werden soll.8

Durchsuchungsanordnung A. Zuständigkeitsstreitwert 2.987 Der Gerichtsvollzieher darf die Wohnung des Schuldners gegen dessen Willen nur betreten und durchsuchen, wenn eine richterliche Durchsuchungsanordnung vorliegt. Die Durchsuchungsanordnung erlässt gem. § 758a Abs. 1 Satz 1 ZPO das AG. Seine Zuständigkeit ist streitwertunabhängig.

1 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 24.4.2002 – 11 W 149/02; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2009 – 5 W 666/09, JurBüro 2010, 199; OLG Köln, Beschl. v. 23.8.2010 – 2 W 58/10, JurBüro 2011, 262; OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2013 – 3 W 25/12, Grundeigentum 2013, 1002. 2 BGH, Beschl. v. 7.7.2016 – V ZR 11/16, NJW-RR 2017, 209; BGH, Beschl. v. 18.6.2015 – V ZR 234/14, Grundeigentum 2015, 1156; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZR 29/12. 3 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.9.1986 – 7 WF 50/86, JurBüro 1987, 427. 5 BGH, Beschl. v. 30.10.1991 – XII ZB 127/91, NJW-RR 1992, 188. 6 LG Hamburg, JW 1935, 878 Nr. 7. 7 BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – VIII ZB 66/18, MDR 2019, 983 – Transparent an der Hausfassade. 8 RGZ 54, 411; RGZ 137, 50.

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Durchsuchungsanordnung

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2. Teil

ZPO

B. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren Das Verfahren auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung ist gerichtsgebührenfrei.1 Es ist daher kein Streitwert von Amts wegen festzusetzen.

2.988

II. Gerichtsvollziehergebühren Die Durchsuchung verursacht grundsätzlich keine Gerichtsvollziehergebühren, weil sie kostenrecht- 2.989 lich Teil der zugrunde liegenden Vollstreckungshandlung ist.2 Die Auslagen für die Hinzuziehung von Dritten bei der Durchsuchung sind dem Gerichtsvollzieher nach Nr. 704 KV GVKostG zu erstatten. Die Gerichtsvollziehergebühren der Vollstreckungshandlung verdoppeln sich nach § 11 GVKostG, wenn die Durchsuchung auf Verlangen des Gläubigers in der Nachtzeit des § 758a Abs. 4 Satz ZPO, samstags, sonn- oder feiertags erfolgt.

III. Anwaltsgebühren Ist der Rechtsanwalt ohnehin mit der Zwangsvollstreckung beauftragt, erhält er die 0,3fache Gebühr 2.990 des Nr. 3309 VV RVG nur einmal. Der Antrag, eine Durchsuchungsanordnung zu erlassen, ist gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 RVG keine von der Zwangsvollstreckung verschiedene Angelegenheit.3 Ist der Anwalt allerdings nur mandatiert, um die Durchsuchungsanordnung zu beantragen, erhält er dafür eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG. Das gilt auch, wenn er im Erkenntnisverfahren Prozessbevollmächtigter gewesen ist, weil die Zwangsvollstreckung nicht mehr zum Erkenntnisverfahren gehört.4 Weitere Durchsuchungsanträge lösen keine neuen Gebühren aus.5 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 25 RVG. Die Durchsuchungsanordnung ergeht nicht im Vorfeld der Zwangsvollstreckung, sondern in deren Rahmen.6 Wird wegen einer Forderung vollstreckt, ist daher gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG deren Nennbetrag zzgl. Zinsen und Kosten der Gegenstandswert.7 Abzulehnen ist eine teilweise vertretene Ansicht, die nur 1/2 des Wertes der zu vollstreckenden Forderung ansetzen will, weil die Durchsuchungsanordnung dem Gläubiger kein Pfändungspfandrecht verschafft, sondern nur die Möglichkeit, sich gegen den Willen des Schuldners über pfändbare Gegenstände in dessen Wohnung zu informieren.8 Ermessen bei der Wertfestsetzung sieht aber nur § 25 Abs. 2 RVG vor, § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG enthält diese Möglichkeit gerade nicht.9

1 Zöller/Seibel, § 758a ZPO Rz. 40. 2 Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, § 758a ZPO Rz. 19. 3 § 19 Abs. 2 RVG sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die nach § 58 Abs. 2 BRAGO geltende Rechtslage nicht ändern, dessen Wortlaut eindeutiger gewesen ist: „Keine besonderen Angelegenheiten sind insbesondere […]“; vgl. BT-Drucks. 15/1971, 194. 4 Toussaint, KostR, § 19 RVG Rz. 59. 5 LG Bamberg, Beschl. v. 23.12.1998 – 3 T 181/98, DGVZ 1999, 93. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.1983 – 14 W 208/83, 14 W 215/83, MDR 1984, 411 = NJW 1984, 1972. 7 OLG Köln, Beschl. v. 13.8.1986 – 2 W 67/86, DGVZ 1986, 151; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2017 – 5 T 4987/16. 8 OLG Köln, Beschl. v. 16.11.1987 – 2 W 185/87, MDR 1988, 329. 9 N. Schneider, NJW 2019, 24, 25.

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2. Teil

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Ehrkränkende Äußerungen

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.992 Gegen die Durchsuchungsanordnung findet gem. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde statt.1 Es gibt keinen Mindestbeschwerdewert. Wird die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen, fällt eine Festgebühr nach Nr. 2121 KV GKG an, die erfolgsreiche Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

2.993 Den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt man im Beschwerdeverfahren nach § 23 Abs. 2 RVG.2 Dabei sind aber die Wertungen des § 25 RVG zu berücksichtigen, so dass im Ergebnis für den Gläubigervertreter der Wert nach § 25 Abs. 1 RVG und für den Schuldnervertreter nach § 25 Abs. 2 RVG maßgeblich ist.3

Ehrkränkende Äußerungen A. Einleitung 2.994 Bei Klagen wegen Ehrverletzungen hängt die Bestimmung des Streitwertes davon ab, welche Ansprüche der Kläger im Einzelnen aus dem ehrkränkenden Verhalten ableitet.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung 2.995 Verlangt der Kläger analog § 253 Abs. 2 BGB eine Geldentschädigung,4 dann ist für den Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der geforderte Betrag maßgebend, denn in diesem Fall ist nur das Grundverhältnis nichtvermögensrechtlicher Art. Der daraus hergeleitete Geldanspruch ist vermögensrechtlicher Natur.5

II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung 2.996 Klagen auf Rücknahme, Widerruf oder Unterlassung einer ehrkränkenden Äußerung sind im Regelfall als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten.6 Entscheidend ist also die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien,7 wobei der Streitwert 1 Mio. t nicht überschritten werden darf. Der Zuständigkeitsstreitwert ist in solchen Streitigkeiten nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen.

2.997 Die Höhe des Streitwertes wird u.a. davon beeinflusst, unter welchen Umständen und aus welchem Anlasse die Behauptung aufgestellt worden, in welchem Umfang sie Dritten zur Kenntnis gelangt und 1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.1983 – 14 W 208/83, 14 W 215/83, MDR 1984, 411 = NJW 1984, 1972. BT-Drucks. 15/1971, 195. Vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2017 – 5 T 4987/16. BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43; BGHZ 66, 182. Vgl. das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff. BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag; BGH v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999. 7 BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647; BGH, MDR 1974, 926; OLG Dresden, Urt. v. 2.6.2020 – 4 U 51/20, NJ 2020, 353; OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25.

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2. Teil

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Ehrkränkende Äußerungen

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.992 Gegen die Durchsuchungsanordnung findet gem. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde statt.1 Es gibt keinen Mindestbeschwerdewert. Wird die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen, fällt eine Festgebühr nach Nr. 2121 KV GKG an, die erfolgsreiche Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

2.993 Den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt man im Beschwerdeverfahren nach § 23 Abs. 2 RVG.2 Dabei sind aber die Wertungen des § 25 RVG zu berücksichtigen, so dass im Ergebnis für den Gläubigervertreter der Wert nach § 25 Abs. 1 RVG und für den Schuldnervertreter nach § 25 Abs. 2 RVG maßgeblich ist.3

Ehrkränkende Äußerungen A. Einleitung 2.994 Bei Klagen wegen Ehrverletzungen hängt die Bestimmung des Streitwertes davon ab, welche Ansprüche der Kläger im Einzelnen aus dem ehrkränkenden Verhalten ableitet.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung 2.995 Verlangt der Kläger analog § 253 Abs. 2 BGB eine Geldentschädigung,4 dann ist für den Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der geforderte Betrag maßgebend, denn in diesem Fall ist nur das Grundverhältnis nichtvermögensrechtlicher Art. Der daraus hergeleitete Geldanspruch ist vermögensrechtlicher Natur.5

II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung 2.996 Klagen auf Rücknahme, Widerruf oder Unterlassung einer ehrkränkenden Äußerung sind im Regelfall als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten.6 Entscheidend ist also die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien,7 wobei der Streitwert 1 Mio. t nicht überschritten werden darf. Der Zuständigkeitsstreitwert ist in solchen Streitigkeiten nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen.

2.997 Die Höhe des Streitwertes wird u.a. davon beeinflusst, unter welchen Umständen und aus welchem Anlasse die Behauptung aufgestellt worden, in welchem Umfang sie Dritten zur Kenntnis gelangt und 1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.1983 – 14 W 208/83, 14 W 215/83, MDR 1984, 411 = NJW 1984, 1972. BT-Drucks. 15/1971, 195. Vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2017 – 5 T 4987/16. BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43; BGHZ 66, 182. Vgl. das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff. BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag; BGH v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999. 7 BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647; BGH, MDR 1974, 926; OLG Dresden, Urt. v. 2.6.2020 – 4 U 51/20, NJ 2020, 353; OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25.

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Ehrkränkende Äußerungen

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2. Teil

Da § 48 Abs. 2 GKG keinen Regelwert kennt, dürfte es zulässig sein, sich als Ausgangspunkt der 2.998 Streitwertbestimmung an den in § 52 Abs. 2 GKG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannten Wert (derzeit 5.000 v) zu orientieren.2 Entscheidend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls, wobei die bei Prozessbeginn und damit vom Ausgang des Rechtsstreits unbeeinflusste Wertangabe des Klägers einen wesentlichen Gesichtspunkt darstellen kann.3 Der Ansicht des OLG Saarbrücken,4 wonach bei einem gleichlaufenden strafrechtlichen Rechtsgüterschutz eine über 1.500 t liegende Bewertung ausscheide, ist daher in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Ältere Entscheidungen gingen grundsätzlich mangels Besonderheiten des Einzelfalles vom Ausgangswert von 4.000 DM aus.5 Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich jedoch nicht herausgebildet (vgl. dazu die Einzelfälle in der Rechtsprechung unter D.).

2.999

Steht der Betroffene im Wirtschafts- und Berufsleben, dann können hinsichtlich der Klagen auf Widerruf bzw. Rücknahme und Unterlassung Abgrenzungsschwierigkeiten dahingehend auftreten, ob der Anspruch vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Natur ist:6

2.1000

Soweit es nämlich um den Teil der öffentlichen Wertschätzung einer Person geht, der ihre Berufsausübung betrifft, ist der Anspruch auf Unterlassung der die Berufsehre tangierenden Äußerungen nicht von vornherein vermögensrechtlicher Natur. Das ist nur dann der Fall, wenn der Anspruch in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange (z.B. Verlust von Kunden, Einschränkung der Kreditwürdigkeit etc.) dienen soll.7

2.1001

Die Klage auf Unterlassung einer ehrverletzenden Behauptung (§§ 12, 862, 1004 BGB analog) ist nichtvermögensrechtlicher Natur, wenn sie auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB gestützt wird, und zwar auch dann, wenn eine nicht eingeklagte Vermögensschädigung durch die Äußerung eingetreten ist.8 Denn sie soll den sozialen Geltungsanspruch des Verletzten in der Öffentlichkeit schützen. Anderes gilt nur, wenn sich aus dem Klagevorbringen ergibt, dass das Rechtsschutzbegehren in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen soll.9

2.1002

– Klagt beispielsweise ein Rechtsanwalt auf Widerruf einer Eingabe an die Anwaltskammer, die ihn in seiner Berufsehre verletzt, so liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, so dass der Wert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bemessen ist.10

2.1003

1 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.10.2015 – 8 W 53/15, AGS 2016, 287; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2011 – 19 W 67/11. 2 OLG Dresden, Urt. v. 2.6.2020 – 4 U 51/20, NJ 2020, 353; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 1 W 14/18, JurBüro 2019, 26 – Regelwert bei äußerungsrechtlichen Verfügungsverfahren ohne besondere Bedeutung; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2012 – 16 U 184/11, JurBüro 2012, 656. 3 OLG Celle, Urt. v. 25.10.2012 – 13 U 156/12; OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.12.2018 – 5 U 58/18, AGS 2019, 116. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 19.1.2019 – 4 W 104/18, JurBüro 2019, 199; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.6.2013 – 5 W 56/13, MDR 2013, 1244; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.1.2013 – 5 W 435/12. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1973, 459; OLG Frankfurt v. 22.11.1982 – 22 W 36/82, AnwBl. 1983, 89; OLG Köln, VersR 1974, 151; BB 1974, 1184; vgl. aber auch LG Oldenburg, JurBüro 1995, 369 (6.000 DM für Unterlassungsklage). 6 Vgl. dazu BGH, VersR 1969, 1094. 7 BGH, NJW-RR 1990, 1270; OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316. 8 OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43. 9 BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 10 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2011 – 19 W 67/11; auf § 3 ZPO abstellend LG Wiesbaden, Beschl. v. 12.3.2014 – 9 O 58/13.

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mit welchen wirtschaftlichen Interessen sie verknüpft ist.1 Dabei sollte allerdings – auch wenn die Parteien sich subjektiv schwer getroffen fühlen – eine objektive Sichtweise stets beibehalten werden.

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2. Teil

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Ehrkränkende Äußerungen

– Wird dagegen die Unterlassungsklage auf § 824 BGB gestützt (Kreditgefährdung), dann liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor.1 Ihr Streitwert ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen zu schätzen.2

2.1004 Bei Zusammentreffen nichtvermögensrechtlicher (ehrverletzender) und vermögensrechtlicher (wirtschaftlicher) Interessen in einer Widerrufsklage können die Bemessungsvorschriften des § 48 Abs. 2 GKG und des § 3 ZPO miteinander konkurrieren.3 So kann beim Zusammentreffen nichtvermögensrechtlicher und vermögensrechtlicher Interessen nach § 48 Abs. 3 GKG der sich aus der Bemessungsvorschrift des § 3 ZPO ergebende höhere Wert festgesetzt werden.4 Dazu muss sich jedoch aus dem Klagevorbringen ergeben, dass das Rechtsschutzbegehren des Klägers der Wahrung höher zu bewertender wirtschaftlicher Interessen dienen soll.5

2.1005 Es geht also nur um die Frage, wie ein einzelner einheitlicher Anspruch – mag er auf Widerruf oder auf Unterlassung gerichtet sein – zu bewerten ist, wenn damit zugleich dieselben kreditschädigenden und ehrverletzenden Behauptungen bekämpft werden. In diesem Fall ist nur ein Wert anzusetzen, und zwar der höhere.6 Dieser Sachverhalt darf nicht verwechselt werden mit dem Zusammentreffen von Widerrufsansprüchen und Unterlassungsansprüchen. Wird nämlich neben einem Anspruch auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen ein aus diesem hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch (Schmerzensgeld) geltend gemacht, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 48 Abs. 3 GKG allein nach dem Wert des höheren Anspruchs.7

III. Mehrere prozessuale Ansprüche 1. Mehrere ehrkränkende Äußerungen

2.1006 Sind mehrere ehrkränkende Äußerungen, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird, beispielsweise in einem Buch oder im Rahmen eines Rechtsstreits aufgestellt worden, so ist der gesamte Komplex mit einem einheitlichen Streitwert zu bewerten. Eine getrennte Bewertung unterbleibt auch dann, wenn die beanstandeten Äußerungen in einzelnen Unterlassungsanträgen ihren Niederschlag gefunden haben.8 2. Unterlassung und Widerruf

2.1007 Die Anträge auf Widerruf einer Äußerung gegenüber verschiedenen Adressaten haben getrennte Streitwerte, die zusammenzurechnen sind.9

2.1008 Der Streitwert des Antrages auf Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung ist nicht höher, in der Regel aber auch nicht geringer anzusetzen als der Wert des auf Unterlassung dieser Äußerung gerichteten Antrages.10 Eine Ausnahme gilt dann, wenn schon im Zeitpunkt der Klageerhebung feststeht, dass die Äu1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271 zu GKG § 11 Abs. 2; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43. OLG Celle, Urt. v. 25.10.2012 – 13 U 156/12; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43. Vgl. Schneider, JurBüro 1965, 589. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647; BGH, NJW-RR 1990, 1270; BGHZ 35, 302. OLG München, JurBüro 1977, 852. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.9.1999 – 16 W 39/98, OLGR 1999, 296. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207; OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.12.2018 – 5 U 58/18, AGS 2019, 116; a.A. LG Oldenburg, JurBüro 1995, 369: Unterlassungsklage in der Regel 3.000 t, Widerruf in der Regel 50 % über dem Wert des Unterlassungsanspruchs.

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Ehrkränkende Äußerungen

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2. Teil

Wird neben Unterlassung ehrverletzender Äußerungen zugleich auf Verurteilung zum Widerruf ge- 2.1009 klagt, dann sind die jeweiligen Werte zusammenzurechnen.2 Denn die Unterlassung ist auf die Zukunft, das Widerrufsverlangen dagegen auf Kompensation einer vergangenen Rechtsverletzung gerichtet. Daher geht der Unterlassungsantrag auch nicht im Widerrufsantrag auf.3 Das gilt in gleicher Weise, wenn der Kläger neben der Unterlassung ehrverletzender Äußerung eine Veröffentlichung von Rubrum und Tenor begehrt.4 3. Unterlassung und Beseitigung Eine andere Beurteilung als beim Zusammentreffen von Unterlassungs- und Widerrufsantrag gilt jedoch bei einem zusätzlichen Beseitigungsantrag: Soweit der sich gegen ehrverletzende Äußerungen wendende Kläger neben Ansprüchen auf Unterlassung auch Ansprüche auf Beseitigung (der Äußerungen auf einer Internetseite) geltend macht, kommt diesen Beseitigungsansprüchen kein eigenständiger Wert zu, da es sich um denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt. Anders als beim Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung, der auf Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zielt, ist das Beseitigungsverlangen (wie das Unterlassungsbegehren) auf die Vermeidung künftiger Rechtsbeeinträchtigungen gerichtet. Dies zeigt sich auch daran, dass die Verpflichtung zur Beseitigung der ehrverletzenden Äußerung bereits aus der Verurteilung zur Unterlassung folgt.5

2.1010

4. Unterlassung und Schmerzensgeld/Vertragsstrafe Streitig ist die Bewertung, wenn ein Unterlassungsbegehren sowie ein Schmerzensgeldanspruch aus derselben unerlaubten Handlung hergeleitet werden. Nach Ansicht des OLG Hamm sind für die Streitwertfestsetzung die Werte der Anträge zu addieren. Die Regelung des § 48 Abs. 3 GKG finde keine Anwendung, weil der vermögensrechtliche Zahlungsanspruch nicht aus dem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch folgt.6 Das OLG Köln verneint dagegen eine Zusammenrechnung und hält nur den höheren der beiden Ansprüche für maßgeblich.7 Entsprechend hat das OLG Karlsruhe die Regelung des § 48 Abs. 3 GKG auf einen Fall angewandt, in welchem ein Anspruch auf Unterlassung einer ehrverletzenden Behauptung mit einem daraus hergeleiteten Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus demselben Sachverhalt verbunden wurde. Auch hier sei für die Wertberechnung nur der höhere Anspruch maßgeblich.8

1 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.1999 – 19 W 8/99, OLGR 1999, 220. 2 BGH, Beschl. v. 6.11.1990 – VI ZR 117/90, MDR 1991, 427 = NJW 1991, 847; OLG Düsseldorf v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.10.2015 – 8 W 53/15, AGS 2016, 287; OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.12.2018 – 5 U 58/18, AGS 2019, 116. 3 So aber noch OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 38. 4 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, AGS 2008, 463, zust. OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.12.2018 – 5 U 58/18, AGS 2019, 116. 7 OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430; ebenso: OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491.

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2.1011

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ßerung für den Kläger ohne nachteilige Folgen geblieben ist. Hier ist ein niedrige Bewertung des Widerrufsbegehrens geboten.1

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2. Teil

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Ehrkränkende Äußerungen

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C. Rechtsmittel und Beschwer 2.1012 Bei gleichbleibendem Interesse, wenn also nach wie vor eine klärende Entscheidung erstrebt wird, ist für beide Instanzen gleich zu bewerten und dann auch unter Umständen gem. § 63 Abs. 3 GKG der erstinstanzliche Wertansatz zu korrigieren.1

2.1013 Wegen des Zeitablaufs kann sich das zu bewertende Interesse zwischen erster und zweiter Instanz verändert haben. Dann ist im zweiten Rechtszug ein geringerer Wert anzusetzen.2

2.1014 Bei Klagen auf Unterlassung ehrkränkender Äußerungen in der Presse ist der Streitwert für das Berufungsverfahren nicht notwendigerweise gleich dem Streitwert für den ersten Rechtszug. Häufig wird infolge der Länge der vergangenen Zeit das Interesse der Parteien an der Aufhebung des Verbots oder an dessen Bestand erheblich geringer sein als bei Erhebung der Klage oder bei Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.3

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 2.1015 Der nichtvermögensrechtliche Bewertungsbereich bei einer Ehrverletzung ist erfahrungsgemäß stark von Emotionen geprägt, die jedoch auf den Streitwert keinen Einfluss haben dürfen. Da § 48 Abs. 2 GKG keinen Regelwert kennt, dürfte es zulässig sein, sich als Ausgangspunkt an dem in § 52 Abs. 2 GKG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannten Wert (derzeit 5.000 t) zu orientieren. Entscheidend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls. Über den Grundstreitwert ist deutlich hinauszugehen, wenn die Ehrkränkung stark den Bereich des sozialen Ansehens berührt,4 beispielsweise bei einem Repräsentanten einer berufsständischen Vereinigung mit bundesweiter Tätigkeit.5 Bei ehrverletzenden Äußerungen gegenüber Minderjährigen ist (werterhöhend) zu berücksichtigen, dass Äußerungen auf Internetplattformen regelmäßig das Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung beeinträchtigen.6

2.1016 Unterlassungsansprüche wegen vereinzelter, insbesondere nicht aus einem kleineren Kreis hinaustretenden Äußerungen (z.B. Ehe, Beziehung, Freundeskreis oder Nachbarschaft) rechtfertigen regelmäßig nur einen Streitwert deutlich unterhalb des „Auffangwertes“.7

2.1017 Der Streitwert einer Klage auf Rücknahme von Beleidigungen gegenüber einem Anwalt, bei der besondere Bemessungsfaktoren nicht gegeben waren, ist vom KG mit (umgerechnet) 1.000 t bemessen worden.8 Die auf Unterlassung der Bezeichnung als „Winkeladvokat“ gerichtete Klage hat das OLG Köln9 mit 4.000 t bewertet. Das gegenüber der Behauptung des gewerblichen Prozessbetruges eines Anwaltes erhobene Unterlassungsverlangen ist mit 10.000 t bewertet worden.10 Der Wert einer Klage auf Unterlassung der Behauptung, der Anwalt habe Mandantengelder i.H.v. (umgerechnet) 6.000 t veruntreut, ist vom OLG Schleswig auf (umgerechnet) 10.000 t festgesetzt worden.11 Überzogen erscheint in die-

1 OLG Köln, BB 1974, 1184. 2 Vgl. BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647 für einen Fall, in dem der Kläger zwischenzeitlich aus seinen hervorgehobenen Ehrenämtern ausgeschieden war. 3 OLG Neustadt, JurBüro 1964, 599. 4 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25. 5 BAG, JurBüro 1998, 647. 6 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag. 7 OLG Saarbücken, Urt. v. 5.12.20201 – 5 U 58/18, AGS 2019, 116. 8 KG, AnwBl. 1956, 141; heute wäre der Fall wohl mit ca. 4.000 t zu bemessen. 9 OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2012 – 16 U 184/11, MDR 2012, 1440 = JurBüro 2012, 656; anders noch das erstinstanzliche LG Köln, Urt. v. 15.11.2011 – 5 O 344/10, BRAK 2012, 94: 2.000 t. 10 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2011 – 19 W 67/11. 11 OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316.

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Eidesstattliche Versicherung

2. Teil

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sem Zusammenhang allerdings eine Entscheidung des OLG Hamm:1 Der Senat hat ein Verfahren gegen eine Zeitung, die über einen Anwalt die Behauptung verbreitet hatte, er habe seinen Mandanten unter Verletzung anwaltlicher Pflichten bloßgestellt, mit (umgerechnet) 150.000 t bewertet. Ein Eilverfahren auf künftige Unterlassung der in einer Fernsehsendung ausgestrahlten Behauptung, der Antragsteller sei wegen Vergewaltigung vorbestraft, hat das OLG Frankfurt2 mit (umgerechnet) 15.000 t bewertet.

2.1018

Das OLG Köln3 hat in einem Verfügungsverfahren den Streitwert wegen einer anonymen Sammelbeleidigung unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung von (umgerechnet) 50.000 t auf 15.000 t heruntergesetzt. Das OLG Karlsruhe4 hat eine Unterlassungsklage gegen elf Gemeinderäte einer Kleinstadt mit (umgerechnet) 5.000 t bewertet.

2.1019

Ein Streitwert von (umgerechnet) 7.500 t wurde bei der Behauptung des Verfügungsbeklagten ange- 2.1020 setzt, dass die Verkürzung des Religionsunterrichtes an der städtischen Berufsschule mit der Zugehörigkeit des Direktors der Berufsschule zur X-Partei und zur X-Religionsgemeinde in Verbindung stehe.5 Wird eine ehrenrührige Behauptung im Wahlkampf mit einer einstweiligen Verfügung abgewehrt, 2.1021 so kann der Ansatz des vollen Hauptsachewertes gerechtfertigt sein, wenn und weil die vorläufige Maßnahme im Ergebnis einer Verwirklichung des Hauptsacheanspruchs gleichkommt, da das einstweilige Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Klärung der Zulässigkeit der beanstandeten Äußerungen führt und sich ein Hauptsacheverfahren nicht mehr anschließt.6 Das LG Bayreuth7 hat in diesem Sinne einen vom Antragsteller mit (umgerechnet) 10.000 t bewerteten Verfügungsantrag eines SPD-Kommunalpolitikers auf 2.500 t herabgesetzt, wobei es davon ausgegangen ist, dass dies nahezu dem Hauptsachewert entspreche, der weitgehend maßgebend sei, da das Verfügungsverfahren unter den gegebenen Umständen eine endgültige Regelung schaffe. Den Wert des Unterlassungsbegehrens eines Universitätsprofessors gegen ehrverletzende Äußerungen über seine Habilitationsschrift im Internet hat das OLG Karlsruhe mit 30.000 t bewertet. Dabei wurden neben den überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger als Universitätsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhls eine herausgehobene Stellung einnimmt und er durch die deutliche Kritik an seiner Habilitationsschrift in besonderer Weise in seinem beruflichen Ansehen und seiner wissenschaftlichen Reputation beeinträchtigt wurde.8

2.1022

Eidesstattliche Versicherung 2.1023

Siehe das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, AnwBl. 1972, 319. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 18/97, OLGR 1998, 156. OLG Köln, VersR 1974, 151. OLG Karlsruhe, AnwBl. 1982, 25. OLG Neustadt, JurBüro 1961, 136. Vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1973, 459; OLG Frankfurt v. 21.9.1999 – 16 W 39/98, OLGR Frankfurt 1999, 296 für Äußerungen in einem Flugblatt. 7 LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1269. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430.

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2. Teil

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Eigentum

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Eigentum A. Zuständigkeitsstreitwert I. Anwendungsbereich 2.1024 Der Zuständigkeitsstreitwert für Streitigkeiten um das Eigentum richtet sich gem. § 6 Satz 1 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache. Nach seinem Wortlaut gilt er zwar nur für Besitzstreitigkeiten. Ist aber bereits beim Streit um den bloßen Besitz einer Sache der Verkehrswert anzusetzen, gilt das erst Recht beim Streit um das Eigentum.1

2.1025 Erfasst sind Streitigkeiten auf Übereignung,2 auf Herausgabe einer Sache3 und auf Feststellung des Eigentums.4 Bei der Eigentumsfeststellungsklage ist kein Streitwertabschlag vom Verkehrswert zu machen.5 Der Wortlaut des § 6 Satz 1 ZPO erfasst Leistungs- und Feststellungsanträge unterschiedslos. Der Streitwert bei bloßen Besitz- und Eigentumsstörungsklagen ist dagegen nach § 3 ZPO zu bestimmen.6

2.1026 Klagen des Verkäufers einer nach § 449 BGB unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache auf Herausgabe sind mit dem Wert der herausverlangten Sache und nicht mit der Restkaufpreisforderung zu beziffern.7 Bei sicherungsübereigneten Sachen ist allerdings wegen der Pfandrechtsähnlichkeit des Sicherungseigentums (§ 51 Nr. 1, § 166 Abs. 1 InsO) eine streitwertmäßige Gleichstellung mit Pfandrechten analog § 6 Satz 2 ZPO geboten.8

2.1027 Gegenüber § 6 ZPO vorrangige Sonderregeln für den Zuständigkeitsstreitwert bestehen bei Miet- und Pachtverhältnissen.9 Bei Wohnraummiete ist gem. § 23 Nr. 2 lit. a) GVG das AG streitwertunabhängig ausschließlich zuständig. Bei anderen Miet- und Pachtverhältnissen bestimmt man den Zuständigkeitsstreitwert nach § 8 ZPO, bei ungewisser oder nicht ermittelbarer streitiger Zeit nach §§ 8, 9 ZPO.10 § 8 ZPO ist anwendbar, sobald ein Miet- oder Pachtverhältnis streitig ist. Es genügt dazu folglich, dass nur der Beklagte einen Mietvertrag einwendet.11

1 BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – IV ZR 178/18; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 2 BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – IV ZR 79/20, NJW-RR 2020, 1456; OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 4438/18. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97. 4 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – V ZR 270/17; KG, Beschl. v. 14.8.1969 – 1 W 2711/69, MDR 1970, 152. 5 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – V ZR 270/17; KG, Beschl. v. 14.8.1969 – 1 W 2711/69, MDR 1970, 152; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 13.7.1994 – 4 W 34/94, MDR 1995, 212. 6 OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 246; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663. Näheres dazu lese man beim Stichwort „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff. nach. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 7.6.1962 – 1 W 54/62, JurBüro 1964, 32; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.10.1969 – 6 W 387/69, JurBüro 1970, 173; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.61. 8 BGH, Beschl. v. 12.2.1959 – VII ZR 215/58, NJW 1959, 939; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.11.1993 – 11 W 50/93. 9 Einzelheiten dazu findet man beim Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. 10 BGH, Beschl. v. 23.1.2019 – XII ZR 95/17, AGS 2019, 410; BGH, Beschl. v. 16.7.2019 – VIII ZA 7/19, WuM 2019, 599. 11 BGH, Beschl. v. 29.11.2018 – III ZR 222/18, MDR 2019, 252.

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Eigentum

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2. Teil

§ 6 Satz 1 ZPO stellt auf den Wert der Sache ab. Damit ist grundsätzlich der Verkehrswert der Sache 2.1028 gemeint,1 was dem Willen des Gesetzgebers entspricht.2 Der Affektionswert der Sache für den Kläger ist nur anzusetzen, wenn er nach dem Klageinhalt maßgeblich ist.3 Das ist der Fall, wenn die Herausgabeklage eigentlich eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit ist, etwa bei Klagen auf Herausgabe eines Tagebuchs, von Familienfotos oder persönlichen Briefen. Der Affektionswert ist dann nach den Grundsätzen des § 48 Abs. 2 GKG zu ermitteln.4 Verkehrswert ist der Betrag, der sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung der 2.1029 Sache erzielen ließe, ohne ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen.5 Der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis ist daher für den Verkehrswert nicht maßgeblich.6 Grundsätzlich darf man aber vermuten, dass er dem Verkehrswert entspricht.7 Auf den beurkundeten Kaufpreis kann jedoch nicht unbesehen zurückgegriffen werden, wenn ein Schwarzgeschäft in Rede steht, bei dem mündlich der dreifache Kaufpreis gegenüber dem beurkundeten vereinbart worden sein soll.8 Objektiv ist der Verkehrswert nach den allgemeinen Schätzungsmethoden zu ermitteln. Für Grundstücke sind diese in der ImmoWertV geregelt. Bei Edelmetallen oder Wertpapieren richtet sich der Verkehrswert nach dem Börsenkurs.9 Ansonsten bestimmt sich der Verkehrswert beweglicher Sachen nach dem auf dem freien Markt erzielbaren Erlös. Weitere Einzelheiten können bei den Stichwörtern „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 ff. und „Grundstück“, Rz. 2.1994 ff. nachgelesen werden.

2.1030

B. Gebührenstreitwert Spezielle Regelungen für den Gebührenstreitwert finden sich nur in § 41 GKG, wenn dem Herausgabeanspruch des Eigentümers ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis entgegengehalten wird.10

2.1031

Ansonsten stimmt der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein. Das gilt nach zutreffender Auffassung auch dann, wenn der Beklagte die Übereignung oder Herausgabe der Sache nur verweigert, weil er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft.11 Einzelheiten zu dieser Streitfrage werden ausführlich unter dem Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1681–2.1686 behandelt.

2.1032

1 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, JurBüro 2002, 424. 2 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 3 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. 5 Vgl. BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83 (Gold); BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, MDR 1989, 909 (Aktien). 6 OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 7 BGH, Beschl. v. 25.8.2016 – V ZR 9/16. 8 OLG Jena, Beschl. v. 30.4.2020 – 4 W 24/20, NotBZ 2020, 357; a.A. wohl LG Bamberg, Beschl. v. 2.11.2018 – 3 T 279/18. 9 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83. 10 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980. 11 OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.1.2010 – 13 W 67/09, NZM 2011, 135; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; a.A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2017 – 6 W 56/17; KG, Beschl. v. 14.8.2018 – 21 W 5/18, MDR 2018, 1371.

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II. Wert der Sache

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2. Teil

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Eigentums- und Besitzstörung

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C. Rechtsmittel und Beschwer 2.1033 Die Beschwer des abgewiesenen Klägers oder des zur Herausgabe verurteilten Beklagten bewertet man ebenfalls nach § 6 ZPO mit dem Verkehrswert der Sache.1

2.1034 Wendet sich der unbedingt zur Herausgabe verurteilte Beklagte aber nur dagegen, dass ihm sein Zurückbehaltungsrecht abgesprochen wurde, bemisst man seine Beschwer nur nach dem Wert der ihm zu erbringenden Gegenleistung.2 Der Wert der Beschwer wird aber durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt, weil die Entscheidung über ihren rechtskraftfähigen Inhalt hinaus nicht beschwert.3 Das Gegenrecht wird nämlich nicht rechtshängig und mangels einer § 322 Abs. 2 ZPO entsprechenden Regelung nicht aberkannt, wenn das Zurückbehaltungsrecht nicht zugesprochen wird.4

Eigentums- und Besitzstörung A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.1035 Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert von Besitz- und Eigentumsstörungsklagen ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.5

I. Besitzentziehung 2.1036 Mündet die Besitz- bzw. Eigentumsstörung in eine Entziehung des Besitzes, so ist der entsprechende Unterlassungsanspruch nach den Grundsätzen einer Herausgabeklage zu bewerten. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Herausgabe“, Rz. 2.2117 ff. Bezug genommen werden.

II. Sonstige Besitz- und Eigentumsstörung 1. Allgemeines

2.1037 Wird der Kläger in sonstiger Weise in seinem Besitz bzw. Eigentum gestört, ist seine Beeinträchtigung durch die Störung zu bewerten. Als Störungen kommen insbesondere in Betracht: – Zerstörung, – Beschädigung, – Unerlaubte Benutzung, – Immissionen, – Unterbrechung der Strom-, Wasser- und Gasversorgung.

1 BGH, Beschl. v. 3.5.2018 – IX ZR 207/17. 2 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16; BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1991, 794; BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829. 3 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16. 4 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345. 5 OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 246; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663.

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Eigentums- und Besitzstörung

2. Teil

2.1038

Anmerkung: Ausnahmsweise ist das Interesse mit den Kosten der Beseitigung der Störung anzusetzen, wenn der Beklagte das Eigentum durch das Lagern von Sondermüll stört.6 In diesem Fall ist nicht nur der Beklagte, sondern auch der Kläger polizeirechtlich (als Zustandsstörer) verpflichtet, die Gefahr zu beseitigen. Sein Beseitigungsinteresse ist daher maßgeblich von den erheblichen Entsorgungskosten bestimmt.

2.1039

Bei vorübergehenden Störungen ist das Interesse des Klägers geringer zu bewerten.7 Das ist etwa der Fall, wenn feststeht, dass der Betrieb des Störers kurzfristig eingestellt wird.8 Wird die Besitzstörung dagegen unter Verletzung von Strafgesetzen begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt, erhöht das den Streitwert.9

2.1040

Bezieht sich die Besitzstörung auf eine Mietwohnung, dann ist der Gebührenstreitwert einer entsprechenden Unterlassungsklage nicht höher anzusetzen als eine mögliche Klage über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses, die nach § 41 Abs. 1 GKG zu bemessen wäre.10 Teilweise wird auf den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 5 GKG abgestellt und der Jahresbetrag einer durch die Störung gerechtfertigten Mietminderung angesetzt.11 Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. nach.

2.1041

ZPO

Maßgeblich für die Bewertung ist das Interesse des Klägers an der Unterlassung der konkret behaupteten Störung.1 Abzustellen ist auf die Wertminderung, die der Kläger durch die konkrete Störung an seinem Besitz bzw. Eigentum erleidet.2 Dagegen kommt es weder auf den Aufwand des Beklagten an, um die Störung zu vermeiden, noch auf die sonstigen Auswirkungen des Unterlassungsgebotes auf den Beklagten.3 Die Kosten für die Beseitigung der Besitzstörung können nur mittelbar von Bedeutung sein, wenn sich aus ihnen ein Anhaltspunkt für die Wertminderung der Sache durch die Störung ergibt.4 Die Höhe eines dem Störer angedrohten Ordnungsgeldes ist für die Streitwertfestsetzung unbeachtlich, da das Gericht befugt ist, für verhältnismäßig geringfügige Zuwiderhandlungen hohe Ordnungsgelder anzudrohen.5

2. Einzelfälle Die möglichen Arten der Störung von Eigentum und Besitz sind so vielfältig und die jeweils betroffenen Interessen des Klägers so unterschiedlich, dass keine generalisierenden Bewertungsmaßstäbe aufgestellt werden können. Es wurden beispielsweise festgesetzt:

1 BGH, Beschl. v. 21.3.2019 – V ZR 127/18, WuM 2019, 349; BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – V ZR 280/10; BGH, Urt. v. 24.4.1998 – V ZR 225/97, MDR 1998, 982; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2012 – 24 W 17/12, MDR 2012, 1187. 2 BGH, Beschl. v. 10.4.2008 – V ZR 154/07; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374; BGH, Urt. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663; BGH, Urt. v. 6.11.1998 – V ZR 48/98, ZfIR 1998, 749. 3 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2012 – 24 W 17/12, MDR 2012, 1187; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.2.2010 – 1 W 7/10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27. 4 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374. 5 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, MDR 2009, 522. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1990 – 9 W 97/90, MDR 1991, 353. 7 RG, HRR 1932 Nr. 169. 8 RG, Recht 1915 N. 605. 9 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71. 10 OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, JurBüro 2006, 645. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, NJW-RR 2008, 534; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 19.

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2. Teil

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Eigentums- und Besitzstörung

ZPO

– 400 t für das Abstellen von Mülltonnen auf dem Grundstück durch Nachbarn,1 – 1.000 t für das Betreten von Terrasse/Balkon durch Katzen des Nachbarn,2 – 1.000 t bis 5.000 t für die Unterlassung von Videoüberwachung durch den Nachbarn,3 – 1.500 t für die Unterlassung von Geräuschimmissionen durch eine Vielzahl von Haustieren für einen bestimmten Zeitraum,4 – 1.500 t bis 2.000 t für das unberechtigte Abstellen von Kfz auf einem Kundenparkplatz,5 – 2.500 t für den angedrohten Rückbau eines Stellplatzes bzw. einer Grundstückszufahrt,6 – 4.600 t für die Entfernung von Rohrleitungen und die Unterlassung der Überleitung von Traufwasser,7 – 5.300 t für Geräuschimmissionen bei Öffnen und Schließen eines Hoftores,8 – 6.000 t für die Einstellung von Wasser- und Wärmeversorgung durch den Vermieter,9 – 7.000 t für das Abziehen der „Gelben Tonne“ durch die Müllabfuhr wegen Fehlbefüllungen,10 – 7.500 t für Reflexionen von Sonnenlicht auf dem verglasten Oberlicht des Nachbarhauses,11 – 7.500 t für unerwünschte Werbung durch Postwurfsendung in Klarsichtfolie („Einkauf Aktuell“),12 – 8.000 t für die Unterbrechung der Stromversorgung durch den Vermieter einer Druckerei.13

2.1043 Der Streitwert bei Besitz- und Eigentumsstörungen durch Überwuchs wird gemäß § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Beseitigungskosten bemessen.14 Soweit eine Grundstücksstörung in Form eines Überbaus (§ 912 BGB) vorliegt, wird auf die Ausführungen beim Stichwort „Überbau“, Rz. 2.4832 ff. verwiesen.

2.1044 Der Streitwert des Anspruchs eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, ein Kfz-Besitzer habe für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld zu entrichten, ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bemessen.15 Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Standgeld“, Rz. 2.4574 ff. nach.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGH, Beschl. v. 8.13.2012 – V ZB 247/11. LG Bonn, Urt. v. 6.10.2009 – 8 S 142/09. BGH, Beschl. v. 24.9.2020 – V ZR 296/19 (im konkreten Fall wurden 4.000 t festgesetzt). LG Bonn, Beschl. v. 31.7.2001 – 8 T 212/00, JurBüro 2001, 593. AG Kleve, Urt. v. 10.7.2020 – 3 C 223/19. Nähere Einzelheiten dazu findet man beim Stichwort „Unterlassung“, Rz. 2.4900a. OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.11.2006 – 10 W 74/06, NJW-RR 2007, 527. LG Flensburg, Urt. v. 10.10.2006 – 1 S 46/06. BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – V ZR 262/12, Grundeigentum 2013, 1584 (bei nicht hinreichender Substantiierung eines Mietausfalls). LG Heilbronn, Urt. v. 18.12.2007 – 2 O 448/07, ZMR 2008, 717. OLG Dresden, Urt. v. 1.10.2019 – 4 U 774/19. OLG Stuttgart, Urt. v. 9.2.2009 – 10 U 146/08, MDR 2009, 1099. LG Bonn, Urt. v. 15.6.2004 – 10 O 181/04. OLG Köln, Beschl. v. 26.4.2004 – 1 U 67/03, OLGR 2004, 281. BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.4.1965 – 2 W 16/65, JurBüro 1965, 920.

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Eigentumsvorbehalt

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2. Teil

Die Streitwerte einstweiliger Verfügungen auf Abwehr von Störungen sind mit einem höheren Bruchteil als bei gewöhnlichen Verfügungsverfahren anzusetzen, weil in derartigen Fällen das Verfügungsverfahren weitergehend als sonst faktisch endgültigen Rechtsschutz bietet.1 So hat beispielsweise das OLG Naumburg2 im Bereich der saisonabhängigen Landwirtschaft den Wert der einstweiligen Verfügung auf 9/10 des Hauptsache festgesetzt, da ihr kaum weniger wirtschaftliche Bedeutung zukam als der entsprechenden Hauptsacheklage.

2.1045

B. Rechtsmittel und Beschwer Wird der Beklagte zur Beseitigung der Eigentumsstörung verurteilt, bemisst man die Beschwer – 2.1046 unabhängig vom Streitgegenstand – nach dem Interesse des Beklagten, die Kosten einer Ersatzvornahme bzw. die Kosten der für die Beseitigung erforderlichen Maßnahmen zu vermeiden. Dies hat zur Folge, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes den Wert des Streitgegenstandes übersteigen kann.3 Wird die Klage mehrerer Miteigentümer eines Grundstücks abgewiesen, Lärmimmissionen zu unterlassen, ist der Wert ihrer Klagen nicht nach § 5 ZPO zusammenzurechnen, weil der Unterlassungsanspruch unteilbar ist.4

2.1047

Eigentumsvorbehalt Klagt der Verkäufer einer nach § 449 BGB unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache auf Herausgabe, bestimmt gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der Wert der herausverlangten Sache und nicht die Restkaufpreisforderung den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert.5 Eine Gleichstellung mit der Bewertung des Pfandrechts (§ 6 Satz 2 ZPO) findet – anders als bei der Sicherungsübereignung6 – nicht statt.

2.1048

Maßgebend ist wegen § 4 ZPO, § 40 GKG der Verkehrswert der Sache im Zeitpunkt der Einreichung der Herausgabeklage. Eine etwa eingetretene Wertminderung durch Verschleiß, Abnutzung oder Beschädigung der Sache ist streitwertermäßigend zu berücksichtigen. Wird beispielsweise eine herauszugebende Baracke durch den Abriss in ihrem Wert nachhaltig vermindert, dann ist nicht der Wert der gelieferten Sache maßgeblich, sondern der Wert der Sache nach ihrem Abriss und ihre Herausgabe an den Vorbehaltsverkäufer.7

2.1049

Wird auf Feststellung geklagt, der Eigentumsvorbehalt an einer Sache sei wirksam, entspricht der 2.1050 Streitwert dem Wert der betroffenen Sache ohne Abschlag.8 Der übliche Feststellungsabschlag von 20 % ist nicht geboten, weil § 6 Satz 1 ZPO unterschiedslos Leistungs- und Feststellungsanträge erfasst.

1 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71: 1/2 des Werts der Hauptsache. 2 OLG Naumburg, Beschl. v. 16.2.2010 – 1 W 7/10. 3 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, MDR 2009, 522; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374; BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 839. 4 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 7.6.1962 – 1 W 54/62, JurBüro 1964, 32; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.10.1969 – 6 W 387/69, JurBüro 1970, 173; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.61. 6 Siehe dazu das Stichwort „Sicherungsübereignung“, Rz. 2.4534. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.10.1969 – 6 W 387/69, JurBüro 1970, 173. 8 KG, Beschl. v. 14.8.1969 – 1 W 2711/69, MDR 1970, 152.

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III. Einstweilige Verfügung

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2. Teil

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Eigentumswohnung

2.1051 Zur Klagehäufung bei Eigentumsvorbehalt s. das Stichwort „Mehrere Ansprüche, (Klagehäufung)“,

ZPO

Rz. 2.2950.

Eigentumswohnung 2.1052 Wird auf lastenfreie Auflassung einer Eigentumswohnung geklagt, so ist § 6 ZPO anzuwenden und deren Verkehrswert maßgebend – nach herrschender Meinung selbst dann, wenn die dinglichen Lasten höher als der Verkehrswert sind.1 Ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung des Grundstückswertes (§ 6 ZPO) dingliche Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen sind, ist sehr umstritten. Siehe zu dieser Problematik die Ausführungen unter den Stichwörtern „Auflassung“, Rz. 2.293 und „Grundstück“, Rz. 2.1994.

2.1053 Verlangt der Kläger jedoch lediglich die Zustimmung zum Vollzug einer bereits erklärten Auflassung, die der Beklagte allein wegen einer strittigen Gegenforderung verweigert, ist der Gebührenstreitwert nicht nach § 6 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Wert der Gegenforderung zu bemessen.2

2.1054 Die Klage auf Löschung einer Auflassungsvormerkung ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an der Beseitigung der Vormerkung zu schätzen, meist mit einem Bruchteil des Grundstückswertes, der 1/4 nicht übersteigt.3 Siehe das Stichwort „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.311 ff.

2.1055 Eine Klage auf Zustimmung der Miteigentümer zur Veräußerung einer Eigentumswohnung bemisst sich nach einem Bruchteil des in Aussicht genommenen Kaufpreises.4

2.1056 Richtet sich die Klage auf Zustimmung des Verwalters, soll sich der Streitwert auf 10–20 % des Kaufpreises belaufen.5

2.1057 Verweigert der Miteigentümer die Zustimmung zum Abschluss eines Mietvertrages über die gemeinsame Wohnung, dann bestimmt sich der Gebührenstreitwert der Klage eines Wohnungseigentümers gegen den Miteigentümer auf Ersatz des Mietausfalls nicht entsprechend § 41 GKG.6 Das Verhältnis der Beteiligten ist hier in der Regel gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlich geprägt, so dass für eine Gebührenprivilegierung in der Regel kein Anlass besteht.7 Auch bei der Klage auf Zustimmung der Eigentümerversammlung zur Vermietung von Teilen des Sondereigentums an Dritte bestimmt sich – in-

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, JurBüro 2006, 145; OLG Karlsruhe Urt. v. 14.1.1982 – 15 W 66/81, JurBüro 1982, 1402 = AnwBl. 1982, 375; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1983 – 17 W 6/83, JurBüro 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203; OLG Frankfurt v. 12.7.1979 – 17 W 18/79, JurBüro 1979, 1888; s. auch BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177, 180. 2 BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295 = AGS 2002, 155; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, OLGR 2006, 32 = JurBüro 2006, 145. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.1990 – I W 24/90, JurBüro 1990, 1511: 1/10; OLG Celle, Beschl. v. 26.1.1994 – 16 W 48/93, OLGR 1994, 111: 1/4; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 512: 1/4. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1993 – 20 W 376/92, ZMR 1994, 124 = WE 1994, 37; LG Köln, Beschl. v. 21.8.1989 – 30 T 114/89, WuM 1990, 128: 1/10; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rz. 20; a.A. bei unstreitigem Zustimmungsanspruch KG, Beschl. v. 12.1.2007 – 11 W 15/06: 10–20 % des Kaufpreises, hilfsweise gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG, § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. 5 KG, Beschl. v. 11.10.1989 – 24 W 4478/89, ZMR 1990, 68; OLG Hamm, Beschl. v. 3.2.1992 – 15 W 63/91, OLGR 1992, 209 = NJW-RR 1992, 785; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rz. 20. 6 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.3.2003 – 1 W 11/03, AGS 2004, 162 m. Anm. N. Schneider = NJWRR 2004, 299. 7 So auch KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, NJW-RR 1992, 1490; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7.

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Seggewiße und Kurpat

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Eigentumswohnung

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2. Teil

Auch die Klage eines Wohnungseigentümers gegen einen Miteigentümer auf Zustimmung zur Kün- 2.1058 digung eines mit einem Dritten geschlossenen Mietvertrages bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der wirtschaftlichen Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums.2 Das gilt gleichermaßen die Beschwer des zur Beseitigung eines Überbaus verurteilten Miteigentümers. Hier sind die Beseitigungskosten wertbestimmend.3 Wird gem. § 18 WEG auf Entziehung des Wohnungseigentums geklagt, bestimmt sich der Streitwert nicht nach dem Interesse der Beteiligten am Ausscheiden bzw. Verbleib in der Eigentümergemeinschaft,4 sondern nach dem Verkehrswert der Wohnung.5

2.1059

Verlangt der Kläger Herausgabe oder Räumung einer Eigentumswohnung, ist nach § 6 ZPO der Verkehrswert für den Streitwert maßgeblich. Entscheidend ist, welcher Betrag sich bei der Veräußerung erzielen lässt, wobei damit verbundene Nebenkosten (z.B. Maklerprovision) unberücksichtigt bleiben.6 Dabei ist der unterliegenden Partei verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren abweichend zu den Angaben in der Vorinstanz auf einen die erforderliche Rechtsmittelbeschwer (nunmehr) erreichenden Verkehrswert zu berufen.7

2.1060

Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatrechtlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so bestimmt im Falle einer Herausgabeklage des Veräußerers nur die Frage den Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diesen Streit bildet der einjährige Nutzungswert der Wohnung.8

2.1061

Das Herausgabeverlangen des Erwerbers nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsfrist für den Veräußerer richtet sich gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG nach dem Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung, auch wenn die Klage zusätzlich auf Eigentum gestützt ist.9

2.1062

Ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf vorläufige Besitzverschaffung und Übergabe eines Schlüs- 2.1063 sels bemisst sich ebenfalls nicht nach dem Kaufpreis der Eigentumswohnung, sondern entsprechend § 53 Abs. 2 GKG bzw. § 41 GKG nach 1/4 der Jahresmiete.10 Die gegen den Verwalter gerichtete Klage auf Herausgabe einer Eigentümerliste im Vorfeld einer beabsichtigten, gegen die Wohnungseigentümer der Anlage zu richtenden Anfechtungsklage, bemisst sich – entsprechend den Grundsätzen zur Auskunftsklage – nach einem Bruchteil des Hauptsachewer-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG München, Beschl. v. 23.10.2018 – 32 W 1603/18 WEG, ZWE 2019, 230 – Kellerraum. OLG Hamburg, Urt. v. 1.6.2001 – 11 U 47/01, NJW-RR 2002, 1165. BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – V ZR 224/18. So aber BayObLG, Beschl. v. 16.8.1991 – 2 Z 106/91, WuM 1991, 633 – Interessenbewertung mit 20 % des Verkehrswertes. OLG Frankfurt, DWE 84, 62; LG Köln, Beschl. v. 22.10.1997 – 29 T 264/97, WuM 1998, 120; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rz. 3. BGH, NJW 1967, 2463; OLG Frankfurt v. 21.2.1983 – 17 W 6/82, AnwBl. 1984, 203; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rz. 1. BGH, Beschl. v. 20.2.2020 – V ZR 167/19, WuM 2020, 308. KG, JurBüro 1969, 166; OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, JurBüro 1996, 194. OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 255; OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, JurBüro 1996, 194. OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/2000, AGS 2000, 134.

Kurpat

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2.1064

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nerhalb der Streitwertermittlung nach § 49a GKG – das klägerische Interesse in Anlehnung an § 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Wert der konkret erzielbaren Jahresmiete.1

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2. Teil

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Einrede, Einwendung

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tes. Denn die dadurch mögliche Benennung sämtlicher Wohnungseigentümer der Gemeinschaft ist nur eine prozessuale Voraussetzung für die gerichtliche Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs.1

Einrede, Einwendung A. Materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden I. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1. Streit über klagebegründende Tatsachen

2.1065 Bestreitet der Beklagte die klagebegründenden Tatsachen (Klageleugnen), hat dies auf die Bemessung des Streitwerts keinen Einfluss. Bewertet wird nur der prozessuale Anspruch, also das Begehren des Klägers. Deswegen ist für die Streitwertbemessung unerheblich, ob der Beklagte Einwendungen oder Einreden geltend macht. Entschieden wird nur über den Klageantrag. Ob die Klage wegen einer Einrede oder Einwendung oder aus anderen Gründen abgewiesen wird, ist für die Höhe des Streitwertes ohne Belang.2 2. Hilfsaufrechnung

2.1066 Der Zuständigkeitsstreitwert bleibt auch bei einer Hilfsaufrechnung unverändert. Für den Gebührenstreitwert bildet sie aber wegen § 322 Abs. 2 ZPO eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich Einwendungen des Beklagten nicht auf den Streitwert auswirken.3 Der Wert der Aufrechnungsforderung wird nach § 45 Abs. 3 GKG dem Klagewert hinzugerechnet, wenn und soweit über die Forderung mit Rechtskraftwirkung entschieden wurde oder die Parteien sich hierüber vergleichen (§ 45 Abs. 4 GKG). Ein außergerichtlicher Vergleich der Parteien reicht jedoch für die Anwendung des § 45 Abs. 4 GKG nicht aus.4

2.1067 Die Hilfsaufrechnung eines von mehreren gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Beklagten erhöht gem. § 45 Abs. 3 GKG i.V.m. § 422 BGB den Streitwert (auch) im Verhältnis zwischen dem Kläger und demjenigen Beklagten, der die Hilfsaufrechnung nicht erklärt hat.5

2.1068 Entscheidet das Gericht nicht über die hilfsweise aufgerechnete Forderung, wird ihr Wert dem Gebührenstreitwert nicht nach § 45 Abs. 3 GKG hinzugerechnet. Das schlägt nach § 32 Abs. 1 RVG auf den Gegenstandswert für die Anwaltskosten durch, eine abweichende Festsetzung nach § 33 RVG kommt nicht in Betracht.6 Weitere Einzelheiten lese man beim Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff. nach. 3. Zurückbehaltungsrecht

2.1069 In der Rechtsprechung ist stark umstritten, ob die Rechtsverteidigung des Beklagten den Streitwert beeinflusst, wenn er das Recht des Klägers auf Herausgabe des Gegenstandes nicht an sich in Frage stellt, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht (etwa aus §§ 273, 320, 348 BGB) geltend macht. Die 1 LG Stuttgart, Beschl. v. 14.8.2008 – 19 T 299/08, ZMR 2009, 77. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345; BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, AGS 2003, 127. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2003 – 23 W 120/03, AGS 2004, 27 m. Anm. N. Schneider. 5 KG, Beschl. v. 3.3.2009 – 2 U 258/02; MDR 2009, 586. 6 BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – VII ZB 99/07, MDR 2009, 54.

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Einrede, Einwendung

2. Teil

Einzelheiten zu diesem Meinungsstreit können beim Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1681–2.1686 nachgeschlagen werden.

ZPO

zutreffende, wohl herrschende Meinung bestimmt auch hier den Streitwert allein nach dem klägerischen Begehren.1 Die Gegenauffassung will als Streitwert im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur den Wert des Gegenanspruchs ansetzen, wenn er im Verhältnis zum Wert der herauszugebenden Sache geringwertig ist.2

2.1070

II. Rechtsmittel und Beschwer Für den Rechtsmittelstreitwert kommt es auf die geltend gemachte Beschwer (Angriff gegen das Zu- 2.1071 erkennen der Klageforderung, gegen das Aberkennen der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung oder gegen beides = die materielle Beschwer) an. Wendet sich der unbedingt zur Zahlung verurteilte Beklagte nur dagegen, dass ihm sein Zurückbehaltungsrecht abgesprochen wurde, bemisst sich seine Beschwer nur nach dem Wert der ihm zu erbringenden Gegenleistung.3 Der Wert des Zurückbehaltungsrechts wird aber durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt, weil über den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung hinaus keine Beschwer vorhanden ist.4 Das Gegenrecht wird nämlich nicht rechtshängig und mangels einer § 322 Abs. 2 ZPO entsprechenden Regelung nicht aberkannt, wenn das Zurückbehaltungsrecht nicht zugesprochen wird.5

2.1072

B. Prozesshindernde Einreden I. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Streit über Sachurteilsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen; Zulässigkeitsvoraussetzungen), 2.1073 wie etwa die Prozessfähigkeit oder internationale Zuständigkeit, kann bereits aus praktischen Gründen in erster Instanz keinen Einfluss auf den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert haben. Jede Klage wird mit einem Sachziel erhoben, so dass der Kläger allein durch die Klageerhebung den Rechtsstandpunkt vertritt, diese lägen vor. Maßgebend ist daher der Streitwert des Sachantrages. Gesonderte Gerichtsgebühren fallen auch bei abgesonderter Verhandlung nach § 280 Abs. 1 ZPO nicht an.6 Es ist auch kein gesonderter Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren im ersten Rechtszug festzusetzen. Der Zwischenstreit über eine Sachurteilsvoraussetzung ist wegen § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 RVG mit den Gebühren für die Hauptsache mit abgegolten. 1 RG, Urt. v. 6.5.1933 – I 18/33, RGZ 140, 359; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.1.2010 – 13 W 67/09, NZM 2011, 135; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Celle, Beschl. v. 4.2.1977 – 15 W 1/77, MDR 1977, 672 und 935; OLG München, Beschl. v. 13.1.1981 – 5 W 2607/80, MDR 1981, 501 = JurBüro 1981, 892 m. Anm. Mümmler; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.2.1983 – 11 W 68/83, JurBüro 1983, 916; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.11.1974 – 13 W 50/74, NJW 1975, 394; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, MDR 1988, 1067; OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1989 – 1 W 12/89, JurBüro 1989, 1598. 2 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2017 – 6 W 56/17; KG, Beschl. v. 14.8.2018 – 21 W 5/18, MDR 2018, 1371; OLG Hamm, Beschl. v. 30.1.2013 – 12 W 37/12, BauR 2013, 995; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.12.2010 – 2 W 2145/10, MDR 2011, 514; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.1.2019 – 3 W 5/19. 3 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16; BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1991, 794; BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829; ausführlich dazu das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff. 4 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16. 5 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345. 6 Zöller/Greger, § 280 ZPO Rz. 12.

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2.1074

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2. Teil

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Einrede, Einwendung

ZPO

2.1075 Bedeutung erlangt die Wertbestimmung daher nur bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen, durch die die Sachurteilsvoraussetzungen verneint oder bejaht worden sind. Der Gebührenstreitwert stimmt bei diesen Rechtsmittelverfahren regelmäßig mit der Beschwer überein und wird daher im folgenden Abschnitt mit erörtert.

II. Rechtsmittel und Beschwer 1. Zwischenurteile

2.1076 Fehlt eine Sachurteilsvoraussetzung, wird die Klage grundsätzlich durch Endurteil als unzulässig abgewiesen. Wird sie dagegen bejaht, kann das Gericht ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage erlassen, das nach § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO selbständig mit der Berufung anfechtbar ist.

2.1077 Der Streitwert entspricht grundsätzlich dem Wert der Hauptsache. Das gilt etwa beim Streit um die internationale Zuständigkeit des Gerichts,1 um die Unzulässigkeit der Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit,2 oder wegen der Einrede des Schiedsvertrages.3

2.1078 Der Streitwert ist nach zutreffender Ansicht bei einer Berufung gegen ein Urteil, das die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen hat, ebenfalls mit dem Wert der Hauptsache zu bemessen.4 Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht5 gilt dies auch dann, wenn im Berufungsrechtszug ein Verweisungsantrag gestellt wird. Dabei handelt es sich um einen bloßen Hilfsantrag, weil ansonsten die Berufung unzulässig wäre, da der Rechtsmittelkläger sonst entgegen § 513 Abs. 1 Fall 1, § 546 ZPO keine Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil behauptete. Der niedrigere Wert eines Hilfsantrages kann aber nach allgemeinen Grundsätzen den Streitwert nicht ermäßigen.

2.1079 Weitere Einzelheiten lese man bei den Stichworten „Verweisung“, Rz. 2.5538 ff. und „Zuständigkeit“, Rz. 2.6359 ff. nach.

2.1080 Das Gleiche gilt bei einem Zwischenurteil über die Ausländerprozesskostensicherheit nach § 110 ZPO.6 Das Verlangen von Prozesskostensicherheit ermöglicht dem Beklagten, die Einlassung auf die Klage so lange zu verweigern, bis über das Verlangen entschieden oder die verlangte Sicherheit geleistet ist. Es ist also ein Verteidigungsmittel gegen die Klage selbst, weswegen der Streitwert des Zwischenstreits dem der Klage entspricht. In dieser Höhe ist der Beklagte bei einem verneinenden Zwischenurteil auch in der Revisionsinstanz beschwert.7

2.1081 Weitere Einzelheiten lese man beim Stichwort „Zwischenstreit und -urteil“, Rz. 2.6425 ff. nach.

1 OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.2.2013 – 4 U 78/12, MDR 2013, 510; AG Geldern, Urt. v. 20.4.2011 – 4 C 33/11, NJW-RR 2011, 1503. 2 RG, Recht 1925, 2279; OLG Celle, Beschl. v. 25.6.2012 – 13 U 149/11, JurBüro 2012, 531. 3 OLG Nürnberg, Urt. v. 29.4.2013 – 1 U 316/12. 4 BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 2Z BR 170/01, NJW-RR 2002, 882; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.1972 – 10 W 72/72, Rpfleger 1972, 463. 5 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.1999 – 5 U 189/98; OLG Dresden, Beschl. v. 25.5.2001 – 8 W 562/01 (jeweils 1/3 des Hauptsachewerts). 6 RG, Urt. v. 25.1.1898 – II 332/97, RGZ 40, 416; BGH, Beschl. v. 12.9.2017 – XI ZR 463/17; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – VI ZR 3/01; a.A. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.1986 – 10 U 8/86, MDR 1986, 593 (Höhe der Sicherheit). 7 BGH, Beschl. v. 12.9.2017 – XI ZR 463/17; RG, Urt. v. 25.1.1898 – II 332/97, RGZ 40, 416.

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Einstweilige Anordnungen

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2. Teil

Der Wert einer gegen die Aussetzung des Rechtsstreits gerichteten sofortigen Beschwerde nach § 252 ZPO ist mit 1/5 des Hauptsachewertes anzusetzen.1

2.1082

3. Streit um den zulässigen Rechtsweg Bei einem Streit um den zulässigen Rechtsweg besteht ein besonderes Vorabverfahren nach § 17a 2.1083 GVG. Das Gericht entscheidet dabei nicht durch Zwischenurteil, sondern durch Beschluss, gegen den gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG streitwertunabhängig die sofortige Beschwerde stattfindet. Bei Streit über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte als streitige Zivilgerichte oder als Familiengerichte oder Spruchkörper der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt dies gem. § 17a Abs. 6 GVG entsprechend. Es wird kein Streitwert für die Gerichtskosten angesetzt, weil im Beschwerde- (Nr. 1812 KV GKG) und im Rechtsbeschwerdeverfahren (Nr. 1826 KV GKG) Festgebühren anfallen.

2.1084

Als Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist ein Bruchteil des Hauptsachewertes anzusetzen, weil bei einem Streit um den zulässigen Rechtsweg keine Klageabweisung wegen Unzulässigkeit in Betracht kommt, sondern höchstens die Verweisung auf einen anderen Rechtsweg. Er wird regelmäßig mit 1/52 bis 1/43 angesetzt.

2.1085

Weitere Einzelheiten lese man beim Stichwort „Rechtswegverweisung“, Rz. 2.4322 ff. nach.

2.1086

Einstellung der Zwangsvollstreckung 2.1087

Siehe das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100.

Einstweilige Anordnungen A. Allgemeines Erinnerung und Beschwerde haben regelmäßig keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag oder von 2.1088 Amts kann das Gericht in bestimmten Fällen (Beschwerde, Klauselerinnerung, Erinnerung und Beschwerde gegen den Kostenansatz etc.) eine einstweilige Anordnung erlassen. Diese sind – im Gegensatz zu den Familiensachen – jedoch immer Teil des zugehörigen Hauptsacheverfahrens, so dass sich kaum Bewertungsprobleme ergeben.

B. Zuständigkeitsstreitwert Die Aussetzung der Vollziehung einer mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung obliegt dem Beschwerdegericht, § 570 Abs. 2 ZPO. Die einstweilige Anordnung vor Entscheidung über die Erinnerung gegen eine Klauselerteilung (§ 732 ZPO) oder den Kostenansatz (§ 66 Abs. 7 GKG) trifft das Ge1 BGH, Beschl. v. 25.7.2019 – I ZB 82/18, MDR 2019, 1524; OLG Braunschweig, Beschl. v. 18.1.2019 – 3 W 5/18; MDR 2019, 441; KG, Beschl. v. 23.2.2001 – 21 W 10336/00, AGS 2003, 81; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2001 – 12 W 23/01, MDR 2002, 479. 2 BGH, Beschl. v. 18.9.2008 – V ZB 40/08, MDR 2008, 1412; VGH München, Beschl. v. 26.1.2015 – 4 C 14.2206, AGS 2015, 138. 3 BGH, Beschl. v. 21.3.2016 – IX ZB 61/15, RVGreport 2016, 233.

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2.1089

ZPO

2. Aussetzung des Verfahrens

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2. Teil

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Einstweilige Anordnungen

ZPO

richt, dessen Geschäftsstelle die Klausel erteilt bzw. die Kosten angesetzt hat. Fragen des Zuständigkeitsstreitwerts stellen sich nicht, da isolierte einstweilige Anordnungen nicht möglich sind.

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 2.1090 Für die Verfahren auf einstweilige Anordnung gem. § 570 Abs. 3, § 732 ZPO oder § 66 Abs. 7 GKG fallen in erster Instanz keine Gerichtsgebühren an. In einem etwaigen Beschwerdeverfahren1 entstehen Festgebühren nach Nrn. 1812 GKG. Insgesamt bedarf es daher für die Gerichtsgebühren keiner Wertfestsetzung.

II. Anwaltsgebühren 1. Verfahren nach § 570 Abs. 3 ZPO

2.1091 Bei den Anwaltsgebühren zählen einstweilige Anordnungen nach §§ 570 Abs. 3 ZPO zählen bei den Anwaltsgebühren mit zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG). Sie lösen für den in der Hauptsache bereits tätigen Anwalt grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus.

2.1092 Nur dann, wenn über die einstweilige Anordnung eine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfindet, handelt es sich für den in der Hauptsache tätigen Anwalt um eine eigene selbständige Angelegenheit (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG). Es entstehen dann die Gebühren nach den Nrn. 3328, 3332 VV RVG.

2.1093 Wird der Anwalt ausschließlich mit dem Verfahren über die einstweilige Anordnung gem. § 570 Abs. 3, § 769, § 770, § 771 ZPO beauftragt, liegt eine Einzeltätigkeit vor, die eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG auslöst.

2.1094 Der Gegenstandswert errechnet sich in beiden Fällen nach der neueren Rechtsprechung, der auch der BGH folgt,2 nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Er wird regelmäßig mit einem Fünftel des Hauptsachewerts angenommen,3 da mit den Verfahren nicht der Titel angegriffen, sondern lediglich ein zeitweiliger Zahlungsaufschub angestrebt wird. Das OLG München geht von einem Zehntel des Hauptsachewerts aus.4 2. Verfahren nach § 732 Abs. 2 ZPO

2.1095 Soweit der Anwalt bereits im Vollstreckungsverfahren tätig ist, erhält er keine gesonderte Vergütung, da die einstweilige Anordnung nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 RVG mit zur Vollstreckungstätigkeit zählt.

1 Zur Statthaftigkeit der Beschwerde s. KG v. 19.6.2009 – 2 W 105/09, MDR 2010, 105 – verneinend für § 570 ZPO; OLG Stuttgart v. 4.11.1993 – 8 W 481/93, Rpfleger 1994, 220 – verneinend für richterliche Anordnung gem. § 570 ZPO; OLG Köln, Beschl. v. 16.8.1999 – 2 W 161/99, NJW-RR 2001, 69 – bejahend für Anordnung gem. § 732 ZPO durch den Rechtspfleger; OLG Köln v. 22.8.1990 – 2 W 151/90, ZMR 1990, 419. 2 BGH, Beschl. v. 22.6.1983 VIII ZB 8/83, VIII ZB 9/83, WM 1983, 968; BGH, Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, MDR 1991, 1204. 3 BGH, Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, MDR 1991, 1204. 4 OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.1981 – 3 W 25/81, JurBüro 1981, 919.

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Schneider

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Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

2. Teil

2.1096

Der Gegenstandswert richtet sich hier nach § 25 Abs. 2 RVG. Maßgebend ist das Interesse des Schuldners an der Aussetzung der Vollstreckung.

2.1097

ZPO

Soweit der Anwalt nur mit der einstweiligen Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO befasst ist, löst diese für ihn die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus, so dass es dann insoweit auch eines Gegenstandswertes bedarf. Die Wertfestsetzung erfolgt nach § 33 RVG.

3. Verfahren nach § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG Auch hier fallen Anwaltsgebühren nur als Einzeltätigkeit an (Nr. 3403 VV RVG). Man wird einen Bruchteil der Hauptsache je nach Interesse an der Aussetzung der Vollstreckung ansetzen.

2.1098

III. Beschwerdeverfahren Soweit gegen eine einstweilige Anordnung Beschwerde geführt wird, gilt § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG. Hier dürften die gleichen Bewertungen gelten wie für die Anordnung selbst.1

2.1099

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung A. Allgemeines In bestimmten Verfahrenssituationen (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahme- 2.1100 antrag, Rüge nach § 321a ZPO, Fortsetzung des Verfahrens nach Vorbehaltsurteil, Einspruch, Berufung, Revision, Vollstreckungsabwehrklage, Klauselgegenklage etc.) kann das Gericht auf Antrag Entscheidungen über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung treffen. Die entsprechenden Verfahren sind in §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO geregelt.

B. Zuständigkeitsstreitwert Sachlich zuständig für die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist das Prozessgericht, also 2.1101 das Gericht, bei dem Rechtsstreit anhängig ist, § 707 Abs. 1 Satz 1, § 719 Abs. 1 Satz 1, § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dessen sachliche Zuständigkeit richtet sich – abhängig vom Gegenstand der Hauptsache – nach den allgemeinen Regeln. Vor Rechtshängigkeit, also bei Antragstellung zusammen mit der Klageeinreichung oder eines hierauf gerichteten Prozesskostenhilfeantrages,2 ist zur Sicherung des vorläufigen Rechtschutzes das mit der Klage befasste Gericht zur Entscheidung berufen, unabhängig von seiner Zuständigkeit in der Hauptsache. Eine isolierte Antragstellung gegenüber dem Vollstreckungsgericht kommt gem. § 769 Abs. 2 ZPO in Betracht, wenn eine rechtzeitige Entscheidung des Prozessgerichts vor der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme nicht zu erreichen ist.

1 BGH, Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, MDR 1991, 1204. 2 Zulässigkeit verneinend BGH, Beschl. 22.2.2001 – I ZA 1/01; offenlassend BGH, Beschl. v. 26.9.2018 – VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 90.

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2. Teil

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Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

ZPO

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 2.1102 Für die Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO fallen in erster Instanz keine Gerichtsgebühren an. In einem etwaigen Beschwerdeverfahren1 entstehen Festgebühren nach Nrn. 2121, 2124 KV GKG. Insgesamt bedarf es daher für die Gerichtsgebühren keiner Wertfestsetzung.

II. Anwaltsgebühren 2.1103 Für die Anwaltsgebühren muss daher mangels einer Anknüpfung an den Gerichtsgebührenwert (§ 32 Abs. 1 RVG) ein Gegenstandswert bestimmt werden. Dieser ist nach § 25 Abs. 2 RVG anhand des Interesses des Schuldners am zeitweiligen Aufschub der Vollstreckung zu schätzen. Ausgangspunkt dieser Schätzung ist der Titel, gegen dessen Vollstreckung sich der Antragsteller mit seinem Antrag zur Wehr setzt. Bei der Wertbestimmung kann auf die frühere Rechtsprechung zum Gerichtsgebührenwert zurückgegriffen werden.

2.1104 Das für die Bewertung maßgebliche Interesse des Schuldners an der Vollstreckungseinstellung wurde im Rahmen einer Bruchteilsbewertung regelmäßig auf 1/5 des Hauptsachewertes geschätzt.2 Grund für diese geringere Bewertung war der Umstand, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur zu einem vorübergehenden Aufschub führen konnte und der Titel selbst nicht angegriffen wurde. Das Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Einstellung konnte nicht identisch sein mit der entsprechenden Hauptklage, die Zwangsvollstreckung schlechthin, also zeitlich unbegrenzt auszuschließen, da sich die zu bewertenden Streitgegenstände nicht deckten. Diese Grundsätze können auch auf die Bestimmung des Gegenstandswertes nach § 25 Abs. 2 RVG übertragen werden. Anzusetzen ist daher ein Bruchteil von 1/5 des Hauptsachewertes.3

2.1105 Erfolgt die Antragstellung zusammen mit der Klageeinreichung oder Rechtsmitteleinlegung rechtfertigt die Verbindung keine Werterhöhung. Ungeachtet der weiteren Voraussetzung für die Entstehung einer eigenständigen Gebühr für die auf die vorläufige Einstellung anwaltliche Tätigkeit (s. hierzu unter Rz. 2.1106) sind die mit Antrag und Klage verfolgten Ansprüche – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Interesse gerichtet und unterscheiden sich nur des zeitlichen Umfangs der Einstellung.4

2.1106 In der Praxis wird die Bestimmung eines Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren allerdings nur selten erforderlich sein. Denn ist der Anwalt – wie regelmäßig – Prozessbevollmächtigter der Partei, so gehört ein Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung für ihn gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG zum Rechtszug. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine abgesonderte mündliche Verhandlung über die Einstellung stattgefunden hat.5 Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der Anwalt nicht Prozessbevollmächtigter ist, sondern im Einstellungsverfahren im Rahmen eines Einzelauftrags tätig wird. Denn die Verfahrensgebühr nach Nr. 3328 VV RVG knüpft ebenfalls daran an, dass ei1 Zur fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde s. BGH, Beschl. v. 21.4.2004 – VII ZB 279/03, NJW 2004, 2224. 2 BGH, Urt. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, MDR 1991, 1204; KG, Beschl. v. 30.3.1982 – 1 W 326/82, Rpfleger 1982, 308; OLG Bremen, Beschl. v. 25.10.1993 – 2 W 97/93. 3 OLG Köln, Beschl. v. 2.3.2017 – 19 W 7/17; OLG Saarbücken, Beschl. v. 6.12.2005 – 5 W 332/05, NJWRR 2005, 1579; Schneider/Wolf, § 25 RVG Rz. 28; abw. LG Mühlhausen, Beschl. v. 28.2.2017 – 1 T 81/16, Rpfleger 2017, 412: 1/10. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 1.4.2016 – 14 W 154/16, MDR 2016, 1476; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 1.10.1979 – 5 WF 504/79, FamRZ 1980, 476; OLG Köln, JurBüro 1974, 636. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.2.2012 – 18 WF 169/11, FamRZ 2013, 325; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.4.2016 – 14 W 154/16, MDR 2016, 1476.

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Einstweilige Verfügung

2. Teil

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ne abgesonderte mündliche Verhandlung über die Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung stattgefunden hat. In den Verfahren nach §§ 707, 719, 769 ZPO wird dies kaum der Fall sein, da die betreffenden Entscheidungen durch Beschluss ergehen. In dieser Verfahrensart findet wegen § 128 Abs. 4 ZPO eine mündliche Verhandlung in der Praxis nicht statt.

Einstweilige Verfügung Literatur: D. Meyer, Gerichtsgebühren bei einem Kostenwiderspruch gegen eine einstweilige Verfügung, JurBüro 2003, 525; E. Schneider, Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens bei Arrest und einstweiliger Verfügung, JurBüro 1977, 1516; H. Schneider, Vergütung für die Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung in Zivil- und Familiensachen, JurBüro 2019, 337. A. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.1107 B. Gebührenstreitwert

V. Vergleich im Verfügungsverfahren . . . 2.1121

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1109

VI. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1123

II. Bruchteilsbewertung . . . . . . . . . . . . . . 2.1111

VII. Vollziehungsverfahren . . . . . . . . . . . . 2.1128

2.1117

C. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.1133

IV. Schutzschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1118

D. ABC der Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . 2.1136

III. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche

A. Zuständigkeitsstreitwert Man braucht bei einstweiligen Verfügungen keinen eigenen Zuständigkeitsstreitwert zu bestimmen. 2.1107 Die Sonderzuständigkeiten des AG nach § 942 ZPO sind streitwertunabhängig. Im Übrigen richtet sich die sachliche Zuständigkeit gem. § 937 Abs. 1, § 943 Abs. 1 ZPO allein danach, welches Gericht nach §§ 23, 71 GVG für die Hauptsache zuständig wäre. Beispiel: Die Parteien streiten um Bargeld i.H.v. 6.000 t. Das Hauptsacheverfahren hätte demgemäß einen Streitwert von 6.000 t. Im einstweiligen Verfügungsverfahren wird die Herausgabe an einen Sequester begehrt. Wegen des nur vorläufigen Charakters wurde für das Verfügungsverfahren nur ein Streitwert von 3.000 t angesetzt.

2.1108

Sachlich zuständig ist das LG, weil der Streitwert der Hauptsache 5.000 t übersteigt.

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Der Gebührenstreitwert für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Wegen der durch § 938 ZPO gelockerten Bindung an den Antrag ist dabei das wirkliche Begehren des Verfügungsklägers maßgebend.1

2.1109

Gemäß § 40 GKG ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, um das Interesse des Verfügungsklägers zu bewerten. Bei der Berechnung der Gebühr für die gerichtliche Entscheidung (Nr. 1412 KV GKG) sind jedoch ausnahmsweise Wertänderungen nach Antragstellung zu berücksichtigen, denn die

2.1110

1 OLG Köln, Beschl. v. 6.2.1980 – 2 W 3/80, JurBüro 1980, 741.

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2. Teil

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Einstweilige Verfügung

ZPO

Verfahrensgebühr von 1,5 (Nr. 1410 KV GKG) erhöht sich nur nach dem Wert des Streitgegenstands auf 3,0 (Nr. 1412 KV GKG), auf den sich die Entscheidung bezieht.1

II. Bruchteilsbewertung 2.1111 Der Streitwert ist grundsätzlich niedriger als der Wert eines entsprechenden Klageverfahrens2 und mit einem Bruchteil der zu sichernden Forderung zu bewerten,3 der unter ihrem Nennwert liegt.4 Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes ordnet § 51 Abs. 4 GKG die Bewertung mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes sogar ausdrücklich an. Stets sind die Umstände des Einzelfalls zu betrachten, wenn man den Wert bemisst. Die Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung in der Entscheidung über eine einstweilige Verfügung ist dabei kein maßgebender Umstand.5

2.1112 Trotz der gebotenen Einzelfallbetrachtung decken Bewertungen zwischen 1/3 und 1/2 des Hauptsachewertes die meisten Fälle ab. Die Rechtsprechung nimmt meist 1/3 des Wertes der zu sichernden Forderung an.6 Das KG geht stattdessen von einen Regelwert von 2/3 aus, weil der Gesetzgeber die Bedeutung der einstweiligen Verfügung gesteigert habe, da sie nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB (anders als nach § 209 BGB a.F.) die Verjährung hemme.7 Eine dritte Auffassung will § 41 Satz 2 FamGKG entsprechend anwenden und geht von einem Regelwert von 1/2 der Hauptsache aus.8

2.1113 Nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls kann der Streitwert – je nach der Bedeutung des Verfahrens für das gesamte Streitverhältnis – den Wert der Hauptsache erreichen. Das gilt insbesondere, wenn der Verfügungskläger keine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung anstrebt oder ihm volle Befriedigung verschafft wird (Leistungsverfügung),9 oder wenn die unmittelbar drohende Gefahr eines Rechtsverlustes beseitigt werden soll.10

2.1114 Die Bewertung des einstweiligen Verfügungsantrags mit dem Wert der Hauptsache erfordert keinen Erfolg der angestrebten endgültige Regelung für den Verfügungskläger.

2.1115 Beispiel: Das OLG Rostock hat den Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit dem Wert der Hauptsache bemessen, weil der Verfügungskläger seinen Antrag zurückgezogen hatte, da er einen Misserfolg des Antrags erwartete. Unter diesen Umständen sei die Sache praktisch endgültig entschieden.11

1 2 3 4 5 6

7 8 9

10 11

OLG München, Beschl. v. 25.1.1996 – 11 W 3187/95, MDR 1996, 423. KG, Beschl. v. 19.6.1967 – 1 W 1019/67, JurBüro 1967, 806. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.10.1952 – 5 W 156/52, NJW 1953, 424. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 161. OLG Neustadt, JurBüro 1961, 457. OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2001 – 9 WF 47/01; OLG Rostock, Beschl. v. 10.10.1994 – 2 U 39/94; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.7.1991 – 4 W 22/91, JurBüro 1991, 1690. KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, WRP 2005, 368. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.63. OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.7.2009 – 3 W 43/09 (Deckungsschutz aus der Krankenversicherung); OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189; OLG Rostock, Beschl. v. 5.9.2008 – 2 W 22/08, GRUR-RR 2009, 39; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1990 – 5 W 25/90, MDR 1991, 354; OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99; OLG München, Beschl. v. 1.4.1996 – 12 UF 1457/96, FamRZ 1997, 691. OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2001 – 9 WF 47/01; OLG Karlsruhe, Justiz 1971, 354; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1552; LG Kleve, Beschl. v. 28.6.2019 – 6 S 32/19 (Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs). OLG Rostock, Beschl. v. 5.9.2008 – 2 W 22/08, GRUR-RR 2009, 39.

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2. Teil

Eine Bemessung auf die volle Höhe der zu sichernden Forderung muss aber die Ausnahme sein, denn im einstweiligen Verfügungsverfahren ist nicht der erst im Hauptsacheprozess zu klärende materielle Anspruch Streitgegenstand, sondern nur der auf dem Prozessrecht beruhende Anspruch auf einstweilige Regelung oder Sicherung.1 Ohne das Einverständnis des Unterlegenen kann nur eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren den Streit der Parteien endgültig beenden. Die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen der einstweiligen Verfügung binden das Gericht im Hauptsacheverfahren nicht. All dem ist Rechnung zu tragen, was in der Regel gebietet, nur einen Bruchteil des Hauptsachewertes anzusetzen.

2.1116

ZPO

Einstweilige Verfügung

III. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche Der Streitwert einstweiliger Verfügungen wegen nichtvermögensrechtlicher Ansprüche ist nach § 3 ZPO zu schätzen,2 weil § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG dem § 48 Abs. 2 GKG grundsätzlich vorgeht. Dennoch sind beim Gebrauch des freien Ermessens die Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG heranzuziehen.3 Die Kostengesetze können gesetzgeberische Wertungen für die Wertbestimmung enthalten, die bei der Ermessensausübung nach § 3 ZPO beachtlich sind. Somit sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere Bedeutung und Umfang der Sache nebst den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien maßgeblich. Ausgangspunkt der Wertbestimmung mag entsprechend § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 RVG ein Regelwert von 5.000 t für die Hauptsache sein.4 Auch einstweilige Verfügungen in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten haben regelmäßig einen Streitwert von 1/3 bis 1/2 des Wertes der Hauptsache.5 Das OLG Brandenburg geht dagegen von einem Regelbruchwert von 2/3 aus, weil sie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen den Streit der Parteien oft endgültig bereinigten.6

2.1117

IV. Schutzschrift Reicht eine Partei vorbeugend eine Schutzschrift i.S.v. § 945a Abs. 1 Satz 2 ZPO beim Zentralen Schutzschriftenregister ein, gilt sie gem. § 945a Abs. 2 ZPO mit der Einstellung ins Register als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht. Das Register erhebt eine Festgebühr nach Nr. 1160 KV JVKostG, die der Einreicher gem. § 15a JVKostG schuldet.

2.1118

Der Rechtsanwalt erhält eine wertabhängige 1,3fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für das Einreichen der Schutzschrift, wenn er zugleich mit der Vertretung des Einreichers in dem erwarteten Verfügungsverfahren mandatiert wurde. Wird er zunächst nur beauftragt, die Schutzschrift zu fertigen, erhält er eine 0,8fache Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG.7 Obwohl das Schutzschriftenregister eine Justizverwaltungseinrichtung ist,8 gilt das Einreichen der Schutzschrift wegen der Fiktion des § 945a Abs. 2 ZPO anwaltsgebührenrechtlich als gerichtliches Verfahren. Der Gegenstandswert entspricht dem Streitwert, den das erwartete Verfügungsverfahren hätte.

2.1119

Findet das Verfügungsverfahren statt, erhält der Anwalt die Gebühr nur einmal, weil das Einreichen der Schutzschrift gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a RVG zum Rechtszug gehört.9 Wenn der Anwalt zunächst nur eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG verdient hatte, geht sie in der Verfahrensgebühr nach

2.1120

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 1 W 14/18, AGS 2019, 73. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 1 W 14/18, AGS 2019, 73; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2012 – 16 U 184/11, JurBüro 2012, 656. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.4.2011 – 5 W 70/11 - 28, AfP 2011, 582. OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 1 W 14/18. Hartung/Schons/Enders, § 19 RVG Rz. 11. BT-Drucks. 18/6380, 11. BT-Drucks. 18/6380, 12.

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2. Teil

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Einstweilige Verfügung

ZPO

Nr. 3100 VV RVG auf, wenn er später im Verfügungsverfahren mit der Vertretung beauftragt wird.1 Gegenstandswert ist der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

V. Vergleich im Verfügungsverfahren 2.1121 Wenn im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Vergleich geschlossen wird, der eine endgültige Regelung trifft, welche die Hauptsache mitumfasst, kann eine gerichtliche Mehrvergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG2 entstehen, wenn die Hauptsache noch nicht rechtshängig ist. Bei einer mitverglichenen rechtshängigen Hauptsache entsteht dagegen keine Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG.3 Wie man den Streitwert für die Mehrvergleichsgebühr und die anwaltliche Einigungsgebühr berechnet, ist umstritten. Teilweise werden zwei selbständige Gegenstände angenommen, so dass der Streitwert für den Vergleich die Summe der Werte der einstweiligen Verfügung und der Hauptsache sei.4 Die andere Auffassung nimmt wirtschaftliche Identität an und setzt allein den höheren Wert an,5 der im Einzelfall noch um die mitverglichenen Kosten des Hauptverfahrens zu erhöhen sein mag.6

2.1122 Zutreffend ist eine vermittelnde Auffassung. Die Streitwerte sind zusammenzurechnen, soweit Verfügungs- und Hauptsacheverfahren unterschiedliche Gegenstände betreffen, ansonsten ist wegen wirtschaftlicher Identität nur der höhere Wert (also regelmäßig der Wert der Hauptsache) anzusetzen. Der Gegenstand von Verfügungs- und Hauptsacheverfahren ist nicht stets, aber meist wirtschaftlich identisch, so etwa bei Leistungsverfügungen, die die Hauptsache vorwegnehmen oder auch, wenn die einstweilige Verfügung auf die Herausgabe einer Sache an einen Sequester und die Hauptsache auf die Herausgabe der Sache an den Kläger gerichtet ist. In diesen Fällen betreffen vorläufige und endgültige Regelung wirtschaftlich denselben Gegenstand, zumal die Einigung über die Hauptsache die einstweilige Regelung schlicht entbehrlich macht.7 Dass Hauptsacheverfahren und einstweiliges Verfügungsverfahren nach § 17 Nr. 4 RVG anwaltsgebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten sind, ändert daran nichts. Zwar fallen gesonderte Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 ff. RVG an, die Einigungsgebühr entsteht aber nur einmal und zwar in dem Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen worden ist.8 Wo der einstweiligen Regelung hingegen ein eigener wirtschaftlicher Wert zukommt, sind unterschiedliche Gegenstände anzunehmen.

VI. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren 2.1123 In Verfahren auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung oder nach Widerspruch (§§ 924, 926, 927, 936 ZPO) ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wie sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG ergibt.9

2.1124 Gerichtskostenrechtlich ist das Aufhebungsverfahren gemäß Vorbem. 1.4 Abs. 2 KV GKG vom Anordnungsverfahren getrennt.10 Anwaltsgebührenrechtlich sind Anordnungs- und Aufhebungsverfah1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Hartung/Schons/Enders, § 19 RVG Rz. 13. Vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2015 – 18 W 31/15. Vgl. LG Freiburg, Beschl. v. 2.5.2019 – 3 S 10/18, AGS 2019, 336. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.1.2008 – 11 WF 24/08, MDR 2008, 1068; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.3.2005 – 10 WF 39/04, AGS 2006, 37; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.5.1991 – 8 W 128/91, MDR 1991, 104. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2016 – 7 WF 217/16, FamRZ 2017, 392; Gerold/Schmidt/Müller-Raabe, RVG, Anh. II Rz. 42; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 85. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918; zust. Lappe, NJW 1982, 1737. Gerold/Schmidt/Müller-Raabe, RVG, Anh. II Rz. 45. Gerold/Schmidt/Müller-Raabe, RVG, Anh. II Rz. 44. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.1.1969 – 6 W 563/68, JurBüro 1969, 343; OLG Celle, Urt. v. 24.1.1969 – 13 U 225/68, Rpfleger 1969, 96; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.3.1974 – 1 W 11/74, JurBüro 1974, 1150; näher dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 1516. Zöller/G. Vollkommer, § 927 ZPO Rz. 16.

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Einstweilige Verfügung

2. Teil

Ist das Interesse wegen Zeitablaufs in zweiter Instanz geringer, ermäßigt sich auch der Streitwert.5 Meist wird dies darauf zurückzuführen sein, dass sich das Sicherungsbedürfnis abgeschwächt hat.6 Ebenso liegt es, wenn der aufzuhebende Titel bei Erhebung der Aufhebungsklage nur noch einen geringeren Wert hat. Dann ist dieser maßgebend.7

ZPO

ren dagegen nach § 16 Nr. 5 RVG eine Angelegenheit. Das Aufhebungsverfahren hat in der Regel denselben Streitwert wie das Anordnungsverfahren.1 Er richtet sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers, das dem Wert entspricht, den der aufzuhebende Titel bei Erhebung der Aufhebungsklage noch hat.2 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass über den Fortbestand der Rechtsmäßigkeit der einstweiligen Verfügung noch gestritten wird und nicht lediglich über die formelle Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, die nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien durch die Entwicklung der Dinge gegenstandslos geworden ist.3 In diesem Fall ist nur ein geringer Betrag festzusetzen.4

2.1125

Das Verfahren nach Widerspruch gem. § 924 ZPO ist gerichtskostenrechtlich bereits durch die Ver- 2.1126 fahrensgebühr für den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abgegolten.8 Auch die Tätigkeit des Anwalts vor und nach Einlegung des Widerspruchs ist wegen § 16 Nr. 5 RVG eine Angelegenheit. Bestellt sich ein Anwalt erst nach Einlegung eines sog. Kostenwiderspruchs, entsteht die anwaltliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) nur aus dem Kostenstreitwert, da der Kostenwiderspruch den Streit der Parteien auf den Kostenpunkt reduziert hat; der (zusätzliche) Ansatz einer reduzierten Gebühr aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens (Nr. 3101 VV RVG) kommt nicht in Betracht.9 Eine – nur bei mündlicher Verhandlung anfallende10 – Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) wird ebenfalls aus dem Kostenstreitwert berechnet. Wird die Anordnung einer Frist zur Erhebung der Klage nach § 926 Abs. 1 ZPO abgelehnt, so ist der Beschwerdewert für die hiergegen eingelegte Beschwerde gleich dem des Eilverfahrens.11

2.1127

VII. Vollziehungsverfahren Von Amts wegen ist kein Streitwert für das Vollziehungsverfahren festzusetzen, weil die Gerichtskosten wertunabhängige Festgebühren sind, die denen der Zwangsvollstreckung aus anderen Titeln entsprechen.12

2.1128

Anwaltsgebührenrechtlich sind Maßnahmen zur Vollziehung einstweiliger Verfügungen nach § 18 2.1129 Abs. 1 Nr. 2 RVG besondere Angelegenheiten, wenn sich die Vollziehung nicht auf die bloße Zustellung beschränkt. Dass der für die Anwaltsgebühren maßgebliche Gegenstandswert nach § 25 RVG zu be1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.2014 – 6 W 106/13, AGS 2014, 184; KG, Beschl. v. 24.3.2010 – 8 W 10/10. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.2014 – 6 W 106/13, AGS 2014, 184; KG, Beschl. v. 24.3.2010 – 8 W 10/10. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.3.1974 – 1 W 11/74, JurBüro 1974, 1150; OLG Hamburg, Beschl. v. 18.10.1977 – 3 W 170/77, WRP 1977, 814. 4 KG, Beschl. v. 24.3.2010 – 8 W 10/10 (Kosteninteresse); KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, JurBüro 2002, 479 (1/3 des Wertes des Verfügungsantrags). 5 OLG Köln, Beschl. v. 10.7.1974 – 2 U 153/73, BB 1974, 1184. 6 OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1979 – 2 W 110/79, JurBüro 1980, 244. 7 OLG Celle, Urt. v. 24.1.1969 – 13 U 225/68, Rpfleger 1969, 96. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 23.6.2015 – 9 W 88/15, AGS 2015, 539. 9 BGH, Beschl. v. 15.8.2013 – I ZB 68/12, MDR 2013, 1253; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.7.2008 – 8 W 118/08, MDR 2009, 174; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.2007 – 6 W 58/07, MDR 2007, 1455; a.A. OLG München, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 W 1883/05, AGS 2005, 496. 10 Hansens, RVGreport 2011, 128. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.11.1980 – 5 W 24/80, ZIP 1980, 1144. 12 Zöller/G. Vollkommer, § 928 ZPO Rz. 8.

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2. Teil

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Einstweilige Verfügung

ZPO

stimmen ist, hat der Gesetzgeber durch das am 1.8.2013 in Kraft getretene 2. KostRMoG ausdrücklich geregelt.1 Die Neufassung des § 25 Abs. 1 RVG hat den früheren Meinungsstreit erledigt.

2.1130 Gegenstandswert ist daher gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG der Wert der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen;2 gem. § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG der Wert der herauszugebenden Sache, beschränkt auf den nach dem GKG berechneten Wert des Herausgabeanspruchs; und gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert, den die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Werden Geldforderungen vollstreckt, ist daher der volle Nennbetrag Gegenstandswert. § 25 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RVG ordnen dagegen letztlich die Geltung des Wertes des dem Titel zugrunde liegenden Erkenntnisverfahrens an, so dass der Gegenstandswert der Vollziehung der einstweiligen Verfügung gleich dem Streitwert des Verfügungsverfahrens ist.3 Abzulehnen ist die Ansicht, Gegenstandswert der Vollziehung sei nur ein Bruchteil des Wertes des Verfügungsverfahrens.4

2.1131 Hat der Verfügungsbeklagte nachträglich eine Abschlusserklärung abgegeben, ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert eines Hauptsacheklageverfahrens und nicht der Wert des zugrunde liegenden Verfügungsverfahrens anzusetzen, weil dadurch die Regelung der einstweiligen Verfügung nachträglich endgültig geworden ist.5

2.1132 Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Ausführungen der Stichworte „Ordnungsmittel“, Rz. 2.3782 ff. und „Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.6401 ff.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.1133 Die Berufung ist bei einstweiligen Verfügungen, die durch Urteil erlassen worden sind, wegen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 v übersteigt.

2.1134 Nach zutreffender Ansicht gilt dieser Mindestwert auch für sofortige Beschwerden gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss nach § 937 Abs. 2 Fall 2 ZPO.6 Der Gesetzgeber hat die Zurückweisung der Anträge durch Beschluss ermöglicht, um die Gerichte zu entlasten, und nicht, um den Antragstellern ein Rechtsmittel zu eröffnen, das sie bei einer Zurückweisung durch Urteil nicht gehabt hätten.7

2.1135 Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Er entspricht dem Interesse des Rechtsmittelführers an dem Erlass oder der Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Er ist regelmäßig mit einem Bruchteil des Wertes einer entsprechenden Hauptsache anzusetzen, weil einstweilige Verfügungen nur vorläufige Regelungen treffen.8 Bei Leistungsverfügungen, welche die Hauptsache vorwegnehmen, kann im Einzelfall der Wert der Hauptsache erreicht werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen zum Gebührenstreitwert verwiesen.

D. ABC der Einzelfälle 2.1136 Gegenstände, die man in der Liste vermisst, schlage man beim jeweiligen Sachstichwort nach. 1 BT-Drucks. 17/11471, 268; Fischer, MDR 2013, 881, 883. 2 H. Schneider, JurBüro 2019, 337, 339. 3 LG Bonn, Beschl. v. 14.12.2017 – 2 O 16/16, AGS 2018, 24 m. Anm. N. Schneider; OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2017 – 4 W 34/16, 4 W 35/16, MDR 2017, 809. 4 So aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2013 – 20 W 137/12. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2015 – 4 W 86/14, AGS 2016, 296. 6 LG Wuppertal, Beschl. v. 1.12.2014 – 9 T 163/14, MDR 2015, 359; LG Köln, Beschl. v. 16.4.2003 – 1 T 141/03, MDR 2003, 831; a.A. LG Zweibrücken, Beschl. v. 3.3.1987 – 1 T 1/87 NJW-RR 1987, 1199. 7 LG Wuppertal, Beschl. v. 1.12.2014 – 9 T 163/14, MDR 2015, 359. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.10.1952 – 5 W 156/52, NJW 1953, 424.

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Einstweilige Verfügung

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2. Teil

Stichwortübersicht 2.1137 2.1138 2.1139 2.1140 2.1144 2.1145 2.1148 2.1149 2.1154 2.1155 2.1156 2.1157 2.1158

Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankentagegeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziales Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantationsliste, Eintragung in . . . . . . Übernahme, feindliche . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlassung von Immissionen . . . . . . . . . Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbotene Eigenmacht . . . . . . . . . . . . . . . . Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangsgestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1161 2.1162 2.1163 2.1164 2.1165 2.1166 2.1167 2.1169 2.1171 2.1174 2.1178

ZPO

Abberufung eines Vorstandsmitglieds . . . . . Auflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . . . . Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauhandwerkersicherungshypothek . . . . . . Bauvertrag: Anordnungsrecht und Vergütungsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . Besitzübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrkränkende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . Energie- und Wasserversorgung . . . . . . . . . Ernte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filmaufführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsanteile, Einziehung von . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1179 2.1181

Abberufung eines Vorstandsmitglieds Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Nichtvollzug der Abberufung eines Vorstandsmitgliedes durch den Aufsichtsrat, wenn der die Abberufung aussprechende Aufsichtsrat zuvor durch Beschluss der Hauptversammlung umgebildet worden war und deren Verfahren angegriffen wird, bemisst sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der ungehinderten Weiterausübung seiner Vorstandstätigkeit. Als rechnerischer Maßstab ist von seinen Vorstandsbezügen auszugehen;1 darüber hinaus aus dem Fortbestehen der Position abzuleitende Vorteile sind kaum zu bemessen.2

2.1137

Auflassungsvormerkung Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung wird durch das Sicherungsinteresse des Verfügungsklägers bestimmt. Es ist mit einem Bruchteil des Verkehrswertes des Grundstückes zu beziffern.3 Das Interesse an der einstweiligen Eintragung der Auflassungsvormerkung kann im Einzelfall den Wert des Grundstücks erreichen, auf das sich der Auflassungsanspruch bezieht, wenn die Vormerkung einen unmittelbar drohenden totalen Rechtsverlust abwenden soll.4

2.1138

Bankkonto Begehrt der Kontoinhaber von der Bank die einstweilige Aufhebung der Kontensperre, bemisst sich sein Aufhebungsinteresse nach dem ihm durch die Sperre entstehenden Aufwand, den dadurch eintretenden Unannehmlichkeiten und dem drohenden Rufschaden. Das Interesse eines Rechtsanwalts an der einstweiligen Aufhebung der Sperre seines Kanzleikontos hat das OLG Jena mit 30.000 t beziffert.5

2.1139

Bauhandwerkersicherungshypothek Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 650e BGB; § 648 BGB a.F.)

1 2 3 4 5

OLG Köln, Beschl. v. 17.7.1991 – 22 W 22/91. Vgl. aber OLG Köln, Beschl. v. 17.7.1991 – 22 W 22/91. OLG München, Beschl. v. 28.12.2007 – 8 U 3077/07. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.1971 – 1 W 58/71, Justiz 1971, 354. OLG Jena, Beschl. v. 30.6.2011 – 5 W 593/10 (ausgehend von einem Wert der Hauptsache von 60.000 t bis 90.000 t).

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Einstweilige Verfügung

ZPO

ist geringer anzusetzen als die zu sichernde Forderung. Er ist mit einem Bruchteil des Wertes des zu sichernden Rechts (= Hauptsache) zu beziffern.1

2.1141 Es kommt immer auf das Interesse des Verfügungsklägers im Einzelfall an, für dessen Bewertung der Grad der Rechtsgefährdung wesentlich ist. Das Sicherungsinteresse ist umso höher zu bewerten, je größer die Gefahr ist, der Grundstückseigentümer werde das Grundstück bis zur Eintragung der Sicherungshypothek veräußern, so dass die Sicherungshypothek nicht mehr eingetragen werden könnte.

2.1142 Die Rechtsprechung geht selten über 1/2 hinaus,2 da die Vormerkung dem Vollrecht nicht gleichgesetzt werden kann. Ein Bruchteil von 1/3 wird weitgehend als Regelwert angenommen.3

2.1143 Die Kostenpauschale wegen des Anspruchs auf Kostenerstattung im Rechtsstreit ist nach OLG Saarbrücken4 hinzuzurechnen. Bauvertrag: Anordnungsrecht und Vergütungsanpassung

2.1144 Auf Zahlung höherer Abschläge an den Unternehmer gerichtete Verfügungsverfahren nach §§ 650c, 650d BGB sind Leistungsverfügungen und haben daher den Wert der Hauptsache.5 Soweit nur Sicherheitsleistung begehrt wird, ist dagegen ein Bruchteil anzusetzen. Einstweilige Verfügungen, mit denen die Berechtigung oder Zumutbarkeit der Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB festgestellt wird (Feststellungsverfügungen), entsprechen als Leistungsverfügungen der Hauptsache.6 Sie haben daher auch denselben Gebühren- und Rechtsmittelstreitwert. Man braucht dagegen keinen Zuständigkeitsstreitwert zu ermitteln, weil nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 GVG stets das LG sachlich zuständig ist. Besitzübertragung

2.1145 Der Streitwert einer auf nur vorläufige Besitzübertragung einer gekauften Sache gerichteten einstweiligen Verfügung bestimmt sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der vorläufigen Regelung, das erheblich niedriger als der Verkehrswert der Sache ist.7

2.1146 Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Besitzverschaffung und Übergabe des Schlüssels einer (Eigentums-)Wohnung bemisst sich nicht nach dem vollen Kaufpreis der Wohnung, sondern beläuft sich entsprechend dem Interesse des Verfügungsklägers gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO und dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 1 GKG auf drei Monatsmieten.8

2.1147 Ist allein ein auf verbotene Eigenmacht gestützter Verfügungsanspruch auf Herausgabe eines Grundstücks Streitgegenstand, kann nach umstrittener Ansicht ein Pachtvertrag und damit ein Nutzungsver-

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.7.2019 – 5 W 12/19. 2 OLG Celle, Beschl. v. 22.4.1982 – 15 W 18/82, JurBüro 1982, 1227 m. Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.2.1987 – 5 W 23/87, JurBüro 1987, 1218; OLG Köln, Beschl. v. 17.7.1991 – 22 W 22/91; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719: 1/4 für Bauhandwerkersicherungshypothek. 3 OLG Köln, Urt. v. 28.9.2012 – 19 U 129/12, Rpfleger 2013, 265; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.7.2019 – 5 W 12/19; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.8.2009 – 4 W 36/09, IBR 2010, 567; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.2.1975 – 5 W 8/75, JurBüro 1975, 649; OLG Rostock, Beschl. v. 10.10.1994 – 2 U 39/94; OLG Celle, Urt. v. 5.3.2015 – 13 U 12/15, MDR 2015, 453. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.2.1987 – 5 W 23/87, JurBüro 1987, 1218 im Anschl. an OLG Köln, Beschl. v. 19.4.1961 – 4 W 73/61, MDR 1962, 60. 5 LG Berlin, Urt. v. 16.10.2020 – 8 O 126/20, BauR 2021, 117; a.A. wohl LG Berlin, Beschl. v. 20.4.2020 – 19 O 34/20, NJW 2020, 2898, das nur 1/3 der Forderung angesetzt hat. 6 Zöller/G. Vollkommer, § 940 ZPO Rz. 8.5; vgl. auch KG, Beschl. v. 6.4.2020 – 7 W 32/19, NJW 2021, 83; zweifelnd Sacher/Jansen, NZBau 2019, 20, 23. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.1985 – 9 W 58/85, AnwBl. 1986, 36. 8 OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/00, AGS 2000, 134.

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hältnis gem. § 41 Abs. 1 GKG für Streitwertzwecke nicht berücksichtigt werden.1 Auch bei einer einstweiligen Verfügung, mit der der ausgesperrte nichteheliche Lebensgefährte die Wiedereinräumung des Mitbesitzes begehrt, kann der Streitwert nicht an § 41 Abs. 2 GKG angelehnt werden.2 Bürgschaft Soll die Inanspruchnahme einer Bürgschaft einstweilen untersagt werden, bemisst sich der Streitwert allein nach dem zu erwartenden Zinsschaden bei unberechtigter Inanspruchnahme, wenn wirtschaftlich kein Insolvenzrisiko des Bürgschaftsgläubigers besteht.3 Das Insolvenzrisiko fehlt wirtschaftlich, wenn der Bauunternehmer dem Besteller einstweilen untersagen lassen will, die Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch zu nehmen und der Besteller eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts ist.4 Es fehlt ebenfalls, wenn der Mieter dem Vermieter die Inanspruchnahme der Kautionsbürgschaft einstweilen untersagen lassen will und sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Vermieter zur Wiederherstellung der Bürgschaft wirtschaftlich nicht in der Lage ist.5 Gibt es hingegen Anhaltspunkte für ein Insolvenzrisiko des Bürgschaftsgläubigers, ist auf das Risiko des Verfügungsklägers abzustellen, mit seinen Ansprüchen wirtschaftlich auszufallen.6

2.1148

Ehrkränkende Äußerungen Den Gegenstandswert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Unterlassung ehrenrühriger Äußerungen geringen Umfanges und ohne große Bedeutung hat das OLG Hamm7 trotz günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse der Parteien nur mit dem Mindestbetrag (jetzt bis 500 t) bemessen. Auch bei wechselseitigen Beleidigungen (§ 199 StGB) ist ein nur geringer Wertansatz angebracht.8

2.1149

Allerdings muss auch in summarischen Verfahren berücksichtigt werden, dass unwahre Behauptungen in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur schwer auszulöschen sind und daher die berufliche Entwicklung allgemein hemmen können. Dies spricht gegen eine allzu niedrige Bewertung.

2.1150

Der Antrag auf ein Verbot öffentlicher Behauptungen ist nicht schon deshalb gering zu bewerten, weil die in Frage stehenden Vorwürfe finanziell nur geringwertig sind. Steht der Betroffene beispielsweise im öffentlichen Leben und muss er ungünstige Auswirkungen der Behauptungen auf seine Laufbahn als Politiker und Verwaltungsbeamter befürchten, kann eine höhere Bewertung angezeigt sein.

2.1151

– Geht es um die Behauptung des Verfügungsbeklagten, dass die Verkürzung des Religionsunterrichts an der Städtischen Berufsschule mit der Zugehörigkeit des Direktors der Berufsschule zur X-Partei und zur X-Religionsgemeinde Deutschlands in Verbindung stehe, so weicht die Bedeutung der Sache so erheblich vom Normalfall ab, dass eine Wertfestsetzung auf (umgerechnet) 7.500 t gerechtfertigt ist.9 – Ein Eilverfahren auf künftige Unterlassung der in einer Fernsehsendung ausgestrahlten Behauptung, der Antragsteller sei wegen Vergewaltigung vorbestraft, hat das OLG Frankfurt10 mit (umgerechnet) 15.000 t bewertet.

1 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, AGS 2011, 141; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, 2008, 189 (Anspruch ist entsprechend § 41 Abs. 2 GKG durch die Höhe des Jahresmietzinses begrenzt). 2 LG Köln, Beschl. v. 21.7.2016 – 39 T 21/16, MDR 2016, 1294; a.A. Gottwald, FamRZ 2016, 2147, 2148. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.12.2018 – 5 W 42/18, MDR 2019, 761. 4 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.12.2018 – 5 W 42/18, MDR 2019, 761. 5 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.2008 – 6 T 27/08, AGS 2008, 464. 6 Lützenkirchen/Schneider, AnwaltsHB MietR, Teil N, Rz. 514a. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.1963 – 9 W 3/63, NJW 1963, 1017. 8 AG Kleve, Urt. v. 25.9.2020 – 36 C 25/20. 9 OLG Neustadt, Beschl. v. 10.1.1961 – 2 W 177/60, JurBüro 1961, 136. 10 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 18/97.

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2.1152 Bei einstweiligen Verfügungen, mit denen Suchmaschinenbetreibern die Anzeige bestimmter Treffer untersagt werden soll, in denen der Verfügungskläger beleidigt wird, ist bei der Wertbemessung einerseits zu berücksichtigen, dass der Betreiber nur Zustandsstörer und nicht selbst Verletzer ist. Andererseits ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Beleidigungen im Internet gerade durch die Anzeige in Suchmaschinen besonders weit verbreitet werden. Das OLG Dresden hat den Streitwert eines solchen Verfahrens, bei dem grobe Beleidigungen des Verfügungsklägers gegenständlich waren, auf 6.000 t festgesetzt.1

2.1153 Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Ausführungen der Stichworte „Ehrkränkende Äußerungen“, Rz. 2.996 ff. und „Datenschutzrechtliche Ansprüche“, Rz. 2.885–2.896. Energie- und Wasserversorgung

2.1154 Begehrt der Grundversorger den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die Versorgung zu unterbrechen, ist nach zutreffender Ansicht der Wert der Hauptsache maßgebend, weil es sich um eine Leistungsverfügung handelt.2 Vielfach wird er mit dem Wert von sechs Monatsabschlagszahlungen beziffert.3 Das Verfügungsbegehren des Kunden, der Versorger solle die Versorgung nicht unterbrechen, ist in der Regel mit einem Bruchteil von 3/4 der Hauptsache zu bewerten,4 deren Wert sich an dem Interesse des Kunden ausrichtet, die damit verbundenen Nachteile zu vermeiden.5 Fehlen genügende Anhaltspunkte für die Wertbemessung, mag man auf den Wert des § 36 Abs. 3 GNotKG zurückgreifen können.6 Wegen der Einzelheiten der umstrittenen Bewertung des Streitwerts der Hauptsache wird auf das Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238 ff. verwiesen. Ernte

2.1155 Eine einstweilige Verfügung zur Sicherung der Ernte hat denselben Streitwert wie die Hauptsache, weil sie diese praktisch vorwegnimmt.7 Filmaufführung

2.1156 Der Streitwert eines auf den Einsatz eines Films gerichteten Eilverfahrens des Verleihers bestimmt sich nach dessen Interesse, für das außer den zu erwartenden Einspielgeldern auch die anderen Nachteile zu berücksichtigen sind, die das Verhalten des Verfügungsbeklagten (Kinobetreibers) für den Verfügungskläger unmittelbar mit sich bringt. Dazu zählt vor allem der Wertverlust des Films durch die Verzögerung seiner Aufführung und die Verringerung der Möglichkeiten seiner Unterbringung bei Nachspieltheatern. Diese sonstigen Schadensfolgen entziehen sich einer konkreten Errechnung, sind jedoch nach allgemeiner Erfahrung mit dem Mehrfachen des zu erwartenden Einspielergebnisses zu bewerten.8 Gesellschaftsanteile, Einziehung von

2.1157 Beantragt ein von einem Einziehungsbeschluss betroffener Gesellschafter eine einstweilige Verfügung, dass keine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht werden darf, ist der Streitwert mit

1 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2019 – 4 W 1149/18, MDR 2019, 349. 2 LG Potsdam, Beschl. v. 2.5.2008 – 13 T 23/08, NZM 2009, 159; a.A. LG Wuppertal, Urt. v. 18.6.2015 – 9 S 66/15, MDR 2015, 976. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 112/11. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.2.2008 – 12 W 56/07. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2007 – 5 W 503/07. 6 LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.9.2013 – 1 T 146/13, das auf den damaligen § 30 KostO abgestellt hat. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.9.2011 – 101 W 1/11, MDR 2011, 1316. 8 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 689: 100.000 DM.

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Einstweilige Verfügung

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2. Teil

ZPO

einem Bruchteil des Verkehrswerts des betroffenen Geschäftsanteils zu beziffern.1 Im konkreten Fall hat das OLG Dresden 1/3 des Verkehrswertes angesetzt. Herausgabe Bei Herausgabeansprüchen kommt der vorläufige Charakter der im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragten und getroffenen Maßnahme dadurch besonders zum Ausdruck, dass die Herausgabe nur an einen Gerichtsvollzieher oder Sequester angeordnet wird. Solche Maßnahmen nehmen den Erfolg einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg. Der Streitwert ist daher nur auf einen Bruchteil des Verkehrswertes der umstrittenen Sache festzusetzen, und zwar auf 1/4 bis 1/2.2

2.1158

Verfehlt ist es, den Streitwert bei Herausgabe eines Gegenstandes an einen Sequester auf den Wert der Hauptsache festzusetzen.3 Der volle Wert der Sache kann nur dann angesetzt werden, wenn die Herausgabe an den Verfügungskläger selbst verlangt wird.4 Nach teilweise vertretener Ansicht soll unter Umständen der Wert eines vom Verfügungsbeklagten beanspruchten Zurückbehaltungsrechts maßgeblich sein.5 Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, weil auch bei der einstweiligen Verfügung das Klägerinteresse den Streitwert bestimmt.

2.1159

Wird im Rahmen einer Geschäftsverbindung ein Grundschuldbrief zur Sicherung eines Kredites 2.1160 überlassen und entsteht dann Streit, ob das Darlehen völlig zurückgezahlt sei, ist der Wert des Verfahrens auf Hinterlegung des Grundschuldbriefes mit einem Bruchteil von 15–20 % des Kreditbetrages festzusetzen.6 Hypothek Bei Streit über die Inhaberschaft an einer Hypothek, die nach ihrem Rang und nach dem Wert des belasteten Grundstücks werthaltig ist, kann das Sicherungsinteresse für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs mit 1/3 des Nennbetrages angenommen werden.7

2.1161

Krankentagegeld Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Zahlung von laufendem Krankentagegeld bemisst sich nach dem um ein Drittel verminderten Hauptsachewert.8

2.1162

Räumung Eine einstweilige Verfügung, die auf Räumung einer Wohnung gerichtet ist, nimmt als Leistungsver- 2.1163 fügung die Hauptsache vorweg und hat daher nach zutreffender Auffassung denselben Streitwert wie die Hauptsache.9 Handelt es sich um eine Mietstreitigkeit, ist der Gebührenstreitwert mit einer Jahreskaltmiete entsprechend § 41 Abs. 2 GKG zu bewerten, der bei der kostenrechtlichen Ermessensaus1 OLG Dresden, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 W 150/19-8 W 170/19. 2 KG, Beschl. v. 30.5.1959 – 15 W 741/59, Rpfleger 1962, 120. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075; so aber OLG Bamberg, JurBüro 1975, 793; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 438; dagegen E. Schneider, MDR 1977, 268. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.1.2020 – 9 W 51/19, MDR 2020, 629; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075; OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 2.10.2019 – 1 W 23/19, „Gorch Fock“. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 416 – die Vorinstanz hatte auf 20.000 DM festgesetzt. 7 OLG Köln, JurBüro 1961, 458. 8 OLG Hamm, Beschl. v. 1.4.2011 – 20 W 6/11, VersR 2011, 1329. 9 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189; LG Berlin, Beschl. v. 2.8.2016 – 67 S 187/16, ZMR 2016, 920; LG Bonn, Beschl. v. 12.3.2014 – 6 T 50/14, ZMR 2015, 550; vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 29.11.2017 – 5 U 1337/17, MDR 2018, 204; a.A. LG Köln, Beschl. v. 21.7.2016 – 39 T 21/16, MDR 2016, 1294 = FamRZ 2016, 2147, das den Wert mit 1/2 der Hauptsache bemessen hat; OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, AGS 2011, 141, das eine Wertfestsetzung auf 1/6 für ermessensfehlerfrei hält.

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Einstweilige Verfügung

übung nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu berücksichtigen ist.1 Bei der Rechtsmittelbeschwer ist dagegen auf §§ 8, 9 ZPO abzustellen.2 Wendet dagegen keine Partei ein Mietverhältnis ein, bemisst man den Gebühren- und Rechtsmittelstreitwert entsprechend § 6 Satz 1 ZPO mit dem Verkehrswert der Wohnung.3 Soziales Netzwerk

2.1164 Der Streitwert bei Verfahren wegen vorübergehender Sperren von Nutzerkonten in sozialen Netzwerken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG) erfolgt nach den im Rahmen des freien Ermessens nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO anzuwenden Grundsätzen des § 48 Abs. 2 GKG. Der Wert ist niedriger als bei ehrverletzenden Äußerungen, weil Ehrverletzungen stärker in das Persönlichkeitsrecht eingreifen.4 Ausgangspunkt der Bewertung (in der Hauptsache) ist entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ein Wert von 5.000 t.5 Beachtliche Gesichtspunkte für die Bemessung sind die Marktmacht des sozialen Netzwerkes und der zeitliche und inhaltliche Umfang der Sperre.6 Die 30tägige Versetzung des Nutzerkontos einer Privatperson in den Nurlesemodus rechtfertigt (in der Hauptsache) bei einem verbreiteten sozialen Netzwerk regelmäßig einen Streitwert von 2.500 t.7 Dieser Wert ist bei mehreren oder längeren Kontosperrungen nicht mit der Zahl der Sperren oder der gesperrten Monate zu multiplizieren, sondern nur moderat zu erhöhen, um zu verhindern, dass der Streitwert das Interesse des Nutzers an der Sache erkennbar übersteigt.8 Bei einstweiligen Verfügungen ist gegenüber der Hauptsache ein Abschlag von 1/3 bis 1/2 geboten.9 Das KG hat das Begehren einer politischen Partei mit 10.000 t bewertet, einem verbreiteten sozialen Netzwerk die Löschung eines ihrer Videobeiträge einstweilen zu untersagen, weil er von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.10 Ebenso hat das OLG München eine einstweilige Verfügung bewertet, die einem verbreiteten sozialen Netzwerk die Löschung einer bestimmten Äußerung und die Sperrung eines Nutzers wegen dieser Äußerung untersagte.11 Transplantationsliste, Eintragung in

2.1165 Das Begehren, in die Warteliste für eine Organtransplantation nach § 12 Abs. 3 TPG aufgenommen zu werden, ist nichtvermögensrechtlich i.S.v. § 48 Abs. 2 GKG. Maßgeblich für die Wertbemessung sind nicht die Behandlungskosten, sondern allein das Interesse des Verfügungsklägers an der Aufnahme in die Liste, das erhebliches Gewicht hat, weil es Voraussetzung weiterer Behandlungen ist. Deswegen beträgt der Wert einer einstweiligen Verfügung 2/3 der Hauptsache.12 Siehe dazu auch das Stichwort „Transplantationsliste“, Rz. 2.4829. Übernahme, feindliche

2.1166 Begehrt ein Aktionär, dem Vorstand der Aktiengesellschaft aufzugeben Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot einstweilen zu unterlassen und kurzfristig eine Hauptversammlung

1 OLG Dresden, Urt. v. 29.11.2017 – 5 U 1337/17, MDR 2018, 204; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.9.2010 – 24 W 63/10, MDR 2011, 216; LG Berlin, Beschl. v. 12.7.2016 – 67 T 102/16, WuM 2016, 571. 2 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.1.1996 – 1 BvR 1181/95, AnwBl. 1996, 643. 3 LG Berlin, Beschl. v. 2.8.2016 – 67 S 187/16, ZMR 2016, 920. 4 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 5 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 6 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 7 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235; BGH, Beschl. v. 28.1.2021 – III ZR 156/20. 8 BGH, Beschl. v. 28.1.2021 – III ZR 156/20. 9 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.9.2018 – 16 W 38/18, WRP 2019, 109. 10 KG, Beschl. v. 22.3.2019 – 10 W 172/18, CR 2019, 544: „Messer-Einwanderung“. 11 OLG München, Beschl. v. 24.8.2018 – 18 W 1294/18, MDR 2018, 1362. 12 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.3.2015 – 16 W 64/14 (im entschiedenen Fall 50.000 t).

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2. Teil

ZPO

einzuberufen, in der über Zustimmung oder Ablehnung des Angebots entschieden werden soll, ist der Streitwert analog § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG festzusetzen.1 Unterlassung von Immissionen Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens auf Unterlassung von Immissionen ist in Anlehnung an die für Grunddienstbarkeiten getroffene Regelung des § 7 ZPO zu schätzen. Es ist zunächst die Wertminderung zu ermitteln, die für das beeinträchtigte Grundstück entsteht, wenn die umstrittenen Einwirkungen fortdauern (s. hierzu das Stichwort „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff.). Von diesem Wert ist wiederum ein Bruchteil als Streitwert anzusetzen.2

2.1167

Kann der Verfügungskläger die Immission durch eigene Vorkehrungen abwehren, so können ihre 2.1168 Kosten der Wertminderung gleichgesetzt werden. Die dem Verfügungsbeklagten aus der Unterlassung erwachsenden Nachteile sind dagegen bei der Bestimmung des Streitwertes unbeachtlich. Verbindung von Arrest und einstweiliger Verfügung Werden Arrest und einstweilige Verfügung zugleich beantragt, sind beide Anträge isoliert zu bewerten 2.1169 und die Werte dann zu addieren.3 Wird einer der beiden Anträge hilfsweise gestellt, berechnet sich der Streitwert nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG. Der Wert des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs wird mit dem Wert des Hauptanspruchs zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen Arrest und einstweilige Verfügung allerdings denselben Gegenstand – dies ist der Fall, wenn nur der Arrest oder die einstweilige Verfügung in Betracht kommen kann – richtet sich der Streitwert nur nach dem höheren der beiden Werte. Verbindung von Verfügungsantrag und Hauptsacheklage Dagegen erfolgt praktisch keine Zusammenrechnung der jeweiligen Streitwerte, wenn ein Antrag auf 2.1170 Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Hauptsacheklage verbunden wird. Die Verbindung von Hauptsacheprozess und Verfügungsverfahren ist unzulässig, so dass sie zwingend nach § 145 ZPO zu trennen sind. Nach der Trennung ist der Streitwert rückwirkend jeweils so festzusetzen, als seien die Verfahren von vornherein getrennt anhängig gemacht worden.4 Wenn die unzulässige Verbindung prozessordnungswidrig bis zur Verfahrensbeendigung erhalten bleibt, sollen die Streitwerte des Hauptsache- und des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu addieren sein.5 Das gilt allerdings nicht ausnahmslos. Ob eine Addition geboten ist, bestimmt sich nach denselben Grundsätzen wie bei einem Vergleich der Parteien über den Gegenstand des Verfügungsverfahrens und der Hauptsache, die oben in Rz. 2.1121, 2.1122 dargestellt sind. Verbotene Eigenmacht Die Abwehr rechtswidriger und vorsätzlicher Besitz- und Eigentumsstörungen hat das OLG Köln6 mit der Hälfte des Hauptsachewertes festgesetzt, weil in einem solchen Verfügungsverfahren weitergehend als in der Regel endgültiger Interessenschutz gewährt werde. Besitz- und Eigentumsstörungen, die unter Verletzung der Strafgesetze begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt werden, sind nach Ansicht des Senats auch aus diesem Grunde höher zu bewerten.

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2000 – 6 W 33/00. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.1.1967 – 2 W 46/66, JurBüro 1967, 827. 3 OLG München, Bay.JMBl. 1952, 164; a.A. KG, Beschl. v. 12.12.1936 – 20 Wa 209/36, JW 1937, 263: getrennte Berechnung der Gebühren. 4 BFH, Beschl. v. 13.4.2016 – X E 5/16; OLG Dresden, Beschl. v. 16.1.2019 – 8 W 8/19, MDR 2019, 510. 5 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.6.2020 – 4 T 28/20. 6 OLG Köln, Beschl. v. 25.11.1975 – 2 W 133/75, VersR 1976, 740.

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2. Teil

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Einstweilige Verfügung

ZPO

2.1172 Wird Herausgabe wegen Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht verlangt, dann steht dies einer endgültigen Regelung gleich, da der alte Zustand wiederhergestellt wird. Es geht um den Besitz mit der Folge, dass der Streitwert entsprechend § 6 Satz 1 ZPO auf den Verkehrswert der Sache anzusetzen ist. Ein eventuell gegenüber dem Herausgabeanspruch eingewandtes Nutzungsverhältnis kann für die Wertberechnung keine Rolle spielen.1

2.1173 Bei Abwehr künftiger verbotener Eigenmacht i.S.d. §§ 858 ff. BGB ist ein besonders geringer Bruchteil des Streitwerts der Hauptsache anzunehmen.2 Verfügungsverbot

2.1174 Erstrebt der Verfügungskläger eine Sicherung vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Verfügungsbeklagten über die streitbefangene Sache, ist sein Interesse niedriger zu bemessen, als bei einem Anspruch auf Herausgabe der Sache.3

2.1175 Soll beispielsweise dem Verkäufer im Wege der einstweiligen Verfügung verboten werden, die Sache an einen Dritten zu übereignen, so bemisst sich der Streitwert nicht nach einem Bruchteil des möglichen Veräußerungsgewinns des Käufers, sondern nach einem Bruchteil des Sachwertes.4 Das gilt auch bei einem Antrag, dem Grundstückseigentümer die Verfügung über sein Eigentum zu verbieten, weil der Verfügungskläger ein Optionsrecht auf Abschluss eines Kaufvertrages über dieses Grundstück habe. Dass wirtschaftlich mit dem Veräußerungsverbot nur die Sicherung des Gewinns einer Weiterveräußerung nach Ausübung des Optionsrecht erstrebt wird, ist nicht Streitgegenstand und daher für die Bewertung unbeachtlich.5

2.1176 Hat der Verfügungskläger einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er verhindern, dass der Verfügungsbeklagte seinen Herausgabeanspruch durch Verfügungen über die Ware vereitelt, so ist die im Einzelfall drohende Gefahr des Rechtsverlusts und die Erwartung, schon im Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Regelung zu kommen, abzuschätzen.6

2.1177 Wird im Eilverfahren die Sicherung eines im Miteigentum des Verfügungsklägers stehenden Kraftfahrzeuges begehrt, bestimmt man den Streitwert danach, wie stark der Eigentumsanteil durch das Verhalten des Verfügungsbeklagten gefährdet erscheint.7 Wettbewerbsrecht

2.1178 Einstweilige Verfügungsverfahren werden nach § 51 Abs. 4 GKG mit einem Bruchteil der Hauptsache bewertet, deren Wert nach § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG zu ermitteln ist. Angesetzt werden in der Regel Bruchteile in einem Rahmen von 1/3,8 bis zu 2/39 des Hauptsachewertes. Im Einzelfall kann man trotz

1 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, AGS 2011, 141; anders dagegen: OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 (Anspruch ist durch die Höhe des Jahresmietzinses begrenzt). 2 LG Gießen, Beschl. v. 30.6.1952 – 4 Q 12/52, Rpfleger 1952, 501 setzt 10 % an. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737 (1/3 des Wertes der Sache). 5 OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1979 – 2 W 110/79, JurBüro 1980, 244. 6 LG Bayreuth, Urt. v. 6.6.1979 – 3 O 142/79, JurBüro 1979, 1885: 1/2 des Hauptsachewerts. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 206. 8 OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; KG, Beschl. v. 28.4.1988 – 25 W 2419/88, WRP 1989, 166; vgl. auch BGH v. 29.9.1978 – I ZR 107/77, MDR 1979, 116; KG, Beschl. v. 17.2.1987 – 5 U 6945/86, WRP 1987, 469. 9 KG, Beschl. v. 8.9.2020 – 5 W 1023/20; sowie KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, unter Aufgabe der bisherigen Rspr. des Senats, wonach für das einstweilige Verfügungsverfahren 1/3 des Hauptsachewerts angesetzt wurde (vgl. nur KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285).

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Eintragungsbewilligung

2. Teil

ZPO

§ 51 Abs. 4 GKG ausnahmsweise den vollen Hauptsachewert ansetzen, wenn bereits das Verfügungsverfahren den Streit der Parteien endgültig beilegt, etwa weil der Verfügungsbeklagte bereits vor Antragstellung verbindlich zugesagt hat, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.1 Siehe näher dazu das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1828 ff. Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs Der Wert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs ist dem Wert des Hauptanspruchs auf Herausgabe des Grundstückes dann gleichzusetzen, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht.2 Ansonsten kann nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes angesetzt werden, der sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der einstweiligen Verhinderung des Rechtsverlustes richtet.3

2.1179

Soll ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück zur Vorbereitung einer Grundbuchbe- 2.1180 richtigungsklage durch einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Grundbuchwiderspruchs gesichert werden, ist beim Streitwert wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme ein Abschlag von 3/4 vom Wert des Miteigentumsanteils vorzunehmen, da der Berichtigungsanspruch nicht durchgesetzt, sondern nur gesichert werden soll.4 Zugangsgestattung Die einstweilige Verfügung auf Gestattung des Zugangs zu einem Hausteil, der ausgebaut werden soll, ist vom OLG München5 mit 1/10 des Verkehrswertes des Hausteiles vor Durchführung der Baumaßnahmen bewertet worden.

2.1181

Der Streitwert eines Verfahrens, den Verfügungsbeklagten aufzugeben, zu gestatten, dass Handwerker eines Energielieferanten ihr Hausgrundstück betreten, um für die auf diesem Grundstück belegene Wohnung der Verfügungskläger einen Wasseranschluss und eine Wasseruhr anzubringen, hat das AG Kerpen mit (umgerechnet) 500 t bewertet.6

2.1182

Eintragungsbewilligung Wird auf Bewilligung einer Grundbucheintragung geklagt, so besteht Streit über den darauf gerichteten materiellen Anspruch. Dieser ist für die Wertbestimmung maßgebend; z.B. richtet sich der Wert bei einem Streit – um die Eintragung eines unentgeltlichen lebenslänglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts nach § 3 ZPO,7

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.2019 – 6 W 52/19. 2 LG Kleve, Beschl. v. 28.6.2019 – 6 S 32/19; vgl. OLG Neustadt, Beschl. v. 15.10.1964 – 2 W 92/64, Rpfleger 1967, 1 (das im konkreten Fall die Hälfte des Verkehrswertes angesetzt hat). 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 8.6.1978 – 5 W 34/78, JurBüro 1978, 1552. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, AGS 2006, 562. 5 OLG München, Beschl. v. 15.10.1973 – 15 W 1788/73, JurBüro 1973, 1191. 6 AG Kerpen, Urt. v. 6.6.1990 – 3 C 267/90, MDR 1990, 928. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.7.2005 – 4 W 209/05.

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ZPO

2. Teil

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Einwendung

– um die Bewilligung der Umschreibung des Eigentums an einem Grundstück in der Regel nach dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Klageeinreichung, § 6 ZPO;1 dies gilt auch bei einer Auflassungsklage gegen einzelne Miterben,2 – um die Eintragung oder Löschung einer Grunddienstbarkeit nach § 7 ZPO;3 für die Grundschuld- oder Hypothekeneintragung ist der Wert der Forderung (§ 6 ZPO),4 für die Eintragung einer Reallast § 9 ZPO maßgebend,5 – um die Löschung einer Sicherungshypothek gem. § 6 ZPO nach der Wert der zu sichernden Forderung, soweit die noch besteht, ansonsten gem. § 3 ZPO nach dem Löschungsinteresse des Klägers.6

2.1184 Diese wenigen Beispiele sollen zeigen, dass es immer darauf ankommt, auf welchen materiellen Anspruch sich das Bewilligungsbegehren richtet. Dieser Anspruch ist dann streitwertbestimmend.

2.1185 Siehe zu den Einzelheiten unter den Stichwörtern „Abgabe einer Willenserklärung“, Rz. 2.18 und „Willenserklärung“, Rz. 2.5976, sowie „Auflassung“, Rz. 2.293 und „Grundbuchberichtigung“, Rz. 2.1954.

Einwendung 2.1186 Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1065 ff.

Einwilligung wegen Hinterlegung A. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz 2.1187 Wird Einwilligung in die Herausgabe einer hinterlegten Sache oder eines hinterlegten Geldbetrages verlangt, so gilt § 3 ZPO,7 da die Abgabe einer Willenserklärung begehrt wird (§ 894 ZPO) und nicht die Herausgabe. Allerdings ist im Rahmen des § 3 ZPO die Vorschrift des § 6 Abs. 1 ZPO entsprechend heranzuziehen und auf den Wert der Gegenstände oder Beträge abzustellen, deren Herausgabe begehrt wird.8

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, JurBüro 2006, 145; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12, MDR 2012, 978: keine Beschränkung auf den Erbteil des verklagten Miterben. 3 BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – V ZB 1/13, Grundeigentum 2014, 55 – maßgebend ist die Wertminderung, die das Grundstück durch die Belastung erleidet. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07 = AGS 2008, 190; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2003 – 8 W 147/03, OLGR 2003, 256. 5 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 53. 6 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2005 – 16 W 11/05, MDR 2005, 1196; OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, AGS 2008, 190; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969. 7 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Anders/Gehle/Kunze, Hinterlegung, Rz. 1; a.A.: unmittelbar nach § 6 ZPO: KG, Beschl. v. 17.11.1977 – 22 W 3656/77, AnwBl. 1978, 107. 8 BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – III ZA 32/20; Anders/Gehle/Kunze, Hinterlegung, Rz. 1.

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Einwilligung wegen Hinterlegung

2. Teil

Nach Auffassung des OLG Nürnberg1 richtet sich das Interesse des Klägers zwar auch nach dem Inte- 2.1188 resse an der Freigabe des hinterlegten Betrags, allerdings nicht an der Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten. Danach soll maßgebend sein, in welcher Höhe (einschließlich Nebenforderungen) der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht, denn nur die Forderung des Beklagten und seinen damit verbundenen Widerstand gegen die Auszahlung des Geldes wolle ein Kläger ausräumen; deshalb sei auch nur dieser Teilbetrag wertbestimmend.2 Dies ist nicht nachzuvollziehen. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des Klägers. Dieser will den gesamten Betrag freigegeben erhalten. Aus welchem Grund der Beklagte die Freigabe verweigert, ist insoweit unerheblich.3 Der Beklagte kann den Wert ganz einfach reduzieren, indem er in Höhe des unstreitigen Betrags oder der unstreitigen Gegenstände die Freigabe erklärt, so dass der Rechtsstreit dann nur noch über den restlichen Betrag geführt wird.

2.1189

II. Zinsen aus der Hinterlegungssumme Die Zinsen der Hinterlegungssumme, die der Kläger für sich fordert, sind keine Nebenansprüche i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO. Zinsen und Hauptsumme bilden vielmehr einen einheitlichen, unzerlegbaren Anspruch, der für den Streitwert maßgebend ist.4 Die Hinterlegungsmasse darf also nicht in einen Hauptanspruch und in einen Nebenanspruch zerlegt werden; es fehlt an dem in § 4 ZPO vorausgesetzten objektiven Abhängigkeitsverhältnis, da nicht der Beklagte, sondern die Hinterlegungsstelle der Zinsschuldner ist.

2.1190

Bei der Klage auf Zustimmung in die Auszahlung eines beim Notar hinterlegten Betrages ist die Summe maßgebend, die das Hinterlegungskonto im Zeitpunkt der Instanzeinleitung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ausweist. Nachträgliche Veränderungen sind unbeachtlich.5

2.1191

III. Teilweise Einwilligung Wird nur die Einwilligung betreffend eines Teils der Gegenstände oder eines Teilbetrages begehrt, so ist auch nur dieser Teilwert maßgebend.6

2.1192

IV. Klagehäufung von Einwilligung und Feststellung Bei Klagehäufung im Bewilligungsstreit muss das Prozessziel klar erfasst werden. Sind beispielsweise 10.000 t bei der Hinterlegungsstelle eingezahlt worden, dann zahlt diese aus, wenn die Beteiligten die Herausgabe bewilligen oder die Berechtigung des Fordernden durch rechtskräftiges Urteil nachgewiesen wird (früher: § 13 Abs. 2 Nr. 1, § 21 HinterlO). Angesichts dessen kann der Kläger klagen auf

2.1193

– Leistung, nämlich Abgabe der Bewilligungserklärung, oder – positive Feststellung seiner Berechtigung. Beide Anträge können auch über § 256 Abs. 2 ZPO verbunden werden. Soweit wirtschaftliche Iden- 2.1194 tität der Begehren besteht, entfällt eine Zusammenrechnung. Soweit ein Anspruch höherwertig ist, bestimmt dieser den Streitwert. 1 2 3 4

OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79. Ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.1975 – 2 W 38/75, JurBüro 1976, 239. Siehe dazu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1970 – 6 W 83/07, Rpfleger 1970, 353 f. BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015; BGH, Beschl. v. 11.1.1967 – Ib ZA 8/66, MDR 1967, 280; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 5/14. 5 A.A. OLG Köln, Beschl. v. 14.11.1979 – 2 U 39/79, JurBüro 1980, 281. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.1975 – 9 W 17/75, JurBüro 1976, 239.

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2. Teil

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Einwilligung wegen Hinterlegung

ZPO

2.1195 Ist der Feststellungsantrag höherwertig oder wird nur auf positive Feststellung der Berechtigung geklagt, dann ist der übliche Abschlag für Feststellungsklagen nicht gerechtfertigt, weil das Feststellungsurteil (früher: § 13 Abs. 2 Nr. 2 HinterlO) zur Auszahlung und damit zur Erfüllung führt.

V. Klagehäufung von Zahlung und Einwilligung 2.1196 Wird neben der Freigabe auch Zahlung verlangt, dann werden die Werte wegen wirtschaftlicher Identität nicht addiert, wenn der freizugebende Betrag im Zahlungsantrag enthalten ist.1 Wird allerdings neben der Freigabe eine weitergehende Zahlung geltend gemacht, dann ist zu addieren (§ 5 ZPO).

VI. Klage eines oder mehrerer Mitberechtigten 2.1197 Sind mehrere Personen nur gemeinsam berechtigt, eine hinterlegte Sache in Empfang zu nehmen, soll sich der Streitwert der Klage eines Einzelnen auch hier wiederum nur nach seinem jeweiligen Anteil berechnen.2 Soweit mehrere Mitberechtigte zugleich klagen, soll danach für jeden ein entsprechender Anteil festzusetzen sein.

2.1198 Auch dies ist nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon, dass für den Zuständigkeitsstreitwert eine Differenzierung nach verschiedenen Klägern gar nicht vorzunehmen ist, geht das Interesse eines jeden darauf, den vollen Betrag oder den gesamten Gegenstand freizubekommen.

2.1199 Beispiel: Zwei Klägern steht der hinterlegte Betrag gemeinsam zu. Klagen sie auf Freigabe der 10.000 t an beide, so beträgt der Streitwert 10.000 t. Klagen sie auf 5.000 t an jeweils den einen und den anderen, dann beträgt der Zuständigkeitsstreitwert ebenfalls 10.000 t (§ 5 ZPO). Hier ist lediglich beim Gebührenstreitwert zu differenzieren (s. Rz. 2.1214 ff.).

VII. Klage gegen einen von mehreren Verpflichteten 2.1200 Bei der Einwilligungsklage gegen einen von mehreren Verpflichteten ist nicht streitwertmindernd zu berücksichtigen, dass die übrigen Verpflichteten zur Erfüllung des Klagebegehrens bereit sind, da Verweigerung auch nur eines von mehreren Gesamthändern die Auszahlung des gesamten Betrages verhindert.

2.1201 Beispiel: Hinterlegt sind 10.000 t zur Absicherung eines Anspruchs i.H.v. 10.000 t für den A und den B als Gesamtgläubiger. Nach Wegfall des Hinterlegungsgrundes verlangt der Anwalt für den Hinterleger von A und B die Freigabe. A erteilt die Freigabe; der B verweigert sie, so dass gegen ihn nunmehr Klage erhoben wird. Der Wert beträgt 10.000 t, weil trotz der Einwilligung des A die 10.000 t nicht – auch nicht teilweise – ausgezahlt werden, sondern die Auszahlung des gesamten Betrages von der Freigabe des B abhängig bleiben.

2.1202 Anders verhält es sich nur dann, wenn eine Teilfreigabe erklärt werden soll. Dann gilt nur der ihn betreffende Wert:

2.1203 Beispiel: Hinterlegt sind 10.000 t zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 t für den A und den B. Wird nur der A oder nur der B auf Einwilligung verklagt, dann richtet sich der Wert nur nach 5.000 t, weil von der Einwilligung des einen die Hinterlegung des anderen Betrages unberührt bleibt.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, OLGR 1994, 96. 2 KG, Beschl. v. 17.11.1997 – 22 W 3656/77, AnwBl. 1978, 107.

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Einwilligung wegen Hinterlegung

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2. Teil

Werden mehrere Streitgenossen auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrages verklagt, so richtet sich der Streitwert nach dem Gesamtwert, dessen Freigabe erteilt werden soll, unabhängig davon, ob sie als Gesamtschuldner oder als Teilschuldner verklagt werden. Lediglich beim Gebührenstreitwert können sich hier Unterschiede ergeben. Keinesfalls ist darauf abzustellen, welche Einwände die einzelnen Beklagten erheben1 (s. Rz. 2.1199).

2.1204

Beispiel: 10.000 t sind hinterlegt. Der Kläger klagt gegen zwei Beklagte auf Freigabe. Jeder der Beklagten ist der Auffassung, dass ihm 5.000 t zustehen.

2.1205

Der Streitwert beläuft sich auf 10.000 t. Beispiel: 10.000 t sind hinterlegt zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 t zugunsten des A und zugunsten des B. Der Kläger klagt gegen beide auf Freigabe.

2.1206

Der Streitwert beläuft sich auf 10.000 t. Hier kann sich allerdings im Verhältnis zu A und B ein abweichender Gebührenstreitwert ergeben (s. Rz. 2.1214 ff.).

2.1207

B. Gebührenstreitwert I. Grundsatz Für den Gebührenstreitwert gelten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG (für den Anwalt anwendbar über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG) die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

2.1208

II. Zinsen Aufgelaufene Hinterlegungszinsen sind keine Nebenforderung i.S.v. § 43 Abs. 1 GKG und daher beim Wert zu berücksichtigen, und zwar bis zum Tage der Klageerhebung (§ 40 GKG).

2.1209

Nur für die außergerichtlichen Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG) sind die Hinterlegungszinsen, die den Hinterlegungsbetrag ständig erhöhen, zu berücksichtigen, da eine dem § 40 GKG vergleichbare Vorschrift fehlt.

2.1210

In der Rechtsmittelinstanz wird zwar auf die Einreichung des Rechtsmittels abgestellt; da der Wert der Rechtsmittelinstanz nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG auf den Wert der ersten Instanz begrenzt ist, bleiben hier aber weitere Zinsen nach Klageerhebung außer Ansatz.

2.1211

III. Klage und Widerklage Werden wechselseitig Klage und Widerklage erhoben, so findet eine Addition nicht statt, sofern die Freigabe desselben Gegenstands oder Betrags verlangt wird (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).2 Soweit dagegen verschiedene Beträge oder Gegenstände verlangt werden, ist zu addieren (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG).

2.1212

Beispiele: Hinterlegt sind 100.000 t.

2.1213

a) Kläger und Beklagter verlangen jeweils die Einwilligung in die Freigabe der gesamten 100.000 t. b) Der Kläger verlangt die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 20.000 t; der Beklagte verlangt die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 15.000 t. 1 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1970 – 6 W 83/07, Rpfleger 1970, 353 f. 2 KG, Beschl. v. 8.4.1959 – 15 W 456/59, Rpfleger 1962, 120.

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VIII. Klage gegen mehrere Verpflichtete

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Einwilligung wegen Hinterlegung

ZPO

c) Kläger und Beklagter verlangen jeweils die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 75.000 t. Im Fall a) liegt derselbe Gegenstand zugrunde; der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 100.000 t. Im Fall b) liegen verschiedene Gegenstände zugrunde; der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 35.000 t (20.000 t + 15.000 t). Im Fall c) liegen zum Teil verschiedene Gegenstände zugrunde (jeweils 25.000 t) und zum Teil derselbe Gegenstand (jeweils 50.000 t); der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG wiederum auf 100.000 t (75.000 t + 25.000 t).

IV. Mehrere Verpflichtete 2.1214 Werden mehrere Streitgenossen auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags oder die Freigabe hinterlegter Sachen in Anspruch genommen, ist dies für die Gerichtsgebühren unerheblich, da diese sich aus dem Gesamtwert berechnen (§ 39 Abs. 1 GKG).1

2.1215 Hinsichtlich der Anwaltsgebühren gilt das Gleiche für den Anwalt, der den Anspruchsteller vertritt und den Anwalt, der alle in Anspruch genommenen vertritt. Soweit der Anwalt nur einen von mehreren Teilschuldnern vertritt, gilt für ihn allerdings nur der entsprechende geringere Teilwert, der ggf. nach § 33 RVG gesondert festzusetzen ist.

2.1216 Beispiele: – 10.000 t sind hinterlegt. Der Kläger klagt gegen zwei Beklagte auf Freigabe der 10.000 t. Für den Anwalt des Klägers gilt der Wert von 10.000 t, für den Anwalt der Beklagten ebenfalls, unabhängig davon, ob er einen oder beide Beklagte vertritt. – 10.000 t sind hinterlegt zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 t zugunsten des A und zugunsten des B. Der Kläger klagt gegen beide auf Freigabe. Der Streitwert für die Gerichtsgebühr beläuft sich auf 10.000 t. Für den Anwalt des Klägers gilt ebenfalls der Wert von 10.000 t. Lassen sich die Beklagten von demselben Anwalt vertreten, gelten auch für ihn 10.000 t. Lassen sie sich durch verschiedene Anwälte vertreten, gilt für jeden ein Wert von 5.000 t.

V. Mehrere Berechtigte 2.1217 Vertritt der Anwalt mehrere Berechtigte, die die Freigabe desselben Betrags oder derselben Gegenstände verlangen, wird der Gegenstandswert wegen wirtschaftlicher Identität nicht erhöht. Hier greift dafür die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG.

2.1218 Vertritt der Anwalt mehrere Berechtigte, die die Freigabe verschiedener Beträge oder Gegenstände verlangen, sind die einzelnen Werte zusammenzurechnen (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).

2.1219 Beispiele: – Für A und B als Gesamtgläubiger sind 10.000 t hinterlegt. Der Anwalt verlangt für A und B die Freigabe. Abzurechnen ist nur nach 10.000 t, allerdings mit einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG. Jeder Auftraggeber schuldet im Innenverhältnis die Gebühren aus 10.000 t, allerdings ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG (§ 7 Abs. 2 RVG).

1 BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – III ZA 32/20 – keine Addition bei Streitgenossen.

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Einzelrichter

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2. Teil

– Für A und B sind jeweils 5.000 t hinterlegt. Der Anwalt verlangt für A und B die Freigabe.

ZPO

Abzurechnen ist auch hier nach 10.000 t, da die Einzelwerte zusammenzurechnen sind (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Eine Werterhöhung nach Nr. 1008 VV RVG greift jetzt nicht. Jeder Auftraggeber schuldet im Innenverhältnis aber die Gebühren nur aus 5.000 t (§ 7 Abs. 2 RVG).

C. Rechtsmittel und Beschwer Es gelten die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Zwischenzeitlich aufgelaufene Hinterlegungszinsen sind jetzt bis zur Einreichung des Rechtsmittels zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO).

2.1220

Einzelrichter Das Kollegialprinzip wurde mit der Neufassung der §§ 348 ff. ZPO durch das ZPO-RG für das landgerichtliche Verfahren in 1. Instanz aufgegeben. Die Zivilkammer entscheidet nunmehr danach grundsätzlich durch den Einzelrichter, soweit ihr nicht durch den Geschäftsverteilungsplan besondere Sachgebiete zugewiesen sind, § 348 ZPO. Unter bestimmten Voraussetzungen ist wiederum die Übertragung vom Einzelrichter auf die Kammer und umgekehrt von Amts wegen geboten (§ 348 Abs. 3, § 348a Abs. 2 ZPO).

2.1221

Der Einzelrichter erster Instanz (§ 348 ZPO) stellt das erkennende Prozessgericht dar. Seine Zuständig- 2.1222 keit endet nicht mit der Entscheidung der Hauptsache, sondern er bleibt für alle vom Richter in dieser Instanz zu treffenden Entscheidungen zuständig. Seine Entscheidungen, etwa bezüglich der Abhilfe in einem Erinnerungsverfahren, können auch dann nicht durch die Kammer ersetzt werden, wenn er als Kammermitglied an der Kammerentscheidung beteiligt ist.1 In der Berufungsinstanz verbleibt es bei der originären Zuständigkeit des Kollegiums, eine Übertragung auf den Einzelrichter steht gem. § 526 ZPO im Ermessen des Gerichts. Kommt es zu einer Übertragung, dann obliegt dem Einzelrichter auch dann die Streitwertfestsetzung, wenn sich der Rechtsstreit vor ihm durch Vergleich erledigt hat.2

2.1223

Im Übrigen kann das Berufungsgericht einem seiner Mitglieder den Rechtsstreit zur Vorbereitung überweisen (§ 527 ZPO), in diesem Fall entscheidet der vorbereitende Einzelrichter u.a. über den Wert des Streitgegenstandes sowie Kosten, Gebühren und Auslagen, § 527 Abs. 3 Nr. 4, 5 ZPO. Hat der vorbereitende Einzelrichter eine in seine Zuständigkeit fallende Entscheidung getroffen, dann ist er auch zu einer hierauf bezogenen Streitwertfestsetzung befugt.3

2.1224

Anträge auf Übertragung der Sache an den Einzelrichter oder Rückübertragung vom Einzelrichter an das Kollegium (§ 348 Abs. 3 Nr. 3, § 348a Abs. 2 Nr. 2, § 526 Abs. 2 Nr. 2, § 527 Abs. 4 ZPO) sind Anträge zur Prozess- und Sachleitung gem. Nr. 3105 VV RVG.4 Dass dies auch für „Anregungen“ auf Übertragung nach § 348a Abs. 1 ZPO gilt, muss bezweifelt werden, da die Prüfung hier von Amts wegen zu erfolgen hat und dem Gericht bei der Entscheidung kein Ermessenspielraum zusteht.

2.1225

1 2 3 4

OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.1992 – 23 W 430/92, MDR 1993, 384 = JurBüro 1993, 300. OLG Bamberg, JurBüro 1971, 166. Zöller/Heßler, § 527 ZPO Rz. 12. Zur alten Rechtslage Hartmann, KostenG, 45. Auflage, § 33 BRAGO Rz. 36; a.A. für die Einverständniserklärung nach § 527 Abs. 4 ZPO: Zöller/Heßler, § 527 ZPO Rz. 15.

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2. Teil

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E-Mail

ZPO

2.1226 Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung auf einen Antrag zur Prozess- und Sachleitung, dann bestimmt sich der Gegenstandwert nach dem nach § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Antragstellers.1

E-Mail 2.1227 Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bezüglich unerwünschter E-Mails beschäftigen, hängt vom Inhalt der übermittelten Nachricht ab.

A. Werbung 2.1228 Soweit es sich beim Inhalt der E-Mail um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilung handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen.

2.1229 Wertbestimmend ist das Interesse des Klägers, im Einzelfall durch die entsprechende Werbung nicht belästigt zu werden.2 Ein etwaiger volkswirtschaftlicher Gesamtschaden durch unerlaubte E-MailWerbung bleibt dabei ebenso unberücksichtigt,3 wie die Breitenwirkung und das häufige Erscheinen solcher Zusendungen.4 Nach Maßgabe der jeweiligen Umstände des Einzelfalls finden sich, abhängig von Anzahl, Umfang und (leichter) Erkennbarkeit der Werbe-E-Mails, Streitwerte von 10.000 t,5 9.000 t,6 7.500 t,7 6.000 t,8 4.000 t,9 3.000 t,10 2.000 t11 oder 1.000 t12 bis 500 t.13

1 BGH, Beschl. v. 29.11.1959 – III ZR 4/56, BGHZ 22, 283 = NJW 1957, 242 – Aussetzung; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.1991 – 7 WF 55/90, JurBüro 1991, 343; a.A. OLG Hamm, NJW 1971, 2317; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.1991 – 7 Ta 157/91, JurBüro 1991, 749. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.2.2014 – 2 W 11/14, ITRB 2014, 129; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.2015 – 6 W 114/15: Werbemail an Anwaltskanzlei. 3 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80 (Ls.). 4 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13, NJW-RR 2014, 613; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 29.9.2006 – 14 W 590/06, MDR 2007, 356: Spam-E-Mail. 6 KG, Beschl. v. 9.8.2013 – 5 W 187/13, AfP 2014, 77. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2012 – 4 W 4/12, CR 2012, 718; KG, Beschl. v. 9.8.2013 – 5 W 187/13, MD 2016, 43; KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 124/02, JurBüro 2003, 142 mit Hinweis auf Nachahmungsgefahr. 8 BGH, Beschl. v. 20.5.2009 – I ZR 218/07, MDR 2009, 1234: 15-seitiger Newsletter an Anwaltskanzlei; LG Frankenthal, Urt. v. 10.7.2018 – 6 O 322/17 – 1 E-Mail. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 11.4.2013 – 9 W 23/13 MDR 2013, 999. 10 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80 (Ls.) – Werbemail an Rechtsanwalt; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.3.2016 – 6 W 9/16, K&R 2016, 358; OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2015 – 4 W 125/14 – 1 E-Mail. 11 OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.2.2014 – 2 W 11/14, ITRB 2014, 129. 12 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.2015 – 6 W 114/15: Werbemail an Anwaltskanzlei; OLG München, Beschl. v. 22.12.2016 – 6 W 1579/16, K&R 2017, 341 – Werbemails an Privatadresse; LG München, Beschl. v. 12.5.2017 – 6 T 1583/17, K&R 2017, 525 – 1 E-Mail. 13 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2008 – 6 W 121/07, GRUR-RR 2008, 262: 500 t; KG, Beschl. v. 5.4.2002 – 14 W 40702, JurBüro 2002, 371: 350 t; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.3.2016 – 6 W 108/15, MDR 2016, 916 – einstw. Verfügung; OLG Rostock, Beschl. v. 13.10.2008 – 5 W 147/08: 300 t.

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E-Mail

2. Teil

2.1230

Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“, Rz. 2.5797 verwiesen werden.

2.1231

ZPO

Die Beschwer des Unterlassungsklägers bemisst sich nach dem Umfang der abzuwehrenden Beeinträchtigung ohne Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte.1 Für die Beschwer des Unterlassungsschuldners ist dagegen auf die Nachteile abzustellen, die mit der Beachtung des Unterlassungsgebots verbunden sind. Wertbestimmend ist die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.2 Liegt der Klage eine irrtümliche (und damit wirtschaftlich betrachtet nutzlose) Versendung zugrunde, dann kann die Beschwer nach dem Aufwand bemessen werden, der für die Vermeidung einer künftigen Versendung ergriffen werden muss.3

B. Private Mitteilungen Soweit der Empfänger der E-Mail dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf 4 – um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.5

2.1232

Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 t angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.1233

In Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG kann von einem Regelstreitwert von 5.000 t für das Hauptsachever- 2.1234 fahren und 1.000 t bis 2.000 t für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgegangen werden.6 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht. Will die Antragstellerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erreichen, dass dem Antragsgegner ein trennungsbedingtes Verfolgungsverhalten (Zusendung von SMS und E-Mails, belästigende Anrufe) untersagt wird, so übersteigt der Wert in der Hauptsache in der Regel nicht 5.000 t.7

2.1235

Die Beschwer des Unterlassungsschuldners bemisst sich nach den Nachteilen, die mit der Beachtung des Unterlassungsgebots verbunden sind. Diese liegen bei privatem Handeln in der Regel im Aufwand zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen.8

2.1236

Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf die Stichwörter „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 sowie „Belästigung“, Rz. 2.668 verwiesen werden.

2.1237

1 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80 (Ls.); OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13, NJW-RR 2014, 613; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 2 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11, MDR 2013, 1478 = GRUR 2013, 1271. 3 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13, NJW-RR 2014, 613: 100 t. 4 Vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 79/83, MDR 1985, 397 = VersR 1985, 185. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 6 Vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.36 und 16.170. 7 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02 = NJW-RR 2002, 1723. 8 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13, NJW-RR 2014, 613: Löschungsaufwand, hier 50 t.

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2. Teil

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Energie- und Wasserversorgung

ZPO

Energie- und Wasserversorgung 2.1238 Gerät der Abnehmer von Energie- und Wasserversorgungsleistungen mit der Zahlung bereits angefallener Entgelte oder Vorauszahlungen in Rückstand, kann das Versorgungsunternehmen von dem ihm nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen Gas/Wasser/Strom zustehenden Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen und die weitere Versorgung einstellen. Hierzu ist regelmäßig der Ausbau von Messund Regeleinrichtungen (Gas-, Wasser- oder Stromzählern) notwendig. Dabei darf der in der Regel auf (Ausbau durch Bedienstete und) Herausgabe der Mess- und Regeleinrichtungen gerichtete Klageantrag nicht den Blick darauf verstellen, dass die Klage auf Duldung der Unterbrechung der Energieoder Wasserversorgung gerichtet ist. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich daher nach § 3 ZPO bzw. § 48 Abs. 1 GKG. Maßgebend ist das Interesse des Versorgungsunternehmens, gegenüber seinem Kunden, der in Zahlungsverzug geraten ist, nicht weiter in Vorleistung treten zu müssen und die Entnahme weiterer Versorgungsleistungen bis zur Zahlung der Rückstände zu verhindern.1

2.1239 Die Bewertung hat sich daher an der Höhe der geschuldeten monatlichen Abschlagszahlungen und dem voraussichtlichem Zeitraum zu orientieren, der üblicherweise zwischen der gerichtlichen Geltendmachung2 des Duldungsanspruchs und der Erlangung einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt. Der potentielle Ausfallschaden wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt: Ganz überwiegend wird auf den Halbjahresbetrag der Abschlagszahlungen3 nach anderer Ansicht auf den Jahresbetrag der Abschlagszahlungen4 abgestellt. Für den Halbjahresbetrag spricht die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Verfahren.

2.1240 Der bereits aufgelaufene Zahlungsrückstand ist als Anknüpfungspunkt nicht geeignet,5 weil er weder in einer Beziehung zum Umfang des weiter drohenden Ausfalls steht, noch durch die begehrte Versorgungsunterbrechung verringert wird.6 Eine andere Beurteilung mag geboten sein, wenn der Kunde die laufenden Vorauszahlungen leistet und nach dem Inhalt des Streits eine Ausweitung des Rückstandes nicht droht.7 1 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2013 – 13 W 62/13, JurBüro 2013, 643; OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13 W 17/10; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NJW-RR 2010, 14. 2 Zutreffend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 112/11, NJOZ 2011, 1254. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.6.2006 – 7 W 24/06, NJW-RR 2006, 1584; OLG Celle, Beschl. v. 1.11.2012 – 13 U 241/11, NJW-RR 2012, 937; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.1.2013 – 3 W 201/12, MDR 2013, 809 (Ls.); OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.11.2011 – 19 W 62/11, MDR 2012, 604 = NJW-RR 2012, 445; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.7.2010 – 1 W 30/10, NZM 2011, 792; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.12.2018 – 12 W 659/18, JurBüro 2019, 312; OLG Köln, Beschl. v. 26.11.2018 – 15 W 61/18, JurBüro 2019, 138 – einstw. Verfügung; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 112/11, NJOZ 2011, 1254: für einstweilige Verfügung; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, BFH v. 27.5.2009 – II R 53/07, NJW-RR 2010, 14; noch kürzer OLG München, Urt. v. 5.7.2010 – 21 U 2843/10: bei einstweiliger Verfügung 2 Monate. 4 OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 77/09, n.v.; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG München, Beschl. v. 30.8.2011 – 5 W 1574/11, MDR 2011, 1267 (Klage). 5 So aber LG Duisburg, Beschl. v. 16.3.2007 – 13 T 18/07, NZM 2007, 896; LG Potsdam, Beschl. v. 2.5.2008 – 13 T 23/08, NZM 2009, 159. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 112/11. 7 LG Duisburg, Beschl. v. 16.3.2007 – 13 T 18/07, NZM 2007, 896; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – 19 U 53/11 für Feststellungsbegehren, dass Zahlungsrückstand nicht zur Versorgungseinstellung berechtigt.

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Energie- und Wasserversorgung

2. Teil

2.1241

Angesichts des Leistungscharakters ist bei einer einstweiligen Verfügung kein Abschlag vom Hauptsachewert gerechtfertigt.3

2.1242

Kommt es zu einem stattgebenden Urteil, bestimmt sich die (materielle) Beschwer des Beklagten nach der mit der fortdauernden Versorgungseinstellung verbundenen Beeinträchtigung. Diese entspricht dem Wert der vorenthaltenen Versorgungsleistung, so dass auch hier der Jahresbetrag oder auch Halbjahresbetrag der Abschlagszahlungen (vgl. Rz. 2.1239) anzusetzen ist. In keinem Fall geht es dem Beklagten um den Besitz an der Messeinrichtung.4

2.1243

Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf (Wieder-)Herstellung der Energie- oder Wasserversorgung, steht der Umfang sich aus dem Mietverhältnis ergebender Pflichten und damit der Vertragsinhalt im Streit. Soweit sich die sachliche Zuständigkeit nicht bereits wertunabhängig aus § 23a Nr. 2 Buchst. a GVG ergibt, bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an einer dahingehenden Versorgung.

2.1244

Dieses entspricht wertmäßig dem Betrag einer möglichen Mietminderung und sollte daher wie der Gebührenstreitwert – nach der Neufassung des § 41 Abs. 5 GKG – mit dem Jahresbetrag einer angemessenen Minderung beziffert werden.5

2.1245

Verlangt dagegen der Vermieter vom Mieter die Unterbrechung der Energieversorgung zu dulden, um angesichts rückständiger Betriebskostenvorauszahlungen den weiteren Bezug zu unterbinden, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers, die Belieferung wegen der Gefahr ausbleibender Vergütung einzustellen. Dieses bemisst sich nach dem Halbjahresbetrag der fortlaufend zu zahlenden Abschläge.6

2.1246

ZPO

Dass die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – mit einer Wegnahme von Messund Regeleinrichtungen verbunden ist, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Insbesondere ist es verfehlt, gem. § 6 ZPO auf den Verkehrswert dieser Einrichtungen abzustellen oder diesen werterhöhend zu berücksichtigen.1 Dem Versorgungsunternehmen geht es nicht um den Besitz, sondern um die mit dem Ausbau verbundene Versorgungsunterbrechung. Dies gilt jedoch nur, wenn die Klage allein auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen (vgl. das Stichwort Duldungsklage, Rz. 2.2978). Gleiches gilt, wenn der Netzbetreiber unabhängig vom Versorgungsunternehmen eine Rückgabe der Mess- und Regeleinrichtungen begehrt.2

Begehrt der Verbraucher vom Versorgungsunternehmen die (Wieder)Herstellung der Versorgung, 2.1247 dann ist das Interesse an der (fortdauernden) Versorgung wertbestimmend. Im einstweiligen Verfügungsverfahren kann auf das üblicherweise anfallende Halbjahresentgelt abgestellt werden.7 Dass die Versorgungseinstellung durch die Begleichung aufgelaufener Rückstände beendet werden könnte,

1 So aber AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NJW-RR 2003, 949. 2 LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern 2008, 23. 3 AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09; a.A. LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag. 4 Insoweit zutreffend LG Duisburg, Urt. v. 30.4.2010 – 7 S 123/09: jedoch Zahlungsrückstand oder Mehrkosten für anderweitige Versorgung erwägend. 5 So schon zum alten Recht LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; vgl. auch AG Kerpen, Urt. v. 6.6.1990 – 3 C 267/90, MDR 1990, 928: Duldung eines Wasseranschlusses – 1/2 des Jahresnutzungsentgelts. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 27.12.2018 – 12 W 659/18, JurBüro 2019, 312. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.2.2012 – Kart W 3/11, VersorgW 2012, 320; LG Göttingen, Beschl. v. 16.10.2002 – 4 T 15/02.

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2. Teil

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Enteignungsentschädigung

rechtfertigt auch hier keine abweichende Bewertung.1 Erfordert die Aufnahme der Versorgung, einen zuvor nicht vorhandenen Netzanschluss herzustellen, soll sich die Bewertung nach den voraussichtlichen Kosten des Netzanschlusses richten.2 Dem ist zuzustimmen, wenn die Parteien vorprozessual ausschließlich über die Verpflichtung zur Kostentragung gestritten haben.

2.1248 Die Klage des Verbrauchers gegen das Versorgungsunternehmen auf Unterlassung einer Versorgungsunterbrechung ist nach § 3 ZPO bzw. § 48 GKG zu bewerten. Einer (entsprechenden) Anwendung von § 9 ZPO steht entgegen, dass es an einer wiederkehrenden Leistung fehlt.3 Wertbestimmend ist das Interesse an der Vermeidung der mit der Versorgungsunterbrechung einhergehenden Nachteile.4 Der Gebührenstreitwert eines auf Untersagung der Versorgungsunterbrechung gerichteten einstweiligen Verfügungsverfahrens beläuft sich in der Regel auf 3/4 des Hauptsachewerts.5

2.1249 Begehrt der Kläger von einem Versorgungsunternehmen den Anschluss einer von ihm betriebenen EEG-Anlage an dessen Netz und Abnahme des mit dieser Anlage produzierten Stroms (§ 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EEG), dann bemisst der Streitwert nach dem Interesse an der Einspeisung. Mit dem OLG Celle ist im einstweiligen Verfügungsverfahren auf den Jahresverlust der Einspeisevergütung abzustellen.6

2.1250 Die Klage des Eigentümers gegen das Versorgungs- oder Netzunternehmen auf Beseitigung eines Strommastes und im Erdreich verlegten Stromkabels vom Grundstück des Klägers ist nach der Wertminderung des betroffenen Grundstücks zu bemessen.7

Enteignungsentschädigung A. Zuständigkeitsstreitwert 2.1251 Klagen auf Leistung von Enteignungsentschädigung sind nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG vor den ordentlichen Gerichten zu erheben. In Baulandsachen besteht nach § 217 Abs. 1 Satz 4 BauGB eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der LG. Die Länder können nach § 71 Abs. 3 GVG8 und § 232 BauGB9 weitere Entschädigungssachen ausschließlich den LG zuweisen.

2.1252 Ansonsten bestimmt man die sachliche Zuständigkeit streitwertabhängig nach §§ 23, 71 GVG. Besondere Bewertungsvorschriften für den Zuständigkeitsstreitwert gibt es nicht. Seine Bemessung hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Die Einzelheiten werden nachfolgend bei den Ausführungen zum Gebührenstreitwert erläutert.

1 Unzutreffend daher LG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2011 – 12 T 47/11 – zudem wird die Möglichkeit eines Anbieterwechsels übersehen. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.2.2012 – Kart W 3/11, VersorgW 2012, 320. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.2.2008 – 12 W 56/07. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2007 – 5 W 503/07. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.2.2008 – 12 W 56/07. 6 OLG Celle, Beschl. v. 4.7.2019 – 13 U 4/19. 7 OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.11.2018 – 5 U 26/18. 8 Wie z.B. Sachsen in § 16 SächsJG. 9 Wie z.B. Nordrhein-Westfalen in § 50 EEG NRW.

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Enteignungsentschädigung

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2. Teil

Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert über- 2.1253 ein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

I. Zahlungsklagen Wird eine bezifferte Geldentschädigung eingeklagt, ist für den Streitwert der geforderte Betrag oder der Mehrbetrag gegenüber der bereits bewilligten Summe maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).1

2.1254

Enteignungszinsen nach § 99 Abs. 3 BauGB oder entsprechenden Regelungen in anderen Enteignungsgesetzen erhöhen den Streitwert nach zutreffender herrschender Meinung nicht, weil sie Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG sind.2 Dabei ist unerheblich, ob der Anspruch ein echter Zins im Rechtssinne ist oder eine pauschalierte Entschädigung für eine entzogene abstrakte Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks, weil beides Nutzungen i.S.v. § 4 ZPO abgelten soll.3 Daher ist unerheblich, ob die Enteignungszinsen nach § 99 Abs. 3 BauGB ihrerseits zu verzinsen sind.4 § 248 BGB verbietet nur Zinseszinsen, nicht aber die Verzinsung aller Nebenforderungen. Auch ein Schaden i.S.v. § 252 BGB ist eine Nebenforderung i.S.v. § 4 ZPO, wenn er wie Zinsen als gleichbleibender Prozentsatz einer bestimmten Summe geltend gemacht wird.5

2.1255

Unbezifferte Anträge auf Zahlung einer Entschädigung sind nach den allgemeinen Regeln zu bewerten, also mit dem Betrag, der den Kläger angemessen entschädigt, wenn man dessen Tatsachenbehauptungen zum anspruchsbegründenden Geschehen und zum Umfang des entstandenen Schadens zugrunde legt.6 Im Klageantrag angegebene Mindest- oder Höchstbeträge, die sich unter Umständen aus der Streitwertangabe in der Klageschrift ergeben können, sind in jedem Fall die Unter- oder Obergrenze für den Streitwert.7

2.1256

II. Feststellungsklagen Wird eine Feststellungsklage erhoben, ist gegenüber einer entsprechenden Leistungsklage beim Streitwert ein Abschlag von 20 % vorzunehmen; dass sich der beklagte Staat einem Feststellungsurteil beugen wird, ändert daran nichts.8 1 BGH, Beschl. v. 30.9.2004 – III ZR 81/04, BauR 2005, 367; OLG Neustadt, Beschl. v. 6.5.1958 – 2 W 57/58, Rpfleger 1963, 65; OLG Brandenburg, Urt. v. 18.6.2019 – 11 U 2/16. 2 BGH, Beschl. v. 16.2.1970 – III ZR 73/69, MDR 1970, 994; BGH, Urt. v. 16.9.1968 – III ZR 183/67, DB 1969, 1936; OLG Naumburg, Urt. v. 31.1.2008 – 1 U 72/07 (Baul); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.11.1986 – 3 W 180/86, MDR 1987, 334; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.3.2013 – 18 U 10/11; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 12.3.1969 – 2 W 177/68, MDR 1969, 771; E. Schneider, JurBüro 1969, 597. 3 BGH, Beschl. v. 16.2.1970 – III ZR 73/69, MDR 1970, 994; BGH, Urt. v. 2.9.1999 – III ZR 315/98; BFH, Urt. v. 25.11.1975 – VIII R 262/72, BFHE 117, 534. 4 Was die Rechtsprechung in bestimmten Fällen bejaht, vgl. BGH, Beschl. v. 14.11.1963 – III ZR 141/62, MDR 1964, 121. 5 BGH, Beschl. v. 8.5.2012 – XI ZR 261/10, MDR 2012, 865; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; a.A. BGH, Beschl. v. 18.3.2009 – IX 188/08; Junglas, NJOZ 2013, 1641, 1646; wohl auch BGH, Beschl. v. 19.12.2016 – IX ZR 60/16. 6 OLG Köln, Beschl. v. 17.12.1969 – 2 W 173/69, JurBüro 1970, 606; OLG München, Beschl. v. 22.5.1968 – W 1/67 (Baul), Rpfleger 1968, 361. 7 BGH, Beschl. v. 28.10.2015 – III ZR 75/14. 8 BGH, Beschl. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98.

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2.1257

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B. Gebührenstreitwert

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2. Teil

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Entgangener Gewinn

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III. Klagehäufung 2.1258 Macht der Kläger darüber hinaus einen im Entschädigungsbetrag nicht enthaltenen Folgeschaden geltend, also einen Schaden, der nicht durch die Substanzentschädigung abgegolten ist, ist dieser streitwerterhöhend zu berücksichtigen.1

2.1259 Wird die festgesetzte Enteignungsentschädigung vom Kläger als zu gering, von der Beklagten (Behörde) als zu hoch angegriffen, dann handelt es sich nicht um denselben Streitgegenstand, da jeweils andere Entschädigungsbeträge zur Entscheidung gestellt und über beide Anträge sowohl positiv wie negativ oder auch unterschiedlich erkannt werden kann.2 Die Werte sind daher zu addieren (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Entgangener Gewinn 2.1260 Wird entgangener Gewinn als Schadensersatz geltend gemacht, richtet sich der Wert grundsätzlich nach dem verlangten Betrag. Das gilt sowohl für den Zuständigkeitsstreitwert als auch für den Gebührenstreitwert des Gerichts und des Anwalts.

2.1261 Geltend gemachter entgangener Gewinn ist dagegen als streitwertneutral gem. § 4 ZPO, § 43 GKG zu behandeln, wenn es sich um eine von der Hauptforderung abhängige Nebenforderung handelt und der Schaden „wie Zinsen als gleich bleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe“ geltend gemacht wird.3

2.1262 Der Kläger hat es dabei auch nicht in der Hand, dem geltend gemachten Anspruch durch Berechnung bzw. Bezifferung den Charakter einer Nebenforderung zu nehmen.4

2.1263 Auch der Umstand, dass die Klagepartei für die Berechnung des entgangenen Gewinns statt üblicher Bankzinsen im Jahresdurchschnitt erzielbare Renditen heranzieht, macht keinen relevanten Unterschied.5

Entlastung 2.1264 Der Wert für Streitigkeiten betreffend die Entlastung von Organen und Organmitgliedern einer Gesellschaft ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Bemessung des Streitwerts einer negativen Feststellungsklage gelten. Nach überwiegender Auffassung ist die Klage auf Entlastungserteilung keine

1 BGH, Beschl. v. 20.12.2018 – III ZR 133/18. 2 Unrichtig daher OLG München, Beschl. v. 30.6.1976 – 1 W 1640/76, JurBüro 1976, 1358, das allerdings entgegen seiner Begründung im Ergebnis zutreffend addiert hat. 3 BGH, Beschl. v. 18.3.2009 – IX ZR 188/08; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185 = NJW 2013, 3100 = VersR 2014, 855; BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – III ZR 65/13; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 257/12; BGH, Beschl. v. 18.2.2014 – II ZR 191/12; BGH, Beschl. v. 13.5.2014 – II ZR 24/14; BGH, Beschl. v. 2.6.2014 – II ZR 61/14; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14; BGH, Beschl. v. 3.11.2016 – III ZR 213/16; OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.11.2016 – 3 W 21/16; OLG München, Beschl. v. 12.7.2017 – 21 U 2777/14. 4 OLG München, Beschl. v. 12.7.2017 – 21 U 2777/14. 5 OLG München, Beschl. v. 12.7.2017 – 21 U 2777/14.

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Entziehung des Wohnungseigentums

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2. Teil

ZPO

Leistungs-, sondern eine negative Feststellungsklage. Anfechtbar ist die Entlastungsentscheidung nur bei einem eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß der Organe.1

A. Bezifferte Ersatzansprüche Macht die Gesellschaft konkrete Ansprüche geltend, kommt als Streitwert des Anspruchs auf Entlastungserteilung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG derjenige Wert in Betracht, der dem Interesse des Klägers an der Feststellung entspricht, dass er aus Anlass seiner Geschäftsführertätigkeit von der Beklagten nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Maßgebend ist deshalb der bezifferte Betrag der drohenden Inanspruchnahme.2

2.1265

B. Unbezifferte Ersatzansprüche Werden von der Gesellschaft unbezifferte Ersatzansprüche gegen das Organ oder Organmitglied geltend gemacht, dann ist auf deren voraussichtliche Höhe abzustellen, also auf die Berühmung. Notfalls ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, welche Ansprüche sich auf der Grundlage des Vorbringens der Gesellschaft, das der Kläger der negativen Feststellungsklage darzulegen hat, ergeben können. Insoweit entspricht die Bewertungssituation derjenigen der Bestimmung des Leistungsantrages in der Auskunftsstufe der Stufenklage.3

2.1266

C. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden angefochten, sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.4 Erhebliche Jahresfehlbeträge in den von der Entlastung erfassten Zeiträumen sind nur eingeschränkt werterhöhend anzusetzen,5 da die Entlastung nicht mit einem Verzicht auf Ersatzansprüche verbunden ist (§ 120 Abs. 2 AktG).6

2.1267

Entnahmerecht 2.1268

Siehe das Stichwort „Gesellschaft“, Rz. 2.1767 ff.

Entziehung des Wohnungseigentums 2.1269

Siehe das Stichwort „Wohnungseigentum“, Rz. 2.6025 ff.

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 196/12, NZG 2013, 783. KG, JurBüro 1962, 281. Vgl. dazu das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598. OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13, NZG 2014, 1350 – hier: 3.000 t; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.3.2004 – 5 W 47/04 – hier: 50.000 t; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.1.2002 – 20 U 54/01 – hier: 5.000 t; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620. 5 Zum Ansatz allgemein OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2014 – 1 W 67/13, NZG 2014, 1350. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.3.2004 – 5 W 47/04.

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2. Teil

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Erbauseinandersetzung

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Erbauseinandersetzung 2.1270 Siehe das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.

Erbbaurecht A. Überblick 2.1271 Es gibt keine Sondervorschriften für den Streitwert bei Erbbaurechtsprozessen. Seine Bemessung hängt daher vom konkreten Klagebegehren ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

B. Feststellung der Wirksamkeit 2.1272 Der Wert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Erbbaurechtsvertrags bestimmt sich nach § 3 ZPO; § 6 ZPO ist nicht einschlägig, weil nicht der Besitz der Sache im Streit ist.1 Klagt der Grundstückseigentümer, bestimmt sich der Wert nach seinem Interesse, den Erbbauzins zu erhalten, von dem ein Feststellungsabschlag zu machen ist.2

C. Übertragung oder Bestellung 2.1273 Der Wert einer Klage auf Übertragung oder Bestellung eines Erbbaurechts bemisst sich gem. § 6 Satz 1 ZPO nach dem Verkehrswert des Erbbaurechtgrundstücks.3 Der Grundstückswert wiederum entspricht dem Verkehrswert, der nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen ist.4

2.1274 Der Antrag auf Eintragung eines unstreitig durch Zeitablauf erloschenen Erbbaurechts ins Grundbuch ist nach § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000 t zu bewerten.5

D. Herausgabe des Grundstücks 2.1275 Der Streitwert des Anspruchs auf Herausgabe eines Grundstücks nach dem Eintritt des Heimfalls (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG) entspricht dem Grundstückswert.6 Auflastende Grundpfandrechte sind nach der zutreffenden herrschenden Meinung nicht abzuziehen.7 Bei bebauten Grundstücken erhöht sich der Verkehrswert nach zutreffender Ansicht um den Wert des Gebäudes.8 Der volle Grundstückswert

1 2 3 4 5 6 7

OLG München, Beschl. v. 25.1.1995 – 3 W 3089/94, WuM 1995, 193. OLG München, Beschl. v. 25.1.1995 – 3 W 3089/94, WuM 1995, 193. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.1978 – 5 W 151/77, AnwBl. 1978, 106. Vgl. dazu die Stichwörter „Grundstück“, Rz. 2.1994 ff. und „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 ff. KG, Beschl. v. 4.12.2018 – 1 W 369-370/18, FGPrax 2019, 51. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.8.1995 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705. BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, ZIP 1982, 221; OLG Celle, Beschl. v. 23.10.1973 – 4 W 83/73, JurBüro 1974, 878; a.A. LG Köln, Beschl. v. 21.7.1976 – 70 O 40/76, NJW 1977, 255. 8 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.1978 – 5 W 151/77, AnwBl. 1978, 106; a.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.3.1992 – 5 W 26/92, JurBüro 1992, 560.

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Erbbaurecht

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2. Teil

Die Gegenauffassung bewertet das Heimfallrecht dagegen mit dem Wert des Gebäudes zzgl. dem nach § 9 ZPO mit dem 3 1/2fachen Jahreserbbauzins zu bewertenden Nutzungsrecht am Grundstück.2

2.1276

Entgegen einer vom OLG Dresden3 vertretenen Auffassung ist der Herausgabeanspruch auch dann nach § 6 ZPO und nicht nach § 41 Abs. 2 GKG zu bewerten, wenn er vor Eintragung des Erbbaurechts ins Grundbuch geltend gemacht wird.4

2.1277

E. Erbbauzins Der Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses bemisst sich gem. § 9 ZPO nach dem Un- 2.1278 terschiedsbetrag zwischen gezahlter und erstrebter Zinshöhe für dreieinhalb Jahre.5 Dasselbe gilt für eine Klage auf Ermäßigung des Erbbauzinses.6 Fällige Beträge sind nach § 42 Abs. 3 GKG hinzuzurechnen.7

2.1279

Wird die Klage auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses mit derjenigen auf Bewilligung der Eintra- 2.1280 gung einer entsprechend erhöhten Reallast im Grundbuch verbunden, liegt der Klagehäufung nach zutreffender Ansicht dasselbe wirtschaftliche Interesse zugrunde.8 Die Eintragung im Grundbuch erhöht den Zahlungsanspruch des Klägers nicht, sondern vermindert nur sein Beitreibungsrisiko. Der Streitwert von Zahlungsanträgen wird bereits mit dem Nennbetrag der eingeklagten Forderungen ohne Rücksicht auf deren Werthaltigkeit beziffert.9 Der Wert des zusätzlichen „Sicherungsantrags“ ist deshalb dem Streitwert der Zahlungsklage nicht hinzuzurechnen.10 Eine Sicherung kann und soll keine mehr als vollständige Beitreibung einer Forderung ermöglichen.

F. Gebäudeerrichtungspflicht Nach § 3 ZPO zu schätzen ist der Streitwert einer Verpflichtung, auf einem städtischen Erbbaugrundstück ein Wohnhaus zu errichten. Für die Stadt steht dabei das kommunalpolitische Interesse im Vordergrund, das Gelände tatsächlich mit Wohnungen zu bebauen, um die Wohnungsnot zu steuern.11 Der Streitwert muss erheblich unter den Baukosten liegen.12

1 OLG Bremen, Beschl. v. 13.11.1995 – 8 O 1386/95, AnwBl. 1996, 411. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.5.1989 – 4 W 903/89, JurBüro 1992, 52; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.1983 – 1 W 39/83, JurBüro 1985, 278. 3 OLG Dresden, Urt. v. 12.7.2011 – 14 U 119/11. 4 So wohl auch Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.64; offengelassen in BGH, Urt. v. 14.10.1963 – III ZR 27/63, VersR 1964, 146. 5 BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – V ZB 271/11, NJW-RR 2012, 1041; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. 6 OLG Brandenburg, Urt. v. 27.7.2005 – 4 U 199/04. 7 LG Oldenburg, Beschl. v. 14.4.2008 – 9 O 929/08. 8 OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14; a.A. LG Kassel, Beschl. v. 12.10.2010 – 1 T 111/10 (Summierung nach § 39 Abs. 1 GKG: 3 1/2facher Jahresbetrag für den Zahlungsantrag zzgl. einem 3 1/2fachen Jahresbetrag für die grundbuchliche Eintragung). 9 Vgl. OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15, NZI 2015, 192. 10 OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.6.1957 – 6 W 200/57, MDR 1957, 560. 12 OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.6.1957 – 6 W 200/57, MDR 1957, 560.

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2.1281

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ist auch dann maßgebend, wenn das Grundstück zwischenzeitlich Gegenstand einer entgeltlichen Nutzung war und nicht fristgerecht geräumt wurde.1

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2. Teil

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Erbberechtigung

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Erbberechtigung 2.1282 Für den Streitwert der Erbenfeststellungsklage ist gem. § 3 ZPO das Interesse an der Erbenfeststellung maßgeblich. Dabei ist von einem Streitwert von 50 bis 80 % einer entsprechenden Leistungsklage auszugehen.1 Der Wert eines unstreitig bestehenden Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist von dem Wert des Nachlassvermögens in Abzug zu bringen; denn streitig ist in diesem Fall nur die Erbberechtigung, nicht aber auch die Pflichtteilsberechtigung.2

2.1283 Bei einer auf die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gerichteten Klage auf Zustimmung zu einem Auseinandersetzungsplan, ist in der Regel das Interesse des Klägers am Auseinandersetzungsplan maßgeblich und nach § 3 ZPO festzusetzen.3 Es ist eine in erster Linie wirtschaftliche Betrachtung anzustellen und zu ermitteln, welche Punkte insoweit zwischen den Parteien streitig sind.

2.1284 Demnach hat bei der Bemessung des Streitwerts in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Miterbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit außer Ansatz bleiben, dass die Parteien wechselseitig mit Klage und Widerklage die Zustimmung der jeweiligen Gegenseite zu einem Auseinandersetzungsplan verlangen und Gegenstand dieser Verteilungspläne auch die Übertragung eines Grundstücks von der Miterbengemeinschaft auf einen Miterben ist, sofern diese Übertragung als solche und der zugrunde zu legende Wert des Grundstücks nicht im Streit sind.4 Wird der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet, in dem die Miterbengemeinschaft das zum Nachlass gehörige Grundstück auf einen Miterben zu dessen Alleineigentum überträgt, so ist ein übersteigender Vergleichswert in Höhe des Bruchteils des Grundstückswerts vorhanden, der (wirtschaftlich) übertragen wird.5

2.1285 Der Rechtsmittelstreitwert einer Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmten Erbquote (hier: 1/4) bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des unterlegenen Beklagten. Zielt dessen Klageabweisungsantrag darauf ab, die Beteiligung des Klägers am Nachlass zu beseitigen, so ist maßgeblich für den Streitwert der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Anteil an dem (um die Verbindlichkeiten) geminderten Nachlass, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %. Dieser Wert ist nicht deshalb um einen weiteren Abschlag zu mindern, weil der Beklage selbst nur geltend macht, mit einem bestimmten Anteil (hier: 1/3) am Nachlass als gesetzlicher Erbe beteiligt zu sein.6

2.1286 Begehrt der Beklagte neben der Klageabweisung mit seiner Widerklage die Feststellung, dass er gesetzlicher Miterbe zu einer bestimmten Erbquote geworden sei, so hat die Widerklage einen Streitwert in Höhe der in Anspruch genommenen Erbquote abzüglich eines 20%igen Feststellungsabschlags. Der Streitwert von Klage und Widerklage ist nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen, weil die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen.7

1 BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, NJW-RR 1988, 689. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, MDR 1975, 389; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, Rpfleger 1992, 254. 3 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, MDR 1975, 741; BGH, Beschl. v. 3.2.1993 – IV ZR 246/92. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03. 6 BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – IV ZR 311/14. 7 BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – IV ZR 311/14.

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Erbschein, Herausgabe

2. Teil

2.1287

Der Auffassung des BGH ist zuzustimmen, weil in der Rechtsmittelinstanz gem. § 3 ZPO von dem wirtschaftlichen Interesse der unterlegenen Beklagten auszugehen ist.2

2.1288

Der Streitwert und der Rechtsmittelwert bestimmen sich bei einer Erbunwürdigkeitsklage nach der Beteiligung des Beklagten am Nachlass und nicht nach dem anteiligen Interesse, das der Kläger am Nachlass geltend gemacht.3 Vgl. Stichwort „Erbunwürdigkeit“, Rz. 2.1296 ff.

2.1289

ZPO

Seine vorgenannte Rechtsprechung hat der BGH bekräftigt und ausgeführt, dass für die Bemessung des Rechtsmittelstreitwerts einer Erbfeststellungsklage der von den Klägern für sich in Anspruch genommene Erbteil maßgeblich ist.1 Für den Wert des Klageantrags kommt es weder darauf an, dass der Beklagte behauptet, selbst nur mit einem unter dem Erbanteil des Klägers liegenden Erbanteil Miterbe auf Grund gesetzlicher Erbfolge zu sein, noch darauf, dass die Kläger ihre Klagen gegen andere Beklagte, die ebenfalls als gesetzliche Miterben in Betracht kommen, zurückgenommen haben.

Der Streitwert einer auf § 2362 BGB gestützten Klage auf Herausgabe eines unrichtigen Erbscheins 2.1290 bemisst gem. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Anspruchstellers an der Beseitigung des unrichtigen Erbscheins. Ein solches Interesse kann in der Verhinderung drohender Nachteile liegen (vgl. §§ 2366, 2367 BGB)4 oder in der Sicherung möglicher Beweisvorteile.

Erbenhaftung 2.1291

Siehe das Stichwort „Haftungsbeschränkung“, Rz. 2.2075 ff.

Erbschein, Herausgabe Der Streitwert einer auf § 2362 BGB gestützten Klage auf Herausgabe eines unrichtigen Erbscheins 2.1292 (§ 2362 BGB) bemisst gem. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Anspruchstellers an der Beseitigung des unrichtigen Erbscheins. Ein solches Interesse kann in der Verhinderung drohender Nachteile durch Missbrauch des Erbscheins (§§ 2366, 2367 BGB) liegen5 oder in der Sicherung möglicher Beweisvorteile. Es kommt also nicht auf den Wert des Nachlasses oder (bei Miterben) den behaupteten Anteil am Nachlass an. Weder der Nachlasswert noch das Interesse des Klägers, mittelbar die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers feststellen zu lassen, sind für die Streitwertbemessung von Bedeutung.

2.1293

Im Erbschein-Einziehungsverfahren ist der Wert des beanspruchten Erbteils maßgeblich.6 Zum 2.1294 Erbscheinsverfahren insgesamt s. das Stichwort „Erbscheinverfahren“ im freiwG-Teil, Rz. 4.119. 1 BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2012, 159; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – IV ZR 311/14. 2 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464; a.A. Giehring, ZEV 2014, 282, der sich – aufgrund unzutreffender Auslegung des § 3 ZPO – dafür ausspricht, den Gebührenstreitwert im Erbfeststellungsprozess relational entsprechend dem Wert des Bruchteils des Nachlasses für den Angreifer zu ermitteln. 3 BGH, Urt. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/96, MDR 1997, 693. 4 BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – II ZR 191/66. 5 BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – II ZR 191/66. 6 BGH, Urt. v. 11.11.1976 – III ZR 57/75, MDR 1977, 295; vgl. N. Schneider, ErbR 2014, 164 (zum GNotKG).

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2. Teil

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Erbteilungsklage

ZPO

Erbteilungsklage 2.1295 Siehe das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3374 ff.

Erbunwürdigkeit 2.1296 Die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit kann gem. § 2342 Abs. 1 Satz 1 BGB nur durch Klage oder Widerklage geltend gemacht werden. Nach § 2342 Abs. 1 Satz 2 BGB muss im Klageantrag deutlich hervortreten, dass die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit (im Unterschied zur bloßen Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen) geltend gemacht wird. Der nach §§ 71, 23 Nr. 1 GVG maßgebliche Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert der Anfechtungsklage richtet sich nicht nach dem Interesse des Klägers am Wegfall des Beklagten, sondern nach der Beteiligung des Beklagten am Nachlass1. Danach ist der Streitwert gleich dem Wert des Anteils am Nachlass, den der Beklagte bei erfolgreicher Erbunwürdigkeitsklage verliert2. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Erbunwürdigkeitsklage.

2.1297 Auf das Interesse des Klägers auf den erstrebten Vorteil kann es nicht ankommen. Andernfalls wäre die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts problematisch. Denn der Beklagte wäre nur in Höhe des Betrages beschwert, um den sich der Erbteil des Klägers erhöht, obwohl der Beklagte bei Erfolg der Klage seinen gesamten Erbanteil verlieren würde. Bei einer Bewertung des Streitgegenstandes nur nach dem Interesse des Klägers, kommt der Beklagte dann unter Umständen nicht in die Rechtsmittelinstanz, obwohl wirtschaftlich ein revisibler Wert auf dem Spiel steht.3 Siehe dazu auch das Stichwort „Ausschließung“, Rz. 2.530 ff. und das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff. m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des BGH.

2.1298 Zu bedenken ist allerdings, dass die Rückwirkung der Erbunwürdigkeitserklärung dazu führt, dass die erbrechtliche Übertragung auf den Beklagten entfällt. Gleichwohl darf daraus mit OLG Frankfurt4 nicht der Schluss gezogen werden, dass sich der Streitwert nach dem Gesamtwert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles bemisst. Eine solche Schlussfolgerung ist nur dann zulässig, wenn eine einzige Person gegen eine einzige andere Person das Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, ohne pflichtteilsberechtigt zu sein. Denn lediglich in diesem Fall ist der ganze Nachlass im Streit und der Streitwert deshalb nicht um erbrechtliche Beteiligungen des Klägers zu kürzen.

2.1299 Ist die Klage neben der Feststellung der Erbunwürdigkeit auf die Herausgabe des Nachlasses gerichtet, liegt wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände vor, mit der Folge, dass die Werte nicht zu addieren sind.5

1 BGH, Urt. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, LM Nr. 41 zu § 3 ZPO; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/96, MDR 1997, 693; Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, A. Rz. 28; kritisch dazu etwa Bauer, Der Erbunwürdigkeitsprozess, Rz. 121 ff.; Roth, OLG Koblenz v. 28.6.1996 – 14 W 355/96, ZEV 1997, 253; Zimmermann, Verlust der Erbschaft, Rz. 311. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/96, AGS 1997, 69 = MDR 1997, 693; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.10.2010 – 21 U 9/10, FamRZ 2011, 1177 = ZFE 2011, 80 = ErbR 2011, 62. 3 Siehe auch die entsprechende Situation bei der Abmeierungsklage nach § 18 WEG das Stichwort „Wohnungseigentum“, Rz. 2.6025 ff. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.2.1971 – 6 W 557/70, JurBüro 1971, 540. 5 BGH, Urt. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, MDR 1970, 124 = FamRZ 1970, 17.

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Erledigung der Hauptsache

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2. Teil

Der Streitwert für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbver- 2.1300 trag bemisst sich nach dem gem. § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Klägers an dem Weiterbestehen des Erbvertrages. Enthält dieser die Einsetzung des Klägers als Alleinerbe, dann ist gleichwohl nicht der Wert des gesamten Nachlasses maßgebend, weil der Erblasser nicht gehindert ist, über sein Vermögen zu verfügen und die Erbmasse zu schmälern. Aus diesen Erwägungen heraus ist es gerechtfertigt, die Feststellungsklage nur mit 1/4 des Wertes des Nachlasses im Zeitpunkt der Klage zu bewerten. Wird eine Klage auf Rücktritt vom Erbvertrag gestützt, dann richtet sich der Streitwert danach, welche im Klageantrag konkretisierte Rechtsfolge aus dem Rücktritt hergeleitet wird. Das kann beispielsweise ein Rückzahlungsanspruch sein; dann ist der Nennbetrag der Forderung maßgebend. Handelt es sich hingegen etwa um den Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts vom Vertrag, dann muss der Streitwert nach § 3 ZPO geschätzt werden. Dabei ist jedoch nicht einfach auf Leistung oder Gegenleistung abzustellen, sondern auf das wirtschaftliche Interesse an der Bindungsfreiheit, das im Wesentlichen in dem Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages besteht (s. das Stichwort „Vertragsauflösung“, Rz. 2.5512 ff.).

2.1301

Klagt der mögliche Erbe auf Herausgabe des Erbvertrages zum Zwecke der Eröffnung, ist der Streitwert nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers zu schätzen.

2.1302

Erledigung der Hauptsache Literatur: Deckenbrock/Dötsch, Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung, JurBüro 2003, 287; Abramenko, Die Änderung des Streitwertes bei übereinstimmender Erledigungserklärung, Rpfleger 2005, 15. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1303

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1340

I. Erledigendes Ereignis . . . . . . . . . . . . . . 2.1304

2. Zeitpunkt der Wertänderung . . . . . . . . 2.1342 3. Kosten des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . 2.1346

II. Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1306 III. Einseitige Erledigungserklärung . . . . . . 2.1309 IV. Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1318 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.1323 II. 1. 2. 3. 4. 5.

Mahnverfahren Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . Antragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragsänderung vor Abgabe . . . . . . . Fehlende Antragsänderung oder Erklärung nach Abgabe . . . . . . . . . . . .

2.1325 2.1326 2.1330 2.1333 2.1338

C. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . 2.1339 I. Übereinstimmende Erledigungserklärung

II. Einseitige Erledigungserklärung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsstand zum Bewertungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitpunkt der Wertänderung . . . . . . . .

2.1351 2.1353 2.1360 2.1370

III. Teilweise Erledigung 1. Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1372 2. Einseitige Teilerledigungserklärung . . . 2.1376 D. Besondere Verfahren I. Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1382 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1383 2. Anwaltliche Gebühren . . . . . . . . . . . . . 2.1385 II. Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.1390 III. Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1393

Monschau und Kurpat

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ZPO

Erbvertrag

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

ZPO

IV. Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . 2.1395 V. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . 2.1396 VI. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 2.1397 E. Rechtsmittel und Beschwer I. Anfechtbarkeit der Entscheidung . . . . 2.1398

1. Vollständige Erledigung . . . . . . . . . . . . 2.1403 2. Teilerledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1404 III. Einseitige Erledigungserklärung 1. Vollständige Erledigung . . . . . . . . . . . . 2.1407 2. Teilweise Erledigung . . . . . . . . . . . . . . 2.1410 F. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1411

II. Übereinstimmende Erledigung

Stichwortübersicht Akteneingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1326 Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1388 Beschwer – bei einseitiger . . . . . . . . . . . . . . . 2.1407, 2.1410 – bei übereinstimmender – . . . . . . . . . . . . . 2.1404 Differenzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2379 Ehrverletzende Behauptungen . . . . . . . . . . . 2.1366 Eilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1396 Einseitige Erledigungserklärung . . . 2.1306, 2.1319, 2.1324 – als Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1309 – Wert gleich 50 % der Hauptsache . . . . . . . 2.1359 – Wert gleich Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . 2.1357 – Wert gleich Kosteninteresse . . . . . . . . . . . 2.1354 Erfüllungshandlungen des Beklagten . . . . . . 2.1304 Erklärung – in der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . 2.1305 – nach Teilzahlung durch Beklagten . . . . . . 2.1321 – stillschweigende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1306 Erledigendes Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1321 – Zeitpunkt des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1318 Feststellung – der Hauptsacheerledigung . . . . . . . . . . . . 2.1351 Feststellungsinteresse . . . . . . . . . . . 2.1310, 2.1361 Fortsetzungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . 2.1368 Gefahr gleichartiger Rechtsverletzungen . . . . 2.1368 Gerichtskostenbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1348 Klageänderung Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1309 – Abgrenzung zur – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1350 – privilegierte . . . . 2.1311, 2.1319, 2.1332, 2.1352 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1346 – Befreiung von Gerichtskosten . . . . . . . . . . 2.1348 – Bezifferung, genaue . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1349 – der Vorinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1346 – des Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1335 – vermeidbare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1338 Kostenentscheidung – Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1398 Kosteninteresse . . . . . . . . . . . . . . . 2.1355, 2.1361 – Bewertung des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1379 – Überschreitung des . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1365

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Kurpat

Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1325 – anwaltliche Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . 2.1385 – Aufgabe des bisherigen Mahnantrages . . 2.1331 – Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1383 – materielle Erledigung . . . . . . . . . 2.1330, 2.1334 Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1346 Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . . . 2.1319 Prozesshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1305 Quotenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1379 Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1401 Rechtshängigkeit der Hauptsache . . 2.1308, 2.1328, 2.1370 Rechtskraft, Umfang der . . . . . . . . 2.1313, 2.1364 Rechtsmittelinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1346 Rechtsnatur des prozessualen Anspruchs . . 2.1315 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1368 Stillschweigende Erledigungserklärung . . . . 2.1306 Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1305 – Änderung des . . . . . . . . . 2.1312, 2.1354, 2.1360 – unverändert bei einseitiger Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1357 Streitwertfestsetzung, gestaffelte . . . . . . . . . 2.1341 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1393 Übereinstimmende Erledigungserklärung . 2.1306 – nach Erörterung der Hauptsache . . . . . . 2.1344 Vergleich – Gegenstandwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1413 – mit übereinstimmender Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1411 – negativer Kostenregelung . . . . . . . . . . . . 2.1411 – zur Vermeidung eines neuen Rechtsstreits 2.1416 Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1390 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1395 Wirksamwerden der Erledigungserklärung(en) . . . . . . . . . . . . . . . 2.1305, 2.1320 Zeitpunkt – der Wertänderung . . . . . . . . . . . 2.1342, 2.1370 – der Wertberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1326 – des erledigenden Ereignisses . . . . . . . . . . 2.1318 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1372 Zuständigkeit, Fortdauer der . . . . . . . . . . . 2.1327 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1397

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Erledigung der Hauptsache

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2. Teil

Ohne Kenntnis von den mit der Erledigung des Rechtsstreits verbundenen materiell-rechtlichen und prozessualen Fragenstellungen sowie den hierzu vertretenen Lösungsansätzen, ist eine im Einzelfall zutreffende Streitwertbestimmung kaum möglich. Daher werden vorab die wesentlichen Tatbestandsmerkmale und prozessualen Folgen der Erledigung erörtert.

2.1303

I. Erledigendes Ereignis Unter Erledigung der Hauptsache versteht man das Eintreten einer Tatsache, die eine ursprünglich 2.1304 zulässige und begründete Klage nachträglich unzulässig oder unbegründet macht,1 etwa die Erfüllung der eingeklagten Geldforderung, der Untergang des vom Kläger beanspruchten Gegenstandes oder der Wegfall einer Wiederholungsgefahr wettbewerbswidriger Werbung aufgrund Geschäftsaufgabe und dergleichen. Hierbei hat allein das erledigende Ereignis (Tatsache) auf den prozessualen Anspruch (Streitgegen- 2.1305 stand) und damit auf den Streitwert keinen Einfluss. Dieser bleibt solange unverändert, bis entsprechende die Erledigung der Hauptsache betreffende Erklärungen gegenüber dem Gericht abgegeben werden.2

II. Übereinstimmende Erledigungserklärung Die Erledigungserklärung unterliegt als Prozesshandlung den allgemeinen Voraussetzungen.3 Hinsichtlich der Form ist nach der Neufassung des § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO („oder“) davon auszugehen, dass die Erledigung auch im Falle obligatorischer mündlicher Verhandlung außerhalb dieser durch Einreichung eines Schriftsatzes wirksam erklärt werden kann und unterliegt insoweit nicht dem Anwaltszwang.4 Ihre Wiederholung in der mündlichen Verhandlung hat dann nur noch deklaratorische Bedeutung.5 Eine wörtliche oder ausdrückliche Erklärung der Erledigung ist nicht erforderlich, es genügt, dass sich ein entsprechender Wille konkludent ermitteln lässt.6 Bloßes Schweigen des Beklagten auf die Erledigungserklärung des Klägers kann nur unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Zustimmung behandelt werden.7

2.1306

Hierbei stellt die Erledigungserklärung des Beklagten keine nachträgliche Zustimmung zur vorausgegangenen Erklärung des Klägers dar, für die man eine Rückwirkung nach § 184 Abs. 1 BGB annehmen könnte.8 Vielmehr sind die nach § 91a ZPO erforderlichen gleichgerichteten prozessualen Einverständniserklärungen (Bewirkungshandlungen) – im Hinblick auf die Rechtshängigkeit des betroffenen Klageanspruchs – als prozessualer Gesamtakt9 anzusehen. Die Reihenfolge der Erklärung ist dagegen, übereinstimmender Inhalt vorausgesetzt, ohne Bedeutung.10 Auch kann die eine Erklärung

2.1307

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, MDR 1985, 570; OLG Hamm, Urt. v. 27.4.2018 – 25 U 13/11. BGH, Beschl. v. 19.7.2004 – II ZR 41/02; BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87 = MDR 1989, 523. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413. BGH, Beschl. v. 15.9.2011 – VI ZR 137/11, AGS 2012, 40. OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1995 – 23 W 1/95, JurBüro 1996, 85; ausführlich Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 10. BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211. OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2010 – 3 W 22/10, MDR 2010, 1078. Zutr. OLG München, JurBüro 1969, 434; s. aber Abramenko, Rpfleger 2005, 15. MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a ZPO Rz. 26; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2007 – 18 W 38/06, JurBüro 2007, 256; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363 – damit ist für die Frage der Wertänderung aber noch nichts entschieden. Prütting/Gehrlein/Hausherr, § 91a ZPO Rz. 20.

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schriftsätzlich und die andere in der mündlichen Verhandlung abgegeben werden.1 Zeitlich ist eine übereinstimmende Erledigung bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich.2

2.1308 Wird die Hauptsache von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, dann endet mit diesem Zeitpunkt die Rechtshängigkeit der Hauptsache.3 Über die Kosten des Rechtsstreits entscheidet das Gericht nach überwiegender Auffassung von Amts wegen4 gem. § 91a ZPO nach dem „bisherigen Sach- und Streitstand“, d.h. ohne weitere Beweiserhebung.5

III. Einseitige Erledigungserklärung 2.1309 Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht an, scheidet eine Anwendung des § 91a ZPO aus. Der Kläger muss entscheiden, ob er die ursprüngliche Klage (hilfsweise) aufrechterhält, zurücknimmt oder die von ihm angenommene Erledigung selbst zum Gegenstand seines Klagebegehrens macht. Nach heute ganz überwiegender Auffassung umfasst die Erledigungserklärung für den Fall, dass sie einseitig bleibt, den Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.6 Hierbei ist der Übergang vom bisherigen Klagebegehren auf die Feststellungsklage als privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) zu qualifizieren, die nicht der Zustimmung des Prozessgegners bedarf.7 Das gilt im Übrigen auch für die Rückkehr zum ursprünglichen Klageantrag unter Widerruf der – einseitig gebliebenen (und noch nicht beschiedenen) – Erledigungserklärung.8

2.1310 Der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens steht nicht entgegen, dass es sich – nach Darstellung des Klägers – um ein vergangenes Rechtsverhältnis handelt. Denn auch erloschene Rechtsverhältnisse können Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein, wenn – und hier scheint bereits die Lösung der mit der einseitigen Erledigungserklärung verbundenen Streitwertprobleme auf – sie wenigstens die Grundlage weiterer Ansprüche bilden können,9 also trotz Erledigung rechtliche Folgen im Raum stehen. Dies ist bei der auf Feststellung der Hauptsacherledigung gerichteten Klage schon deswegen der Fall, weil der Kläger auf die Begründetheit des bisherigen Klagebegehrens (und der damit verbundenen Verursachung der Klageerhebung) seinen Anspruch auf Erstattung ihm entstandener Kosten der Rechtsverfolgung stützt.

2.1311 Der Annahme, dass es sich bei der einseitigen Erledigungserklärung um einen Wirksamkeitsstreit über eine kostenmäßig privilegierte Klagerücknahme handelt,10 dürfte mit der Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO der Boden entzogen sein. Denn hier hat der Gesetzgeber bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nur für einen zeitlich eng begrenzten Bereich die Möglichkeit der Klagerücknahme mit summarischer Kostenentscheidung eröffnet.11

2.1312 Mit der einseitigen Erledigungserklärung ist – notwendigerweise – eine Änderung des Streitgegenstandes verbunden, da der Kläger mit dem Übergang zur Feststellungsklage nicht mehr Verurteilung gemäß der bisherigen Hauptsache, sondern nur noch die Feststellung eines bis zum Eintritt der Erledi1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 10. BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – VIII ZR 156/16, CuR 2018, 107. BGH, Urt. v. 8.2.1989 – Va ZR 98/87, MDR 1989, 523. BGH, Beschl. v. 27.11.1996 – XII ZR 249/95, NJW-RR 1997, 510. Str.; ausführlich Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 26. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413; BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147; a.A. MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a ZPO Rz. 92 m.w.N.: Zwischenstreit über den Fortgang des Verfahrens. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413. BGH, Urt. v. 29.4.1958 – VIII ZR 198/57, MDR 1958, 511; BAG, Urt. v. 23.4.1997 – 5 AZR 727/95, MDR 1997, 1150. Ablehnend schon BGH, Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, MDR 1985, 570 = NJW 1984, 588. Siehe auch Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 32.

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gung bestehenden Rechtsverhältnisses begehrt. Zur Entscheidung steht nicht mehr, ob der (bisherige) Anspruch des Klägers (noch) besteht, sondern nur noch, ob der Anspruch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem der angenommenen Erledigung, bestanden hat.1 Daher ist auch die Annahme falsch, mit der Abweisung der Feststellungsklage werde zugleich die ur- 2.1313 sprüngliche Leistungsklage abgewiesen.2 Da der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage keiner Zustimmung bedarf (§ 264 Nr. 2 ZPO), kann sich der Klageabweisungsantrag des Beklagten – zur Vermeidung von Säumnisfolgen (§ 333 ZPO) – nur auf den Feststellungsantrag beziehen. Im Übrigen liegt der vorbezeichneten Annahme eine unzutreffende Bestimmung von Streitgegenstand und Umfang der Rechtskraft der Leistungs- und Feststellungsklage zugrunde. Denn während bei Aufrechterhaltung der Hauptsacheklage über ein zum Schluss der mündlichen 2.1314 Verhandlung bestehendes Rechtsverhältnis entschieden worden wäre, wird bei der Feststellungsklage über den Bestand eines vergangenen Rechtsverhältnisses entschieden. Dabei sind trotz desselben materiell-rechtlichen Anspruchs unterschiedliche Bewertungen möglich. So folgt aus der Abweisung des Feststellungsantrags nicht notwendigerweise, dass die zuvor gestellte Leistungsklage – ohne Eintritt des (angeblich) erledigenden Ereignisses – ebenfalls hätte abgewiesen werden müssen. Dies zeigen schon die Beispiele, dass auf einen noch nicht fälligen Anspruch gezahlt wird oder einem Ereignis nicht die vom Kläger angenommene erledigende Wirkung zukommt. Hier folgt aus der Abweisung der Feststellungsklage keineswegs, dass ohne Zahlung die Leistungsklage ebenfalls abgewiesen worden wäre, da die fehlende Fälligkeit noch zwischen Zahlung (angeblich erledigendes Ereignis) und Schluss der mündlichen Verhandlung hätte eintreten können. Fehlt es allein an einem erledigenden Ereignis, müsste dem ursprünglichen Klageantrag sogar stattgegeben werden. Folgerichtig erfasst die Rechtskraft einer den Feststellungsantrag abweisenden Entscheidung nicht den Bestand des Leistungsantrages zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Sie ist allenfalls negativ präjudiziell für eine erneute Leistungsklage, deren Erhebung nicht der Einwand einer bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung entgegensteht.3 Die Rechtsnatur des Klagebegehrens verändert sich weder durch übereinstimmende noch durch einseitige Erledigungserklärungen; eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit kann sich also dadurch nicht in eine vermögensrechtliche verwandeln.4 Die Qualifizierung war früher für Berufungen und Revisionen von Bedeutung, weil in nichtvermögensrechtlichen Sachen, anders als in vermögensrechtlichen, die Rechtsmittel keine Mindestbeschwer erforderten. Diese Unterscheidung ist für die Berufung durch das RPflEntlG 1993 und für die Revision durch das ZPO-ReformG 2001 hinfällig geworden.

2.1315

Die Hauptsache kann – übereinstimmend oder einseitig – auch teilweise für erledigt erklärt werden. Dann gelten die Rechtsgrundsätze zur Hauptsacheerledigung hinsichtlich des von der Erledigungserklärung betroffenen (Teils des) Streitgegenstandes.

2.1316

Zur rechtlichen Einordnung der „Erledigungserklärung“ im Mahnverfahren s. nachfolgend Rz. 2.1325 ff.

2.1317

1 BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 91 = NJW 1994, 2363; BGH, Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, MDR 1992, 707 = NJW 1992, 2235; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147; a.A. noch BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225; widersprüchlich BGH, Urt. v. 1.6.1990 – V ZR 48/89, MDR 1991, 137 = NJW 1990, 2682; BGH, Urt. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 767. 2 So aber noch BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523; unklar BGH, Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, MDR 1992, 707 = NJW 1992, 2236. 3 MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a ZPO Rz. 84 m.w.N.; Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 46. 4 BGH, Urt. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = JurBüro 1982, 596.

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IV. Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses 2.1318 Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, kommt der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, keine Bedeutung zu. Aufgrund der Dispositionsmaxime der Parteien, die sie zu einer jederzeitigen Beendigung des Rechtsstreits berechtigt, tritt die übereinstimmende Erledigungserklärung an die Stelle des erledigenden Ereignisses. Sie „erledigt“ den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dies unabhängig davon, ob das die Erledigungserklärungen auslösende Ereignis vor oder nach Rechtshängigkeit liegt.1

2.1319 Bleibt die Erledigungserklärung des Klägers hingegen einseitig, ist das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses nur für die Begründetheit der nunmehr auf Feststellung der Hauptsacheerledigung gerichteten Klage von Bedeutung. Liegt der Zeitpunkt des vom Kläger behaupteten erledigenden Ereignisses (bzw. der Wegfall des die Klageeinreichung veranlassenden Umstandes) vor Rechtshängigkeit, ist die einseitige Erledigungserklärung mangels abweichender Angaben als privilegierte Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auszulegen.2 Für eine Auslegung in eine auf Kostenersatz gerichtete Feststellungsklage3, besteht nach der Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO in der Regel kein Anlass.4 Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die nach § 269 Abs. 3 Satz 3, § 91a Abs. 1 ZPO zu erwartende Kostenverteilung aufgrund der Besonderheiten der Billigkeitsentscheidung und auf Grundlage des „bisherigen Sach- und Streitstandes“ vom Kläger weit weniger beeinflusst werden kann, als bei einer Kostenfeststellungsklage.5 Hierauf sollte das Gericht im Zweifel gem. § 139 ZPO hinweisen.

2.1320 In beiden Fällen hat das erledigende Ereignis allein keinen Einfluss auf die Streitwertbestimmung, weder vorgerichtlich noch während des Rechtsstreits. Vielmehr wird der Streitwert – wie auch sonst – erst durch die Vornahme von Prozesshandlungen beeinflusst, die der (ggf. streitigen) Erledigung Rechnung tragen.6 Soweit darüber hinausgehend streitwertrechtliche Auswirkungen unabhängig von der „prozessualen Wirksamkeit der Erledigungserklärung(en)“ bejaht werden,7 ist dem nicht zu folgen. Denn für die zur Begründung herangezogene wirtschaftliche Betrachtungsweise fehlt es ohne wirksame Prozesshandlung an einem Bezugspunkt.

2.1321 Da allein Erfüllungshandlungen des Beklagten den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) nicht verändern, erhält der Prozessbevollmächtigte die Verfahrensgebühr nach dem Hauptsachewert folglich auch dann, wenn der Beklagte vor Mandatserteilung oder vor mündlicher Erörterung Teilzahlungen an den Kläger erbringt, die Erledigungserklärungen zur Hauptsache aber erst danach gegenüber dem Gericht abgegeben werden.8 Ebenso liegt es, wenn der Anwalt dem Mandanten rät, einen Teilbetrag zu zahlen, dieser dem Rat folgt und dann die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt wird.9

1 Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 6, 16 m.w.N. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.8.2000 – 9 WF 90/00, MDR 2000, 1393; OLG München, Beschl. v. 3.6.1997 – 26 WF 858/97, OLGR 1997, 202; a.A. und auf bloße Anhängigkeit abstellend OLG Köln, Beschl. v. 30.10.1995 – 1 W 52/95, MDR 1996, 208. 3 Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296. 4 Siehe aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.2.2013 – 24 W 2/13, das bei Erledigungserklärung vor Klagezustellung von einem Kostenfeststellungsantrag ausgeht. 5 Eingehend Elzer, NJW 2002, 2006, 2006 f. 6 BGH, Beschl. v. 19.7.2004 – II ZR 41/02, BGHR 2005, 738; BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523. 7 So OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1995 – 23 W 1/95, JurBüro 1996, 85; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.10.1991 – 14 W 572/91, JurBüro 1992, 465. 8 OLG Dresden, Beschl. v. 16.7.2001 – 19 W 934/01, JurBüro 2001, 589; OLG Stuttgart, JurBüro 1981, 860. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.1993 – 10 W 14/93, JurBüro 1994, 241 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1993, 578.

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Die gegenteilige Auffassung1 setzt zu Unrecht das außerprozessuale Verhalten einer Partei (Teilzahlungen) mit den (ggf.) dem Anwaltszwang unterliegenden Prozesshandlungen (Abgabe der Erledigungserklärung) gleich.

2.1322

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Erledigung der Hauptsache

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Erkenntnisverfahren Die übereinstimmende Erledigungserklärung setzt nach zutreffender Ansicht ein Prozessrechtsverhältnis (§ 91a Abs. 1 ZPO: „den Rechtsstreit“) und damit eine rechtshängige Klageforderung voraus.2 Folglich bleibt die übereinstimmende Erledigungserklärung schon wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (sog. perpetuatio fori) auf eine einmal begründete Zuständigkeit ohne Einfluss.

2.1323

Dies gilt in gleicher Weise für die einseitig gebliebene Erledigungserklärung, die als Antrag auf 2.1324 Feststellung des Inhalts anzusehen ist, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist3 (s. im Einzelnen Rz. 2.1309 ff.). Zwar erfordert der klageändernde Charakter einer Prozesshandlung eine streitwertrechtliche Neubewertung und ermöglicht damit im Fall der die Streitwertgrenze überschreitenden Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO), bei einer Klagebeschränkung gilt § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, grundsätzlich eine Verweisung.4 Es besteht jedoch trotz der Differenzen über die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung Einigkeit darüber, dass der Streitwert des Feststellungsbegehrens nicht über dem Wert der bisherigen Hauptsache liegen kann (s. nachfolgend Rz. 2.1353 ff.). Eine Verweisung des Rechtsstreits vom AG zum LG gem. § 506 ZPO scheidet daher aus.5

II. Mahnverfahren 1. Allgemeines Für die Durchführung des Mahnverfahrens ist das AG ohne Rücksicht auf den Wert des geltend ge- 2.1325 machten Zahlungsanspruchs sachlich ausschließlich zuständig, § 689 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bewertungsprobleme stellen sich hier nicht. Anders liegt es beim Übergang in das Streitverfahren, wenn während des Mahnverfahrens auf die im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung Zahlungen erbracht worden sind. Hier kann es zu Wertunterschieden zwischen Mahn- und Streitverfahren kommen. Insoweit ist zu prüfen, ob die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten (Haupt- und Neben-)Forderungen in vollem Umfang oder nur teilweise erfüllt wurden und die hierdurch veranlasste „Erledigungserklärung“ vor oder nach Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht erfolgte. 2. Zeitpunkt der Wertberechnung Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO derjenige der Klageeinrei- 2.1326 chung (Anhängigkeit). Diesem Zeitpunkt entspricht bei der Überleitung der Mahnsache in das streitige Verfahren gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO der Eingang der Akten beim Prozessgericht, nicht die Einreichung des Mahnantrages oder des Antrages auf Durchführung des streitigen Verfahrens.6 1 OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.1981 – 8 W 252/81, MDR 1982, 63 – Zahlung vor Erörterung und nachfolgender Erledigungserklärung; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.3.1981 – 9 W 30/81, JurBüro 1981, 921. 2 Vgl. Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 17 m.w.N. 3 BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147. 4 BGH, Beschl. v. 17.5.1989 – I ARZ 254/89, MDR 1990, 135 = NJW 1990, 53; Zöller/Greger, § 261 ZPO Rz. 12. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2015 – 32 SA 95/14 – einseitige Teilerledigungserklärung. 6 KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1996 – 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403; OLG Hamm,

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2.1327 Der vorgenannte Bewertungszeitpunkt wird durch die Regelung über die Fortdauer einer einmal begründeten Zuständigkeit in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht in Frage gestellt. Zwar gilt nach § 696 Abs. 3 ZPO die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheides als rechtshängig geworden, jedoch findet § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auf diese zurückbezogene Rechtshängigkeit nach ganz überwiegender Ansicht wegen der Besonderheiten des Mahnverfahrens keine Anwendung.1 Es handelt sich um eine Rückwirkungsfiktion für materiell-rechtliche Normen, die an den Eintritt der Rechtshängigkeit anknüpft, beispielsweise für den Anfall von Prozesszinsen (§ 291 BGB) oder den Ersatz von Nutzungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 987 BGB).

2.1328 Die mit dem Erlass des Vollstreckungsbescheids verbundene fiktive Rechtshängigkeit nach § 700 Abs. 2 ZPO rechtfertigt keine andere Bewertung, was bereits aus der Verweisung in § 700 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgt. Danach gilt bei Einlegung eines Einspruchs § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO, wonach der Rechtsstreit (erst) mit Akteneingang als anhängig anzusehen ist, entsprechend. Maßgeblicher Zeitpunkt für § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist auch hier der Akteneingang, so dass bei Wertdifferenzen zwischen Mahnund Vollstreckungsbescheid immer auf Letzteren abzustellen ist.2

2.1329 Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn die Abgabe nach Widerspruchseinlegung nicht alsbald erfolgt. Da ein Eintritt der Rechtshängigkeit vor Anhängigkeit ausscheidet, kommt alternativ zum Akteneingang nur die nach außen erkennbare Aufnahme der gerichtlichen Tätigkeit3 oder die Zustellung der Anspruchsbegründung in Betracht.4 Beides trägt den Besonderheiten des Mahnverfahrens nur unzureichend Rechnung.5 Streitwertrechtlich gewinnt die Frage an Bedeutung, wenn eine Antragsbeschränkung auf einen Wert unterhalb der Zuständigkeitsgrenze erstmals in der nach Abgabe eingereichten Anspruchsbegründung erfolgt. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO stünde dann einer Verweisung vom LG an das AG nicht entgegen.6 3. Antragsänderung

2.1330 Entscheidend für die sachliche Zuständigkeit ist mithin, in welchem Umfang das Mahnverfahren an das Streitgericht abgegeben worden ist. Dies wird bei Zahlungen des Beklagten maßgeblich davon beeinflusst, ob sich der Kläger bereits im Mahnverfahren, d.h. vor Abgabe der Akten an das Prozessgericht, auf eine vollständige oder nur teilweise materielle Erledigung der Mahnantragsforderung berufen und diese insoweit nicht mehr zur Entscheidung des Prozessgerichts gestellt hat. In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass „der Rechtsstreit“ in der Hauptsache (teilweise) für erledigt er-

1

2 3 4 5

6

Beschl. v. 26.4.2001 – 23 W 594/00, JurBüro 2002, 89; OLG München, Beschl. v. 16.11.1998 – 11 W 2823/98, MDR 1999, 508; OLG Rostock, Beschl. v. 18.2.2002 – 8 W 64/01, MDR 2002, 665; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.2.1999 – 8 W 527/98, MDR 1999, 634; a.A. für Gebührenstreitwert OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1996 – 10 W 50/96, MDR 1997, 694 = NJW-RR 1997, 704: zu Unrecht auf den Streitantrag abstellend. BayObLG, Beschl. v. 29.6.1994 – 1Z AR 31/94, MDR 1995, 312; KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1994 – AR 15/94, NJW-RR 1995, 831; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, MDR 1998, 1121; OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/97, MDR 1997, 890 = JurBüro 1997, 602; Zöller/Seibel, § 696 ZPO Rz. 8. OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.2.1999 – 1 W 5/99, OLGR 1999, 310; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.3.1982 – 4 SmA 1/82, Rpfleger 1982, 292; Zöller/Seibel, § 696 ZPO Rz. 6; ohne Begründung a.A. Fischer, MDR 2000, 301, 303; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 700 ZPO Rz. 3. So OLG Köln, Urt. v. 22.2.1985 – 6 U 191/84, MDR 1985, 680. So MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 ZPO Rz. 21; Musielak/Voit, § 696 Rz. 4. BGH, Urt. v. 5.2.2009 – III ZR 164/08, MDR 2009, 582 = NJW 2009, 1213; BGH, Urt. v. 16.10.2003 – IX ZR 167/02, MDR 2004, 332 = NJW-RR 2004, 1210; KG, Beschl. v. 13.2.1998 – 28 AR 61/97, MDR 1998, 618; KG, Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 735; Zöller/Seibel, § 696 ZPO Rz. 5 m.w.N. Vgl. etwa KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 147.

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Vielmehr ist diese Erklärung sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Kläger – unter Aufgabe 2.1331 des bisherigen Mahnantrages – die Feststellung der (materiell-rechtlichen) Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung begehrt. Denn gegen eine Wertung als Rücknahme des Streitantrages spricht, dass dann der „erledigte“ Teil des Mahnverfahrens nicht in das Streitverfahren übergeleitet und damit eine Entscheidung über die durch diesen verursachten Kosten verhindert wird,3 obwohl dem Kläger an einer Sachentscheidung gelegen ist.4 Der Annahme eines auf Erledigung gerichteten Feststellungsantrages widerstreitet, dass mangels Rechtshängigkeit des zuvor geltend gemachten Anspruchs eine Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden kann, die geänderte Klage daher in jedem Fall unbegründet wäre. Dem Kosteninteresse des Klägers kann (und muss daher) dahingehend Rechnung getragen werden, dass die materiell-rechtliche Kostentragungspflicht des Beklagten Streitgegenstand wird.5 Der BGH bejaht dagegen – trotz fehlender Anhängigkeit des mit dem Mahnantrag verfolgten und nunmehr erfüllten Zahlungsanspruchs (arg. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO) – die Möglichkeit einer Antragsrücknahme mit entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO durch das Prozessgericht.6 Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime der Parteien dürfte nach Abgabe an das Prozessgericht jedenfalls eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien in Betracht kommen.7.

2.1332

4. Antragsänderung vor Abgabe Hat der Beklagte die mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Forderung durch Zahlung vollständig beglichen und sich der Kläger vor Abgabe darauf berufen, dann bemisst sich der Streitwert des mit Akteneingang rechtshängigen Feststellungsantrages nach dem Kosteninteresse des Klägers, mithin nach den Kosten des Mahnverfahrens.8

2.1333

Umstritten ist hingegen, ob bei nur teilweiser materieller Erledigung und entsprechender Antragsbeschränkung vor Abgabe sich der Zuständigkeitsstreitwert unverändert nach dem bisherigen Wert,9 nach der Restforderung,10 der Restforderung zzgl. eines prozentual nach dem erledigten Teil zu be-

2.1334

1 So aber KG, Beschl. v. 8.12.1997 – 18 W 8917/97, KGReport Berlin 1998, 54; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1988 – 13 W 10/88, MDR 1988, 1066; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673. 2 So aber OLG Bamberg, JurBüro 1992, 762; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 + 21 W 7/01, OLGR 2001, 297; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368; Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236. 4 Insoweit zutr. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94. 5 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG München, Beschl. v. 1.12.1999 – 1 W 3034/99, OLGR 2000, 229 – allerdings eine ausdrückliche Klageänderung voraussetzend; ausführlich Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236; vgl. zum gleichartigen Ansatz im Fall der „Erledigung“ vor Rechtshängigkeit bei der Stufenklage BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717. 6 BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZV 43/04, NJW 2005, 512. 7 OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94; a.A. Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236. 8 OLG Karlsruhe, JurBüro 1981, 1231; Liebheit, NJW 2000, 2235, 2237; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.113 Stichwort „Mahnverfahren“. 9 So nur OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368. 10 So OLG Bamberg, Beschl. v. 6.3.1992 – 3 W 105/91, JurBüro 1992, 762; KG, Beschl. v. 8.12.1997 – 18 W 8917/97; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.1992 – 20 AR 109/92, NJW-RR 1992, 1341; OLG Köln, JurBüro 1982, 1070; OLG München, Beschl. v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62 = NJW-RR 1998, 504; OLG Zweibrücken, JurBüro 1985, 1889.

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klärt wird. Hierin ist weder eine Rücknahme des Streitantrages1 noch ein Antrag auf Feststellung einer dahingehenden Erledigung zu sehen.2

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messenden Aufschlages1 oder der Restforderung zzgl. der auf den materiell erledigten Teil anfallenden Kosten des Mahnverfahrens bemisst.2

2.1335 Hier wiederholt sich letztlich die Auseinandersetzung um die Bewertung der einseitigen Teilerledigungserklärung, so dass auf die dortigen Bewertungsregeln verwiesen werden kann (s. nachfolgend Rz. 2.1376). Dies gilt auch dann, wenn die „Erledigungserklärung“ – wie diesseits für richtig erachtet – als Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht angesehen wird. Denn unabhängig vom Auslegungsergebnis steht hier bewertungsrechtlich weiter die Frage zur Entscheidung, ob es sich bei den Kosten des Mahnverfahrens um Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO handelt.

2.1336 Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht schon aufgrund der mit der Antragsänderung verbundenen Einführung eines eigenen Streitgegenstandes zu verneinen.3 Dass Anders/Gehle/Kunze4 vorliegend eine der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung vergleichbare Situation erkennen, weil das streitige Verfahren bei vorausgegangenem Mahnverfahren von einem Antrag des Antragstellers und der Abgabe abhängig sei, überzeugt nicht. Denn erfolgt die Zahlung bei gleichzeitigem (Kosten)Widerspruch, kann auch der Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahrens erzwingen.

2.1337 Abweichend ist jedoch zu bewerten, wenn die erledigende Zahlung des Beklagten, die dieser, ohne Widerspruch einzulegen, erbracht hat, aufgrund Angabe des Klägers (§ 699 Abs. 1 ZPO) bereits bei Erlass des Vollstreckungsbescheides berücksichtigt worden ist. Wird hier das Verfahren auf den Einspruch des Beklagten an das Prozessgericht abgegeben (und vom Kläger die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides beantragt), dann bleiben die bereits im Vollstreckungsbescheid titulierten Kosten des „erledigten“ Teils des Mahnverfahrens bei der Wertfestsetzung gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt. Denn die Kosten sind weder unmittelbar noch mittelbar Streitgegenstand, sondern gem. § 696 Abs. 1 Satz 5, § 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO Bestandteil der Kosten des Rechtsstreits. 5. Fehlende Antragsänderung oder Erklärung nach Abgabe

2.1338 Erfolgt dagegen eine Abgabe ohne einschränkende Antragstellung des Klägers, dann wird das aus dem Mahn- oder Vollstreckungsbescheid ersichtliche Klagebegehren in vollem Umfang rechtshängig.5 Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe des im Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid aufgeführten Zahlungsanspruchs. Allein der Eintritt eines (materiell) erledigenden Ereignisses hat bekanntlich auf die Streitwertberechnung keine Auswirkung (s. Rz. 2.1305 und 2.1320). Erklärt der Kläger den Rechtsstreit nach Abgabe in der Hauptsache einseitig oder mit dem Beklagten übereinstimmend für erledigt, gelten für die Streitwertermittlung ab diesem Zeitpunkt die allgemeinen Bewertungsregeln. Nicht entschieden ist damit, ob es sich bei den durch eine verspätete Antragsbeschränkung ausgelösten Kosten um notwendige Kosten i.S.d. § 91 ZPO handelt6 oder ob diese „vermeidbaren Kosten“ bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO unabhängig vom weiteren Sach- und Streitstand dem Kläger aufzuerlegen sind.7

1 OLG München, Beschl. v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62: Aufschlag i.H.v. 50 %. 2 So OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1988 – 13 W 10/88, MDR 1988, 1066; Liebheit, NJW 2000, 2235, 2237. 3 Liebheit, NJW 2000, 2235, 2237. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 20. 5 OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 7/01, OLGR 2001, 297. 6 Verneinend: Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236. 7 Bejahend: OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 und 21 W 7/01, OLGR 2001, 297.

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Hier ist für die Wertbestimmung zunächst danach zu unterscheiden, ob die Erledigungserklärung des Klägers einseitig geblieben ist oder sich der Beklagte ihr angeschlossen hat und ob von der bzw. den Erledigungserklärungen der Rechtsstreit insgesamt oder nur ein Teil davon betroffen ist.

2.1339

I. Übereinstimmende Erledigungserklärung 1. Allgemeines Bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien (§ 91a ZPO) bestimmt sich der Streitwert 2.1340 im Anschluss an die Erledigungserklärungen nach der Summe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Parteien, soweit der Betrag den Wert der Hauptsache nicht übersteigt.1 Nur diese sind fortan Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung.2 Durch die Begrenzung des Streitwerts auf den (bisherigen) Wert der Hauptsache, bleibt die übereinstimmende Erledigungserklärung für die Gerichtsgebühren ohne Auswirkung. Denn die Gerichtskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG, Nr. 1210 KV GKG fallen in vollem Umfang bereits mit Einreichung des Klageantrages an, so dass spätere Wertminderungen folglich unberücksichtigt bleiben.3 Davon ausgenommen ist die Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG, die sich nach dem Wert der bis zur Erledigung angefallenen Kosten berechnet.4 Dagegen bedarf es hinsichtlich des für die jeweiligen anwaltlichen Gebühren maßgeblichen Gegenstandwertes (§ 33 RVG) einer zeitlich gestaffelten Wertfestsetzung.5

2.1341

2. Zeitpunkt der Wertänderung Hierbei wird der Zeitpunkt der Streitwertänderung – entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung6 – bereits durch die Abgabe der Erledigungserklärung des Klägers bestimmt,7 sei es in der mündlichen Verhandlung oder bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Schriftverkehr (s. oben Rz. 2.1306). Mit deren Abgabe bringt der Kläger zum Ausdruck, dass ihm an einer Entscheidung über den bisherigen Klageanspruch nicht mehr gelegen ist. Sein Interesse ist bereits zu diesem Zeitpunkt (regelmäßig) allein auf die Erstattung eigener und Vermeidung der Tragung fremder Kosten gerichtet. Als Prozesshandlung, die bis zum Eintritt der Rechtskraft auch noch zwischen den Instanzen wirksam vorgenommen werden kann, führt sie unmittelbar zu einer Reduktion auf das Kosteninteresse.8 Hiermit korrespondiert, dass der Widerruf der einseitigen Erledigungs-

1 BGH, Beschl. v. 26.8.2014 – VIII ZR 352/12, Grundeigentum 2014, 1270 (Ls.); Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.67. 2 BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.1993 – 10 W 14/93, JurBüro 1994, 241 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1993, 578; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.5.1997 – 8 W 88/97, MDR 1997, 890; OLG Rostock, Beschl. v. 16.10.1998 – 6 U 98/97, OLGR 1999, 60; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2001 – 8 U 500/00, AGS 2001, 276. 3 Nur in diesem Sinne zutreffend OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.3.1999 – 1 W 18/99, JurBüro 1999, 374. 4 KG, Beschl. v. 22.2.2021 – 5 W 1024/20. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2007 – 18 W 38/06, JurBüro 2007, 256; OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78; OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1995 – 23 W 1/95, JurBüro 1996, 85. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1719; OLG München, JurBüro 1969, 434; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV Vorbem. 3 ZPO Rz. 180. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.9.2012 – 1 W 41/12, NJW-RR 2013, 444; OLG Köln, Beschl. v. 5.9.2013 – 11 W 44/13, MDR 2014, 562; OLG Hamburg, JurBüro 1993, 363; eingehend Abramenko, Rpfleger 2005, 15, 15. 8 BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35 – für eine einseitige Erledigungserklärung zwischen den Instanzen.

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C. Gebührenstreitwert

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erklärung und die Rückkehr zum ursprünglichen Klageantrag als privilegierte Klageänderung gem. § 264 Nr. 2 ZPO zu behandeln ist.1

2.1343 Dass die Rechtshängigkeit des bisherigen Klageanspruchs erst mit der Erledigungserklärung des Beklagten entfällt, steht der vorgenannten streitwertrechtlichen Bewertung nicht entgegen. Denn ohne die Möglichkeit einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO wäre der Kläger gezwungen, im Weg der Klageänderung – auf Grundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs – zu beantragen, die Kostentragungspflicht des Beklagten festzustellen, oder die Klage zurückzunehmen und den Ersatz der ihm entstandenen (bzw. auferlegten) Kosten gesondert einzuklagen. Beide Vorgehensweisen hätten eine sofortige Streitwertänderung zur Folge, sind dem Kläger jedoch mangels Rechtschutzbedürfnisses, aufgrund der einfacheren Rechtsverfolgung über 91a ZPO, bis zu einer ablehnenden Stellungnahme des Beklagten verschlossen. Zudem sind bei abweichender Auffassung für die Streitwertund Gebührenfestsetzung zufällige und damit oft unangemessene Ergebnisse nicht auszuschließen, etwa wenn eine schriftsätzliche Erledigungserklärung des Beklagten erst nach Beginn der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.2

2.1344 Unterschiedlich beurteilt wird ferner, ob sich bei einem erledigenden Ereignis vor mündlicher Verhandlung und übereinstimmenden Erledigungserklärungen erst nach Erörterung der Hauptsache, die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nach dem bisherigen Hauptsachewert oder nur nach dem Kosteninteresse bemisst.3 Maßgeblich ist hier der volle Hauptsachewert, da die Terminsgebühr – mit Einführung des RVG – bereits mit der Anwesenheit des Anwalts bei Aufruf der Sache entsteht und der Verfahrensgegenstand zu diesem Zeitpunkt noch keine Veränderung erfahren hat.4 Gegenstand und Umfang der Erörterung, also ob das erledigende Ereignis selbst im Streit stand oder nur als bloßer Rechnungsposten berücksichtigt worden ist, haben – abweichend zur Verhandlungsgebühr nach altem Recht (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) – demgegenüber keine Bedeutung.5

2.1345 Anders liegt es – nach der hier vertretenen Ansicht – dagegen, wenn dem Termin die Erledigungserklärung des Klägers vorausgegangen ist, aber eine Stellungnahme des Beklagten noch aussteht und erst in der mündlichen Verhandlung – ggf. nach Erörterung – abgegeben wird. Hier ist, da sich das Interesse des Klägers mit Abgabe der Erledigungserklärung auf die Vermeidung einer Kostenbelastung beschränkt,6 nur noch der Umfang der bis dahin angefallenen Kosten des Rechtsstreits maßgeblich.7 Gleiches soll nach Ansicht des BGH8 für den Fall gelten, dass der Beklage die Klageforderung erst kurz vor dem Termin erfüllt, wenn es trotz der Kürze der Zeit möglich gewesen wäre, vor Aufruf der Sache einen die Erledigung der Hauptsache erklärenden Schriftsatz beim Prozessgericht einzureichen.

1 2 3 4 5

6 7 8

BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413; Prütting/Gehrlein/Hausherr, § 91a ZPO Rz. 20. Siehe zu weiteren Fallgestaltungen Abramenko, Rpfleger 2005, 16, 17. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, AGS 2009, 316. OLG Koblenz, Beschl. v. 19.1.2009 – 14 W 30/09, JurBüro 2009, 425; Enders, JurBüro 2005, 113, 114; N. Schneider, AGS 2003, 99. Unzutreffend daher OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, AGS 2009, 316, das für den Wert der Terminsgebühr auf die nach Erörterung bei Vergleichsschluss noch streitigen Positionen abstellt; vgl. zum alten Recht und daher abweichend OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Köln, Beschl. v. 25.5.2001 – 11 W 11/01, OLGR 2002, 103; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.10.1991 – 14 W 572/91, JurBüro 1992, 465. OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, NJW-RR 2001, 428; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2002 – 1 U 29/02; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003 – 7 W 1804/03, OLGR 2003, 395. Dies verkennt OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls.) = AGS 2009, 316 – für eine vor Termin, Erörterung und Vergleichsschluss einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung aufgrund unstreitiger Zahlung. BGH, Beschl. v. 31.8.2010 – X ZB 3/09, MDR 2010, 1342 = NJW 2011, 116.

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Der Streitwert bestimmt sich nach der Summe der bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärungen angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Parteien einschließlich der Mehrwertsteuer.1 Hierzu zählen bei einer Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz alle Kosten der Vorinstanzen.2 Nach Abgabe der Erklärungen anfallende Kosten bleiben wegen § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 43 GKG außer Ansatz.3 In jedem Fall bildet der Streitwert der Hauptsache die Obergrenze.4

2.1346

Außergerichtliche Kosten, deren Erstattungsfähigkeit und Anmeldung im Falle des Obsiegens zum 2.1347 Zeitpunkt der Wertfestsetzung nicht zweifelsfrei feststehen, bleiben dabei unberücksichtigt. Andernfalls würde die Wertermittlung in Konkurrenz zum Kostenfestsetzungsverfahren treten und bei widersprüchlicher Bewertung die Notwendigkeit erneuter Wert- und Kostenfestsetzung auslösen.5 Angesichts der Unkenntnis vom späteren Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist eine betragsgenaue Wertermittlung ohnehin nicht möglich. Vertretbar ist auch, zweifelhafte und ungewisse Kostenpositionen zu schätzen, § 3 ZPO. Zu den angefallenen Kosten gehören die Gerichtskosten auch dann, wenn eine Partei von der Zah- 2.1348 lung der Gerichtskosten befreit ist (§ 2 GKG). Folge der Gerichtskostenbefreiung ist allein, dass die mit Antragstellung bereits entstandenen Gerichtskosten aus verwaltungstechnischen Gründen tatsächlich nicht erhoben werden.6 Bei der Wertfestsetzung bedarf es für den Zeitraum nach Hauptsacheerledigung keiner genauen Bezifferung der bis dahin angefallenen Kosten. Ausreichend ist es, die Kosten bis zur Grenze des folgenden Gebührensprungs anzugeben. Die Wertangabe: „Summe der bis zum … angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten“ ist jedoch wegen § 63 Abs. 1, 2 GKG nicht ausreichend,7 da die Entscheidung über die hierfür ansatzfähigen Kosten nicht dem Rechtspfleger überlassen werden darf.

2.1349

Ist streitig, ob die Erklärung des Klägers als Hauptsacheerledigung oder als Klagerücknahme zu deuten ist, dann sind die Kosten schon dann streitwertbestimmend, wenn feststeht, dass das Gericht nicht mehr zur Hauptsache zu entscheiden hat, der Grund dafür aber streitig ist, weil der Kläger seine entsprechende Erklärung als Erledigungserklärung, der Beklagte sie als (nicht zustimmungsbedürftige) Klagerücknahme deutet.8

2.1350

II. Einseitige Erledigungserklärung 1. Allgemeines Hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, während der Beklagte weiterhin Klageabweisung beantragt, dann ist die einseitige gebliebene Erledigungserklärung als Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung auszulegen, soweit nicht ausnahmsweise ein Fall der privilegierten Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO vorliegt.9 Dabei ist der Übergang vom bisherigen Klagebe-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2001 – 8 U 500/00, AGS 2001, 276. BGH, Beschl. v. 30.9.2004 – I ZR 30/04, WRO 2005, 126. So schon RGZ 50, 368. BGH, Beschl. v. 26.8.2014 – VIII ZR 352/12, Grundeigentum 2014, 1270 (Ls.). KG, Beschl. v. 27.7.1987 – 1 W 3534/87, MDR 1988, 236; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 2. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.1992 – 8 W 177/92, MDR 1993, 183. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 1. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 695; OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816. BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147.

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3. Kosten des Rechtsstreits

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gehren zur Feststellungsklage als privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) zu qualifizieren, die nicht der Zustimmung des Prozessgegners bedarf.1 Zu den Einzelheiten s. Rz. 2.1309 ff.

2.1352 Während sich im Fall der privilegierten Klagerücknahme der Streitwert mit Eingang der schriftlichen oder Abgabe der mündlichen Erklärung (§ 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO) wegen des Wegfalls der Rechtshängigkeit auf die bis dahin angefallenen Kosten reduziert,2 ist der Einfluss der einseitigen Erledigungserklärung auf den Streitwert umstritten. Uneinigkeit besteht sowohl darüber, ob sich der Streitwert gegenüber dem bisherigen Hauptsachewert überhaupt verringert, und wenn, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß eine Reduzierung eintritt. 2. Meinungsstand zum Bewertungsansatz

2.1353 In Rechtsprechung und Literatur finden sich im Wesentlichen drei Bewertungsansätze. Angesichts der mittlerweile kaum noch überschaubaren Anzahl der Judikate sowie voneinander abweichender und wechselnder Rechtsprechung auch innerhalb der OLG, wird hier weitgehend auf die jüngere, d.h. ab 1980 ergangene Rechtsprechung abgestellt.

2.1354 Hat der Kläger einseitig die Hauptsache für erledigt erklärt, so besteht nach Ansicht des BGH der Streitwert derjenigen Instanz, in der die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, von der Erledigungserklärung ab in der Regel nur noch in der Summe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten, soweit nicht der Hauptsachewert geringer ist.3 Die dogmatische Begründung für diesen Ansatz hat im Laufe der Zeit gewechselt. Während der BGH zunächst bei Annahme eines trotz Erledigungserklärung gleich bleibenden Streitgegenstandes4 von einer streitgegenstandsunabhängigen „Schrumpfung“ des Streitwerts5 bzw. eines allein hinsichtlich der Kosten „rechtlich beachtlichen Interesses“ des Klägers an der Fortsetzung des Rechtsstreits ausgegangen ist,6 stellt er mittlerweile auf die mit der Erledigungserklärung und der damit einhergehenden Klageänderung verbundene Änderung des Streitgegenstandes ab.7

2.1355 Mit dem Übergang zum Feststellungsantrag sei eine Verurteilung des Beklagten gemäß dem bisherigen Klageanspruch nicht mehr möglich. Dies sei der eigentliche Grund für die Streitwertreduzierung,8 die sich am Kosteninteresse zu orientieren habe, da dem Kläger regelmäßig nur noch an einer Abwendung einer wegen der von ihm angenommenen Erledigung ansonsten drohenden negativen Kostenentscheidung gelegen sei. Eine abweichende, über das Kosteninteresse hinausgehende Bewertung sei dagegen geboten, wenn ausnahmsweise ein weiter gehendes Interesse des Klägers an einer Entscheidung

1 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413; Musielak/Voit/Lackmann, § 91a ZPO Rz. 29; Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 34 m.w.N. 2 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 3.107 Stichwort „Klagerücknahme“. 3 BGH, Beschl. v. 12.7.2016 – VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632; BGH, Beschl. v. 18.6.2015 – V ZR 224/14, NJW 2015, 3173; BGH, Beschl. v. 1.3.2011 – VIII ZR 19/10, WuM 2011, 247; BGH, Beschl. 4.5.2007 – II ZR 330/05, MDR 2007, 1087 = GmbHR 2007, 824; BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacherledigung 2; BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225. 4 BGH, Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, MDR 1982, 657 = NJW 1982, 1598; BGH, Beschl. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 767. 5 BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225; BGH, Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 155/60, JurBüro 1961, 289. 6 BGH, Beschl. v. 19.2.1982 – V ZR 234/81, MDR 1982, 836 = JurBüro 1982, 1242 m. Anm. Mümmler; offen lassend: BGH, Beschl. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 768. 7 BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacherledigung 2; BGH, Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, MDR 1992, 707; BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 91; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147. 8 BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523; BGH, Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, MDR 1985, 570 = NJW 1986, 588.

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Erledigung der Hauptsache

2. Teil

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über den früheren Bestand seines bisherigen Klageanspruchs besteht.1 Ein derartiges Interesse folge jedoch nicht bereits aus dem Umstand, dass bei Abweisung der auf Feststellung der Erledigung gerichteten Klage u.a. in Rechtskraft erwachsen könne, dass die bisherige Hauptsacheklage unbegründet war.2 Die ganz überwiegende Mehrheit der OLG hat sich diesem Ansatz mittlerweile angeschlossen und hierbei meist auf die mit dem Übergang zum Feststellungsbegehren verbundene Änderung des Streitgegenstandes verwiesen, in deren Folge Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Klageantrages nur noch als Vorfrage zu prüfen seien,3 wobei jedoch vereinzelt unabhängig von der Interessenlage des Klägers allein das Kosteninteresse des Klägers berücksichtigt wird.4

2.1356

Demgegenüber ist ein Teil, insbesondere der älteren obergerichtlichen Rechtsprechung, der Auffassung, die einseitige Erledigungserklärung lasse den Streitwert unberührt. Mit der Erledigungserklärung sei eine Änderung des Streitgegenstandes nicht verbunden, so dass der Wert der bisherigen Hauptsache weiterhin wertbestimmend sei. Denn verneine das Gericht die für die Annahme einer Erledigung erforderlichen Voraussetzungen, dann werde die bisherige, noch rechtshängige Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Dabei erwachse die negative Entscheidung über den Bestand des noch rechtshängigen Hauptsacheanspruchs in Rechtskraft und hindere den Kläger an einer erneuten Geltendmachung.5

2.1357

Hierbei wird der Ansatz des Hauptsachwertes auch mit dem Arbeitsaufwand gerechtfertigt, der mit der Entscheidung über die Erledigung verbunden sei, die eine vollständige Prüfung des bisherigen Klageanspruchs erfordere,6 oder einschränkend („zumindest“) für die Fälle bejaht, in denen Erfüllung als erledigendes Ereignis behauptet wird.7 Teilweise wird – als Ausnahme – vom vollen Wertansatz abge-

2.1358

1 BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacheerledigung 2. 2 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210. 3 KG, Beschl. v. 29.1.2001 – 8 W 9/01, AGS 2002, 40; OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2001 – 2 W 135/00, AGS 2001, 185; OLG Celle, Beschl. v. 10.12.1987 – 16 U 169/86, MDR 1988, 414; OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, AGS 2000, 156 = NJW-RR 2001, 428; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2009 – 24 W 26/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.6.2016 – 22 W 3/16; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.9.1996 – 8 W 168/96, OLGR 1996, 368; OLG Hamm, Beschl. v. 23.8.2012 – 22 W 55/12; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2018 – 12 W 37/17, MDR 2018, 79; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.1993 – 6 W 38/93, MDR 1994, 217; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.9.1998 – 14 W 627/98; OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 19; OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.7.2001 – 14 WF 128/01, FamRZ 2002, 680; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01; OLG Rostock, Beschl. v. 16.3.1993 – 3 U 19/92, MDR 1993, 1019; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98-2; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.11.1998 – 9 W 198/98, AGS 1999, 43; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, AGS 2009, 316; OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01. 4 So OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.7.1984 – 5 W 59/84, JurBüro 1985, 1359; KG, Beschl. v. 3.10.1986 – 5 W 4470/86; OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.5.2007 – 6 W 63/07; OLG Celle, Beschl. v. 14.2.1984 – 13 W 7/84; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.1992 – 10 W 61/92, NJW-RR 1993, 510; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.12.1983 – 1 W 38/83, MDR 1984, 320; OLG Jena, Beschl. v. 11.6.2008 – 5 U 84/08, OLGR 2008, 845 – Beschwer; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.1987 – 13 W 166/87, JurBüro 1988, 1723; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.6.1983 – 15 WF 649/83, MDR 1984, 282; OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1996 – 27 W 21/96, OLGR 1997, 120; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, NJW-RR 1996, 956; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.5.2005 – 9 U 123/04, OLGR 2005, 527; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256; Röckle, AnwBl. 1993, 317, 320; Deckenbrock/Dötsch, JurBüro 2003, 287. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.10.1995 – 6 W 19/95, NJW-RR 1996, 1472; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2004 – 4 U 47/03, SchlHA 2005, 92. 7 OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368.

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Erledigung der Hauptsache

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wichen, wenn die Berechtigung des bisherigen Hauptsacheanspruchs zwischen den Parteien außer Frage steht.1

2.1359 Ebenfalls ausgehend von einer Änderung des Streitgegenstandes stellt ein anderer Teil der Rechtsprechung für die Bewertung vorrangig darauf ab, dass die Abwehr der Kosten nicht den eigentlichen Inhalt der gerichtlichen Entscheidung darstelle, sondern lediglich die als Nebenentscheidung gem. § 91 ZPO eintretende Folge eines erfolgreichen Feststellungsbegehrens. Daher müsse sich die Wertfestsetzung ausgehend vom bisherigen Hauptsachewert an der Bewertung der positiven Feststellungsklage orientieren, jedoch mit einem weiter gehenden prozentualen Abschlag. Dieser wird regelmäßig bei 50 %, jedoch nicht unterhalb der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten2 verortet, da das Interesse an der Feststellung eines bestehenden Anspruchs deutlich über demjenigen liege, das auf Feststellung eines in der Vergangenheit bestehenden Anspruchs gerichtet sei.3 Zudem vermeide eine Bewertung nach dem Umfang der Rechtskraftwirkung an Stelle des tatsächlichen klägerischen Interesses Unsicherheiten bei der Streitwertfestsetzung.4 3. Stellungnahme

2.1360 Stellt sich der Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung als privilegierte Klageänderung (§ 264 ZPO) dar, und hierüber besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit, kann dies auf die Streitwertbestimmung nicht ohne Einfluss bleiben.5 Denn der Streitwert bestimmt sich nach dem klägerischen Interesse, wie es in dem Klageantrag seinen Ausdruck findet. Mit dem Wechsel von einer Verurteilung in der Hauptsache auf die bloße Feststellung von deren Erledigung ist notwendigerweise auch eine Änderung des zugrunde liegenden klägerischen Interesses verbunden. Notwendigerweise deshalb, weil mit der Klageänderung der bis dahin angestrebte Klageerfolg nicht mehr erreichbar ist und auch nicht mehr angestrebt wird (s. ausführlich oben Rz. 2.1312).

2.1361 Entgegen einer verbreiteten, zum Teil auf einer undifferenzierten Rezeption der BGH-Rechtsprechung beruhenden Annahme rechtfertigt die Klageänderung weder eine schematische Gleichsetzung mit dem Kosteninteresse,6 noch eine fortdauernde, sei es auch nur eine verhältnismäßige Bezugnahme auf den Wert des bisherigen Streitgegenstands (Hauptsache). Ausgangspunkt der Streitwertberechnung bleibt vielmehr das klägerische Interesse. Dieses bemisst sich bei einer auf Feststellung gerichteten Klage regelmäßig nach dem Wert eines dem festzustellenden Rechtsverhältnis entsprechenden Leistungsbegehrens. Das Leistungsbegehren ist hier jedoch wegen des erledigenden Ereignisses nicht mehr mit dem bisherigen Klageantrag identisch, sondern bezieht sich auf die trotz Erledigung fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung. Wertbestimmend ist daher das hierauf bezogene Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers.7 Dieses Interesse beschränkt sich zwar häufig, aber keineswegs grundsätzlich auf die Abwendung der (drohenden) Belastung mit Aufwendungen, die mit der eigenen und der gegnerischen Rechtsverfolgung verbunden waren.8

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.1992 – 2 W 11/92, OLGR 1992, 228: Unterwerfungserklärung gegenüber dem Unterlassungskläger. 2 OLG Köln, Beschl. v. 18.12.1990 – 22 W 45/90, JurBüro 1991, 832 m. Anm. Mümmler. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.7.2000 – 4 W 4/00, AGS 2001, 205; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.12.1996 – 16 W 59/96, OLGR 1996, 14; OLG Köln, Beschl. v. 12.1.1994 – 22 W 44/93, VersR 1994, 954; OLG München v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62; OLG München, Beschl. v. 14.5.1993 – 12 UF 630/95, OLGR 1993, 264: Abschlag von 33 %; OLG München, Beschl. v. 24.3.1993 – 23 U 1700/92, OLGR 1993, 171: flexibler Abschlag; OLG Naumburg, Beschl. v. 8.7.1998 – 9 W 10/98; OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.3.1987 – 9 W 3496/86, NJW-RR 1987, 1278. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.7.2000 – 4 W 4/00, AGS 2001, 205. 5 Zutr. Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 48. 6 Zutr. OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 7 Zustimmend Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.67 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“. 8 So aber OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01.

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Erledigung der Hauptsache

2. Teil

2.1362

Klagt der Kläger beispielsweise auf Zahlung von Anwaltshonorar und begleicht der Beklagte die Forderung erst während des Rechtsstreits, dann ist der Vergütungsanspruch gem. § 362 BGB erloschen und der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Mit der Zahlung ist hingegen die der Hauptsache zugrunde liegende Rechtsbeeinträchtigung des Klägers noch nicht vollständig behoben. So sind dem Kläger durch die Rechtsverfolgung eigene Kosten entstanden, zudem droht bei Aufrechterhaltung der Zahlungsklage die Belastung mit den Kosten des Prozessgegners (§ 91 Abs. 1 ZPO). Für die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten bedarf es daher – unter Fortsetzung des Rechtsstreits – der Feststellung, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten einen vor Eintritt des erledigenden Ereignisses (in diesem Sinne „ursprünglich“) bestehenden Anspruch verfolgt und der Beklagte deshalb die Rechtsverfolgung verursacht hat. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entspricht (wertmäßig) daher nur dann dem Kosteninteresse, wenn die Fortsetzung allein wegen des kostenrechtlichen Verursacherprinzips (Klageveranlassung durch Rechtsverletzung) erfolgt.

2.1363

ZPO

Konstruktiv entspricht die Prozesslage der Fortsetzungsfeststellungsklage im öffentlichen Recht. Dort ist über die Rechtmäßigkeit einer durch Zeitlablauf oder sonstige Umstände erledigten behördlichen Maßnahme zu entscheiden, wenn der Betroffene trotz Erledigung ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines klärungsbedürftigen Rechtsverhältnisses geltend machen kann.1 Die mit dem Übergang von der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage verbundene Änderung des Streitwertes wird auch dort ausgehend vom Hauptsachewert verhältnismäßig oder frei nach dem Feststellungsinteresse des Betroffenen in der Regel beschränkt durch den Wert der Hauptsache bemessen.2

Aus der Rechtskraft einer die Feststellungsklage abweisenden Entscheidung im Hinblick auf die 2.1364 Begründetheit des ursprünglichen Klageanspruchs folgt nichts anderes. Denn dieses Klageziel wird von dem Kläger, dem nur an einer positiven Kostenentscheidung gelegen ist, nicht mehr verfolgt. Dass der Beklagte noch an einer Abweisung der ursprünglichen Klage interessiert ist, ist für die Wertbestimmung unerheblich, da es hierfür auf das – inhaltlich bereits bestimmte – klägerische Interesse ankommt.3 Ebenso wenig ist für die Bewertung der mit der Bescheidung des Feststellungsbegehrens verbundene Arbeitsaufwand von Bedeutung.4 Zumal beim Verweis hierauf übersehen wird, dass den unterschiedlichen Arten der Prozessbeendigung (und dem damit vorausgegangenen Bearbeitungsaufwand) bereits im GKG durch differenzierte Regelungen der Gebührenerstattung Rechnung getragen wird. Vielmehr ist für die Wertbestimmung im Übrigen danach zu unterscheiden, ob der fortdauernden 2.1365 Rechtsbeeinträchtigung bereits mit der Erledigungsfeststellung hinreichend Rechnung getragen wird (Kompensation) oder diese nur Grundlage für die Verfolgung oder Abwehr weiter gehender Ansprüche ist. Davon hängt im Einzelfall ab, ob und in welchem Umfang eine Bruchteilsbewertung oder der volle Wertansatz geboten ist. Dem entspricht, dass auch in der Rechtsprechung, soweit diese ausgehend von einer Klageänderung auf das geänderte klägerische Interesse abstellt, Fälle einer Überschreitung des bloßen Kosteninteresses anerkannt sind. Hier erfolgt die Bewertung jeweils unter Einschluss, d.h.

1 BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 – 4 C 4/98, NJW 1999, 3505. 2 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 – 4 C 4/98, NJW 1999, 3505; BVerwG, Beschl. v. 4.9.1989 – 7 B 132/89, NVwZ 1990, 59; VGH Hessen, Beschl. v. 12.6.1991 – 1 UE 2797/86; VGH Hessen, Beschl. v. 12.6.1991 – 1 UE 2797/86, NVwZ-RR 1992, 218: Rehabilitationsinteresse; OVG NW, Beschl. v. 30.10.2003 – 21 A 2606/02, NVWBl 2004, 157 = NVwZ 2004, 508: Rehabilitationsinteresse; OVG Saarland, Beschl. v. 7.5.1998 – 2 Y 3/98: Schadensersatzinteresse; BFH, Beschl. v. 26.1.1998 – VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879: Schadensersatzinteresse; FG Hessen, Beschl. v. 29.2.1986 – 6 K 1642/90, EFG 1996, 725; Toussaint/ Laube, § 52 GKG Rz. 15 unter „Fortsetzungsklage“. 3 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, JMBl.NW 2005, 79. 4 Zutreffend OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 19.

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

Zusammenrechnung mit dem Kosteninteresse, begrenzt durch den Wert der bisherigen Hauptsache.1 Ein über das Kosteninteresse hinausgehender Ansatz setzt jedoch eine entsprechende Aufklärung und Erörterung durch das Gericht voraus.2

2.1366 So liegt es, wenn dem Kläger an einer Feststellung des vor Eintritt des erledigenden Ereignisses bestehenden Anspruch (vorrangig) deswegen gelegen ist, weil die dem anfänglichen Klagebegehren zugrunde liegende Rechtsverletzung, etwa die Verbreitung ehrverletzender Behauptungen, trotz des erledigenden Ereignisses, beispielsweise dem Wegfall der Wiederholungsgefahr, in Form materieller oder immaterieller Einbußen fortwirkt. Dann strebt der Kläger häufig mit seinem Feststellungsantrag eine gerichtliche Bewertung zum Ausgleich der ursprünglichen Rechtsverletzung an. Es geht ihm um eine mittelbare Rechtfertigung seines bisherigen Standpunktes. War die immaterielle Einbuße bereits Gegenstand des bisherigen Klageantrages, dann ist es gerechtfertigt, den Wert nach einem Bruchteil, im Einzelfall nach dem vollen Hauptsachewert zu beziffern.3 Die Bruchteilsbewertung hat sich dann an der Intensität der – ohne Erledigungsfeststellung – fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung zu orientieren.

2.1367 Eine ähnliche Bewertung ist geboten, wenn dem Kläger (vorrangig) deswegen an einer Fortsetzung des Rechtsstreits gelegen ist, weil die Gefahr zukünftig gleichartiger Rechtsverletzungen des Beklagten besteht, etwa weil das erledigende Ereignis nicht die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des ursprünglichen Unterlassungsanspruchs beseitigt. Hierbei handelt es sich um eine Fallgestaltung, die insbesondere bei wettbewerbsrechtlichen Klagen anzutreffen ist.4

2.1368 Zuweilen erfasst der Rechtsstreit nur einen Teilbereich der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten, etwa wenn der Kläger auf Räumung eines Mietobjektes klagt und außerhalb des Prozesses bereits über die Verpflichtung zur Zahlung einer über dem vereinbarten Mietzins liegenden Nutzungsentschädigung gestritten wird oder das vom prozessualen Unterlassungsbegehren erfasste Verhalten des Beklagten bereits Schäden an den Rechtsgütern des Klägers verursacht hat. Maßstab für die Bewertung des Feststellungsinteresses bei einer beabsichtigten weiter gehenden, beispielsweise auf Schadensersatz gerichteten Rechtsverfolgung, ist hier – wie auch sonst – der Wert dieser Ansprüche.5 Die angesichts des nur vorbereitenden Charakters des Feststellungsbegehrens gebotene Bruchteilsbewertung folgt dabei jedoch nicht der allgemeinen Bewertung positiver Feststellungsklagen und dem dort üblichen 20%igen Abschlag. Denn die Rechtskraft der Erledigungsfeststellung entspricht ihrem Umfang nach nicht derjenigen Entscheidung, die auf Feststellung der Leistungsverpflichtung lautet, deren Verfolgung der Kläger noch beabsichtigt. Angemessen dürfte hier im Regelfall eine Halbierung des möglichen Hauptsachewertes der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung sein. Diese Annahme folgt der überwiegenden Rechtsprechung zum Streitwert der öffentlich-rechtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage.6 1 OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598. 3 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2002 – 30 W 30/02, OLGR 2002, 376; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 8/97, OLGR 1998, 32; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01, JurBüro 2002, 368; OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 4 OLG Koblenz, WM 1982, 352; OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 5 KG, Beschl. v. 21.1.2021 – 4 U 1048/20 betr. erledigtem Feststellungsantrag neben noch offenem Leistungsantrag; KG, Beschl. v. 3.7.2003 – 12 W 128/03, MDR 2004, 116: nicht bei vorbehaltloser Räumung; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.6.2016 – 22 W 3/16; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01, OLGR 2002, 245: erledigte Räumungsklage wegen rechtswidriger Besitzentziehung; OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18: Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens; vgl. zur Streitwertbemessung bei Erledigung des auf einer Gebrauchsmusterverletzung beruhenden Unterlassungsanspruchs durch Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08, InstGE 11, 175. 6 Vgl. BFH, Beschl. v. 20.10.2005 – III S 20/05, NJW 2006, 256: 50 %; BFH, Beschl. v. 26.1.1998 – VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879: 50 %; BVerwG, Beschl. v. 4.9.1989 – 7 B 132/89, NVwZ 1990, 59; im Einzel-

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2. Teil

Wiederum anders liegt es, wenn das klägerische Interesse an der Erledigungsfeststellung (auch) darauf beruht, dass die Erledigung der Hauptsache auf einer zwischen den Parteien streitigen außerprozessualen Aufrechnung des Klägers beruht. Denn hier umfasst die Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsacheerledigung zugleich die Ausführungen des Gerichts zum Erlöschen der Gegenforderung des Beklagten. Das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Rechtsstreits trotz Erledigung der Hauptsache entspringt der ansonsten drohenden erneuten Geltendmachung des gegnerischen Anspruchs. Hier ist – entsprechend der Bewertung der negativen Feststellungsklage – der volle Wertansatz der bisherigen Hauptsache trotz Klageänderung geboten.1

2.1369

ZPO

Erledigung der Hauptsache

4. Zeitpunkt der Wertänderung Gemäß § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Nach heute ganz überwiegender Ansicht umfasst die Erledigungserklärung für den Fall, dass sie einseitig bleibt, den Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.2

2.1370

Sieht man mit der ganz überwiegenden Ansicht in der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung eine 2.1371 Klageänderung, ändert sich der Streitwert daher entweder mit Eingang der schriftlichen Erledigungserklärung, soweit es daran fehlt, mit Abgabe der Erklärung in der mündlichen Verhandlung.3 Als Prozesshandlung, die bis zum Eintritt der Rechtskraft auch noch zwischen den Instanzen wirksam vorgenommen werden kann, führt sie unmittelbar zu einer Reduktion auf das Kosteninteresse.4 Mit der Klageänderung endet zugleich die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Antrages, soweit dieser nicht hilfsweise neben dem neuen Antrag aufrechterhalten wird.5 Dass bei Abgabe der Erledigungserklärung eine Stellungnahme des Beklagten zur Erledigung regelmäßig noch nicht vorliegt, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Zwar wird der Übergang zur Feststellungklage nur für den Fall erklärt, dass seiner Erledigungserklärung nicht zugestimmt wird. Unabhängig vom Eintritt dieses – vom Kläger nicht zu beeinflussenden – Umstandes beschränkt sich sein Interesse jedoch bereits jetzt darauf, nicht mit den bis dahin angefallenen Kosten belastet zu werden.6 Wollte man dies anders sehen, müsste auf das Ende der dem Beklagten nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten Stellungnahmefrist abgestellt werden, soweit dieser nicht schon vor deren Ablauf eine Erledigungserklärung ablehnt.

1 2 3

4 5

6

fall abweichend: VGH Hessen, Beschl. v. 12.6.1991 – 1 UE 2797/86, NVwZ-RR 1992, 218: 75 %; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.4.1986 – 6 B 40/86, JurBüro 1986, 1851: 80 %; OVG Saarland, Beschl. v. 7.5.1998 – 2 Y 3/98: 100 % angesichts behaupteter weiter gehender Schadensersatzansprüche; FG Hessen, Beschl. v. 29.2.1996 – 6 K 1642/90, EFG 1996, 725: Wert nach nunmehr geltend gemachtem wirtschaftlichen Interesse; Toussaint/Laube, § 52 GKG Rz. 15 unter „Fortsetzungsklage“. BGH, WM 1978, 737; OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2002 – 30 W 30/02, OLGR 2002, 376; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 8/97, OLGR 1998, 32; OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLGNL 2002, 18. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413; BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = NJW 1990, 3147; a.A. MünchKomm.ZPO/ Lindacher, § 91a ZPO Rz. 92 m.w.N.: Zwischenstreit über den Fortgang des Verfahrens. BGH, Beschl. v. 12.7.2016 – VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632; OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.2.2021 – 12 W 2/21; OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2012, 444; OLG Köln, Beschl. v. 5.9.2013 – 11 W 44/13, MDR 2014, 562; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003 – 7 W 1804/03, OLGR 2003, 395; OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.9.2016 – 1 U 21/16; OLG Jena, Beschl. v. 15.4.2014 – W 124/14: zugleich zur Berechnung der Terminsgebühr bei Erledigungserklärung erst während der Verhandlung; ausf. Abramenko, Rpfleger 2005, 15. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35 – für eine einseitige Erledigungserklärung zwischen den Instanzen. OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; wohl auch BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413, der die Rückkehr zum ursprünglichen Klageantrag (Hauptsache) nach „Widerruf“ der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung „ebenfalls als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung“ behandelt. OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, NJW-RR 2001, 428.

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

ZPO

III. Teilweise Erledigung 1. Übereinstimmende Erledigungserklärung

2.1372 Erklären die Parteien die Hauptsache teilweise übereinstimmend für erledigt, dann ist der erledigte Teil der Hauptforderung nicht mehr streitwertbestimmend; der streitige Teil der Hauptforderung bleibt für die Wertberechnung weiterhin maßgebend. Hinsichtlich der Nebenforderungen, hierzu zählen insbesondere Zinsen und vorgerichtliche Kosten, § 43 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.), und der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten des Rechtsstreits, ist zu unterscheiden: – Erfasst die Erledigung die Hauptforderung in vollem Umfang, nicht aber die Zinsen und vorgerichtlichen Kosten, liegt ebenfalls eine Teilerledigung vor. Denn die nicht erledigten Nebenforderungen werden nun nach § 43 Abs. 2 GKG (§ 22 Abs. 2 GKG a.F.) ihrerseits zur Hauptforderung, denn mit der übereinstimmenden Erledigung entfällt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Hauptanspruchs. Hierüber besteht, soweit ersichtlich, kein Streit.1 – Haben die Parteien die Hauptsache nur hinsichtlich der Hauptforderung teilweise für erledigt erklärt, ist fraglich, ob die auf den erledigten Teil entfallenden (nicht erledigten) Nebenforderungen nunmehr – neben dem verbleibenden streitigen Teil der Hauptforderung – eigenständig zu berücksichtigen sind. Dies wird vom BGH mittlerweile2 in ständiger Rechtsprechung bejaht.3 Soweit der Hauptanspruch nicht mehr im Streit stehe, fehle es an einer anhängigen Hauptforderung, die die hierauf bezogenen Zinsen und Kosten zu einer Nebenforderung machen. Denn nur wenn und soweit der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht werde, sei er vom Bestehen der (ebenfalls zu entscheidenden) Hauptforderung abhängig und stelle deshalb eine Nebenforderung i.S.v. § 4 ZPO, § 43 Abs. 2 GKG dar.4 Demgegenüber lässt das OLG Köln5 aus Gründen einer „einfachen und übersichtlicheren Handhabung“ die Nebenforderungen unberücksichtigt. Dies überzeugt nicht, da schon ein mit der Bewertung verbundener erheblicher Aufwand nicht erkennbar ist. Zudem ist die Berücksichtigung gem. § 43 Abs. 2 GKG geboten. – Unproblematisch ist auch der Fall, in dem die übereinstimmende Erledigung einen Teil der Hauptforderung einschließlich der dazugehörigen Nebenforderungen erfasst. Hier ist allein der noch nicht erledigte, verbleibende Teil der Hauptforderung wertbestimmend; die sich auf diese beziehenden Nebenforderungen bleiben – wie auch sonst – gem. § 43 Abs. 1 GKG außer Ansatz.

2.1373 Klärungsbedürftig ist für alle Fallgestaltungen damit allein noch, ob die auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten des Rechtsstreits zu dem Wert der verbleibenden Hauptsache hinzuzurechnen sind. Einer Addition soll entgegenstehen, dass nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG Kosten erst wertbestimmend werden, wenn es an einer Hauptsache fehlt.6 Daher bleibt nach Ansicht des

1 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211; OLG Köln, Beschl. v. 5.9.2013 – 11 W 44/13, MDR 2014, 562; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.2.1985 – 7 W 3/85, JurBüro 1985, 1889. 2 Anders noch BGH, LM Nr. 1 zu § 4 ZPO; zuvor auch RG, Urt. v. 25.5.1927 – 67/26 IV, JW 1927, 2129. 3 BGH, Beschl. v. 21.1.2014 – VI ZB 43/13, NJW 2014, 3249; BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404; BGH, Urt. v. 24.3.1994 – VII ZR 146/93, MDR 1994, 720; BGH, Beschl. v. 31.10.1991 – IX ZR 171/91; zustimmend KG, Beschl. v. 26.2.2009 – 2 AR 6/09, MDR 2009, 522, KG, Beschl. v. 26.2.2009 – 2 AR 6/09, MDR 2009, 522; KG, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250. 4 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404. 5 OLG Köln, Beschl. v. 6.11.1991 – 19 W 43/91, MDR 1992, 410 = JurBüro 1992, 115. 6 So aber OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, JurBüro 1994, 745; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 4.

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Erledigung der Hauptsache

2. Teil

ZPO

BGH1 sowie der ganz überwiegenden Mehrheit der OLG2 dieser Teil der Kosten unberücksichtigt, wenn nur der „geringste Teil“ der Hauptsache nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung noch als Streitgegenstand verbleibt. Dem ist nur im Ergebnis zuzustimmen, denn von § 4 Abs. 1 ZPO werden nur vorgerichtliche Kosten, nicht aber die des laufenden Verfahrens erfasst.3 Soweit über diese gem. § 308 Abs. 2 ZPO allein von Amts wegen zu entscheiden ist, erhöhen sie den Streitwert des laufenden Verfahrens nicht.4 Soweit der überwiegenden Ansicht gefolgt wird, ist danach der Begriff der Hauptsache prozessbezogen zu verstehen und daher nicht nach Prozessrechtsverhältnissen zu differenzieren, so dass die Kosten auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Rechtsstreit in vollem Umfang nur hinsichtlich eines Streitgenossen übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.5

2.1374

Hinsichtlich der Notwendigkeit einer gestaffelten Streitwertfestsetzung und des Zeitpunkts der Wertänderung kann auf die bisherigen Ausführungen (s. Rz. 2.1341) Bezug genommen werden.

2.1375

2. Einseitige Teilerledigungserklärung Erfasst die einseitig gebliebene Erledigungserklärung nur einen Teil der Hauptsache, dann wird die Wertfestsetzung durch deren dogmatische Einordnung beeinflusst. Neben den weiterhin wertbestimmenden, rechtshängig gebliebenen Teil tritt der Wert des bezüglich des erledigten Teils erhobenen Feststellungsbegehrens. Hier wiederholt sich folglich die Auseinandersetzung um die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung, so dass insoweit auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden kann (s. Rz. 2.1353 ff.).

2.1376

Wird der Ansicht gefolgt, dass die einseitige Erledigungserklärung den Streitgegenstand und damit 2.1377 den Streitwert nicht verändere, muss dies notwendigerweise auch für die Teilerledigungserklärung gelten.6 Sieht man hingegen im Übergang zum Feststellungsbegehren eine Klageänderung, dann bedarf diese Streitgegenstandsänderung auch dann der Neubewertung, wenn sie nur einen Teil der Hauptsache betrifft. Da an die Stelle des ursprünglichen Hauptsacheanspruchs das Feststellungsbegehren tritt, gelangt § 43 Abs. 3 GKG schon wegen der fortdauernden Rechtshängigkeit der (geänderten) Hauptsache nicht zur Anwendung. Dies unabhängig davon, ob sich das Feststellungsinteresse, wovon bei dieser Konstellation regelmäßig auszugehen ist, auf die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten (Kosteninteresse) beschränkt.

1 BGH, Beschl. v. 15.3.1995 – XII ZB 29/95, NJW-RR 1995, 1089; BGH, Beschl. v. 31.10.1991 – IX ZR 171/91; BGH, Beschl. v. 23.7.1981 – III ZR 28/81, JurBüro 1981, 1489. 2 KG, Beschl. v. 12.11.2009 – 8 W 91/09; OLG Bremen, Beschl. v. 5.7.2001 – 2 W 67/01; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1984 – 5 W 52/83, JurBüro 1984, 1219 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.7.1983 – 20 W 281/83, MDR 1983, 1033; OLG Hamburg, Urt. v. 12.12.1996 – 3 U 226/95, OLGR 1997, 88; OLG Hamm, Beschl. v. 8.2.2001 – 23 W 375/00, AGS 2002, 13; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.9.1996 – 3 W 96/96, MDR 1996, 1298; OLG Köln, Beschl. 17.5.2006 – 5 W 44/06; OLG Köln, Beschl. v. 25.5.2001 – 11 W 11/01, OLGR 2002, 103; OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, JurBüro 1994, 745; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls.); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.2.1985 – 7 W 3/85, JurBüro 1985, 1889; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.1991 – 12 W 1/91, JurBüro 1991, 1122; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.11.1996 – 14 W 695/96, AGS 1997, 118; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.2.1992 – 14 W 713/91, MDR 1992, 717 = JurBüro 1992, 626 mit abl. Anm. Mümmler. 3 Musielak/Voit/Heinrich, § 3 Rz. 26 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“. 4 Stein/Jonas/Roth, § 4 Rz. 26; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 4 Rz. 23; wohl auch BGH, Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06: allgemeiner Grundsatz. 5 So auch BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648: für die Beschwer, wenngleich unter Hinweis auf fehlende Anfechtbarkeit der Kostengrundentscheidung; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 4. 6 So OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256.

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

ZPO

2.1378 Denn bleibt die bisherige Hauptsacheklage trotz einseitiger Erledigungserklärung zumindest teilweise im Streit, besteht kein Anlass, bei der Bewertung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses von einem über das Kosteninteresse hinausgehenden Wert auszugehen. Mit der Entscheidung über den noch rechtshängigen, weil von der einseitigen Erledigungserklärung nicht betroffenen Teil der bisherigen Hauptsache wird bereits ein etwaig über die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten hinausgehendes Feststellungsinteresse hinreichend abgedeckt. Mit dem BGH1 und dem überwiegenden Teil der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung2 ist der Streitwert daher nach dem Wert der Restforderung zzgl. des Kosteninteresses zu bemessen.

2.1379 Für die Bewertung des Kosteninteresses sind notwendigerweise die auf den von der einseitigen Erledigungserklärung erfassten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten zu berechnen. Hier werden zwei Berechnungsmethoden vertreten: – Die Mehrheit der Rechtsprechung berechnet das Kosteninteresse nach der Differenz der Kosten, die zwischen den durch die tatsächliche Rechtsverfolgung verursachten und den bei einer auf den nicht erledigten Teil beschränkten Rechtsverfolgung entstehenden Kosten besteht, die „ohnehin“ angefallen wären (sog. Mehrkosten- oder Differenzmethode).3 – Demgegenüber bemisst ein Teil der OLG das Kosteninteresse nach dem Verhältnis der von dem durch Erledigungserklärung erfassten Teil der Hauptsache verursachten Kosten zu den Gesamtkosten der Rechtsverfolgung (sog. Quotenmethode).4

2.1380 Der letztgenannten Auffassung ist der Vorzug zu geben, da nur diese der degressiven Gebührenentwicklung in GKG und RVG Rechnung trägt und nicht erkennbar ist, warum der mit der Degression verbundene Vorteil allein dem Kläger zugute kommen soll. Zumal das Interesse des Klägers auf Freistellung von bereits entstandenen Kosten gerichtet ist. Deren Verteilung erfolgt bei streitiger Entscheidung, wie insbesondere bei der nachträglichen objektiven Klagehäufung deutlich wird, gerade nicht nach dem Zeitpunkt der Anhängigkeit (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung). Mit

1 BGH, Beschl. v. 18.9.2018 – VI ZB 26/17, MDR 2019, 54; BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; BGH, Beschl. v. 15.3.1995 – XII ZB 29/95, FamRZ 1995, 1137 = NJW-RR 1995, 1089; BGH, Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 7.4.1997 – 2 W 28/97, OLGR 1997, 183; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.1.1993 – 18 W 65/92; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2000 – 9 W 19/00, AGS 2001, 84; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.11.1988 – 8 W 322/88, JurBüro 1989, 847 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.2003 – 23 W 197/03, OLGR 2004, 32; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.9.1998 – 14 W 627/98, AGS 2000, 12; OLG Köln, Beschl. v. 29.5.1991 – 19 W 11/91, JurBüro 1991, 1385; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003 – 7 W 1804/03, OLGR 2003, 395; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98, OLGR 1998, 396; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls.); OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.1989 – 5 W 4/89, JurBüro 1989, 1166; a.A. OLG Celle, Urt. v. 8.12.1981 – 16 U 37/81, Nds.Rpfl 1982, 64; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256: auch hier weiterhin Hauptsachewert. 3 BGH, Beschl. v. 7.7.2020 – VI ZB 66/19, MDR 2020, 1149 betr. vorprozessuales Teilerlöschen der Hauptforderung; BGH, Beschl. v. 18.9.2018 – VI ZB 26/17, MDR 2019, 54; BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301 = NJW-RR 2018, 571; BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – I ZR 33/08; BGH, Beschl. v. 13.7.1988 – VIII ZR 289/97, MDR 1989, 58; OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.2.2021 – 12 W 2/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, MDR 2006, 1079; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2000 – 9 W 19/00, AGS 2001, 84; OLG Hamm, Beschl. v. 23.8.2012 – 22 W 55/12; OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.5.2006 – 5 W 878/06, JurBüro 2006, 478; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2007 – 1 W 37/07, MDR 2008, 353; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls.). 4 OLG Bremen, Beschl. v. 7.4.1997 – 2 W 28/97, OLGR 1997, 183; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1996 – 23 W 19/96, BauR 1997, 356; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00, OLGR 2001, 297; OLG Köln, Beschl. v. 29.5.1991 – 19 W 11/91, JurBüro 1991, 1385; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98, OLGR 1998, 396; eingehend Liebheit, AnwBl. 2000, 73, 74 f.

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Erledigung der Hauptsache

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2. Teil

Hinsichtlich der Notwendigkeit einer gestaffelten Streitwertfestsetzung und des Zeitpunkts der Wert- 2.1381 änderung kann auf die bisherigen Ausführungen (s. Rz. 2.1341) verwiesen werden.

D. Besondere Verfahren I. Mahnverfahren Werden vom Antragsgegner (Beklagten) während des Mahnverfahrens Zahlungen auf die mit dem 2.1382 Mahnbescheid geltend gemachten Forderungen geleistet, können Wertunterschiede zwischen dem Mahn- und Streitverfahren die Folge sein. Da der Eintritt materiell erledigender Umstände allein die Wertberechnung nicht beeinflusst, kommt es maßgeblich auf das nachfolgende prozessuale Verhalten des Antragstellers (Klägers) an. Hier ist zwischen gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren zu unterscheiden: 1. Gerichtsgebühren Mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids entsteht eine 0,5-Gebühr (Nr. 1110 KV GKG) nach dem Wert des im Mahnverfahren verfolgten Anspruchs. Die Bewertung des Anspruchs folgt den allgemeinen Regeln, mahnverfahrensrechtliche Besonderheiten bestehen insoweit nicht.

2.1383

Wird das Verfahren nach Erhebung des Widerspruchs oder Einlegung des Einspruchs an das Streitge- 2.1384 richt abgegeben (§ 696 Abs. 1, § 700 Abs. 3 ZPO), entsteht mit Eingang der Akten die allgemeine Verfahrensgebühr (Nr. 1120 KV GKG) unter Anrechnung der Gebühr nach Nr. 1110 KV GKG, soweit Mahn- und Streitverfahren denselben Streitgegenstand betreffen. Entscheidend für die Wertbestimmung ist daher der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird.1 Ausweislich der amtlichen Anmerkungen zu Nr. 1210 KV GKG ist kostenrechtlich – wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert (s. Rz. 2.1326 ff.) – der Eingang der Akten beim Prozessgericht der für die Wertbestimmung maßgebende Zeitpunkt. 2. Anwaltliche Gebühren Für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren erwächst spätestens mit Mahnantragstellung 2.1385 eine 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3305 VV RVG), die gemäß der amtlichen Anmerkung der Anrechnung auf die Verfahrensgebühr für das Streitverfahren (Nr. 3100 VV RVG) unterliegt. Der Streitwert richtet sich nach dem Wert für die gerichtlichen Gebühren und damit nach dem Wert des im Mahnverfahren verfolgten Anspruchs, § 23 Abs. 1 RVG. Soweit nicht eine eingeschränkte Mandatserteilung vorliegt, ist dieser Wert auch für die mit der Vertretung des Antragsgegners anfallende Verfahrensgebühr (Nr. 3308 VV RVG) maßgeblich,2 die ebenfalls der Anrechnung unterliegt.

2.1386

Bleibt ein Widerspruch des Antragsgegners innerhalb der Widerspruchsfrist aus und wird infolgedessen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides gestellt, dann entsteht eine halbe Verfahrens-

2.1387

1 OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, AGS 2019, 119 = JurBüro 2019, 78 = NJW-RR 2019, 575. 2 OLG Hamm, JurBüro 1963, 100 – Kostenwiderspruch: OLG Saarbrücken, JurBüro 1973, 132 – Teilwiderspruch; AnwK-RVG/Gebauer, VV 3307 Rz. 25.

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der Berechnung nach der Quotenmethode erledigen sich auch weitgehend die Bedenken gegen die Praktikabilität der Berücksichtigung des Kosteninteresses im Fall der einseitigen Teilerledigung.

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

gebühr (nur) für die Vertretung des Antragstellers (Nr. 3308 VV RVG).1 Der Gegenstandswert dieser nicht der Anrechnung unterliegenden Verfahrensgebühr bemisst sich nach der Höhe des mit dem Vollstreckungsbescheid verfolgten Anspruchs. Zahlungen des Antragsgegners, die bei der Antragstellung gem. § 699 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sind, führen folglich zu einer Wertminderung. Die auf den „erledigten“ Teil des Mahnverfahrens anfallenden Kosten bleiben bei der Wertbestimmung gem. § 4 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG unberücksichtigt (s. oben Rz. 2.1336).

2.1388 Mit dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erwächst den Prozessbevollmächtigten die allgemeine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG.2 Der Gegenstandswert berechnet sich gem. § 23 Abs. 1 RVG nach dem in der Instanz erreichten höchsten Wert für das streitige Verfahren, soweit keine weiter gehende Mandatierung erfolgt, nachträgliche Wertminderungen bleiben unberücksichtigt.3 Maßgebend ist daher auch hier der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird, mithin der Wert zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Prozessgericht (§ 694 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

2.1389 Zu den Einzelheiten der Wertberechnung wird auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert verwiesen (s. Rz. 2.1323 ff.).

II. Versäumnisverfahren 2.1390 Die Kontroverse, ob sich der Streitwert nach einseitiger Erledigungserklärung weiterhin nach dem Hauptsachewert richtet oder nur noch das Feststellungsinteresse und damit regelmäßig der Kostenpunkt maßgebend ist (s. Rz. 2.1353 ff.), setzt sich im Versäumnisverfahren fort. Da die Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO sich nur auf tatsächliche Erklärungen, nicht auf Prozesshandlungen bezieht, kommt im Säumnisverfahren nur eine Entscheidung auf einseitige Erledigungserklärung hin in Betracht.4

2.1391 Folglich entsprechen die Bewertungsdifferenzen dem ausdrücklichen Widerspruch des Beklagten auf die Erledigungserklärung des Klägers,5 so dass auf die vorstehenden Ausführungen (s. Rz. 2.1360) Bezug genommen werden kann.

2.1392 Beantragt der Kläger daher, die Hauptsache durch Versäumnisurteil für erledigt zu erklären, so ist die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG nach dem Wert des Feststellungsinteresses und damit in der Regel nach dem Wert der bis zur Erledigungserklärung angefallenen Kosten zu berechnen.

III. Stufenklage 2.1393 Die Stufenklage ermöglicht es demjenigen, der eine Leistung begehrt, die er noch nicht genügend konkretisieren kann, sich das dazu erforderliche Wissen zu verschaffen, indem durch entsprechende

1 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 721; a.A. AnwK-RVG/Schneider, VV 3308 Rz. 6, der jede, also auch eine vor Antragstellung liegende Tätigkeit ausreichen lassen will. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 8 W 235/93, MDR 1994, 520, JMDR 1994, 520; OLG Jena, Beschl. v. 22.11.1999 – 5 W 594/99, JurBüro 2000, 472; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.5.1990 – 1 W 60/90, JurBüro 1990, 613. 3 AnwK-RVG/N. Schneider, VV Vorbem. 3 Rz. 45. 4 KG, Urt. v. 11.9.1998 – 18 U 786/98, KGReport Berlin 1998, 380; OLG Celle, Urt. v. 24.5.1995 – 13 U 27/95, OLGR 1995, 239; Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 58.51 unter „Versäumnisverfahren“. 5 Vgl. zum Säumnisverfahren OLG Bamberg, Beschl. v. 22.7.1988 – 3 W 85/88, JurBüro 1989, 524; OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1996 – 27 W 21/96, OLGR 1997, 120: Streitwert gleich Hauptsachewert; OLG München, Beschl. v. 11.4.1995 – 11 W 1022/95, MDR 1995, 642: Streitwert gleich 50 % des Hauptsachewerts; OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2001 – 2 W 135/00, AGS 2001, 185: Streitwert gleich angefallene Kosten.

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Erledigung der Hauptsache

2. Teil

Da es dem Kläger nur um die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten geht (Kosteninteresse), ein etwaig weiter gehendes Interesse wird bereits mit der Verurteilung zur Auskunftserteilung kompensiert, ist die Erledigungserklärung – ggf. nach Hinweis (§ 139 ZPO) – als Antrag auf Feststellung der materiellen Kostentragungspflicht wegen verzögerter Auskunftserteilung auszulegen.2 Hierbei handelt es sich (ebenfalls) um eine privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO), die – hier nach wohl einhelliger Ansicht – schon wegen der Streitgegenstandsänderung eine gestaffelte Streitwertfestsetzung erfordert. Die nach Klageänderung entstehenden Gebühren berechnen sich daher nach der Höhe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (wegen der Einzelheiten der Berechnung s. Rz. 2.1340 ff.).

ZPO

vorbereitende Anträge Auskunfts- und Offenbarungszwang auf den Beklagten ausgeübt wird. Da es sich bei den einzelnen Ansprüchen um prozessual selbständige Streitgegenstände eines einheitlichen Verfahrens handelt,1 stellt die Stufenklage einen Fall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) dar, deren einzelne Klagebegehren stufenweise entschieden werden. Hierbei kann sich ergeben, dass nach dem – unbestrittenen – Inhalt der nach Verurteilung auf der ersten Stufe erfolgten Auskunft von Anfang an kein Leistungsanspruch (3. Stufe) bestand. In dieser Situation bietet die einseitige Erledigungserklärung keine befriedigende Lösung, da das Feststellungsbegehren notwendigerweise erfolglos bleiben würde. Denn die Auskunft führt nicht zur Unbegründetheit des Leistungsbegehrens, sondern offenbart nur die von Anfang an bestehende Unbegründetheit (s. ausführlich unter dem Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4642 ff.).

2.1394

Hilfsantrag Verbindet der Kläger seinen Klageantrag mit einem für den Fall der Abweisung zu bescheidenden Hilfsantrag und erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt (§ 91a ZPO), dann bemisst sich der Gebührenstreitwert und das Kosteninteresse allein nach dem Wert des Hauptantrages. Für eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG fehlt es wegen der infolge Erledigung ausbleibenden Sachentscheidung an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung über den Hilfsantrag. Dessen Wert bleibt folglich unberücksichtigt.3

IV. Klage und Widerklage Hat der Beklagte Widerklage erhoben und erklärt eine der Parteien oder beide übereinstimmend eines der Klagebegehren für erledigt, dann handelt es sich um einen Fall der einseitigen oder übereinstimmenden Teilerledigung. Die Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Regelungen.4

2.1395

V. Einstweiliger Rechtsschutz Auch in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist mit der einseitigen Erledigungserklärung des Verfügungsklägers eine Klagebeschränkung des Inhalts verbunden, dass der Kläger nunmehr Feststellung der Verfahrenserledigung in der Hauptsache begehrt. Für die damit erforderliche gestaffelte Wertfestsetzung ist ab Erledigungserklärung nunmehr das Feststellungsinteresse des Verfügungsklä-

1 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717; BGH, Beschl. v. 20.11.1979 – VI ZR 248/77, MDR 1980, 482 = NJW 1980, 1106. 2 So BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.4.2019 – 13 W 61/18, AGs 2019, 289 = JurBüro 2019, 310. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1963, 488; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 17.

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2. Teil

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Erledigung der Hauptsache

ZPO

gers maßgeblich. Dieses wird mangels entgegenstehender Anhaltspunkte dem Kosteninteresse entsprechen.1

VI. Zwangsvollstreckung 2.1397 Erklären im Ordnungsgeldverfahren (§ 890 ZPO) Vollstreckungsgläubiger und -schuldner die Hauptsache (des Zwangsvollstreckungsverfahrens) übereinstimmend für erledigt, dann richten sich Kostenentscheidung und Rechtsmittel nach § 91a ZPO. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach den bis zur Erledigungserklärung angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.2

E. Rechtsmittel und Beschwer I. Anfechtbarkeit der Entscheidung 2.1398 Erklären die Parteien erstinstanzlich den Rechtsstreit in der Hauptsache in vollem Umfang übereinstimmend für erledigt, ist nach § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss zu entscheiden. Hiergegen ist gem. § 91a Abs. 2 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet, wenn der Streitwert der Hauptsache die Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: 600 t) und der Wert des Beschwerdegegenstands 100 t übersteigen, § 91a Abs. 2 Satz 2, § 567 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

2.1399 Erfasst die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien nur einen Teil der Hauptsache, dann entscheidet das Gericht über den noch verbliebenen Teil der Hauptsache und insgesamt über die Kosten des Rechtsstreits. Die Kostenmischentscheidung erfolgt für die auf den streitigen Teil entfallenden Kosten nach §§ 91 ff. ZPO und für den auf die Erledigung entfallenden Teil nach Maßgabe von § 91a ZPO.3 Hinsichtlich des erledigten Teils ist die Kostenentscheidung entweder mit der gegen die Verurteilung in der Hauptsache eröffneten Berufung4 oder selbständig nach § 91a Abs. 2 ZPO anfechtbar, wenn die bereits genannten weiteren Erfordernisse für diesen Teil vorliegen.5

2.1400 In allen Fällen bestimmt sich der Streitwert der Hauptsache i.S.v. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht nach dem gesamten für erledigt erklärten Teil, sondern nach dem für die Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO maßgeblichen voraussichtlichen Unterliegen einer Partei, mithin der Höhe der hypothetischen Beschwer in der Hauptsache.6

2.1401 Bei übereinstimmender (Teil-)Erledigungserklärung im Berufungs- und Beschwerdeverfahren ist gegen den Kostenbeschluss bzw. die Kostenmischentscheidung nur die (zugelassene) Rechtsbeschwerde eröffnet, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Insbesondere kann die Berufungsentscheidung bezüglich der den erledigten Teil betreffenden Kostenmischentscheidung nicht mit der Revision angefochten werden. Dementsprechend ist auch bei der Berechnung der aus dem Berufungsurteil erwachsenen Beschwer zu

1 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1992 – 3 U 34/92, OLGR 1993, 62; OLG Köln, Beschl. v. 16.8.1985 – 6 W 53/85, WRP 1986, 117; a.A. OLG München, Rpfleger 1967, 135; KG, Beschl. v. 3.10.1986 – 5 W 4470/86, WRP 1987, 111: Hauptsachewert. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.5.1997 – 1 W 19/97, InVo 1998, 55. 3 BGH, Beschl. v. 29.7.2003 – VIII ZB 55/03, MDR 2004, 45 = AGS 2003, 437 m. Anm. N. Schneider. 4 BGH, Beschl. v. 19.3.2013 – VIII ZB 45/12, MDR 2013, 671; OLG München, Beschl. v. 30.9.2011 – 9 U 2138/11, BauR 2012, 537; OLG Rostock, Urt. v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, OLGR 2003, 388; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.4.1999 – 9 U 336/98, RenoR 2000, 21. 5 BGH, Urt. v. 21.2.1991 – I ZR 92/90, MDR 1991, 793; BGH, Urt. v. 18.9.1963 – VII ZR 182/62, MDR 1964, 227; Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 56 m.w.N. 6 BGH, Beschl. v. 29.7.2003 – VIII ZB 55/03, MDR 2004, 45 = AGS 2003, 437 m. Anm. N. Schneider; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 3.

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Erledigung der Hauptsache

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2. Teil

Hat das Gericht im Falle der einseitigen (Teil-)Erledigungserklärung streitig über den Antrag auf Feststellung der (Teil-)Erledigung durch Urteil entschieden, folgt dessen Kostenentscheidung und Anfechtbarkeit den allgemeinen Regeln. § 91a ZPO gelangt weder unmittelbar noch analog zur Anwendung.2 Hierbei richtet sich die Beschwer nach dem Streitwert des Feststellungsantrages, hinsichtlich dessen Bewertung auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Im Falle der Teilerledigungserklärung ist die Beschwer des die Erledigung in Abrede stellenden und weiterhin Klageabweisung beantragenden Beklagten durch eine Quoten- oder Differenzrechnung zu ermitteln.3 Wird dieser allein durch das Kosteninteresse des Klägers bestimmt, steht § 99 Abs. 1 ZPO der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen.4 Eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung bei einseitiger Teilerledigungserklärung ist jedoch gem. § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen.

2.1402

II. Übereinstimmende Erledigung 1. Vollständige Erledigung Hier bemisst sich die mit der Kostenentscheidung verbundene Beschwer immer nach dem Umfang der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten (Tragung eigener Kosten und Erstattung fremder Kosten).

2.1403

2. Teilerledigung Diese errechnet sich bei der Teilerledigung und der damit verbundenen Kostenmischentscheidung nach der Höhe der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten. Deren Anteil ist auch hier nach ihrem Verhältnis zu den Gesamtkosten (Quote) und nicht nach den infolge der Geltendmachung des jetzt erledigten Teils ausgelösten Mehrkosten zu bestimmen.5 Dies schon deshalb, weil anderenfalls die degressive Entwicklung der Gebührenhöhe unberücksichtigt bliebe.

2.1404

Für die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung über den von der Erledigung nicht erfassten Teil, d.h. der Hauptsache i.S.v. § 511 ZPO, ist allein der Wert des noch im Streit befindlichen Klageanspruchs maßgeblich. Die Kosten des erledigten Teils bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt.6

2.1405

Demgegenüber erhöhen sich Beschwer und Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens um den Wert der auferlegten Kosten (Kosteninteresse), wenn mit der Berufung in der Hauptsache auch eine Überprüfung der Kostenentscheidung des erledigten Teils eröffnet wird.7 Abweichend davon bleibt für

2.1406

1 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648. 2 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.1997 – 9 U 289/96, JurBüro 1998, 97; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.6.2002 – 14 U 6/02, Justiz 2003, 151; Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 47 m.w.N.; a.A. OLG München, Urt. v. 8.7.1992 – 27 U 822/91, NJW-RR 1993, 571. 3 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00, OLGR 2001, 297 – Quotenmethode; BGH, Beschl. v. 18.9.2018 – VI ZB 26/17, MDR 2019, 54; BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301 = NJW-RR 2018, 571; Differenzrechnung; s. hierzu ausführlich Rz. 2.1379. 4 BGH, Urt. v. 3.11.1971 – VI ZR 26/70, BGHZ 57, 224. 5 Ebenso Musielak/Voit/Flockenhaus, § 91a ZPO Rz. 52; s. hierzu ausführlich Rz. 2.1372. 6 BGH, Beschl. v. 21.1.2014 – VI ZB 43/13, NJW 2014, 3249; BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJWRR 1991, 1211; BGH, Beschl. v. 20.9.1962 – VII ZB 2/62, NJW 1962, 2252; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267. 7 OLG Hamm, OLGZ 87, 375; KG v. 20.5.1985 – 12 U 19/84, MDR 1986, 241; OLG München, NJW 1970, 761; OLG Rostock, Urt. v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, OLGR 2003, 388; E. Schneider, MDR 1997, 705.

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beachten, dass die mit der Entscheidung über die Kosten des erledigten Teils verbundene Beschwer außer Ansatz bleibt.1

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Revisionsbeschwer und -streitwert die Kostenlast unberücksichtigt, da diesbezüglich eine Überprüfung der Kostenmischentscheidung des Berufungsurteils nicht mehr stattfindet.1

III. Einseitige Erledigungserklärung 1. Vollständige Erledigung

2.1407 Die Kontroverse, ob die einseitige Erledigungserklärung den Streitwert auf die bis dahin angefallenen Kosten reduziert, setzt sich bei der Bestimmung von Beschwer und Rechtsmittelstreitwert notwendigerweise fort. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen (s. Rz. 2.1353 ff.).

2.1408 Im Falle der vollumfänglichen Stattgabe oder Abweisung beschränkt sich die Beschwer regelmäßig auf die mit der Entscheidung verbundene Kostenlast, d.h. Beschwer und Rechtsmittelstreitwert bestehen in der Summe der Kosten der Vorinstanzen, soweit nicht der Hauptsachewert geringer ist;2 beispielsweise wegen einer Gebührenprivilegierung.3 Eine darüber hinausgehende Beschwer kommt bei einem im Einzelfall weiter gehenden Feststellungsinteresse des Klägers in Betracht.4 Dies gilt auch bei der Ermittlung der Beschwer des Beklagten, wenn ihm – korrespondierend zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers – an einer Klageabweisung, beispielsweise zur Abwehr etwaiger Schadensersatzansprüche, gelegen ist.5

2.1409 Wird dem Feststellungsantrag nur teilweise stattgegeben, ist die Beschwer wiederum anteilig bezogen auf den bisherigen Hauptsachewert oder – nach der hier vertretenen Ansicht – auf den Wert des Feststellungsbegehrens und damit regelmäßig nach einem dem Unterliegen entsprechenden Anteil an den Gesamtkosten zu ermitteln. 2. Teilweise Erledigung

2.1410 Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache nur teilweise für erledigt und bleibt im Übrigen bei seinem bisherigen Klageantrag, ist zu unterscheiden: – Bei vollumfänglicher Stattgabe von (verbleibender) Hauptsacheklage und dem (in der einseitigen Teilerledigungserklärung liegenden) Feststellungsantrag bestimmt sich die Beschwer des Beklagten nach dem Wert der verbliebenen Hauptsache zzgl. dem Wert des Feststellungsbegehrens. Dessen Wert wird davon beeinflusst, welche Ansicht im Streit um die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung vertreten wird. Wird diese nach dem Kosteninteresse bestimmt, bedarf es einer Herausrechnung (Differenzrechnung) der auf die Verurteilung in der verbleibenden Hauptsache entfallenden Kosten wegen § 4 ZPO.6 Dies sollte – wie bereits dargestellt (s. Rz. 2.1379) – nach der Quotenmethode erfolgen. Ebenso verhält es sich bei der Abweisung von Hauptsacheantrag und Feststellungsbegehren. – Kommt es hinsichtlich der Klageanträge zu unterschiedlichen Verfahrensteilergebnissen, bestimmt sich die Beschwer – wie auch sonst bei der objektiven Klagehäufung – nach dem Umfang der stattgebenden Entscheidung. Weist das Gericht die verbleibende Hauptsacheklage ab und gibt 1 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526. 2 Siehe BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225; OLG Dresden, Beschl. v. 8.9.2020 – 1 U 907/20, MDR 2020, 1405. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2009 – 24 W 26/09, OLGR 2009, 706; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – 24 W 64/05, MDR 2006, 1017. 4 BGH, WM 1978, 736: Erledigung durch Aufrechnung des Klägers. 5 OLG Jena, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18; E. Schneider, MDR 1973, 625; offen lassend BGH, NJW 1969, 1173; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rz. 14. 6 BGH, Beschl. v. 9.3.1993 – VI ZR 249/92, MDR 1994, 317; BGH, Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, allerdings mit Berechnung nach der Differenzmethode.

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Erledigung der Hauptsache

2. Teil

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dem Feststellungsbegehren statt, entspricht die Beschwer des Beklagten dem vollen Betrag der ihm auferlegten Kosten1 und die Beschwer des Klägers dem verbleibenden Hauptsachewert. Wird dem verbleibenden Hauptsacheantrag stattgegeben und unterliegt der Kläger allein beim Streit um die Teilerledigung, berechnet sich die Beschwer des Beklagten allein nach dem verbleibenden Hauptsachewert und die Beschwer des Klägers nach dem – im Wege einer nach der Quotenmethode vorzunehmenden Differenzberechnung (s. Rz. 2.1379) – zu ermittelnden Kosteninteresse. – Erfolgt die Erledigungserklärung erst mit der Berufungseinlegung, dann ist (auch) nach Auffassung des BGH – abweichend zu seiner sonstigen Berechnung – die Beschwer nach der Quotenmethode zu ermitteln, weil ohne Erledigungserklärung (und die allein zu diesem Zweck eingelegte Berufung) nach der verhältnismäßigen Kostenverteilung dem Kläger erstinstanzlich auferlegte Kostenquote rechtskräftig werde.2 Warum das dann nicht auch für die Erledigungserklärung vor der instanzbeendigenden Entscheidung sollen, bei ja ebenfalls eine quotale Kostenlast droht, bleibt dunkel.

F. Vergleich Aufgrund der unmittelbar prozessbeendigenden Wirkung des Prozessvergleichs besteht für eine Ver- 2.1411 bindung von Vergleich und Erledigungserklärung keine Notwendigkeit. Der im Vergleich enthaltenen Formulierung, wonach der „Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist“, kommt eine eigenständige Bedeutung allenfalls dann zu, wenn die Parteien daneben keine oder nur eine negative Kostenregelung getroffen haben. Dann beschränkt sich der Vergleich auf die Hauptsache, so dass das Gericht in Abweichung von § 98 ZPO nach Maßgabe der allgemeinen Kostenregelungen, insbesondere von § 91a ZPO, über die Kosten zu entscheiden hat.3 Nach Abschluss des Vergleichs ist aufgrund des damit verbundenen Wegfalls der Rechtshängigkeit für eine übereinstimmende Erledigungserklärung kein Raum mehr.4

2.1412

Erfasst die Einigung sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche, dann entspricht der Gegenstands- 2.1413 wert des Vergleichs dem Wert der Hauptsache. Die nach Maßgabe von § 91a ZPO zu verteilenden Kosten des Rechtsstreits bleiben demgegenüber unberücksichtigt. Denn für die Bewertung ist allein maßgeblich, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt.5 Schließen die Parteien einen Vergleich, nachdem der Beklagte zuvor der Erledigungserklärung wider- 2.1414 sprochen hat, bestimmt sich dessen Gegenstandswert nach den bis dahin angefallenen Kosten des Rechtsstreits.6 Zu beachten bleibt, dass bei einer Erledigungserklärung des Klägers erst in der mündlichen Verhandlung sich die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nach dem Wert der Hauptsache richtet. Denn die Terminsgebühr entsteht bereits mit Anwesenheit des Anwalts bei Aufruf der Sache. Ist dem Vergleich jedoch eine übereinstimmende Teilerledigung vorausgegangen und erfasst die Einigung auch die Verteilung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten, dann sind diese Kosten bei der Bemessung des Gegenstandwertes werterhöhend zu berücksichtigen.7 1 BGH, Beschl. v. 9.3.1993 – VI ZR 249/92, MDR 1994, 317. 2 BGH, Beschl. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301. 3 BGH, MDR 1965, 25; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.10.2002 – 9 WF 169/02, JurBüro 2003, 323; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 120; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.5.2004 – 5 W 38/04. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.10.2002 – 9 WF 169/02, JurBüro 2003, 323. 5 BGH, Urt. v. 27.4.1964 – III ZR 45/63, NJW 1964, 1523; KG, Urt. v. 18.12.2003 – 12 U 164/02, KGReport Berlin 2004, 310; OLG Köln, JurBüro 1996, 476; OLG München, JurBüro 2001, 141. 6 KG, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 W 260/06, JurBüro 2007, 33. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1440.

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2. Teil

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Ersatzvornahme nach § 887 ZPO

ZPO

2.1416 Erklären die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt, beruhen aber diese Erklärungen auf Irrtümern über die tatsächlich erfolgten Zahlungen im Laufe des Rechtsstreites, so ist das für die Streitwertbemessung unbeachtlich, da die übereinstimmenden Erklärungen mangels Widerrufbarkeit und Anfechtbarkeit das Hauptverfahren endgültig erledigt haben. Schließen die Parteien daraufhin noch im selben Verfahren einen Vergleich, um einen neuen Rechtsstreit zu vermeiden, so sind beim Wertansatz für den Vergleich alle bisher angefallenen Kosten und alle in Wirklichkeit nicht erledigten Forderungen einschließlich restlicher Zinsansprüche zu berücksichtigen.1

Ersatzvornahme nach § 887 ZPO A. Zuständigkeitsstreitwert 2.1417 Ist der Schuldner zur Vornahme einer vertretbaren Handlung verurteilt, so kann der Gläubiger, wenn die Handlung nicht vorgenommen wird, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges ermächtigt werden, die Handlung auf Kosten des Schuldners selbst vorzunehmen (§ 887 Abs. 1 ZPO). Auf Antrag kann der Schuldner auch verurteilt werden, einen Vorschuss auf die zu erwartenden Kosten der Ersatzvornahme zu zahlen (§ 887 Abs. 2 ZPO), über den dann später abgerechnet wird. Da das Prozessgericht des ersten Rechtszuges nach § 887 Abs. 1, § 802 ZPO ausschließlich zuständig ist, braucht kein Zuständigkeitsstreitwert ermittelt zu werden.

B. Gebührenstreitwert 2.1418 Auch für die Gerichtsgebühren ist keine Streitwertfestsetzung von Amts wegen zulässig, weil Festgebühren nach Nr. 2111 KV GKG anfallen. Das gilt auch für die Beschwerdeinstanz.

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren 2.1419 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist nach § 25 RVG zu bestimmen. Im Verfahren nach § 887 ZPO entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG sowie unter Umständen eine Terminsgebühr nach Nr. 3310 VV RVG. Wird der Schuldner zugleich verurteilt, einen Kostenvorschuss zu leisten (§ 887 Abs. 2 ZPO), so ist die Vollstreckung dieser Entscheidung für den Anwalt eine besondere Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 12 RVG).

2.1420 Bei einem Verfahren auf Erteilung der Ermächtigung und Verurteilung zur Vorauszahlung ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert der zu erzwingenden Handlung maßgebend. Das ist in der Regel der Wert der Hauptsache, weil es dem Gläubiger darum geht, dass die Handlung vorgenommen wird.2 Sein Interesse entspricht daher regelmäßig dem Erfüllungsinteresse und damit dem Wert der Hauptsache.3

2.1421 Der verlangte Vorschuss bildet einen Anhalt für die Schätzung des maßgeblichen Wertes der zu erzwingenden Handlung.4 Wird wegen im Voraus zu zahlender Kosten vollstreckt, entspricht der Gegenstandswert dem Betrag dieser Kosten.5

1 OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46. 2 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.70. 3 OLG Rostock, Beschl. v. 26.9.2008 – 1 W 82/08, JurBüro 2009, 105; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.70. 4 OLG Rostock, Beschl. v. 3.11.2020 – 3 W 63/20, MDR 2021, 322. 5 Musielak/Voit/Lackmann, § 887 ZPO Rz. 26; vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 13.5.2020 – 8 W 277/20.

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Erwerbsverbot

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2. Teil

2.1422

Siehe das Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff.

Erwerbsverbot A. Einleitung Soll bei Vorliegen eines nichtigen oder unwirksamen Grundstückskaufvertrages der Erwerber an der Eintragung in das Grundbuch gehindert werden, damit er nicht die dingliche Rechtsstellung erlangt und an einen Gutgläubigen weiterveräußern kann, kann der Verkäufer ein gerichtliches Erwerbsverbot erwirken. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer einstweiligen Verfügung (§§ 935, 938 Abs. 2 ZPO).1

2.1423

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Streitwert des Antrags auf Erlass eines Erwerbsverbots2 im Wege einer einstweiligen Verfügung ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen und hat sich am Wert der Hauptsache zu orientieren.

2.1424

Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Rechtsposition im Zeitpunkt der Antragstellung. Dabei wird vom Streitwert der Hauptsache ausgegangen und das Verfügungsverfahren mit einem entsprechenden Bruchteil bewertet.3

2.1425

In den einschlägigen Fällen können die Bemessungsgrundsätze für nichtige Rechtsgeschäfte Anwen- 2.1426 dung finden.4 Wird nur Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages verlangt, dann ist auf das Interesse des Klägers am Nichtbestehen oder an der Wiederaufhebung des Vertrages abzustellen. Das Interesse ist dann gleichbedeutend mit dem Ziel, vom Vertrag befreit zu werden.5 Maßgebend ist also der objektive wirtschaftliche Nachteil, der dem Kläger bei Aufrechterhaltung des Vertrages entstünde und den er durch die Hauptsacheklage abwenden will.6 Das kann die eigene Leistung oder auch der Verkehrswert des Grundstücks sein.7 Die abweichende Entscheidung des OLG Koblenz,8 wonach immer der volle Wert der Leistung anzusetzen sei, von der bei Nichtigkeit freigestellt wird, ist zu Recht unbeachtet geblieben, weil dadurch das zu bewertende Klägerinteresse unabhängig vom Einzelfall bestimmt würde.

2.1427

Wird auf Unterlassung der Vorlage eines Wechsels zur Zahlung geklagt, dann ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Unterlassungsinteresse (= Interesse am Erwerbsverbot) regelmäßig mit dem bekämpften Wechselanspruch gleichzusetzen.9

2.1428

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. RGZ 120, 118; KG, Rpfleger 192, 177; OLG Hamm, DNotZ 1970, 661. Vgl. zum Gegenstück „Veräußerungsverbot“ das entsprechende Stichwort. LG Hamburg, Beschl. v. 1.8.2018 – 308 O 226/18: 1/3; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.71. Vgl. das Stichwort „Nichtigkeitsklage“, Rz. 2.3699. OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. OLG Stuttgart, Rpfleger 1962, 162. OLG Naumburg, Beschl. v. 18.12.2002 – 11 W 306/02, OLGR 2003, 484. OLG Koblenz, NJW 1953, 1918. BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 231/87, WM 1988, 882.

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Erweiterung des Klageantrags

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2. Teil

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Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen

2.1429 Wird bei Vertragsnichtigkeit im Hauptverfahren auch die Rückgewähr der bereits erbrachten Leis-

ZPO

tung verlangt, dann ist § 6 ZPO anzuwenden.

Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen 2.1430 Siehe das Stichwort „Ordnungsmittel“, Rz. 2.3782 ff. 2.1431–2.1451 Einstweilen frei.

Fällige Beträge A. Zuständigkeitsstreitwert I. Klage nur auf fällige Beträge 2.1452 Fällige Beträge sind Geldforderungen und als solche zu bewerten. Die Werte mehrerer fälliger Beträge werden addiert (§ 5 ZPO). Wird die Klage nachträglich um weitere fällige Beträge erhöht, sind diese ebenfalls nach § 5 ZPO hinzuzurechnen, so dass sich gegebenenfalls die Zuständigkeit des Gerichts verändern kann. Eine Begrenzung wie bei wiederkehrenden Leistungen ist hier nicht vorgesehen.

2.1453 Beispiel: Aus einem Gewerbemietverhältnis wird auf Zahlung einer fälligen Miete i.H.v. 2.000 t geklagt. Später wird die Klage um eine zwischenzeitlich fällig gewordene weitere Miete erhöht und nochmals später um eine dritte Miete. Bei Einreichung der Klage belief sich der Streitwert auf 2.000 t. Durch die erste Klageerweiterung stieg er auf 4.000 t und durch die zweite Klageerweiterung auf 6.000 t, so dass sich die Zuständigkeit vom AG auf das LG verlagert hat.

II. Fällige Beträge neben Klage auf zukünftige Leistung 2.1454 Werden sowohl fällige Beträge als auch zukünftige Beträge geltend gemacht, so gilt § 5 ZPO. Die Werte aller fälligen und zukünftigen Forderungen sind zu addieren.

2.1455 Dabei kann es allerdings sein, dass für die zukünftigen Beträge eine Wertbegrenzung gilt. Diese ist dann zu berücksichtigen (s. das Stichwort „Wiederkehrende Leistungen“ Rz. 2.5934).

2.1456 Beispiel: Aus einem auf zehn Jahre abgeschlossenen Gewerberaummietverhältnis bleibt der Mieter nach

Ablauf von zwei Jahren die nächsten drei Monatsmieten i.H.v. jeweils 1.000 t schuldig. Der Vermieter klagt einerseits auf Zahlung der drei fälligen Mieten sowie gem. § 259 ZPO auf monatliche Zahlung der zukünftigen Mieten bis zum Ende des Mietverhältnisses. Zu bewerten sind einerseits die drei fälligen Mieten. Für die zukünftigen Mieten ist die Begrenzung nach 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreswert zu berücksichtigen (42 Monate). Der Zuständigkeitsstreitwert beläuft sich also gem. § 5 ZPO insgesamt auf 45.000 t.

2.1457 Hinsichtlich der Fälligkeit und der Zukünftigkeit ist auf den Zeitpunkt der Einreichung Klage abzustellen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO). Nach Klageeinreichung fällig werdende Beträge sind nicht mehr zusätzlich zu berücksichtigen. Das gilt auch im Falle einer Stufenklage. Ebenso spielt es keine Rolle, dass durch eine Umstellung des Klageantrags die bisher als wiederkehrende Leistungen geltend ge-

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2. Teil

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Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen

2.1429 Wird bei Vertragsnichtigkeit im Hauptverfahren auch die Rückgewähr der bereits erbrachten Leis-

ZPO

tung verlangt, dann ist § 6 ZPO anzuwenden.

Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen 2.1430 Siehe das Stichwort „Ordnungsmittel“, Rz. 2.3782 ff. 2.1431–2.1451 Einstweilen frei.

Fällige Beträge A. Zuständigkeitsstreitwert I. Klage nur auf fällige Beträge 2.1452 Fällige Beträge sind Geldforderungen und als solche zu bewerten. Die Werte mehrerer fälliger Beträge werden addiert (§ 5 ZPO). Wird die Klage nachträglich um weitere fällige Beträge erhöht, sind diese ebenfalls nach § 5 ZPO hinzuzurechnen, so dass sich gegebenenfalls die Zuständigkeit des Gerichts verändern kann. Eine Begrenzung wie bei wiederkehrenden Leistungen ist hier nicht vorgesehen.

2.1453 Beispiel: Aus einem Gewerbemietverhältnis wird auf Zahlung einer fälligen Miete i.H.v. 2.000 t geklagt. Später wird die Klage um eine zwischenzeitlich fällig gewordene weitere Miete erhöht und nochmals später um eine dritte Miete. Bei Einreichung der Klage belief sich der Streitwert auf 2.000 t. Durch die erste Klageerweiterung stieg er auf 4.000 t und durch die zweite Klageerweiterung auf 6.000 t, so dass sich die Zuständigkeit vom AG auf das LG verlagert hat.

II. Fällige Beträge neben Klage auf zukünftige Leistung 2.1454 Werden sowohl fällige Beträge als auch zukünftige Beträge geltend gemacht, so gilt § 5 ZPO. Die Werte aller fälligen und zukünftigen Forderungen sind zu addieren.

2.1455 Dabei kann es allerdings sein, dass für die zukünftigen Beträge eine Wertbegrenzung gilt. Diese ist dann zu berücksichtigen (s. das Stichwort „Wiederkehrende Leistungen“ Rz. 2.5934).

2.1456 Beispiel: Aus einem auf zehn Jahre abgeschlossenen Gewerberaummietverhältnis bleibt der Mieter nach

Ablauf von zwei Jahren die nächsten drei Monatsmieten i.H.v. jeweils 1.000 t schuldig. Der Vermieter klagt einerseits auf Zahlung der drei fälligen Mieten sowie gem. § 259 ZPO auf monatliche Zahlung der zukünftigen Mieten bis zum Ende des Mietverhältnisses. Zu bewerten sind einerseits die drei fälligen Mieten. Für die zukünftigen Mieten ist die Begrenzung nach 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreswert zu berücksichtigen (42 Monate). Der Zuständigkeitsstreitwert beläuft sich also gem. § 5 ZPO insgesamt auf 45.000 t.

2.1457 Hinsichtlich der Fälligkeit und der Zukünftigkeit ist auf den Zeitpunkt der Einreichung Klage abzustellen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO). Nach Klageeinreichung fällig werdende Beträge sind nicht mehr zusätzlich zu berücksichtigen. Das gilt auch im Falle einer Stufenklage. Ebenso spielt es keine Rolle, dass durch eine Umstellung des Klageantrags die bisher als wiederkehrende Leistungen geltend ge-

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Fällige Beträge

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2. Teil

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machten Beträge fortan als fällige Beträge beziffert werden, da sich an der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung zu beurteilenden Fälligkeit dadurch nichts ändert.1

B. Gebührenstreitwert I. Überblick 1. Klage nur auf fällige Beträge Werden nur fällige Beträge eingeklagt, sind sie als gewöhnliche Geldforderungen zu bewerten. Die Werte mehrerer fälliger Beträge werden addiert (§ 39 Abs. 1 GKG). Wird die Klage später um weitere fällige Beträge erhöht, sind diese ebenfalls nach § 39 Abs. 1 GKG hinzuzurechnen. Eine Begrenzung wie bei wiederkehrenden Leistungen ist nicht vorgesehen. Der Gebührenstreitwert erhöht sich daher ebenso wie beim Zuständigkeitsstreitwert (s. Rz. 2.1454)

2.1458

2. Fällige Beträge neben Klage auf zukünftige Leistung Bei Klagen, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, stellt sich das Problem der zusätzlichen 2.1459 Bewertung fälliger Beträge. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG sind im Falle wiederkehrender Leistungen die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Wert der künftigen Beträge hinzuzurechnen. Es kommt auch hier auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung an (§ 40 GKG), nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage. Eine vergleichbare Regelung gilt in Familiensachen für Unterhaltsansprüche (§ 51 Abs. 2 FamGKG). Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird (§ 42 Abs. 3 Satz 2 GKG).

2.1460

Im Falle einer Stufenklage (§ 254 ZPO) ist auf den Zeitpunkt der Einreichung der Stufenklage abzustellen, nicht auf den späteren Zeitpunkt der Bezifferung des Leistungsantrags.2

2.1461

Hinsichtlich der Fälligkeit und der Zukünftigkeit ist auch hier auf den Zeitpunkt der Einreichung Klage abzustellen (§ 40 Abs. 1 GKG). Nach Klageeinreichung fällig werdende Beträge sind nicht mehr zusätzlich zu berücksichtigen. Ebenso spielt es keine Rolle, dass durch eine Umstellung des Klageantrags die bisher als wiederkehrende Leistungen geltend gemachten Beträge nunmehr als fällige Beträge beziffert werden, da sich an der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung zu beurteilenden Fälligkeit dadurch nichts ändert.3

2.1462

Anders verhält es sich auch, wenn der Kläger von der Feststellungsklage hinsichtlich der zukünftigen Leistungspflicht im Wege der Klageänderung und -erweiterung vom Feststellungs- zum Leistungsantrag übergeht. Auch hier bleibt es bei der Fälligkeitsbetrachtung zum Zeitpunkt der Klageeinreichung. Allerdings erhöht sich der Wert der Klage insoweit, als jetzt der Feststellungsabschlag entfällt.4

2.1463

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2014 – 9 W 29/14, AGS 2015, 176 = NJW-RR 2015, 633. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 18.6.2013 – 5 WF 64/13, AGS 2013, 583 (zur vergleichbaren Lage in Unterhaltssachen). 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2014 – 9 W 29/14, AGS 2015, 176 = NJW-RR 2015, 633. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2014 – 9 W 29/14, AGS 2015, 176 = NJW-RR 2015, 633.

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Fällige Beträge

ZPO

II. Mietsachen 2.1464 Fällige Beträge haben insbesondere in Miet- und Pachtsachen Bedeutung. Wird gem. § 259 ZPO auf Zahlungen künftiger und fälliger Mieten, Pachtzinsen oder Nutzungsentschädigungen geklagt, sind die zukünftigen Forderungen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 oder § 3 ZPO zu bewerten. Die bei Klageeinreichung fälligen Beträge werden hinzugerechnet.1

2.1465 Beispiel: Am 10. Oktober wird Klage auf laufende Mieten i.H.v. 500 t sowie rückständige Mieten seit Mai erhoben. Nach dem Mietvertrag ist die Miete am dritten Werktag eines Monats fällig. Der Streitwert für die künftigen Mieten beläuft sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreswert, mithin (42 × 500 t =) 21.000 t. Hinzu kommen die fälligen Beträge für Mai bis Oktober (6 × 500 t =) 3.000 t, so dass sich ein Gesamtwert i.H.v. 24.000 t ergibt (§ 39 Abs. 1 GKG).

III. Rentenansprüche 2.1466 Auch bei Ansprüchen auf Schadensersatzrenten wegen vermehrter Bedürfnisse (§ 843 BGB) oder entgangenen Unterhalts (§ 844 BGB) sind die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Wert der bei Einreichung zukünftigen Beträge oder dem Wert eines Feststellungsantrags hinzuzurechnen.2 Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Rente nach § 843 Abs. 2 Satz 1, § 844 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 760 Abs. 1 Satz 1 BGB jeweils für drei Monate vorauszuzahlen ist.3 Siehe hierzu das Stichwort „Rente“ Rz. 2.4333 ff.).

IV. Versicherungsbeiträge 2.1467 Werden laufende und fällige Versicherungsbeiträge eingeklagt, sind die bei Einreichung fälligen Prämien dem Wert der zukünftigen Prämien (höchstens für die Dauer von 3 1/2 Jahren) hinzuzurechnen.4

V. Sonstige Dauerschuldverhältnisse 2.1468 Für sonstige Dauerschuldverhältnisse liegen zwar noch keine vergleichbaren Entscheidungen vor. Hier dürfte jedoch nichts Anderes gelten, so dass auch hier § 42 Abs. 3 GKG entsprechend anzuwenden ist.

C. Rechtsmittelstreitwert 2.1469 Für den Rechtsmittelstreitwert gelten die gleichen Bewertungen wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Auch hier ist auf die Einreichung der Klage abzustellen und nicht auf die Einreichung des Rechtsmittels.

1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249 m. Anm. N. Schneider = MietRB 2004, 234 (noch zur Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 5 GKG); OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008 – 33 W 18/07, FamRZ 2008, 1208 = AGS 2008, 358; KG, Beschl. v. 28.4.2007 – 12 W 35/07, AGS 2007, 632 = MietRB 2008, 13. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2014 – 9 W 29/14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2011 – 14 W 84/11; OLG Celle, Beschl. v. 3.1.2007 – 8 U 123/06, OLGR 2007, 239 (noch zur Vorgängervorschrift des § 41 Abs. 5 GKG a.F.). 3 Siehe N. Schneider, Abrechnung bei der Durchsetzung von Schadensersatzrenten, DAR 2013, 778. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246.

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Fälligkeit

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2. Teil

Wird auf Zahlung eines Betrags oder auf sonstige Leistung geklagt und verteidigt sich der Beklagte lediglich damit, der Betrag oder die Leistung sei noch nicht fällig, so wird häufig trotzdem der eingeklagte Betrag oder der Wert der Leistung in vollem Umfang als maßgebend angesehen, weil der Kläger darüber einen vollstreckungsfähigen Titel erstrebt.1

2.1470

Es lässt sich jedoch nicht verkennen, dass diese Bewertung am wirtschaftlichen Streit der Parteien vorbeigeht. Denn die Forderung oder die Leistung als solche ist unstreitig, es geht nur darum, wann sie zu erfüllen ist. Deshalb ist der Ansatz des vollen Forderungsnennbetrags oder des vollen Werts der Leistung bedenklich,2 zumal das Gesetz in anderen Fällen das „Fälligkeitsinteresse“ berücksichtigt. So wird z.B. bei einem Rechtsstreit auf Herausgabe eines Mietobjekts, bei dem die Parteien nur über den Zeitpunkt der Räumung streiten, nur der Bezug der streitigen Zeit berücksichtigt (§ 9 ZPO; § 41 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GKG). Hier wird also das Fälligkeitsinteresse berücksichtigt.3

2.1471

Beispiel: Der Vermieter, der nicht zugleich Eigentümer ist, erklärt im Januar die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.9. Der Mieter erklärt, die Kündigung zu akzeptieren. Er berechnet die Kündigungsfrist allerdings anders und erklärt, erst zum 31.12. zu räumen.

2.1472

Da jetzt nur eine Mietzeit von drei Monaten streitig ist, wird gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GKG auch nur der Bezug dieser drei Monate herangezogen.

Soweit das Gesetz nicht ohnehin schon auf das Fälligkeitsinteresse abstellt, kann dieses ggf. im Rah- 2.1473 men des § 3 ZPO – auch bei Geldforderungen – berücksichtigt werden. Dafür spricht insbesondere, dass das GKG – im Gegensatz zum FamGKG (§ 35 FamGKG) – nicht auf den Wert der geltend gemachten Forderung abstellt, sondern eine Schätzung nach § 3 ZPO vorsieht. Indessen muss sich der Kläger auf die unter Rz. 2.1470 zitierte Rechtsprechung einstellen.

2.1474

Wird nicht der Betrag eingeklagt, sondern vom Schuldner negative Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass der Betrag noch nicht fällig sei, dann ist auch nach dem Klageantrag nur die Leistungszeit Streitgegenstand. Zu einem vollstreckungsfähigen Titel über den Betrag kommt es nicht. Abzustellen ist dann allein auf das „Fälligkeitsinteresse“, also auf die Nachteile, die bei vorzeitiger Zahlung entstehen.

2.1475

Gleiches gilt im Fall einer Vollstreckungsabwehrklage, mit der nur geltend gemacht wird, die Vollstre- 2.1476 ckung sei aufgrund einer nachträglich getroffenen Fälligkeitsabrede (Stundungsvereinbarung) zurzeit nicht zulässig. Der Schuldner wendet sich in diesem Fall nicht gegen die Forderung selbst, sondern nur gegen die vorzeitige Zahlung. Sein Interesse beschränkt sich daher auf die Mehrkosten, die bei vorzeitiger Erfüllung anfallen (Finanzierungskosten etc.). Hier ist nach § 3 ZPO zu schätzen, was die Verzögerung für den klagenden Schuldner wirtschaftlich wert ist.4 Der Streitwert (= Zwischenzins) lässt sich über den höchstmöglichen Zinssatz oder die höchstmögliche ersparte Zinsbelastung errechnen. Des Weiteren können eventuelle Finanzierungskosten zu berücksichtigen sein.

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 9.12.1971 – 6 W 76/71, MDR 1972, 335; ebenso MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 Rz. 118; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Anh. § 3 ZPO Rz. 5 „Fälligkeit“. 2 So auch der BGH jedenfalls für die Urteilsbeschwer, Beschl. v. 26.9.1995 – XI ZR 36/95, VersR 1996, 520 = WPM 1995, 2060. 3 Siehe OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 2009, 46 = MietRB 2009, 132. 4 BGH, Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 58/60; OLG Schleswig, Beschl. v. 13.1.1983 – 8 WF 156/82, SchlHA 1983, 142; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.12.1971 – 6 W 76/71, MDR 1972, 335; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1982 – 3 W 33/82, JurBüro 1982, 1245; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.1985 – 7 TA 179/85, JurBüro 1985, 1704.

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Fälligkeit

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Feststellungsklage

ZPO

2.1477 Ebenso ist in der Zwangsvollstreckung zu bewerten. Wendet sich der Schuldner mit Erinnerung oder Beschwerde lediglich dagegen, dass der zugunsten des Gläubigers titulierte Anspruch noch nicht fällig sei, dann bemisst sich der Gegenstandswert für die Gebühren des Anwalts nicht nach der Höhe der Forderung, sondern nach dem Interesse des Schuldners an der Hinauszögerung des Vollstreckungsbeginns. Dieses Interesse kann anhand des Zwischenzinses zwischen den streitigen Fälligkeitszeitpunkten geschätzt werden.1

2.1478 Diese Bewertungsregeln gelten auch bei außergerichtlichem Fälligkeitsstreit. Wird ein Anwalt damit beauftragt, gegenüber dem Gläubiger die noch nicht eingetretene Fälligkeit geltend zu machen, dann ist das Interesse des Schuldners an der Hinauszögerung des Fälligkeitstermins maßgebend.2 Es muss nach § 3 ZPO geschätzt werden.

2.1479 DerStreitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Geldansprüche (§§ 257, 259 ZPO) ist gleich dem vollen Nominalwert der Forderung,3 soweit der Streit nicht ausschließlich um die Fälligkeit geht.

2.1480 Wird eine Klage auf künftige Leistung von wiederkehrenden Leistungen (z.B. laufende monatliche Mieten) nur deshalb erhoben, weil der Schuldner nicht pünktlich zahlt, ist dagegen nur das Fälligkeitsinteresse zu berücksichtigen, das mit einem Bruchteil der Hauptforderung zu bewerten ist.4

Feststellungsklage A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1481

2. Berühmung des Beklagten . . . . . . . . . . 2.1496 3. Gewerblicher Rechtsschutz und Abwehr von Unterlassungsansprüchen . . 2.1501

II. Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . 2.1483

V. Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . 2.1502

III. Positive Feststellungsklage 1. Abschlag vom Leistungsinteresse . . . . . 2.1484 2. Höhe des Abschlags . . . . . . . . . . . . . . . 2.1489

VI. Feststellungsklage über die Echtheit einer Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1503

IV. Negative Feststellungsklage . . . . . . . . . 2.1494 1. Kein Abschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1495

C. ABC der Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . 2.1506

B. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.1505

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines 2.1481 Der Streitwert einer Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Interesse zu bewerten, das der Kläger nach seinem Sachvortrag an der begehrten Feststellung hat.5 Häufig sind Feststellungsklagen nur Vorstufen einer Leistungsklage. Die Feststellung einer Leistungspflicht und das spätere (bezifferte) Leistungsbegehren richten sich auf dasselbe wirtschaftliche Ziel.

2.1482 Der Wert des Klägerinteresses an der Feststellung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und ist grundsätzlich in zwei Schritten zu errechnen: 1 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1985 – 2 W 107/85. 2 LG Bielefeld, Urt. v. 20.2.1980 – 1 S 505/79, AnwBl. 1980, 256 m. abl. Anm. Schmidt. 3 RGZ 118, 323; BGH, Beschl. v. 2.3.1994 – IV ZR 270/93; m.w.N. zur Rspr. bei Hirte, MDR 1987, 170; Voormann, MDR 1987, 722. 4 AG Kerpen, Urt. v. 5.4.1991 – 22 C 32/91, WuM 1991, 439 m. Anm. N. Schneider: 1/5. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2005 – 4 W 5/05; BGH, Beschl. v. 1.6.1976 – VI ZR 154/76, AnwBl. 1976, 339 spricht vom „wahren Interesse des Klägers“.

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Feststellungsklage

2. Teil

ZPO

1. Zunächst ist der Streitwert für eine dem Feststellungsbegehren entsprechende Leistungsklage zu bestimmen. Der Wert einer Feststellungsklage darf nämlich nie höher angenommen werden als der Streitwert einer Leistungsklage über denselben Gegenstand. Hat das Gesetz den Streitwert einer Leistungsklage besonders bemessen, dann gilt diese Höchstgrenze auch für die entsprechende Feststellungsklage. 2. Danach ist zu prüfen, ob ein prozentualer Abschlag vorzunehmen ist, weil nur auf Feststellung und nicht auf Leistung geklagt wird.

II. Bewertungszeitpunkt Bei der Schätzung des Klägerinteresses ist nach dem Rechtsgedanken der § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, die bei Klageerhebung vorhanden waren. Wurde eine Möglichkeit nicht genutzt, um zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, obgleich sie bei Klageerhebung bereits bestand und erkennt man das nachträglich, kann die Erkenntnisquelle für die Streitwertfestsetzung herangezogen werden.1 Wegen nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann man den Streitwerts nicht ändern. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Instanz maßgebend.2 Erkenntnisse des Gerichts nach der letzten mündlichen Verhandlung müssen außer Betracht bleiben,3 was dem Rechtsgedanken des § 296a ZPO entspricht.

2.1483

III. Positive Feststellungsklage 1. Abschlag vom Leistungsinteresse Ein Feststellungsurteil verschafft dem Kläger keinen so weitreichenden Titel wie ein entsprechendes Leistungsurteil. Feststellungsurteile sind in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähig und beseitigen zudem das Beweisrisiko des Klägers nur zum Grund des Anspruchs, während dessen Höhe nach wie vor nachgewiesen werden muss.4

2.1484

Dass der Kläger durch die Feststellungsklage nur einen Rechtsschutz verlangt, dessen Wirkungen hinter denen einer entsprechenden Leistungsklage zurückbleiben, muss in der Höhe des Streitwertes einen entsprechenden Ausdruck finden.5 Der Wert des positiven Feststellungsanspruchs ist daher regelmäßig geringer als der einer entsprechenden Leistungsklage.6

2.1485

Es ist umstritten, ob ein Feststellungsabschlag auch dann vorzunehmen ist, wenn bereits die Leistungs- 2.1486 klage streitwertprivilegiert ist. Richtigerweise ist danach zu differenzieren, ob der Gesetzgeber durch die jeweilige Vorschrift Leistungs- und Feststellungsklagen einheitlich bewerten wollte oder nicht. Dementsprechend sind Mietbestandsstreitigkeiten auch bei bloßer Feststellungsklage nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG ohne Abschlag zu bewerten, weil der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.1997 – 5 W 336/97, JurBüro 1998, 363. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 6.7.1954 – 7 W 18/54, Rpfleger 1962, 425. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.9.1954 – 7 W 170/54, Rpfleger 1962, 425; s. aber auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406 zum Sonderfall bewusst falscher Angaben der Parteien. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.8.1957 – 6 W 339/57, MDR 1957, 734. 5 BGH, Urt. v. 23.9.1965 – II ZR 234/63, MDR 1965, 979; BGH, Beschl. v. 29.9.1975 – III ZR 94/75, JurBüro 1975, 1598. 6 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, NZM 2009, 51; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.11.2019 – 14 W 121/19.

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2. Teil

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Feststellungsklage

ZPO

„Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses“ bewusst eine sehr weite Anknüpfung gewählt hat.1

2.1488 Hingegen ist bei Feststellungsklagen wegen wiederkehrender Leistungen i.S.v. § 9 ZPO2 oder § 42 GKG3 der übliche Abschlag von regelmäßig 20 % vorzunehmen. Die Vorschriften dienen lediglich dazu, Klagen bei wiederkehrenden Leistungen einfach und einheitlich bewerten zu können.4 Hingegen lässt sich weder ihrem Wortlaut, noch der Gesetzesbegründung entnehmen, dass die geringere Wirkung des Feststellungs- gegenüber dem Leistungsurteil bei wiederkehrenden Leistungen streitwertmäßig unberücksichtigt bleiben sollte. 2. Höhe des Abschlags

2.1489 Regelmäßig hat eine positive Feststellungsklage einen um 20 % niedrigeren Streitwert als eine entsprechende Leistungsklage.5 Bei besonderen Umständen des Einzelfalls kann aber ein geringerer oder höherer Abschlag anzusetzen sein.6 Ein besonders hoher Abschlag kann etwa bei einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens geboten sein, wenn die Gefahr eines Schadenseintritts äußerst gering ist.7

2.1490 – Abschlag von 60 %: Wird eine aussichtsreiche Feststellungsklage lediglich zur Hemmung der Verjährung erhoben, kann ein Abschlag i.H.v. 60 % vom Leistungswert angemessen sein.8

2.1491 – Abschlag von 50 %: Bietet die Klage auf Feststellung, dass ein Dauerschuldverhältnis weiter besteht, dem Kläger nur einen geringen prozessualen Vorteil für die spätere Leistungsklage, weil noch eine umfangreiche und schwierige Darlegung bzw. Beweisführung im Hinblick auf den konkreten Schaden erforderlich ist, kann ein Abschlag von 50 % vom Leistungswert angemessen sein.9

2.1492 Der Feststellungsabschlag entfällt auch dann nicht, wenn der Kläger damit rechnen darf, der Beklagte werde seinen Anspruch auf das Feststellungsurteil hin erfüllen, ohne dass eine Leistungsklage erforderlich wird, etwa weil der Beklagte die öffentliche Hand oder ein Versicherungsunternehmen ist.10 Dabei handelt es sich nur um eine Fallgruppe, in der die Feststellungsklage ausnahmsweise zulässig ist, selbst wenn bereits auf Leistung geklagt werden könnte.11 Die Zulässigkeit einer Klage spielt aber für deren Streitwert keine Rolle. Es bleibt daher grundsätzlich beim üblichen Abschlag von 20 %.12

2.1493 Eine ganz andere Frage ist es, ob eine Partei, die auf bezifferte Leistung klagen könnte, gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage haben kann. Das wird dann bejaht, wenn der Kläger mit der Feststellungsklage voraussichtlich schneller zum Ziel kommt, weil er davon ausgehen kann,

1 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, NZM 2009, 51; BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355; a.A. OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, AGS 2009, 187. 2 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912. 3 OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, AGS 2009, 187; OLG München, Beschl. v. 12.3.1998 – 20 W 1073/98; LAG Stuttgart, Beschl. v. 11.11.2014 – 5 Ta 122/14; a.A. BAG, Beschl. v. 22.9.2015 – 3 AZR 391/13, NZA 2015, 1471. 4 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 5 BGH, Urt. v. 12.7.2012 – VII ZR 134/11, NJW-RR 2012, 1107; BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89. 6 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526. 7 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526; OLG München, Beschl. v. 27.8.2018 – 24 W 725/18 (s. auch das Stichwort „Schadensersatz“, Rz. 2.4426–2.4430). 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.3.1982 – 1 W 8/82, AnwBl. 1982, 436. 9 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1969 – 11 W 104/68, JurBüro 1969, 978 m. zust. Anm. E. Schneider. 10 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829. 11 BGH, Beschl. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98, NJW-RR 1999, 362. 12 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829.

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Feststellungsklage

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2. Teil

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dass der Beklagte bereits auf das Feststellungsurteil hin leistet.1 Dabei geht es jedoch nur um die zivilprozessuale Zulässigkeit der Feststellungsklage, nicht um die Höhe des Streitwerts.2

IV. Negative Feststellungsklage Auch bei der negativen Feststellungsklage bemisst man den Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an der Feststellung, wobei insbesondere von Bedeutung ist, wie groß die bekämpfte Gefahr der Inanspruchnahme durch den Beklagten ist.3

2.1494

1. Kein Abschlag Nach zutreffender, absolut herrschender Ansicht ist bei der negativen Feststellungsklage kein Abschlag zu machen, sondern der Wert entsprechend dem Wert der Ansprüche festzusetzen, derer sich der Gegner berühmt und die mit der Klage bekämpft werden.4 Ein Abschlag verbietet sich, weil ein negatives Feststellungsurteil zur Aberkennung der geleugneten Forderung führt. Es hat dieselbe Wirkung wie ein Urteil, das die Leistungsklage des Gegners abweist.

2.1495

2. Berühmung des Beklagten Bestimmend für die Höhe des Streitwerts der negativen Feststellungsklage ist Forderung, derer sich der Beklagte berühmt, weil deren Nichtbestehen festgestellt werden soll.5 Darin enthaltene Zinsen sind wie bei der gegenläufigen Leistungsklage gem. § 4 ZPO als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend.6 Erklärt der Beklagte bereits vorprozessual eindeutig, nicht den vollen von ihm errechneten Betrag, sondern einen geringeren zu verlangen, kann das so verstanden werden, dass der Beklagte sich fortan nur noch des geringeren Anspruchs berühmen will.7

2.1496

Da auch das Prozessrecht von dem Grundsatz über Treu und Glauben beherrscht wird, soll die Berühmung des Beklagten jedoch ausnahmsweise nicht maßgebend sein, wenn die Gefahr einer Inanspruchnahme des Klägers außerordentlich gering ist und der Beklagte sich Ansprüche in solcher Höhe anmaßt, dass sie „aus der Luft gegriffen“ erscheinen, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass der Kläger auf erheblichen, beim (möglicherweise insolventen) Beklagten nicht einzutreibenden Kosten „sitzen“ bliebe.8 Das erscheint allerdings zweifelhaft, weil das Rechtsschutzinteresse des betroffenen negativen Feststellungsklägers wegen der geringen Gefahr einer Inanspruchnahme ebenfalls gering ist.9

2.1497

1 2 3 4

5

6 7 8 9

Siehe Zöller/Greger, § 256 ZPO Rz. 8 m.w.N. Vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98, NJW-RR 1999, 362. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. BGH, Beschl. v. 4.6.2019 – VIII ZB 76/18; BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464; BGH, Beschl. v. 7.6.1951 – III ZR 181/50, BGHZ 2, 276; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Braunschweig, Beschl. v. 1.4.1975 – 5 W 13/75, MDR 1975, 848; a.A. KG, Beschl. v. 23.5.1955 – 1 W 1409/55, NJW 1956, 1206; OLG Celle, Beschl. v. 2.2.1962 – 3 W 19/62, NJW 1962, 1065. BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464; Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, NJW 1997, 1787; KG, Beschl. v. 4.11.2008 – 5 W 389/07, JurBüro 2009, 194; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Dresden, Beschl. v. 30.6.2003 – 18 W 690/03, JurBüro 2004, 141; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.3.2002 – 5 W 100/02, JurBüro 2002, 310; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. OLG Koblenz, Beschl. v. 6.4.1995 – 5 W 159/95, MDR 1996, 103; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Dresden, Beschl. v. 30.6.2003 – 18 W 690/03, JurBüro 2004, 141; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.4.1995 – 5 W 159/95, MDR 1996, 103. Zweifelnd auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85.

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2. Teil

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Feststellungsklage

ZPO

2.1498 Die Schätzung des Klägers über den Umfang seiner möglichen Inanspruchnahme ist gegenüber der Berühmung des Beklagten unerheblich. Beruht die Berühmung des Beklagten allerdings selbst wiederum auf der Schätzung des Klägers, so ist auch diese nicht bindend, sondern es ist auf die objektive Schätzung des Gerichts abzustellen.1 Dadurch wird verhindert, dass der Beklagte durch offensichtlich falsche Bewertungen den Streitwert in die Höhe treibt.2

2.1499 Für den Streitwert ist es nicht von Belang, wenn der Beklagte eine zunächst hohe Berühmung im Verlaufe des Prozesses ermäßigt. Dadurch kann er nicht rückwirkend den Streitwert herabsetzen.3 Umgekehrt hat es aber auch keinen Einfluss auf den Streitwert, wenn der Beklagte lediglich für den Fall eines günstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme die Geltendmachung weiterer Forderungen in Aussicht stellt. Dies erhöht den Streitwert nicht.4 Das gilt sogar dann, wenn der Beklagte nach Rechtshängigkeit erklärt, auf einen Teil der Ansprüche, derer er sich berühmt hat, zu verzichten. Eine solche Einschränkung wird nur dadurch wertmäßig beachtlich, dass entweder die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt oder die Klage teilweise zurückgenommen wird.5

2.1500 Das Ziel einer negativen Feststellungsklage ist regelmäßig, den gesamten Anspruch zu verneinen, dessen sich der Gegner berühmt. Streitgegenstand kann aber – ebenso wie bei der Leistungsklage – auch ein Teil einer Forderung sein.6 Der Streitwert einer solchen Feststellungs-Teilklage ist dann gleich dem Wert des geltend gemachten Teilbetrages.7 Dass das mittelbare (wirtschaftliche) Interesse des Klägers sich auf den Gesamtbetrag der Forderung erstreckt und die Entscheidung des Gerichts (zwar nicht förmlich prozessual, wohl aber praktisch) den Rest mitklärt, wirkt sich streitwertmäßig nicht aus. 3. Gewerblicher Rechtsschutz und Abwehr von Unterlassungsansprüchen

2.1501 Entgegen teilweise vertretener Ansicht8 entspricht der Streitwert der negativen Feststellungsklage auch im gewerblichen Rechtsschutz dem der gegenläufigen Leistungsklage. Das Interesse des Klägers an der negativen Feststellung des behaupteten Anspruchs bestimmt den Streitwert auch im gewerblichen Rechtsschutz.9 Eine abweichende Sicht kann man nicht mit dem Schutz abmahnender Kleinunternehmer rechtfertigen, damit sie nicht durch abgemahnte Großunternehmen sogleich im Wege einer negativen Feststellungsklage mit einem Kostenrisiko belastet werden, welches zu dem vom Abmahner verfolgten Interesse außer Verhältnis steht.10 Dieser Gesichtspunkt kann nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG berücksichtigt werden.11

V. Zwischenfeststellungsklage 2.1502 Siehe dazu das gesonderte Stichwort „Zwischenfeststellungsklage“, Rz. 2.6419 ff.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.12.1932 – 2 W 832/32, JW 1933, 2228. OLG Königsberg, Beschl. v. 9.3.1931 – 7 W 1308/30, JW 1931, 1831. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 –4 WF 121/02, MDR 2003, 236. OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.6.1956 – 8 W 182/56, Rpfleger 1957, 97. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.4.1956 – 2 W 441/55, NJW 1956, 1483. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.4.1956 – 2 W 441/55, NJW 1956, 1483. OLG München, Beschl. v. 7.7.1986 – 6 W 1831/86, NJW-RR 1987, 128. BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – X ZB 3/90, MDR 1991, 959; OLG Rostock, Beschl. v. 9.4.2003 – 6 W 77/02, AGS 2004, 161; OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.2002 – 21 U 115/01; OLG Köln, Beschl. v. 16.4.1994 – 19 W 5/94; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 W 60/97; unklar: BGH, Beschl. v. 23.9.1970 – V ZR 4/70, NJW 1970, 2025; BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, NJW 1997, 1787. 10 So aber KG, Beschl. v. 4.11.2008 – 5 W 389/07, JurBüro 2009, 194. 11 Siehe dazu das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1832.

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2. Teil

Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde zulässig. Das erlaubt ausnahmsweise eine reine Tatsachenfeststellung als Streitgegenstand einer Klage.1 Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht, wenn zwischen den Parteien Rechtsbeziehungen bestehen, auf die die Urkunde Einfluss haben kann.2 Ob die Urkunde selbst das Recht verkörpert oder nur als Beweismittel dient, spielt für die Zulässigkeit der Feststellungsklage keine Rolle.3

2.1503

Der Streitwert der Feststellungsklage auf Echtheit einer Urkunde entspricht daher den Grundsätzen der Streitwertfestsetzung bei Klagen auf Herausgabe von Urkunden. Verkörpert die Urkunde selbst das Recht, ist dessen Wert nach § 6 ZPO maßgebend. Ansonsten ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers an der Verwendung der Urkunde als Beweismittel wertbestimmend. Einzelheiten dazu mögen beim Stichwort „Herausgabe“, Rz. 2.2117 ff. nachgelesen werden.

2.1504

B. Rechtsmittel und Beschwer Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Die Rechtsmittelinstanz kann die Wertfestsetzung der Tatsa- 2.1505 cheninstanz im Rahmen nur daraufhin überprüfen, ob die Ermessensentscheidung nach § 3 ZPO gesetzmäßig ausgeübt worden ist. So hat der BGH beispielsweise gebilligt, dass die Feststellungsklage betreffend die Verpflichtung zur Abnahme von Heizungswärme mit dem 26fachen Betrag der erstrebten jährlichen Kostenersparnis berechnet worden ist.4

C. ABC der Einzelfälle Stichwortübersicht Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters . Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausscheiden eines Gesellschafters . . . . . . . . Ausschließung eines Genossen . . . . . . . . . . Außergerichtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . Befreiung von Verbindlichkeiten . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentum(svorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filmvorführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücksnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenztabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 3 4

2.1506 2.1508 2.1509 2.1513 2.1515 2.1516 2.1517 2.1518 2.1519 2.1522 2.1527 2.1528 2.1529 2.1530 2.1531 2.1532 2.1533 2.1534 2.1535 2.1536 2.1537 2.1538 2.1539

Künftiger Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lastenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musterfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflegekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quittung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziales Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . Unerlaubte Handlung, vorsätzliche . . . . . . . Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werbefilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1543 2.1544 2.1545 2.1546 2.1549 2.1550 2.1551 2.1552 2.1553 2.1554 2.1556 2.1557 2.1559 2.1562 2.1563 2.1564 2.1565 2.1570 2.1571 2.1577 2.1578 2.1579 2.1582

RG, Urt. v. 14.5.1935 – III 301/34, RGZ 148, 29. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.7.2012 – 18 UF 227/10, FamRZ 2013, 232. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 256. BGH, Beschl. v. 14.12.1988 – VIII ZR 260/88, NJW-RR 1989, 381.

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VI. Feststellungsklage über die Echtheit einer Urkunde

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2. Teil

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Feststellungsklage

Wiederkehrende Leistungen . . . . . . . . . . . . . 2.1583 Wirksamkeit eines Vertrages . . . . . . . . . . . . . 2.1586 Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1587

Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1588 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2.1589

Aktien

2.1506 Der negativen Feststellungsklage einer Aktiengesellschaft, nicht verpflichtet zu sein, den Beklagten 57 Aktien im Nennwert von 1.000 DM zum Kurswert von 413 % anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin, die 57 Aktien zum Kurswert von 413 % anzubieten. Eine solche negative Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Die Vorschrift des § 6 ZPO ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Behaupten die Beklagten, der wirkliche Kurswert der Aktien belaufe sich auf 1100 %, so ist ihre Berühmung gleichbedeutend mit dem Ausdruck einer Gewinnerwartung i.H.v. (1100 %–413 % =) 687 % Kurswert-Differenz. Das Interesse der Klägerin geht deshalb auf Abwehr dieser Gewinnerwartung, die im Falle einer Abgabe der Aktien zu ihren Lasten ginge.

2.1507 Beruhen die gegensätzlichen Angaben der Parteien über den Kurswert der Aktien auf nicht glaubhaft gemachten Schätzungen, dann darf das Gericht nicht ohne weiteres die eine oder andere Schätzung als Berechnungsgrundlage für den Streitwert übernehmen. Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist es gerechtfertigt, in Anwendung des § 3 ZPO aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend, ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausgedrückte Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.1 Anfechtung

2.1508 Der Streitwert für eine negative Feststellungswiderklage, dass die vom Kläger erklärte Anfechtung einen von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrag nicht aufgelöst habe, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Im Rahmen der Schätzung des Streitwerts können die Grundsätze des § 9 ZPO herangezogen werden. Danach ist der Wert auf den 3 1/2-fachen Jahresbetrag der vereinbarten Versicherungsprämien zu schätzen.2 Annahmeverzug

2.1509 Durch die Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten wird die für §§ 756, 765 Nr. 1 ZPO erforderliche öffentliche Urkunde über den Annahmeverzug des Beklagten geschaffen, die die Zwangsvollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Titel ermöglicht, ohne nochmals die Gegenleistung anbieten zu müssen.

2.1510 Der nach § 3 ZPO zu schätzende Wert eines isolierten Feststellungsantrages liegt in dem Vorteil, die Kosten eines erneuten Leistungsangebots nicht aufwenden zu müssen.3

2.1511 Ob der Antrag auf Feststellung, der Beklagte befinde sich im Annahmeverzug, neben dem Zug um Zug gestellten Leistungsantrag des Klägers einen eigenen Wert hat, ist umstritten. Nach herrschender

1 OLG Köln, JurBüro 1971, 713. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 14.1.2008 – 16 W 14/08; OLG Köln, Urt. v. 18.7.1956 – 4 W 89/56, VersR 1958, 241 (noch zu § 9 ZPO a.F., wonach der 12,5-fache Jahresbetrag anzusetzen war). 3 Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 27; vgl. auch OLG Naumburg, Beschl. v. 27.10.1999 – 13 W 45/99; LG Essen, Beschl. v. 28.6.1999 – 10 S 268/99, MDR 1999, 1226; a.A. OLG Bremen, Urt. v. 21.6.2007 – 2 U 5/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, JurBüro 1994, 496, die 1 % des zu vollstreckenden Anspruchs ansetzen.

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Feststellungsklage

2. Teil

ZPO

Meinung ist er mit dem Zahlungsantrag wirtschaftlich identisch.1 Der Antrag erhöht daher weder den Gebührenstreitwert, noch die Beschwer des Klägers oder des Beklagten.2 Die Gegenansicht setzt für den Feststellungsantrag einen eigenen Wert an, den sie teilweise mit 1 % des zu vollstreckenden Anspruchs3 und teilweise mit dem Wert der ersparten Kosten für das Angebot in der Vollstreckung4 beziffert. Die herrschende Meinung trifft ist zu. Der Feststellungsantrag soll die Vollstreckung des Leistungs- 2.1512 tenors erleichtern. Der Zahlungsantrag wird aber bereits mit dem Nennbetrag der eingeklagten Forderung bewertet, ohne deren Werthaltigkeit zu berücksichtigen.5 Seinem Streitwert ist die vollständige Vollstreckung bereits immanent. Mehr als vollständig kann und soll kein Titel vollstreckt werden.6 Vollstreckungskosten oder deren Ersparnis sind wegen § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG nicht streitwertrelevant. Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Berühmt sich ein Vertreter nach Auflösung des mehrjährigen Vertretungsverhältnisses eines nichtbezifferten Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB, dann kann der Streitwert für eine negative Feststellungsklage nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 1/3 des Jahresverdienstes festgesetzt werden.7 Bei einer bezifferten negativen Feststellungsklage beläuft sich der Streitwert auf den Betrag der Forderung, derer sich der Handelsvertreter berühmt.

2.1513

Bei der Klage auf Feststellung, dass die Kündigung des Handelsvertreters gerechtfertigt gewesen sei, ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Vertragsauflösung abzustellen. Maßgebend sind also die objektiv zu ermittelnden Vorteile und Nachteile, die sich bei Aufrechterhaltung bzw. bei Auflösung des Vertrages ergeben.8

2.1514

Ausgleichspflicht Bei einer Klage auf Feststellung der erbrechtlichen Ausgleichspflicht i.S.d. § 2050 BGB ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an dem Ausgleich hat.9

2.1515

Ausscheiden eines Gesellschafters Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung, dass der Beklagte nicht mehr 2.1516 Gesellschafter ist. Der Streitwert bestimmt sich weder nach der Höhe des Kapitalanteils des Klägers noch nach der Höhe des Kapitalanteils des Beklagten, sondern lediglich nach der Veränderung des Ertragswertes des Kapitalanteils des Klägers, die bei einer gesellschaftsrechtlichen Veränderung eintreten würde. Die Höhe dieser Veränderung ist nach § 3 ZPO zu schätzen.10

1 BGH, Beschl. v. 29.10.2020 – I ZR 172/19; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – XI ZB 40/09, MDR 2010, 1087; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185. 2 BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VIII ZR 290/19, MDR 2021, 53. 3 OLG Bremen, Urt. v. 21.6.2007 – 2 U 5/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, JurBüro 1994, 496. 4 OLG Naumburg, Beschl. v. 27.10.1999 – 13 W 45/99; LG Essen, Beschl. v. 28.6.1999 – 10 S 268/99, MDR 1999, 1226. 5 Vgl. OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15, NZI 2015, 192, s. dazu das Stichwort „Geldforderung“, Rz. 2.1698. 6 OLG München, Beschl. v. 29.10.2014 – 20 W 2094/14. 7 OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 515. 8 OLG München, AnwBl. 1977, 468. 9 BGH, Beschl. v. 3.10.1956 – IV ZR 208/56, Rpfleger 1957, 247. 10 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 829.

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2. Teil

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Feststellungsklage

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Ausschließung eines Genossen

2.1517 Für den Streitwert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausschließung eines Genossen ist lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für jeden Genossen hat. Es ist also weder auf den Mietwert der Genossenschaftswohnung, noch auf den Wert des dem Genossen als Vorstandsmitglied zustehenden Gehaltsanspruchs abzustellen.1 Außergerichtlicher Vergleich

2.1518 Soll gerichtlich festgestellt werden, ein außergerichtlich abgeschlossener Vergleich sei wirksam zustande gekommen und bestehe fort, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der Rechtsstellung und den Ansprüchen, die ihm aus dem Vergleichsvertrag zukommen. Etwa von ihm aufgrund des Vergleichs geschuldete Gegenleistungen sind nicht abzuziehen. Bei einer positiven Feststellungsklage ist der übliche Wertabschlag von 20 % vorzunehmen. Befreiung von Verbindlichkeiten

2.1519 Die Bewertungsgrundsätze für den Leistungsantrag auf Freistellung gelten nach § 3 ZPO auch bei einem Feststellungsbegehren des Klägers, der Beklagte habe ihn vom Anspruch eines Dritten freizustellen. Davon ist dann ein Feststellungsabschlag zu machen, weil das Feststellungsurteil nicht vollstreckbar ist.2 Der Abschlag beträgt grundsätzlich 20 % gegenüber der Leistungsklage.3

2.1520 Hat der Dritte, dessen Ansprüche der Kläger auf den Beklagten abwälzen will, seine Regressforderung beziffert, beeinflusst das den Streitwert nur, wenn der Kläger diese Bezifferung übernimmt oder konkrete Wertangaben daraus herleitet.4

2.1521 Beantragt der Kläger, der Beklagte möge ihn von Forderungen freistellen, die er dem Beklagten schuldet, liegt in Wahrheit eine negative Feststellungsklage vor.5 Demgemäß entspricht der Streitwert der Forderung ohne Abzug. Bürgschaft

2.1522 Bei der Klage auf Feststellung einer Bürgschaftsverpflichtung richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der Höhe der Hauptforderung, soweit der Bürge haftet. Die u.a. durch die Solvenz des Hauptschuldners bedingte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bleibt außer Betracht.6

2.1523 Grundsätzlich maßgebend ist die Hauptforderung. Das gilt auch dann, wenn der Bürgschaftsgläubiger den Bürgen wahrscheinlich nur wegen eines geringeren Betrages in Anspruch nehmen wird.7

1 OGH, Rpfleger 1949, 469. 2 BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.1983 – 17 W 47/82; JurBüro 1983, 1561; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, MDR 1998, 1310. 3 BGH, Beschl. v. 28.11.2019 – IV ZR 70/19. 4 OLG Köln, v. 8.5.1978 – 2 U 48/78; JurBüro 1978, 1062; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 48. 5 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17. 6 RG, v. 19.11.1897 – III 220/97; JW 1898, 3; KG, Beschl. v. 26.2.1912 – 16. ZS., OLGE 25, 46; KG, Beschl. v. 14.8.1933 – 8 W 6586/33, JW 1933, 2402; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.2.1956 – 8 W 37/56, Rpfleger 1957, 97; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168. 7 OLG München, Beschl. v. 30.4.1954 – 6 W 876/54, Rpfleger 1956, 58; so wohl auch BGH, Beschl. v. 15.2.2006 – VIII ZB 93/04, WuM 2006, 215; a.A. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.1936 – 7 W 83/36, JW 1936, 2574; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678.

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Feststellungsklage

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2. Teil

2.1524

Eine Klage gegen den Bürgen, mit der dessen Pflicht zur Zahlung der Bürgschaftssumme festgestellt werden soll, ist hingegen ein Feststellungsabschlag von 20 % zu machen, weil das Klageziel hinter einer Leistungsklage zurückbleibt.2

2.1524a

Bei der negativen Feststellungsklage auf Unwirksamkeit einer Höchstbetragsbürgschaft ist von der noch valutierten Hauptschuld auszugehen und für den nicht valutierten Teil der Bürgschaft eine nach § 3 ZPO zu schätzende Quote anzusetzen, weil sich die Forderung wieder erhöhen kann, beispielsweise wegen der Zinsen. Das OLG Karlsruhe hat den Wert des nicht valutierten Teils mit 30 % angesetzt.3

2.1525

Beispiel: Die negative Feststellungsklage wird hinsichtlich einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 t erhoben. Die Hauptschuld beläuft sich im Zeitpunkt der Klageerhebung auf 20.000 t. Damit setzt sich der Streitwert aus 20.000 t Hauptschuld zzgl. 30 % des nicht valutierten Teils von 30.000 t (= 9.000 t) zusammen und beträgt 29.000 t.

2.1526

ZPO

Lautet die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nach dem Prinzip des § 6 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG für die Höhe des Streitwerts nur die Klageforderung maßgebend.1

Darlehen Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, ein Darlehensvertrag habe sich durch Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, ergibt sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG aus der Summe der vom Darlehensnehmer bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, wenn es sich nicht um einen verbundenen Vertrag i.S.v. § 358 BGB handelt.4 Beim Widerruf eines verbundenen Vertrages entspricht der Streitwert dagegen dem Nettodarlehensbetrag.5 Der Streitwert einer Klage des Darlehensnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Darlehenskündigung bestimmt sich nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluta ohne Abschlag.6 Der Sache nach handelt es sich nämlich um eine negative Feststellungsklage, die Valuta (derzeit) nicht zahlen zu müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Stichwort „Darlehen“, Rz. 2.862–2.866, 2.869 verwiesen.

2.1527

Dauerschuldverhältnisse Der Streitwert für Feststellungsklagen, die Dauerschuldverhältnisse betreffen, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Grundsätzlich kann dabei nach dem Rechtsgedanken des § 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahreswert abzgl. 20 % Feststellungsabschlag zugrunde gelegt werden.

2.1528

Dritter Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen anderen Personen geschlossenen Ver- 2.1529 trages, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten.7 Der dafür angemessene Wert ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Das gilt auch dann, wenn zwischen den eigentlichen Vertragsparteien der Streitwert nach einer Sondervorschrift (z.B. § 8 ZPO für eine Jagdpacht) zu

1 OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678. 2 BGH, Beschl. v. 15.10.2019 – XI ZR 160/19. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1991 – 17 W 10/91, MDR 1991, 1197. Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Bürgschaft“, Rz. 2.810–2.818. 4 BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, MDR 2016, 480. 5 BGH, Beschl. v. 7.4.2015 – XI ZR 121/14, BGH, Beschl. v. 29.5.2015 – XI ZR 335/13. 6 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 7 BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – II ZR 256/10, AGS 2012, 571.

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2. Teil

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Feststellungsklage

ZPO

bewerten wäre.1 Jedoch kann man den für das Vertragsverhältnis als solches maßgebenden Streitwert als Anhaltspunkt für die freie Schätzung heranziehen.2 Eigentum(svorbehalt)

2.1530 Klagen auf Feststellung der Eigentumsverhältnisse an einer Sache haben als Streitwert den Wert der betroffenen Sache ohne Abschlag.3 § 6 Satz 1 ZPO erfasst unterschiedslos Leistungs- und Feststellungsanträge. Erbengemeinschaft

2.1531 Bei der Klage auf positive Feststellung der Erben- oder Miterbeneigenschaft ist ein Abzug von 20 % wegen bloßer Feststellung zu machen.4 Unstreitige Pflichtteilsansprüche sind vom Streitwert abzuziehen.5 Die Beschwer eines Beklagten, der gegen die Feststellung wendet, nicht Erbe geworden zu sein, ist dagegen mit dem vollen Nachlasswert ohne Abschlag anzusetzen.6 Es handelt sich nämlich in der Sache um eine negative Feststellung, die alle erbrechtlichen Ansprüche ausschließt. Erbunwürdigkeit

2.1532 Siehe dazu das gesonderte Stichwort „Erbunwürdigkeit“, Rz. 2.1296 ff. Erbvertrag

2.1533 Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag ist gem. § 3 ZPO mit dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Vertrages zu bemessen, das teilweise mit 1/4 des Erblasservermögens pauschaliert wird.7 Fälligkeit

2.1534 Wird negativ auf Feststellung geklagt, der Betrag einer an sich unstreitigen Forderung sei noch nicht fällig, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.8 Für die Bewertung ist maßgebend das Interesse des Klägers, zurzeit noch nicht leisten zu müssen und damit beispielsweise einen günstigen Kredit noch länger nutzen zu können. Filmvorführung

2.1535 Bei einer Feststellungsklage dahingehend, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Filmtheater durch die Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst sei, sondern noch bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, berechnet sich der Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für die restliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.9

1 RG, Urt. v. 19.3.1910 – VI 463/09, Warneyer 1910, Nr. 381; BGH, Urt. v. 3.12.1954 – V ZR 114/53, Rpfleger 1955, 101. 2 RG, Urt. v. 19.3.1910 – VI 463/09, Warneyer, 1910, Nr. 381. 3 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – V ZR 270/17; KG, Beschl. v. 14.8.1969 – 1 W 2711/69, MDR 1970, 152; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 13.7.1994 – 4 W 34/94, MDR 1995, 212. 4 BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656; OLG Köln, Urt. v. 27.5.1979 – 2 U 127/77, JurBüro 1979, 1704. 5 BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, MDR 1975, 389. 6 BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, ZEV 2007, 134. 7 OLG Celle, Beschl. V. 15.12.1961 – 7 W 66/61, NJW 1962, 540. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1982 – 3 W 33/82, JurBüro 1982, 1245. 9 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1969 – 11 W 104/68, JurBüro 1969, 978 m. Anm. Schneider.

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Feststellungsklage

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2. Teil

Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.1

2.1536

Grundstücksnutzung Der Streitwert des Anspruchs eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, ein Kfz-Besitzer habe für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld zu entrichten, ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bemessen.2

2.1537

Insolvenztabelle Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage, mit der die Feststellung einer angemel- 2.1538 deten Forderung zur Insolvenztabelle begehrt wird, bestimmt sich gem. § 182 InsO nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Masse für die Forderung zu erwarten ist. Den Streitwert errechnet man somit anhand der zu schätzenden Insolvenzquote.3 Ist keine Quote für die angemeldete Forderung zu erwarten, ist die niedrigste Streitwertstufe „bis 500 Euro“ anzusetzen.4 Das gilt auch dann, wenn der Kläger ein werthaltiges Absonderungsrecht nach § 110 VVG an einem Befreiungsanspruch des Insolvenzschuldners gegenüber seinem Berufshaftpflichtversicherer hat, weil das Absonderungsrecht nicht Streitgegenstand ist.5 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Stichwort „Insolvenzverfahren“, Rz. 2.2330 ff. verwiesen. Wegen Klagen auf Feststellung, die angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung s. unten unter „Unerlaubte Handlung, vorsätzliche“, Rz. 2.1569. Kündigung Der Wert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer (fristlosen) Kündigung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Fortführung des Vertrages. Entscheidend kann beispielsweise die Höhe des durch die Kündigung entgangenen Gewinns sein.6 Das OLG Stuttgart hat hinsichtlich eines (gekündigten) Franchisevertrages nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO geschätzt, da auf diesen weder §§ 41, 42 GKG noch § 9 ZPO anwendbar seien.

2.1539

Wird auf Feststellung geklagt, dass die gegenüber einem Handelsvertreter ausgesprochene Kündigung zu Recht erfolgt sei, so ist der Streitwert ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.7 Ausschlaggebend ist das wirtschaftliche Interesse an der Auflösung des Vertrages, also die gegeneinander abzuwägenden Vorteile und Nachteile, die sich bei Aufrechterhaltung bzw. Auflösung des Vertrages ergeben.8 Abzustellen ist auf den durchschnittlichen Provisionsausfall bis zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung bei ordentlicher Kündigung und einem etwaigen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, (jeweils) gekürzt um einen Abschlag von 20 %.9

2.1540

1 2 3 4

5 6 7 8 9

BGH, JurBüro 1975, 1197; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83. OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.4.1965 – 2 W 16/65, JurBüro 1965, 920. BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351. BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.2019 – 6 W 21/19, ZIP 2019, 1818; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.1986 – 8 U 240/85, ZIP 1986, 1063, das dann 10 % der angemeldeten Forderung ansetzen will. Das erscheint willkürlich, da Insolvenzquoten wesentlich geringer zu sein pflegen. BGH, Beschl. v. 27.6.2019 – III ZR 190/18. OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2006 – 5 W 65/06, JurBüro 2007, 144. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.9.1965 – 2 W 31/65, Rpfleger 1967, 1. OLG München, AnwBl. 1977, 468. OLG Köln, Urt. v. 20.7.2001 – 19 U 219/00, AGS 2002, 64; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, OLGR 1999, 139.

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Gesetzliche Erbfolge

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2. Teil

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Feststellungsklage

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2.1541 Der Gebührenstreitwert einer (nicht arbeitsrechtlichen) Klage auf Feststellung der (Un-)Wirksamkeit eines Dienstverhältnisses (z.B. eines Organs einer juristischen Person) ist nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen;1 die Wertberechnung nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG mag aber als Anhaltspunkt dienen.2

2.1542 Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Miet- oder Pachtverhältnis infolge fristloser Kündigung – seit einem bestimmten Tag – nicht mehr besteht, ist nach § 41 GKG (ohne Abschlag) zu bemessen. Dies gilt auch dann, wenn feststeht, dass es inzwischen auch ohne diese Kündigung an einem späteren Tage beendet gewesen wäre.3 Wird die Feststellungsklage auf mehrere Kündigungen gestützt, erhöht dies den Streitwert nicht.4 § 41 GKG ist insoweit auch für die negative Feststellungsklage maßgebend.5 Dagegen richtet sich der Streitwert für die Feststellung der Kündigungsmöglichkeit eines Miet- oder Pachtverhältnisses nach § 3 ZPO ohne Berücksichtigung der in § 41 GKG bestimmten Höchstgrenzen.6 Künftiger Schaden

2.1543 Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden, die zukünftig aus dem Schadensereignis entstehen, ist der Streitwert nach den ab Klageeinreichung entstehenden Schäden zu bemessen, die gem. § 3 ZPO zu schätzen sind.7 Bei der Schätzung ist zu berücksichtigten, wie hoch der drohende Schaden und wie wahrscheinlich der Schadenseintritt ist.8 Dabei ist ein höherer Abschlag zu machen, weil in aller Regel das Gegenwartsinteresse an einer Feststellung geringer ist, die erst in der Zukunft Wirkungen auslöst.9 Bei einem zwar möglichen, aber nahezu unwahrscheinlichen Schadenseintritt kann der Streitwert so niedrig bemessen werden, dass er nur noch die Funktion eines „Erinnerungswertes“ hat.10 Lastenausgleich

2.1544 Das Begehren auf Freistellung vom Lastenausgleich stellt sich als ein Anspruch auf Feststellung dahin dar, dass der Beklagte verpflichtet sein soll, den Kläger von dessen Verbindlichkeiten zu befreien, so dass der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und nicht nach § 9 ZPO zu bestimmen ist.11 Mietminderung

2.1545 Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung, die Miete sei gemindert, ist nicht analog § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG, sondern nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der streitigen Mietminderung zu bewerten.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213. OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13. BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, NZM 2009, 51; BGH, MDR 1958, 601. KG, Beschl. v. 12.1.2012 – 8 W 31/11, MDR 2012, 455. KG, Beschl. v. 12.1.2012 – 8 W 31/11, MDR 2012, 455. OLG Frankfurt, Urt. v. 23.12.1966 – 11 U 22/66, MDR 1967, 313. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 W 318/16, NJW-RR 2017, 64. BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2019 – 12 W 35/19. OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.1959 – 2 W 2/59, BB 1959, 460. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.1974 – 12 W 102/74, JurBüro 1975, 232. OLG Neustadt, Beschl. v. 17.2.1954 – 1 W 5/54, Rpfleger 1955, 138. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZR 43/15, MDR 2016, 1037.

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Feststellungsklage

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2. Teil

Bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 41 Abs. 1 GKG,1 nicht nach § 8 ZPO. Die Wertberechnung nach § 8 ZPO ist nur für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelwert (Beschwer) maßgeblich.2

2.1546

Soll in einem Rechtsstreit bei unstreitig bestehendem Mietvertrag hingegen nur festgestellt werden, ob der Mieter die Sache in einer bestimmten Art und Weise nutzen darf, richtet sich der Streitwert dagegen nach § 3 ZPO.3 Eine negative Feststellungsklage, laufende Miete nicht zahlen zu müssen, ist nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des Mietzinses zu bewerten.4

2.1547

Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. nach.

2.1548

Musterfeststellungsklage

2.1549

Siehe dazu das gesonderte Stichwort „Musterfeststellungsklage“, Rz. 2.3482 ff. Nichtigkeit Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Vertrages ist das vom Kläger verfolgte Interesse maßgebend, dass der Vertrag nicht besteht.5 Es ist mit dem ungeschmälerten Wert der Leistung zu bemessen, von der die Nichtigkeit den Kläger freistellt oder die er zurückerhält, wenn er sie schon erbracht hat.6 Klagt der Käufer auf Feststellung der Nichtigkeit ist daher der Kaufpreis als Streitwert anzusetzen.7 Bei einer Klage des Verkäufers ist der Streitwert dagegen gleich dem Verkehrswert der Kaufsache.8 Ist ein Grundstückskaufvertrag erst teilweise vollzogen und hat der Käufer noch nicht das Eigentum, sondern nur eine Auflassungsvormerkung erlangt, ist nur ein Bruchteil des Werts anzusetzen.9 Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrags, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten.10

2.1550

Pacht Der Wert einer Klage auf Feststellung, der Kläger sei nach dem Ende des Pachtverhältnisses nicht verpflichtet, auf dem Pachtgrundstück errichtete Bauten zu entfernen, ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach den vom Kläger aufzubringenden Beseitigungskosten ohne weiteren Abschlag zu ermitteln.11 § 8 ZPO ist unanwendbar, da nicht der Bestand des Pachtvertrages, sondern nur die Beseitigungspflicht des Klägers im Streit steht.

2.1551

Pflegekosten Werden Pflegekosten wegen der Verletzung aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, dann ist für die Bewertung von den jährlichen Aufwendungen für die Pflege auszugehen, die gem. § 9 Satz 1 ZPO auf 1 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, NZM 2009, 51. 2 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980; BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657. 3 BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 382/19, MDR 2020, 191. 4 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.9.1953 – 2 W 277/53, NJW 1953, 1918. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597. 8 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749. 9 KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18. 10 BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – II ZR 256/10, AGS 2012, 571. 11 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352.

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2.1552

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Mietvertrag

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2. Teil

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Feststellungsklage

ZPO

den dreieinhalbfachen Betrag zu erhöhen sind.1 Hiervon ist dann bei der positiven Feststellungsklage ein Abzug von 20 % zu machen. Quittung

2.1553 Das Interesse an der Feststellung der Echtheit einer Quittung ist nach § 3 ZPO gering zu bewerten, weil diese einen Zahlungsnachweis allenfalls erleichtern kann.2 Rente

2.1554 Soweit nicht die Umstände eines Einzelfalls Anlass zu einer anderen Feststellung des Streitwertes geben, kann bei einem Feststellungsantrag, der eine Zahlungspflicht für eine Berufsunfähigkeitsrente3 oder eine auf einem Unfall beruhende Jahresrente4 zum Gegenstand hat, in der Regel der dreieinhalbfache Jahresbetrag abzgl. 20 % Feststellungsabschlag zugrunde gelegt werden.

2.1555 Weitere Einzelheiten schlage man beim gesonderten Stichwort „Rente“, Rz. 2.4333 ff. nach. Rückstände

2.1556 Ob § 42 Abs. 3 GKG, wonach die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzugerechnet werden, auf Feststellungsklagen anzuwenden ist, ist streitig. Eine Auffassung verneint dies, weil Feststellungsklagen sich ihrem Wesen nach nur auf zukünftige Leistungen bezögen.5 Die Gegenauffassung rechnet die Rückstände dagegen hinzu.6 Nach der zutreffenden vermittelnden Auffassung hängt die Frage von der Auslegung des Feststellungsantrages ab. Umfasst er auch die Rückstände, ist § 42 Abs. 3 GKG anwendbar.7 Rücktritt

2.1557 Maßgebend für den Wert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts ist das nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewertende Interesse des Klägers an der Befreiung von seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen.8

2.1558 Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag ist gem. § 3 ZPO mit dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Vertrages zu bemessen, das teilweise mit 1/4 des Erblasservermögens pauschaliert wird.9 Schadensersatzpflicht

2.1559 Bei Klagen auf Feststellung einer Ersatzpflicht für bereits entstandenen Schaden ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen und der übliche zwanzigprozentige Abschlag gegenüber einem Leistungsantrag vorzunehmen.

2.1560 Erfasst der Feststellungsantrag nur Schäden, die zukünftig aus dem Schadensereignis entstehen, ist der Streitwert des Feststellungsbegehrens nach den ab Klageeinreichung entstehenden Schäden zu 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.1970 – 1 W 153/70, JurBüro 1971, 539. Vgl. RG, Urt. v. 5.7.1902 – V 173/02, JW 1902, 418. LG Kleve, Urt. v. 14.6.2018 – 6 O 90/14, VersR 2019, 279. Vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.1951 – III ZR 151/50, BGHZ 1, 43; RG, Urt. v. 28.1.1941 – VI 92/40, RGZ 166, 74. OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.1987 – 1 WF 340/87, JurBüro 1988, 778; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.1996 – 5 WF 2/96, FamRZ 1997, 39. OLG Schleswig, Beschl. v. 6.3.1981 – 8 WF 27/81, SchlHA 1981, 119. OLG Köln, Beschl. v. 8.1.2001 – 27 WF 228/00, FamRZ 2001, 1385. OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235. OLG Celle, Beschl. v. 15.12.1961 – 7 W 66/61, NJW 1962, 540.

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Feststellungsklage

2. Teil

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Stichwort „Schadensersatz“, Rz. 2.4425–2.4430 verwiesen.

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bemessen, die nach § 3 ZPO zu schätzen sind.1 Bei der Schätzung ist zu berücksichtigten, wie hoch der drohende Schaden und wie wahrscheinlich der Schadenseintritt ist.2 Dabei ist ein höherer Abschlag zu machen, weil in aller Regel das Gegenwartsinteresse an einer Feststellung geringer ist, die erst in der Zukunft Wirkungen auslöst.3 Bei einem zwar möglichen, aber nahezu unwahrscheinlichen Schadenseintritt kann der Streitwert so niedrig bemessen werden, dass er nur noch die Funktion eines „Erinnerungswertes“ hat.4

2.1561

Soziales Netzwerk Den Streitwert bei Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit vorübergehender Sperren von Nut- 2.1562 zerkonten in sozialen Netzwerken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG) bestimmt man nach § 48 Abs. 2 GKG. Er ist niedriger anzusetzen als bei Rechtsstreitigkeiten wegen ehrverletzender Äußerungen, weil Ehrverletzungen stärker in das Persönlichkeitsrecht eingreifen.5 Entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sind 5.000 t Ausgangspunkt der Bewertung.6 Wertbeeinflussende Gesichtspunkte sind die Marktmacht des sozialen Netzwerkes und der zeitliche und inhaltliche Umfang der Sperre.7 Eine nur 3tägige Versetzung des Nutzerkontos einer Privatperson in den Nurlesemodus rechtfertigt auch bei einem verbreiteten sozialen Netzwerk keinen 500 t übersteigenden Wert.8 Bei 30 Tagen ist bei Leistungsklagen regelmäßig ein Streitwert von 2.500 t angemessen, bei Feststellungsanträgen sind die üblichen 20 % abzuschlagen.9 Dieser Wert ist bei mehreren oder längeren Kontosperrungen nicht mit der Zahl der Sperren oder der gesperrten Monate zu multiplizieren, sondern nur moderat zu erhöhen, um zu verhindern, dass der Streitwert das Interesse des Nutzers an der Sache erkennbar übersteigt.10 Telefon Der Streitwert einer Feststellungsklage, ein Telefonvertrag sei wirksam oder unwirksam, ist grund- 2.1563 sätzlich gem. §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahreswert anzusetzen. Regelmäßig wird wegen § 9 Satz 2 ZPO ein geringerer Zeitraum maßgeblich sein, weil die Verträge meist nur Laufzeiten von einem Jahr aufweisen.11 Das Interesse des Klägers an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Mobilfunkvertrages entspricht der Höhe der Schadensersatzforderung des Beklagten aus der Vertragsauflösung.12 Anzusetzen sind dabei die monatlichen Grundgebühren sowie ein eventueller monatlicher Mindestumsatz für die (restliche) Vertragslaufzeit. Testamentsvollstreckung Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstre- 2.1564 ckung unterliegt, auf Feststellung, die Testamentsvollstreckung sei beendet, so kommt im Hinblick

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 W 318/16, NJW-RR 2017, 64. 2 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2019 – 12 W 35/19, AGS 2019, 522. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.1959 – 2 W 2/59, BB 1959, 460. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.1974 – 12 W 102/74, JurBüro 1975, 232. 5 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 6 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 7 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235. 8 BGH, Beschl. v. 28.1.2021 – III ZR 162/20. 9 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/20, MMR 2021, 235; BGH, Beschl. v. 28.1.2021 – III ZR 156/20. 10 BGH, Beschl. v. 28.1.2021 – III ZR 156/20. 11 So i.Erg. auch LG Koblenz, Urt. v. 17.9.2008 – 12 S 79/08, CR 2009, 166, das freilich § 41 GKG anwendet. 12 AG Düsseldorf, Urt. v. 15.6.2000 – 34 C 3564/00, NJW-RR 2001, 275.

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2. Teil

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Feststellungsklage

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auf die Wirkungen der Testamentsvollstreckung als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern nur ein deutlich geringerer Betrag in Betracht.1 Unerlaubte Handlung, vorsätzliche

2.1565 Die Feststellung, ein zuerkannter Schadensersatzanspruch beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, bringt dem Gläubiger Vorteile bei der Zwangsvollstreckung (§ 850f Abs. 2 ZPO), bei der Aufrechnung (§ 393 BGB) und im Insolvenzfall (§ 302 Nr. 1, § 174 Abs. 2 InsO). Sie verbessert somit seine Aussicht, den Zahlungstitel realisieren zu können.

2.1566 Die Klage kann isoliert als sog. titelergänzende Feststellungsklage erhoben werden. Sie ist zulässig, wenn der Zahlungsanspruch bereits durch einen Vollstreckungsbescheid tituliert worden ist.2 Bei einem Urteil, welches den Lebenssachverhalt rechtlich anders eingeordnet hat, ist sie bei nachträglich neu bekannt gewordenen Umständen zulässig.3 Die Klage ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Interesse des Klägers an den Vorteilen bei der Verwirklichung zu bemessen. Diese sind zweckmäßigerweise mit einem Bruchteil der titulierten Forderung zu bemessen, dessen Höhe sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet.4 Bei einer isolierten Feststellungsklage für eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung ist der Rechtsmittelstreitwert für eine Berufung des verurteilten Beklagten mit 1/20 der Forderung zu bemessen, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet und die Restschuldbefreiung ungewiss ist.5

2.1567 In der Rechtsprechung ist umstritten, ob der Antrag neben einem Zahlungsantrag streitwerterhöhend ist. Teils wird das insgesamt verneint,6 teils jedenfalls für den Fall, wenn die Klageforderung ausschließlich auf ein Vorsatzdelikt gestützt wird, weil es für das Vollstreckungsprivileg nach § 850 f Abs. 2 ZPO reiche, wenn sich die vorsätzliche unerlaubte Handlung aus den Urteilsgründen ergibt.7 Wenn nach dem Klagevorbringen auch ein anderer Rechtsgrund als eine vorsätzliche unerlaubte Handlung in Betracht kommt, setzen Teile der Rechtsprechung einen geringfügigen Wert für den Feststellungsantrag an, der entweder mit einem Bruchteil von höchstens 5 % der Klageforderung8 oder mit der niedrigsten Gebührenstufe von bis 500 t bewertet wird.9 Nach anderer Ansicht kann als Wert die volle Forderungshöhe angesetzt werden, wenn das Interesse des Klägers im konkreten Einzelfall darin besteht, dass er aufgrund dieses Feststellungsurteils auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens unbeschränkt gegen den Schuldner vollstrecken kann.10

2.1568 Nach zutreffender Auffassung hat der Feststellungsantrag, die Forderung beruhe auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung, neben einem Zahlungsantrag nie einen eigenen Streitwert, weil er mit dem Leis-

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90. 2 BGH, Beschl. v. 5.4.2005 – VII ZB 17/05, MDR 2005, 1014. 3 BGH, Urt. v. 30.1.1989 – II ZR 215/88, MDR 1990, 317; OLG Saarbrücken, Urt. v. 21.6.2007 – 8 U 118/06. 4 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2008 – 8 W 109/08, JurBüro 2009, 257: 4 %; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.76. 5 BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – II ZA 9/18. 6 OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15, NZI 2015, 192; OLG Jena, Beschl. v. 5.7.2010 – 4 W 277/10, MDR 2010, 1211; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.12.2008 – 7 W 79/08, MDR 2009, 654; offengelassen: OLG Koblenz, Beschl. v. 21.10.2015 – 12 W 685/15. 7 BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.6.2014 – 1 AR 8/14 (Zust). 8 OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50. 9 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648; AG Leipzig, Beschl. v. 10.11.2013 – 164 C 6914/03, ZMR 2005, 131. 10 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.10.2007 – 12 W 70/07, JurBüro 2007, 648; OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2006 – 27 W 41/06; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.11.2005 – 4 U 72/05; OLG Celle, Urt. v. 7.9.2006 – 6 U 66/06.

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Feststellungsklage

2. Teil

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tungsantrag stets wirtschaftlich identisch ist.1 Er bezweckt, die Vollstreckungsaussichten des Zahlungstitels zu verbessern. Der Zahlungsantrag wird aber bereits mit dem Nennbetrag der eingeklagten Forderung ohne Rücksicht auf deren Werthaltigkeit beziffert2 (s. dazu das Stichwort „Geldforderung“, Rz. 2.1698). Seinem Streitwert ist die vollständige Vollstreckung bereits immanent. Mehr als vollständig kann und soll der Titel nicht vollstreckt werden.3 Ist Gegenstand der Klage gem. § 184 InsO hingegen die Feststellung einer Forderung zur Insolvenz- 2.1569 tabelle und wird zusätzlich die Feststellung begehrt, sie beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, liegt keine wirtschaftliche Identität vor. Der Streitwert einer Feststellung zur Insolvenztabelle bestimmt sich gem. § 182 InsO nach der zu erwartenden Insolvenzquote. Da eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung auch bei einer Restschuldbefreiung nicht erlischt, ist ein Mehrwert anzusetzen, der sich an den künftigen Vollstreckungsaussichten orientiert.4 Der gem. § 3 ZPO nach den Umständen des Einzelfalls zu schätzende Wert ist mit einem Bruchteil der angemeldeten Forderung zu bemessen.5 Dasselbe gilt bei negativen Feststellungsklagen des Insolvenzschuldners, die Forderung beruhe nicht auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung.6 Verein Die gegen einen Idealverein gerichtete Klage auf Feststellung, der Vorstand sei nicht rechtmäßig gewählt worden, ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG. Die besondere Bedeutung eines solchen Streits für einen Verein rechtfertigt auch bei sonst durchschnittlichen Verhältnissen regelmäßig die Festsetzung eines verhältnismäßig hohen Streitwerts.7 Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Verein“, Rz. 2.5022 ff. nach.

2.1570

Versicherungsschutz Macht der Versicherungsnehmer mit der Klage den Fortbestand eines Versicherungsvertrages (trotz Anfechtung oder Rücktritt des Versicherers) geltend, ist gem. § 3 ZPO sein Interesse am Fortbestand des Vertrages anzusetzen. Wie es zu beziffern ist, richtet sich nach der Art des Versicherungsvertrages. Dazu lese man beim Stichwort „Versicherungsschutz“ die Rz. 2.5447–2.5461 nach.

2.1571

Den Streitwert einer Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers ermittelt man grundsätzlich, indem man zunächst den Wert der entsprechenden Leistungsklage bestimmt und dann 20 % abschlägt, weil nur Feststellung begehrt wird.8 Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Versicherungsschutz“ unter Rz. 2.5465 nach.

2.1572

Klagt der Versicherer auf (negative) Feststellung des Nichtbestehens des Versicherungsvertrags, ist 2.1573 wertmäßig von seinem Interesse an der Nichtzahlung der Versicherungssumme auszugehen.9 Will er den (Fort-)Bestand des Vertrages dagegen positiv festgestellt wissen, richtet sich der Wert nach seinem Interesse, die vereinbarten Prämien zu erhalten, das gem. §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jah-

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OLG München, Beschl. v. 29.10.2014 – 20 W 2094/14. OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15, NZI 2015, 192. OLG München, Beschl. v. 29.10.2014 – 20 W 2094/14. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594. OLG Rostock, Urt. v. 19.2.2007 – 3 U 65/06, NZI 2007, 358: 80 %; OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2019 – 7 U 11/19, ZInsO 2019, 1863: 50 %; OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 178/06, ZInsO 2007, 42: 25 %; OLG Koblenz, Urt. v. 10.6.2014 – 3 U 150/14, MDR 2015, 59: 20 %. BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – IX ZR 199/19, ZVI 2020, 481. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, AnwBl. 1997, 680 (dort wurden 10.000 DM festgesetzt). BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, NJW-RR 2006, 791. OLG Bamberg, Beschl. v. 9.9.1985 – 3 W 61/85, JurBüro 1985, 1703.

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2. Teil

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Feststellungsklage

ZPO

resbetrag der Prämien abzgl. eines Feststellungsabschlages von 20 % zu bemessen ist.1 Ist der Vertragszeitraum unstreitig kürzer, ist dieser gem. § 9 Satz 2 ZPO maßgebend.

2.1574 Will der Versicherungsnehmer feststellen lassen, der Versicherungsvertrag bestehe (etwa wegen einer Kündigung) nicht mehr, bemisst man den Streitwert mit dem Gesamtbetrag der Prämien, die der Versicherer ohne die streitgegenständliche Vertragsbeendigung verlangen könnte, gem. § 9 ZPO aber höchstens mit den Prämien für dreieinhalb Jahre.2 Weil es sich um eine negative Feststellungsklage handelt, ist kein Abschlag vorzunehmen.

2.1575–2.1576 Einstweilen frei. Vorkaufsrecht

2.1577 Bei einer Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vorkaufsrechts nach Ausübung dieses Rechts durch den Vorkaufsberechtigten bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, das – unter Ausschluss des § 6 ZPO – nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist.3 Einen Anhaltspunkt für die Bewertung bietet der Grundstückswert, der jedoch in der Regel wertmäßig nicht erreicht wird. Werbefilm

2.1578 Bei einer Klage auf Feststellung, ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Kino sei durch die Kündigung des Beklagten nicht beendet, sondern bestehe bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fort, berechnet man den Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für die rechtliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.4 Widerklage

2.1579 Berühmt sich der Gegner einer bezifferten Forderung, ist deren Nennbetrag Streitwert der Widerklage.

2.1580 Berühmt er sich dagegen eines (weitergehenden) noch nicht bezifferten Anspruchs, so ist nach § 3 ZPO das Interesse des Klägers an der negativen Feststellung zu schätzen.5 Hierbei ist wiederum darauf abzustellen, in welcher Größenordnung er mit Ansprüchen des Beklagten rechnen muss. Bei der Streitwertfestsetzung kommt es also darauf an, mit welchen potentiellen Forderungen des Beklagten aus Sicht des Klägers bei objektiver Betrachtung gerechnet werden musste.6

2.1581 Die Gebührenstreitwerte von Leistungs- und negativer Feststellungswiderklage sind zu addieren, soweit es sich um verschiedene Teile derselben Forderung handelt.7 Nur soweit die negative Feststellungswiderklage denselben Forderungsteil wie die Klage betrifft, liegt wirtschaftliche Identität i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG vor.8

1 BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.6.2011 – 9 W 19/11, MDR 2011, 1420; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.4.2017 – 2 O 7905/15. 3 BGH, Beschl. v. 4.12.1996 – VIII ZR 87/96, WM 1997, 643. 4 OLG Celle, JurBüro 1969, 978 m. Anm. Schneider. 5 N. Schneider, MDR 2003, 237. 6 N. Schneider, MDR 2003, 237. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236 m. zust. Anm. N. Schneider. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2003 – 5 W 2/03, BauR 2003, 1760 (Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und Widerklage auf Feststellung, dass kein Restkaufpreisanspruch bestehe).

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Feststellungsklage

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2. Teil

Die Streitwertbestimmung bei Feststellungsklagen im Zusammenhang mit dem Widerruf von Verbraucherdarlehen und verbundenen Verträgen i.S.v. § 358 BGB ist beim Stichwort „Darlehen“, Rz. 2.862–2.866, 2.869 nachzulesen.

2.1582

Wiederkehrende Leistungen Der Wert einer positiven Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, ist gem. §§ 3, 9 ZPO regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen.1 Etwa geschuldete Gegenleistungen werden vom Streitwert nicht abgezogen.2

2.1583

Handelt es sich um eine negative Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, dann ist der Streitwert nicht geringer als bei der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen: in den Fällen des § 42 Abs. 1 GKG (für die Gebühren) also auf den dreifachen Jahresbetrag,3 ansonsten nach § 9 ZPO auf den 3,5fachen Jahresbetrag.4

2.1584

Ob § 42 Abs. 3 GKG, wonach die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzugerechnet werden, auf Feststellungsklagen anzuwenden ist, ist streitig. Eine Auffassung verneint dies, weil Feststellungsklagen sich ihrem Wesen nach nur auf zukünftige Leistungen bezögen.5 Die Gegenauffassung rechnet die Rückstände dagegen hinzu.6 Nach der zutreffenden vermittelnden Auffassung hängt die Frage von der Auslegung des Feststellungsantrages ab. Umfasst er auch die Rückstände, ist § 42 Abs. 3 GKG anwendbar.7

2.1585

Wirksamkeit eines Kaufvertrages

2.1586

Siehe dazu das Stichwort „Kaufvertrag“, Rz. 2.2504–2.2507. Wohnrecht

Den Streitwert einer negativen Feststellungsklage, ein Mieter sei nicht zur unentgeltlichen Nutzung 2.1587 der Wohnung auf Lebenszeit berechtigt, bemisst man nach dem Obsiegensinteresse des klagenden Vermieters. Dabei sind die §§ 8, 9 ZPO für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert, sowie § 41 Abs. 1 GKG für den Gebührenstreitwert heranzuziehen. Diese gelten selbst dann, wenn der Bewohner sein Dauerwohnrecht aus einem mit ihm nicht abgeschlossenen Vertrag herleitet, in den einzutreten er ein Recht zu haben behauptet.8 Zinsen Zinsen sind wegen § 4 ZPO auch bei der negativen Feststellungsklage nicht streitwerterhöhend, soweit sie aus der Hauptforderung hergeleitet werden, derer sich der Beklagte berühmt.9 Auch bei positiven Feststellungsklagen bleiben Zinsen nach § 4 ZPO bei der Ermittlung des Streitwerts außer Ansatz.10 1 BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; OLG Köln, Beschl. v. 21.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378; LG Kleve, Urt. v. 14.6.2018 – 6 O 90/14, VersR 2019, 279. 2 BAG, Beschl. v. 18.4.1961 – 3 ZR 313/59, NJW 1961, 1788. 3 BAG, Beschl. v. 19.7.1961 – 3 AZR 387/60, AP § 3 ZPO Nr. 7. 4 BGH, Beschl. v. 7.6.1951 – III ZR 181/50, BGHZ 2, 276. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.1987 – 1 WF 340/87, JurBüro 1988, 778; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.1996 – 5 WF 2/96, FamRZ 1997, 39. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 6.3.1981 – 8 WF 27/81, SchlHA 1981, 119. 7 OLG Köln, Beschl. v. 8.1.2001 – 27 WF 228/00, FamRZ 2001, 1385. 8 BGH, Urt. v. 29.11.2018 – III ZR 222/18, MDR 2019, 252. 9 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17. 10 BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 354/15.

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2.1588

ZPO

Widerruf

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2. Teil

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Film

ZPO

Zurückbehaltungsrecht

2.1589 Zug-um-Zug-Leistungen mindern den Wert der Leistungsklage nicht und deshalb auch nicht den Wert der negativen Feststellungsklage.1

Film 2.1590 Verlangt der Kläger die Herausgabe von Filmmaterial, das zum Zwecke gewerblicher Nutzung hergestellt worden ist (z.B. Kinofilme, Videofilme etc.), bestimmt sich der gem. § 6 ZPO für den Streitwert maßgebliche Verkehrswert nach den Verwertungsmöglichkeiten. Diese sind mit einem Bruchteil des zu erwartenden Netto-Verwertungserlöses zu beziffern. Der Materialwert oder die Kosten der Filmerstellung bleiben unberücksichtigt.2

2.1591 Bei einer auf Feststellung gerichteten Klage, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Werbefilmen durch eine Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst werde, sondern für die Dauer der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen ist dabei auf die voraussichtliche Umsatzminderung,3 wobei jedoch bei längerfristigen Verträgen der mutmaßliche Gewinn nicht außer Ansatz bleiben sollte.

2.1592 Demgegenüber richtet sich die Bewertung nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG bei Streitigkeiten über Bestand oder Dauer eines Filmverleihvertrages, da hier die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Filmmaterials im Vordergrund steht.4

2.1593 Bei der Streitwertbemessung des Anspruchs auf Unterlassung der Störung der Vorführung eines Filmes durch Filmhersteller oder Filmverleiher ist gem. § 3 ZPO deren Interesse an der ungestörten Auswertung maßgeblich.5

Finanzierungskosten 2.1594 Für die Schätzung des Verkehrswertes einer finanzierten Kaufsache sind die Finanzierungskosten außer Betracht zu lassen.6 Im Rahmen des Schadensersatzanspruchs sind Finanzierungskosten – beispielsweise für einen Unfallkredit – aber mit ihrem Wert anzusetzen. Es handelt sich dann nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.7

2.1595 Streit über die Fälligkeit einer Energieeinspeisevergütung ist nach der Zinsbelastung zu bemessen, die mit einer späteren Zahlung einhergeht.8 Bei Verpflichtungen aus einem Dauerschuldverhältnis oder Sukzessivlieferungsvertrag ist gem. § 9 ZPO der 31/2-fache Jahresbetrag der Finanzierungskosten maßgeblich.9

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OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.7.1966 – 1 W 50/66, JurBüro 1966, 876. OLG Frankfurt, MDR 1957, 48; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 18; Hillach/Rohs, S. 192. OLG Celle, JurBüro 1969, 978. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7. OLG Hamburg, GRUR 1959, 492. OLG Köln, JurBüro 1971, 86. Schneider, AGS 2005, 323, 324. OLG München, Urt. v. 13.2.2014 – 14 U 1823/13, REE 2014, 97: Beschwer. BGH, Urt. v. 19.11.2014 – VIII ZR 79/14, MDR 2015, 352: Beschwer.

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Forderung

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2. Teil

Bei einem Streit über das Bestehen einer selbständigen Fischereigerechtigkeit (Recht zu fischen) ist § 7 ZPO unanwendbar.1 Maßgebend ist vielmehr § 3 ZPO (ebenso bei dem vergleichbaren Streit über das Recht, Ton zu entnehmen oder Bausteine zu brechen).2

2.1596

Klagt der Kläger auf Unterlassung des Fischens im Bereich seines Fischereirechts, ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.3 Die Bewertung hat sich an der mit Beeinträchtigung einhergehenden Einbuße zu orientieren und die Wertung des § 9 ZPO (3,5facher Jahresbetrag) zu berücksichtigen.4 Anhaltspunkte für diese Schätzung bieten der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Kaufpreis für das Fischereirecht, ferner die bei einer Trennung des Fischereirechts vom Grundeigentum etwa eintretende Wertminderung des Grundstücks sowie schließlich – für die Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer – der Betrag, der dem 20-fachen Jahresbetrag entspricht, der sich durch eine Verpachtung des Fischereibetriebes nachhaltig erzielen lässt.5

2.1597

In einer aktuelleren Entscheidung geht der BGH6 insoweit von einem Bruchteil des am Kaufpreis orientierten Verkehrswerts des Fischereirechts aus und stellt auf die Wertminderung aufgrund der Beeinträchtigung des Fischereirechts ab (hier: höchstens 50 % des Werts).

2.1598

Forderung Literatur: Freitag/Leible, Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsbetreibung in Europa: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, BB 2009, 2.

Der Streitwert einer bezifferten Geldforderung bestimmt sich nach der Summenangabe.7 Ob der Klagebetrag dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht, ist für die Wertbestimmung bedeutungslos.8 Da sich die Rechtskraft der Entscheidung (§ 322 ZPO) auf den Streitgegenstand beschränkt und präjudizielle Rechtsverhältnisse nicht erfasst,9 rechtfertigt der Umstand, dass zwischen den Parteien Streit auch in gleichartigen weiteren Sachverhalten besteht bzw. über den mit der (Teil-)Klage geltend gemachten Anspruch hinaus weitergehende Ansprüche aus demselben Sachverhalt in Betracht kommen, keine Werterhöhung. Der Streitwert einer Klage auf Freistellung von einer Verbindlichkeit bemisst sich nach dem bezifferten Schuldbetrag.10 Siehe hierzu das Stichwort „Freistellung“, Rz. 2.1623.

1 OLG München, DJZ 1911, 1123. 2 OLG Oldenburg, OLGE 4, 263. 3 BGH, Urt. v. 9.6.1969 – III ZR 231/65, MDR 1969, 916; BGH, Beschl. v. 25.11.2010 – III ZR 94/10, GuT 2011, 63; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.5.2012 – 5 U 18/10, RdL 2012, 301 = AUR 2012, 472. 4 BGH, Beschl. v. 28.10.2015 – III ZB 75/14. 5 BGH, Urt. v. 9.6.1969 – III ZR 231/65, MDR 1969, 916 – auf Grundlage des § 9 ZPO a.F; ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 10.5.2012 – 5 U 18/10, RdL 2012, 301 = AUR 2012, 472: ohne weitere Anhaltspunkte 4.000 t. 6 BGH, Beschl. v. 25.11.2010 – III ZR 94/10, GuT 2011, 63. 7 RG Warneyer, 1912, 251; BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, MDR 2009, 1363 = WRP 2009, 1401 = GRUR 2009, 1100. 8 Vgl. Schumann, NJW 1982, 1258; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rz. 3. 9 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172. 10 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.11.2014 – 12 U 256/14.

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2.1599

ZPO

Fischereirecht

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2. Teil

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Forderung

ZPO

2.1600 Bei unbezifferten Zahlungsanträgen, wie etwa bei Schmerzensgeldklagen, ist nach zutreffender Ansicht auf den Betrag abzustellen, der auf Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrages angemessen wäre. Beantragt der Kläger die Zuerkennung eines Mindestbetrages, so bestimmt dieser die untere Grenze des Streitwertes. Siehe ausführlich unter dem Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867.

2.1601 Der Streitwert einer Klage, mit der (allein) die Feststellung zum Rechtsgrund einer Forderung begehrt wird, richtet sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Begehrt der Kläger beispielsweise die Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe, ist eine Bewertung nach § 3 ZPO geboten. Wertbestimmend sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Geboten ist eine auf den Wert der Forderung bezogene Bruchteilsbewertung, die bei nur geringen Erfolgsaussichten (hohes Alter und fehlende Erwerbstätigkeit des Schuldners) zwischen 1/20 und 1/4 liegen kann.1 Ist das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet, dann ist das Interesse des Klägers auf eine Herabsetzung der nach § 850f ZPO unpfändbaren Beträge gerichtet. Hier ist ein weitergehender Abschlag gerechtfertigt.2

2.1602 Wird zugleich auf Leistung geklagt, kommt dem Feststellungsantrag keine werterhöhende Bedeutung zu.3 Siehe hierzu unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921.

2.1603 Geht es um die Sicherstellung der Forderung, dann ist ebenfalls deren Betrag maßgebend (§ 6 ZPO), sofern nicht das Sicherungsgut geringerwertig ist.

2.1604 Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, z.B. bei einer echten Fremdwährungsschuld4 oder bei der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils oder eines Schiedsspruchs, dann ist für den Zuständigkeitsstreitwert auf den Umrechnungsbetrag in Euro zum Zeitpunkt der Klage- bzw. Antragseinreichung (Anhängigkeit) abzustellen, § 4 Abs. 1 ZPO. Nach Anhängigkeit eintretende Veränderungen durch Kursschwankungen, gleich in welche Richtung, bleiben unberücksichtigt.5

2.1605 Dies gilt im Grundsatz auch für den Gebührenstreitwert, d.h. maßgebend ist gem. § 40 GKG der Umrechnungsbetrag bei Anhängigkeit.6 Siehe auch das Stichwort „Ausländische Währung“, Rz. 2.506.

2.1606 Unerheblich für die Bewertung ist das Verteidigungsverhalten des Beklagten. Bestreitet er nur die Fälligkeit, dann ist gleichwohl der volle Betrag maßgebend, weil der Kläger darüber einen Titel erstrebt.7 Dies gilt ebenso, wenn der Beklagte sich gegenüber der Klageforderung auf ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 322 BGB) beruft. Demgegenüber ist eine von der Forderungssumme abweichende Bewertung geboten, wenn der vom Kläger bestimmte Streitgegenstand nur die Fälligkeit betrifft, z.B. bei einer auf

1 BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – II ZA 9/18, AGS 2019, 475; Beschl. v. 29.10.2013 – VI ZB 2/13, MDR 2014, 108; BGH, Beschl. v. 6.4.2009 – VI ZB 88/08, Schadenpraxis 2010, 29: 25 %; BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594; OLG Hamm, Beschl. v. 4.5.2016 – 32 SA 16/16, ZVI 2017, 21: 25 %; OLG Köln, Beschl. v. 12.7.2016 – 7 U 35/13: 25 %; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2013 – 4 W 137/13, RVG prof. 2014, 74: 50 %; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.2012 – 6 W 11/12, AGS 2012, 351: 30 %; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50: 5 %; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.10.2012 – 10 U 635/12: 5 %. 2 BGH Beschl. v. 7.5.2019 – II ZA 9/18, AGS 2019, 475: 5 %; OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.3.2012 – 9 UF 29/12, FamRZ 2012, 1743: 1/20. 3 BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022. 4 RGZ 109, 61; BGH, Urt. 3.3.1965 – IV ZR 95/64, LM Nr. 18 zu § 116 BEG 1956. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 284/88, MDR 1991, 164; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Ausländische Währung“ Rz. 2. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.1999 – 10 W 124/99, JurBüro 2001, 316; KG, Beschl. v. 31.5.1999 – 8 W 3707/99, NJW-RR 2000, 215. 7 OLG Kiel, SchlHA 1947, 205; Schumann, NJW 1982, 1257, 1258.

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Forderung

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2. Teil

Der Klagebetrag bleibt auch dann wertbestimmend, wenn die Klageforderung (bereits) vorprozessual unstreitig war. Denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.1 Das gilt auch für den Streitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Leistungen.2 Der fehlende Streit über den Bestand einer Forderung hat nur auf den für die gerichtliche Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1300 VV RVG) relevanten Streitwert Einfluss (s. weitergehend unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5082 ff.).

2.1607

Ohne Bedeutung für die Wertbemessung sind die Aussichten des Klägers auf Durchsetzung der eingeklagten Forderung nach ihrer Titulierung.3 Indessen werden auch insoweit schon Abstriche aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemacht.4 Ist eine grenzüberschreitende Vollstreckung titulierter Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 86/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuSCVO – Small-Claims-VO) beabsichtigt, darf diese keinen 2.000 t übersteigenden Streitwert aufweisen. Dabei sind die gegenüber dem GKG teilweise abweichenden Wertvorschriften in der EuSCVO zu beachten.5

2.1608

Verbindet der Kläger in seiner Klage Ansprüche auf Leistung mit Ansprüchen auf Sicherung seines Leistungsinteresses, kommt regelmäßig eine Wertaddition nicht in Betracht. Dies ist etwa der Fall, wenn bei einer Klage auf Zahlung zugleich auf Sicherstellung des geforderten Betrages,6 Einwilligung zur Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek7 oder einer Reallast geklagt wird.8 Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Zahlungsanspruchs, da beide Anträge denselben Gegenstand betreffen.

2.1609

Ist die Klage neben dem Leistungsantrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, scheidet eine Wertaddition regelmäßig aus, wenn der Leistungsanspruch aus demselben Rechtsverhältnis resultiert.9

2.1610

Werden neben dem Leistungsanspruch vorbereitende, unterstützende oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Ist das zu verneinen, sind die Einzelwerte zu addieren; anderenfalls ist der höchste Einzelwert maßgeblich. So liegt etwa bei einer Klage auf Darlehensrückzahlung und Herausgabe des damit in Zusammenhang stehenden Grundschuldbriefs wirtschaftliche Gleichheit vor, so dass nur ein Streitwert anzunehmen ist.10

2.1611

Siehe zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921.

2.1612

1 OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. 2 RGZ 118, 323; BGH, Beschl. v. 2.8.1994 – IV ZR 270/93; Hirte, MDR 1978, 170; Voormann, MDR 1987, 722. 3 RGZ 25, 367; LAG Hamm, Beschl. v. 8.8.1991 – 8 Ta 252/91, MDR 1991, 1203; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rz. 3. 4 Siehe Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 890. 5 Vgl. ausführlich Freitag/Leible, BB 2009, 2 ff. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 74; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 201. 7 KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/87, BauR 1998, 829; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2003 – 8 W 147/03, OLGR 2003, 256; OLG Köln, DB 1974, 429; OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 543; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 15. 8 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684; OLG Celle, Beschl. v. 21.4.1983 – 4 W 68/83, Nds.Rpfl. 1983, 159. 9 OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 14. 10 OLG München, MDR 1968, 769.

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ZPO

Erklärung der Abnahme (§ 641 BGB) gerichteten Klage. Zu streitigen Einzelfragen s. das Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470.

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2. Teil

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Freigabe

ZPO

Freigabe 2.1613 Bei der Klage auf Freigabe handelt es sich um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, nämlich der Zustimmung zur Auszahlung eines Geldbetrages oder zur Herausgabe eines Gegenstandes durch einen Dritten.1 Dementsprechend ist für die Bewertung darauf abzustellen, welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung angestrebt wird.

2.1614 In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn beispielsweise anlässlich der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages die Freigabe sicherungszedierter Ansprüche verlangt wird. Der Wert des Rückabtretungsverlangens bestimmt sich nach dem Wert der betroffenen Forderung. Wird neben der Freigabe auf Feststellung geklagt, dass das die Sicherungsabrede auslösende Vertragsverhältnis nicht besteht, scheidet eine Zusammenrechnung der für § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG wirtschaftlich identischen Ansprüche aus.2 Siehe auch das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921.

2.1615 Von alldem zu unterscheiden ist das aktienrechtliche Verlangen nach Freigabe gem. §§ 327e, 319 AktG. Hierbei geht es um die Berechtigung zur vorläufigen Umsetzung des Hauptversammlungsbeschlusses vor einer Entscheidung über offensichtlich unbegründete Beschlussmängelklagen.3 Siehe hierzu das Stichwort „Gesellschaft“, Rz. 2.1767.

2.1616 Erstrebt der Kläger die Freigabe eines Gegenstandes, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem Wert der Sache, mithin nach deren Verkehrswert. Für die Einzelheiten wird auf das Stichwort „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 verwiesen.

2.1617 Fordert der Kläger die Freigabe eines Geldbetrages oder Guthabens, das der Beklagte gesperrt hält, so bestimmt sich der Streitwert nach dem vollen Betrag der Klageforderung4 bzw. dem streitigen Betrag einschließlich aufgelaufener Zinsen.5

2.1618 In beiden Fällen ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten und zu beachten, dass dem Kläger nicht an einer Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten gelegen ist. Der Beklagte wiederum stellt sich dem Freigabeverlangen nur insoweit entgegen, als er eigene Rechte an dem hinterlegten Gegenstand bzw. Betrag geltend macht. Unterschreiten seine Ansprüche den Wert des Gegenstandes bzw. den freizugebenden Geldbetrag, ist nur dieser Teilbetrag für die Bewertung maßgeblich.6

2.1619 Besteht daher nur über die Fälligkeit einer ansonsten unstreitigen Freigabeverpflichtung Streit, ist dementsprechend auf das Interesse des Klägers an der sofortigen Verfügungsmöglichkeit abzustellen7 – s. auch unter dem Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470.

2.1620 Ist der Kläger nur gemeinsam mit einem oder mehreren Dritten berechtigt, die Freigabe zu verlangen, richtet sich der Streitwert nach der Höhe seines Anteils.8

1 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.95. 2 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 199/04, MDR 2006, 1257, NW-RR 2006, 997; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2007 – 3 W 77/06, NJ 2007, 463. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10 (50.000 t). 4 BGH, Beschl. v. 14.12.2012 – BGH v. 16.11.2012 – V ZR 179/11, MDR 2013, 486; OLG Kiel, SchlHA 1947, 205; LG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2010 – 15 O 295/08. 5 BGH, MDR 1967, 280 = NJW 1967, 930; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, OLGR 1993, 96; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.95. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.95. 7 A.A. Toussaint/Laube, Anh. zu § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rz. 57 unter „Freigabe“: voller Betrag. 8 KG, AnwBl. 1978, 107; Toussaint/Laube, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rz. 71 unter „Hinterlegung“.

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Freistellung

2. Teil

2.1621

Klagen beide Parteien wechselseitig auf Freigabe eines hinterlegten Betrages, betreffen Klage und Widerklage denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Eine Zusammenrechnung der Einzelwerte scheidet aus.2

2.1622

ZPO

Verlangt der Kläger Freigabe eines hinterlegten Betrages, der im zugleich gestellten Zahlungsantrag mitenthalten ist, besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang, so dass die Antragswerte nicht addiert werden.1

Siehe ferner bei den Stichwörtern „Hinterlegung“, Rz. 2.2282 und „Forderung“, Rz. 2.1599.

Freistellung Literatur: Görmer, Der Streitwert des Befreiungsanspruchs, JurBüro 2010, 68; Weisbrodt, Die Berücksichtigung von Nebenforderungen beim Wert des Freistellungsanspruchs, JurBüro 1995, 115 ff.; Görmer, Berücksichtigung von Zinsen und Kosten beim Wert der Befreiungsklage, NJW 1999, 1309 ff.; Bischoff, Der Befreiungsanspruch, ZZP 120 (2007), 237.

Verlangt der Kläger Freistellung von einer unbezifferten Leistungsverpflichtung, handelt es sich nicht um eine Leistungsklage, sondern um eine Feststellungsklage. Denn der Schuldbefreiungsantrag muss Grund und Höhe der Schuld, von der freigestellt zu werden der Kläger verlangt, angeben.3 Für die Wertberechnung ist mangels Vollstreckungsmöglichkeit – entsprechend den allgemeinen Regeln – auf den Wert des fiktiven Leistungsantrags abzgl. eines 20%igen Abschlages abzustellen.4

2.1623

Wird auf Freistellung in bezifferter Höhe geklagt, bemisst sich der Wert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem Betrag der Hauptforderung, auf die der Kläger in Anspruch genommen wird, soweit nicht ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände das Freistellungsinteresse geringer zu bewerten ist.5 Für einen generellen prozentualen Abschlag besteht kein Anlass, da auch der Anspruch auf Befreiung von einer Geldschuld vollstreckbar ist, wenngleich abweichend zur Verurteilung zur Zahlung nach § 887 ZPO.6 Eine geringere Bewertung kommt dagegen in Betracht, wenn die Gefahr einer Inanspruchnahme des Forderungsschuldners (Klägers) ausscheidet7 oder zumindest fern liegt.8

2.1624

1 2 3 4 5

6 7 8

OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, OLGR 1994, 96. KG, Rpfleger 1962, 120. OLG Köln, Urt. v. 30.10.2015 – 19 U 20/15. BGH, Beschl. v. 12.4.2007 – VII ZR 16/06; Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97, MDR 1998, 1310; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.1983 – 17 W 47/82, JurBüro 1983, 1561. BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – III ZR 23/11, NJW-RR 2012, 60; Beschl. v. 14.7.2011 – III ZR 23/11, MDR 2011, 1075: 1/5 der Nominalforderung; Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196; Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, RuS 2017, 112; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57; OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, 1 W 43/08, OLGR 2009, 223 = JurBüro 2009, 197; Görmer, JurBüro 2010, 68, 68. OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769. BGH, Beschl. v. 14.11.2014 – 12 U 256/14, Justiz 2015, 61; BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – III ZR 23/11, MDR 2011, 1075. OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168; offen lassend BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.11.2014 – 12 U 256/14.

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2. Teil

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Freistellung

ZPO

2.1625 Bei einer Klage auf Freistellung von künftig sukzessive fällig werdenden Beträgen ist zur Bewertung § 9 ZPO heranzuziehen.1 Bei Klageeinreichung bereits aufgelaufene Rückstände sind hinzuzurechnen.2

2.1626 Auf die Hauptforderung angefallene Zinsen sind – entgegen der überwiegenden Auffassung – werterhöhend zu berücksichtigen, da sie nicht vom Freistellungsanspruch selbst abhängig sind.3 Vielmehr sind die bis zur Anhängigkeit des Freistellungsanspruchs (§ 40 Abs. 1 GKG) angefallenen Zinsen Bestandteil des Gesamtbetrags der Freistellungsverpflichtung. Demgegenüber ist der Befreiungsanspruch selbst, da kein Zahlungsanspruch, unverzinslich.

2.1627 Geht es um die Freistellung von der Verpfändung eines Sparkontos, besteht Einigkeit, dass das jeweilige Kontoguthaben einschließlich Zinsen wertbestimmend ist.4

2.1628 Verlangt der Kläger die Freistellung auch wegen der Kosten eines wegen der Hauptforderung geführten Vorprozesses, sind diese werterhöhend zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, da deren Bestand nicht von der Durchsetzung des Freistellungsanspruchs (materiell-rechtlich) abhängig ist.5 Soweit das OLG Hamburg demgegenüber auf die Abhängigkeit der Prozesskosten von einem „Verzug des Befreiungsschuldners mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ abstellt und eine Werterhöhung verneint,6 werden Ursache und Wirkung verwechselt. Die Prozesskosten entstehen durch die Inanspruchnahme des Befreiungsschuldners und sind daher Folge der Rechtsverfolgung (Forderungsdurchsetzung) des Forderungsgläubigers, dienen also weder der Vorbereitung noch der Durchsetzung des von dem Befreiungsgläubiger geltend gemachten Freistellungsanspruchs.

2.1629 Eine vom Kläger angestrebte Verurteilung zur Befreiung von einer Verbindlichkeit Zug-um-Zug gegen Ausgleich der erhaltenen Vorteile bemisst sich nach dem Wert der Verbindlichkeit. Die Vorteile bleiben auch dann unberücksichtigt, wenn die Verpflichtung zu ihrer Auskehr auf dem schadensrechtlichen Aspekt der Vorteilsausgleichung beruht.7

2.1630 Bei einer Klage auf Befreiung von persönlicher und dinglicher Schuld sind die Werte der Einzelansprüche nicht zusammenzurechnen, da insoweit wirtschaftliche Identität vorliegt.8

2.1631 Wird der Beklagte statt zur Freistellung fehlerhaft zur Zahlung verurteilt, bemisst sich seine hierauf gestützte Beschwer nach einem Bruchteil des Forderungsbetrages.9

2.1632 Siehe weiter unter dem Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, RuS 2017, 112; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, RuS 2017, 112. 3 Zutreffend Görmer, JurBüro 2010, 68, 68; a.A. BGH, NJW 2012, 2446; BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; BGH, Beschl. v. 6.10.1960 – VII ZR 42/59, MDR 1961, 48 = NJW 1960, 2336; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183. 4 BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196 = NJW-RR 1995, 362 = VersR 1995, 319. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, OLGR 2003, 176 = AGS 2003, 214 m. zust. Anm. N. Schneider; differenzierend BGH, Urt. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649 = VersR 1976, 477; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rz. 1; Görmer, JurBüro 2010, 68, 69; offen lassend BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183; Weisbrodt, JurBüro 1995, 115. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.11.2014 – 12 U 256/14, Justiz 2015, 61. 8 KG, JurBüro 1968, 466; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.35. 9 OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.5.2011 – 13 U 63/11, MDR 2011, 482: 1/10.

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Früchte

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2. Teil

ZPO

Fristsetzung Literatur: E. Schneider, Streitwert bei Berufung gegen fristsetzende Urteile, MDR 1987, 60.

Wird neben einer Leistungsklage ein Antrag auf Fristsetzung mit der Maßgabe gestellt, dass der Beklagte nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz zu leisten habe (s. § 283 BGB, §§ 255, 259, 510b ZPO), dann handelt es sich um einen unechten Hilfsantrag. Im Gegensatz zum echten Hilfsantrag, der für den Fall der Abweisung des Hauptantrags gestellt wird, baut der unechte Hilfsantrag auf dem Hauptantrag auf, steht zu diesem folglich nicht in einem Eventualverhältnis, sondern teilt mit diesem nur den Erfolg bzw. Misserfolg.1

2.1633

Da die Fristsetzung nur eine notwendige Voraussetzung für die Verurteilung zur Schadensersatzleis- 2.1634 tung darstellt, ist bei isolierter Betrachtung nur eine Bruchteilsbewertung geboten, in der Regel von 1/10.2 Obwohl die Bewertungsregeln zur objektiven Klagehäufung zur Anwendung gelangen, scheidet sowohl 2.1635 für den Zuständigkeitsstreitwert als auch den Gebührenstreitwert eine Addition der Einzelwerte (§ 5 ZPO, § 39 GKG) aus, da mit dem die Vollstreckung von Schadensersatz nur vorbereitenden Antrag auf Fristsetzung – wirtschaftlich betrachtet – gegenüber dem Leistungsantrag kein eigenständiges Rechtsschutzziel verfolgt wird. Dem Antrag kommt daher wertmäßig keine eigenständige Bedeutung zu3 (s. auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921). Das gilt für den Gebührenstreitwert unabhängig davon, ob über den unechten Hilfsantrag entschieden wird. Der abweichenden Ansicht,4 wonach der Wortlaut von § 45 Abs. 3 GKG nicht zwischen echtem und unechtem Hilfsantrag differenziere und daher auch für den uneigentlichen Hilfsantrag gelte, ist nicht zu folgen (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227).

2.1636

Früchte A. Überblick 2.1637

Der Begriff der Früchte ist in § 99 BGB definiert. Früchte – einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. – eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile. Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt (§ 99 Abs. 3 BGB). 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W23/09; insoweit zutreffend LAG Nürnberg, Beschl. v. 13.3.2008 – 6 Ta 57/08, AGS 2008, 359; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rz. 1. 2 Vgl. auch LG Karlsruhe, Beschl. v. 11.2.1986 – 9 S 370/84, MDR 1987, 60 m. abl. Anm. E. Schneider. 3 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2011 – 3 W 27/11, AGS 2011, 446; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; 1989, 955. 4 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – ArbuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06.

Kurpat und Schneider

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2.1638

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2. Teil

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Früchte

ZPO

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.1639 Werden Früchte isoliert, also ohne die Hauptsache eingeklagt, ist ihr Wert gem. § 3 ZPO maßgebend. 2.1640 Werden Früchte neben der Hauptforderung eingeklagt, so bleiben sie für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz und, soweit sie aus der eingeklagten Hauptforderung resultieren (§ 4 Abs. 1 ZPO).

2.1641 Soweit Früchte aus einer anderen nicht eingeklagten Hauptforderung oder einem nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung geltend gemacht werden, ist ihr Wert dagegen hinzuzurechnen.

2.1642 Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.

C. Gebührenstreitwert 2.1643 Werden Früchte isoliert, also ohne die Hauptsache eingeklagt, ist ihr Wert gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO maßgebend. § 43 Abs. 2 GKG gilt in diesem Fall nicht. Die Früchte sind daher unbegrenzt zu bewerten.

2.1644 Werden Früchte neben der Hauptforderung geltend gemacht, so bleiben sie für den Gebührenstreitwert außer Ansatz (§ 43 Abs. 1 GKG).

2.1645 Soweit Früchte zwar neben der Hauptforderung geltend gemacht werden, aber bestimme Gebühren nur aus dem Wert der Früchte anfallen, richtet sich der Wert dieser Gebühren nach dem Wert der Früchte, der allerdings den Wert der Hauptforderung nicht übersteigen darf (§ 43 Abs. 2 GKG).

2.1646 Für die Gerichtsgebühren hat dies in der Instanz keine Bedeutung, da es hier keine Stufenstreitwerte mehr gibt. Bedeutung kann dies für ein Rechtsmittelverfahren haben.

2.1647 Beispiel: Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird zugesprochen; die Klage hinsichtlich der Früchte wird abgewiesen. Dagegen wird Berufung eingelegt. Der Wert der Früchte (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO) ist jetzt maßgebend; er darf den Wert der Hauptforderung jedoch nicht überschreiten (§ 43 Abs. 2 GKG). Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich zudem auch aus § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG.

2.1648 Bei den Anwaltsgebühren sind Anwendungsfälle des § 43 Abs. 2 GKG, der über § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG anwendbar ist, dagegen häufiger, da hier in der Instanz mehrere Gebühren anfallen können.

2.1649 Beispiel: Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird anerkannt; über die Früchte wird eine Einigung geschlossen. Verfahrens- und Terminsgebühr (Nrn. 3100, 3104 VV RVG) richten sich nach dem Wert der Hauptsache (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG). Die Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) richtet sich dagegen nur nach dem Wert der Früchte, der den Wert der Hauptforderung nicht überschreiten darf (§ 43 Abs. 2 GKG).

2.1650 Soweit Früchte aus einer anderen nicht eingeklagten Hauptforderung oder einem nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung geltend gemacht werden, ist ihr Wert hinzuzurechnen. Auch hier ist § 43 Abs. 2 GKG nicht anwendbar. Der Wert der Früchte, soweit er hinzuzurechnen ist, unterliegt keiner Begrenzung.

2.1651 Zu Einzelheiten s. auch hier das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.

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Schneider

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Garantievertrag

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2. Teil

Für den Rechtsmittelstreitwert gilt gem. § 4 ZPO grundsätzlich das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

2.1652

Hier können allerdings ursprünglich als Nebenforderung zu behandelnde Früchte nachträglich zur Hauptsache werden.

2.1653

Beispiele:

2.1654

– Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird zugesprochen; die Klage hinsichtlich der Früchte wird zurückgewiesen. Dagegen wird Berufung eingelegt. Jetzt ist der Wert der Früchte maßgebend (§ 4 ZPO). – Eingeklagt wird eine Hauptforderung im Wert von 8.000 t und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird i.H.v. 6.000 t übereinstimmend für erledigt erklärt und im Übrigen abgewiesen. Die Beschwer richtet sich nach dem Wert der abgewiesenen Hauptforderung (2.000 t) sowie dem Wert der Früchte aus den erledigten 6.000 t.

Futterkosten Futterkosten sind Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG. Sie bleiben neben der Haupt- 2.1655 forderung unberücksichtigt. Soweit Gebühren nur aus den Futterkosten als Nebenforderungen anfallen, ist deren Wert maßgebend, höchstens jedoch der Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 2 GKG). Werden Futterkosten isoliert als Hauptforderung geltend gemacht, ist der Wert des verlangten Betrags maßgebend (§ 3 ZPO). Dieser Wert gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2.1656

Wird Klage auf zukünftige Leistungen erhoben, so ist zu schätzen, für welchen Zeitraum Futterkosten 2.1657 anfallen werden. Fehlen jegliche Anhaltspunkte, kann auf § 9 ZPO (3 1/2-facher Jahreswert) zurückgegriffen werden. Werden sowohl Rückstände als auch laufende Leistungen geltend gemacht, so sind die Werte beider Anträge zu addieren (§ 5 ZPO; § 39 Abs. 1 GKG; § 22 RVG).

2.1658

Garantievertrag Es gibt keine Sondervorschriften für den Zuständigkeits- oder Gebührenstreitwert bei Garantien. Er hängt daher vom konkreten Klagebegehren (Zahlung, Reparatur im Garantiefall usw.) ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der wegen § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG zugleich Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren ist. Richtet sich die Klage auf eine Verpflichtung des Beklagten, mit dem Kläger einen Garantievertrag abzuschließen, bemisst man den Streitwert allein nach dem Wert der Ansprüche, welche die Garantie dem Kläger verschaffen wird; die vom Kläger zu erbringende Gegenleistung bleibt unberücksichtigt.1

1 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 13 WF 237/13, MDR 2014, 1414.

Schneider und Seggewiße

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2.1659

ZPO

D. Rechtsmittelstreitwert

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Garantievertrag

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2. Teil

Für den Rechtsmittelstreitwert gilt gem. § 4 ZPO grundsätzlich das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

2.1652

Hier können allerdings ursprünglich als Nebenforderung zu behandelnde Früchte nachträglich zur Hauptsache werden.

2.1653

Beispiele:

2.1654

– Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird zugesprochen; die Klage hinsichtlich der Früchte wird zurückgewiesen. Dagegen wird Berufung eingelegt. Jetzt ist der Wert der Früchte maßgebend (§ 4 ZPO). – Eingeklagt wird eine Hauptforderung im Wert von 8.000 t und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird i.H.v. 6.000 t übereinstimmend für erledigt erklärt und im Übrigen abgewiesen. Die Beschwer richtet sich nach dem Wert der abgewiesenen Hauptforderung (2.000 t) sowie dem Wert der Früchte aus den erledigten 6.000 t.

Futterkosten Futterkosten sind Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG. Sie bleiben neben der Haupt- 2.1655 forderung unberücksichtigt. Soweit Gebühren nur aus den Futterkosten als Nebenforderungen anfallen, ist deren Wert maßgebend, höchstens jedoch der Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 2 GKG). Werden Futterkosten isoliert als Hauptforderung geltend gemacht, ist der Wert des verlangten Betrags maßgebend (§ 3 ZPO). Dieser Wert gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2.1656

Wird Klage auf zukünftige Leistungen erhoben, so ist zu schätzen, für welchen Zeitraum Futterkosten 2.1657 anfallen werden. Fehlen jegliche Anhaltspunkte, kann auf § 9 ZPO (3 1/2-facher Jahreswert) zurückgegriffen werden. Werden sowohl Rückstände als auch laufende Leistungen geltend gemacht, so sind die Werte beider Anträge zu addieren (§ 5 ZPO; § 39 Abs. 1 GKG; § 22 RVG).

2.1658

Garantievertrag Es gibt keine Sondervorschriften für den Zuständigkeits- oder Gebührenstreitwert bei Garantien. Er hängt daher vom konkreten Klagebegehren (Zahlung, Reparatur im Garantiefall usw.) ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der wegen § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG zugleich Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren ist. Richtet sich die Klage auf eine Verpflichtung des Beklagten, mit dem Kläger einen Garantievertrag abzuschließen, bemisst man den Streitwert allein nach dem Wert der Ansprüche, welche die Garantie dem Kläger verschaffen wird; die vom Kläger zu erbringende Gegenleistung bleibt unberücksichtigt.1

1 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 13 WF 237/13, MDR 2014, 1414.

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2.1659

ZPO

D. Rechtsmittelstreitwert

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2. Teil

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Gebrauchsmuster

ZPO

Gebrauchsmuster A. Zuständigkeitsstreitwert 2.1660 Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu bestimmen. Die LG sind nach § 27 Abs. 1 GebrMG sachlich ausschließlich zuständig.

B. Gebührenstreitwert 2.1661 Der Gebührenstreitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen bestimmt. Inhaltlich entspricht die Vorschrift in der Sache § 3 ZPO.1 Das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt den Wert.2

2.1662 Dessen Wertangaben bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) binden das Gericht nicht,3 indizieren aber den Wert des wirklich im Streit stehenden Interesses.4 Das gilt erst recht bei übereinstimmenden Wertangaben der Parteien.5 Dennoch darf das Gericht diese Werte nicht unbesehen übernehmen, sondern muss sie selbständig prüfen. Maßstab sind dabei die objektiven Gegebenheiten, die Erfahrung des Gerichts und die Wertfestsetzung in gleichartigen oder ähnlichen Fällen.6 Insbesondere wenn Parteien übereinstimmend ihre Wertangaben bewusst niedrig halten und (vorsätzlich) die Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, muss das Gericht einen höheren Wert festsetzen.7

I. Auskunftsklagen 2.1663 Klagen auf Auskunft nach § 24b GebrMG dienen dazu, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen vorzubereiten. Ihr Streitwert ist daher mit einem Bruchteil des Wertes des vorbereiteten Anspruchs zu bemessen.

2.1664 Wenn für eine Auskunftsklage Verkehrsdaten i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG erlangt werden müssen, bedarf es einer vorherigen gerichtlichen Anordnung. Für dieses Vorschaltverfahren ist nach § 24b Abs. 9 Satz 2 GebrMG streitwertunabhängig das LG zuständig. Für die Gerichtskosten wird eine Festgebühr nach Nr. 15213 KV GNotKG erhoben. Ein Gegenstandswert ist daher nur für die Anwaltsgebühren zu bestimmen. Er ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Bruchwert des Wertes der Ansprüche anzusetzen, deren Geltendmachung vorbereitet wird. Wenn keine besonderen tatsächlichen Umstände Anhalt für ei-

1 2 3 4

BT-Drucks. 13/9971, 44; BT-Drucks. 15/1971, 154. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831. BGH, Beschl. v. 19.1.2021 – X ZB 7/19; BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; BGH, Urt. v. 24.4.1985 – I ZR 130/84, GRUR 1986, 93; OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839. 5 BGH, Beschl. v. 19.1.2021 – X ZB 7/19; BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2014 – 2 U 27/13; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98.

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Gebrauchsmuster

2. Teil

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ne höhere oder niedrigere Festsetzung geben, liegt dem Vorschaltverfahren der Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG von 5.000 t zugrunde.1

II. Unterlassungsklagen Bei Unterlassungsklagen gibt es keine Regelstreitwerte.2 Das Interesse des Klägers an der Unterlassung 2.1665 bewertet man anhand seiner Nachteile, wenn der Beklagte das Gebrauchsmuster weiterhin verletzt. Diesen Wert kann man regelmäßig nur pauschalierend prognostizieren.3 In die Prognose bezieht man die Bedeutung des durch das Gebrauchsmusters geschützten Gegenstands, die verbleibende Schutzdauer und die Einschätzung ein, wieweit der Verletzer den Wert des Gebrauchsmusters in Zukunft gefährdet.4 Welche Verletzungen zukünftig zu erwarten sind, ist anhand des Umfangs der bereits begangenen Verletzungen, Art und Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit, vorhandenen betriebliche Einrichtungen und Handelsbeziehungen, personeller Ausstattung und Finanzkraft sowohl des Schutzrechtsinhabers als auch des Verletzers zu schätzen.5 Subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers, wie etwa sein Verschuldensgrad, können ebenfalls Rückschlüsse auf die ihm ausgehende Gefahr zulassen.6 Das OLG Düsseldorf sieht bei Patenten als Untergrenze des Streitwertes den Wert der Lizenzgebühren an, die dem Kläger mutmaßlich zustünden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Schutzrechts fortgesetzt werden.7 Die Auffassung trifft auch bei Gebrauchsmustern zu, weil dies nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GebrMG (wie bei Patenten nach § 139 Abs. 3 Satz 2 PatG) eine zulässige Methode zur Berechnung des Schadens ist. Es beeinflusst den Streitwert nicht, wenn das Schutzrecht während eines Unterlassungsprozesses wegen des Ablaufs der gesetzlichen Schutzdauer wirkungslos wird, weil sich der Unterlassungsanspruch mit dem Ablauf in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, für dessen Bemessung der gesamte Zeitraum bis zum Ablauf des Schutzrechts berücksichtigt werden muss.8

2.1666

III. Löschung und Unwirksamkeit Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren (nach Nr. 2300 VV RVG)9 eines vor dem DPMA durch- 2.1667 geführten Löschungsverfahrens ist nach § 23 Abs. 1 RVG zu bestimmen. Maßstab der Wertfestsetzung ist wegen des Popularcharakters des Verfahrens das Interesse der Allgemeinheit an der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters, das dessen gemeinem Wert entspricht.10 Diesen kann man anhand der fiktiven Lizenzgebühren aller Konkurrenten während der Restlaufzeit des Schutzrechts errechnen.11 Im Beschwerdeverfahren beim BPatG gegen die Entscheidung des DPMA nach § 18 Abs. 1 GebrMG entstehen nach Nr. 401 100 ff. KV PatKostG streitwertunabhängige Festgebühren. Auch die Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH nach § 18 Abs. 4 GebrMG werden gem. § 1

1 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16; OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159; OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10 (jeweils zum Vorschaltverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG). 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 (zum Markenrecht). 3 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 4 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 5 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184; OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.10.1966 – 3 W 86/66, JurBüro 1967, 162. 6 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08 (zum Patent); Kühnen, GRUR 2009, 288, 293. 9 BPatG, Beschl. v. 17.5.2018 – 35 W (pat) 3/15. 10 BPatG, Beschl. v. 8.10.2019 – 35 W (pat) 8/18. 11 BPatG, Beschl. v. 17.12.2009 – 35 W (pat) 26/09.

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2. Teil

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Gegendarstellung

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Nr. 14 GKG, Nr. 1255 KV GKG als Festgebühr erhoben. Es sind daher keine Gebührenstreitwerte festzusetzen.

2.1669 Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren des Beschwerdeverfahrens vor dem BPatG und des Rechtsbeschwerdeverfahrens beim BGH im Löschungsstreit ist gem. § 23 Abs. 2 RVG das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters, das mit dessen gemeinem Wert zu beziffern ist, dieser wiederum ist anhand der fiktiven Lizenzgebühren aller Konkurrenten während der Restlaufzeit des Schutzrechts anzusetzen.1

2.1670 Nach Ablauf der Schutzdauer kann beim DPMA die Feststellung der Unwirksamkeit eines Gebrauchsmusters beantragt und bei Zurückweisung des Antrages beim BPatG klageweise geltend gemacht werden.2 Weil man die Unwirksamkeitsfeststellung nur einklagen kann, wenn man ein eigenes rechtliches Interesse daran hat, ist bei der Ermittlung des Streitwerts nicht auf das Interesse der Allgemeinheit abzustellen.3 Maßgebend ist stattdessen das Abwehrinteresse des Klägers gegen die Inanspruchnahme aus dem erloschenen Gebrauchsmuster.4 Macht der Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des Gebrauchsmusters geltend, ist grundsätzlich auf deren Höhe abzustellen.5

IV. Streitwertbegünstigung 2.1671 Gemäß § 51 Abs. 5 GKG, § 26 GebrMG kann eine Streitwertbegünstigung gewährt werden. Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858 ff. nach.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.1672 Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Gebrauchsmusterverletzers entspricht regelmäßig dem korrespondierenden Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche, weil deren wirtschaftliche Bedeutung den wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.6

Gegendarstellung 2.1673 Unter einer Gegendarstellung versteht man den Abdruck einer auf Tatsachen beschränkten Erwiderung zu einer Veröffentlichung in einem periodischen Druckwerk. Geregelt ist ein entsprechender Anspruch in den Landespressegesetzen. Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nach den Pressegesetzen ist ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch.7

2.1674 Bei der Geltendmachung von Unterlassungs-, Richtigstellungs- und Gegendarstellungsansprüchen handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände und gebührenrechtlich unterschiedliche Angelegenheiten.8 Dagegen stellt das presserechtliche Vorgehen wegen Print- und Online-Veröffentlichung 1 BPatG, Beschl. v. 27.9.2012 – 35 W (pat) 36/09; BPatG, Beschl. v. 17.12.2009 – 35 W (pat) 26/09. 2 RG, Urt. v. 30.6.1937 – I 24/37, RGZ 155, 321; BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – X ZB 3/90, MDR 1991, 959. 3 BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – X ZB 3/90, MDR 1991, 959. 4 BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – X ZB 3/90, MDR 1991, 959. 5 BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – X ZB 3/90, MDR 1991, 959; BGH, Beschl. v. 19.1.2021 – X ZB 7/19. 6 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 7 BGH, MDR 1963, 42; OLG Dresden, Beschl. v. 17.4.2020 – 4 U 2045/20, NJW-RR 2021, 495. 8 LG Berlin, Urt. v. 27.3.2012 – 27 S 11/11, ZUM 2012, 593; LG Hamburg, Urt. v. 28.9.1990 – 324 O 351/90, AfP 1990, 332.

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Gegenleistung

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2. Teil

Der Gebührenstreitwert richtet sich folglich nach § 48 Abs. 2 GKG.3 Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen. Regelmäßig ist ein Ansatz von 10.000 t bis 15.000 t anzutreffen.4 Für eine Bruchteilsbewertung bei einem presserechtlichen Vorgehen gegen eine Verbreitung in Online-Medien gegenüber einer inhaltsgleichen Printveröffentlichung besteht kein Anlass (mehr).5

2.1675

Gegenforderung 2.1676

Siehe die Stichwörter „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff. und „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff.

Gegenleistung A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Gegenseitige Verträge Wird aus einem gegenseitigen Vertrag auf Erfüllung geklagt, bestimmt man den Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert der geforderten Sach- oder Geldleistung.6 Eventuelle über die geforderte Leistung hinausgehende wirtschaftliche oder ideelle Interessen bleiben jeweils unberücksichtigt.7

2.1677

Nach zutreffender herrschender Meinung bleibt die vom Kläger gem. § 320 BGB Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung stets unberücksichtigt, weil sie nicht Streitgegenstand ist.8 Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

2.1678

1 BGH v. 3.8.2010 – VI ZR 113/09, MDR 2010, 1155 = NJW 2010, 3037; vgl. auch Beschl. v. 2.10.2012 – VI ZB 70/11 zur rechtsmissbräuchlichen Aufspaltung der Rechtsverfolgung gegenüber Print- und Online-Veröffentlichung. 2 OLG München, Beschl. v. 18.6.2001 – 21 W 1705/01, OLGR 2001, 291. 3 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703. 4 KG, Beschl. v. 8.11.2012 – 10 W 81/12, AfP 2013, 65 (15.000 t); OLG Dresden, Beschl. v. 19.1.2019 – 4 W 1074/18, JurBüro 2019, 199: für Tageszeitung weit über 3.000 t; LG Berlin, Beschl. v. 27.9.2010 – 27 O 492/10 (10.000 t); LG Lüneburg, Urt. v. 31.5.2012 – 1 S 66/11, AfP 2012, 491 („üblicherweise“ 10.000 t). 5 KG, Beschl. v. 8.11.2012 – 10 W 81/12, AfP 2013, 65; OLG Köln v. 19.1.2012 – 15 W 63/11, AfP 2012, 268. 6 OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 4438/18; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97. 7 OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101. 8 BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – V ZR 68/17; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345; BGH, Beschl. v. 15.4.1999 – V ZR 391/98, MDR 1999, 1022; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, JurBüro 2002, 424; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; Müller, MDR 2003, 248.

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ZPO

eine gebührenrechtliche Angelegenheit dar.1 Richtet sich der Gegendarstellungsanspruch gegen mehrere Verpflichtete als Gesamtschuldner, findet keine Addition der Einzelwerte statt.2

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2. Teil

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Gegenleistung

ZPO

– Der Streitwert der Klageforderung wird nicht gemindert, wenn der Kläger die geschuldete Gegenleistung im Klageantrag anbietet, etwa durch Antrag auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung.1 – Der Wert positiver Feststellungsklagen ist regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, auch wenn die Leistungen von Gegenleistungen des Klägers abhängig sind.2 – Der Streitwert der negativen Feststellungsklage entspricht dem der Leistungsklage. Da Zug um Zug zu erbringende Leistungen den Wert der Leistungsklage nicht mindern, verringern sie auch den Wert der negativen Feststellungsklage nicht.3

II. Rückgewährschuldverhältnisse und schadensersatzrechtlicher Vorteilsausgleich 2.1679 Die Gegenleistung bleibt nicht nur beim Streitwert von Klagen aus gegenseitigen Verträgen unberücksichtigt, sondern auch in allen anderen Fällen.4 Gegenrechte im Rückgewährschuldverhältnis i.S.v. § 348 BGB5 oder im Wege des Vorteilsausgleichs herauszugebende Gegenleistungen6 mindern daher den Streitwert nicht.

2.1680 Eine nur scheinbare Ausnahme liegt vor, wenn der Kläger Zahlung eines Geldbetrages Zug um Zug gegen Zahlung einer anderen bezifferten Geldsumme begehrt. In solchen Fällen ist nur die Differenz der Beträge der Streitwert.7 Bei einer durch den Vorteilsausgleich gebotenen Absetzung legt er damit nur die vorzunehmende Saldierung (ungeschickt) dar.8 Ansonsten erklärt er durch den Zug-um-ZugAntrag die Aufrechnung, die gleichfalls nach § 389 BGB die wertbestimmende Klageforderung reduziert. Wer eine fällige Geldforderung wegen einer gleichfalls fälligen Geldforderung zurückbehält, rechnet selbst dann auf, wenn er ausdrücklich erklärt, nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.9 In Wahrheit macht der Kläger damit in beiden Fällen erkennbar nur die Differenz zum Streitgegenstand. Entsprechend § 133 BGB sind auch Klageanträge nicht nach dem buchstäblich erklärten, sondern nach dem erkennbar wirklich gewollten auszulegen. „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“10

2.1680a Wenn der Kläger die von ihm Zug um Zug zu erbringende Geldleistung nicht beziffert, mindert sie den Streitwert allerdings nicht.11 Dann wird nämlich nicht hinreichend deutlich, welchen Differenzbetrag der Kläger zum Streitgegenstand machen will. Eine in dem Zug-um-Zug-Antrag liegende Auf-

1 RG, Urt. v. 6.5.1933 – I 18/33, RGZ 140, 359; BGH, Beschl. v. 29.10.2020 – I ZR 172/19; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345; OLG Celle, Beschl. v. 26.1.1994 – 16 W 48/93; OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15. 2 BAG, Beschl. v. 18.4.1961 – 3 AZR 313/59, NJW 1961, 1788. 3 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749; OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.7.1966 – 1 W 50/66, JurBüro 1966, 876. 4 RG, Urt. v. 6.5.1933 – I 18/33, RGZ 140, 359. 5 BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – V ZR 68/17; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118/15; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2019 – 5 SA 47/19; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2018 – 8 W 9/18. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15. 7 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.2019 – 4 W 46/19, MDR 2019, 1190; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.9.2019 – 5 W 33/19; a.A. BGH, Beschl. v. 8.7.2019 – XI ZR 309/18. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.2019 – 4 W 46/19, MDR 2019, 1190; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.9.2019 – 5 W 33/19. 9 RG, Urt. v. 30.9.1913 – III 233/13, RGZ 83, 138; RG, Urt. v. 21.4.1931 – II 241/30, RGZ 132, 305; NomosKommentarBGB/Wermeckes, BGB, § 387 Rz. 3. 10 2. Kor 3,6. 11 OLG München, Beschl. v. 29.9.2020 – 8 U 201/20, MDR 2020, 1506.

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Gegenleistung

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2. Teil

ZPO

rechnung ist nicht (wirksam) erklärt, da sie mangels Bezifferung dem der Doppelnatur der Prozessaufrechnung geschuldeten Bestimmtheitsgebot1 nicht genügt.

III. Zurückbehaltungsrecht Sehr streitig ist, ob die vorstehend beschriebenen Grundsätze auch dann gelten, wenn der Beklagte das Recht des Klägers auf Herausgabe des Gegenstandes nicht an sich in Frage stellt, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht (etwa aus §§ 273, 320, 348 BGB) geltend macht.

2.1681

Die (wohl) herrschende Meinung bemisst den Streitwert auch dann allein nach dem klageweise geltend gemachten Anspruch ohne Rücksicht auf die Gegenforderung.2 Maßgebend ist daher gem. § 6 ZPO der Wert der herausverlangten Sache.

2.1682

Die Gegenauffassung will über § 3 ZPO als Streitwert im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur den Wert des Gegenanspruchs ansetzen, wenn er im Verhältnis zum Wert der herauszugebenden Sache geringwertig ist.3 Sie begründet das damit, dass der Streit der Parteien in Wahrheit nur um das Gegenrecht geführt werde. Verfassungsrechtliche Gründe geböten daher den Ansatz des geringwertigeren Gegenrechts. Aus den vorstehenden Gründen will eine dritte Auffassung das wirtschaftliche Interesse analog § 641 Abs. 3 BGB mit dem doppelten Wert des Gegenrechts als „Druckzuschlag“ bewerten.4 Eine weitere Ansicht will in solchen Fällen nach § 3 ZPO 20 % des Verkehrswerts der herauszugebenden Sache ansetzen.5

2.1683

Zutreffend ist die (wohl) herrschende Meinung. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der klageweise geltend gemachte (Herausgabe- oder Auflassungs-)Anspruch, der nach § 6 ZPO zu bewerten ist. Dessen eindeutiger Wortlaut verbietet, auf ein abweichend nach § 3 ZPO errechnetes Interesse abzustellen. Die §§ 6 bis 9 ZPO legen nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers die Grundsätze der Wertberechnung für praktisch häufige Fälle fest, in denen der Wert des Streitgegenstandes erfahrungsgemäß nach verschiedenen Grundsätzen ermittelt werden kann, um unterschiedliche Ermittlungsmethoden zu unterbinden.6 Sie stehen daher individuellen Bewertungen des Klägerinteresses im Interesse der Rechtssicherheit und der prozessualen Gleichbehandlung entgegen.7 Die Gegenmeinung verwirklicht dieses vom Gesetzgeber missbilligte Risiko unterschiedlicher und unklarer Streitwertermittlungen. Es bleibt unklar, wann ein Gegenrecht „geringwertig“ im Verhältnis zur herausverlangten Sache ist und den Streitwert bestimmt. Zudem verursacht sie den Wertungswiderspruch, dass der Streitwert bei einem vom Beklagten behaupteten geringen Gegenanspruch niedrig, aber mit dem Verkehrswert des Grundstücks anzusetzen ist, wenn der Beklagte dessen Auflassung völlig grundlos verweigert.8

2.1684

1 BGH, Urt. v. 7.11.2001 – VIII ZR 263/00, MDR 2002, 410. 2 RG, Urt. v. 6.5.1933 – I 18/33, RGZ 140, 359; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.1.2010 – 13 W 67/09, NZM 2011, 135; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Celle, Beschl. v. 4.2.1977 – 15 W 1/77, MDR 1977, 672 und 935; OLG München, Beschl. v. 13.1.1981 – 5 W 2607/80, MDR 1981, 501 = JurBüro 1981, 892 m. Anm. Mümmler; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.2.1983 – 11 W 68/83, JurBüro 1983, 916; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.11.1974 – 13 W 50/74, NJW 1975, 394; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, MDR 1988, 1067; OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1989 – 1 W 12/89, JurBüro 1989, 1598. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2017 – 6 W 56/17; KG, Beschl. v. 14.8.2018 – 21 W 5/18, MDR 2018, 1371; OLG Hamm, Beschl. v. 30.1.2013 – 12 W 37/12, BauR 2013, 995; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.12.2010 – 2 W 2145/10, MDR 2011, 514; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.1.2019 – 3 W 5/19. 4 Pauly, ZfIR 2019, 99, 100. 5 LG Darmstadt, Beschl. v. 17.9.2018 – 11 O 18/18, ZfIR 2019, 98. 6 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 7 Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 3; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 6 ZPO Rz. 13. 8 OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298.

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2. Teil

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Gegenseitiger Vertrag

ZPO

2.1685 Es erscheint überdies zweifelhaft, ob die Gegenauffassung das Interesse wirtschaftlich zutreffend bewertet. Wenn der Beklagte in Insolvenz fällt und der Übereignungsanspruch des Klägers nicht nach § 106 InsO insolvenzfest gesichert ist, verliert er auch wirtschaftlich den Wert der begehrten Sache und nicht den Wert des Gegenrechts. Überdies kann der auf Übereignung gerichtete Rechtsstreit den – angeblich eigentlichen – Streit der Parteien um das Gegenrecht des Beklagten gar nicht bereinigen. Das Gegenrecht wird nicht rechtshängig und mangels einer § 322 Abs. 2 ZPO entsprechenden Vorschrift dem Beklagten nicht aberkannt, wenn unbedingt verurteilt wird.1 Der Beklagte kann es also unter Umständen in einem weiteren Prozess dennoch erfolgreich geltend machen.2 Um den Streit der Parteien über den Gegenanspruch zu bereinigen, wäre eine negative Feststellungsklage zu erheben.3 Der Streit um die Gegenleistung ist daher allenfalls Motiv, aber nicht Gegenstand des auf Übereignung gerichteten Prozesses.

2.1686 Verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten keine andere Sicht. Sie könnten ohnehin allenfalls den Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO betreffen, weil der Gesetzgeber den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht durch Gerichtsgebühren unzumutbar einschränken darf, die im Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes weit überhöht sind.4 Das ist aber nicht der Fall, weil § 6 ZPO auf den Verkehrswert der streitgegenständlichen Sache abstellt. Das geringwertige Gegenrecht ist gerade nicht streitgegenständlich. Es wäre bei einer negativen Feststellungsklage Gegenstand, bei der dann auch nur dessen Wert festzusetzen wäre. Diese erheblich kostengünstigere Möglichkeit für die Parteien, ihren Streit über den Gegenanspruch zu bereinigen, schließt ebenfalls einen Verfassungsverstoß aus.5

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.1687 Wendet sich der unbedingt zur Zahlung verurteilte Beklagte nur dagegen, dass ihm sein Zurückbehaltungsrecht abgesprochen wurde, bemisst sich seine Beschwer nur nach dem Wert der ihm zu erbringenden Gegenleistung.6 Der Wert des Zurückbehaltungsrechts wird aber durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt, weil über den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung hinaus keine Beschwer vorhanden ist.7 Das Gegenrecht wird nämlich nicht rechtshängig und mangels einer § 322 Abs. 2 ZPO entsprechenden Regelung nicht aberkannt, wenn das Zurückbehaltungsrecht nicht zugesprochen wird.8

Gegenseitiger Vertrag 2.1688 Siehe dazu v.a. das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff.

1 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.2015 – V ZR 111/14. Dort ist der umgekehrte Fall entschieden, dass dem Beklagten durch die Zug-um-Zug-Verurteilung das Gegenrecht nicht rechtskräftig zuerkannt ist. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 305. 4 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 5 Roth, MDR 2017, 1153, 1155. 6 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16; BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1991, 794; BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829. 7 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16. 8 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345.

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Gehörsrüge

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2. Teil

Mit der Gegenvorstellung, die von der sofortigen Beschwerde abgegrenzt werden muss,1 hat die Rechtsprechung einen Rechtsbehelf geschaffen, um Fehler unanfechtbarer Entscheidungen in der Instanz selbst korrigieren zu können. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht nach den Bestimmungen der jeweiligen Rechtsordnung zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen durfte. Unzulässig ist sie daher insbesondere, wenn das Gericht gem. § 318 ZPO an die von ihm getroffene Entscheidung gebunden ist.2 Soweit der Rechtsbehelf auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt wird, ist für ihn neben der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO kein Raum mehr. Trotz des verfassungsrechtlichen Postulats der Rechtsmittelklarheit3 sollen jedoch weiterhin andere Rechtsverletzungen mit der Gegenvorstellung gerügt werden können.4

2.1689

Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht bestimmt werden, da für die Gegenvorstellung immer dasje- 2.1690 nige Gericht zuständig ist, welches den abzuändernden Beschluss erlassen hat. Auch eines Gerichtsgebührenstreitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren keine Gerichtsgebühren erhoben werden. Für den Anwalt gehört die Tätigkeit im Rahmen einer Gegenvorstellung im Regelfall analog § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RVG zum Rechtszug und löst keine besondere Gebühr aus. Lediglich dann, wenn der Anwalt nicht zum Prozessbevollmächtigten bestellt, sondern mit der Erhebung der Gegenvorstellung als Einzeltätigkeit beauftragt wurde, entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 34035 bis 3500 VV RVG (Beschwerdegebühr) ist auf die Gegenvorstellung nicht entsprechend anwendbar.6

2.1691

Der Gegenstandswert für die Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG bemisst sich nach dem jeweiligen Wert 2.1692 des Auftrags und folgt dem Wert der angegriffenen Entscheidung. So ist beispielsweise bei der Gegenvorstellung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss die vom Antragsteller beabsichtigte Änderung der Kostenbelastung maßgeblich. Fehlt es an Anhaltspunkten für eine Wertbestimmung, kann der Wert nach § 23 Abs. 3 RVG mit 5.000 v angenommen werden.

Gehörsrüge Mit dem ZPO-ReformG 2002 hat der Gesetzgeber in § 321a ZPO die sog. Anhörungsrüge in die ZPO aufgenommen. Danach kann eine Partei eine nicht rechtsmittelfähige Entscheidung unter Hinweis auf eine (erhebliche) Verletzung rechtlichen Gehörs zur erneuten Prüfung des erkennenden Gerichts stellen. Bei dem hierdurch eingeleiteten Prüfungsverfahren handelt es sich um ein (auch) kostenrechtlich unselbständiges, zweiseitiges Annexverfahren, an dem neben dem Rügeführer auch die gegnerische Partei zu beteiligen ist. Gegen einen die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss ist weder einer weitere Anhörungsrüge noch eine Gegenvorstellung zulässig.7

1 Vgl. BGH, Beschl. v. 17.3.1982 – IVa ZB 5/82, VersR 1982, 598. 2 BGH, Beschl. v. 18.10.2018 – IX ZB 31/18, MDR 2019, 370; Einzelheiten bei Zöller/Heßler, § 567 ZPO Rz. 22 ff. 3 BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886. 4 BVerfG, Beschl. v. 25.11.2008 – 1 BvR 848/07, MDR 2009, 295 = BVerfGE 122, 190; BGH, Beschl. v. 12.12.2012 – IV ZB 26/12, MDR 2013, 421 = NJW-RR 2013, 256; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.5.2008 – 13 WF 1061/07, FamRZ 2008, 1967. 5 Schneider/Wolf, VV 3403–3404 Rz. 23. 6 Schneider/Wolf, VV Vorbem. 3.5, VV 3500 Rz. 11. 7 KG, Beschl. v. 7.8.2017 – 25 WF 20/17, MDR 2017, 1262.

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2.1693

ZPO

Gegenvorstellung

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2. Teil

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Geldforderung

ZPO

2.1694 Hierbei bleibt dem Rügeführer nachgelassen, die Anhörungsrüge wie den Einspruch (§ 342 ZPO) auf einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes oder die Kostenentscheidung (sog. Kostenrüge) zu beschränken, § 321a Abs. 5 Satz 1 ZPO. Soweit die Rüge begründet ist, wird der Prozess in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückversetzt, § 321 Abs. 5 ZPO. Anderenfalls endet das Verfahren mit einer unanfechtbaren Verwerfung (Unzulässigkeit) bzw. Zurückweisung (Unbegründetheit) der Rüge, § 321 Abs. 4 ZPO.1 Nur bei vollständiger Erfolglosigkeit ist dem Rügeführer gem. Nr. 1700 KV GKG eine Unterliegensgebühr von 60 t aufzuerlegen.2 Einer Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren bedarf es nicht.3

2.1695 Die (isolierte) anwaltliche Vertretung der am Rügeverfahren beteiligten Parteien wird nach Nr. 3330 VV RVG und die Terminsvertretung nach Nr. 3332 VV RVG mit einer 0,5 Gebühr nach § 13 RVG abgegolten. Deren Wert bestimmt sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 RVG nach den für Beschwerdeverfahren geltenden Vorschriften und damit nach dem Gegenstandswert, der anzusetzen wäre, wenn es sich um ein Beschwerdeverfahren handeln würde.4

2.1696 Da die Anhörungsrüge eine Beschwer des Rügeführers erfordert, bestimmt sich der Gegenstandswert des Rügeverfahrens nach dem Umfang, in dem die Entscheidung angegriffen wird, und kann daher den Wert der Hauptsache nicht überschreiten. Beschränkt sich die Rüge auf die Kostenentscheidung, ist der Wert der dem Rügeführer auferlegten Kosten maßgebend.5 Erheben beide Parteien eine (notwendigerweise) auf einen (unterschiedlichen) Teil des Streitgegenstandes beschränkte Gehörsrüge, sind deren Werte analog § 45 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen.6

Geldforderung A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.1697 Obwohl es sich bei der Zahlungsklage um den Standardfall der Leistungsklage handelt, finden sich – Regelungen zu Nebenforderungen (§ 4 ZPO, § 40 GKG) ausgenommen – hierzu weder in der ZPO noch im GKG Wertvorschriften. Folglich ist der Zuständigkeitsstreitwert der Zahlungsklage gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Die Regelung gelangt über § 48 GKG auch für den Gebührenstreitwert zur Anwendung.

2.1698 Die Ermessensausübung unterliegt jedoch nach nahezu einhelliger Ansicht der Einschränkung, dass grundsätzlich auf den streitgegenständlichen Forderungsbetrag abzustellen ist. Die Werthaltigkeit der Forderung, also die Aussicht, ihren Nennbetrag nach der Titulierung (im Wege der Zwangsvollstreckung) realisieren zu können, bleibt dagegen unberücksichtigt. Gleiches gilt für die Motivlage, die Klage in dem von ihm bestimmten Umfang zu erheben.7

1 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 137/03, MDR 2005, 229; BGH, Beschl. v. 10.12.2003 – VI ZB 35/03, FamRZ 2004, 437 – beide zur Unanfechtbarkeit der Verwerfung einer gegen die Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erhobenen Anhörungsrüge; OLG München, Beschl. v. 10.4.2018 – 34 SchH 6/17. 2 NK-GK/Janssen, Nr. 1700 KV GKG Rz. 4. 3 OLG München, Beschl. v. 10.4.2018 – 34 SchH 6/17. 4 AnwK-RVG/Mock, § 23 RVG Rz. 36. 5 OLG Naumburg, Beschl. v. 26.5.2005 – 14 WF 6/05, OLGR 2005, 929 – für eine an Stelle der Anhörungsrüge unzulässigerweise erhobene sofortige Beschwerde. 6 AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 3330 Rz. 18. 7 Unzutreffend daher OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2006 – 5 W 624/06, MDR 2007, 422, das eine Geldforderung i.H.v. mehreren Millionen auf die unterste Gebührenstufe herabgeschätzt hat, weil es dem Kläger eine „Selbstschädigungsabsicht“ unterstellt hat.

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2. Teil

Hierfür spricht schon § 6 ZPO, wonach bei einem Streit über die Freigabe eines hinterlegten Betrages die Höhe der hinterlegten Summe und bei einem Streit über die Herausgabe von (inländischen) Geldscheinen deren Nennwert wertbestimmend ist. Schließlich bemisst sich auch der Streit über die Sicherstellung einer Forderung gem. § 6 ZPO nach dem Betrag der Forderung.

2.1699

ZPO

Geldforderung

Dass auch Forderungen einen Verkehrswert haben und gehandelt werden können (Factoring), steht 2.1700 dem nicht entgegen. Bereits die Feststellung der Werthaltigkeit wäre in der Praxis mit vielfältigen Problemen verbunden, was wiederum den Zugang zum Verfahren erschweren würde. Zudem ließe sich die als Wertvorschrift des § 182 InsO nicht erklären, wonach bei der Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle nicht deren Nennbetrag, sondern die zu erwartende Quote den Wert bestimmt. Wäre für die Wertfestsetzung bereits nach § 3 ZPO jede Forderung auf ihre Werthaltigkeit zu prüfen, dann hätte es des § 182 InsO nicht bedurft. Als Ausnahmeregelung ist diese Vorschrift nicht analogiefähig. Mit diesem Ergebnis stimmt überein, dass der Gesetzgeber den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Bereich der Zwangsvollstreckung gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung (einschließlich aufgelaufener Zinsen), obwohl gerade die Notwendigkeit einer Zwangsvollstreckung erhebliche Zweifel an Werthaltigkeit begründen kann.

2.1701

Schließlich entspricht die strikte Bindung an den geforderten Geldbetrag dem ausdrücklichen Wil- 2.1702 len des Gesetzgebers,1 der ausweislich der Begründung zu § 35 FamGKG davon ausgegangen ist, dass bei Geldforderungen, die nach § 3 ZPO zu bewerten sind, der allgemeine Grundsatz gilt, dass sich der Wert eines Verfahrens auf Zahlung einer bestimmten Geldforderung nach dieser richtet. Da § 3 ZPO in Familiensachen nicht anwendbar ist, hat der Gesetzgeber diesen Grundsatz für die Familienrechtler in § 35 FamGKG gesondert festgeschrieben.2 Wird eine Zahlungsforderung in ausländischer Währung geltend gemacht, ist für den Zuständigkeitsstreitwert und den Streitwert der Gerichtsgebühren der Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der Einreichung maßgebend (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG). Im Falle einer außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts gilt dagegen der Wert nach dem höchsten Umrechnungskurs während des gesamten Mandats, da das RVG eine den § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG vergleichbare Regelung nicht kennt.

2.1703

Zur Frage, inwieweit bei einer Geldforderung Nebenforderungen, insbesondere Zinsen zu berücksich- 2.1704 tigen sind, s. die Stichwörter „Zinsen“ Rz. 2.6307 und „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

B. Vergleich Werden mit dem Vergleich neben dem streitgegenständlichen Anspruch auch nicht rechtshängige 2.1705 Zahlungsansprüche geregelt, dann ist der Vergleichswert für die anwaltlichen Gebühren (Nr. 1000, 1003, 1004 VV RVG) durch eine Wertaddition der erfassten Ansprüche zu ermitteln.3 Der Einzelwert des zusätzlich geregelten Anspruchs (sog. Mehrwert des Vergleichs)4 löst, wenn er nicht anderweitig anhängig ist, über Nr. 1900 KV GKG eine zusätzliche Gerichtsgebühr aus. Die Bewertung des miteinbezogenen Zahlungsanspruchs folgt über §§ 39 ff. GKG und §§ 3 ff. ZPO den allgemeinen Regeln.5 Eine Erhöhung um den vollen Wert der einbezogenen Forderung scheidet jedoch regelmäßig aus, wegen zweifelhafter Realisierungsmöglichkeiten nicht eingeklagt worden ist. Dann dürfte ihr wirtschaftlicher Wert unterhalb des Nennbetrages liegen, und es ist abzuschätzen, inwieweit mit einer Be1 2 3 4

Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum FFG-ReformG, BR-Drucks. 309/07. Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum FFG-ReformG, BR-Drucks. 309/07. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1984 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2018 – 10 W 25/18, MDR 2018, 1216, AGS 2019, 296; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2006 – 7 U 60/03. 5 OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, JurBüro 2019, 368; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 23 W 16/09, ZMR 2010, 177.

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2. Teil

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Gemeinschaft

ZPO

friedigung überhaupt zu rechnen ist.1 Zu berücksichtigen ist daher beim Vergleichswert derjenige Teilbetrag der miteinbezogenen Forderung, der bei summarischer Prüfung durchsetzbar erscheint.

2.1707 Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise entspricht derjenigen, die auch für die Bewertung der Forderungspfändung anerkannt ist (s. die Nachweise bei dem Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3863). Seinen gesetzlichen Niederschlag findet der Gedanke der Geringerbewertung wertloser Forderungen in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG, wonach der Gegenstandswert der Zwangsvollstreckung sich bei Anträgen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach dem Wert der Hauptforderung bestimmt, 2.000 t jedoch nicht überschreiten kann.2 Soweit die Einbeziehung unstreitige Zahlungsansprüche einer Partei erfasst, ist bei der Zusammenrechnung neben dem Hauptsachestreitwert in der Regel nur ein nach § 3 ZPO zu bemessendes Titulierungsinteresse in Ansatz zu bringen.

Gemeinschaft 2.1708 Siehe das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“, Rz. 2.275 ff.

Genehmigung 2.1709 Für den Streitwert kommt es darauf an, wozu die Genehmigung erteilt werden soll, beispielsweise zur Annahme eines Vertragsangebots oder zur Führung eines Namens und dergleichen.

2.1710 Der Streitwert ist dann nach § 3 ZPO zu schätzen3 und ist nicht unbedingt gleich dem Streitwert desjenigen Vorganges oder Gegenstandes, auf den sich die Genehmigung bezieht. Denn die Genehmigung ist gegenüber dem, was genehmigt wird, ein aliud und zudem nur eine von mehreren Voraussetzungen für das gewollte Ergebnis.

2.1711 Der volle Wert ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Geschäft mit der Genehmigung „steht und fällt“, wenn also alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und die Durchführung des Geschäfts im Falle der Erteilung der Genehmigung feststeht.

2.1712 Klagen mehrere Erben gegen einen anderen Miterben auf Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages, so ist der Streitwert gleich dem Interesse, das die Kläger an der Aufhebung ihrer Bindung an die Erbengemeinschaft und an der Erlangung der unbeschränkten Verfügungsbefugnis an den ihnen entsprechend ihren Erbanteilen zukommenden Grundstücken haben. Dieses Interesse ist regelmäßig geringer als der Gesamtwert ihrer Erbanteile am Nachlass.4

2.1713 Die von den Miterben mehrheitlich gewollte Veräußerung eines nachlasszugehörigen Grundstücks kann eine Maßnahme i.S.d. § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellen, die einen Anspruch der Erbengemeinschaft gegen Miterben auf Genehmigung eines Grundstücksgeschäfts begründen kann. Für die Streitwertbemessung einer solchen, auf Zustimmung zur Grundstücksveräußerung gerichteten Klage ist dann das dahinterstehende wirtschaftliche Interesse maßgeblich. Dieses kann beispielsweise gerichtet 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 22.9.1988 – 6 W 29/88, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.1980 – 5 U 124/79, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2000 – 10 W 19/00, OLGR 2000, 404; OLG Köln, Beschl. v. 6.6.2016 – 19 W 6/19; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177. 2 Vgl. ausführlich zu dieser Problematik Schneider, MDR 1990, 682. 3 Lappe, in Anm. zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.10.1958 – 6 W 423/56, Rpfleger 1959, 137. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.2.1956 – 6 W 99/56, JurBüro 1956, 467.

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Genossenschaft

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2. Teil

Verlangt ein zu 1/2 am Grundbesitz beteiligter Miterbe von einem lediglich zu 1/24 Beteiligten die Zu- 2.1714 stimmung zur Grundstücksveräußerung, bestimmt die Erbquote des Anspruchstellers den Streitwert.1 Der Zuständigkeitsstreitwert leitet sich weder aus dem vollem Grundstückswert noch aus dem Interesse ab, das der Verteidigung des Beklagten zugrunde liegt, sondern ist mit einem Betrag in Höhe des Anteils des Kaufpreises zu bemessen, der dem Anteil des Klägers an der Erbengemeinschaft entspricht.2 Zur familienrechtlichen Genehmigung s. die Stichwörter „Genehmigung“, Rz. 3.1109 ff. und „Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung“ im FamR-Teil Rz. 3.1117 ff.

2.1715

Zur wohnungseigentumsrechtlichen Genehmigung der Jahresabrechnung s. die Stichwörter Rz. 2.6176 ff.

2.1716

Genossenschaft Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Genossen aus einer Genossenschaft betrifft einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand, wenn der Ausschluss auf die Behauptung ehrenrührigen Verhaltens gestützt wird. Das gilt auch dann, wenn daneben auch vermögenswerte Interessen der Genossen mit im Spiel sind. Als Bewertungsvorschrift für den Gebührenstreitwert ist dann § 48 Abs. 2 GKG anzuwenden.3 Soweit es dagegen um einen vermögensrechtlichen Anspruch geht, ist für die Streitwertbestimmung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für den Genossen hat.4

2.1717

Der maßgebliche Streitwert einer auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Dienstver- 2.1718 hältnisses eines Vorstandsmitglieds gerichteten Klage, bemisst sich nach § 3 ZPO (über § 48 Abs. 1 GKG), denn § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG erfasst nur die Leistungsklage. Regelmäßig kommt eine mittelbare Anwendung in Betracht.5 Ist dem anderen Vertragsteil dagegen bereits vor Ablauf von 3 Jahren eine ordentlichen Kündigung möglich, ist auf den danach verbleibenden Zeitraum abzustellen. Im Einzelfall, insbesondere bei geringer Vergütung, kann die sozialpolitisch motivierte Streitwertbegrenzung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG zu beachten sein.6 Der Streitwert für eine gem. § 51 GenG erhobene Anfechtungsklage wird nicht durch den Betrag des Geschäftsanteils des anfechtenden Genossen begrenzt.7 Den Wert bestimmt das Gericht vielmehr nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung des Interesses der Genossenschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses nach freiem Ermessen.8

2.1719

Die Berücksichtigung auch des Interesses der Genossenschaft lässt sich aus dem Grundgedanken rechtfertigen, der in § 247 Abs. 1 AktG enthalten ist: Grundsätzlich ist zwar im Bewertungsrecht nur

2.1720

1 2 3 4 5

OLG Koblenz, Versäumnisurt. v. 22.7.2010 – 5 U 505/10. OLG Koblenz, Versäumnisurt. v. 22.7.2010 – 5 U 505/10. RGZ 163, 202; OLG Celle, JurBüro 1961, 455. OGH, Rpfleger 1948/49, 469; Toussaint/Elzer, KostR, § 3 ZPO Rz. 23 unter „Genossenschaft“. BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213; OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2011 – 24 W 27/11. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 11.12.2003 – 6 U 210/02, OLG-NL 2005, 90. 7 OLG Düsseldorf, JurBüro 1951, 303. 8 OLG Frankfurt, Urt. v. 25.9.2018 – 5 U 130/18, NZG 2019, 22; OLG Oldenburg, NJW 1953, 1716.

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sein auf eine finanzielle Teilhabe an dem Grundstück, dessen reale Teilung nicht in Betracht kommt, auf den Veräußerungserlös oder auf den Anteil des Beklagten.

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2. Teil

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Gerichtsstandsbestimmungsverfahren

das im Klageantrag zum Ausdruck kommende Interesse des Klägers zu berücksichtigen. § 247 Abs. 1 AktG weist den Richter jedoch ausdrücklich an, die Bedeutung der Sache für beide Parteien zu berücksichtigen. Ist dies aber für aktienrechtliche Anfechtungsklagen geltendes Recht, dann muss das Gesetz wegen der Gleichheit der Interessenlage auf genossenschaftliche Anfechtungsklagen analog angewendet werden.1

2.1721 Der im Rahmen einer genossenschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zusätzlich gestellte Antrag auf Feststellung, dass der jeweilige Leiter der Generalversammlung verpflichtet sei, einen näher bezeichneten Antrag zur Abstimmung vorzulegen, ist nichtvermögensrechtlich.2

Gerichtsstandsbestimmungsverfahren A. Allgemeines 2.1722 Ist im Einzelfall das zuständige Gericht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zweifelsfrei feststellbar, dann bestimmt das im Rechtszug zunächst höhere Gericht auf Vorlage eines am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichts oder auf Antrag einer Partei das zuständige Gericht durch unanfechtbaren Beschluss, §§ 36, 37 ZPO. Die Antragstellung unterliegt nicht dem Anwaltszwang, § 78 Abs. 3 ZPO.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.1723 Sachlich zuständig für die Gerichtsstandsbestimmung ist – bezogen auf die als zuständig in Betracht kommenden oder am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte – das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht. Handelt es sich dabei um den BGH, dann ist das OLG für die Bestimmung zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört, § 36 Abs. 2 ZPO. Einer Wertbestimmung bedarf es in keinem Fall.

C. Gebührenstreitwert 2.1724 In einem Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach §§ 36 ff. ZPO fallen keine Gerichtsgebühren an. Daher scheidet eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG aus.

2.1725 Für den Anwalt zählt das Verfahren auf Gerichtsstandsbestimmung nach § 16 Nr. 3a RVG mit zum Rechtszug und löst neben den Gebühren aus der Hauptsache keine gesonderten anwaltlichen Gebühren aus.

2.1726 Das gilt nach der Neufassung des § 16 Nr. 3a RVG durch das 2. KostRMoG unabhängig davon, ob es auch zu einer Bestimmung kommt und der Rechtsstreit dann vor dem bestimmten Gericht eingeleitet bzw. durchgeführt wird. Die frühere Rechtsprechung, die in diesen Fällen zum Teil eine gesonderte Angelegenheit mit einer gesonderten Vergütung für den Anwalt nach Nr. 3403 VV RVG angenommen hat,3 ist daher nicht mehr vertretbar. 1 Vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NJW-RR 1999, 1485. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 759. 3 BGH, Beschl. v. 5.2.1987 – I ARZ 703/86, MDR 1987, 735; BayObLG, Beschl. v. 23.2.1999 – 1Z BR 25/99, AnwBl. 1999, 354; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2000 – 4 SmA 54/99, OLGR 2000, 419; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.3.2006 – 4 SmA 48/05, NJW-RR 2007, 425; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR

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Gesamthypothek

2. Teil

2.1727

DerGegenstandswert ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen und richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers, die Antragsgegner bei demselben Gericht verklagen zu können. Dieses Interesse entspricht in der Regel einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache. Vertreten wird insoweit

2.1728

ZPO

Eine anwaltliche Vergütung fällt jetzt nur noch an, wenn der Anwalt – ohne Verfahrensbevollmächtigter zu sein – ausschließlich im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren beauftragt ist und ihm auch nicht im Anschluss daran das Prozessmandat übertragen wird, etwa, weil der Antrag des anwaltlich vertretenen Gläubigers auf Gerichtsstandbestimmung als unzulässig zurückgewiesen wird und eine Klageerhebung im Anschluss unterbleibt. Hier erhält der Anwalt eine gesonderte Gebühr für das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren (Nr. 3403 VV RVG).

– ein Viertel,1 – ein Fünftel,2 – ein Zehntel.3

D. Rechtsmittel und Beschwer Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr nach Nr. 1812 KV GKG erhoben. Auch im Rechts- 2.1729 beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr erhoben (Nr. 1826 KV GKG). Daher kommt in beiden Rechtsmittelinstanzen eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht in Betracht. Für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist zu unterscheiden. Kommt es gem. § 567 2.1730 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zur sofortigen Beschwerde (zulässig nur gegen Bestimmungen des LG), dann gilt § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG. Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers, das ebenso wie im Bestimmungsverfahren mit einem Bruchteil der Hauptsache anzusetzen sein dürfte. Im Rechtbeschwerdeverfahren dürfte ebenso zu bewerten sein, wie im Beschwerdeverfahren. Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nach überwiegender Auffassung nicht statthaft,4 was aber nichts daran ändert, dass sie einen Wert hat, wenn sie eingelegt wird.

Gesamthypothek Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter 2.1731 Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek allein mit Gewissheit erreicht würde.

1 2 3 4

9/07, AGS 2008, 223 = MDR 2008, 473; OLG Köln, AGS 2003, 205; OLG Köln, Beschl. v. 13.3.2007 – 5 W 87/06, MDR 2007, 921; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 14.7.2005 – 1 AR 120/04, AGS 2006, 272 = Rpfleger 2006, 44; OLG Düsseldorf, MDR 1983, 846; OLG Köln, AGS 2008, 114 u. AGS 2007, 607; AGS 2007, 67. BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 17 AR 20/02, IBR 2002, 584 m. Anm. Mandelkow; ebenso vgl. BayObLG, Beschl. v. 30.8.1988 – 1 Z AR 30/88. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR 9/07, AGS 2008, 223 = MDR 2008, 473. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2006 – 4 SmA 21/06, NJW 2006, 3723; OLG Köln, Beschl. v. 24.2.2003 – 5 W 9/03, AGS 2003, 205. Zöller/Schultzky, § 37 ZPO Rz. 4.

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2. Teil

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Gesamtschuldner

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2.1732 Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen und nicht nur gem. § 3 ZPO der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.1

2.1733 Betrifft ein landwirtschaftsgerichtliches Verfahren die Genehmigung der Eintragung einer Gesamthypothek auf einem landwirtschaftlichen Grundstück zur Mithaftung neben anderen nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken oder aber die Feststellung, dass mangels eines landwirtschaftlichen Grundstücks eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist (Negativattest), so ist als Geschäftswert nicht der volle Nennwert der Hypothek, sondern der geringere Wert des fraglichen Grundstücks zugrunde zu legen.2

2.1734 Reine Rangstreitigkeiten wegen der Stelle eines Grundpfandrechtes sind nach § 3 ZPO zu bewerten. 2.1735 Jedoch ist § 6 ZPO dann anwendbar, wenn nicht nur die Rangverbesserung eines bereits eingetragenen Pfandrechts, sondern zugleich Neueintragung einer Gesamthypothek auf anderen Grundstücken gefordert wird.

Gesamtschuldner A. Allgemeines 2.1736 Gesamtschuldner schulden eine Leistung in der Weise, dass der Gläubiger die Leistung von jedem Schuldner nach seinem Belieben ganz oder teilweise, insgesamt jedoch nur einmal verlangen kann, § 421 BGB. Nimmt der Kläger mehrere Gesamtschuldner klageweise in Anspruch, handelt es sich um einfache Streitgenossen, § 59 ZPO.3

2.1737 Befriedigt einer der Gesamtschuldner den Gläubiger ganz oder teilweise, ist bezüglich der Ausgleichungspflicht der Schuldner untereinander gem. § 426 BGB zu differenzieren. Der zahlende Schuldner kann von dem anderen gem. § 426 Abs. 1 BGB eine Ausgleichung im Umfang des auf diesen entfallenden, im Zweifel gleichen Anteils verlangen. Er kann hingegen auch gem. § 426 Abs. 2 BGB im Umfang der geschuldeten Ausgleichung aus der auf ihn übergegangenen Forderung des Gläubigers vorgehen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.1738 Werden mehrere als Gesamtschuldner verklagt, liegt ein Fall der subjektiven Klagehäufung vor. Die Werte der einzelnen Ansprüche werden nicht gem. § 5 ZPO, § 39 GKG (ohne Entsprechung im GKG a.F.) zusammengerechnet, da ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt. Wertbestimmend ist vielmehr die Klagesumme.4

2.1739 Dies gilt ebenso, wenn der Kläger die Beklagten aufgrund gesamtschuldnerischer Verbindung zwar gemeinsam, aber in unterschiedlicher Höhe in Anspruch nimmt. Auch hier muss der Streitwert einheitlich nach der vollen Höhe des Klageantrags festgesetzt werden, also auch gegenüber demjenigen Be-

1 2 3 4

OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. OLG Frankfurt, JurBüro 1959, 426. Vgl. Zöller/Althammer, § 60 ZPO Rz. 5. BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, MDR 2004, 406; BGHZ 23, 339; OLG Hamm, Beschl. v. 9.6.2011 – 24 U 147/08, BauR 2011, 1546; RGZ 116, 309; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Gesamtschuldner“ Rz. 1; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8.

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Gesamtschuldner

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2. Teil

Sind nichtvermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits, ist regelmäßig eine Wert- 2.1740 addition geboten, da ihnen kein (gemeinsames) wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Kläger von mehreren Beklagten die Unterlassung künftiger ehrverletzender oder unzulässiger wettbewerblicher Äußerungen beansprucht.2 Selbst wenn gleichartige Verletzungshandlungen vorliegen, kann der Kläger von jedem Streitgenossen kumulativ die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung verlangen.3 Gleiches gilt für die Inanspruchnahme mehrere Beklagten auf Rechnungslegung oder Auskunftserteilung, selbst wenn für den (vorzubereitenden) Hauptanspruch eine gesamtschuldnerische Haftung besteht.4 Dass hier eine Mehrheit der Streitgegenstände zur Bewertung stehen, erhellt auch den Umstand, dass der gemeinsame Prozess gegen die Streitgenossen gem. § 145 ZPO getrennt werden kann, ohne dass sich die von jedem Kläger für sich beanspruchte oder von jedem Beklagten zu erbringende Leistung verändern würde. Hiervon abweichend stellt das KG5 bei einem Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger gegen einen Beklagten auf das höchste Interesse eines Klägers ab und addiert für jeden weiteren Kläger einen Zuschlag in der Höhe, die seinem Interesse an einer selbständigen Verfolgung entspricht. Die Klagesumme ohne Zinsen und Kosten ist ferner maßgeblich, wenn mehrere Gesamtschuldner Feststellung begehren, dass der gegen sie ergangene Titel nichtig ist, und dessen Herausgabe begehren.6 Für eine von zwei Gesamtschuldnern erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) hat Gleiches zu gelten.

2.1741

Verlangt ein Gesamtschuldner vom anderen unter Berufung auf das Innenverhältnis Ausgleich oder Freistellung, dann ist sein Begehren nach § 3 ZPO zu bewerten. Ist der Klageantrag auf Zahlung oder Freistellung in bestimmter Höhe gerichtet, bestimmt sich der Streitwert nach dem Klagebetrag.

2.1742

Ansonsten muss bei der Bewertung berücksichtigt werden, dass der Gläubiger berechtigt ist, einen Gesamtschuldner nach seiner Wahl voll in Anspruch zu nehmen (§ 421 BGB), ihn das Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 BGB) also nicht bindet, tatsächlich aber in aller Regel einer der Gesamtschuldner – meist sind es Eheleute – der vermögendere Schuldner ist, dessen Inanspruchnahme durch den Gläubiger wahrscheinlich ist. Daher sollte weder grundsätzlich der volle Schuldbetrag7 noch stets der halbe Valutabetrag8 festgesetzt werden.

2.1743

Es ist vielmehr anhand der Umstände des konkreten Falles zu klären, welche tatsächliche wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung die Freistellung eines Gesamtschuldners durch den anderen hat. Dabei können sich durchaus Bruchteilswerte der insgesamt noch geschuldeten Valuta ergeben, die bei glei-

2.1744

1 BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 156/82, KostRsp.ZPO § 5 Nr. 53 m. Anm. E. Schneider, AnwBl. 1976, 339. 2 BGH, MDR 2008, 1126 = GRUR-RR 2008, 460; BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126, AGS 2008, 327; BGH, Beschl. v. 12.7.1994 – VI ZB 43/93, MDR 1994, 1143 = NJW-RR 1994, 1404; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 W 18/13, MDR 2013, 1240 (Ls.); OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 13. 3 Für das Wettbewerbsrecht BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126, AGS 2008, 327; OLG Köln OLGR Köln 2006, 134; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1999 – 20 W 40/99, GRUR 2000, 825; a.A. Tillmann, GRUR 1986, 691, 694. 4 BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126, AGS 2008, 327. 5 KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, KGReport Berlin 1999, 344. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, MDR 1991, 353; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Gesamtschuldner“ Rz. 5. 7 So OLG Karlsruhe, AnwBl. 1974, 394; KG, JurBüro 1968, 466. 8 OLG Hamburg, JurBüro 1980, 279.

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klagten, von dem ein geringerer Betrag gefordert wird.1 Die Beteiligungsunterschiede sind erst bei der Kostengrundentscheidung (§§ 92, 100 ZPO) auszugleichen.

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Geschäftsgebühr

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cher Innenhaftung unterhalb der Hälfte oder oberhalb der Hälfte liegen. Siehe auch das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638

2.1745 Verteidigen sich die Beklagten, die als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, so kommt eine Streitwerterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG nur für den Gesamtschuldner in Betracht, dessen Haftung das Gericht für die Klageforderung bejaht und deshalb in einer der Rechtskraft fähigen Weise über die Aufrechnungsforderung entscheidet.1

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.1746 Unterliegen der Kläger oder alle Gesamtschuldner in vollem Umfang, bestimmt sich die Beschwer nach dem Klagebetrag.

2.1747 Dringt der Kläger mit der Klage gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern durch und wird zugleich seine Klage gegen den anderen Gesamtschuldner abgewiesen, dann werden der erste Gesamtschuldner (wegen seiner Verurteilung) und der Kläger (wegen der Klageabweisung im Verhältnis zum anderen Gesamtschuldner) beschwert. Legen beide Berufung ein, dann betreffen die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel denselben Gegenstand. Weder für die Berechnung der Beschwer noch für die Streitwerte der beiden Rechtsmittel ist gem. § 5 ZPO, § 45 Abs. 2 GKG zu addieren2 – s. auch das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4288 ff.

D. Vergleich 2.1748 Endet ein gegen gesamtschuldnerisch verbundene Beklagte geführter Rechtsstreit mit einem Vergleich, in dem neben der Klageforderung auch Ausgleichs- oder Regressansprüche der Streitgenossen untereinander geregelt werden, führt das nicht weder zu einer Erhöhung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts noch zu einem Mehrvergleich i.S.v. Nr. 1900 KV GKG. Denn eine Werterhöhung aufgrund der Regelung nicht rechtshängiger Ansprüche setzt voraus, dass hierüber zwischen dem Kläger und dem Beklagten Streit besteht.3 Dagegen kommt eine Erhöhung des Gegenstandswerts für die Tätigkeit der Anwälte in Betracht, deren Mandanten an beiden Rechtsverhältnissen beteiligt sind, bleibt dagegen möglich, wenn die geregelten Ansprüche nicht wirtschaftlich identisch sind.4 Ein (etwaig) hinzuzurechnender Ausgleichs- oder Regressanspruch ist der Höhe nach auf den zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbarten Vergleichsbetrag begrenzt.5

Geschäftsgebühr 2.1749 Siehe das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653 ff.

1 AG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2008 – 20 C 180062/06, AGS 2008, 137 mit zust. Anm. N. Schneider. 2 BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, MDR 2004, 406, RVG-Berater 2004, 104 – Beschwer; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; BGH, Beschl. v. 22.9.1952 – III ZR 367/51, BGHZ 7, 152; a.A. noch RG, Beschl. v. 25.9.1934 – III B 11/34, RGZ 145, 164. 3 OLG Frankfurt, Beschl. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079. 4 Insoweit zutr. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18 W 31/15, TranspR 2016, 77; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2014 – 10 U 158/13, BauR 2015 – die allerdings beide nicht zwischen Gebühren- und Gegenstandswert unterscheiden. 5 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2018 – 10 W 25/18, MDR 2018, 1216, AGS 2019, 296.

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Geschäftsräume

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2. Teil

Geschäftsräume fallen nicht unter den Begriff des Wohnraums. § 41 GKG ist daher bereits nach seinem 2.1750 Wortlaut unmittelbar nur auf Streitigkeiten über Bestand und Dauer des gewerblichen Mietverhältnisses (Abs. 1) sowie auf das Verlangen nach Räumung von Geschäftsräumen (Abs. 2) anwendbar. Insoweit ist auf die Ausführungen bei dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. zu verweisen. Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung einer wucherischen (Staffel-)Mietpreisverein- 2.1751 barung ist nach § 41 Abs. 1 GKG nach dem Jahresbetrag der gesamten Miete zu bemessen, soweit nicht der auf die streitige Zeit entfallende Betrag geringer ist. Der Einwand einer wucherischen Miete ist gem. § 138 Abs. 1 BGB geeignet, den rechtlichen Bestand des Mietvertrages in Zweifel zu ziehen, da bei der Geschäftsraummiete keine sozialstaatlichen Erwägungen greifen, die eine Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses gebieten.1 In gleicher Weise bestimmt sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit (über § 23 RVG) gem. § 41 Abs. 1 GKG nach der Jahresmiete, wenn der Anwalt mit der Prüfung beauftragt wird, welche Möglichkeiten der Kündigung eines Gewerbemietvertrages bestehen.2 Streitigkeiten über den Inhalt des Mietvertrages und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen fallen nicht unter § 41 Abs. 1 GKG.3 Daher bemisst sich der Wert einer Klage des Vermieters auf Zahlung rückständiger Gewerbemiete oder des Mieters auf Feststellung, dass nur ein geringerer Mietzins geschuldet wird, nach § 3 ZPO.

2.1752

Das gilt auch für die Durchsetzung eines mietvertraglich vereinbarten Konkurrentenschutzes. 2.1753 Verlangt der Mieter vom Vermieter es zu unterlassen, anderweitig noch vorhandene Räumlichkeiten an einen Konkurrenten zu vermieten, bemisst sich der Streitwert gem. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach dem bei Verletzung einer Konkurrentenschutzklausel drohenden Gewinnentgang. Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich bei befristeten Mietverhältnissen nach der noch bevorstehenden Vertragsdauer und bei einer Befristung nach dem für den Vermieter nächstmöglichen Kündigungstermin, in beiden Fällen begrenzt auf das 3,5-fache des Jahresmietbetrags (arg. § 9 ZPO). Für eine zusätzliche Berücksichtigung eines an der Mangelhaftigkeit der Mietsache (fehlende Konkurrenzfreiheit) orientierten Minderungs- oder Schadensersatzinteresses besteht schon unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität kein Raum.4 Für die Ermittlung der Beschwer des Vermieters bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung gilt 2.1754 ebenfalls § 3 ZPO. Die Beschwer entspricht im letztgenannten Fall den zu erwartenden Kosten der Rechtsverfolgung, die der Vermieter aufwenden müsste, um eine Unterlassung gewerblicher Tätigkeit gegenüber dem Konkurrenten durchzusetzen.5 Der Streitwert einer Klage auf Einhaltung einer (vertraglich vereinbarten) Betriebspflicht bestimmt 2.1755 sich nach dem Interesse des Vermieters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Ge-

1 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NJW-RR 2006, 16. 2 OLG München, Urt. v. 12.10.2016 – 145 U 2340/16. 3 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101, NZM 2005, 519. 4 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202, NZM 2006, 777; KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/93, JurBüro 1994, 243; a.A. zur ergänzenden Berücksichtigung von Mietminderung und Schadensersatz aufgrund der Konkurrenz: OLG Düsseldorf, Beschl. 18.7.2005 – 24 W 33/05, NZM 2006, 158. 5 BGH, Beschl. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 161/95, NJW-RR 1996, 460.

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Geschäftsräume

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werberäumlichkeiten in dem Gesamtobjekt. Bei pauschalierender Betrachtungsweise kann auf die Jahresmiete der an den Beklagten vermieteten Gewerbeeinheit abgestellt werden.1

2.1756 Streitigkeiten betreffend die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen und Duldung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen bemessen sich auch bei der Geschäftsraummiete gem. § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung bzw. möglichen Mieterhöhung.2

2.1757 Klagt der Vermieter auf Zustimmung zur Mietzinserhöhung, gelangt § 41 Abs. 5 GKG nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift nur für die Wohnraummiete gilt. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. § 9 ZPO, § 48 GKG nach dem 3,5-fachen Jahresentgelt, soweit die verbleibende Dauer des Mietverhältnisses nicht geringer ist.3 Der Gesetzgeber hat die Neufassung des GKG durch das KostRMoG 2004 nicht zum Anlass genommen, die in § 16 Abs. 5 GKG a.F. (jetzt § 41 Abs. 5 GKG) enthaltene Beschränkung auf Wohnraumietverhältnisse aufzuheben. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.4 Dass dessen sozialer Schutzzweck auch eine Erstreckung auf kleine Gewerbetreibende und Unternehmen rechtfertigen könnte, vermag über den klaren Wortlaut nicht hinweg zu helfen.

2.1758 Einer Bemessung nach § 3 ZPO steht entgegen, dass § 9 ZPO als speziellere Norm vorgeht.5 Denn mit dem Streit über die Zustimmung zur Erhöhung der Miete sind wiederkehrende Leistungen aus einem in seinem Umfang streitigen Stammrecht betroffen. Dass mit § 9 ZPO nicht die Rechtslage bei Mieterhöhungsklagen geregelt werden sollte und dieser zudem nur über § 48 Abs. 1 GKG zur Anwendung gelangt, rechtfertigt (spätestens) seit dem KostRMoG 2004 keine abweichende Beurteilung mehr. Die gegen eine Anwendung des § 9 ZPO im Hinblick auf die erhebliche Wertdifferenz zu § 41 GKG erhobenen Bedenken sind bereits mit der Neufassung und Beschränkung auf den 3,5-fachen Jahresbetrag durch das RPflEntlG 1993 überholt.6

2.1759 Ebenso nach § 9 ZPO, § 48 GKG ist zu bewerten, wenn etwa wegen fortlaufend unpünktlicher Entgeltzahlungen gem. § 259 ZPO eine Klage auf künftige Leistung wegen Besorgnis der Nichterfüllung erhoben wird. Vor Klageerhebung aufgelaufene Mietrückstände sind auch hier hinzuzurechnen, arg. § 42 Abs. 5 GKG.7

1 KG, Beschl. v. 7.3.2006 – 8 W 2/06, ZMR 2006, 611. 2 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657 = ZMR 2006, 190; KG, Beschl. v. 6.6.2016 – 12 W 19/16, MDR 2016, 1054; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pachtverhältnis; a.A. Toussaint/Elzer, KostR, § 41 GKG Rz. 57, 58. 3 BGH, Beschl. v. 26.5.1993 – XII ZR 32/91, BGHR GKG § 16 Abs. 5 Gewerberaum; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254 mit zust. Anm. Mümmler; KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Hamburg, Beschl. v. 6.7.1990 – 4 W 45/90, MDR 1990, 1024; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545; OLG München, Beschl. v. 5.6.2007 – 34 SchH 02/07, SchiedsVZ 2007, 330; ebenso für die Klage auf Pachtzinserhöhung: OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.8.1982 – 4 W 14/82, AnwBl. 1982, 486; a.A. 12. Auflage; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.116. 4 KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354. 5 OLG Frankfurt, Beschl. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545. 6 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 35. 7 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437; a.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.3.1980 – 22 W 1/80, MDR 1980, 761 – nach § 3 ZPO.

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2. Teil

Klagt der Vermieter dagegen rückständigen oder zukünftigen Mietzins beziffert ein1 oder auf Feststellung über die Höhe der Miete,2 bestimmt sich der Wert, da nur einzelne Leistungen und nicht das Stammrecht Gegenstand der Klage sind, nach § 3 ZPO. Bei der Feststellungsklage ist zu beachten, dass deren Wert durch den Wert einer entsprechenden Leistungsklage auf künftige Miete (§ 9 ZPO) begrenzt wird.3

2.1760

ZPO

Geschäftsschädigende Äußerungen

Geschäftsschädigende Äußerungen Wird ein Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf geschäftsschädigender Äußerungen auf § 824 BGB gestützt, dann handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, deren Wert nicht nach § 48 Abs. 2 GKG, sondern nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen ist.4

2.1761

Anders als bei Unterlassungsklagen nach dem UWG sind für die Schätzung die Größe des Unternehmens des Klägers und die Höhe seines Umsatzes weniger entscheidend. Maßgebend ist vielmehr der Umfang sowie die Art und Weise, wie sich der Beklagte Dritten gegenüber geschäftsschädigend geäußert hat.5 Mit der Wiederholung der Äußerungen (etwaig) einhergehende wirtschaftliche Nachteile sind – soweit vom Kläger konkret dargelegt – ebenfalls zu berücksichtigen.

2.1762

Hat der Beklagte den Geschäftsbetrieb des Klägers geschädigt, weil er sich zu Unrecht als Generalvertreter der vom Kläger vertretenen Erzeugnisse ausgegeben hat, so hält sich die im Unterlassungsrechtsstreit getroffene Wertfestsetzung im Rahmen des zulässigen Ermessens, die als Streitwert etwa 25 % des klägerischen Reingewinns für zwei Jahre angenommen hat.6

2.1763

Mit 10.000 t bewertet wurde eine auf § 824 BGB gestützte einstweilige Verfügung eines Kfz-Sachver- 2.1764 ständigen, mit welcher die Behauptung untersagt werden sollte, er verbiete die Weitergabe seiner Gutachten an Dritte, was sie für die Unfallregulierung unbrauchbar mache.7 Ebenso bewertet wurde eine einstweilige Verfügung, mit der ein Online-Händler einem Kunden nach § 824 BGB untersagen lassen wollte, im Kundenbewertungssystem der Online-Handelsplattform anzugeben, er liefere geringere Mengen als angegeben.8 Die einstweilige Verfügung eines Delfinariums gegen die Behauptung, es quäle die gehaltenen Delfine, hat man mit 20.000 t bewertet.9 Der Streitwert wegen der Veröffentlichung eines fehlerhaften Testergebnisses, in welchem das Produkt des Klägers als „mangelhaft“ eingestuft wurde, ist für den Unterlassungsantrag auf 75.000 t und für den Widerrufsantrag auf 50.000 t festgesetzt worden.10

1 BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 mit Anm. E. Schneider; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 589. 2 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437. 3 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437. 4 RG, Urt. v. 24.11.1913 – VI 277/13, JW 1914, 208; OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1956 – 9 W 42/56, MDR 1957, 238; LG Bayreuth, Urt. v. 20.8.1975 – 2 O 121/75, JurBüro 1975, 1356; ausführlich zur Abgrenzung zu ehrkränkenden Äußerungen s. die Stichworte „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff. sowie „Ehrkränkende Äußerungen“, Rz. 2.994 ff. 5 OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1956 – 9 W 42/56, MDR 1957, 238; OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.8.1966 – 5 W 47/66, JurBüro 1967, 72 hat den Wert auf 5.000 DM festgesetzt, wenn in einem kleineren Ort, in dem unwahre Behauptungen schnell verbreitet werden, die Äußerungen öffentlich vor einer Reihe von Zeugen gemacht worden sind. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1954, 413. 7 LG Düsseldorf, Urt. v. 17.6.2009 – 12 O 153/09. 8 LG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.2004 – 12 O 6/04, CR 2004, 623. 9 LG Hagen, Urt. v. 16.8.2011 – 9 O 151/11. 10 OLG Frankfurt, Urt. v. 3.8.2017 – 16 U 10/15.

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2. Teil

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Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster

ZPO

2.1765 Wird der Anspruch auf Widerruf neben einem Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht (Klagehäufung), sind die Ansprüche getrennt zu bewerten und die Werte nach § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.1

Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster 2.1766 Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaftsgeschmacksmustern i.S.d. VO (EG) 6/2002 (GemeinschaftsgeschmacksmusterVO) braucht man keinen Zuständigkeitsstreitwert zu ermitteln, weil die LG gem. § 63 Abs. 1 DesignG wertunabhängig ausschließlich zuständig sind. Der Gebührenstreitwert wird nach § 51 Abs. 1 GKG bestimmt.2 Er ist ebenso zu bewerten wie bei Schadensersatz- und Unterlassungsklagen aufgrund der Verletzung eines Designs (früher: Geschmacksmuster) nach dem DesignG. Weitere Einzelheiten findet man unter dem Stichwort „Design“ Rz. 2.899 ff. und allgemein unter „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1828.

Gesellschaft Rechtsprechungs-ABC Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1768 Actio pro socio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1770 Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen . . . . . . 2.1771 Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1776 Ausschluss eines Gesellschafters . . . . . . . . . . 2.1777 Befreiung von Gesellschaftsschulden . . . . . . 2.1778 Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1779 Eintragung in das Aktienregister . . . . . . . . . 2.1780 Eintragung im Handelsregister . . . . . . . . . . . 2.1781 Einziehung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . 2.1782 Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1783 Entnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1784 Freigabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1786 Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1788

Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationserzwingungsverfahren . . . . . . Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klagezulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenlegung der Verhältnisse . . . . . . . . . . . Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernahme, feindliche . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unwirksame Kündigung . . . . . . . . . . . . . . Vergütungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1789 2.1791 2.1792 2.1795 2.1797 2.1798 2.1801 2.1803 2.1806 2.1811 2.1812 2.1813 2.1814 2.1815

2.1767 Die Klagemöglichkeiten im Zusammenhang mit einer Gesellschaft sind vielfältig. Im Folgenden sollen die in der Praxis häufigsten Fälle nach Stichworten geordnet aufgeführt werden. Soweit keine speziellen gesellschaftsrechtlichen Bewertungsvorschriften einschlägig sind (vgl. §§ 247, 249 AktG), bestimmt sich der Streitwert zumeist nach § 3 ZPO. Abberufung

2.1768 Der Streit um die Wirksamkeit der Abberufung eines Organmitglieds einer Kapitalgesellschaft ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse der Gesellschaft zu bewerten, dass der Abberufene von der Leitung der Gesellschaft ferngehalten wird bzw. nach dem gegenteiligen Interesse des Organs, weiterhin Len-

1 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2018 – 20 U 162/17.

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Gesellschaft

2. Teil

ZPO

kungs- und Leitungsmacht auszuüben.1 Die Gehaltsinteressen des Organs und die möglichen Folgeansprüche der Gesellschaft aus einer wirksamen Abberufung spielen dagegen keine Rolle,2 denn der Streitgegenstand betrifft nur die organrechtliche Stellung, nicht den zugrunde liegenden Dienstvertrag.3 In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer seine Abberufung als Ge- 2.1769 schäftsführer und nicht auch zusätzlich die Beendigung seines Dienstverhältnisses angreift. Da die Abberufung keinen schwerwiegenderen Eingriff in die Rechte des Klägers darstellt als seine Ausschließung als Gesellschafter, kann auf den wirtschaftlichen Wert des betreffenden Geschäftsanteils als geeignetes Kriterium für eine Wertobergrenze abgestellt werden.4 Fehlen Angaben zum Verkehrswert, kann der Nennwert als Mindestwert herangezogen werden.5 Der mit der Abberufung verbundene Verlust an Einfluss auf die Geschäftspolitik von Tochtergesellschaften kann im Einzelfall werterhöhend zu berücksichtigen sein. Actio pro socio Bei einer actio pro socio berechnet sich der Streitwert nach dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft und nicht dem des klagenden Gesellschafters. Daher ist bei einer auf Mitwirkung bei der Auflassung gerichteten Klage gegen einen Mitgesellschafter der volle Wert des Grundstücks und nicht der dem Gesellschaftsanteil entsprechende Teil des Grundstückswertes maßgeblich.6

2.1770

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Die Anfechtungsklagen gegen aktienrechtliche Beschlüsse werden – ebenso wie die Nichtigkeitsklagen 2.1771 – nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen bewertet (§§ 247, 249 AktG).7 Dabei darf der Streitwert 10 % des Grundkapitals bzw. 500.000 t nur dann übersteigen, wenn das Interesse des Klägers höher zu bewerten ist.8 Die Bemessung des Streitwerts hängt in entscheidendem Maße von Inhalt und Gegenstand des 2.1772 Hauptversammlungsbeschlusses ab, dessen Nichtigkeit geklärt werden soll. Nach ihnen bemessen sich im Wesentlichen die wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen, die eine Nichtigkeit des Beschlusses für den anfechtenden Aktionär, die verklagte Gesellschaft und die übrigen Aktionäre hat. Art und Zahl der geltend gemachten Anfechtungsgründe sind dagegen nicht geeignet, den Streitwert zu beeinflussen.9

1 BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, MDR 2009, 815; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJWRR 1995, 1502; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416; OLG Jena, Urt. v. 8.1.2014 – 2 U 627/13, GmbHR 2014, 706 = NZG 2014, 391. 2 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123. 3 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Organe, Organmitglieder“, Rz. 2.3805. 4 BGH, Beschl. v. 9.1.2021 – II ZR 93/20; BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, GmbHR 2009, 995 = MDR 2009, 815; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416. 5 BGH, Beschl. v. 9.1.2021 – II ZR 93/20; BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 132/12; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416. 6 OLG Naumburg, Beschl. v. 20.5.2015 – 12 W 15/15. 7 Vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910. 8 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620 zur Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden; BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123 zur Anfechtung des Beschlusses über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers. 9 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, NJW-RR 1995, 225 = ZIP 1994, 1355.

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2. Teil

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Gesellschaft

2.1773 § 247 Abs. 2 AktG gibt die Möglichkeit der Streitwertbegünstigung, deren Wirkung sich allerdings

ZPO

auf die Instanz beschränkt.1

2.1774 Auf die genossenschaftsrechtliche Anfechtungsklage ist § 247 AktG entsprechend anzuwenden,2 weil es sich bei der Frage der Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Generalversammlung ebenfalls um schwierige Probleme handelt und die Begrenzung des Streitwertes durch den meist niedrigen Geschäftsanteil und ggf. die Haftungssumme des klagenden Genossen im Allgemeinen als nicht angemessen erscheint. Gleiches gilt für die Rechtsstreitigkeiten um Beschlüsse einer GmbH.3 Auf den Streit zwischen Gesellschaftern einer zweigliedrigen Kommanditgesellschaft4 sowie auf den Anfechtungs- oder Nichtigkeitsprozess eines Vereinsmitglieds gegen einen Beschluss der Mitgliederversammlung5 findet § 247 Abs. 1 AktG dagegen keine Anwendung.

2.1775 Führen mehrere Aktionäre Anfechtungsklagen gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss, sind sie notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 Abs. 1 ZPO. Sind die Streitwerte für die einzelnen Klagen wegen unterschiedlichen Aktienbesitzes der Kläger nicht identisch, bestimmt sich der Gesamtstreitwert für das Verfahren nach dem höchsten Einzelstreitwert (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).6 Auflösung

2.1776 Der Streitwert der Auflösungsklage ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der Klärung der Frage der Auflösung.7 Er entspricht grundsätzlich nicht der vollen Höhe der Beteiligung der Gesellschafter, da das Auflösungsurteil noch keinen vollstreckbaren Titel mit Zugriffsmöglichkeit auf das Auseinandersetzungsguthaben bildet. Zu berücksichtigen sind weitere Umstände wie eine Verlustgefahr oder Haftungserweiterung.8 Siehe auch das Stichwort „Auflösung einer GmbH“, Rz. 2.320. Ausschluss eines Gesellschafters

2.1777 Der Wert der Klage auf Ausschluss eines Gesellschafters ist nach § 3 ZPO zu schätzen und bemisst sich nach dem Wert der Gesellschaftsanteile des Klägers.9 Das gilt ebenso, wenn der Betroffene gegen den Ausschließungsbeschluss mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage vorgeht. Für den Wert seines Anteils ist vorrangig auf dessen Verkehrswert, hilfsweise auf den Nennwert, abzustellen.10 Siehe auch unter dem Stichwort „Ausscheiden eines Gesellschafters“, Rz. 2.523.

1 BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, MDR 1993, 184; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.1991 – 15 U 127/90, KostRsp. § 247 AktG Nr. 14 m. abl. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.8.1984 – 5 U 110/83. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131; OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.6.2006 – 8 U 86/05, OLGR 2007, 750. 3 BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438; BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NJW-RR 1999, 1485. 4 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823. 5 BGH, Beschl. v. 25.5.1992 – II ZR 23/92, MDR 1993, 183. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, OLGR 2001, 270. 7 OLG Naumburg, Urt. v. 20.4.2012 – 10 U 24/10, GmbHR 2013, 37. 8 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, DB 1988, 281. 9 BGH, Beschl. v. 13.7.2020 – II ZR 30/20; BGH, Beschl. v. 28.11.1955 – II ZR 19/55, BGHZ 19, 173; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.5.2013 – 14 U 12/13, GmbHR 2013, 274; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Ausschließung“, Rz. 2.530. 10 OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 = ZWH 2013, 416; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.30.

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Gesellschaft

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2. Teil

Der Wert der Klage eines Gesellschafters gegen den anderen auf Befreiung von Gesellschaftsschulden wegen seines Ausscheidens richtet sich gem. § 6 ZPO nach dem Gesamtwert der Schulden.

2.1778

Einlageverpflichtung Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Feststellungsklage, wonach eine Verpflichtung für eine ratierlich über die gesamte Beteiligungsdauer zu erbringende Einlagenzahlung aus einem stillen Gesellschaftsvertrag nicht besteht, bestimmt sich nach den Regeln für wiederkehrende Leistungen (§ 9 ZPO) nach dem 3,5-fachen des Jahresbetrags.1 Das gilt in gleicher Weise für Freistellungsansprüche.2

2.1779

Eintragung in das Aktienregister Die Klage auf Eintragung in das Aktienregister gem. § 67 Abs. 1 AktG ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu be- 2.1780 werten, wobei vom wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Erfolg der Klage auszugehen ist. Da die Eintragung dem Eingetragenen im Verhältnis zur Aktiengesellschaft die Möglichkeit verschafft, die Zahlung etwaiger Dividenden zu fordern und aktienrechtliche Mitwirkungsrechte auszuüben, wird auf einen Bruchteil (1/10 bis 1/4) des Wertes dieser Rechte abzustellen sein. Als Regelfall erscheint eine Festsetzung auf 1/4 des Aktienwerts angemessen.3 Eintragung im Handelsregister Der Wert einer Klage, die das Ziel verfolgt, eine bestimmte Eintragung im Handelsregister zu errei- 2.1781 chen, ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Es kann ein Bruchteil des klägerischen Anteils an der Gesellschaft – je nach Umständen des Einzelfalls – i.H.v. 1/10 bis 1/4 angesetzt werden. Dagegen bemisst sich die Beschwer der Gesellschaft bei Ablehnung der Berichtigung einer Handelsregistereintragung, hier die Austragung des Beklagten als Kommanditist, nach ihrem Interesse an einer korrekten Widergabe ihrer Gesellschafter im Handelsregister. Der tatsächliche und rechtliche Einfluss auf andere Rechtsverhältnisse sowie mit der Klage verfolgte mittelbare Ziele sind nicht zu berücksichtigen.4 Einziehung von Geschäftsanteilen Der Streitwert der Klage, einen Einziehungsbeschluss für nichtig zu erklären, bestimmt sich regelmäßig nach dem Verkehrswert des betroffenen Geschäftsanteils. Der Vermögenswert der gesellschafterlichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte, deren Verlust mit der Einziehung des Geschäftsanteils notwendigerweise einhergeht, ist nicht höher als der Anteilswert zu bemessen.5 Beansprucht der von dem Einziehungsbeschluss betroffene Gesellschafter, der Gesellschaft die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister zu untersagen, dann ist eine Bruchteilsbewertung geboten.6

1 BGH, Beschl. v. 4.4.2005 – II ZR 192/04; KG v. 5.10.2009 – 2 W 127/09, MDR 2010, 47; OLG Dresden, Beschl. v. 20.9.2005 – 8 W 702/05; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.9.2012 – 9 W 43/12, MDR 2012, 1482; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.7.2007 – 10 W 29/07; a.A. OLG Frankfurt v. 14.1.2009 – 4 W 36/08, MDR 2009, 353. 2 BGH, Beschl. v. 4.4.2005 – II ZR 107/04; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.9.2012 – 9 W 43/12, MDR 2012, 1482. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 15.4.2008 – 27 W 54/07, OLGR 2008, 688 = AG 2008, 671. 4 BGH, Beschl. v. 6.11.2018 – II ZR 251/17. 5 BGH, Beschl. v. 8.12.2008 – II ZR 39/08, NZG 2009, 518 = DStR 2009, 339; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.5.2013 – 14 U 12/13, GmbHR 2013, 803 = NZG 2013, 1146. 6 OLG Dresden, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 W 150/19, GmbHR 2019, 665: 1/3 – s. auch unter „Gesellschaft“, Rz. 2.1788.

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2.1782

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Befreiung von Gesellschaftsschulden

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2. Teil

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Gesellschaft

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Entlastung

2.1783 Der Wert für Streitigkeiten betreffend die Entlastung von Organen und Organmitgliedern einer Gesellschaft ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Bemessung des Streitwerts einer negativen Feststellungsklage gelten.1 Zur Bewertung bezifferter und unbezifferter Ersatzansprüche gegen Organe der Gesellschaft sowie der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen s. das Stichwort „Organe, Organmitglieder“, Rz. 2.3805. Entnahmerecht

2.1784 Das Recht zu Entnahmen aus der Gesellschaftskasse ist in § 122 Abs. 1 HGB geregelt. Diese Vorschrift gilt jedoch nicht für den Kommanditisten (§ 169 Abs. 2 Satz 1 HGB). Abweichende vertragliche Regelungen sind zulässig. Für Klagen auf Feststellung eines gesetzlichen oder vertraglichen Entnahmerechts ist das Interesse des Klägers zu schätzen.

2.1785 Beansprucht der Kläger als Kommanditist ein Entnahmerecht während der Dauer des Gesellschaftsvertrages, dann berechnet sich der Streitwert des Feststellungsverfahrens nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag, bei positiver Feststellung mit einem Abschlag von 20 %.2 Freigabeverfahren

2.1786 Gemäß § 246a AktG kann eine Aktiengesellschaft feststellen lassen, dass bereits erhobene Beschlussanfechtungsklagen der Eintragung des Beschlussinhalts in das Handelsregister nicht entgegenstehen, weil die Klagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder weil das Wirksamwerden des Beschlusses zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Gesellschaft vorrangig erscheint. Der Wert des Verfahrens ist gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 GKG nach § 3 ZPO zu bestimmen und orientiert sich am Wert des Hauptsacheverfahrens, da die Schutzbedürftigkeit in beiden Verfahren dieselbe ist.3 Hierbei kann auf die Bewertungskriterien des § 247 AktG zurückgegriffen werden.4 In der Regel liegt der Streitwert zwischen dem Wert des Antragsteller- und des Antragsgegnerinteresses. Ersteres entspricht dem Vermögenswert oder der sonstigen Bedeutung der beschlossenen Maßnahme, letzteres dem wirtschaftlichen Erfolg, den er mit der Nichtfreigabe anstrebt, begrenzt durch den Wert seines Aktienbesitzes.5

2.1787 Für den Wert des Beschwerdeverfahrens gegen eine erstinstanzliche Freigabeanordnung stellt das OLG Frankfurt auf das Interesse der Antragstellerin an der Überwindung der Registersperre ab. Gesellschafterliste

2.1788 Streitigkeiten über den Inhalt und Änderungen der Gesellschafterliste bemessen sich nach einem Bruchteil des behaupteten Geschäftsanteils. Das gilt für die auf Duldung der Eintragung eines Widerspruchs im Handelsregister ebenso wie für die auf Einreichung einer neuen Gesellschafterliste gerichtete Klage. Der Wert des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Eintragung eines Widerspruchs entspricht dem des Hauptsacheverfahrens, da beiden dieselbe Wirkung zukommt.6

1 BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 196/12, NZG 2013, 783. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 21.12.1981 – 3 W 115/81, JurBüro 1982, 284; das Gericht hat, da noch § 9 ZPO a.F. einschlägig war, im konkreten Fall auf den 12,5-fachen Jahresbetrag festgesetzt. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2019 – 6 AktG 1/18, ZIP 2019, 150; OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.2012 – 12 AktG 778/12, ZIP 2012, 2052 = AG 2012, 758; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2012 – 20 AktG 1/12, AG 2013, 604: hohe Bruchteilsbewertung; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.10.2009 – 20 AR (Freig) 1/09, AG 2010, 89. 4 Hüffer, § 246a AktG Rz. 10. 5 OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.2012 – 12 AktG 778/12, ZIP 2012, 2052 = AG 2012, 758. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.11.2012 – 7 U 125/12; OLG Dresden, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 W 150/19, GmbHR 2019, 665.

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Gesellschaft

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2. Teil

Der Wert der Klage auf Feststellung des Bestehens, der Fortdauer oder Auflösung des Gesellschaftsvertrages bemisst sich nach § 3 ZPO. Hier ist eine Zusammenschau aller in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren geboten.1 Streiten sich die Parteien nicht um die Auflösung der Gesellschaft als solche, sondern nur um die Frage des genauen Zeitpunktes, so ist nur ein Bruchteil des nach § 3 ZPO ermittelten Wertes anzusetzen.

2.1789

Der gebührenrechtliche Wert (§ 2 Abs. 1 RVG) für die Änderung eines Gesellschaftsvertrages ist mangels anderer Anhaltspunkte gem. § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der BGH hat in der Entscheidung vom 24.11.19942 maßgeblich darauf abgestellt, welche Bestimmungen des bereits bestehenden Gesellschaftsvertrages geändert wurden und was diese Änderungen (steuerrechtlich, erbrechtlich, haftungsrechtlich etc.) für die Gesellschaft bedeuteten.

2.1790

Herausgabe Die Klage auf Herausgabe von Aktien, Interimsscheinen, Gewinnanteilsscheinen oder Bezugsrechten ist nach § 6 ZPO zu bewerten. Maßgeblich ist der Verkehrswert der jeweiligen Urkunde.

2.1791

Informationserzwingungsverfahren Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GNotKG gilt für die Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens nach § 51b GmbHG bzw. § 132 AktG die Regelung in § 36 Abs. 3 GNotKG mit der Maßgabe, dass der Wert regelmäßig mit 5.000 t anzunehmen ist.

2.1792

Der Geschäftswert ist auch dann einheitlich festzusetzen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben.3 Der Zahl der Antragsteller ist nicht durch bloße schematische Multiplikation des Regelgeschäftswertes mit der Zahl der Anträge Rechnung zu tragen, sondern durch angemessene Erhöhung des Geschäftswertes bis zur Obergrenze von 1.000.000 t (§ 36 Abs. 3 GNotKG). Maßgeblich ist für die Erhöhung, ob es sich um mehrere selbständige Informationsbegehren handelt, oder ob und in welchem Umfang die Auskünfte zusammenhängen4 bzw. ob die Antragsteller dem Verfahren eine über den Verfahrensgegenstand hinausgehende grundsätzliche Bedeutung beimessen.5

2.1793

Das OLG Frankfurt6 vertritt die Ansicht, dass der Regelwert mit der Zahl der gestellten Fragen zu 2.1794 multiplizieren ist, wenn das Verfahren mehrere Fragen mit jeweils einem eigenständigen Inhalt zum Gegenstand hat. Dagegen spricht schon, dass § 36 Abs. 3 GNotKG nicht auf die einzelne Frage, sondern auf das Verfahren als solches abstellt und für dieses einen Regelstreitwert vorgibt. Dieser kann nach den Umständen des Einzelfalls dann niedriger oder höher angenommen werden. Jahresabschluss Kapitalgesellschaften und ihnen gem. § 264a HGB gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften sind gem. § 325 HGB verpflichtet, ihren Jahresabschluss offen zu legen, d.h. dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers zur Verfügung zu stellen und dessen (kostenpflichtige) Veröffentlichung zu veranlassen. Kommt die Gesellschaft der ihr obliegenden Offenlegungspflicht trotz Ordnungsgeldandrohung nicht nach, kann das Bundesamt für Justiz gem. § 335 HGB ein Ordnungsgeld von 2.500 1 OLG Köln, Beschl. v. 22.6.1982 – 2 W 79/82, JurBüro 1982, 1719; OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, DB 1988, 281. 2 BGH, Urt. v. 24.11.1994 – IX ZR 222/93, MDR 1995, 319. 3 BayObLG, Beschl. v. 28.3.1991 – BReg. 3 Z 2/91, GmbHR 1991, 576; BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; BayObLG, Beschl. v. 14.11.2000 – 3Z BR 321/00, JurBüro 2001, 254. 4 BayObLG v. 8.2.2000 – 1Z BR 150/99, NJW-RR 2000, 1201. 5 BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; ähnlich auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.1992 – 8 W 344/91, DB 1992, 1179. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.8.1992 – 20 W 300/92, DB 1992, 1920.

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2.1795

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Gesellschaftsvertrag

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2. Teil

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Gesellschaft

bis 25.000 t gegen die Gesellschaft als auch gegen deren gesetzliche Vertreter verhängen. Gegen die Androhung steht dem Betroffenen die Möglichkeit des Einspruchs, gegen die Ordnungsgeldfestsetzung die der Beschwerde zu. Das Verfahren richtet sich seit dem 1.9.2009 nach den Vorschriften des FamFG. Der Verfahrenswert bemisst sich nach der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes.

2.1796 Der Streitwert einer Klage, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses festzustellen, bemisst sich gem. § 256 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 256 Abs. 7 AktG.1 Hierbei kann, etwa wenn die Klage auf eine unzulässige Unterbewertung von Aktivposten (§ 256 Abs. 5 Nr. 2, Satz 3 AktG) abzielt, auf die von dem Kläger angegriffenen Positionen des Jahresabschlusses zurückgegriffen werden. Kapitalerhöhung

2.1797 Hier kann sich eine die Wertgrenze des § 247 AktG überschreitende Streitwertbemessung aus einem besonders hohen Anteil am Grundkapital (Großaktionär) ergeben. Dass ist etwa der Fall, wenn mit diesem ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft verbunden ist und durch die Kapitalerhöhung eine nach dem derzeitigen Aktenbesitz bestehende Sperrminorität verlorenzugehen droht. Da der Verlust auf den Wert der derzeitigen Beteiligung keinen (unmittelbaren) Einfluss hat, ist deren Wert auch nicht deckungsgleich mit dem nach § 247 AktG maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse des Anfechtungsklägers, so dass auch eine hierauf bezogene Bruchteilsbewertung ausscheiden dürfte.2 Klagezulassungsverfahren

2.1798 Nach § 148 AktG können Aktionäre die allein oder zusammen mit anderen wenigstens 1 % des

Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 t halten, die Zulassung beantragen, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Verwaltungsmitglieder im Namen der Gesellschaft klageweise geltend zu machen. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§§ 117, 147 Abs. 1 AktG) ein Schaden entstanden und die Gesellschaft zuvor erfolglos zur Klageerhebung aufgefordert worden ist. Die Bewertung des Verfahrens richtet sich gem. § 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG nach § 3 ZPO und orientiert sich – es geht um die Durchsetzung eines fremden Anspruch – an dem Wert des Hauptprozesses3 und damit an dem nach dem Vortrag des Antragstellers denkbaren Schaden der Gesellschaft.4

2.1799 Dass die Zulassung eine gerichtliche Geltendmachung erst ermöglicht, rechtfertigt keinen Abschlag. Denn die Nichtzulassung der Klage liefe, da die Gesellschaft zur Klageerhebung nicht bereit ist, praktisch auf einen Forderungsverzicht hinaus.5

2.1800 Zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Kostenrisikos für den Antragsteller wird der so ermittelte

Wert auf 1/10 des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft, höchstens jedoch 500.000 t begrenzt, soweit nicht ausnahmsweise die Bedeutung der Sache für beide Parteien einen darüber hinausgehenden Wertansatz rechtfertigt, § 53 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 GKG. Dem ist durch eine angemessene Vervielfachung des Deckelungsbetrags Rechnung zu tragen, um den gesetzgeberisch intendierten Schutz vor einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko nicht leerlaufen zu lassen.6 1 OLG München, Beschl. v. 7.1.2008 – 7 U 3773/07, AG 2008, 59 = WM 2008, 876. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2019 – 6 AktG 1/18, ZIP 2019, 1570; OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.2012 – 12 AktG 778/12, AG 2012, 758; abweichend OLG Hamm, Beschl. v. 6.6.2011 – 8 AktG 2/11, AG 2011, 826. 3 MünchKomm.AktG/Arnold, § 148 Rz. 103; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 148 Rz. 54. 4 LG München, Beschl. v. 29.3.2007 – 5HK O 12931/06, AG 2007, 458 – betr. unangemessene Vergütung von Vorstandsmitgliedern. 5 Ebenso MünchKomm.AktG/A.Schröder, § 148 Rz. 103; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 27.2.2019 – 18 W 53/17, ZIP 2019, 1532: deutlicher Abschlag; Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479. 6 OLG Köln, Beschl. v. 27.2.2019 – 18 W 53/17, ZIP 2019, 1532: 25-facher Betrag.

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2. Teil

Für die Klage eines Gesellschafters gegen einen Mitgesellschafter mit dem Ziel einer Leistung an die Gesellschaft (actio pro socio) ist nicht nur der Anteil des Klägers am Gesellschaftsvermögen,1 sondern der volle Betrag der Forderung ohne Abzug des klägerischen Anteils anzusetzen.2 Streitgegenstand ist der Anspruch der Gesellschaft. Nach anderer Ansicht3 ist vom Betrag der Forderung der Anteil des Beklagten abzuziehen.

2.1801

Das Verlangen eines Gesellschafters, ein Mitgesellschafter möge Geldbeträge zum Gesellschaftsver- 2.1802 mögen zurückführen, die er unter Überschreitung seiner Befugnisse für die Errichtung von betrieblichen Erweiterungsbauten verwendet habe, bemisst sich nach dem vollen Wert des zurückzuführenden Geldbetrages, nicht nur nach dem Anteil des klagenden Gesellschafters. Dieser nimmt nämlich nicht nur seine Belange als Gesellschafter wahr, sondern jedenfalls auch die der Gesellschaft. Dieser aber steht ggf. der volle, zu Unrecht (weil außerhalb der Vertretungsmacht) verwendete Geldbetrag zu.4 Offenlegung der Verhältnisse Begehrt ein Vorstandsmitglied gegen die Aktiengesellschaft Einsicht in Geschäftsunterlagen, so richtet sich der Streitwert nach der Art des verfolgten Interesses. Soweit der Antragsteller lediglich persönliche oder gesellschaftsfremde Ziele verfolgt, sind die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft unbeachtlich. Soll dagegen die Organtätigkeit als Vorstandsmitglied durchgesetzt werden, ist deren Bedeutung für die Gesellschaft maßgeblich.5

2.1803

Der Streitwert des Antrags eines Gesellschafters gegen die GmbH auf Offenlegung der Verhältnisse (Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäftspapiere und Bilanzen zur Feststellung der Umsätze, Auskunft über die Vergütung des Aufsichtsrats und der Unternehmensleistung) ist mindestens nach dem Gewinn zu bemessen, den der Kläger als Folge der Offenlegung erwarten kann. Der Streitwert darf jedoch nicht höher als der Kurswert der Anteile des Klägers festgesetzt werden.6 Wird ein solcher Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht, so führt dies dann nicht zu einer Ermäßigung des Streitwertes auf einen Bruchteil,7 wenn die begehrte Maßnahme volle Befriedigung verschaffen würde.8

2.1804

Demgegenüber bemisst sich der Streitwert des von einem Aktionär entsprechend § 132 AktG geltend gemachten Auskunftsrechts nach dem Regelwert von 5.000 v, § 1 Abs. 2 Nr. 1 GNotKG. Das gilt auch für den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens.9

2.1805

Organstellung Bei Klagen im Zusammenhang mit der Beendigung der Organstellung ist danach zu unterscheiden, worauf die Beendigung beruht.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

RGZ 171, 52. OLG Naumburg, Beschl. v. 20.5.2015 – 12 W 15/15. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.83. OLG München, NJW 1965, 258. OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1990 – 5 W 25/90, MDR 1991, 354. OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1990 – 5 W 25/90, MDR 1991, 354. Vgl. zur grundsätzlichen Bruchteilsbewertung das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1107. Zur Durchsetzung von Informationsrechten s. auch das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.10.2009 – 26 W 5/09, AG 2010, 211. Siehe dazu BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123; zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Organe, Organmitglieder“, Rz. 2.3805.

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2.1806

ZPO

Leistungsklage

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2. Teil

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Gesellschaft

ZPO

2.1807 Bei Klagen gegen die Abberufung als Geschäftsführer erfolgt die Streitwertbestimmung nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, wobei das Interesse beider Parteien berücksichtigt wird.1 Kämpft der Kläger also nur um seine Organstellung und will er weiterhin als Geschäftsführer die Lenkungs- und Leitungsmacht des beklagten Unternehmens behalten oder wieder in die Hand bekommen, dann berücksichtigt der BGH auch das gegenteilige Interesse des Beklagten, den Kläger von der Geschäftsführung fern zu halten.2 Dies gilt gleichermaßen, wenn der Streit darum geht, ob das abberufene Organmitglied überhaupt wirksam bestellt worden ist.3 Ist der Kläger zugleich Gesellschafter des Unternehmens, dann stellt der wirtschaftliche Wert seines Geschäftsanteils die Obergrenze für die Wertbemessung dar, da seine Abberufung als Geschäftsführers nicht schwerer wiegt als sein Ausschluss als Gesellschafter.4

2.1808 Das Gehaltsinteresse des Abberufenen und etwaige Ansprüche der Gesellschaft aus der Abberufung sind dagegen unbeachtlich, weil sie nicht die organschaftliche Stellung, sondern den Dienstvertrag aus dem Innenverhältnis betreffen.

2.1809 Nur dann, wenn auch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses (Dienstvertrag) und damit der Verlust der daraus abgeleiteten Gehaltsansprüche angegriffen wird, ist § 9 ZPO für die Beschwer anwendbar5 und § 42 Abs. 2 GKG für die Gebührenberechnung, wobei es nicht auf das Jahresentgelt, sondern lediglich auf das zwischen Beschlussfassung und nächstmöglicher ordentlicher Kündigung anfallende Entgelt ankommt.6 Auch bei einem Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses wendet der BGH die Regelung des § 42 Abs. 2 GKG für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts (Vergütungsinteresse des Klägers) und die Regelung des § 9 ZPO für die Beschwer an.7 Nach anderer Ansicht ist der Gebührenstreitwert einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Dienstverhältnisses des Geschäftsführers nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.1810 Werden die Klage auf Feststellung der Gesellschaftereigenschaft und die Klage auf Duldung der Einsicht in die Geschäftsbücher verbunden, dann ist jede Klage nach § 3 ZPO zu bemessen und sind sodann die beiden Werte gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.8 Teilhaberschaft

2.1811 Der Wert der Klage auf Feststellung der Teilhaberschaft bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers am Gewinn. Übernahme, feindliche

2.1812 Begehrt ein Aktionär im Wege der einstweiligen Verfügung, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot unterlässt und kurzfristig eine Hauptversammlung einberuft, in der über Zustimmung oder Ablehnung des Angebotes entschieden werden soll, ist der Streitwert in analoger Anwendung von § 247 AktG festzusetzen.9

1 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 39 m. Anm. Schneider = NJW-RR 1990, 1123; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 2 BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II Z 59/08; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502; zustimmend: OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.8.2012 – 14 W 8/12. 3 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 4 BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II Z 127/10; BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II Z 59/08; zustimmend: OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.8.2012 – 14 W 8/12. 5 BGH, Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, GmbHR 1994, 244 – Beschwer richtet sich nach dem Vergütungsinteresse. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.5.2013 – 14 U 12/13, GmbHR 2013, 803 = NZG 2013, 1146. 7 BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = AGS 2005, 454; BGH, Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, GmbHR 1994, 244; KG, Beschl. v. 21.6.1996 – 5 W 2444/96, NJW-RR 1997, 543. 8 OLG Karlsruhe, HRR 1930 Nr. 746. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2000 – 6 W 33/00, OLGR 2000, 472.

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Gesetzliche Erbfolge

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2. Teil

Die Klage auf Übertragung des Anteils an einer GmbH richtet sich nicht nach dem Nominalwert des Geschäftsanteils, sondern nach dem Verkehrswert.1 Die Ermittlung des Wertes ist schwieriger als bei Anteilen einer AG, da Aktien an der Börse gehandelt werden und einen Kurswert haben. Sie ist aber dadurch nicht ausgeschlossen und kann je nach der wirtschaftlichen Situation der GmbH unter oder über dem Nominalwert des Anteils liegen. Es ist jedoch kein Aufschlag wegen des Gewinnbezugsrechts zu machen, da dieser Bestandteil des Gesellschaftsanteils und damit bereits ausschlaggebender Faktor bei der Verkehrswertermittlung ist. Der Streitwert einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Geschäftsanteilsübertragungsvertrag bestimmt sich nach der vollen Summe des Kaufpreises.2

2.1813

Unwirksame Kündigung Klagt der persönlich haftende Gesellschafter einer KG auf Feststellung, dass die Kündigung des Kommanditisten unwirksam sei, dann ist dessen Einlage in Streit, gleichgültig ob sie schon voll eingezahlt ist oder nicht.3

2.1814

Vergütungsklage Der Streitwert für die Klage eines Organmitgliedes einer juristischen Person oder seiner Hinterblie- 2.1815 benen auf Zahlung von Gehalt oder Versorgungsbezügen ist jedenfalls dann nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 42 Abs. 3 GKG festzusetzen, wenn das Organmitglied sich in einer ähnlichen beruflichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinem Unternehmen befunden hat wie ein Arbeitnehmer. Zu prüfen ist also, ob hinsichtlich der sozialen Abhängigkeit eine „arbeitnehmerähnliche“ Stellung vorliegt.4 Das OLG Schleswig5 hat mit Recht darauf abgestellt, dass (der jetzige) § 42 Abs. 3 GKG eine soziale Schutzvorschrift ist und das Organ, etwa der Geschäftsführer einer GmbH, aus den wiederkehrenden Leistungen seinen Lebensunterhalt erzielt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass seine Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht aus seiner Organstellung erwächst, die lediglich das Außenverhältnis betrifft, sondern auf dem Anstellungsvertrag, also dem Innenverhältnis, beruht.

2.1816

Die Abgrenzung von § 9 Satz 1 ZPO zu § 42 Abs. 3 GKG hat allerdings durch die Neufassung des § 9 ZPO erheblich an praktischer Bedeutung verloren, denn § 9 ZPO sieht jetzt nur noch den 3,5-fachen Jahresbetrag gegenüber dem 3-fachen Jahresbetrag in § 42 Abs. 3 GKG vor.

2.1817

Gesetzliche Erbfolge Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.6

1 2 3 4

OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 606; ebenso Riedel, JurBüro 1962, 255. OLG Rostock, Urt. v. 30.1.2013 – 1 U 75/11. OLG München, OLGE 29, 7. OLG Stuttgart, Justiz 1968, 306; OLG Köln, MDR 1968, 593; OLG Koblenz v. 17.9.1979 – 6 U 637/78, MDR 1980, 319; OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480; Schneider, JurBüro 1969, 803; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.17. 5 OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480. 6 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, JurBüro 1975, 1197; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.6.1975 – 4 W 30/75, JurBüro 1975, 1367.

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2.1818

ZPO

Übertragung

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2. Teil

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Gestaltungsklage

ZPO

2.1819 Maßgeblich für die Bemessung des Streitwerts einer Erbfeststellungsklage ist der von den Klägern für sich in Anspruch genommene Erbteil. Für den Wert des Klageantrags kommt es weder darauf an, dass der Beklagte behauptet, selbst nur mit einem unter dem Erbanteil der Klägers liegenden Erbanteil Miterbe auf Grund gesetzlicher Erbfolge zu sein, noch darauf, dass die Kläger ihre Klagen gegen andere Beklagte, die ebenfalls als gesetzliche Miterben in Betracht kommen, zurückgenommen haben1.

2.1820 Begehrt der Kläger festzustellen, dass die Beklagten nicht Erben geworden sind, so ist damit der gesamte Nachlass im Streit, so dass der volle Wert des Nachlasses anzusetzen ist und nicht nur das wirtschaftliche Interesse des Klägers an seinem Erbteil.2 Da die negative Feststellung im Erfolgsfall jegliche erbrechtlichen Ansprüche der Beklagten ausschließt, kommt insoweit auch ein Feststellungsabschlag nicht in Betracht. Dass der Kläger hier mittelbar ein anderes wirtschaftliches Interesse verfolgt, nämlich letztlich die Durchsetzung seines Erbteils, ist insoweit unbeachtlich, da nicht sein Erbteil streitgegenständlich ist, sondern das vermeintliche Erbrecht der Beklagten.

2.1821 Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmten Erbquote (hier: 1/4) bestimmt sich in der Rechtsmittelinstanz nach dem wirtschaftlichen Interesse des unterlegenen Beklagten. Zielt dessen Klageabweisungsantrag darauf ab, die Beteiligung des Klägers am Nachlass zu beseitigen, so ist maßgeblich für den Streitwert der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Anteil an dem (um die Verbindlichkeiten) geminderten Nachlass, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %. Dieser Wert ist nicht deshalb um einen weiteren Abschlag zu mindern, weil der Beklage selbst nur geltend macht, mit einem bestimmten Anteil (hier: 1/3) am Nachlass als gesetzlicher Erbe beteiligt zu sein3. Begehrt der Beklagte neben der Klageabweisung mit seiner Widerklage die Feststellung, dass er gesetzlicher Miterbe zu einer bestimmten Erbquote geworden sei, so hat die Widerklage einen Streitwert in Höhe der in Anspruch genommenen Erbquote abzüglich eines 20%igen Feststellungsabschlags. Der Streitwert von Klage und Widerklage ist nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen, weil die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen4.

2.1822 Ist ein Pflichtteilsanspruch unstreitig, die Beteiligung als Miterben am Nachlass aber streitig, so bestimmt sich der Streitwert nur nach der Differenz zwischen dem streitigen Erbteil und dem unstreitigen Pflichtteil;5 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen.

2.1823 Zum Feststellungsabschlag s. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff. Siehe näher zu den einschlägigen Fragen das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.

Gestaltungsklage 2.1824 Leistungsklagen und Feststellungsklagen zielen auf ein Urteil ab, durch das eine bereits bestehende Rechtsfolge, etwa die Verpflichtung zur Zahlung oder die Haftung für alle aus einem Unfallereignis entstandenen Schäden, rechtskräftig festgestellt wird. Leistungsklagen und Feststellungsklagen wirken daher nur deklaratorisch. Gestaltungsklagen und die ihnen entsprechenden Gestaltungsurteile wirken demgegenüber konstitutiv. Sie sprechen nicht aus, was bereits geschehen ist, sondern sie schaffen (erstmals) eine Rechtsfolge, die es bisher nicht gegeben hat, die ohne das Urteil auch nicht eintreten kann.

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2012, 159. BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, AG 2007, 134 = RVGreport 2007, 79. BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, AGS 2012, 30 = ZEV 2011, 656. BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, AGS 2012, 30 = ZEV 2011, 656. BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389.

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2. Teil

Neben den nichtvermögensrechtlichen Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteilen, beispielsweise auf Scheidung einer Ehe (§ 1564 BGB) oder deren Aufhebung (§ 1314 BGB), gibt es auch vermögensrechtliche Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, beispielsweise auf Bestimmung einer Leistung (§§ 315, 319 BGB), auf Auflösung einer GmbH (§ 61 GmbHG), auf Erbunwürdigkeitserklärung (§ 2342 BGB) oder auf Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung (§§ 767, 771 ZPO).

2.1825

ZPO

Gewerblicher Rechtsschutz

Für die Bezifferung des Streitwerts kommt es darauf an, welche konstitutive Wirkung begehrt wird. 2.1826 Spezielle Bewertungsvorschriften für Gestaltungsklagen als solche gibt es nicht. Für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten gilt § 48 Abs. 2 GKG. Für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist auf das Interesse des Klägers abzustellen. Die in Betracht kommenden Bewertungsmaßstäbe sind den im Einzelfall einschlägigen Stichwörtern zu entnehmen, beispielsweise „Auflösung einer GmbH“, Rz. 2.320 oder im FamR-Teil „Ehesachen“, Rz. 3.587 und dergleichen.

2.1827

Gewerblicher Rechtsschutz Literatur: Büscher, Klagehäufung im gewerblichen Rechtsschutz – alternativ, kumulativ, eventuell?, GRUR 2012, 16; Goldmann, Den Marschallstab im Tornister – Zum Streitwert der einstweiligen Verfügung beim wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, WRP 2001, 240; Gruber, Entwicklung der Prozesskosten im gewerblichen Rechtsschutz – Eine Prognose, JurBüro 2019, 451; Herr, Zur Streitwertfestsetzung in Wettbewerbssachen und zum Selbstverständnis der Instanzgerichte, MDR 1985, 187; Krbetschek/Schlingloff, Bekämpfung von Missbrauch durch Streitwertbegrenzung?, WRP 2014, 1; Mayer, Die Streitwertminderung nach § 12 Abs. 4 UWG, WRP 2010, 1126. A. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.1828

7. Wiederholte Anträge . . . . . . . . . . . . . . 2.1857

B. Gebührenstreitwert

C. Streitwertherabsetzung

I. Gewerbliche Schutzrechte . . . . . . . . . 2.1829 II. Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nach dem UWG 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regel-, Orientierungs- und Auffangstreitwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klägerinteresse bei Individualklagen . . a) Umsatz des Klägers . . . . . . . . . . . . . b) Gefährlichkeit des Angriffs . . . . . . . c) Wirtschaftliche Stellung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klägerinteresse bei Verbandsklagen . . . 5. Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . 6. Klagehäufung a) Subjektive Klagehäufung . . . . . . . . b) Objektive Klagehäufung . . . . . . . . .

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1858 II. Abgrenzung zur Prozesskostenhilfe . . 2.1859

2.1831 2.1835 2.1838 2.1841 2.1842 2.1848 2.1850 2.1851 2.1852 2.1854

III. Tatbestand 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . 2.1861 2. Erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1862 3. Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1868 IV. Antrag 1. Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1872 2. Zeitpunkt der Antragstellung . . . . . . . . 2.1873 V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1882 VI. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1885 D. ABC der Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . 2.1887

A. Zuständigkeitsstreitwert Das schlagwortartig als „gewerblicher Rechtsschutz“ bezeichnete Rechtsgebiet umfasst das Wettbewerbsrecht und das Recht der gewerblichen Schutzrechte. Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu bestimmen. Die sachliche Zuständigkeit ist streitwertunabhängig. Die LG sind gem. § 14 Abs. 1 UWG, § 15 Abs. 1 GeschGehG, § 143 Abs. 1 PatG, § 52 Abs. 1 DesignG, § 27 Abs. 1 GebrMG Kurpat und Seggewiße

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Gewerblicher Rechtsschutz

und § 140 Abs. 1 MarkenG sachlich ausschließlich zuständig für die bürgerlichen Rechtsstreite. Das BPatG ist streitwertunabhängig nach § 81 Abs. 4 Satz 1 PatG für Patentnichtigkeitsklagen zuständig und gewährt nach §§ 73 ff. PatG, § 23 Abs. 4 Satz 1 DesignG, § 18 Abs. 1 GebrMG und § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG Rechtsschutz gegen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA).

B. Gebührenstreitwert I. Gewerbliche Schutzrechte 2.1829 Der Gebührenstreitwert wird in Verfahren nach dem PatG, dem GebrMG, dem MarkenG, dem DesignG, dem HalbleiterschutzG und dem SortenschutzG gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen bestimmt. Der Inhalt des § 51 Abs. 1 GKG entspricht in der Sache dem des § 3 ZPO.1 Das wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt den Wert.2

2.1830 Weitere Einzelheiten dazu lese man bei den Stichwörtern „Design“, Rz. 2.899 ff., „Gebrauchsmuster“, Rz. 2.1660 ff., „Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster“, Rz. 2.1766, „Marke“, Rz. 2.2890 ff. und „Patent“, Rz. 2.3845 ff. nach.

II. Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nach dem UWG 1. Allgemeines

2.1831 In Streitigkeiten nach dem UWG ergibt sich der Streitwert gem. § 51 Abs. 2 GKG aus der Bedeutung des Klägerbegehrens. Dabei handelt es sich um das auch nach § 3 ZPO maßgebende Klägerinteresse. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Ermessen nach § 51 Abs. 2 GKG enger begrenzt sein als bei § 3 ZPO.3 Der Gesetzgeber hat jedoch versäumt, Grenzen und Leitlinien dieses engeren Ermessen vorzugeben. Praktisch besteht daher kein wahrnehmbarer Unterschied.

2.1832 Der Streitwert ist aber nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG angemessen zu mindern, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer ist. Der Gesetzgeber ermöglicht damit in Abkehr von dem bei § 3 ZPO allein maßgeblichen Angreiferinteresse,4 die Bedeutung der Sache für den Beklagten zu berücksichtigen, um den Streitwert bei Abmahnungen nach dem UWG senken zu können.5 Dennoch ist das Klägerinteresse nach wie vor Kern der Wertbemessung und eine Minderung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG nur zulässig, wenn die für den Kläger erhebliche Beeinträchtigung für den Beklagten eine Bagatelle ist.6

2.1833 Werden bezifferte Geldsummen eingeklagt (z.B. Schadensersatz, Vertragsstrafen oder Abmahnkosten), ist deren Nennbetrag wertbestimmend.7 Ansonsten ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen.8 Maßgeblich ist das aus Klageantrag und -begründung ersichtliche wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung des Anspruchs, welches u.a. vom Umsatz, von der Größe und Wirtschaftskraft des Klägers, Marktstellung des Beklagten und Gefährlichkeit des Angriffs abhängt.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BT-Drucks. 13/9971, 44; BT-Drucks. 15/1971, 154. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, NJW 2011, 2979. BT-Drucks. 17/13057, 30. Vgl. Schumann, NJW 1982, 1257, 1260. BT-Drucks. 17/13057, 30, 31; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 51 GKG Rz. 23. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2015 – 2 W 41/15. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1952 – 1 W 11/51, NJW 1953, 512. OLG Bamberg, Beschl. v. 29.11.1982 – 3 W 124/82, JurBüro 1983, 269. OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427.

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Gewerblicher Rechtsschutz

2. Teil

Die eigenen Wertangaben des Klägers bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) indizieren den Wert des wirk- 2.1834 lich in Streit stehenden Interesses, ohne das Gericht zu binden.1 Erst recht gilt das bei übereinstimmenden Wertangaben beider Parteien.2 Dennoch muss das Gericht sie selbständig prüfen am Maßstab der objektiven Gegebenheiten, der gerichtlichen Erfahrung und der Wertfestsetzung in vergleichbaren Fällen.3 Der Kläger erschüttert die Indizwirkung seiner Streitwertangabe in der Klageschrift, wenn er zugleich eine Streitwertbegünstigung nach § 12 Abs. 3 UWG beantragt4 oder im vorgerichtlichen Abmahnschreiben einen höheren Streitwert angesetzt hat.5 Niedrigere Streitwertangaben im Abmahnschreiben bedeuten dagegen regelmäßig wenig, da moderate Beträge in der vorgerichtlichen Auseinandersetzung oft die Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Regelung fördern sollen.6 2. Regel-, Orientierungs- und Auffangstreitwerte Die Bandbreite der Sachverhalte, die im gewerblichen Rechtsschutz zu beurteilen sind, ist ursächlich für divergierende Streitwertfestsetzungen der verschiedenen Gerichte. Es gibt keine Regelstreitwerte, weil sie mit der durch § 51 Abs. 2 GKG vorgeschriebenen Ermessenausübung im Einzelfall unvereinbar wären.7 Die frühere umfangreiche Rechtsprechung diverser OLG zu von ihnen jeweils angenommenen Regelstreitwerte ist überholt.8

2.1835

Freilich ist der Begriff der Bedeutung der Sache für den Kläger kraft Natur der Sache unscharf. Um das 2.1836 dadurch begründete Moment der Unberechenbarkeit9 zu vermindern, besteht ein Bedürfnis für Orientierungswerte. Anders als Regelwerte legen sie nur einen Ausgangswert für einen typischen Durchschnittsfall fest. Der konkrete Fall wird dann unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände von diesem Punkt ausgehend bewertet.10 Das verstößt nicht gegen die vorgeschriebene Ermessensausübung. Jede Einzelfallbetrachtung benötigt einen Ausgangspunkt. Daher erscheinen Orientierungswerte im Interesse einer besseren Vorhersehbarkeit des Kostenrisikos für die Parteien akzeptabel. Allerdings darf man keine unüberwindlichen Hürden für Einzelfallumstände aufbauen, die den Orientierungswert ändern, da man sonst einen nur begrifflich versteckten Regelstreitwert erhält. Überdies dürfte ein allgemeiner Orientierungswert für Wettbewerbsverstöße nur schwer zu begründen sein. Eine Differenzierung nach Fallgruppen würde der Sache eher gerecht. Das OLG Oldenburg geht dennoch weiterhin bei durchschnittlichen Unterlassungsansprüchen allgemein von Orientierungswerten von 15.000 t im 1 BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; BGH, Urt. v. 24.4.1985 – I ZR 130/84, GRUR 1986, 93; OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; KG, Beschl. V. 21.12.2018 – 5 U 138/17; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1980 – 6 W 127/80, WRP 1981, 221. 2 BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2014 – 2 U 27/13; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. 3 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.12.2017 – 6 W 55/17. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.8.2019 – 6 W 67/19. 6 OLG Köln, Beschl. v. 20.7.1999 – 6 W 34/99. 7 BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – I ZR 24/16, GRUR 2017, 212; BGH, Beschl. v. 22.1.2015 – I ZR 95/14, WRP 2015, 454; OLG Dresden, Beschl. v. 13.9.2016 – 14 U 912/16; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2015 – 6 W 107/15. 8 Regelstreitwerte wurden angenommen von OLG Koblenz, Urt. v. 23.2.2011 – 9 W 698/10, NJW-RR 2011, 624; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.7.1995 – 1 W 228/95, WRP 1996, 145; OLG Brandenburg, Urt. v. 26.6.2012 – 6 U 34/11, WRP 2012, 1123. 9 So zutreffend Ulrich, GRUR 1984, 185. 10 OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2015 – 6 W 107/15; Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavanti, WettbewerbsprozessR, Teil H, Rz. 1410.

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2. Teil

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Eil- und von 30.000 t im Hauptsacheverfahren aus,1 das OLG Brandenburg von 20.000 t im Eil- und 25.000 t im Hauptsacheverfahren.2

2.1837 Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren haben nach § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG einen Auffangwert von

1.000 t, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte bietet, um den Streitwert zu bestimmen. Der Auffangwert bezieht sich auf den einzelnen Streitgegenstand, nicht auf die gesamte Klage.3 Er ist ausweislich der Gesetzesbegründung4 nur bei geringfügigen Wettbewerbsverstößen durch Kleinunternehmer anzuwenden.5 Grundsätzlich kann § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht angewandt werden, wenn der Umsatz des Klägers bekannt ist, weil bereits dann Anhaltspunkte für eine Wertbestimmung vorliegen.6 3. Klägerinteresse bei Individualklagen

2.1838 Maßgeblich für den Streitwert der Individualklage eines Wettbewerbers ist dessen Interesse an der Unterlassung.7 Das Interesse der Allgemeinheit an der Reinhaltung des Wettbewerbs sowie das Interesse eines Dritten sind bei der Bestimmung des Streitwertes außer Acht zu lassen.8

2.1839 Bei der Bewertung eines Unterlassungsanspruchs geht es um die Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten des Gegners zu besorgen ist.9 Dementsprechend kommt es nur auf den Schaden an, der dem Kläger durch den Beklagten droht, so dass Wettbewerbsverstöße anderer Firmen unberücksichtigt bleiben müssen.10 Bewertungskriterien für das Interesse des Klägers sind sein Umsatz, die Gefährlichkeit des Angriffs sowie die wirtschaftliche Stellung des Beklagten.11

2.1840 Anmerkung: Andere Maßstäbe gibt das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung vom 12.5.2009 vor, wenn es ausführt: „Lässt sich das Interesse des wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machenden (Verfügungs-)Klägers nicht in nachvollziehbarer Weise in einem Geldbetrag ausdrücken, hat die Streitwertbemessung dahin gehend zu erfolgen, dass Rechtsanwälte und Gericht für ihre Dienstleistungen angemessen honoriert werden“.12 Diese Rechtsprechung ist angesichts der im Gesetz keine Stütze findenden Bemessungskriterien mehr als zweifelhaft; zudem bleibt nunmehr § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG zu beachten.

1 2 3 4 5 6 7

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OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2015 – 6 W 107/15. OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.2.2021 – 6 W 8/21. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2015 – 2 W 41/15. Vgl. BT-Drucks. 17/13057, 30. OLG Dresden, Beschl. v. 1.12.2014 – 14 W 1007/14; OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2014 – 13 W 22/14, MDR 2014, 982; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.1.2014 – 2 W 63/13, 2 W 77/13; auch Krbetschek/Schlingloff, WRP 2014, 1. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.8.2014 – 4 W 46/14, MDR 2014, 1470. BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 54/11, MDR 2013, 477; BGH, Beschl. v. 26.4.1990 – I ZR 58/89, MDR 1990, 986; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2018 – 15 W 44/18; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98. Soweit solche Drittinteressen bei Verbandsklagen Berücksichtigung finden, ist dies kein Widerspruch. Denn die Drittinteressen sind kraft Satzung und Funktion eigene Interessen des Verbandes. OLG München, JurBüro 1963, 298; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418. LG Mosbach v. 10.5.1983 – KfH O 29/83, BB 1983, 2073. BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 54/11, MDR 2013, 477; OLG Köln, Beschl. v. 14.5.2013 – 1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772. OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.5.2009 – 6 W 47/09, MDR 2010, 39.

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2. Teil

Bei der Bestimmung des klägerischen Interesses ist der Umsatz des Klägers sehr bedeutend.1 Er belegt die Größe und Wirtschaftskraft eines Unternehmens.2 Ausgangspunkt der Berechnung ist daher der Jahresumsatz des Klägers, der durch die wettbewerbswidrige Handlung beeinträchtigt werden kann,3 nicht der entgangene Gewinn.4

2.1841

b) Gefährlichkeit des Angriffs Die Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes (Angriffsfaktor), die nach dem Tatsachenvortrag des Klägers zu beurteilen ist,5 ist ebenfalls von erheblicher Bedeutung.6

2.1842

Faktoren für die Gefährlichkeit des Verstoßes sind:

2.1843

– der Umsatz und die Unternehmensgröße des

Beklagten,7

– die Intensität und Dauer des Angriffs, – die Zielrichtung des Angriffs, – die erkennbaren oder zu erwartenden Auswirkungen, – die räumliche Nähe zwischen den Konkurrenten sowie – die Wahrnehmungsmöglichkeit des Angriffs für die Öffentlichkeit, da diese die Nachahmungsgefahr beeinflusst. Geringe Umsätze des Beklagten mindern den Angriffsfaktor grundsätzlich. Dennoch kann er hoch sein, wenn ein soeben auf dem Markt in Erscheinung tretendes Unternehmen potentiell in der Lage ist, sich zu einem erheblichen Konkurrenten zu entwickeln.8 Bei der Bestimmung der Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes kann auch von Bedeutung sein, dass der Beklagte mit anderen Unternehmen am Markt in einem Verbund auftritt, der u.a. durch eine gemeinsame Absatzstrategie gekennzeichnet ist.9

2.1844

Die Stärke des Angriffsfaktors kann nach zutreffender herrschender Meinung vom Verschuldensgrad des Verletzers abhängen, weil vorsätzliche Verstöße gefährlicher zu sein pflegen als fahrlässige.10

2.1845

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.1.1980 – 2 W 62/79, WRP 1980, 582. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.1.1980 – 2 W 62/79, WRP 1980, 582. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97; OLG Karlsruhe, MDR 1968, 933. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98. 5 OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.2.1985 – 2 W 82/84, WRP 1985, 366. 6 BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 54/11, MDR 2013, 477; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364; KG, Beschl. v. 14.11.2006 – 5 W 254/06, GRUR-RR 2007, 63; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, GRUR-RR 2005, 239; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.1996 – 2 W 53/96, WRP 1997, 239. 7 Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.6.1976 – 6 W 56/76, JurBüro 1976, 1249 – „Aufstiegsbetriebe“. 9 OLG Celle, Beschl. v. 24.7.2001 – 13 W 55/01. 10 BGH, Beschl. v. 24.2.2011 – I ZR 220/10, GRUR-RR 2011, 440; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.11.1979 – 2 W 50/79, WRP 1980, 105; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1983 – 6 W 21/83, JurBüro 1983, 1249; a.A. OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97.

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a) Umsatz des Klägers

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2. Teil

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Gewerblicher Rechtsschutz

ZPO

2.1846 Da der Unterlassungsanspruch Störungen abwehren soll, richtet sich das Interesse des Klägers auch auf den ungestörten Fortgang der Produktion und auf die Klarheit der bevorstehenden Entwicklung. Die Tragweite der Störungs- bzw. Verletzungshandlungen ist nicht nur objektiv nach voraussichtlicher Dauer und Intensität, sondern auch nach den begründeten Besorgnissen gerade des Klägers zu bestimmen.1 Umgekehrt schwächt sich die Angriffsstärke und damit das Interesse an einem Unterlassungstitel ab, wenn der Unterlassungsschuldner wegen bereits vorliegender Titel anderer Gläubiger seine Verletzungshandlungen voraussichtlich aufgeben wird. Der Streitwert ist dann weniger hoch anzusetzen.2

2.1847 Das Interesse des Klägers ist gering, wenn die unzulässige Wettbewerbshandlung verhindert werden konnte und daher kein Schaden eingetreten ist.3 Ist die Wiederholungsgefahr und damit die zu erwartende wirtschaftliche Einbuße oder die Beeinträchtigung eines Schutzrechts gering, ermäßigt das den Streitwert.4 c) Wirtschaftliche Stellung des Beklagten

2.1848 Bestimmend für den Streitwert sind weiter die wirtschaftliche Bedeutung des Beklagten,5 die Verbreitung seiner Werbung (z.B. mittels E-Mail6 oder Postwurfsendung, die nicht rückgängig gemacht werden kann und weiterwirkt) sowie die Gefahr der Beeinträchtigung der Mitbewerber durch diese Wettbewerbshandlung.7

2.1849 Teilweise wird vertreten, ein besonders geringer Umsatz des Beklagten führe stets zu einem niedrigen Streitwert, weil dann der Angriff wenig gefährlich sei.8 Entschieden wird jedoch über den Antrag des Klägers, der dessen Interesse an der Rechtsverfolgung konkretisiert. Die mehr oder minder große Geschäftstüchtigkeit des Beklagten lässt zwar einen Rückschluss auf die Verletzungsintensität und die Gefährdung des Klägers zu, kann aber nicht feststehende Nachteile beim Kläger aufheben. Bei großen Umsätzen des Klägers kann der Streitwert daher trotz § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG hoch sein. 4. Klägerinteresse bei Verbandsklagen

2.1850 Das Interesse eines Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist ebenso zu bewerten wie das Interesse eines gewichtigen Mitgliedes (regelmäßig also eines gewichtigen Mitbewerbers).9 Das Gleiche gilt für nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 klagebefugte Handwerks-, Industrie- und Handelskammern.10 Bei den Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist das mit der Klage verfolgte, der Satzung entsprechende Interesse der Verbraucher maßgebend.11

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG München, Beschl. v. 21.6.1954 – 6 W 1060/54, GRUR 1955, 260. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.1983 – 6 W 61/83, WRP 1983, 523. OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.12.1977 – 2 W 55/77, WRP 1978, 481. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87 = JurBüro 1987, 1831. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97. 100 t bei irrtümlich versandter Mail nach OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13, NJW-RR 2014, 613. OLG Nürnberg, Urt. v. 30.5.1967 – 3 U 46/67, WRP 1967, 412. KG, Beschl. v. 23.1.1968 – 5 W 49/98, BB 1968, 266. BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.8.2019 – 6 W 61/19. Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 12 UWG Rz. 4.10. BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – I ZR 24/16, GRUR 2017, 212; OLG München, Beschl. v. 5.2.2018 – 19 W 1855/17, NJW-RR 2018, 575; OLG München, Beschl. v. 17.1.2018 – 29 W 1623/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.11.2011 – 6 W 91/11, MDR 2012, 185.

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2. Teil

Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist nach § 51 Abs. 4 GKG mit einem Bruchteil der Hauptsache zu bewerten. Angesetzt werden Bruchteile in einem Rahmen von 1/3,1 über 2/52 und 1/23 bis zu 2/34 des Hauptsachewertes. Das OLG Hamburg nimmt einen Regelwert von 4/5 an.5 § 51 Abs. 4 GKG schließt es allerdings nicht aus, im Einzelfall den Hauptsachewert anzusetzen, wenn das Verfügungsverfahren tatsächlich keine geringere Bedeutung hat.6 Das gilt insbesondere dann, wenn der Verfügungsbeklagte bereits vor Antragstellung verbindlich zugesagt hat, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.7

2.1851

6. Klagehäufung a) Subjektive Klagehäufung Klagen mehrere durch unlauteren Wettbewerb Geschädigte gegen einen Verletzer oder klagt ein Ge- 2.1852 schädigter gegen mehrere Verletzer oder klagen gar mehrere Geschädigte gegen mehrere Verletzer auf Unterlassung, dann werden dadurch entsprechend viele Streitgegenstände geschaffen.8 Weder sind mehrere Kläger Gesamtgläubiger noch mehrere Unterlassungsschuldner Gesamtschuldner. Jeder Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann von jedem Verletzer eigenständig Unterlassung verlangen, auch wenn die materiellen Ansprüche inhaltsgleich sind, also dieselbe Verletzungshandlung betreffen. Das gilt auch, wenn eine GmbH und ihr Geschäftsführer oder eine GbR und ihre Gesellschafter auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.9 Allerdings ist der Wert des gegen den Geschäftsführer oder Gesellschafter geltend gemachten Unterlassungsanspruch regelmäßig geringer als der gegen die Gesellschaft geltend gemachte, weil auch dieser letztlich nur die Unterlassung durch das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen sichern soll.10 Hiervon ausgehend gebieten identischen Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger eigentlich eine Ad- 2.1853 dition der Einzelwerte (§ 5 ZPO). Das kann allerdings zu außerordentlich hohen Streitwerten führen, die der wirtschaftlichen Bedeutung des Unterlassungsprozesses nicht mehr entsprechen. Daher ist vom höchsten Interesse eines der Kläger auszugehen und für jeden weiteren Kläger ein Zuschlag in der Höhe zu machen, die seinem Interesse entspricht, den titulierten Anspruch selbständig geltend machen zu können.11

1 OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; KG, Beschl. v. 28.4.1988 – 25 W 2419/88, WRP 1989, 166; vgl. auch BGH v. 29.9.1978 – I ZR 107/77, MDR 1979, 116; KG, Beschl. v. 17.2.1987 – 5 U 6945/86, WRP 1987, 469. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 2.12.2016 – 14 W 445/16; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.4.1991 – 1 W 17/91, MDR 1991, 955; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.1.1993 – 1 U 136/92, WRP 1993, 351. 4 KG, Beschl. v. 8.9.2020 – 5 W 1023/20; KG Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, unter Aufgabe der vorherigen Rspr. des Senats, die für das einstweilige Verfügungsverfahren 1/3 des Hauptsachewerts ansetzte (vgl. nur KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285). 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017 – 3 W 92/17, WRP 2018, 495. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.2021 – 6 W 55/20; s. auch OLG Rostock, Beschl. v. 5.9.2008 – 2 W 22/08, AGS 2009, 243. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.2019 – 6 W 52/19. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2018 – 3 W 39/18, MDR 2018, 949; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2018 – 15 W 44/18. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2018 – 15 W 44/18; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 W 18/13, MDR 2013, 1240. 10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2018 – 15 W 44/18; OLG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2018 – 3 W 39/18, MDR 2018, 949; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 1.12.2015 – 4 W 97/14. 11 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.1988 – 2 W 2/88, WRP 1988, 632; vgl. auch BGH, Urt. v.

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5. Einstweilige Verfügung

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2. Teil

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b) Objektive Klagehäufung

2.1854 Wird die Klage auf Schadensersatz wegen einer Wettbewerbsverletzung verbunden mit einer Klage auf künftige Unterlassung desselben schädigenden Verhaltens, ist der Unterlassungsanspruch grundsätzlich höher zu bewerten als der Schadensersatzanspruch, weil er unbegrenzt in die Zukunft gerichtet und damit umfassender ist.1

2.1855 Sind Werbebehauptungen, deren Unterlassung begehrt wird, inhaltlich nicht selbständig abgrenzbar, sondern nur Variationen und Modifikationen, Einschränkungen und Erweiterungen des gleichen Gedankens, kommt nur ein einheitlicher Gesamtstreitwert in Betracht, auch wenn der Klageantrag diese Behauptungen in verschiedene Teile zerlegt und unter verschiedenen Ziffern anführt. Sind die mit den einzelnen Klageanträgen bekämpften Werbebehauptungen voneinander unabhängig und selbständig, sind dagegen für die Anträge gesonderte Streitwerte festzusetzen,2 und zwar auch dann, wenn die verschiedenen Behauptungen in einem Rundschreiben enthalten waren oder bei derselben Gelegenheit gefallen sind3 Dies gilt auch, wenn ein einheitlicher Unterlassungsantrag (hilfsweise) auf verschiedene Schutzrechte und wirtschaftlich nicht identische Ansprüche4 gestützt wird, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 39 GKG. Allerdings ist der Streitwert nicht schematisch, sondern angemessen im Verhältnis zum Wert des Hauptanspruchs zu erhöhen.5

2.1856 Abmahnkosten sind neben einem zugleich eingeklagten Unterlassungsanspruch eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung nach § 43 GKG, § 4 ZPO.6 Dasselbe gilt für die Kosten eines Abschlussschreibens (Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung, dass die erlassene einstweilige Verfügung als einem rechtskräftigen Titel gleichwertig anerkannt wird), weil auch ein solches eine Abmahnung vor Erhebung der Hauptsacheklage ist.7 7. Wiederholte Anträge

2.1857 Der Streitwert eines wiederholten Unterlassungsprozesses ist geringer zu bewerten, wenn bereits eine andere Partei einen Unterlassungstitel erstritten hat. Anders kann es sich allerdings verhalten, wenn die Notwendigkeit wiederholter Anrufung des Gerichts nur durch die Hartnäckigkeit des Verletzers zu erklären ist.

C. Streitwertherabsetzung I. Allgemeines 2.1858 Das Gericht kann auf Antrag einer Partei den Gebührenstreitwert nach § 51 Abs. 5 GKG in Verbindung mit den im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften § 12 Abs. 3, 4 UWG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG, § 54 DesignG herabsetzen. Die Vorschriften sichern wirtschaftlich schwachen Parteien in verfassungsgemäßer Weise den Anspruch auf Justizgewährung und effektiven Rechts-

1 2 3 4 5 6 7

17.1.2002 – I ZR 241/99, MDR 2002, 898 zur missbräuchlichen Mehrfachabmahnung durch Konzernunternehmen; wohl anders OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364. OLG München, JurBüro 1954, 188. LG Osnabrück, Urt. v. 20.7.1984 – 1 HS 5/84, AnwBl. 1985, 106. OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.10.1954 – 6 W 503/54, GRUR 1955, 309. Siehe hierzu Büscher, GRUR 2012, 16. BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – I ZR 58/11, WRP 2014, 192; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2015 – 6 W 43/15; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2014 – 6 U 187/11, WRP 2015, 239. BGH, Beschl. v. 12.3.2015 – I ZR 99/14. BGH, Beschl. v. 16.2.2021 – VI ZR 394/19.

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schutz.1 Da die Herabsetzung nur auf den Gebührenstreitwert, nicht aber den Zuständigkeits- oder den Rechtsmittelstreitwert erfasst, spricht man von einem „gespaltenen“ Streitwert.2 Die gebührenrechtlichen Folgen sind beachtlich: Da der Gegner nicht von der Ermäßigung profitiert, muss er Gerichts- und eigene Anwaltskosten nach dem vollen Streitwert zahlen und bleibt also selbst bei vollem Obsiegen mit der Differenz belastet.3

II. Abgrenzung zur Prozesskostenhilfe Die Streitwertherabsetzung soll eine faktische Rechtsschutzsperre wegen der oft hohen Streitwerte in wettbewerbsrechtlichen Prozessen verhindern. Die Regelung steht selbständig neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und hat andere Voraussetzungen. Maßgebend ist für die Streitwertherabsetzung allein, ob die konkreten Prozesskosten den Antragsteller nach dem Stand seines realen Einkommens und Vermögens wirtschaftlich untragbar belasten würden (§ 12 Abs. 3 UWG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG, § 54 DesignG, § 22 GeschGehG).

2.1859

Sie setzt nicht voraus, dass der Antragsteller bedürftig i.S.d. §§ 114, 115 ZPO ist.4 Bedürftigkeit hindert aber umgekehrt nicht die Streitwertbegünstigung. Welche Bedeutung sie für eine bedürftige Partei hat, ergibt sich aus § 123 ZPO. Denn trotz bewilligter Prozesskostenhilfe muss auch sie bei Unterliegen dem Gegner dessen Kosten voll erstatten. Dagegen wirken die Streitwertbegünstigungen nach § 12 Abs. 3, 4 UWG, § 22 Abs. 2 GeschGehG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 DesignG endgültig und auch gegenüber dem obsiegenden Gegner.5

2.1860

III. Tatbestand 1. Anwendungsbereich Es muss sich um ein Verfahren handeln, in dem Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis geltend gemacht werden, die in dem jeweiligen Spezialgesetz geregelt sind. Erfasst werden Eil- und Hauptsacheverfahren aller Instanzen. Die Herabsetzung des Streitwerts in Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte ist auch zulässig, wenn der Klageantrag zugleich auf Bestimmungen des UWG oder des BGB gestützt wird.6

2.1861

2. Erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung überlassen, den Begriff der „erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage“ auszufüllen. Er ist bei den wirtschaftlichen Voraussetzungen weniger streng als §§ 114 ff. ZPO, denn die Streitwertbegünstigung soll auch dann eingreifen können, wenn Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt.7 Insbesondere braucht bei juristischen Personen § 116 Satz 1 Nr. 1

1 BVerfG, Beschl. v. 16.1.1991 – 1 BvR 933/90, MDR 1991, 610; BVerfG, Beschl. v. 26.3.1999 – 1 BvR 1431/90, NVwZ 1999, 1104; BVerfG, Beschl. v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354; a.A. Gruber, JurBüro 2019, 451, 452. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 20.1.2015 – 6 W 36/14. 3 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.7.1985 – 10 W 89/85, JurBüro 1985, 1526. 4 BGH, Urt. v. 9.1.1953 – I ZR 79/51, LM Nr. 1 zu § 53 PatG. 5 RG, Beschl. v. 24.5.1937 – I B 3/37, RGZ 155, 129. Das ist vom OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.1990 – 5 W 26/89, ZIP 1990, 268 verkannt worden, das in der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen wesentlichen Umstand für die Entscheidung auf Herabsetzung des Streitwertes nach § 247 Abs. 2 AktG gesehen hat. Im Ergebnis aber zust. Hüffer, EWiR § 247 AktG 1/90, 427. 6 BGH, Beschl. v. 1.12.1967 – Ib ZR 131/66, MDR 1968, 300. 7 BGH, Beschl. v. 9.1.1953 – I ZR 79/51, GRUR 1953, 123; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139.

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ZPO nicht erfüllt zu sein.1 Andererseits rechtfertigt nicht jede wirtschaftliche „Schieflage“ eine Streitwertreduzierung. Gerade mit Rücksicht auf den Gegner muss der Antragsteller ein gewisses Kostenrisiko übernehmen. Die Berechnung dieses Risikos darf sich – auch wenn die beiden Institute unterschiedlich sind – an der Kostenbelastung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe orientieren.2

2.1863 Der Antragsteller muss glaubhaft machen (§ 294 ZPO), dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten darzulegen, reicht nicht aus. Zumutbare Kreditaufnahmemöglichkeiten sind zu berücksichtigen.3 Die erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage kann nicht allein durch einen Verdienstnachweis aus einem Arbeitsverhältnis glaubhaft gemacht werden.4 Das KG fordert eine bilanzkritische Würdigung der zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen.5 Bei der Bestimmung der Kostenbelastung der Partei sind nicht nur die Gerichtskosten und die Kosten der Prozessbevollmächtigten zu beachten. In bestimmten Fällen (vgl. § 140 Abs. 3 MarkenG) können außerdem Kosten für den mitwirkenden Patentanwalt zu berücksichtigen sein.

2.1864 Die Prozesskosten können die wirtschaftliche Lage auch bei einem Großunternehmen mit erheblichem Umsatz gefährden, wenn es in Schwierigkeiten geraten ist und kaum noch seine Schulden bezahlen kann.6 Da eine GbR rechts- und parteifähig ist, ist bei der Entscheidung über den Antrag auf Streitwertbegünstigung die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ausschlaggebend.7

2.1865 Bei Herabsetzungsanträgen eines nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verbandes ist nicht auf die Belastung durch den konkreten Prozess, sondern auf die Gesamttätigkeit des Verbandes abzustellen, weil er auch nach einer Prozessniederlage weiterhin seine Aufgaben erfüllen können muss.8 Streitwertanpassungen bei Klagen von Interessenverbänden setzen voraus, dass die Mitglieder des Klägers in ihrer Gesamtheit nicht in der Lage sind, die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert zu tragen.9 Dass die regelmäßigen Einnahmen und das Vermögen des Verbands nicht ausreichen, genügt nicht.10 Streitwertbegünstigungen kommen bei Verbandsklagen ohnehin erst bei hohen Streitwerten in Betracht, die deutlich über der Revisionssumme liegen, weil die Anerkennung eines klagebefugten Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG voraussetzt, dass dessen personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung ausreicht, um seine Aufgaben wahrzunehmen.11 Anders ist dies bei Verbraucherverbänden (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG), deren finanzielle Ausstattung regelmäßig gering ist.12

2.1866 Prozesskosten können die wirtschaftliche Lage des Antragstellers nicht mehr gefährden, wenn er liquidiert wird, nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist.13 Ein nicht aktiv am Wirtschaftsleben beteiligtes Unternehmen, welches nicht über nennens1 BGH, Beschl. v. 24.2.1953 – I ZR 106/51, GRUR 1953, 284. 2 BGH, Beschl. v. 9.1.1953 – I ZR 79/51, GRUR 1953, 123; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2015 – 2 W 41/15, WRP 2016, 766; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, GRUR-RR 2005, 239. 4 BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00 (EU). 5 KG, Beschl. v. 19.4.1983 – 5 U 5149/82, GRUR 1983, 595. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.3.1982 – 2 W 4/82, WRP 1982, 489. 7 OLG München, Beschl. v. 20.11.2001 – 6 W 2850/01 (Antrag nach § 142 MarkenG). 8 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.6.1989 – 6 W 151/89, NJW-RR 1989, 1441; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.12.2017 – 6 W 55/17; OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1990 – 6 U 31/90, NJW-RR 1991, 186. 9 BGH, Beschl. v. 29.1.2019 – KZR 47/15. 10 BGH, Beschl. v. 29.1.2019 – KZR 47/15; vgl. auch KG, Beschl. v. 26.1.1979 – 5 U 435/78, WRP 1979, 308. 11 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1994, 902. 12 BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – I ZR 183/09, MDR 2011, 680. 13 LG Frankenthal, Beschl. v. 20.10.1981 – 2 (HK) O 1027/80, WRP 1983, 239.

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2. Teil

Ab welcher Prozesskostenhöhe von einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Es ist nicht entscheidend, ob die Partei fähig ist, die Kosten für den Rechtsstreit nach dem gem. § 51 Abs. 1, Abs. 2 GKG bestimmten Streitwert zunächst aufzubringen. Vielmehr ist zu prüfen, wie sich diese Kostenbelastung auf ihre wirtschaftliche Lage im Falle des Unterliegens im Prozess auswirken würde.3 Für jede Instanz ist gesondert zu prüfen. Es ist durchaus möglich, dass die Partei die Kosten der ersten Instanz ohne erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage tragen kann, die Kosten der Rechtsmittelinstanz aber nicht.

ZPO

werte Vermögensgegenstände verfügt, wird in seiner wirtschaftlichen Lage nicht gefährdet, wenn es mit Prozesskosten belastet wird, die wegen seiner Vermögenssituation ohnehin nicht beigetrieben werden können.1 Wählt das Unternehmen bei Abschluss einer Vereinbarung über die Finanzierung von Prozesskosten eine Vertragsgestaltung, die ihm und dem finanzierenden Dritten alle mit dem Rechtsstreit verbundenen Chancen sichert, das Kostenrisiko eines Nichtigkeitsverfahrens wirtschaftlich aber der Gegenseite auferlegt, ist es in der Regel unangemessen, es durch eine Streitwertbegünstigung von diesem Kostenrisiko zu entlasten.2

2.1867

3. Rechtsmissbrauch Rechtsmissbräuchliche Streitwertherabsetzungsanträge sind trotz Vorliegens der Voraussetzungen der § 12 Abs. 3, 4 UWG, § 22 GeschGehG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 DesignG zurückzuweisen.4

2.1868

Wer aussichtslose oder mutwillige Prozesse führt, handelt rechtsmissbräuchlich.5 Ungeschriebene Voraussetzung für die Streitwertbegünstigung ist daher, dass die wirtschaftlich schwache Partei sachgerecht prozessiert.6 Dabei ist auch ihr vorprozessuales Verhalten zu berücksichtigen, weil die Streitwertbegünstigung kein leichtfertiges Prozessieren erleichtern soll.7 Lässt ein klagender Verband seinen Unterlassungsanspruch verjähren, so dass er auf Einrede des Beklagten hin die Klage zurücknehmen muss, begibt er sich durch dieses Verhalten der Streitwertbegünstigung.8 Rechtsmissbrauch kommt ebenfalls in Betracht, wenn dem Antragsteller bereits Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt worden ist und er dann den Rechtsstreit auf eigene Kosten, aber streitwertbegünstigt führen will.9

2.1869

Der Antrag eines Verbandes auf Streitwertbegünstigung ist rechtsmissbräuchlich, wenn dem Verband 2.1870 für die Klage die Kostendeckung durch einen Dritten zugesagt worden ist und der Verband auf Veranlassung und im überwiegenden Interesse dieses Mitbewerbers klagt.10 Er wird dann missbräuchlich nur zur Kostenersparnis und Risikominderung vorgeschoben.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, Beschl. v. 3.9.2013 – X ZR 1/13, X ZR 2/13, GRUR 2013, 1288. BGH, Beschl. v. 3.9.2013 – X ZR 1/13, X ZR 2/13, GRUR 2013, 1288. BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237. BGH, Beschl. v. 4.7.1991 – II ZR 249/90, MDR 1992, 355; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1992 – 8 W 28/92, AG 1993, 470. BGH, Beschl. v. 4.7.1991 – II ZR 249/90, MDR 1992, 355; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.1990 – 5 W 26/89, ZIP 1990, 268; OLG Hamburg, Beschl. v. 26.1.1979 – 3 W 196/78, WRP 1979, 382 m. Anm. Borck. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2015 – 2 W 41/15, WRP 2016, 766. BT-Drucks. 19/4724, S. 39. KG, Beschl. v. 4.4.1986 – 5 W 1221/86, WRP 1986, 680. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.1.1979 – 3 W 196/78, WRP 1979, 382 m. Anm. Borck; s. auch LG Berlin, Beschl. v. 14.11.1980 – 16 O 349/80, WRP 1981, 292. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.1997 – 2 W 89/96, WRP 1998, 229.

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ZPO

2.1871 Rechtsmissbräuchlich ist es weiter, wenn ein Verband unbeschadet einer Auskunft des Abgemahnten, er habe den Verstoß nicht begangen, ohne weitere tatsächliche Feststellung Klage erhebt.1 Ebenso liegt es umgekehrt, wenn der Antragsgegner bei eindeutiger Rechtslage auf eine Abmahnung nicht reagiert hat und erst durch sein unmotiviertes Schweigen Anlass dazu gegeben hat, dass der Unterlassungsgläubiger ein Verfügungsverfahren eingeleitet hat.2

IV. Antrag 1. Antragsbefugnis

2.1872 Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 UWG, § 22 GeschGehG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 DesignG sind beide Parteien antragsberechtigt. Zuständig ist das jeweilige erkennende Gericht, so dass der Antrag für jeden Rechtszug neu gestellt werden muss. Die Streitwertbegünstigung einer Partei im ersten Rechtszug entfaltet keine Bindungswirkung für das Berufungsgericht.3 2. Zeitpunkt der Antragstellung

2.1873 Der Antrag auf Herabsetzung des Streitwertes muss grundsätzlich vor der Verhandlung zur Hauptsache gestellt werden (vgl. § 12 Abs. 4 Satz 2 UWG, § 22 Abs. 3 Satz 1 GeschGehG, § 144 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 26 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 142 Abs. 3 Satz 2 MarkenG und § 54 Abs. 3 Satz 2 DesignG). Es besteht keine Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 ZPO auf die zeitliche Begrenzung des Antrags.4 Das entspricht der Regelung im Prozesskostenhilferecht (§§ 114 ff. ZPO).

2.1874 Solange ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, kann der Antrag nicht verfristen. Insbesondere im einstweiligen Verfügungsverfahren genügt es, ihn bis zur Verhandlung über den Widerspruch anzubringen.5 Zulässig ist er selbst dann, wenn gar kein Widerspruch eingelegt werden soll, jedoch ist dann die Frage des Rechtsmissbrauchs zu prüfen.6 Nach der ersten mündlichen Verhandlung ist ein Antrag auf Herabsetzung des vom Kläger in der Klageschrift angegebenen Streitwerts allenfalls noch zulässig, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Antragstellers nachträglich entscheidend verschlechtert. Eine Kreditverweigerung der Hausbank mit Rücksicht auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung reicht dazu nicht aus.7 Hingegen dürfte eine solche nachträgliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage anzunehmen sein, wenn der Antragsteller substantiiert darlegt, nachträglich durch staatliche Maßnahmen nach dem IfSG zur Eindämmung der Corona-Seuche erhebliche Verluste erlitten zu haben.8 Die bloße Existenz der Epidemie reicht dagegen dazu nicht aus.9

2.1875 Grundsätzlich kann der Begünstigungsantrag sogar noch nach Rücknahme des Verfügungsantrages gestellt werden.10 Der Antragsgegner kann keine Streitwertbegünstigung mehr beantragen, wenn er eine ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt und ausdrücklich auf das Recht zur Einlegung des Widerspruchs verzichtet hat.11 1 KG, Beschl. v. 4.1.1983 – 5 W 5541/82, WRP 1983, 561. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.7.2020 – 6 W 60/20, WRP 2020, 1339; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.4.2005 – 6 W 43/05, GRUR-RR 2005, 296; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.11.1984 – 3 W 177/84, WRP 1985, 281. 3 BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, MDR 1993, 184; abl. Anm. Hirte, EWiR 1993, 215. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.1984 – 2 W 94/84, JurBüro 1985, 1860. 5 KG, Beschl. v. 4.5.1982 – 5 W 2092/82, WRP 1983, 367. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 22.11.1984 – 3 W 177/84, WRP 1985, 281. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.1984 – 2 W 94/84, JurBüro 1985, 1860. 8 Für § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO offengelassen von BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – V ZA 10/20. 9 Vgl. BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – V ZA 10/20 (zu § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO). 10 KG, Beschl. v. 4.5.1982 – 5 W 2092/82, WRP 1982, 530. 11 KG, Beschl. v. 13.12.2016 – 5 W 244/16, MDR 2017, 232; OLG München, Beschl. v. 3.3.1982 – 6 W 772/82, WRP 1982, 430.

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2. Teil

Ebenso liegt es, wenn feststeht, dass die Partei den begonnenen Rechtsstreit nicht weiterführen wird 2.1876 und der Antrag lediglich die ihr durch Klagerücknahme oder Säumnisentscheidung entstehenden Kosten verringern soll.1 Da das Gericht den Grundsatz der Streitwertwahrheit befolgen muss, kann es zu einer nachträglichen 2.1877 Erhöhung des Streitwertes von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei oder eines Prozessbevollmächtigten kommen. Dieser neue Streitwert kann nachträglich die in § 12 Abs. 3 UWG, § 22 GeschGehG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 DesignG vorausgesetzte erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei auslösen.2 Nach der mündlichen Verhandlung ist ein Antrag auf Streitwertbegünstigung daher gemäß § 12 Abs. 4 Satz 3 UWG (bzw. § 22 Abs. 3 Satz 2 GeschGehG, § 144 Abs. 2 Satz 3 PatG, § 26 Abs. 2 Satz 3 GebrMG, § 142 Abs. 3 Satz 3 MarkenG, § 54 Abs. 3 Satz 3 DesignG) zulässig, wenn der angenommene Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird.3 Der Streitwert ist im Sinne dieser Vorschriften „angenommen“, wenn er Grundlage einer gerichtlichen Maßnahme geworden ist.4 Es ist unerheblich, ob das Gericht den Streitwert vorläufig festgesetzt oder der Kostenbeamte ihn seiner Kostenberechnung zugrunde gelegt („angenommen“) hat. Streitwertangaben der Parteien in der Klage- oder Antragsschrift genügen dagegen nicht.5

2.1878

Wird der Streitwert dagegen im Laufe des Verfahrens ermäßigt, kann ein Herabsetzungsantrag nur vor 2.1879 der Verhandlung zur Hauptsache angebracht werden. Versäumt eine Partei diesen Zeitpunkt, besteht kein Anlass, ihr Antragsrecht zu erweitern, da die spätere Streitwertermäßigung sie nur begünstigt haben kann. Die Ausnahme der späteren Antragstellung soll nur die Möglichkeit schaffen, neu auftretenden zusätzlichen Kostenbelastungen zu begegnen, nicht aber, Antragsversäumnisse unschädlich machen. Findet keine Verhandlung zur Hauptsache statt, weil beispielsweise der Sachantrag vor Terminsbeginn oder nach Erörterung der Sache, aber vor Antragstellung zurückgenommen wird, versagt die zeitliche Sperre der § 12 Abs. 4 Satz 2 UWG, § 22 Abs. 3 Satz 1 GeschGehG, § 144 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 26 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 142 Abs. 3 Satz 2 MarkenG und § 54 Abs. 3 Satz 2 DesignG. Deshalb hat die Rechtsprechung das Antragsrecht bei Fehlen einer Verhandlung zur Hauptsache verkürzt und verlangt, dass der Herabsetzungsantrag innerhalb angemessener Frist gestellt wird.6

2.1880

Was im Einzelfall „angemessen“ ist, bestimmt sich letztlich nach richterlicher Wertung. Derartige „Gummifristen“ lassen sich lediglich mit anderen Worten umschreiben („eng zu bemessen“, „gebührende Berücksichtigung der Interessen des Gegners“ usw.). Eine zuverlässige kalendermäßige Bestimmung ist nicht möglich. Deshalb ist es stets angebracht, den Herabsetzungsantrag umgehend zu stellen, wenn sich die Prozesslage so verändert, dass keine Verhandlung zur Hauptsache mehr stattfinden kann.7

2.1881

1 LG Berlin, Beschl. v. 14.11.1980 – 16 O 349/80, WRP 1981, 292. 2 Vgl. OLG München, Beschl. v. 30.1.1991 – 6 W 2832/90, GRUR 1991, 561. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139; BPatG München, Urt. v. 2.10.2012 – 5 Ni 40/10 (Antrag bis zur endgültigen Streitwertfestsetzung). 4 BGH, Beschl. v. 24.2.1953 – I ZR 106/51, GRUR 1953, 284; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.5.1982 – 3 U 928/82, WRP 1982, 489. 5 OLG Nürnberg, Urt. v. 25.5.1982 – 3 U 928/82, WRP 1982, 489. 6 BGH, Beschl. v. 15.2.1965 – I ZR 61/60, GRUR 1965, 562; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139. 7 OLG Köln, Beschl. v. 7.12.1994 – 6 W 91/94, WRP 1995, 421: sechs Wochen nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist zu spät.

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V. Rechtsfolgen 2.1882 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist der nach § 51 Abs. 1, Abs. 2 GKG bestimmte Streitwert zugunsten der Partei zu vermindern. Das Gericht trifft diese Entscheidung durch einen Beschluss gem. § 63 GKG.

2.1883 Über die konkrete Höhe der Minderung macht das Gesetz keine Angaben. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wonach zu berechnen ist, bei welchem Streitwert die Kostenbelastung für den Antragsteller nicht zu einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage führen würde.

2.1884 Anmerkung: Nach einer älteren Berechnungsmethode1 fand für Streitwerte bis 10.000 DM keine Begünstigung statt. Bei einem höheren Streitwert sei von einem Sockelbetrag von 10.000 DM auszugehen und 1/10 des darüber hinausgehenden Betrages hinzuzurechnen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese generalisierende Betrachtungsweise den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers bzw. den Interessen des obsiegenden Gegners im Rahmen der Kostenerstattung gerecht werden kann.

VI. Beschwerde 2.1885 Streitwertbegünstigungsbeschlüsse sind mit der Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG anfechtbar. Beschwerdeberechtigt ist je nach Inhalt des Beschlusses der Antragsteller oder dessen Gegner, der bei Prozessgewinn keinen vollen Erstattungsanspruch erlangt. Auch die Prozessbevollmächtigten können aus eigenem Recht gegen den Beschluss vorgehen, wenn sie den Wertansatz als zu niedrig ansehen (§ 32 Abs. 2 RVG).2 Ist der Streitwert jedoch gem. § 12 Abs. 3, 4 UWG, § 22 GeschGehG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG oder § 54 DesignG herabgesetzt worden, dann darf dieser Begünstigungsbeschluss nachträglich nur erhöhend abgeändert werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage der begünstigten Partei erheblich verbessert hat.3

2.1886 Wird die Entscheidung über die Streitwertbegünstigung in den Gründen des Urteils getroffen, ist sie gleichwohl ein selbständiger Beschluss, der nach § 68 Abs. 1 GKG anfechtbar ist.4 In jedem Fall besteht, wenn Streitwertbeschwerde eingelegt wird, Begründungszwang, wobei eine Begründung auch im Nichtabhilfebeschluss nachgeholt werden darf.5 Insoweit gilt für die Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes nichts Besonderes.6

D. ABC der Einzelfälle 2.1887 Die nachfolgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über wettbewerbsrechtlich erhebliche Sachverhalte. Die nachgewiesene Rechtsprechung kann die Bestimmung des im Einzelfall maßgebenden Streitwerts erleichtern. Bei den Wertansätzen ist wegen des Währungsverfalls auch auf das Datum der Veröffentlichung zu achten. Stichwortübersicht Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1888 Akademischer Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1889

Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1890 Auto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1892

1 KG, Beschl. v. 19.8.1977 – 5 W 994/77, AnwBl. 1978, 142; so auch: OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1984 – 6 W 326/84; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.6.1989 – 6 W 151/89, NJW-RR 1989, 1441; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.1987 – 6 U 51/86, JurBüro 1987, 750. 2 KG, Beschl. v. 19.8.1977 – 5 W 1454/77, WRP 1978, 300. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.8.1989 – 14 W 439/89, JurBüro 1990, 1037. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1984 – 6 W 326/84, JurBüro 1985, 279. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.10.1989 – 6 W 112/89, AnwBl. 1990, 99. 6 Siehe ausführlicher dazu unter dem Stichwort „Vereinbarungen zum Streitwert“, Rz. 2.5031 ff.

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2. Teil

Lieferbeziehungen, Einschränkung . . . . . . . 2.1915 Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1916 Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1917 Mitgliederwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1921 Musterprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1922 Online-Fotoklau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1923 Optiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1924 Parfüm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1925 Schutzrechtsverwarnung . . . . . . . . . . . . . . . 2.1926 Smartphone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1927 Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1928 Stromtarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1929 Tauschbörsen/Filesharing . . . . . . . . . . . . . . 2.1930 Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1931 Vereinswappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1932a Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1933 Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1934 Werbeaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1935 Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1939

ZPO

Befristete Unterlassungsklage . . . . . . . . . . . 2.1893 Bootleg-DVD/CD-LP . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1894 Boykottaufruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1895 Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1896 Buchpreisbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1897 Computerprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1898 Filesharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1930 Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1899 Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1902 Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz . . . . . . . 2.1904a Geschäftsschädigende Äußerungen . . . . . . . 2.1905 Gesundheitsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1906 Großhändler/Einzelhändler . . . . . . . . . . . . 2.1907 Impressumsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1908 Influencer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1909 Kaffee-Fahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1910 Karenzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1911 Kartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1912 Konkurrenztätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1913 Kundenausweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1914

Abmahnung Der Gegenstandswert der Abmahnung entspricht dem vollen Wert einer entsprechenden Hauptsache- 2.1888 klage.1 Das nach § 23 Abs. 1 RVG, § 51 Abs. 2 GKG maßgebende Interesse des Klägers ist bei der außergerichtlichen Abmahnung wie bei einer Klage darauf gerichtet, den Beklagten dauerhaft zur Unterlassung der beanstandeten Handlung anzuhalten. Bewertungsmaßstab ist wie bei der Klage der durch die zu unterbindende Handlung drohende Schaden, der sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien wie Umsatz, Größe, Wirtschaftskraft und Marktstellung der Unternehmen sowie nach der Intensität des Wettbewerbs, den Auswirkungen künftiger Verletzungshandlungen und der Wiederholungsgefahr richtet.2 Akademischer Grad Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch eines Rechtsanwalts gegen einen anderen Rechtsanwalt, das unzulässige Führen eines Ehrendoktors zu unterlassen, kann mit 10.000 t angesetzt werden.3

2.1889

Auskunftsanspruch Der Streitwert wettbewerblicher Auskunftsansprüche ist gem. § 51 Abs. 2 GKG festzusetzen. Es ist das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft maßgebend. Die Klage auf Auskunftserteilung dient im Regelfall nur der Erleichterung der Geltendmachung eines Leistungsanspruchs. Ihr Streitwert ist daher geringer als der Streitwert der Leistungsklage, deren Vorbereitung sie dient und – je nach den Umständen des Falles – auf 10 bis 40 % des Hauptanspruchs festzusetzen.4 Zur (abweichenden) Beschwer des zur Auskunft Verurteilten sowie allgemein s. das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff.

1 2 3 4

Vgl. KG, Urt. v. 16.8.1977 – 5 U 2942/76, WRP 1977, 793 m. Anm. Burchert. OLG Köln, Beschl. v. 14.5.2013 – 1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772. OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.7.2015 – 2 W 22/15. OLG Celle, BB 1962, 1565.

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2. Teil

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Gewerblicher Rechtsschutz

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2.1891 Der Streitwert des Anspruchs auf Benennung des Lieferanten zur Beseitigung einer Lücke eines Vertriebsbindungssystems ist höher anzusetzen als in den Fällen, in denen der Auskunftsanspruch nur die Bemessungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch schaffen soll.1 Auto

2.1892 Der Streitwert der Klage eines Verbraucherverbandes wegen Verstößen gegen die Pflicht, zutreffende Angaben über den Kohlendioxidausstoß eines Autos nach § 5 Pkw-EnVKV zu machen, ist regelmäßig auf 30.000 t anzusetzen.2 Befristete Unterlassungsklage

2.1893 Bei befristeten Unterlassungsklagen ist für die Bewertung des Rechtsmittelstreitwerts zu berücksichtigen, dass der Beklagte als Rechtsmittelführer ein Interesse hat, die „Feststellungswirkung“ zu beseitigen, die ein Urteil auf Unterlassung im Allgemeinen ab der Rechtshängigkeit hat.3 Bootleg-DVD/CD-LP

2.1894 Siehe das Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4924. Boykottaufruf

2.1895 Den Wert einer einstweiligen Verfügung, die dem Verfügungsbeklagten Boykottaufrufe untersagen sollte, hat das OLG Frankfurt4 angesichts zweier in der Antragsschrift konkret bezeichneter Boykottaufrufe, dem planvollen und umfassenden Vorgehen des Verfügungsbeklagten und der Gefahr erheblicher Umsatzverluste mit 50.000 t festgesetzt. Briefe

2.1896 Eine durch die Deutsche Post AG erwirkte einstweilige Verfügung wegen unerlaubter Briefbeförderung des Verfügungsbeklagten wurde mit 50.000 DM bewertet, weil die Post bundesweit tätig ist und der Verfügungsbeklagte drohte, seine unzulässige Tätigkeit jederzeit über eine bestimmte Region auszudehnen.5 Buchpreisbindung

2.1897 Ein Verstoß des weltweit größten Buchhändlers gegen die Buchpreisbindung wurde mit 25.000 t bewertet.6 Computerprogramm

2.1898 Das OLG Stuttgart7 hat einen Antrag auf Unterlassung des Angebots von Computerprogrammen ohne Hinweis auf den gewerblichen Charakter mit 5.500 DM bewertet, wenn sich der Beklagte nur nebenberuflich mit dem Vertrieb seines Programms befasst.

1 2 3 4 5 6 7

OLG Köln, Beschl. v. 16.2.1968 – 6 W 4/68, WuW 1969, 185. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.2.2016 – 4 W 88/15. Vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.1969 – VII ZR 193/68, BGHZ 52, 2. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648. LG Hamburg, Urt. v. 19.1.2010 – 312 O 258/09. OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.7.1985 – 2 W 48/85, WRP 1986, 358 – auch hier ist das Alter der Entscheidung bei der Bewertung aktueller Fälle zu berücksichtigen.

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Gewerblicher Rechtsschutz

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2. Teil

Bei der Streitwertbemessung des Anspruchs des Filmherstellers oder -verleihers, die Störung der Vorführung eines Filmes zu unterlassen, ist deren Interesse an der ungestörten Auswertung maßgeblich.1

2.1899

Bei einer Klage auf Feststellung, ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, 2.1900 Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Kino sei durch die Kündigung des Beklagten nicht beendet, sondern bestehe bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fort, berechnet man den Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für die rechtliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.2

2.1901

Weiteres schlage man beim Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4908 ff. nach. Firma Bei Ansprüchen auf Unterlassung des Gebrauchs einer Firma sind maßgebende Bemessungsgesichtspunkte vor allem Intensität und Umfang der Verletzung, regionale Ausbreitung, Umsatz und entgangener Gewinn des Klägers.3

2.1902

Der Streitwert des Antrags einer Großbank gegen eine Teilzahlungsbank mit geringer Kapitalausstattung auf Unterlassung des Gebrauchs des verwechslungsfähigen Firmennamens ist unter Berücksichtigung des Jahresumsatzes der Antragstellerin von rund 1,7 Mio. DM auf 100.000 DM geschätzt worden.4

2.1903

Bei einem Jahresumsatz der beteiligten Unternehmen von jeweils 3 Mio. kommt bei Unterlassungsklagen wegen des firmenmäßigen Gebrauchs eines Kennzeichnungsmittels ein Streitwert von einer Million in Betracht. Hat der Kläger den Streitwert selbst sehr niedrig angegeben, dann kann dieser Wertvorschlag das maßgebliche wirkliche Klägerinteresse indizieren. In diesem Fall ist eine Herabsetzung des Streitwertes auf ein Viertel des regelmäßig in Betracht kommenden Streitwertes nicht ausgeschlossen.5 Allerdings sind übereinstimmende (niedrige) Streitwertangaben der Parteien mit Vorsicht zu genießen.6

2.1904

Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz Auch in Prozessen über Ansprüche nach dem Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz bestimmt man den Gebührenstreitwert wie in UWG-Verfahren nach § 51 Abs. 2-4 GKG.7 Bei Unterlassungsansprüchen aus § 6 GeschGehG sind für das wertbestimmende Interesse der Wert des Geheimnisses sowie der Angriffsfaktor maßgebend.8 Gemäß § 51 Abs. 5 GKG, § 22 GeschGehG besteht die Möglichkeit der Streitwertermäßigung (s. dazu Rz. 2.1872–2.1882).

2.1904a

Geschäftsschädigende Äußerungen

2.1905

Siehe das Stichwort „Geschäftsschädigende Äußerungen“, Rz. 2.1761 ff.

1 2 3 4 5 6

OLG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1958 – 3 W 92/58, GRUR 1959, 492. OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1969 – 11 W 104/68, JurBüro 1969, 978 m. Anm. E. Schneider. OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.12.1973 – 6 W 67/73, Rpfleger 1974, 117. OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 277. OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.12.1973 – 6 W 67/73, Rpfleger 1974, 117. Siehe hierzu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, GRUR-RR 2011, 341. 7 BT-Drucks. 19/4724, S. 41. 8 Partsch/Schindler, NJW 2020, 2364, 2369.

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Film

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2. Teil

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Gesundheitsdaten

2.1906 Mit 30.000 t bewertet wurde die Klage eines Apothekers gegen eine Internethandelsplattform, keine Arzneien über diese zu vertreiben, solange beim Anmelde- und Kaufvorgang nicht sichergestellt ist, dass der Kunde zuvor ausdrücklich gegenüber einer berechtigten Person in die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 DSGVO eingewilligt hat.1 Großhändler/Einzelhändler

2.1907 Für den Unterlassungsantrag eines Großhändlers gegen einen Einzelhändler mit kleinem Einzugsgebiet gegen die Verwendung der Bezeichnung „Kachelofen“ für einen nicht mit Tonkacheln verkleideten Ofen hat das OLG Stuttgart einen Streitwert von 150.000 DM angesetzt.2 Dabei ist abgewogen worden, dass der Kläger zwar einen Jahresumsatz von 50 Mio. DM hatte, aber bereits ein Unterlassungstitel erwirkt worden war. Impressumsverstöße

2.1908 Einfache Impressumsverstöße von Internethändlern und fehlerhafte Hinweise auf die Speicherung der Vertragsdaten können mit 2.000 t bewertet werden.3 Influencer

2.1909 Maßgebende Faktoren für die Bewertung des Angriffsfaktors bei wettbewerbswidrigem Verhalten von Influencern über soziale Medien sind deren Prominenz und die Zahl ihrer Follower.4 Eine einstweilige Verfügung, mit der einer bekannten Influencerin untersagt wurde, in sozialen Netzwerken Waren oder Dienstleistungen vorzustellen, ohne den Werbezweck zu kennzeichnen (Schleichwerbung), wurde mit 70.000 t bewertet.5 Bei einer weniger prominenten Influencerin mit 250.000 Followern, welche die beworbenen Produkte nicht verbal angepriesen, sondern nur sichtbar getragen hatte, wurden 15.000 t angesetzt.6 Kaffee-Fahrten

2.1910 Die Verfügungsbeklagte hatte recht aufwendige Ausflugsfahrten mit Werbeveranstaltungen arrangiert. Infolgedessen hatte sie erhebliche Umsätze machen können. Das OLG Karlsruhe hat den Streitwert mit 100.000 DM angesetzt.7 Karenzzeit

2.1911 Bei Karenzzeitverstößen richtet sich der Wert nach dem Interesse des Klägers an der Unterlassung der verbotenen Wettbewerbstätigkeit und bemisst sich in erster Linie nach dem Umsatz- oder Gewinnrückgang, der infolge des vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten zu befürchten ist. Es kann in solchen Fällen bei Fehlen von Bewertungsumständen in der Regel ein Streitwert von 10.000 t angesetzt werden.8 Das LAG Thüringen9 hat auf der Basis konkreter Umsatzzahlen einen Betrag i.H.v. 50 % der erwarteten Gewinneinbuße angesetzt.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Naumburg, Urt. v. 7.11.2019 – 9 U 39/18. OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.2.1983 – 2 W 70/82, WRP 1983, 586. OLG Köln, Beschl. v. 1.6.2016 – 6 W 68/16. KG, Beschl. v. 8.9.2020 – 5 W 1023/20. OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.10.2019 – 6 W 68/19, NJW-RR 2020, 169. KG, Beschl. v. 8.9.2020 – 5 W 1023/20. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.1972 – 9 W 103/72, WRP 1973, 284. Vgl. auch OLG Hamburg, Beschl. v. 28.3.1974 – 3 W 37/74, WRP 1974, 283. LAG Thüringen, Beschl. v. 8.9.1998 – 8 Ta 89/98, JurBüro 1999, 286.

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Gewerblicher Rechtsschutz

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2. Teil

2.1912

Siehe das Stichwort „Kartellsachen“, Rz. 2.2481–2.2488. Konkurrenztätigkeit Wird eine Klage auf eine zeitlich beschränkte Unterlassung einer vertraglich verbotenen Konkurrenztätigkeit nach Ablauf der Verbotsfrist dahin geändert, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens nur noch Schadensersatz begehrt wird, sind die Streitwerte vor und nach Klageänderung nicht zusammenzurechnen.1 Das ursprüngliche Unterlassungs- und das spätere Schadensersatzbegehren sind nur antragsmäßige Konkretisierungen desselben Interesses. Sie sind also wirtschaftlich identisch.

2.1913

Kundenausweise In einer umfangreichen Aktion hatte die Verfügungsbeklagte hunderte unzulässige Kundenausweise an ihre Kundschaft verteilt und die dadurch angelockte Kundschaft angewiesen, sich bei den örtlichen Möbelhändlern Möbelstücke auszusuchen, um sie unter Einschaltung der Verfügungsbeklagten – über den Kundenausweis – bei einer Drittfirma zu beziehen. Diesen schweren und gefährlichen Wettbewerbsverstoß hat das OLG Hamburg2 bereits im Jahre 1973 mit 20.000 DM beziffert.

2.1914

Lieferbeziehungen, Einschränkung Die einstweilige Verfügung eines Wettbewerbers, der einen Jahresumsatz von 5 Mio. DM erwirtschaf- 2.1915 tete und befürchtete, vom Gegner aus dem regionalen Markt gedrängt zu werden, wurde vom OLG Koblenz3 mit 100.000 DM bewertet. Der Verfügungskläger hatte einen Antrag auf Einschränkung der Lieferbeziehungen zu 16 Lieferanten und die Unterlassung des Vertriebs von 165 Produkten verlangt. Löschung Verfolgt der Kläger neben einem Unterlassungsanspruch auch Ansprüche auf Vernichtung beanstande- 2.1916 ter Werbeschriften und auf Löschung des beanstandeten Firmenteils im Handelsregister, sind diese zusätzlichen Ansprüche gesondert zu bewerten, weil sich der Kläger damit die Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen (Vernichtung und Löschung) verschaffen will.4 Makler Der Streitwert für den Verfügungsantrag eines Verbraucherverbandes, durch den einer makelnden Immobiliengesellschaft verboten werden sollte, beim Angebot einer Eigentumswohnung mit Autoabstellplätzen Einzelpreise für Eigentumswohnung und Abstellplatz ohne Endpreis anzugeben, ist mit 10.000 DM bewertet worden, weil der Verstoß gegen die Preisangabeverordnung bei Immobilienanzeigen als nicht besonders folgenschwer angesehen und ihm keine besonderen Wettbewerbsvorteile beigemessen wurde.5

2.1917

Den Streitwert eines Unterlassungsbegehrens wegen unerlaubter Immobilienwerbung für noch nicht fertig gestellte Objekte hat das KG6 mit 10 % des Kaufpreises der angebotenen Objekte beziffert, das einstweilige Verfügungsverfahren mit 1/3 davon. Diese Prozentbewertung hat das KG zwischenzeitlich aufgegeben und bestimmt den Streitwert nunmehr dadurch, indem es zu einem ein einheitliches Grundinteresse ausdrückenden Sockelbetrag einen niedrigerer Anteil des Objektwertes hinzurechnet.7

2.1918

1 2 3 4 5 6 7

Siehe KG, Beschl. v. 20.5.1968 – 1 W 590/68, Rpfleger 1968, 289. OLG Hamburg, Beschl. v. 4.5.1972 – 3 W 53/72, WRP 1973, 106. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98. OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.2.1981 – 3 W 3147/80, JurBüro 1981, 1380. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.10.1982 – 2 W 51/82, WRP 1983, 237. KG, Beschl. v. 23.5.1986 – 5 W 2356/86, NJW-RR 1987, 878. KG, Beschl. v. 13.4.1989 – 25 W 1119/89, WRP 1989, 725.

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Kartell

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2. Teil

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Gewerblicher Rechtsschutz

ZPO

Der Kaufpreis der angebotenen Immobilie, nicht die Höhe der Maklerprovision, ist auch dann maßgebend, wenn der Wettbewerbsverstoß im fehlenden Hinweis auf die Betätigung als Makler liegt.1

2.1919 Die Klage auf Unterlassung einer Immobilienwerbung, aus der nicht ersichtlich ist, dass die angebotenen Objekte noch nicht fertig gestellt sind, hat der BGH2 als mit 50.000 DM hinreichend bewertet angesehen, wenn es sich dabei um eine Kleinanzeige in einer überwiegend regional verbreiteten Zeitung gehandelt hat und die Gefahr einer Irreführung gering gewesen ist. Jedoch mindert es nicht stets den Streitwert, wenn die Wettbewerbsverletzung durch eine Kleinanzeige begangen wurde.3

2.1920 Verstoßen Immobilienmakler in Verkaufsanzeigen gegen § 16a EnEV, weil die Angaben zum Energiebedarf oder -verbrauch vollständig fehlen, ist bei Unterlassungsklagen eines Verbraucherverbands ein Streitwert von 15.000 t angemessen, beim Fehlen nur einzelner Angaben von 5.000 t.4 Bei Vermietungsanzeigen sind beim Fehlen der Angaben zum Energiebedarf oder -verbrauch 9.000 t, beim Fehlen einzelner Angaben 3.000 t anzusetzen.5 Mitgliederwerbung

2.1921 Stehen zwei wirtschaftliche Interessenverbände im Wettbewerb um Mitglieder, dann ist nach dem OLG Karlsruhe6 der Streitwert einer Unterlassungsklage nach der Höhe der jährlichen Mitgliederbeiträge des Verletzten zu beziffern, soweit deren Aufkommen durch die beanstandete Abwerbungsaktion betroffen werden kann. Musterprozess

2.1922 Der Umstand, dass ein Musterprozess (auch) im Interesse Dritter geführt wird, ist nicht streitwertbildend. Abzustellen ist allein auf die Angaben des Klägers zu seinem Interesse.7 Online-Fotoklau

2.1923 Siehe das Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4908 ff. Optiker

2.1924 Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung eines wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden Aushangs eines Optikers in einer Behörde, dessen Inhalt auf besondere Beziehungen dieses Optikers zu Fachärzten schließen ließ, wurde mit 10.000 DM festgesetzt, wobei der Wert des Eilverfahrens mit dem der Hauptsache angesetzt wurde.8 Parfüm

2.1925 Das einstweilige Verfügungsverfahren eines bundesweiten Parfümanbieters gegen einen Konkurrenten, der unter einer marktgängigen und ohne weiteres auffindbaren Internetadresse auftritt, hat das OLG Celle9 mit 100.000 DM bewertet, da der Verfügungsbeklagte über das Internet in der Lage war, bundesweit Kunden zu erreichen und für sich zu gewinnen.

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KG, Beschl. v. 28.4.1988 – 25 W 2419/88, WRP 1989, 166. BGH, Beschl. v. 26.4.1990 – I ZR 58/89, MDR 1990, 986. KG, Beschl. v. 28.4.1988 – 25 W 2419/88, WRP 1989, 166. OLG Celle, Beschl. v. 6.5.2019 – 13 W 14/19. OLG Celle, Beschl. v. 6.5.2019 – 13 W 14/19. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.1979 – 4 W 97/78, MDR 1980, 59. OLG München, Beschl. v. 30.1.1974 – 3 W 37/74, WRP 1974, 170. OLG Zweibrücken, JurBüro 1965, 495; vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.3.1965 – 2 W 118/64, Rpfleger 1967, 1. 9 OLG Celle, Beschl. v. 11.4.2001 – 13 W 24/01, CR 2002, 458.

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Gewerblicher Rechtsschutz

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2. Teil

Bei einer Klage auf Unterlassung von Schutzrechtsverwarnungen richtet sich der Streitwert danach, wie stark Produktion und Vertrieb des Klägers während der Laufzeit des Schutzrechts durch die Verwarnung gefährdet erscheinen.1

2.1926

Smartphone Die Klage eines Verbraucherverbandes gegen einen Elektrofachmarkt wegen unterlassener Hinweise auf Sicherheitslücken bei Smartphones ist mit 20.000 t bewertet worden.2

2.1927

Störung Da der Unterlassungsanspruch der Abwehr von Störungen dienen soll, ist für die Streitwertbemessung 2.1928 das Interesse der Antragstellerin an der Durchsetzung der Unterlassung maßgebend. Es umfasst auch das Interesse an einem ungestörten Fortgang der Produktion und an der Klarheit der bevorstehenden Entwicklung. Die Tragweite der Störungs- bzw. Verletzungshandlungen ist nicht nur objektiv nach voraussichtlicher Dauer und Intensität, sondern auch nach den begründeten Besorgnissen gerade der verletzten Antragstellerin zu bestimmen.3 Stromtarife Den Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gerichtet auf Unterlassung der falschen Behauptung, die Stromtarife des Verfügungsklägers seien teurer als die des Verfügungsbeklagten, hat das KG4 auf 50.000 t festgesetzt. Grundlage dafür war, dass die Parteien als marktstarke Unternehmen der Strombelieferung in einem unmittelbaren, scharfen Wettbewerb standen und die falsche Behauptung günstigerer Tarife den Kunden einen unbedenklichen und vorteilhaften Wechsel zum Antragsgegner suggerierte.

2.1929

Tauschbörsen/Filesharing

2.1930

Siehe das Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4908 ff. Unterwerfung Das Interesse an der Unterlassung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ist geringer zu bewerten, wenn der mit einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überzogene Verletzte bereits vor Einreichung des Verfügungsgesuches eine Unterwerfungserklärung gegenüber einem anderen Unterlassungsgläubiger abgegeben hat.5

2.1931

Die vorprozessuale Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Absicherung einer Unterlassungserklärung ist zwar für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr von Bedeutung, hat aber keinen Einfluss auf den Streitwert des Unterlassungsanspruchs, wenn dieser trotz Unterlassungserklärung gerichtlich geltend gemacht wird.6

2.1932

1 2 3 4 5 6

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.1973 – 2 W 27/73, WRP 1973, 525. OLG Köln, Urt. v. 30.10.2019 – 6 U 100/19, MDR 2020, 110. OLG München, Beschl. v. 21.6.1954 – 6 W 1060/54, GRUR 1955, 260. KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04. OLG München, Beschl. v. 1.8.1974 – 6 W 1354/74, WRP 1975, 46. OLG München, Beschl. v. 30.7.1981 – 6 W 1682/81, WRP 1982, 49.

Seggewiße

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ZPO

Schutzrechtsverwarnung

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2. Teil

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Gewerblicher Rechtsschutz

ZPO

Vereinswappen

2.1932a Das Interesse, dass der Betreiber eines Online-Portals für Sportwetten die Verwendung der 36 Vereinswappen der Fußballklubs der ersten und zweiten Bundesliga unterlässt, wurde im Hauptsacheverfahren mit 700.000,– t bemessen.1 Vergabe

2.1933 Siehe das Stichwort „Kartellsachen“, Rz. 2.2489–2.2491. Vertragsstrafe

2.1934 Die vorprozessuale Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Absicherung einer Unterlassungserklärung ist zwar für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr, nicht aber für die Höhe des Streitwerts des Unterlassungsanspruchs von Bedeutung.2 Werbeaktion

2.1935 Maßgebend für den Wert des Unterlassungsanspruchs gegen eine Werbeaktion ist der Umsatz der Parteien in dem betroffenen Warenbereich. Hält die klagende Partei bei Klageerhebung einen bestimmten Betrag für angemessen, dann ist auf diesen abzustellen, auch wenn das von ihr befürchtete Ausmaß der Beeinträchtigung nicht eintritt.3

2.1936 Stehen zwei wirtschaftliche Interessenverbände im Wettbewerb um Mitglieder, dann ist der Streitwert einer Unterlassungsklage nach der Höhe der jährlichen Mitgliedsbeiträge des Verletzten zu beziffern, soweit deren Aufkommen durch die beanstandete Abwerbungsaktion betroffen werden kann.4

2.1937 Den Unterlassungsanspruch eines Verbandes gegen eine irreführende Werbung mit „100-GratisSMS“ im Internet hat das OLG Hamburg mit 15.000 t bewertet.5

2.1938 Das OLG Jena hat für ein einstweiliges Verfügungsverfahren einen Streitwert von 8.750 t angesetzt, wenn ein Konkurrent durch Werbemaßnahmen (Flugblätter) eines in räumlicher Nähe angesiedelten Verletzers gezielt herabgesetzt wird.6 Widerrufsbelehrung

2.1939 Die Streitwertbemessung bei Unterlassungsanträgen wegen fehlender oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung schwankt je nach Umständen des Einzelfalls von 900 bis 20.000 t.7 Der Streitwert sollte im Einzelfall nicht zu hoch bemessen erwogen werden.8

1 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.04.2020 – 6 W 37/20, WRP 2020, 906. OLG München, Beschl. v. 30.7.1981 – 6 W 1682/81, WRP 1982, 49. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.6.1974 – 6 U 6/73, WRP 1974, 501. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.1979 – 4 W 97/78, MDR 1980, 59. OLG Hamburg, Urt. v. 8.4.2009 – 5 U 13/08, WRP 2009, 1305. OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2004 – 2 W 630/04. KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839 (15.000 t, über § 12 Abs. 4 UWG reduziert auf 7.500 t); OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.11.2011 – 6 W 91/11, MDR 2012, 185 (15.000 t bei Verbraucherschutzverband als Ausnahme); OLG Köln, Beschl. v. 6.8.202018 – 6 W 72/18 (5.000 t bei Klage eines Verbraucherschutzverbandes gegen einen Unternehmer mit geringen Umsätzen auf einem Online-Marktplatz); OLG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2007 – 3 W 189/07, K&R 2008, 254 (5.000 t); OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, AGS 2008, 250 (3.000 t); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.6.2010 – 4 W 19/10, JurBüro 2010, 531 (3.000 t über § 12 Abs. 4 UWG reduziert auf 1.500 t); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2007 – 20 W 13/07 (900 t). 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.3.2017 – 6 W 24/17; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.6.2010 – 4 W 19/10, JurBüro 2010, 531.

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Gläubigeranfechtung

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2. Teil

Bei der Anfechtung außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist entsprechend § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten,1 weil die Klagen auf Zurückgabe eines Gegenstandes gerichtet sind, der durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt wurde (§§ 11, 13 AnfG). Abzustellen ist auf die Forderung des Anfechtenden einschließlich Zinsen und Kosten oder auf den geringeren Wert des Gegenstandes.2

2.1940

Zinsen und Kosten werden im Rahmen der Streitwertbestimmung dem Betrag der Forderung hinzugerechnet,3 denn es handelt sich nicht um einen Fall des § 43 Abs. 1 GKG.4

2.1941

Wird wegen eines Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen angefochten, ist § 9 ZPO auch bei 2.1942 Unterhaltsansprüchen entsprechend heranzuziehen. Für diese ist also nicht § 42 Abs. 1 GKG maßgebend,5 da es bei der Klage nach § 7 AnfG nicht um einen Unterhaltsanspruch geht. Dementsprechend bestimmt sich der Wert einer Forderung auf laufenden Unterhalt, deretwegen die Veräußerung eines Grundstücksmiteigentumsanteils außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochten worden ist, nach der Summe der fälligen Beträge (Rückstände) und nicht nach dem Jahresbetrag des § 42 Abs. 1 GKG.6 Ist der Wert des zurück zu gewährenden Gegenstandes nach Abzug der auf ihm ruhenden Belastungen geringer als die Forderung, deretwegen die Anfechtung durchgeführt wird, dann gilt gem. § 6 Satz 2 ZPO der geringere Wert.7 Das ist beispielsweise wichtig bei Grundstücksveräußerungen, wenn das Grundstück hoch belastet ist.8 § 6 Satz 2 ZPO begrenzt den Streitwert auch dann auf den Wert des betreffenden Gegenstandes, wenn mehrere Gläubiger wegen mehrerer Forderungen anfechten.9

2.1943

Klagt ein Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz gegen denjenigen auf Wertersatz, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben und sodann wieder veräußert hat, und zugleich gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner in den Gegenstand, so werden die beiden Ansprüche wegen wirtschaftlicher Identität nicht nach § 5 ZPO zusammengerechnet.10 Es kommt bei der Wertberechnung darauf an, inwieweit der Kläger mit einer Befriedigung rechnen kann (Versteigerungswert).

2.1944

1 Kritisch OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, ZIP 1981, 781, das § 6 ZPO auf den Gebührenstreitwert nur für analog anwendbar hält und bei der Bewertung den wirklichen Streitpunkt der Parteien und dessen wirtschaftliche Bedeutung ausschlaggebend sein lassen will (zustimmend: KG, NJW-RR 2003, 787). 2 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – IX ZR 275/17, NZI 2018, 21; BGH, Beschl. v. 28.2.2008 – IX ZR 126/06, JurBüro 2008, 368; BGH, Beschl. v. 27.10.1994 – IX ZR 81/94, BGHR ZPO § 6 Anfechtungsanspruch 1 (zu der in gleicher Weise erfolgenden Berechnung der Beschwer bei Zurückweisung des Anfechtungsantrags); OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.4.2020 – 12 U 42/19, ZInsO 2020, 2377. 3 BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; BGH, Beschl. v. 27.10.1994 – IX ZR 81/94; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.2.2020 – 12 U 48/19, ZInsO 2021, 337 – zugleich zur Zinsberechnung. 4 BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; OLG Jena, Beschl. v. 16.11.2017 – 1 U 678/16. 5 RGZ 139, 239. 6 OLG Schleswig, SchlHA 1970, 18. 7 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – IX ZR 275/17, NZI 2018, 21; BGH v. 10.09.1982 – VIII ZR 293/81, WM 1982, 1443; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.2.2020 – 12 U 48/19, ZInsO 2021, 337. 8 RGZ 151, 167; RG, JW 1936, 2091; ebenso für die konkursmäßige Anfechtung RG, JW 1936, 2798. 9 OLG Kassel, OLGE 11, 43. 10 OLG Frankfurt, MDR 1955, 496.

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ZPO

Gläubigeranfechtung

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2. Teil

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Gläubigerrangstreit

ZPO

2.1945 Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens zur Sicherung des auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anfechtungsanspruchs ist vom LG Bayreuth1 unter Beachtung des Zugriffswertes für den Gläubiger mit 1/4 der Hauptsache geschätzt worden.

2.1946 Bezieht sich die Anfechtungsklage auf ein Mietgrundstück, ist auf den wahrscheinlichen Verkaufserlös (Verkehrswert) abzustellen.2

Gläubigerrangstreit Literatur: Schmidt, JurBüro 1965, 889.

2.1947 Bei einem Streit mehrerer Gläubiger um den Vorrang ihrer Forderungen, insbesondere im Zwangsvollstreckungsverfahren, oder um vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös gem. § 805 ZPO ist der Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bemessen. Der niedrigste Wert der Forderungen oder der noch niedrigere Wert des Pfandgegenstandes ist maßgebend, wobei Zinsen und Kosten unberücksichtigt bleiben.3 Ein Anspruch auf Sicherstellung der zugrunde liegenden Forderung ist auch das Begehren der Vorrangseinräumung – Rangverbesserung – an einem Grundstück, so dass nach § 6 ZPO die geringere Forderung wertbestimmend ist.4

2.1948 Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherstellung der Forderung schon durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek erreicht würde. Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht aber gem. § 3 ZPO nur der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.5

2.1949 Klagt der Kläger auf Feststellung, dass seine Hypothek den Vorrang vor der Hypothek des Beklagten hat, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei die Gefährdung und die voraussichtliche Höhe eines zu befürchtenden Ausfalles des Klägers maßgebend sind.6

2.1950 Geht der Streit nur um den Vorrang der Befriedigung an hinterlegten Beträgen, also darum, wer sich mit dem Rest zufrieden geben muss, dann ist nur der vom Vorrang erfasste Betrag wertbestimmend.7

1 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1724. 2 OLG Frankfurt, MDR 1960, 507; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 163. 3 RG, Warneyer 1933 Nr. 83; OLG Breslau, JW 1931, 2143; OLG Stettin, HRR 1937 Nr. 341; OLG München, OLGE 23, 74. 4 OLG Stettin, HRR 1937 Nr. 341; LG Darmstadt, JW 1932, 3662. 5 OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. 6 OLG Kiel, JW 1933, 2471. 7 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 107: Der Kläger hatte einen Titel über 2.032 DM, der Beklagte über 137,02 DM. Der Beklagte hatte den hinterlegten Betrag über 137,02 DM hinaus freigegeben. Dann belief sich der Streitwert nur auf 137,02 DM, weil das Interesse des Klägers nur auf diesen Betrag gerichtet sein konnte. Im Übrigen lag eine Freigabeerklärung vor.

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2. Teil

Wird auf Einwilligung in die Auszahlung eines Versteigerungserlöses „bis zur Höhe der Forderung des Klägers“ geklagt, dann ist gleichwohl der Streitwert nur nach dem Versteigerungserlös zu bemessen, wenn dieser unter der Forderung liegt.1

2.1951

ZPO

Grundbuchberichtigung

Grenzscheidungsklage Grenzscheidungsklagen sind die aus § 920 BGB bzw. die auf Abmarkung gerichteten Klagen gem. § 919 BGB. Die Norm betrifft einen Streit zwischen Grundstücksnachbarn über den Umfang ihres Grundeigentums. Der Anspruch aus § 920 BGB ist vermögensrechtlicher Art. Der Streitwert ist nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers gem. § 3 ZPO zu schätzen.2

2.1952

Maßgeblich sind das Interesse des Klägers an der Feststellung seiner behaupteter Grundstücksgrenzen und die damit verbundene Schaffung neuen Eigentums. Daher wird der Verkehrswert der streitigen Grundstücksteilfläche ein Bemessungskriterium sein.

2.1953

Grundbuchberichtigung Die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ist eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung. Ihre Bewertung richtet sich daher nach § 3 ZPO.3 Maßgebend ist das vermögensrechtliche Interesse des Klägers, nicht der Grundstückswert oder Verkehrswert eines dinglichen Rechts.4 Das Interesse wird sich regelmäßig mit dem Recht decken, das sich für den Kläger aus der Berichtigung ergibt5 bzw. dessen Beseitigung er mit der Berichtigung anstrebt.6

2.1954

Anders verhält es sich, wenn die Berichtigungsklage vornehmlich der Klärung und Feststellung um- 2.1955 strittener Eigentumsverhältnisse dient. Dann geht es um das gesamte Grundstück, so dass gem. § 6 ZPO auch dessen voller Verkehrswert für die Wertbezifferung maßgebend ist.7 Ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung des Grundstückswertes (§ 6 ZPO) dingliche Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen sind, ist sehr umstritten.8 Siehe zu dieser Problematik die Ausführungen unter den Stichwörtern „Auflassung“, Rz. 2.293 und „Grundstück“, Rz. 2.1994. Zielt die Klage nur auf die berichtigende Eintragung eines Miteigentumsanteils, ist auch nur dieser wertbestimmend.9 Dies gilt auch für eine Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass an Stelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Grundstückseigentümer eingetragen werden.

1 OLG Breslau, JW 1931, 2143. 2 LG München I, Beschl. v. 10.10.2011 – 13 S 5011/11: 4.000 t. 3 OLG Saarbrücken, AnwBl. 1978, 106; OLG Köln, Beschl. v. 17.9.2013 – 19 W 28/13, JurBüro 2014, 537; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88. 4 OLG Köln, Beschl. v. 17.9.2013 – 19 W 28/13, JurBüro 2014, 537. 5 Vgl. Gerold, Streitwert, S. 47 zu Ziff. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 78 unter „Grundbuch“. 6 LG Dresden, Beschl. v. 10.8.1999 – 13 O 5360/98, JurBüro 2000, 83. 7 BGH, MDR 1958, 676; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2018 – 7 U 23/17, FamRZ 2018, 1865; OLG Köln, Beschl. v. 20.2.1995 – 27 WF 5/95, JurBüro 1995, 368; OLG München, Urt. v. 2.11.2016 – 3 U 1522/16; OLG Rostock, Urt. v. 27.7.2017 – 3 U 45/16. 8 Ablehnend OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, JurBüro 2006, 537. 9 OLG Brandenburg, Urt. v. 8.3.2007 – 5 U 41/06, NJ 2007, 369; insoweit zutr. OLG Naumburg, Urt. v. 8.6.2004 – 11 U 41/00, OLGR 2005, 1.

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2. Teil

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Grundbuchberichtigung

ZPO

Hier berechnet sich der Streitwert nach dem Wert des Grundstücks abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils.1

2.1957 Für eine zutreffende Interessenbewertung ist folglich danach zu unterscheiden, ob das Eigentum als materiell-rechtliche Vorfrage im Streit steht oder die Berichtigung nur der Herbeiführung einer formal zutreffenden Buchposition bei unstreitigen Eigentumsverhältnissen dient. In letzterem Fall liegt der dann nach § 3 ZPO zu bestimmende Wert immer unterhalb des Verkehrswertes.2 So etwa, wenn Gegenstand der Grundbuchberichtungsklage nicht die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung, sondern nur deren dinglicher Vollzug ist. Hier bemisst sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an dem Vollzug der Eigentumsübertragung.

2.1958 Droht dem Kläger etwa bei ausbleibender Berichtigung eine schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme durch Dritte, entspricht der Streitwert dem Umfang der drohenden Inanspruchnahme. Dies kann im Einzelfall der volle Grundstückswert sein, hier jedoch immer abzüglich bestehender dinglicher Belastungen. Denn wertbestimmend ist nicht der Verkehrswert, sondern der mögliche Schaden.3 Das gilt auch, wenn die berichtigende Zuordnung der Eigentumsverhältnisse eine notwendige Voraussetzung für eine Vollstreckung in das Grundstück darstellt.

2.1959 Zielt die Grundbuchberichtigung auf die Löschung einer Grunddienstbarkeit, ist eine Bewertung nach dem Betrag vorzunehmen, um den sich der Wert des Grundstücks durch die Belastung (Grunddienstbarkeit) mindert.4

2.1960 Die Klage auf Löschung einer Reallast bemisst sich grundsätzlich nach § 9 ZPO.5 Bestand das Bezugsrecht zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht mehr, so bestimmt sich der Streitwert nach dem – gem. § 3 ZPO zu schätzenden – Interesse des Klägers an der Löschung der Belastung.6

2.1961 Der Wert des Streits um die Löschung einer Grundschuld folgt regelmäßig dem Nennbetrag des eingetragenen Rechts, wobei dingliche Zinsen gem. § 4 ZPO, § 43 GKG unberücksichtigt bleiben.7

2.1962 Eine Grundbuchberichtigung zum Zwecke der Beseitigung einer Eigentumsvormerkung ist regelmäßig mit einem Bruchteil des Grundstücksverkehrswertes zu bewerten.8

2.1963 Der Grundbuchberichtigungsanspruch nach zustimmungsloser Verfügung eines Ehegatten über ein Grundstück gem. § 1368 BGB dient (zugleich) der Klärung der Eigentumsverhältnisse, so dass der volle Grundstückswert anzusetzen ist.9 Ein mittelbares Interesse des Klägers an der Sicherung seines Anspruchs auf Zugewinnausgleich bleibt demgegenüber außer Ansatz.10

2.1964 Der Wert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs ist dem Wert des Hauptanspruchs auf Herausgabe des Grundstücks nur dann gleichzuset-

1 BGH, MDR 1956, 676; RGZ 156, 263. 2 KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65. 4 OLG Rostock, Urt. v. 5.4.2001 – 7 U 99/00, OLGR 2001, 527. 5 OLG Koblenz, Urt. v. 26.6.2006 – 12 U 446/04, NotBZ 2007, 374. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92, OLGR 1993, 47; OLG Koblenz, Urt. v. 26.6.2006 – 12 U 446/04, NotBZ 2007, 374. 7 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18; BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608 = NJW-RR 2017, 847; BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, MDR 2006, 1070 = NJW 2006, 1286. 8 Ebenso BayObLG, Beschl. v. 9.2.2005 – 2Z BR 211/04, BayObLGR 2005, 347 – für Beschwerde im Grundbuchberichtigungsverfahren. 9 OLG Köln, Beschl. v. 20.2.1995 – 27 WF 5/95, JurBüro 1995, 368. 10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.1995 – 5 UF 96/94, AGS 1998, 139.

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Grunddienstbarkeit

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2. Teil

ZPO

zen, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht.1 Ansonsten ist der Streitwert wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu bestimmen.2

Grundbucheintragung Siehe die Stichwörter „Grundbuchberichtigung“, Rz. 2.1954 ff. und „Löschung von Grundbuchbelastungen“, Rz. 2.2857 ff.

2.1953a

Grunddienstbarkeit A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Wert einer Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB wird gem. § 7 ZPO durch den Wert bestimmt, den sie für das herrschende Grundstück hat, wenn nicht der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist. Dann ist der höhere Betrag maßgebend. Es müssen also der Wert für das herrschende Grundstück und die Wertminderung beim dienenden Grundstück nach § 3 ZPO geschätzt und sodann miteinander verglichen werden.3

2.1965

§ 7 ZPO ist anzuwenden auf Klagen auf Bestellung,4 auf Löschung,5 auf Feststellung des Bestehens 2.1966 oder Nichtbestehens einer Grunddienstbarkeit, auf Feststellung ihres Umfangs,6 sowie auf Unterlassung der Beeinträchtigung nach § 1027 BGB7 sowie bei nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn sie ähnlich wie eine Dienstbarkeit wirken (z.B. bei Licht- oder Fensterrecht bzw. Notwegrecht8). § 7 ZPO gilt auch bei einer negativen Feststellungsklage des Verpflichteten, der Berechtigte dürfe die Unterlassung bestimmter Beeinträchtigungen nicht verlangen.9 Die Vorschrift gilt entsprechend für Klagen, mit denen der Beklagte verpflichtet werden soll, an seinem Grundstück eine baupolizeirechtliche Baulast10 zugunsten des Klägers zu bestellen.11 Die Vorschrift des § 7 ZPO gilt nicht für die Bewertung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten nach § 1090 BGB, rein schuldrechtliche Verpflichtungen oder Reallasten nach § 1105 BGB. Deren Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen (vgl. dazu das Stichwort „Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB)“, Rz. 2.915 ff.). Dasselbe gilt für eine Klage auf Bewilligung der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch. Wertbestimmend ist nur das nach § 3 ZPO zu schätzen-

1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1; festgesetzt wurde die Hälfte des Verkehrswertes ohne Berücksichtigung der Belastungen. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, JurBüro 2006, 537: 1/4. 3 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; OLG Jena, Beschl. v. 20.10.1998 – 3 W 626/98, JurBüro 1999, 196. 4 BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZR 21/17; BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 18/03, MDR 2004, 296. 5 BGH, Beschl. v. 15.5.2014 – V ZB 2/14; OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.2018 – 32 SA 58/18. 6 KG, Beschl. v. 30.5.1916 – 2. ZS., OLGE 33, 73. 7 BGH, Beschl. v. 9.7.2015 – V ZR 153/14. 8 BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZR 21/17; BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461. Vgl. dazu das Stichwort „Notwegrecht“, Rz. 2.3759 ff. 9 BGH, Beschl. v. 18.9.2013 – V ZR 296/12. 10 Z.B. nach § 85 BauO NRW. 11 OLG Rostock, Urt. v. 15.3.2018 – 3 U 72/16.

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2.1967

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2. Teil

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Grundschuld

ZPO

de Interesse des Klägers, sein Recht durch Eintragung ins Grundbuch zu sichern. Ob der Kläger durch einen Verzug des Beklagten Schaden erleidet, ist belanglos.1

2.1968 Nur geringwertig ist das Interesse eines Grundstückseigentümers, bei einer Grundstücksteilung die Übertragung einer lediglich den anderen Grundstücksteil belastenden Dienstbarkeit auf das Grundbuchblatt des Trennungsgrundstücks zu verhindern, wenn bei materiell-rechtlich klarer Rechtslage nur formale Bedenken ausgeräumt werden sollen.2

2.1969 Das Entgelt für eine Dienstbarkeit ist eine Nutzung i.S.d. § 100 BGB und der Streitwert dafür nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berechnen.3 Die gleiche Berechnung ist vorzunehmen, wenn das Bestehen einer Dienstbarkeit außer Streit steht und nur streitig ist, ob dafür ein Entgelt zu gewähren ist. Auch dann ist der 3 1/2fache Jahresbetrag maßgebend.

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.1970 Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwer des mit seiner Klage auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit unterlegenen Klägers bestimmt man gem. §§ 3, 7 ZPO nach dem Wert, den die Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück hat.4 Die Beschwer des zur Bewilligung der Eintragung verurteilten Beklagten richtet sich dagegen nach der Wertminderung des dienenden Grundstücks.5

2.1971 Die Beschwer des mit seiner Löschungsklage unterlegenen Klägers bemisst man nach dem Wertverlust seines Grundstücks durch den Fortbestand der Grunddienstbarkeit.6

Grundschuld Literatur: Roth, Streitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung einer nicht mehr valutierten Grundschuld, MDR 2017, 1153.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.1972 Es gibt keine besondere kostenrechtliche Regel für die Bewertung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Grundschulden. Der Zuständigkeitsstreitwert gilt daher wegen § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für die Gerichts- und wegen § 23 Abs. 1 RVG grundsätzlich für die Anwaltsgebühren.

1 2 3 4 5

OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.1.1967 – 5 W 73/66, JurBüro 1967, 829. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.3.1982 – 2 W 4/82, JurBüro 1982, 760. OLG Neustadt, Beschl. v. 15.12.1953 – 2 W 162/53, JurBüro 1954, 107. BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZR 29/12. BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – V ZR 3/13; BGH, Beschl. v. 26.3.2009 – V ZR 209/08. 6 BGH, Beschl. v. 15.5.2014 – V ZB 2/14.

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Grundschuld

S. 505 von 1232 Druckdaten

2. Teil

1. Eintragung Verlangt der Kläger die Eintragung (Bestellung) einer Grundschuld, dann ist § 6 ZPO anwendbar.1 Maßgebend ist in diesen Fällen der Nennbetrag der einzutragenden Forderung. Die zu sichernde Forderung i.S.v. § 6 ZPO ist der Betrag, bis zu dem das Grundstück haften soll.2 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.3 Gemäß § 6 Satz 2 ZPO ist der Grundstückswert die Obergrenze, wenn er geringer ist. Der Streitwert für eine Klage auf Zustimmung zur Belastung eines Grundstücks mit einer Grundschuld ist dagegen nach § 3 ZPO zu schätzen.4

2.1973

2. Abtretung Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abtretung einer Grundschuld bemessen sich gem. § 6 ZPO nach deren Nennbetrag.5 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.6 Wird nur darum gestritten, ob das Zinsbezugsrecht aus § 1192 Abs. 3, § 1115 BGB mit abgetreten ist, bemisst man den Streitwert gem. § 9 ZPO nach dem 3 1/2fachen Jahresbetrag der (dinglichen) Zinsen.7 Nach § 3 ZPO ist der Streitwert zu schätzen, wenn eine Briefgrundschuld bereits verpfändet ist und die Klage nur die Abgabe der zur Eintragung notwendigen Erklärung in gehöriger Form erzwingen soll.8 Ebenfalls nach § 3 ZPO ist zu bewerten, wenn auf Genehmigung einer in Stellvertretung vorgenommenen Abtretung geklagt wird, um so dem Grundbuchamt den erforderlichen Nachweis erbringen zu können.9

2.1974

3. Löschung Der Wortlaut des § 6 ZPO erfasst offensichtlich auch Streitigkeiten über die Löschung von Grundschulden.10 Dennoch ist sehr streitig, wie man deren Streitwert bemisst.

2.1975

Eine Auffassung stellt auch dann nach § 6 Satz 1 ZPO auf den Nennbetrag der Grundschuld ab, wenn die Grundschuld teilweise oder ganz nicht mehr valutiert.11 Sie begrenzt den Streitwert lediglich nach § 6 Satz 2 ZPO auf den Verkehrswert des belasteten Grundstücks.12 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.13

2.1976

1 MünchKommZPO/Wöstmann, § 6 Rz. 17; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2005 – 5 U 170/04, NZBau 2005, 697; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99 (jeweils zur Hypothek). 2 OLG Bremen, Beschl. v. 29.12.1954 – 2 U 126/54, Rpfleger 1957, 275. 3 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.1956 – 5 W 98/55, JurBüro 1956, 230. 5 OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.1.1903 – 1. Zs., OLGE 6, 373 (zur Hypothek); Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.9. 6 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. 7 KG, Beschl. v. 27.9.1910 – 11 Zs., OLGE 23, 77 (zur Hypothek). 8 OLG Stettin, Beschl. v. 22.1.1932 – 1 W 583/31, JW 1932, 669; OLG Kiel, Beschl. v. 5.1.1915 – 2. Zs., OLGE 31, 5. (zur Hypothek). 9 OLG Kiel, Beschl. v. 28.9.1934 – 4 W 7/34, HRR 1935 Nr. 376; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2015 – 5 W 96/14, Rpfleger 2015, 488. 10 Roth, MDR 2017, 1153, 1154. 11 BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608; BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07; OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2018 – 10 WF 2/18, MDR 2018, 703; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2016 – 6 W 99/15; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.1998 – 9 W 92/98, MDR 1999, 506; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.1.2001 – 7 W 11/01-2, MDR 2001, 897; KG, Beschl. v. 17.4.2000 – 23 W 1888/00, BauR 2001, 686; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; Roth, MDR 2017, 1153. 12 BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07. 13 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18.

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I. Leistungsklagen

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2. Teil

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Grundschuld

ZPO

2.1977 Eine zweite Meinungsgruppe stellt nach § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse an der Löschung der Grundschuld ab.1 Innerhalb dieser Ansicht besteht keine einheitliche Auffassung, wie man das Interesse ermittelt.

2.1978 Teilweise wird das Löschungsinteresse mit dem Valutenstand bemessen.2 Zum Teil werden darauf 20 % aufgeschlagen, begrenzt auf den Nennbetrag der Grundschuld als Höchstwert.3 Andere Vertreter dieser Auffassung setzen das Löschungsinteresse pauschal mit 20 % des Nennbetrages der nicht valutierenden Grundschuld an.4 Zum Teil wird das Interesse auch mit den Löschungskosten bemessen.5

2.1979 Zutreffend ist die erste Ansicht. Der ersichtlich einschlägige Wortlaut des § 6 ZPO verbietet, auf ein abweichend nach § 3 ZPO errechnetes Interesse abzustellen. Nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers legen die §§ 6 bis 9 ZPO die Grundsätze der Wertberechnung für praktisch häufige Fälle fest, in denen der Wert des Streitgegenstandes erfahrungsgemäß nach verschiedenen Grundsätzen ermittelt werden kann, um unterschiedliche Ermittlungsmethoden zu unterbinden.6 Sie stehen daher individuellen Bewertungen des Klägerinteresses im Interesse der Rechtssicherheit und der prozessualen Gleichbehandlung entgegen.7 Dass sich das unerwünschte Risiko unterschiedlicher Wertansätze verwirklicht, wenn man § 6 ZPO nicht anwendet, zeigt sich an der fehlenden inneren Geschlossenheit der zweiten Meinungsgruppe, wie das Interesse zu ermitteln ist.

2.1980 Verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten keine Begrenzung des § 6 ZPO. Das Problem stellt sich ausschließlich beim Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO, weil der Gesetzgeber den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht durch Gerichtsgebühren unzumutbar einschränken darf, die im Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes weit überhöht sind.8 Dennoch verbietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Gesetzgeber nicht, den Wert der Löschung pauschalisierend mit dem ursprünglichen Wert bei der Eintragung zu bemessen.9 Die Gleichstellung ist sachgerecht. Der Sicherungsgeber kann wählen, ob der Sicherungsnehmer die Sicherheit durch Löschung oder Abtretung der Grundschuld zurückgewährt.10 Den Streitwert bei der Abtretung einer Grundschuld berechnet man nach § 6 ZPO.

2.1981 Überdies scheidet ein verfassungswidriges Rechtsschutzerschwernis aus, soweit die Parteien eine Gelegenheit nicht nutzen, ihren Rechtsstreit durch abweichende Gestaltung kostengünstiger auszugestalten.11 Daher scheidet ein Verfassungsverstoß etwa dann aus, wenn das wirtschaftliche Motiv des Streites die Frage ist, wer die Löschungskosten tragen muss. Die Parteien könnten ihren Streit dann nämlich durch einen Prozess um die Löschungskosten statt durch eine Klage auf Löschung bereinigen.

1 BGH, Beschl. v. 12.3.2013 – II ZR 214/10; OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1995 – 16 W 16/95. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005 (zur Sicherungshypothek); OLG Hamburg, Beschl. v. 4.6.1975 – 5 W 13/75, MDR 1975, 846; OLG Köln, Beschl. v. 2.7.1979 – 20 W 18/79, MDR 1980, 1025; LG Bonn, Beschl. v. 24.9.2001 – 15 O 125/01. 3 OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09 (zur Sicherungshypothek); OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2005 –16 W 11/05, MDR 2005, 1196; OLG Celle, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00, MDR 2000, 1456; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.2003 – 13 W 48/03 m. Anm. Onderka, RVG-B 2005, 116; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.112. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2008 – 6 W 2061/08, MDR 2009, 217; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, AGS 2008, 190. 5 BGH, Beschl. v. 12.3.2013 – II ZR 214/10. 6 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 7 Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 3. 8 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 9 BVerfG, Beschl. v. 15.4.2012 – 1 BvR 1951/11, NJW 2012, 2947. 10 BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, MDR 2014, 1160. 11 Roth, MDR 2017, 1153, 1155.

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Grundschuld

2. Teil

2.1982

Wie man den Streitwert der Klage eines Bruchteilseigentümers gegen einen weiteren Bruchteilseigentümer auf Erteilung der Löschungsbewilligung nach § 1192 Abs. 1, § 1183 BGB zu bemessen hat, ist streitig. Teilweise wird der Nennwert der Grundschuldforderung ohne Rücksicht auf den Eigentumsanteil des Klägers oder des Beklagten angesetzt,3 teilweise wird der Nennwert der Grundschuld mit dem Bruchteil des Klägers malgenommen.4

2.1983

Den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG in einem Verfahren auf Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO zur Erwirkung der Löschung einer Grundschuld bemisst man ebenfalls nach deren Nennwert.5

2.1984

ZPO

Ein Verfassungsverstoß kann daher allenfalls in Ausnahmefällen denkbar sein. Wie er konkret zu beheben ist, hat das BVerfG nicht vorgegeben.1 Gegenüber einer Anwendung von § 3 ZPO vorzugswürdig erscheint dann eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Streitwertbegünstigung nach § 51 Abs. 5 GKG, § 12 Abs. 3, 4 UWG. Diese hat der Gesetzgeber geschaffen, um zu verhindern, dass gerichtlicher Rechtsschutz durch hohe Gebühren unzumutbar erschwert wird. Die Sachlage ist daher insoweit vergleichbar. Einer Bewertung des Interesses nach § 3 ZPO statt nach § 6 ZPO stehen dagegen der Wortlaut des Gesetzes und der geäußerte Wille des Gesetzgebers entgegen.2

4. Rangverbesserung Streitigkeiten um den Rang eingetragener Grundschulden sind nach § 3 ZPO zu bewerten, weil ihr Ge- 2.1985 genstand nicht das Pfandrecht, sondern dessen Werterhöhung ist. Im Rahmen des Ermessens nach § 3 ZPO ist entsprechend § 45 Abs. 1 GNotKG der Wert des vortretenden Rechts, begrenzt auf den Wert des zurücktretenden Rechts maßgeblich, weil die Werterhöhung durch die Rangverbesserung nicht größer sein kann.6 5. Gesamtgrundschuld Der Streitwert einer Klage auf Eintragung einer Gesamtgrundschuld auf mehreren Grundstücken 2.1986 (§ 1192 Abs. 1, § 1132 BGB) wird nach § 6 ZPO bestimmt. Das gilt ebenso, wenn damit zugleich die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Grundschuld und ihre Eintragung als Gesamtgrundschuld mit der bereits eingetragenen Grundschuld auf den anderen Grundstücken erreicht werden soll, selbst wenn allein die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Grundschuld die Forderung hinreichend sicherte. Auch dann ist der Streitwert daher gem. § 6 ZPO der Nennbetrag der Grundschuld und nicht nur ein nach § 3 ZPO bemessener geringerer Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Grundschuld.7

II. Feststellungsklagen Für den Wert einer Klage auf Feststellung, dass keine Grundschuld entstanden und daher kein Recht auf abgesonderte Befriedigung begründet worden ist, kommt es auf die eingetragene Forderung an oder auf die Höhe der Forderung, die eingetragen werden sollte. Der Wert des Pfandgegenstandes ist

1 2 3 4 5 6

BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. Roth, MDR 2017, 1153, 1154. KG, Beschl. v. 11.8.1955 – 1 W 2275/55, NJW 1956, 472. OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2018 – 10 WF 2/18, MDR 2018, 703. OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.1981 – 22 U 85/81, MDR 1982, 411; OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.1997 – 1 U 925/96. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.2.1956 – 6 W 64/56, Rpfleger 1956, 318 (zur Gesamthypothek).

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2. Teil

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Grundschuld

ZPO

gleich dem Verkehrswert des belasteten Grundstücks.1 Es handelt sich dabei um eine negative Feststellungsklage, deren Streitwert daher gleich dem einer Klage auf Eintragung der Grundschuld ist.

2.1988 Bei Streit über die Befugnis vorzeitiger Rückzahlung des Kapitals ist der Streitwert gleich dem Unterschied der Zinsbeträge.2

III. Klagehäufung 2.1989 Wird mit einer Klage zugleich ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld nach § 1192 Abs. 1, § 1134 BGB und ein Anspruch auf Zahlung des Grundschuldbetrages geltend gemacht, sind die Werte der Anträge wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzuzählen.3 Gleiches gilt bei einem Zahlungsantrag, der mit einem Antrag auf Absicherung des Betrages durch Eintragung einer Grundschuld verbunden wird.4

2.1990 Wird im Streit um den Widerruf eines Verbraucherdarlehens neben einem auf den Darlehensvertrag bezogenen Feststellungsantrag oder Rückzahlungsantrag zugleich beantragt, die Löschung der Grundschuld zu bewilligen, werden die Werte der Anträge gem. § 5 Halbs. 1 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG summiert,5 weil rechtlich und wirtschaftlich verschiedene Gegenstände vorliegen. Nicht der Darlehensvertrag ist Grundlage der Grundschuldbestellung, sondern die Sicherungszweckabrede. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrages begründet keinen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, sondern nur der Wegfall des Sicherungszwecks.6 Dieser entfällt aber durch den Widerruf des Darlehens nicht, da er auch die Ansprüche aus dem entstehenden Rückgewährschuldverhältnis erfasst.7

2.1991 Das Löschungsbegehren ist nicht wirtschaftlich identisch mit der Feststellung, die darlehensvertraglich vereinbarten Zinsen und Tilgungen nicht mehr zu schulden. Obgleich eine negative Feststellungsklage das Gegenstück einer gegenläufigen Leistungsklage ist, steht dem nicht entgegen, dass nach zutreffender Ansicht Ansprüche auf Leistung und auf Sicherung des Leistungsinteresses wirtschaftlich identisch sind. Zwar wären bei einer gleichzeitig auf Zahlung und auf Sicherheitsleistung für dieselbe Forderung gerichteten Klage die Werte beider Anträge nicht zu summieren. Exaktes Gegenstück einer solchen Klagehäufung sind aber zwei verbundene negative Feststellungsklagen: (1.) vertraglich nichts mehr zu schulden und (2.) keine Sicherheit leisten zu müssen.8 Eine solche Klagehäufung liegt aber nicht vor. Vielmehr wird eine negative Feststellungsklage mit einer Leistungsklage auf Bewilligung der Löschung der Grundschuld verbunden.

2.1992 Verbindet der Kläger den Auflassungsantrag mit dem Antrag auf Löschung einer bereits eingetragenen Eigentümergrundschuld, kann der Streitwert insgesamt nicht höher sein als der Verkehrswert des Grundstücks.9 Mehr als lastenfreie Übertragung des Grundstückseigentums kann der Kläger nicht erreichen; der Verkehrswert des Grundstücks kann deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtungs1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.4.1956 – 6 W 90/56, MDR 1956, 432. 2 RG, v. 16.10.1909 – V 104/09, Recht 1909 Nr. 3386. 3 OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2001 – 4 AR 79/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2001 – 12 U 195/00, NZI 2001, 477; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.11.1999 – 9 U 135/99. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322 (jeweils zu Klagen auf Zahlung von Werklohn und Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek); Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 309. 5 BGH, Beschl. v. 4.3.2016 – XI ZR 39/15, AGS 2016, 285; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2016 – 6 W 29/16; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.10.2017 – 9 W 14/17, MDR 2018, 236, das wirtschaftliche Identität annimmt; so wohl auch BGH, Beschl. v. 23.2.2010 – XI ZR 219/09. 6 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2015 – 31 U 41/15. 7 BGH, Urt. v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00, MDR 2003, 343. 8 Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 6 W 1/08. 9 OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1988 – 11 W 25/88, JurBüro 1988, 1388.

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Grundstück

2. Teil

ZPO

weise nicht überschritten werden. Anderenfalls könnte es zu dem in sich widersprüchlichen Ergebnis kommen, dass der Streitwert den Wert des Objekts wesentlich übersteigen würde, nur weil das Grundstück mit einer wertmäßig um ein Vielfaches übersetzten Eigentümergrundschuld belastet wäre, deren Löschung mit beantragt würde.

B. Rechtsmittelstreitwert Die Beschwer ist nach § 6 ZPO zu ermitteln. Das gilt auch bei der Löschung nicht valutierender Grundschulden.1 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung von § 6 ZPO greifen beim Rechtsmittelstreitwert von vornherein nicht, sondern allenfalls beim Gebührenstreitwert.2 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.3

2.1993

Grundstück Literatur: Kirschbaum, Wirtschaftliche Bewertung von Rohstofflagerstätten und Deponiegrundstücken, DS 2019, 307.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bei Prozessen um den Besitz und das Eigentum an Grundstücken ergibt sich aus § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, weil Grundstücke „Sachen“ i.S.v. § 6 Satz 1 ZPO sind.

2.1994

Die Vorschrift erfasst Klagen auf Feststellung des Eigentums an einem Grundstück,4 auf Auflassung 2.1995 eines Grundstücks,5 auf Übereignung eines Grundstücks aus Kauf- und Bauträgerverträgen,6 auf dessen Rückübereignung auf Grundlage von Rückgewährschuldverhältnissen7 und auf Herausgabe von Grundstücken, soweit kein Miet- oder Pachtverhältnis in Rede steht, weil dann § 8 ZPO, § 41 GKG einschlägig sind. § 6 ZPO gilt auch bei Grundbuchberichtigungen nach § 894 BGB, soweit das Eigentum im Streit steht.8

I. Allgemeine Grundsätze der Ermittlung des Verkehrswerts „Wert einer Sache“ nach § 6 Satz 1 ZPO ist der Verkehrswert.9 Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers.10 Gemäß § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG ist für den Streitwert der Verkehrswert maßgeblich, den das Grundstück hatte, als die Klage anhängig gemacht wurde. Ob er im Laufe der Instanz steigt oder fällt, ist unerheblich.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608. BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – X ZB 30/07. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – V ZR 220/17. BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – IV ZR 178/18. OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 4438/18. BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – V ZR 68/17; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118/15. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2017 – 24 U 19/16. BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518. 10 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147.

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2. Teil

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Grundstück

ZPO

2.1997 Der Verkehrswert ist der Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.1 Dieser Wert ist anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls zu schätzen.2

2.1998 Die ImmoWertV enthält die allgemein anerkannten Grundsätze der Verkehrswertermittlung.3 Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich nicht auf das BauGB.4 Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV bestimmt man den Verkehrswert nach den bestehenden Gepflogenheiten des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs und der sonstigen Umstände des Einzelfalls. Dazu sind nach § 8 Abs. 1 Satz 3 ImmoWertV eines oder mehrere der in § 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV genannten Wertermittlungsverfahren anzuwenden. Dabei handelt es sich um das Vergleichswert- (§ 15 ImmoWertV), das Bodenwert- (§ 16 ImmoWertV), das Ertragswert – (§§ 17 ff. ImmoWertV) und das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23 ImmoWertV). Bei mehreren geeigneten Methoden ist deren Wahl frei, solange im konkreten Fall der tatsächliche Wert unverzerrt erfasst wird.5

2.1999 Objektspezifische Besonderheiten rechtfertigen nach § 8 Abs. 3 ImmoWertV Zu- oder Abschläge, „soweit dies dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht.“

2.2000 Beim Ertragswertverfahren sind künftige Erträge gem. § 17 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 3 ImmoWertV mit den Liegenschaftszinssatz zu diskontieren, die Abzinsungssätze des § 253 Abs. 2 Satz 4 HGB und des § 13 BewG sind nicht anwendbar.6

II. Indizien für den Verkehrswert 2.2001 Auch bei der Verkehrswertschätzung bei § 6 ZPO kann auf die in § 46 Abs. 2, Abs. 3 GNotKG genannten Umstände als Indiz zurückgegriffen werden. Der vereinbarte Kaufpreis des Grundstücks ist nicht maßgeblich.7 Grundsätzlich darf man aber vermuten, dass er dem Verkehrswert entspricht.8 Auf den beurkundeten Kaufpreis kann jedoch nicht unbesehen zurückgegriffen werden, wenn ein Schwarzgeschäft in Rede steht, bei dem mündlich der dreifache Kaufpreis gegenüber dem beurkundeten vereinbart worden sein soll,9 oder der Insolvenzverwalter den Vertrag nach § 134 InsO angefochten hat, weil der Schuldner das Grundstück unter Wert veräußert habe.10 Buchwerte und Investitionsvolumen können Anhaltspunkte für den Verkehrswert sein, bilden aber allein keine ausreichende Grundlage zur Ermittlung des Verkehrswertes.11 Bodenrichtwerte und Wertermittlungen des Finanzamts für die Erbschaftsteuer (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GNotKG) sind geeignete Grundlagen für die Verkehrswertermittlung.12 Unter Umständen kann der Nennbetrag einer eingetragenen Grundschuld ein genügender Anhaltspunkt für die Wertermittlung sein (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GNotKG).13 1 BGH, Beschl. v. 7.6.2018 – V ZB 221/17, MDR 2018, 1404; BGH, Beschl. v. 27.1.2011 – III ZR 122/10; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508; OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.1963 – 4 W 180/62, Rpfleger 1964, 23. 3 BGH, Urt. v. 12.1.2001 – V ZR 420/99, MDR 2001, 625. 4 BGH, Urt. v. 12.1.2001 – V ZR 420/99, MDR 2001, 625. 5 BGH, Urt. v. 5.7.2002 – V ZR 97/01, MDR 2002, 1185. 6 Kirschbaum, DS 2019, 307, 311. 7 OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 8 BGH, Beschl. v. 25.8.2016 – V ZR 9/16. 9 OLG Jena, Beschl. v. 30.4.2020 – 4 W 24/20, NotBZ 2020, 357; a.A. wohl LG Bamberg, Beschl. v. 2.11.2018 – 3 T 279/18. 10 BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – IX ZR 208/18. 11 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2003 – 6 W 240/99, JurBüro 2003, 475. 12 BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – IV ZR 79/20, NJW-RR 2020, 1456. 13 OLG Jena, Beschl. v. 30.4.2020 – 4 W 24/20, NotBZ 2020, 357.

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2. Teil

Die Angaben des Klägers zum Wert des Grundstücks sind ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt (vgl. § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG), müssen jedoch als subjektive Parteieinschätzung1 überprüft werden, bevor das Gericht sie der Streitwertfestsetzung zugrunde legt. Geben die Parteien Werte an, die miteinander völlig unvereinbar sind, kann die Schätzungsgrundlage fehlen und eine Beweisaufnahme zum Wert nach § 3 Halbs. 2 ZPO, § 64 GKG notfalls durch ein Gutachten erforderlich sein.2

2.2002

ZPO

Grundstück

B. ABC der Einzelfälle Baumangel Baumängel rechtfertigen nach § 8 Abs. 3 ImmoWertV Abschläge, „soweit dies dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht.“ Der Wertabschlag kann je nach Einzelfall nach den Kosten der Mängelbeseitigung oder nach dem durch die Mängel verursachten Ertragswertverlust berechnet werden.3

2.2003

Berichtigung Werden Ansprüche auf Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs geltend gemacht, so ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden:

2.2004

– Erstrebt der Kläger nur die Berichtigung des Grundbuchs, während die wahren Rechts- und Eigentumsverhältnisse unstreitig bzw. bereits festgestellt sind, ist sein Interesse nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dabei ist ein geringerer Wert als der Grundstückswert anzusetzen, weil es nur noch um die formelle Rechtslage geht.4 – Wird dagegen zugleich mit der Klage auf Berichtigung die Feststellung des Eigentums bezweckt, so ist nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der Grundstückswert ohne Abzug der dinglichen Belastungen entscheidend.5 Beseitigung Der Streitwert der Räumungsklage erhöht sich um die für die Beseitigung erforderlichen Kosten, wenn neben der Herausgabe und Räumung eines Grundstücks ausdrücklich und zusätzlich auch die Titulierung einer Beseitigung der auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten oder Ähnliches verlangt wird.6

2.2005

Bodenschätze Zur Ermittlung des Verkehrswerts von Rohstofflagerstätten eignet sich eine Kombination des Ertragswerts- mit dem Vergleichswertverfahren.7 Das Sachwertverfahren ist dagegen grundsätzlich un-

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.4.1980 – 5 W 37/80; OLG München, Beschl. v. 17.8.1993 – 3 W 2181/93 (850.000 DM nach dem Kläger-, 13 Mio. DM nach dem Beklagtenvorbringen). 3 Ernst/Zinkahn/Kleiber, BauGB, § 8 ImmoWertV, Rz. 88. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.4.1998 – 14 W 36/97, Justiz 1999, 446; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88; LG Dresden, Beschl. v. 10.8.1999 – 13 O 5360/98, JurBüro 2000, 83. 5 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, ZIP 1982, 221; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, JurBüro 2002, 424; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.7.2002 – 2 U 2/00, FamRZ 2004, 43; a.A. BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295 = NJW 2002, 684; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.10.1995 – 23 W 14/95, NJW-RR 1996, 636: Es ist nach § 3 ZPO zu schätzen. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 2.6.2014 – 3 W 65/14, MDR 2014, 1138. 7 Kirschbaum, DS 2019, 307, 310.

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Grundstück

ZPO

geeignet.1 Bergfreie Bodenschätze sind aber nicht werterhöhend, weil sie wegen § 3 Abs. 3 BBergG nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen.2 Deponie

2.2007 Zur Ermittlung des Verkehrswerts von Deponiegrundstücken eignet sich eine Kombination des Ertragswerts- mit dem Vergleichswertverfahren.3 Das Sachwertverfahren ist nur eingeschränkt brauchbar, weil Deponiebetriebe in der Regel marktwirtschaftlich um des Ertrags willen betrieben werden.4 Gegenansprüche

2.2008 Gegenansprüche, Zurückbehaltungsrechte, Zug-um-Zug-Verurteilungen und dergleichen lassen den Grundstückswert als solchen unberührt und bleiben deshalb nach zutreffender herrschender Auffassung unberücksichtigt.5 Siehe zu dieser umstrittenen Frage auch die Stichworte „Auflassung“, Rz. 2.298–2.303 und „Gegenleistung“, Rz. 2.1681–2.1686. Grundbuchbelastungen

2.2009 Auf dem Grundstück lastende Grundpfandrechte (Hypotheken, Grundschulden) bleiben bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt.6 Der gewöhnliche Geschäftsverkehr sieht darin keine Wertminderung, weil Grundstücke entweder lastenfrei oder unter Anrechnung der grundpfandrechtlichen Belastung auf den Kaufpreis übertragen zu werden pflegen.7

2.2010 Dies gilt jedoch nicht für alle Belastungen des Grundstücks. Grundbuchbelastungen mindern den Wert nur, wenn das eingetragene Recht die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt. Solche Rechte werden nämlich im Verkehr als eine dauernde wertmindernde Eigenschaft des Grundstücks empfunden.8 Diese Belastungen können bei der Wertberechnung in Abzug gebracht werden, z.B. Wegerechte,9 Baubeschränkungen, Erbbaurechte,10 oder Grunddienstbarkeiten.11

2.2011 Ob die Belastung mit einem Wohnrecht oder einem Nießbrauch den Verkehrswert mindert, ist streitig, nach zutreffender Auffassung aber zu verneinen. Sie beeinträchtigen nicht die Benutzbarkeit des Grundstücks an sich, sondern beschränken dessen Ausübung nur teilweise zugunsten des ding-

1 2 3 4 5

6

7 8 9 10 11

Kirschbaum, DS 2019, 307, 310. BGH, Beschl. v. 19.12.2002 – III ZR 41/02, NJW-RR 2003, 374. Kirschbaum, DS 2019, 307, 310. Kirschbaum, DS 2019, 307, 310. BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – V ZR 68/17; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, ZIP 1982, 221; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, JurBüro 2002, 424; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.7.2002 – 2 U 2/00, FamRZ 2004, 43. BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, ZIP 1982, 221; BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, MDR 1958, 676; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 399/92, JurBüro 1992, 629; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03-24. BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518. BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, MDR 1958, 676; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.3.1997 – 7 W 1/97; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629. BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, MDR 1958, 676. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.3.1966 – 2 W 7/66, Rpfleger 1967, 2.

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Grundstück

2. Teil

ZPO

lich Berechtigten.1 Bei diesen unvererblichen Rechten ist daher grundsätzlich wie bei Grundpfandrechten davon auszugehen, dass sie bei einem Verkauf auf den Kaufpreis angerechnet oder abgelöst werden. Herausgabe Wird nach Beendigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses auf Herausgabe des überlassenen Grund- 2.2012 stücks und auf Beseitigung der darauf errichteten Bauten geklagt, dann bemisst sich der Gebührenstreitwert nach der Jahresmiete des Grundstücks (§ 41 Abs. 2 GKG) zzgl. der voraussichtlichen Abbruchkosten.2 Eine Klage auf Herausgabe des Grundstücks, Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung und Beseitigung der Grundschuld ist nur mit dem Verkehrswert des Grundstücks zu bewerten, wenn der Beklagte als Inhaber einer Auflassungsvormerkung das Grundstück bereits vor Übereignung an ihn überlassene Grundstück mit der Grundschuld belastet hatte.3 Da sachlich die lastenfreie Herausgabe des Grundstücks begehrt wird, übersteigt das Gesamtinteresse des Klägers den Grundstückswert nicht

2.2013

Leitungsrecht Leitet ein Wasserversorgungsunternehmen einen Duldungsanspruch gegen einen Grundstückseigentümer auf Verlegung einer Wasserleitung aus dem bestehenden Wasserversorgungsvertrag ab, ist der Streitwert nach § 3 ZPO und nicht nach § 7 ZPO zu bestimmen; maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse des Grundstückseigentümers an der Abwehr des geltend gemachten Duldungsanspruchs.4

2.2014

Miterben Für den Wert einer Erbauseinandersetzungsklage ist das gem. § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klä- 2.2015 gers maßgebend. Erstrebt der Kläger die Übernahme eines Grundstücks gegen Abfindung der übrigen Miterben, dann bildet der Unterschied zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und der Summe der Abfindungsbeträge den Streitwert.5 Bei der Klage zweier Miterben gegen den dritten Miterben auf Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf einen der Kläger, ist der Wert des Streitgegenstandes der Anteil des beklagten Miterben.6

2.2016

Verklagt ein Miterbe einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines Nachlassgrundstücks an einen Dritten, so ist nach BGH7 der Streitwert gleich dem Wert des Grundstücks. Diese Auffassung ist jedoch nicht mehr vertretbar, nachdem der BGH8 grundsätzlich dazu übergegangen ist, den Anteil des klagenden Miterben von dem den Streitwert bestimmenden Nachlasswert abzuziehen. Die Auflassungsklage unter zwei Erben muss deshalb nach dem Anteil des Beklagten bewertet werden, dessen Übertragung auf einen Dritten erzwungen werden soll.

2.2017

1 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, MDR 1958, 676; a.A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.3.1997 – 7 W 1/97 (Nießbrauch); OLG Karlsruhe, JurBüro 1955, 446 (Wohnrecht). 2 KG, Beschl. v. 19.11.2012 – 8 W 80/12, MDR 2013, 430; zur Beschwer: BGH, Beschl. v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, MDR 2012, 1117. 3 BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – V ZR 285/18. 4 BGH, Beschl. v. 22.5.2002 – VIII ZR 217/01. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 553. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 29.4.1993 – 2 W 8/92, JurBüro 1994, 364; KG, HuW 1950, 454. 7 BGH, Beschl. v. 20.4.1956 – V ZR 3/55, NJW 1956, 1071. 8 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, JurBüro 1975, 1197 = MDR 1975, 741.

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2. Teil

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Grundurteil

ZPO

2.2018 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369. Rückübereignung

2.2019 Der Wert des Antrags auf Rückübereignung eines Grundstücks bestimmt sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks, der auf der Grundlage des Sach- oder Ertragswertes nach der jeweiligen Marktlage unter Heranziehung von Vergleichspreisen zu schätzen ist. Belastungen des Grundstücks sind nicht abzuziehen.1

2.2020 Geht es dabei nur um einen ideellen Grundstücksanteil, dann entspricht der Streitwert dem zugehörigen Teil des Verkehrswertes des gesamten Grundstücks.2

2.2021 Begehrt ein Kläger nach einem Rücktritt die Rückübereignung eines mit einem Erbbaurecht belasteten bebauten Grundstücks, bemisst sich der Streitwert nach dem reinen Bodenwert, selbst wenn das Grundstück inzwischen lastenfrei ist.3 Das wird damit begründet, dass aufgrund des Rücktritts das Erbbaurecht wieder einzuräumen ist. Teilgrundstück

2.2022 Hat sich der Beklagte notariell verpflichtet, auf jederzeit statthaftes Verlangen des Klägers ein noch zu vermessendes Teilstück eines Grundstücks herauszugeben und begehrt der Kläger zunächst nur Verurteilung des Beklagten zur Vermessung, so ist der Streitwert mangels einer Sondervorschrift im GKG oder in der ZPO nach § 3 ZPO zu schätzen. Fehlen für eine Schätzung jegliche oder hinreichende Anhaltspunkte, dann darf sich die Streitwertbemessung an den Regelwerten orientieren (§ 52 Abs. 2 GKG: 5.000 t; § 23 Abs. 3 RVG: 5.000 t).4 Vermessung

2.2023 Ist nur die Richtigkeit eines Vermessungsergebnisses zwischen den Parteien streitig, dann richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO.5 Abzustellen ist dabei darauf, inwieweit das Messungsergebnis nach dem Vorbringen des Klägers unrichtig ist und welcher Nachteil ihm dadurch nach seiner Meinung droht. Ist der Kläger als Miterbe am neu vermessenen Grundstück beteiligt, so ist seine Erbquote abzuziehen. Das verbleibende Interesse ist mit dem entsprechenden Bruchteil des Verkehrswertes der tatsächlich herausgemessenen Fläche zu beziffern.

2.2024 Für die Beschwer eines zur Zustimmung zur Vermessung verurteilten Beklagten kommt eine Bewertung nach dem Interesse, die Vermessung nicht dulden zu müssen, in Betracht (wie bei einer Auskunft).6

Grundurteil A. Allgemeines 2.2025 Ist der prozessuale Anspruch dem Grunde und der Höhe nach streitig, kann das Gericht gem. § 304 ZPO über den Anspruchsgrund vorab durch Grundurteil entscheiden. Beendet wird der Rechtsstreit 1 OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.1963 – 4 W 180/62, Rpfleger 1964, 23; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, AnwBl. 1980, 255; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, AnwBl. 1980, 255. 3 BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – V ZR 68/17. 4 OLG Köln, JurBüro 1971, 719 zu § 14 Abs. 1 GKG a.F. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 23.6.1982 – 1 W 50/82, JurBüro 1982, 1720. 6 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.11.1993 – 7 U 101/93, MDR 1994, 1247.

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Grundurteil

2. Teil

ZPO

erst durch ein Endurteil im sog. Betragsverfahren. Grundurteile gibt es daher nur bei Leistungsklagen, denen ein Zahlungsantrag zugrunde liegt. Bei einer nicht bezifferten Feststellungsklage kommt ein Grundurteil bereits seinem Wesen nach nicht in Betracht.1

B. Gebührenstreitwert Für das Grundurteil gem. § 304 ZPO gibt es keine besondere Bewertungsvorschrift. Der Streitwert entspricht demjenigen, der für den Anspruch anzusetzen ist, der den Streitgegenstand des Verfahrens ausmacht. Dass nur über den Grund dieses Anspruches entschieden wird, mindert also den Gebührenwert nicht.2

2.2026

Ist der Streitwert im Grundverfahren nicht richtig festgesetzt worden und werden erst im Betragsver- 2.2027 fahren maßgebliche Bewertungsumstände bekannt, dann wirkt die dadurch notwendig werdende Erhöhung des Streitwertes zurück; auch die Rechtsmittelinstanzen im Grundverfahren sind höher zu bewerten.3

C. Rechtsmittel und Beschwer Die mit Erlass eines Grundurteils verbundene Beschwer richtet sich für beide Parteien nach dem Umfang der negativen Bindungswirkung für die Entscheidung im Betragsverfahren.4 Es beschwert den Beklagten in Höhe der Klageforderung oder eines Bruchteils derselben, zu dem der Klage dem Grunde nach stattgegeben wurde, den Kläger in Höhe des abgewiesenen Bruchteils und insoweit, als es für ihn negative Bindungswirkung hat.5 Der bloße Anschein einer Bindungswirkung, etwa aufgrund von (im Grundurteil unzulässigen) Ausführungen zur Höhe des Anspruchs, begründen keine Beschwer, da der Rechtsmittelkläger seine gegenteilige Auffassung im Betragsverfahren weiterverfolgen kann.6 Die Beschwer entspricht damit bei vollumfänglicher Stattgabe oder Abweisung dem Grunde nach dem Wert der bezifferten Klage.7 Dies gilt auch für den Streitwert des Rechtsmittelverfahrens. Wird Rechtsmittel gegen das Grundurteil nur hinsichtlich einer Quote eingelegt, dann bestimmt diese Quote den Wert für das Rechtsmittelverfahren.

2.2028

Ergeht erstmals in der Berufungsinstanz ein Grundurteil, verbunden mit der Zurückverweisung wegen der Betragshöhe, ist damit eine Beschwer für den Kläger nicht verbunden. Denn eine im (erstinstanzlich zu führenden) Betragsverfahren für den Kläger etwaig nachteilige Entscheidung kann dieser erneut zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht stellen.8

2.2029

Ergeht nach Einlegung der Berufung gegen das Grundurteil in der ersten Instanz ein Schlussurteil und greift der Kläger auch dieses Schlussurteil an, dann beeinflusst diese zweite Berufung unter Umständen den Streitwert der Berufung gegen das Grundurteil. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn im Grundurteil der Schaden des Klägers zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt worden ist, ihm im Schluss-

2.2030

1 BGH, Urt. v. 4.10.2000 – VIII ZR 109/99, MDR 2001, 105; BGH, Urt. v. 13.5.1997 – VI ZR 145/96, MDR 1997, 774. 2 OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 U 4336/06; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115. 3 So OLG Bremen, JurBüro 1976, 483; s. dazu Schneider, MDR 1977, 177. 4 BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, MDR 2006, 768. 5 BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 116/09, NJW 2010, 681. 6 BGH, Beschl. v. 18.6.2016 – III ZR 325/15, MDR 2016, 1162. 7 BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, MDR 2006, 768 = WM 2006, 429; BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, MDR 1998, 179 für das Teil-Grundurteil; BGH, Beschl. v. 26.9.1991 – VII ZR 125/91, MDR 1992, 73; OLG Braunschweig, Urt. v. 21.4.1995 – 4 U 11/94, OLGR 1995, 207; OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 U 4336/06; OLG Rostock, Urt. v. 23.2.2007 – 8 U 40/06, MDR 2007, 1129; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.6.2002 – 2 U 209/01, BauR 2003, 1062. 8 OLG Braunschweig, Urt. v. 21.4.1995 – 4 U 11/94, OLGR 1995, 207.

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ZPO

2. Teil

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Güterichter und Gütestelle

urteil jedoch mehrere Schadenspositionen wegen Beweisfälligkeit nicht zugesprochen und von dem verbleibenden Rest die Hälfte zuerkannt werden. Will der Kläger nun die Abzüge wegen Beweisfälligkeit hinnehmen, sich aber dagegen wehren, dass auch das Schlussurteil auf der Quote des Grundurteils aufbaut, muss er, um der rechtskräftigen Entscheidung zu entgehen, Berufung auch gegen das Schlussurteil einlegen. Obgleich dann zwei selbständige Berufungen in der Welt sind, ist dem inneren Zusammenhang der Verfahren dahingehend Rechnung zu tragen, dass der niedrigere Wert der Berufung gegen das Schlussurteil maßgebend ist.1

Güterichter und Gütestelle 2.2031 Siehe das Stichwort „Mediation, Güterichter und Gütestelle“, Rz. 2.2906 ff.

Güteverhandlung A. Allgemeines 2.2032 Die mit dem ZPO-ReformG in § 278 Abs. 2 ZPO eingeführte Güteverhandlung geht der mündlichen Verhandlung voran, ist also nicht Bestandteil derselben, arg. § 279 Abs. 1 ZPO.2 Sie dient der Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung des Rechtsstreits, die nicht notwendigerweise mit dem Abschluss eines Vergleichs einhergehen muss.

B. Gebührenstreitwert I. Gerichtskosten 2.2033 Die Gerichtskosten werden durch die Anberaumung einer Güteverhandlung und deren Durchführung nicht beeinflusst, da der Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 KV GKG nicht tätigkeitsbezogen ausgestaltet ist und die Gebührenreduzierung nach Nr. 1211 KV GKG auf die fehlende Notwendigkeit einer Sachentscheidung abstellt.

II. Anwaltliche Gebühren 2.2034 Demgegenüber löst die Teilnahme des Anwalts an der Güteverhandlung gem. Nr. 3104 VV RVG eine Terminsgebühr aus. Denn nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Erörterungstermin. Da mit der Einführung des RVG selbst die Mitwirkung an einer auf Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mit dem Gegner ohne gerichtliche Beteiligung eine Terminsgebühr auslöst, kann an deren Anfall bei Wahrnehmung einer gerichtlichen, auf Herbeiführung einer gütlichen Einigung gerichteten Güteverhandlung kein Zweifel (mehr) bestehen.

2.2035 Der Gegenstandswert der Terminsgebühr bestimmt sich nach dem Wert des Gegenstandes, über den verhandelt worden ist, § 2 RVG. Kommt es nachfolgend zu einer Erhöhung des Streitwertes, etwa aufgrund einer Klageerweiterung, ist diese bei erneuter Terminswahrnehmung zu berücksichtigen.3

1 OLG Schleswig, JurBüro 1957, 273. 2 Zöller/Greger, § 278 ZPO Rz. 6. 3 AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, RVG, VV Vorbem. 3 Rz. 197 m.w.N.

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Guthaben

2. Teil

Erfolgt im Rahmen einer Stufenklage die Erörterung des gesamten Klagebegehrens in der Güteverhandlung, bemisst sich die Terminsgebühr nach dem höheren Gegenstandswert des noch unbezifferten Leistungsantrages, auch wenn in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung nur die Rechtslage innerhalb der ersten Stufe (Auskunftserteilung) erörtert worden ist.1

2.2036

Guthaben Der Streitwert einer Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages bestimmt sich gem. § 3 ZPO 2.2037 nach dem klägerischen Interesse. Dieses ist jedoch nicht auf eine Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten gerichtet. Der Wert bestimmt sich daher nach dem Umfang, in dem der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht, einschließlich aufgelaufener Nebenforderungen.2 Beschränkt sich die Auseinandersetzung auf die Fälligkeit des im Übrigen unstreitigen Freigabeverlangen, dann ist eine wirtschaftliche Betrachtung erforderlich und ein geringerer Betrag anzusetzen.3 Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Hinterlegung“, Rz. 2.2282. Die gleichen Bewertungsmaßstäbe gelten für die Freigabe von Bankguthaben und der insoweit auf- 2.2038 gelaufenen Zinsen.4 Ist die Freigabe des gesamten Guthabens Gegenstand von Klage und Widerklage, betreffen beide denselben Gegenstand gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. So etwa, wenn die Parteien wechselseitig die Verurteilung des Gegners zur Einwilligung in die Auszahlung desselben Bausparguthabens5 oder Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages6 beantragen. Der Gebührenstreitwert bestimmt sich allein nach dem höheren Einzelanspruch. Ist die Berechtigung an einem Treuhandguthaben Gegenstand wechselseitiger Feststellungs(wider)klagen, dann geht der Streitwert auch dann nicht über 80 % des Treuhandvermögens hinaus, wenn die widerklagendenden Streitgenossen das Guthaben in vollem Umfang für sich selbst beanspruchen.7 Ist das Guthaben Gegenstand eines Freigabeverlangens im Verfahren nach § 850k ZPO (Pfändungs- 2.2039 schutzkonto), dann beschränkt sich das Interesse des Schuldners nicht auf eine einmalige Freigabe eines bestimmten Guthabenbetrages, sondern erstreckt sich auf die gesamte Zeit, in der die Pfändungsmaßnahme voraussichtlich fortdauert und das den laufenden Einkünften entsprechende Guthaben erfassen würde.8

2.2040–2.2070

Einstweilen frei.

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2003 – 8 W 224/03, MDR 2004, 417; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, RVG, VV Vorbem. 3 Rz. 199. 2 BGH, Beschl. v. 16.11.2012 – V ZR 179/11, MDR 2013, 486; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.6.2011 – 19 W 31/11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79. 3 OLG Nürnberg v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR Nürnberg 2003, 79. 4 BGH, Beschl. v. 3.12.1997 – IV ZR 133/97, NJW-RR 1998, 1284. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868. 6 KG, Rpfleger 1962, 120. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2010 – 6 W 3/10. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.2.2004 – 26 W 67/03, OLGR 2004, 241.

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ZPO

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2. Teil

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Haftbefehl

ZPO

Haftbefehl A. Zuständigkeitsstreitwert 2.2071 Gegen den Schuldner, der im Termin zur Abgabe einer (vollstreckungsrechtlichen) eidesstattlichen Versicherung nach §§ 836, 883 ZPO oder Vermögensauskunft nach §§ 807, 802c ff. ZPO nicht erscheint oder ohne Grund die Abgabe verweigert, hat das Gericht auf Antrag Haftbefehl zu erlassen (§ 802g ZPO). Zuständig ist das AG als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz hat, § 802e ZPO. Ein Zuständigkeitsstreitwert muss daher nicht bestimmt werden.

B. Gebührenstreitwert 2.2072 Für den Erlass des Haftbefehls fallen keine Gerichtsgebühren an, jedoch erhält der Gerichtsvollzieher eine zusätzliche Gebühr (Nr. 270 KV GvKostG). Auch für das Beschwerdeverfahren muss kein Streitwert festgesetzt werden, da hier eine Festgebühr (Nr. 2121, 2124 KV GKG) anfällt, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.

C. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 2.2073 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bemisst sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG. Maßgeblich ist der Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird, höchstens jedoch 2.000 t. Auf die Höhe des Betrages, der vollstreckt wird, kommt es dagegen nicht an (s. hierzu das Stichwort „Vermögensauskunft“, Rz. 2.5412–2.5416).

2.2074 Beispiel: Der Gläubiger hat einen Titel gegen den Schuldner über 1.200 t nebst Zinsen. Er vollstreckt nur wegen der bis zur Auftragserteilung angefallenen Zinsen i.H.v. 170 t.

Hier berechnen sich die anwaltlichen Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.370 t (die Höchstgrenze von 2.000 t greift nicht ein), da dies der Betrag ist, den der Schuldner tatsächlich noch zu erbringen hat.

Haftungsbeschränkung 2.2075 Haftungsbeschränkungen haben auf den Streitwert grundsätzlich keinen Einfluss, da es sich i.d.R. um eine Frage der Begründetheit des Anspruchs handelt, die für die Bemessung des Streitwerts unerheblich ist.1

2.2076 Haftungsbeschränkungen haben aber dann Bedeutung, wenn nicht auf bezifferte Leistung geklagt wird, sondern die zu erwartende Leistung nur ein Bemessungsfaktor für andere Streitgegenstände ist und für diese Leistung kraft Gesetzes oder kraft Vertrags eine Höchstgrenze vorgesehen ist. So ist bei einer Feststellungsklage auf Schadensersatz eine gegebenenfalls vereinbarte Haftungsobergrenze zu berücksichtigen. Auch bei Klagen auf Gewährung von Deckungsschutz gegen einen Versicherer kann eine Haftungshöchstgrenze zu berücksichtigen sein.

2.2077 Beispiel: In der Rechtsschutzversicherung ist eine Höchstversicherungssumme von 100.000 t vereinbart. Der Versicherungsnehmer beantragt Deckungsschutz für die Vertretung in einem Rechtsstreit, bei dem mit Kosten in der betreffenden Instanz von 150.000 t zu rechnen ist. 1 LG Frankenthal, Urt. v. 7.12.2012 – 4 O 326/12, AGS 2015, 16.

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Seggewiße und Monschau

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Handelsvertreter

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2. Teil

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Haftungsbeschränkung ist aber, dass sie unstreitig ist. Soweit der Kläger die Haftungsbeschränkung bestreitet, bleibt sie unberücksichtigt, da es auf seine Vorstellungen bei Klageeinreichung ankommt.

2.2078

Zur beschränkten Haftung des Erben s. Rz. 2.3437, 2.5643.

2.2079

Handelsregisteranmeldung 2.2080

Siehe das Stichwort „Anmeldung zum Handelsregister“, Rz. 2.186.

Handelsvertreter Literatur: Schneider, Der Streitwert für Klagen des Handelsvertreters, BB 1976, 1298.

A. Allgemeines Ein Handelsvertreter ist – außer in den in § 5 Abs. 3 ArbGG genannten Fällen – nicht „Arbeitnehmer“ i.S.d. § 42 Abs. 3 GKG.1 Daher ist der Streitwert für die von einem Handelsvertreter geltend gemachten Ansprüche gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

2.2081

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vertragsauflösung Der Wert einer Klage auf Feststellung, dass der zwischen Handelsvertreter und Unternehmer bestehende Vertrag aufgelöst ist, bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Auflösung des Vertrages.2 Abzustellen ist auf den Vergleich der Vorteile und Nachteile, die sich aus der Beendigung des Handelsvertretervertrages für den Kläger ergeben. Die Bewertung muss hinter dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage zurückbleiben. Dabei ist vor den ordentlichen Gerichten § 42 Abs. 2 GKG (max. dreifacher Jahresbetrag des Entgelts) nicht anwendbar, weil es sich bei der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung nicht um „Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen“ handelt.3

2.2082

II. Kündigung Der Wert einer Klage auf Feststellung, dass die gegenüber einem Handelsvertreter ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist, bestimmt sich danach, welches Interesse der Handelsvertreter an 1 LAG Nürnberg, Beschl. v. 26.7.2000 – 6 Ta 180/00, NZA-RR 2001, 53; OLG Frankfurt, MDR 1974, 1028; OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 574; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.7.1991 – 1 W 24/91, JurBüro 1991, 1693. 2 OLG München, Beschl. v. 27.7.1977 – 23 W 1857/77, AnwBl. 1977, 468. 3 OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 547.

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2.2083

ZPO

Der Streitwert beträgt jetzt ungeachtet der drohenden Kosten von 150.000 t nur 100.000 t, da dem Kläger kein höherer Anspruch zustehen kann.

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ZPO

2. Teil

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Handelsvertreter

der Fortgeltung des Vertrages hat.1 Dieses Interesse berechnet sich aus der Provisionsdifferenz bezogen auf den Fall der ordentlichen Kündigung, also aus dem Provisionsausfall in dem Zeitraum zwischen dem Ausspruch der fristlosen Kündigung und dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei ordentlicher Kündigung.2 Aufgrund des Feststellungsantrages ist ein Abschlag von 20 % gerechtfertigt.3

2.2084 Werden im Rahmen der Feststellungsklage des Handelsvertreters mehrere, zeitlich auseinanderliegende außerordentliche Kündigungen angegriffen, so muss der Provisionsausfall für jede Kündigung gesondert ermittelt und die Werte dann addiert werden.4

III. Ausgleichsanspruch/Auskunft 2.2085 Bildet auch ein eventueller Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 89b HGB den Hintergrund der Feststellungsklage, kann auch dieser – allerdings nur mit einem geringen Bruchteil5 – bei der Wertfestsetzung berücksichtigt werden.

2.2086 Der Wert des Auskunftsanspruchs eines Handelsvertreters, mit dem das Verfahren über den Ausgleichsanspruch vorbereitet werden soll, kann im Allgemeinen mit etwa 20 % des Ausgleichsanspruchs angenommen werden.6 Vgl. dazu das Stichwort „Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters“, Rz. 2.469.

2.2087 Erhebt der Handelsvertreter Stufenklage nach § 254 ZPO auf Zahlung offener Provisionsbeträge nach Gesamtabrechnung und verlangt er gleichzeitig einen angemessenen, aber noch nicht bezifferten Ausgleich nach § 89b HGB, dann sind die Werte von Stufenklage und Ausgleichsanspruch zu addieren. Denn auch dann, wenn die Höhe des Ausgleichsanspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ist dieser Anspruch nicht von der Stufenklage auf Provisionszahlung gedeckt.7

IV. Gestattung 2.2088 Der Streitwert der Klage des Handelsvertreters auf Gestattung der Befriedigung aus zurückbehaltenen Sachen ist nach dem Wert der Sachen zu bemessen, wenn dieser niedriger ist als der Betrag der in Rede stehenden Forderung (§ 6 ZPO).8

V. Unterlassung 2.2089 Die gegen den Handelsvertreter auf Unterlassung gerichtete Klage, ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordene Kundendaten zu geschäftlichen Zwecken zu verwenden, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach dem Interesse des Klägers, mit der Verwendung drohende Geschäftseinbußen

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.7.1991 – 1 W 24/91, JurBüro 1991, 1693. 2 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, OLGR 1999, 139; OLG Köln, Urt. v. 20.7.2001 – 19 U 219/00, AGS 2002, 64. 3 BGH, Beschl. v. 13.2.1986 – IX ZR 114/85, MDR 1986, 669; OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 574. 4 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128. 5 Das OLG Köln, Urt. v. 20.7.2001 – 19 U 219/00 hat 20 % des behaupteten Ausgleichanspruchs in die Wertfestsetzung miteinbezogen. 6 BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796 m. Anm. Weiher. 7 LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1747. 8 OLG Hamburg, HVR Nr. 221.

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Hebegebühr

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2. Teil

ZPO

zu vermeiden. Die Beschwer des verurteilten Handelsvertreters bemisst sich dagegen nach der damit verbundenen Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.1

Hauptsacheerledigung 2.2090

Siehe das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303 ff.

Hebegebühr A. Überblick Für das Weiterleiten von Zahlungen und die Ablieferung oder Rücklieferung von Wertpapieren und Kostbarkeiten erhält der Anwalt eine Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG. Die Höhe der Gebühr ist wertabhängig (§ 2 Abs. 1 RVG), so dass auch ein Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO erforderlich ist. Der Anwalt erhält bei Werten bis zu 2.500 t bis zu 10.000 t – 1,0 % aus 2.500 t = – aus dem darüber hinausgehenden Wert über 10.000 t: – 1,0 % aus 2.500 t = – zzgl. 0,5 % aus 7.500 t = – aus dem darüber hinausgehenden Wert

2.2091

1 % des Wertes 25 t weitere 0,5 % 25 t 37,50 t weitere 0,25 %.

B. Auszahlungen Die Höhe der Hebegebühr berechnet sich bei der Auszahlung von Geldbeträgen nach dem Nominalbetrag der Aus- oder Rückzahlung.

2.2092

Zinsen und sonstige Nebenforderungen werden entgegen § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG in voller Höhe mitberechnet.

2.2093

Sind Beträge in fremder Währung auszuzahlen, so sind diese Beträge in Euro umzurechnen.

2.2094

Unerheblich ist, ob der weitergeleitete Betrag in einer Summe oder in mehreren Teilbeträgen eingegangen ist. Entscheidend ist die Auszahlung.

2.2095

Beispiel: An den Anwalt werden drei Teilzahlungen i.H.v. jeweils 1.000 t gezahlt. Der Anwalt zahlt die gesamten 3.000 t in einem Betrag aus.

2.2096

Es entsteht nur eine Hebegebühr aus dem Gesamtwert von 3.000 t. Zu Teilauszahlungen s. Rz. 2.2099.

1 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11, MDR 2013, 1478 = NJW-RR 2014, 110.

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2. Teil

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Hebegebühr

ZPO

C. Kosten 2.2097 Die Hebegebühr entsteht nicht, soweit Kosten an ein Gericht oder eine Behörde weitergeleitet oder eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt werden (Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG). Solche Beträge bleiben ohne Ansatz. Unter Kosten sind in diesem Zusammenhang nur die mit der Erledigung des zugrunde liegenden Auftrags verbundenen Kosten als Nebenforderung zu verstehen (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 GKG). Soweit Kosten dagegen die Hauptforderung darstellen, also z.B. in einem Rechtsstreit gegen den Rechtsschutzversicherer auf Kostenübernahme oder in einem Schadensersatzprozess auf Ersatz aufgewandter Anwaltskosten, ist Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG nicht anzuwenden.

2.2098 Beispiele: – Der Anwalt wird damit beauftragt, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus Verzug einzuklagen. Nach erfolgreich abgeschlossenem Prozess zahlt der Gegner die Urteilssumme an den Anwalt. Es handelt sich jetzt nicht um eingezogene Kosten i.S.d. Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG, da die zu ersetzenden Kosten als Hauptsache anzusehen sind. – Nach Anerkenntnis des Beklagten überweist die Gerichtskasse die beiden nicht verbrauchten Gerichtsgebühren nach Nr. 1211 KV GKG an den Anwalt des Klägers, der diesen Betrag an den Auftraggeber weiterleitet. Eine Hebegebühr entsteht nicht. – Nach Abschluss des Rechtsstreits zahlt der Beklagte an den Anwalt des Klägers die Klageforderung i.H.v. 10.000 t und die festgesetzten Kosten i.H.v. 1.860 t. Der Anwalt überweist dem Mandanten 11.860 t. Die Kosten werden nicht mitgerechnet. Der Gegenstandswert für die Hebegebühr beläuft sich auf 10.000 t.

D. Teilauszahlungen 2.2099 Bei Teilauszahlungen ist jede Hebegebühr für sich zu berechnen. Es findet entgegen § 22 Abs. 1 RVG keine Zusammenrechnung der einzelnen Werte statt.

2.2100 Beispiel: In einer Verkehrsunfallsache zahlt der Versicherer 15.000 t an den Anwalt. Dieser leitet aufgrund

der vorliegenden Abtretungen vereinbarungsgemäß 500 t an den Sachverständigen weiter, 9.500 t an die Reparaturwerkstatt und zahlt die restlichen 5.000 t an den Mandanten aus. Es sind drei Hebegebühren angefallen, und zwar nach 500 t, 9.500 t und 5.000 t.

E. Wertpapiere 2.2101 Sind Wertpapiere weiterzuleiten (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1009 VV RVG), berechnet sich die Gebühr nach dem jeweiligen Wert oder Kurswert des Wertpapiers.

F. Kostbarkeiten 2.2102 Sind Kostbarkeiten weiterzuleiten (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1009 VV RVG) berechnet sich die Gebühr nach dem Verkehrswert der Sache (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3 ff. ZPO).

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Heimfallanspruch

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2. Teil

Heimfall war im Lehnsrecht der Rückfall eines erledigten Lehnsgutes an den Lehnsherren. Dergleichen gibt es heute nicht mehr. Eine namensgleiche Regelung findet sich jedoch in § 2 Nr. 4 ErbbauRG. Danach gehört zum Inhalt des Erbbaurechts eine Vereinbarung des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten über „eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen“ (Legaldefinition des Begriffs „Heimfall“).

2.2103

Der Heimfallanspruch des Grundstückseigentümers kann nicht von dem Eigentum an dem Grundstück getrennt werden (§ 3 ErbbauRG). Er ist unübertragbar, unpfändbar und unverpfändbar.1

2.2104

Eine abgeschwächte entsprechende Regelung ist in § 36 Abs. 1 WEG enthalten. Danach kann als In- 2.2105 halt eines Dauerwohnrechts vereinbart werden, dass der Berechtigte verpflichtet ist, das Dauerwohnrecht beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer oder einen von diesem zu bezeichnenden Dritten zu übertragen. Auch dieser Heimfallanspruch kann nicht vom Eigentum an dem Grundstück getrennt werden. Der Entschädigungsanspruch des Erbbauberechtigten bei Geltendmachung des Heimfallanspruchs des Grundstückseigentümers besteht gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG grundsätzlich in einer angemessenen Vergütung für das Erbbaurecht. Diese bezieht sich auf dessen objektiven Verkehrswert zur Zeit der Erfüllung des Heimfallanspruchs2. Dieser Wert ist aus dem realen Wert des Bauwerks, dem Ertragswert des Erbbaurechts und dem Wert für den Rückerhalt der Bodennutzung zu berechnen; davon sind die gem. § 33 Abs. 3 ErbbauRG zu übernehmenden Belastungen abzuziehen3. Für die Streitwertermittlung ist nicht § 41 Abs. 2 GKG maßgeblich, weil es sich bei dem Erbbaurecht nicht um ein mietoder pachtähnliches Nutzungsverhältnis handelt.4

2.2106

Zweifelhaft ist, ob bei der Klage auf Feststellung eines Heimfallrechts der übliche Abschlag von 2.2107 20 % wegen bloß positiver Feststellung vorzunehmen ist. Das wird mit der Begründung verneint, die Vorschrift des § 6 ZPO sei anwendbar, sehe aber keinen 2.2108 Abschlag für Feststellungsklagen gegenüber Leistungsklagen vor.5 Dabei wird jedoch übersehen, dass § 6 ZPO nur den Streitwert für Zuständigkeit und Rechtsmittelinstanz regelt (§ 2 ZPO). Im Gebührenrecht ist er über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nur durch Bezugnahme, also entsprechend anwendbar. Die Versagung des Abschlags bei Eigentums- und damit auch HeimfallsFeststellungsklagen ist vom Ergebnis her wenig einleuchtend. Sie führt zu Ungleichbehandlungen, die des zureichenden Grundes entbehren.

2.2109

Klagt beispielsweise der Kläger auf Feststellung, dass der Beklagte vertraglich verpflichtet sei, dem 2.2110 Kläger einen Pkw mit einem Verkehrswert von 20.000 t zu liefern, dann beläuft sich der Streitwert dieser positiven Feststellungsklage auf 20.000 t abzüglich 20 % = 16.000 t. Klagt er auf Feststellung der Rückgabepflicht mit der Begründung, er habe den Vertrag und die Übereignung angefochten, dann würde sich der Streitwert auf 20.000 t belaufen. In beiden Fällen würde der Kläger aber keinen Titel erlangen, der ihn berechtigt, die Herausgabevollstreckung zu betreiben. Es erscheint deshalb rich-

1 OLG Düsseldorf, DNotZ 1974, 177. 2 BGH, Urt. v. 22.11.1991 – V ZR 187/90, BGHZ 116, 161 = MDR 1992, 255 = NJW 1992, 1454. 3 MünchKomm.BGB/von Oefele/Heinemann, § 32 ErbbauRG Rz. 3; OLG Brandenburg, Urt. v. 12.1.2012 – 5 U 7/11. 4 OLG Schleswig, SchlHA 1968, 144. 5 KG, Rpfleger 1970, 69; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 278.

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Heimfallanspruch

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2. Teil

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Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung

ZPO

tig, auch Klagen auf Feststellung einer dinglichen Berechtigung geringer als entsprechende Leistungsklagen zu bewerten.1

2.2111 Verfolgt der Kläger einen Herausgabeanspruch und damit letztlich die Rückabwicklung des Erbbaurechtsvertrages, bemisst sich das Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits nach dem Wert des Vertrages. Der Gebührenstreitwert bestimmt sich dann nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO2.

2.2112 Ein Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff. WEG (s. Rz. 2.6010 ff.), bei dem der Berechtigte vertraglich wie ein dinglicher Rechtsinhaber gestellt wird und bei Geltendmachung eines Heimfallanspruchs eine Entschädigung entsprechend des Anteils des Wohnobjekts am Marktpreis des Grundstücks erhalten soll, liegt nach seiner Funktion nahe beim Eigentum. Der Streitwert eines solchen Dauerwohnrechts entspricht deshalb dem Verkehrswert einer vergleichbaren Eigentumswohnung.3

Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung 2.2113 Nach § 3a Abs. 2 RVG kann das Gericht im Rechtsstreit eine unangemessen hoch vereinbarte Vergütung auf das angemessene Maß, höchstens bis auf die Höhe der gesetzlichen Vergütung herabsetzen. Dieser Anspruch ist selbständig einklagbar.

2.2114 Im Falle einer bezifferten Klage auf Herabsetzung der angemessenen Vergütung ist der begehrte Herabsetzungsbetrag maßgebend.4

2.2115 Soweit die Herabsetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, ist – vergleichbar einer unbezifferten Schmerzensgeldklage – darauf abzustellen, in welcher Größenordnung sich der Kläger die Herabsetzung vorstellt.5

2.2116 Wird ein Antrag auf Herabsetzung mit einem Anspruch auf Rückzahlung verbunden, dürfte nur auf den Wert des Rückzahlungsanspruchs abzustellen sein. Eine Addition verbietet sich, weil zwischen beiden Ansprüchen wirtschaftliche Identität besteht.

Herausgabe A. Anzuwendende Vorschriften 2.2117 Bemessungsvorschrift ist § 6 ZPO, der auch für den Gebührenstreitwert gilt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 1 RVG), sofern keine Sonderregeln greifen, wie z.B. bei § 42 Abs. 2 GKG (Herausgabe von Miet- und Pachtobjekten).

2.2118 Der Wert der herauszugebenden Sache als solcher ist dagegen gem. § 3 ZPO nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu schätzen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Klageeinreichung, § 4 Abs. 1 Halbs. 1

1 E. Schneider, MDR 1986, 184. 2 OLG Brandenburg, Urt. v. 9.7.2015 – 5 U 112/14. 3 AG Frankfurt/M. v. 28.2.1983 – 30 C 4003/83, AnwBl. 1984, 449 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 102 m. Anm. Schneider. 4 N. Schneider, Die Vergütungsvereinbarung, Rz. 1738, 2015. 5 N. Schneider, Die Vergütungsvereinbarung, Rz. 1739, 2015.

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2. Teil

ZPO

ZPO. Dabei sind Parteiangaben ein Anhaltspunkt für die Wertermittlung und – wenn auch nicht bindend – oftmals die wichtigste und einzige Schätzungsgrundlage. Auch bei der Herausgabe von Urkunden, deren Besitz unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert (Inhaber- und Wertpapiere), ist § 6 ZPO anzuwenden; bei anderen Urkunden ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Stets ist genau zu prüfen, ob auch ein Herausgabesachverhalt gegeben ist. So gilt beispielsweise § 6 ZPO nicht bei Klagen wegen Besitzstörung,2 desgleichen nicht bei Klagen auf Vorlegung von Sachen oder Urkunden gem. § 908 BGB oder auf Herausgabe nur zur vorläufigen Verwahrung.3 Solche Sachverhalte sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Anders liegt es jedoch entgegen OLG Hamm4 bei der Klage auf Herausgabe eines Computers, den der Verkäufer dem Käufer für die Dauer eines Rechtsstreits über Mängel des verkauften und gelieferten Rechners überlassen hatte. In diesem Fall geht es dem Kläger um den endgültigen Besitz, so dass § 6 ZPO und nicht § 3 ZPO anzuwenden ist. Maßgebend ist der Verkehrswert im Zeitpunkt der Erhebung der Herausgabeklage (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG). Dass das herausverlangte Gerät einem raschen Wertverfall unterliegt, kann diesen Streitwert entgegen OLG Hamm nicht mehr verringern.

2.2119

Der Gebührenstreitwert der Klage auf Herausgabe einer Sache bemisst sich nach dem objektiven Verkehrswert derselben bei Einreichung der Klage, nicht nach der subjektiven Einschätzung der Parteien. Maßgebend ist dabei der Betrag, der sich erzielen ließe, wenn die Sache veräußert würde.5

2.2120

Der Streitwert einer Herausgabeklage bestimmt sich, wenn sachlich allein um ein einredeweise geltend gemachtes Pfandrecht gestritten wird, nach dem Wert der gesicherten Forderung, sofern nicht der Wert der Sache geringer ist.6

2.2121

Bei der Klage auf Herausgabe mehrerer Sachen sind die Werte der einzelnen Herausgabeansprüche zusammenzuzählen. Wird hilfsweise Wertersatz verlangt, so ist ein Hilfsantrag nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht über ihn entschieden hat (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG; zu beachten: § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

2.2122

Schwierig wird es, wenn herauszugebende Gegenstände praktisch keinen Verkehrswert haben, weil sie nicht veräußerlich sind. Das OLG Köln7 hat sich in einem derartigen Fall, in dem es um die Herausgabe der beim Architekten befindlichen Originalzeichnungen eines längst fertig gestellten Bauvorhabens ging, mangels schätzbaren Verkehrswertes der Zeichnungen an § 12 Abs. 2 GKG a.F. (jetzt § 48 Abs. 2 GKG) orientiert und den (damals) untersten Wertansatz – bis 600 DM – angenommen.

2.2123

Bei Wertminderung durch Rücknahme (Abriss von Hallen) ist der geringere Wert maßgebend.8

2.2124

Ist ein Kaufpreis vereinbart, so wird dieser regelmäßig dem Wert der Sache gleichzusetzen sein.9 Umgekehrt ist der Streitwert eines Herausgabeantrages im Zweifel auch nicht geringer als der für den „Unvermögensfall“ begehrte Geldbetrag.10

2.2125

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, Beschl. v. 25.9.1991 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169. OLG Hamburg, OLGE 23, 72. RG, JW 1903, 125. OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.1989 – 31 U 199/89, MDR 1990, 449. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.1994 – OLG Frankfurt v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156. OLG Celle, NJW 1957, 1649. OLG Köln, ZMR 1974, 143. OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773. KG, Rpfleger 1962, 155.

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ZPO

2.2126 Wie sich die Beschwer bemisst, wenn neben der Herausgabe ein höher zu bewertender Schadensersatzanspruch unter Fristsetzung gem. § 255 ZPO geltend gemacht wird, ist höchstrichterlich geklärt.1

2.2127 Danach bemisst sich die Rechtsmittelbeschwer der Partei, die mit ihren auf Herausgabe sowie auf Schadensersatz für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs gerichteten Klageanträgen insgesamt unterlegen ist, nach dem Antrag mit dem höheren Wert. Einerseits erfolgt keine Zusammenrechnung gem. § 5 ZPO, da die Anträge wirtschaftlich identisch sind. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte entweder die Sache herausgeben oder nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz leisten, nicht aber beiden Begehren nachkommen muss. Andererseits ist es nicht richtig, allein auf den Herausgabeantrag abzustellen, wenn der im Wege der echten Klagehäufung (§ 260 ZPO) geltend gemachte, auf Schadensersatz gerichtete Antrag einen höheren Wert hat. Hierzu kommt es nämlich nur dann, wenn zusätzliche Schadenspositionen ersetzt werden sollen, die über den Wertersatz hinausgehen, den Wert des Herausgabeantrags also nicht erhöhen. Solche Schadenspositionen begründen ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse des Berufungsklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils2.

2.2128 Gleiches soll in analoger Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auch für die Bemessung des Gebührenstreitwerts gelten.3 Zwar liegt kein Hilfsantrag im Sinne dieser Norm vor, da es Ziel der Klage ist, dass sämtliche Anträge nebeneinander Erfolg haben. Es besteht aber eine planwidrige Regelungslücke. Denn der Zahlungsantrag hat gegenüber dem Herausgabeantrag insofern eine untergeordnete Funktion, als er unter der Bedingung steht, dass die Herausgabe nicht fristgerecht erfolgt. Aus demselben Grund besteht keine „wirtschaftliche Werthäufung“.4 Hat nur der Herausgabeanspruch Erfolg, ist die Kostenquote aus den zusammengerechneten Anträgen nach einem fiktiven Streitwert zu bilden.

2.2129 Dass der Gebührenstreitwert im Einzelfall höher sein kann, ergibt sich indes aus dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. 1 RVG. Denn die anwaltliche Tätigkeit, deren Vergütung sich aufgrund des § 32 Abs. 1 RVG auch nach der für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertfestsetzung richtet, erstreckt sich unabhängig von dem Bedingungseintritt auf den Hilfsantrag, weil der Rechtsanwalt den Prozess umfassend begleiten muss.

B. Rechtsprechungs-ABC Stichwortübersicht Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 2.2130 Beweisurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2131 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2133 Bürgschaftsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2134 Eigenheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2143 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2144 Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2145 Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2153 Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2155 Filmmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2156 Fotografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2157 Goldbarren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2158 Grundschuldbrief/Hypothekenbrief . . . . . . . 2.2159 Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2164 1 2 3 4

Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaufanwartschaftsverträge . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeug/Kraftfahrzeugbrief/Kraftfahrzeugschlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notarurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Originalzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patientenunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2180 2.2181 2.2182 2.2192 2.2193 2.2195 2.2196 2.2197 2.2199 2.2200 2.2201 2.2204 2.2205

BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175 = MDR 2018, 109. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175 = MDR 2018, 109. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175 = MDR 2018, 109. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175 = MDR 2018, 109; BGH v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570 = NJW-RR 1987, 1148.

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Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2209 2.2210 2.2211 2.2212 2.2213

Vollmachtsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungsschlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Teil 2.2215 2.2216 2.2218 2.2224 2.2226

ZPO

Herausgabe

Bereicherungsansprüche Die Streitwertbemessung richtet sich nach § 6 ZPO, da das Herausgabeverlangen ausschlaggebend ist.

2.2130

Beweisurkunden Wenn auf Herausgabe von Beweisurkunden geklagt wird, die nicht Wertpapiere sind, bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Beweisführung gem. § 3 ZPO, z.B., wenn Pelzverwahrungsscheine herausverlangt werden1 oder der Kläger eine Bürgschaftsurkunde zurückhaben will.2

2.2131

Besteht Streit über den Besitz an einer Urkunde (hier: Versicherungsschein für eine Lebensversicherung), ist für die Berechnung des Streitwerts einer Klage auf Herausgabe der Urkunde § 6 ZPO nur dann anzuwenden, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie es z.B. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Handelt es sich bei der herauszugebenden Urkunde aber (wie hier) um ein qualifiziertes Legitimationspapier, ist für die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO abzustellen.3

2.2132

Bürgschaft Verlangt ein Pächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit der Klage die Herausgabe der Ur- 2.2133 kunde über die von ihm als Sicherheit gestellte Bankbürgschaft, und erhebt der Verpächter Widerklage auf Schadensersatz aus dem Pachtverhältnis, dann sind die Streitwerte von Klage und Widerklage nicht zusammenzurechnen; vielmehr ist der höhere der beiden Streitwerte als Gesamtstreitwert festzusetzen.4 Denn in einem solchen Fall wird wechselseitig das gleiche wirtschaftliche Interesse verfolgt: Mit der Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde soll verhindert werden, dass der Beklagte die Bürgschaft für Ansprüche aus dem Pachtverhältnis in Anspruch nimmt; mit der Zahlungsklage werden Ansprüche geltend gemacht, bei deren Bestehen die Bürgschaft in Anspruch genommen werden kann, also vom Beklagten gerade nicht aufgegeben werden muss. Da jede Partei ihre Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung zurückbehalten kann, besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Da die geltend gemachten Zahlungsansprüche die Bürgschaftssumme nicht voll ausschöpfen, decken sich die Streitgegenstände von Klage und Widerklage nicht vollständig, aber doch in Höhe der Zahlungsansprüche.5 Bürgschaftsurkunde Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde ist nicht ohne weiteres mit dem Wert der dieser zugrunde liegenden Forderung identisch, sondern muss nach § 3 ZPO geschätzt werden.

2.2134

Dabei ist das Interesse des auf Rückgabe der Urkunde Klagenden an dem Besitz der Urkunde maß- 2.2135 gebend, wobei dieses erheblich geringer sein kann als der Wert der Bürgschaftsforderung, was z.B. 1 2 3 4 5

LG Flensburg, JurBüro 1950, 146. OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896 = MDR 1980, 658. BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573 = AGS 2002, 230. OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42. OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42.

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der Fall ist, wenn die Hauptforderung erloschen ist und es nur darum geht, eine missbräuchliche Benutzung der Bürgschaftsurkunde zu verhindern. Der Wert der Bürgschaftsforderung kann hingegen bestimmend sein, wenn der Schuldner mit der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen verhindern will; diese Konstellation wird angenommen, wenn nach dem Bürgschaftsvertrag die Verpflichtungen aus der Bürgschaft bei einer Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen erlöschen.1

2.2136 Im Regelfall bemisst sich der Wert des Anspruchs auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde nach einem Bruchteil des Wertes der Bürgschaftsforderung.

2.2137 Wenn aber der Kläger mit dem Herausgabeanspruch verhindern will, dass der Beklagte den Schuldner der Bürgschaft wegen umstrittener Forderungen in Anspruch nimmt, so ist der Streitwert nach § 3 ZPO mit dem vollen Wert der Forderungen anzusetzen, deren sich der Beklagte gegenüber dem Kläger berühmt.2

2.2138 Der Streitwert für eine Klage auf Herausgabe einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist entsprechend des Bürgschaftsbetrages in voller Höhe festzusetzen, wenn der Kläger mit der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen verhindern will und nach dem Bürgschaftsvertrag die Verpflichtungen aus der Bürgschaft bei Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen erlöschen.3

2.2139 Lautet die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nur von dieser auszugehen; wegen des Mehrbetrages kann jedoch ein Aufschlag entsprechend dem Herausgabeinteresse des Klägers angebracht sein.4

2.2140 Das Verlangen auf Herausgabe einer schriftlichen Bürgschaftserklärung ist neben dem Anspruch auf Zahlung nicht zusätzlich zu bewerten;5 desgleichen nicht, wenn der Klage auf Gewährleistung die Widerklage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde entgegengesetzt wird.6

2.2141 Wird lediglich Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt, geht es also nicht um die Abwehr einer drohenden Inanspruchnahme, dann ist das Interesse des Klägers am Besitz der Urkunde maßgebend, nicht die Höhe der Hauptschuld.7

2.2142 Soweit das OLG Düsseldorf 8 das Interesse des Klägers „dem Beweiswert der Urkunde in Händen des Gläubigers“ gleichgesetzt hat, handelt es sich um ein sehr unklares Bewertungskriterium, das abzulehnen ist. Die Bürgschaftsurkunde hat keinen Beweiswert für das Bestehen der gesicherten Forderung.

1 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, NJW-RR 1994, 758 ff.; OLG Frankfurt v. 23.7.1980 – 1 W 23/80, AnwBl. 1980, 460; vgl. auch BGH, NJW-RR 1946, 758, 759 und die dort angegebenen weiteren Hinweise. 2 LG Berlin, Beschl. v. 13.5.2002 – 67 T 29/02, JurBüro 2002, 478; ebenso LG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81; KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, KGReport Berlin 2002, 28 = AGS 2002, 126. 3 KG, Beschl. v. 6.3.2000 – 26 W 599/00, BauR 2000, 1380 = AGS 2001, 253; OLG München, Beschl. v. 29.12.1999 – 15 W 3367/99, BauR 2000, 607. 4 OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, JurBüro 1980, 896 = MDR 1980, 678. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1437. 6 OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896. 7 OLG Hamm, JurBüro 1981, 43; OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1893; OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896; 20–30 % als angemessener Bruchteil der gesicherten Forderung; zustimmend LG Köln v. 7.4.1982 – 9 S 415/81, AnwBl. 1982, 437. 8 OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1893.

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2. Teil

Klagt eine staatliche Treuhandgesellschaft für Wohnungsbau auf Räumung und Herausgabe eines Eigenheims wegen Rücktritt vom Bewerbervertrag, dann bemisst sich der Gebührenstreitwert gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem einjährigen Nutzungsbetrag, nicht gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des Eigenheims.1

2.2143

Eigentumsvorbehalt Wird auf Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware und gleichzeitig auf Bezahlung des Kaufpreises geklagt, so werden diese Streitgegenstände nicht zusammengerechnet.2

2.2144

Eigentumswohnung Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatwirt- 2.2145 schaftlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so ist im Falle einer Herausgabeklage des Eigentümers nur die Frage Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diesen Streit bildet gem. § 42 Abs. 2 GKG der einjährige Nutzungswert der Wohnung.3 Ebenso hat das OLG Frankfurt entschieden für die nach Ablauf einer vertraglichen Nutzungsfrist erhobene Herausgabeklage, auch wenn die Klage zusätzlich auf Eigentum gestützt wird.4

2.2146

Wird auf Herausgabe einer Eigentumswohnung geklagt mit der Begründung, der Kaufvertrag sei nichtig, dann richtet sich der Streitwert nach § 6 ZPO, also nach dem Verkehrswert, nicht gem. § 42 GKG nach dem einjährigen Nutzungswert.5

2.2147

Dem steht nicht die Rechtsprechung zur Bewertung von Kaufanwartschaftsverträgen (s. Rz. 2.2181) 2.2148 entgegen, weil es bei der auf Vertragsnichtigkeit gestützten Herausgabeklage an einer Nutzungsvereinbarung fehlt. Allerdings wird diese Unterscheidung dann bedeutungslos, wenn mit OLG Köln6 die Anwendung des § 42 Abs. 2 GKG nicht davon abhängig gemacht wird, dass ein Nutzungsentgelt vereinbart und gezahlt wird. Indessen war auch in jenem Fall ein Bewerbervertrag geschlossen worden, der durch Rücktritt beseitigt worden war.

2.2149

Herausgabeverfügung Wenn eine Herausgabeverfügung – ganz ausnahmsweise – praktisch zur Befriedigung des Gläubigers führt, kann es angebracht sein, den Streitwert gem. § 53 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO auf den vollen Wert der Hauptsache zu schätzen.7

2.2150

Verlangt ein Verfügungskläger die Herausgabe seines Kraftfahrzeugs (Geschäftsfahrzeugs) von dem Betreiber einer Kraftfahrzeugwerkstatt, der sich demgegenüber auf sein Werkunternehmerpfandrecht beruft, bestimmt sich der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens grundsätzlich nach der

2.2151

1 2 3 4 5

OLG Köln, Beschl. v. 11.12.1973 – 2 U 5/73, MDR 1974, 323. OLG Hamburg, MDR 1965, 394. KG, JurBüro 1969, 166. OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 255. OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1888; OLG Frankfurt v. 21.2.1983 – 17 W 6/82, JurBüro 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203. 6 OLG Köln, JurBüro 1978, 1054. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.9.1976 – 5 W 137/76.

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2. Teil

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Höhe der das Pfandrecht begründenden Werklohnforderung.1 Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es nach der ratio des § 6 ZPO – einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Streitwertrecht folgend – auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt. Macht der Verfügungskläger glaubhaft, dass er den Pkw, sein Geschäftsfahrzeug, zur Aufrechterhaltung seines Betriebs dringend benötigte, geht es ihm in erster Linie um die sofortige Herausgabe des Fahrzeugs, und nicht darum, die streitige Forderung nicht vorab begleichen zu müssen. Da die Herausgabeverfügung in einem solchen Fall zur Befriedigung des Verfügungsklägers führt, ist der Streitwert gem. § 53 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO auf den vollen Wert der Hauptsache zu schätzen.2

2.2152 Wird im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe einer Sache an den Antragsteller selbst und nicht nur an einen Sequester verlangt, so ist für den Streitwert der volle Wert der Sache ohne den sonst im Verfügungsverfahren üblichen Abschlag maßgebend, da das Herausgabeverlangen wirtschaftlich dem Hauptsacheverfahren gleichkommt.3 Einwilligung

2.2153 Auch die Klage auf Einwilligung in die Herausgabe einer hinterlegten Sache ist nach § 6 ZPO zu bewerten.4

2.2154 Sind mehrere Personen nur gemeinsam berechtigt, eine hinterlegte Sache in Empfang zu nehmen, dann ist auf ihre Beteiligungsrechte abzustellen. Sind beispielsweise Kläger und Beklagter je zur Hälfte Eigentümer der hinterlegten Sache, dann ist der Wert der Klage nur mit der Hälfte des Verkehrswertes anzusetzen. Erbschein

2.2155 Wird auf Herausgabe eines Erbscheins geklagt, dann ist abzustellen auf das Interesse des Klägers, dass die Nachteile nicht eintreten, die dem wirklichen Erben infolge der rechtlichen Bedeutung des Erbscheins mit Rücksicht auf die §§ 2365, 2367 BGB drohen.5 Der Nachlasswert oder das Bestreben des Klägers, mittelbar die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers feststellen zu lassen, sind belanglos. Filmmaterial

2.2156 Obwohl sich der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer bestimmten Sache grundsätzlich nach dem allgemeinen Verkehrswert richtet, bemisst sich der Streitwert bei einer Klage auf Herausgabe von Filmmaterial regelmäßig weder nach dem bloßen Materialwert noch nach den Neuherstellungskosten. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Aussichten einer erfolgreichen Auswertung des Filmmaterials im Zeitpunkt der Klageerhebung zu schätzen mit der Maßgabe, dass nur ein Bruchteil des aus der Verwertung etwa zu erwartenden Reingewinnes anzusetzen ist.6 Fotografie

2.2157 Obgleich mit der Klage auf Herausgabe einer belastenden Fotografie die Herausgabe einer Sache begehrt wird, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nicht gem. § 6 ZPO nach dem gewöhnlichen Verkehrswert der Fotografie. § 6 ZPO ist nämlich nur dann anwendbar, wenn die Sache einen selbständigen Vermögenswert hat und wenigstens auch mit Rücksicht auf diesen herausverlangt wird. 1 LG Köln, Beschl. v. 23.9.2008 – 13 T 171/08, AGS 2008, 613 m. Anm. Monschau; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.9.1976 – 5 W 137/76. 3 OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99, OLGR 1999, 336. 4 KG, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107. 5 RG, JW 1911, 813 Nr. 22; BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – III ZR 191/66. 6 OLG Frankfurt, MDR 1957, 48.

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2. Teil

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Der Kläger fordert aber die Herausgabe der Fotografie nicht um ihres Sachwerts willen, der nur geringfügig ist, auch keine selbständige Bedeutung hat, sondern sein Interesse geht dahin, die Schäden abzuwenden, die sich daraus ergeben, dass der Beklagte die Fotografie in seinem Besitz hat. Der Wert des Streitgegenstandes ist deshalb nach dem Wert des Interesses des Klägers frei zu schätzen.1 Goldbarren Der Wert einer auf die Herausgabe von Goldbarren gerichteten Klage wird durch den an der Börse geltenden Ankaufskurs (Börsenkurswert) für Goldbarren bestimmt und nicht nach dem Verkaufskurs.2 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Tag der letzten mündlichen Verhandlung.

2.2158

Grundschuldbrief/Hypothekenbrief Bei Hypotheken- oder Grundschuldbriefen folgt aus dem Besitz am Brief nicht die Inhaberschaft am verbrieften Recht. Da der Brief lediglich eine Beweisurkunde und kein Wertpapier ist, bemisst sich der Streitwert für eine auf Herausgabe eines Grundschuldbriefes gerichtete Klage nicht nach § 6 ZPO. Der Streitwert ist also nicht stets gleich dem Nennbetrag der Grundschuld. Er ist vielmehr nach § 3 ZPO frei zu schätzen.

2.2159

Da aber die Zuerkennung des Briefes durch Urteil regelmäßig deshalb geschieht, weil dem Obsie- 2.2160 genden auch das materielle Recht zusteht, kann ihm der Besitz am Brief vom Gegner kaum noch wegen eines behaupteten Mangels im Recht streitig gemacht werden. Daher kann der Streitwert bis zum Wert des verbrieften Rechts geschätzt werden. Maßgebend ist dabei das Interesse, das die klagende Partei daran hat, den Besitz an dem Grundschuldbrief zu erlangen.3

2.2161

Von Bedeutung ist auch, ob die Grundschuld ihrem Rang nach durch den Grundstückswert gedeckt ist. Der Wert des verbrieften Rechts ist jedoch stets obere Grenze.

2.2162

Scheitert die Herausgabe nur an einem vom Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht, 2.2163 dann entspricht das Herausgabeinteresse des Klägers wirtschaftlich dem Betrag, den er aufwenden müsste, um das Zurückbehaltungsrecht auszuräumen.4 Müsste der Kläger den aufzuwendenden Betrag finanzieren, dann sind Kreditkosten hinzuzurechnen. Grundstücke Ansprüche auf Herausgabe oder Auflassung von Grundstücken sind nach dem Grundstückswert ohne Rücksicht auf die auflastenden Grundpfandrechte zu bewerten.5

2.2164

Die Begründung dafür ist die, dass solche Belastungen den Grundstückswert als solchen nicht mindern und deshalb auch bei der Veräußerung lediglich durch Zahlungsmodalitäten (Übernahme oder Ablösung) berücksichtigt werden. Eine andere Bewertung ist schwerlich möglich, weil sonst beispielsweise bei der Vollfinanzierung eines veräußerten Grundstücks der Streitwert in der untersten Gebührenstufe läge. Diese Bewertungsfrage ist aber sehr kontrovers; vgl. das Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293 ff.

2.2165

Die Vorschrift des § 42 GKG ist anwendbar, wenn die Klage auf Räumung und Herausgabe eines vermieteten Grundstücks gerichtet ist.6 Dabei reicht es aus, dass sich der Beklagte bei seiner Verteidigung

2.2166

1 2 3 4 5 6

KG, Rpfleger 1956, 89 zu ZPO § 3, g. BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, NJW-RR 1991, 1210 = MDR 1992, 83. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 431. OLG Bremen, Beschl. v. 31.10.1984 – 2 W 125/84, JurBüro 1985, 444 = Rpfleger 1985, 77. BGH, NJW 1954, 955; OLG Braunschweig, JurBüro 1968, 483; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1889. Siehe das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff.

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Herausgabe

auf ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis beruft.1 Ebenso ist zu bewerten, wenn ein zwischen den Parteien abgeschlossener Kaufvertrag scheitert, der Kaufinteressent das Haus aber bereits bezogen hatte und ein monatliches, auf den Kaufpreis anzurechnendes Nutzungsentgelt vereinbart war.2 Der Streit der Parteien geht dann nicht um das Eigentum am Grundstück, sondern um die Vergütung des Nutzungsrechts. Die Vorschriften der § 42 GKG und § 6 ZPO können allerdings auch zusammentreffen, wie ein vom OLG Bamberg entschiedener Fall zeigt:3 Wird die Klage auf Räumung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks verbunden mit der Klage auf Herausgabe eines weiteren Grundstücks, über das kein Miet- oder Pachtverhältnis besteht, dann ist der Streitwert der Räumungsklage nach § 42 GKG, derjenige der Herausgabeklage nach § 6 ZPO zu berechnen. Stützt der Vermieter seinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe von Mieträumen nicht nur auf den sich aus dem Mietvertrag ergebenden vertraglichen Anspruch nach § 546 Abs. 1 BGB, sondern auch auf sein Eigentum, dann richtet sich der Streitwert auch dann nach dem Jahreswert der Miete bzw. Nutzung, wenn die zwischen den Parteien streitige Zeit geringer ist4. Unerheblich ist, ob sich der Eigentümer auf seinen Eigentumsanspruch nach § 985 BGB beruft. Allein die Tatsache, dass er Eigentümer ist, reicht aus, um über § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG zum vollen Jahreswert zu gelangen.

2.2167 Nur nach § 6 ZPO ist zu bewerten, wenn dem Räumungsanspruch lediglich ein Eigentümer-BesitzerVerhältnis zugrunde liegt, die Klage also nur auf § 985 BGB oder auf eine andere, nicht mietrechtliche Vorschrift gestützt wird. Maßgebend ist dann nur der Verkehrswert des Herausgabeobjektes. Handelt es sich um ein Wohnhaus oder ein anderes Gebäude, dann ist der Verkehrswert des bebauten Grundstücks gleich dem Streitwert.

2.2168 Eine Räumungs- und Herausgabeklage des Grundstücksverkäufers gegen den Käufer nach Rücktritt vom Vertrag fällt nicht unter § 42 Abs. 2 GKG. Zu bewerten ist vielmehr nach § 6 ZPO.5

2.2169 Anders verhält es sich jedoch bei gescheitertem Kauf einer Eigentumswohnung mit bereits vor der Eigentumsübertragung gestatteter Nutzung; dann ist für die Berechnung des Streitwerts des Herausgabeanspruchs des Eigentümers das analog § 42 Abs. 2 GKG zu berechnende Nutzungsentgelt auch dann maßgeblich, wenn der Eigentümer den Herausgabeanspruch auf § 985 BGB stützt.6

2.2170 Die Anwendung des § 41 Abs. 2 GKG ist bei einem Nutzungsverhältnis, welches zwischen dem Veräußerer und Erwerber eines Hausgrundstücks für die Übergangszeit bis zum Eigentumsübergang besteht, zu verneinen; vielmehr ist der Streitwert gem. §§ 3, 6 ZPO zu bestimmen, wobei der Verkehrswert des heraus verlangten Hausgrundstücks maßgebend ist.7

2.2171 Begehrt der klagende Zwangsverwalter von den beklagten Eigentümern eines beschlagnahmten Grundstücks die Herausgabe eines Grundstücksteils, ist demgemäß bei der Streitwertfestsetzung nicht der Wert des Grundstücks zugrunde zu legen, wenn es dem Kläger lediglich um die Vermietung des streitgegenständlichen Grundstücksteils geht. Zwar gilt § 6 ZPO grundsätzlich auch für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts. Doch ist in Fällen, in denen aufgrund der konkreten Umstände eindeutig zu erkennen ist, dass der wirtschaftliche Wert des Verfahrens für den Kläger weit unter dem sich aus der Vorschrift ergebenden Streitwert liegt, von Verfassungs wegen die tatsächliche wirt-

1 2 3 4 5

OLG Bamberg, JurBüro 1992, 625. OLG Düsseldorf, JurBüro 1988, 373. OLG Bamberg, JurBüro 1988, 516. KG, NJW-Spezial 2010, 765; s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.3.2004 – 9 W 1014/04, MDR 2004, 966 = NJW-RR 2004, 1224; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1983 – 17 W 6/83, JurBüro 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203. 6 OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, ZMR 1995, 549 = WuM 1995, 719 = EzFamR aktuell 1995, 415. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.2011 – 5 W 45/11, NZM 2012, 53.

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Herausgabe

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2. Teil

Bei der Klage auf Herausgabe eines Gastwirtschaftsgrundstücks ist auch der Geschäftswert der Gastwirtschaft angemessen zu berücksichtigen.3

2.2172

Der Wert des Streitgegenstandes bei Klagen eines Nachlassgläubigers gegen einzelne Miterben auf Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks ist nicht stets, wie das OLG Hessen4 angenommen hat, gleich dem Wert des Grundstücks; es kommt vielmehr darauf an, ob der Kläger mit einem obsiegenden Urteil sein Interesse am Erlangen des Grundstücks gegenüber sämtlichen Erben durchsetzen kann.

2.2173

Verzögert ein an sich erfüllungsbereiter Grundstücksverkäufer kurzfristig die Übergabe des Grundstücks, so bestimmt sich der Streitwert für die Herausgabeklage des Käufers nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks (§ 6 ZPO), sondern er ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Käufers an der alsbaldigen Besitzverschaffung zu bemessen.5

2.2174

Der Streitwert für die Klage auf Herausgabe eines Grundstücks an den Nießbraucher bemisst sich nach § 6 ZPO. Er entspricht dem Verkehrswert des Grundstücks, da es – auch – um den Besitz geht. Belastungen des Grundstücks sind nicht abzuziehen.6

2.2175

Beruft sich in einem Rechtsstreit auf Räumung und Herausgabe einer Immobilie der Beklagte auf 2.2176 ein vom Kläger bestrittenes vertragliches Nutzungsrecht hinsichtlich 1/3 der Gesamtfläche der Immobilie und verteidigt sich im Übrigen damit, die Restfläche nicht in Besitz zu haben, bemisst sich der Gebührenstreitwert des Rechtsstreits nach dem einjährigen Nutzungsentgelt für 1/3 der Immobilie zzgl. 2/3 des Verkehrswertes der Immobilie.7 Ist die Klage auf Herausgabe einer von der Beklagten innegehaltenen Gartenparzelle gerichtet, und wendet die Beklagte einen Anspruch auf Abschluss eines Pachtvertrages ein, streiten die Parteien um einen Anspruch auf Grundstücksherausgabe, nicht aber um ein Nutzungsrecht, so dass nicht § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG, sondern § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO einschlägig sind8.

2.2177

Bei Herausgabestreitigkeiten um Immobilien, deren gemeinsame Nutzung rein tatsächlich begründet ist, insb. bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, findet nicht § 41 Abs. 2 GKG Anwendung, sondern es gem. §§ 3, 6 ZPO auf den Verkehrswert des Objekts abzustellen.9

2.2178

Wird neben der Herausgabe und Räumung eines Grundstücks auch die Beseitigung der auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten verlangt, erhöht sich der Streitwert der Räumungsklage um die für die Beseitigung erforderlichen Kosten10.

2.2179

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, ZInsO 2018, 134. BVerfG v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 242. OLG Hessen, SJZ 1949, 418. KG, JurBüro 1968, 740; LG Stuttgart, Urt. v. 29.1.1993 – 22 O 390/92, MDR 1993, 915 hat sich ohne eigene Begründung dem KG angeschlossen. OLG Celle, Rpfleger 1960, 413. OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.6.2012 – 4 W 1065/12, MDR 2012, 1024 = AGS 2012, 415. KG, Beschl. v. 1.2.2018 – 8 W 11/18; vgl. auch BGH, GE 2016, 1207. Vgl. OLG Koblenz v. 1.7.2013 – 3 W 316/13, MDR 2013, 1069 = NJW-RR 2014, 197. KG v. 19.11.2012 – 8 W 80/12, MDR 2013, 430; OLG Hamburg v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, NJW-RR 2001, 576 = NZM 2000, 1228.

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schaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen.1 Dies gebietet der Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten Partei im Zivilprozess.2

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2. Teil

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Herausgabe

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Hinterlegung

2.2180 Der Wert der hinterlegten Sache, die herausverlangt wird, ist maßgebend.1 Sind die Parteien gemeinsam am Gegenstand berechtigt, so ist der Anteil des Klägers vom Streitwert abzuziehen. Kaufanwartschaftsverträge

2.2181 Die Bewertung eines Räumungs- und Herausgabeanspruchs aufgrund eines Kaufanwartschaftsund Bewerbervertrags richtet sich nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 42 GKG, weil es nicht um das Eigentum am Eigenheim, sondern um die Beendigung von dessen erlaubter Nutzung geht.2 Kraftfahrzeug/Kraftfahrzeugbrief/Kraftfahrzeugschlüssel

2.2182 Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftwagens bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Wagens, und zwar nach dessen Wert im Zeitpunkt der Klageerhebung Indiz für die Schätzung des Streitwerts eines Antrags auf Herausgabe eines Fahrzeugs (hier: Sattelzug) ist der Wert, den der Kläger angegeben hat.3

2.2183 Der Anspruch auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugs und der Widerklageantrag auf Auslieferung des zu diesem Kraftfahrzeug gehörenden Kraftfahrzeugbriefes haben denselben Gegenstand;4 denn es liegt nur ein Streit über den Eigentumsübergang an der Kaufsache vor.

2.2184 § 6 ZPO (und nicht § 41 Abs. 2 GKG) findet für den Anspruch auf Herausgabe einer Leasingsache (hier: Pkw), der neben § 985 BGB auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 535, 546 BGB beruht, Anwendung, wenn beide Parteien davon ausgehen, dass die Leasingsache während der Leasingzeit nicht an Wert verliert und beide Vertragsparteien an dem zu erwartenden Erlös beteiligt werden sollen5. Nach § 41 Abs. 2 GKG sollen in erster Linie soziale Härten vermieden werden, da der vermietete Gegenstand durch die Gebrauchsgewährung in der Regel nur geringfügig an Wert verliert und dieser zumeist außer Verhältnis zum vereinbarten Nutzwert steht und der Mieter an diesem Wert nicht teilhat. Für Leasingverträge ist das anders. Hier wird von einem hohen Wertverlust der Leasingsache während der vereinbarten Leasingzeit ausgegangen (z.B. Neuwagenleasing), so dass auf den vereinbarten Restwert des Leasinggutes abzustellen ist.6

2.2185 Zwischen dem auf Herausgabe eines Leasingfahrzeugs nach Vertragsbeendigung gerichteten Hauptantrag des Leasinggebers und dem auf Übereignung des Leasingfahrzeugs gerichteten Widerklageantrag des Leasingnehmers aus einer mündlichen Abrede besteht wegen der unterschiedlichen Interessenlage keine wirtschaftliche Identität, so dass eine Wertaddition stattfindet.7

2.2186 Klagt der Käufer auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs und verlangt der Verkäufer mit der Widerklage Zahlung des Restkaufpreises, so liegt ebenfalls nur ein Streit über den Eigentumsübergang vor; Klage und Widerklage betreffen denselben Streitgegenstand; es ist mithin ein einheitlicher Streitwert festzusetzen, wobei der höhere Wert von Klage oder Widerklage anzusetzen ist.

2.2187 Der Streitwert der Klage, die lediglich auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs gerichtet ist, bestimmt sich nach dem Interesse an der Herausgabe des Briefes; dessen Sachwert ist unerheblich.8 Das OLG

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107. OLG Köln, MDR 1974, 323; OLG Saarbrücken, JurBüro 1990, 1661. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.2020 – 5 U 355/19, RdTW 2020, 98. OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 87. OLG München v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984. Zutreffend: OLG München v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984. OLG München v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984; vgl. auch BGH, MDR 2014, 627. KG, JurBüro 1956, 387; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140.

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2. Teil

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Saarbrücken1 hat die Klage auf Herausgabe von Brief und Zweitschlüssel mit der Hälfte des Fahrzeugwertes bemessen, weil der Kläger das Fahrzeug veräußern wollte, aber durch die Herausgabeverweigerung daran gehindert wurde.2 Werden nur die Schlüssel herausverlangt, orientiert sich das OLG Düsseldorf 3 an den fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage. Der Streitwert beläuft sich auf 1/3 des Fahrzeugwertes, wenn der Beklagte die Herausgabe unter Berufung auf sein Eigentum an dem Fahrzeug ablehnt, der Kläger aber an dessen Nutzung nicht gehindert ist und auch keine Veräußerung beabsichtigt.4 Klagt der Eigentümer eines Pkw auf dessen Herausgabe und erhebt der Beklagte, der Arbeiten an dem 2.2188 Pkw ausgeführt hat, Widerklage auf Zahlung von Werklohn, so betreffen sie nicht denselben Streitgegenstand, sondern die Gegenstände sind zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Denn das Gericht könnte u.U. beiden Anträgen nebeneinander stattgeben, wenn beispielsweise das das rechtliche Schicksal von Klage und Widerklage verknüpfende Werkunternehmerpfandrecht nicht entstanden – der Kläger hat nach der Herstellung des Werks Eigentum erworben –, erloschen oder der Werkvertrag nichtig ist.5 Der Streitwert für die Herausgabe von Fahrzeugschlüsseln orientiert sich am Wert der Schlüssel (nicht des Fahrzeugs), allerdings unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Fahrzeug bei deren Vorenthaltung nicht genutzt werden kann. Zur Wertermittlung kann auf die fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln abgestellt werden.

2.2189

Trotz gleich bleibenden Streitobjekts kann das Interesse der Parteien gem. § 3 ZPO je nach ihren ver- 2.2190 schiedenen Parteirollen in den Instanzen auch verschieden hoch bewertet werden. Klagt der Kläger auf Herausgabe des Briefes, weil er ihn zur Veräußerung des Fahrzeugs dringend benötigt, und macht der Beklagte wegen einer geringfügigen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht am Brief geltend, das er nach seiner Verurteilung mit der Berufung verfolgt, so ist eine gleiche Wertfestsetzung für die Instanzen ausgeschlossen.6 Verlangt eine Antragstellerin im Wege der Einstweiligen Verfügung nach einem Rücktritt vom Vertrag die Herausgabe des verkauften Kraftfahrzeugs, ist für den Streitwert – wie im Hauptsacheverfahren – der Verkehrswert des Fahrzeugs maßgeblich; ein Abschlag vom Verkehrswert kommt nur dann in Betracht, wenn die Antragstellerin mit ihrem Antrag im Verfahren der Einstweiligen Verfügung erkennbar nur eine vorläufige Regelung erstrebt, wie z.B. bei der Herausgabe an einen Sequester.7 Aus der Formulierung im Antrag „Herausgabe an den Gerichtsvollzieher bzw. an die Antragstellerin selbst“ ergibt sich eine vorläufige Regelung, die zu einer Reduzierung des Streitwerts führen könnte, nicht.8

2.2191

Lieferung Die Streitwertbemessung für Ansprüche auf Lieferung und Übergabe von Sachen richtet sich nach § 6 ZPO.9

1 2 3 4 5 6

OLG Saarbrücken, JurBüro 1990, 1661. Zustimmend, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891. OLG Hamm, Beschl. v. 12.9.1989 – 26 W 25/89, Rpfleger 1990, 40. OLG Nürnberg, MDR 1969, 1020: für die Klage 1/2 des Wertes des Kraftfahrzeugs, für die Berufung 20 DM, weil der Beklagte (= Berufungskläger) nur wegen dieser Forderung das Zurückbehaltungsrecht ausübte und § 6 Satz 2 ZPO entsprechend anzuwenden sei. 7 OLG Karlsruhe v. 9.1.2020 – 9 W 51/19, MDR 2020, 629 = JurBüro 2020, 202. 8 OLG Karlsruhe v. 9.1.2020 – 9 W 51/19, MDR 2020, 629 = JurBüro 2020, 202. 9 OLG Nürnberg, JW 1924, 1271; OLG München, JW 1920, 1043; OLG Königsberg, OLGE 41, 240.

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Nachlass

2.2193 Wenn in einem Rechtsstreit unter Miterben die Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten zum Zweck der Auseinandersetzung verlangt wird, richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des klagenden Miterben, dessen unstreitiger Erbanteil daher immer streitwertmindernd zu berücksichtigen ist. Dies ist heute nach Änderung der Rechtsprechung des BGH1 wohl ausgetragen. Im Einzelnen hängt die Bewertung von der jeweiligen Prozesssituation ab. Insoweit sei auf die ausführliche Darstellung unter dem Stichwort „Miterbe“, verwiesen.

2.2194 Geht es dem Kläger bei einer Klage auf Rechnungslegung gegen den Testamentsvollstrecker im Ergebnis um die Erträge seines von ihm mit ca. 4,5 Mio. DM angesetzten Erbteils und (möglicherweise) um eine vorsorgliche Kontrolle des Testamentsvollstreckers, die eventuell zu Schadensersatzansprüchen nach § 2219 BGB führen könnte, nicht aber um die Vorbereitung des Anspruchs auf Herausgabe des Nachlasses oder nicht ausgezahlter Erträge, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht mangels Glaubhaftmachung einer 60.000 DM übersteigenden Beschwer die Beschwer des Klägers durch die Abweisung der Klage auf Rechnungslegung für drei Jahre auf insgesamt 40.000 DM festsetzt.2 Notarurkunden

2.2195 Der Rechtsmittelstreitwert nach der Verurteilung eines Notars zur Herausgabe von Urkundenausfertigungen richtet sich, wenn der Besitz der Urkunden nicht unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 3 ZPO. Danach hat das Berufungsgericht das Interesse des verurteilten Notars, die Urkunden nicht herausgeben zu müssen, nach freiem Ermessen festzusetzen.3 Originalzeichnungen

2.2196 Richtet sich das Interesse des Klägers auf die Herausgabe der nach Fertigstellung eines Bauvorhabens beim Architekten befindlichen Originalzeichnungen, lässt sich der maßgebliche Verkehrswert dieser Unterlagen kaum verlässlich schätzen, da sie praktisch unveräußerlich sind. Deshalb darf sich der Wertansatz an den Richtlinien für nichtvermögensrechtliche Ansprüche orientieren. Dementsprechend hat das OLG Köln im Jahre 19724 den Streitwert für den Anspruch des Bauherrn auf Herausgabe der Originalzeichnungen auf 500 DM angesetzt. Heute wird man den Wert ohne nähere Anhaltspunkte auf mindestens 3.000 t bemessen, zumal die Regelwerte angehoben wurden. Pacht

2.2197 Der Streitwert eines Prozesses auf Herausgabe eines Pachtgrundstücks mit Ablauf der Pachtzeit ist gleich dem einjährigen Pachtzins (§ 42 Abs. 2 GKG). Dabei treten zu dem vereinbarten Pachtzins und der vereinbarten Inventarverzinsung die etwa übernommenen, sonst den Verpächter treffenden Lasten und Abgaben (z.B. Landesrentenbankschulden, Grundsteuern, dingliche Kirchensteuer, Rentenbankgrundschuldzinsen), Versicherungsbeiträge (für Gebäude und vom Verpächter gestelltes Inventar), die halben Landwirtschaftskammerbeiträge, nicht aber die Berufsgenossenschaftsbeiträge, hinzu.5 Im Zusammenhang mit der Herausgabe entstehende mittelbare Belastungen (Kosten für die Entfernung von Bäumen/zurückgelassenen Einrichtungen) berücksichtigt der BGH nicht.6

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Siehe BGH, MDR 1975, 741 = Rpfleger 1975, 353 = NJW 1975, 1415. BGH, Beschl. v. 11.10.2000 – IV ZR 97/00, NJWE-FER 2001, 27. BGH, Beschl. v. 13.7.1993 – III ZB 26/93, BGHR ZPO § 511a Wertberechnung 11. OLG Köln, Beschl. v. 8.11.1972 – 2 U 5/72. OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512. BGH, Beschl. v. 28.2.2002 – IX ZB 129/00, ZInsO 2002, 432.

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2. Teil

Klagt ein Grundstückseigentümer wegen behaupteter Beendigung des Pachtverhältnisses auf Herausgabe von Land, das eine Gemeindebehörde zugunsten eines Kleingartenvereins beschlagnahmt hatte, so ist der Streitwert zum Zwecke der Gebührenberechnung sowohl gegenüber dem verklagten Kleingartenverein als auch gegenüber der ebenfalls auf Herausgabe verklagten Gemeindebehörde einheitlich nach § 42 Abs. 1 GKG festzusetzen.1

2.2198

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Herausgabe

Patientenunterlagen Erhebt der Patient gegen den Arzt Schadensersatzklage und gleichzeitig Klage auf Herausgabe der Patientenunterlagen, wird der auf den Herausgabeantrag entfallende Streitwert regelmäßig von demjenigen der Hauptsache konsumiert, rechtfertigt jedenfalls nicht eine über einen geringen Betrag hinausgehende Streitwertfestsetzung.2 Diesem Streitwert kommt keine selbstständige Bedeutung zu, weil das Gericht die Patientenunterlagen im Arzthaftungsprozess ohnehin und von Amts wegen beizuziehen oder deren Vorlage dem Beklagten oder einem Dritten, auch am Verfahren nicht beteiligten Ärzten, aufzugeben hat. Da die Herausgabe der Vorbereitung eines Arzthaftungsprozesses dient, ist ein Abschlag zu machen, der bei Fehlen besonderer Umstände mit 1/5 des Streitwerts der in Aussicht genommenen Arzthaftungsklage zu bemessen ist.3

2.2199

Pfandrecht Der Streitwert einer Herausgabeklage bestimmt sich, wenn sachlich allein um ein einredeweise geltend gemachtes Pfandrecht gestritten wird, nach dem Wert der gesicherten Forderung, wenn nicht der Wert der Sache geringer ist, § 6 ZPO.4

2.2200

Schuldschein Wenn nach der Rückzahlung des Darlehens für eine erneute Inanspruchnahme durch den Darlehensgeber die Anhaltspunkte fehlen, ist für den Streitwert einer Klage auf Rückgabe des Schuldscheins nicht die Höhe der verbrieften Forderung, sondern das Interesse des Darlehensnehmers am Besitz der Urkunde maßgeblich. Unter diesen Umständen kann das Interesse mit 20 bis 30 % der Forderung angesetzt werden.5

2.2201

Ansprüche aus diesen Rechtsgrundlagen, die auf Herausgabe gehen, sind nach § 6 ZPO zu bemessen.6

2.2202

Ein auf § 992 BGB gestützter Schadensersatzanspruch, der in Abhängigkeit vom Hauptanspruch 2.2203 auf Herausgabe der Sache erhoben wird, bleibt bei der Wertberechnung unberücksichtigt, auch wenn er den sich aus § 987 BGB ergebenden Nutzungsanspruch übersteigt.7 Die Entscheidung ist wenig überzeugend. Der Beklagte hatte sich rechtswidrig in den Besitz einer Wohnung gesetzt. Die Klägerin verlangte Herausgabe und Nutzungsentgang. Der Senat hat das Nutzungsentgelt als streitwertmäßig unbeachtliche „Nutzung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO behandelt. Sicherungsübereignung Der Eigentumsvorbehalt ist nicht als Sicherung der Kaufpreisforderung anzusehen, weil er den Rückgewähranspruch sichert. Daher steht das Sicherungseigentum wirtschaftlich dem Pfandrecht 1 OLG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1956, 86. 2 KG, Beschl. v. 1.12.2016 – 20 W 67/16. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 2018, 140; OLG Nürnberg v. 19.4.2010 – 5 W 620/10, MDR 2010, 1418, 1419; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.1998 –3 O 240/98. 4 OLG Celle, NJW 1957, 1640. 5 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, OLGR 1996, 245 = MDR 1997, 203–204. 6 OLG Koblenz, DRZ 1950, 135. 7 OLG Karlsruhe, ZZP 68, 1955, 463.

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2. Teil

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Herausgabe

näher als dem Vollrecht und ist nach § 6 ZPO zu bewerten. Daher ist bei der Herausgabeklage gem. § 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO der Wert der Forderung maßgebend, sofern nicht die übereignete Sache geringerwertig als die Forderung oder der Forderungsrest ist. Sparbuch

2.2205 Bei Sparkassenbüchern bestimmt sich der Herausgabeanspruch nicht ohne weiteres nach dem eingetragenen Guthaben; denn das Sparkassenbuch ist kein Wertpapier und kein Inhaberpapier; auch hier ist daher das Interesse des Herausgabeklägers maßgebend, das allerdings dem Guthaben entsprechen kann. Das wird beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn die Parteien mit der Herausgabeklage das streitige Recht an der Spareinlage entscheiden lassen wollen oder durch Herausverlangen auch der Sicherungskarte die Verfügungsgewalt beansprucht wird1 oder Gefahr besteht, dass der Beklagte über die Einlage verfügt.2

2.2206 Das KG3 will das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers durchgehend nach dem Betrag des eingetragenen Sparkassenguthabens bemessen. Dies soll nach OLG Düsseldorf 4 auch dann gelten, wenn sich der Beklagte nur mit einem Zurückbehaltungsrecht verteidigt.

2.2207 Wird der Herausgabeanspruch mit dem Feststellungsantrag verbunden, der Kläger sei Berechtigter hinsichtlich des Guthabens, dann liegen zwei selbständig zu bewertende Anträge vor. Indessen besteht hinsichtlich des eigentlichen Streitgegenstandes teilweise Deckungsgleichheit, so dass aus diesem Grunde eine Wertaddition ausscheidet. Es ist deshalb nur der höherwertige Anspruch zu berücksichtigen. Das wird dann, wenn keine Gefahr besteht, dass der Beklagte das Sparguthaben abhebt und dem Kläger deshalb voller Verlust droht, nur der Feststellungsanspruch sein. Denn in der Regel hat bei einer solchen Klagehäufung der Herausgabeanspruch lediglich das Ziel, die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Bank zu erleichtern.5

2.2208 Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Sparbuchs bestimmt sich gem. § 6 ZPO auch dann nach dem Wert der verbrieften Forderung, wenn der Beklagte seine Verteidigung auf die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (s. auch Rz. 2.1677 ff.) beschränkt.6 Urkunden

2.2209 Bei der Bewertung einer Klage auf Herausgabe von Urkunden muss unterschieden werden: Soweit der Besitz der Urkunden unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert – wie bei Inhaber- und weiteren Wertpapieren – ist nach § 6 ZPO dieser Wert maßgeblich. Bei einem Streit um die Herausgabe anderer Urkunden wird der Wert von dem Gericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt.7 Siehe hierzu auch die hier behandelten, spezielleren Stichwörter „Wertpapiere“, „Bürgschaftsurkunde“, „Notarurkunden“, „Urteil“, „Versicherungsschein“ etc. Urteil

2.2210 Bei einem Streit um die Herausgabe gerichtlicher Urteile wird der Wert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen des Klägers bestimmt.8

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, Rpfleger 1970, 96 = JurBüro 1970, 262. OLG München, JurBüro 1974, 1169: aber konkrete Gefährdung nötig! KG, JurBüro 1970, 262 mit krit. Anm. E. Schneider. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1993 – 11 W 29/93, OLGR 1993, 266. OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1993 – 11 W 29/93, OLGR 1993, 266. BGH, Beschl. v. 25.9.1992 – BGH v. 25.9.1991 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169. BGH, Beschl. v. 25.9.1992 – BGH v. 25.9.1991 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169.

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Herausgabe

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2. Teil

Beim Streitwert einer Klage auf Herausgabe der gezahlten Versicherungsprämien und der gezogenen Nutzungen nach Widerruf eines Lebensversicherungsvertrags bleiben die im Klageantrag enthaltenen Nutzungen, soweit sie Nebenforderung sind, gem. § 4 ZPO unberücksichtigt.1 Wird nach einer früheren Auszahlung eines Rückkaufswertes der noch verbleibende Saldo eingeklagt, muss zur Bestimmung des Streitwertes geklärt werden, ob und zu welchem Anteil diese Zahlung auf Prämienrückgewähr einerseits und auf Nutzungsherausgabe andererseits angerechnet wird. Der Rückkaufswert ist hierbei proportional – entsprechend dem Verhältnis der nach der Forderungsberechnung des Klägers insgesamt geltend gemachten Prämien und Nutzungen – auf Prämien und Nutzungen zu verteilen.2

2.2211

Versicherungsschein Besteht Streit über den Besitz an einem Versicherungsschein für eine Lebensversicherung, ist für die Berechnung des Streitwerts einer Klage auf Herausgabe der Urkunde § 6 ZPO nur dann anzuwenden, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie es z.B. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Handelt es sich bei der herauszugebenden Urkunde aber – wie hier – um ein qualifiziertes Legitimationspapier, ist für die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO abzustellen.3 Maßgebend ist also das Interesse des Beklagten, die Verurteilung zu beseitigen und die Versicherungspolice nicht herausgeben zu müssen.4

2.2212

Versorgungsleistung Der Streitwert von Klagen, die auf die Wegnahme von Messeinrichtungen zur Unterbrechung der Energieversorgung durch Versorgungsbetriebe gerichtet sind, ist nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert dieser Einrichtungen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Versorgungsunternehmens zu bemessen, im Falle der Nichtzahlung der Energiekosten nicht weiterhin durch Lieferung von Energie in Vorleistung gehen zu müssen.5 Denn dem Versorgungsunternehmen geht es nicht um die Herausgabe der Zähler und den Besitz daran, sondern um die Durchsetzung des Zurückbehaltungsrechts durch Unterbrechung der Versorgungsleistung. Das Interesse geht dahin, weiteren Schaden abzuwenden, was teilweise nur durch den Ausbau der Zähler möglich ist, der damit nur das Mittel zur Erfüllung des Interesses ist.

2.2213

Der Streitwert ist daher gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses 2.2214 der Klägerinfestzusetzen. Maßgeblich ist der Schaden, den die Klägerin bei Fortsetzung der Lieferung der Versorgungsleistung befürchten müsste. Abzustellen ist zum einen auf den Zeitraum, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und dem Vorliegen einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt und zum anderen auf den in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Verbrauch, der in den festgesetzten Monatsabschlägen zum Ausdruck kommt.6 Welcher Zeitraum zwischen der Entstehung des Anspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung bei der Bemessung zugrunde zu legen ist, wird unterschiedlich beurteilt: Während teilweise davon ausgegangen wird, dass ein Jahresbetrag der Vorauszahlungen angemessen sei,7 geht die Rechtsprechung wohl 1 OLG Karlsruhe v. 24.7.2017 – 12 U 75/17, MDR 2017, 1053; OLG Köln, Beschl. v. 28.1.2015 – 20 W 72/14; OLG Celle v. 27.2.2014 – 8 U 192/13, NJW-RR 2014, 993. 2 OLG Karlsruhe v. 24.7.2017 – 12 U 75/17, MDR 2017, 1053 (teilweise Aufgabe OLG Karlsruhe, NJOZ 2015, 1707); OLG Celle v. 27.2.2014 – 8 U 192/13, NJW-RR 2014, 993. 3 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573 = AGS 2002, 230. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, WM 1993, 2229. 5 OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141. 6 OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141; so im Grundsatz: LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; OLG Köln, ZMR 2006, 208; LG Bremen, Beschl. v. 5.6.2004 – 1 T 237/04. 7 So LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Köln, ZMR 2006, 208; AG Neuruppin v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596; LG Hamburg, ZMR 2004, 586.

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Versicherungsprämie

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2. Teil

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Herausgabe

ZPO

überwiegend davon aus, dass binnen sechs Monaten mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden kann.1 Vollmachtsurkunde

2.2215 Wird eine Vollmachtsurkunde herausverlangt, so ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Die herausverlangte Urkunde verkörpert selbst keinen Wert, so dass § 6 ZPO als Grundlage für die Streitwertfestsetzung ausscheidet. Das Interesse des Klägers liegt darin, sich gegen Schäden durch Missbrauch der Urkunde zu schützen. Deshalb ist für die Wertbemessung von Bedeutung, ob und in welchem Umfang überhaupt Schäden durch einen Missbrauch der Vollmacht möglich und zu befürchten waren.2 Im Rahmen der konkreten Bemessung sind in erster Linie der Umfang der Vollmacht3 und der Wert des von der Vollmacht betroffenen Vermögens maßgebend, da diese Faktoren den wirtschaftlichen Wert einer Vollmacht bestimmen.4 Vollstreckungstitel

2.2216 Hat der Beklagte nach Titelschaffung gegen die titulierte Forderung wirksam aufgerechnet, so kann er Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO oder analog § 371 BGB die Klage auf Herausgabe des Titels erheben. Das Antragsinteresse ist in beiden Fällen gleich. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu bemessen, wobei auf das Interesse des Schuldners abzustellen ist, eine missbräuchliche Benutzung des Titels zu verhindern, sowie auf die Größe der Gefahr, dass dies geschehe.5

2.2217 Für die Bemessung des Streitwerts ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Besitz der Urkunde maßgebend, nicht die Höhe der verbrieften Forderung6. Der Streitwert kann im Rahmen der § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO aber auf 1/3 der verbrieften Forderung zu reduzieren sein, wenn der Kläger zwar grundsätzlich eine erneute Inanspruchnahme fürchtet, ihm aber bereits eine Urkunde vorliegt, die ihm die Möglichkeit eröffnet, die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwirken7. Wertpapiere

2.2218 Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe von Wertpapieren gerichtet ist, bestimmt sich gem. §§ 4, 6 ZPO nach deren Kurswert im Zeitpunkt der Klageerhebung.

2.2219 Bei den echten Order- und Inhaberpapieren (Wertpapiere mit sog. öffentlichem Glauben) ist stets das verbriefte Recht Streitgegenstand und deshalb auch sein Wert bestimmend.

2.2220 Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe von Börsenpapieren ist nicht gleich dem Steuerkurswert; maßgebend ist vielmehr der Börsenkurswert8.

2.2221 Der Streitwert für die Herausgabe von Wechseln bemisst sich nach dem Interesse an der Herausgabe; er ist nach § 3 ZPO zu schätzen.9

1 So OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; AG Oldenburg/Holstein, Urt. v. 22.4.2008 – 22 C 930/07; AG Hamburg, Beschl. v. 19.4.2007 – 518 C 451/06; LG Bremen, Beschl. v. 5.6.2004 – 1 T 237/04; OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141. 2 KG, JurBüro 1970, 794 = Rpfleger 1970, 353 = WM 1970, 1305. 3 Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – BGH v. 16.12.2010 – Xa ZR 81/09, MDR 2011, 505; OLG Frankfurt, JurBüro 2019, 367. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.4.2019 – 8 W 9/19, JurBüro 2019, 367. 5 OLG Köln, JurBüro 1979, 1701; zustimmend BGH, FamRZ 1992, 169 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 23. 6 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, MDR 1997, 203. 4. 7 LG Frankfurt/O., Beschl. v. 30.11.2018 – 13 O 244/17 (unstreitig erfüllte titulierte Forderung). 8 BGH v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, MDR 1989, 909 = WM 1989, 1004. 9 OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 9 W 21/93, AnwBl. 1994, 47 = JurBüro 1994, 494: volle Wechselsumme, wenn ein fälliger Wechsel noch nicht bezahlt ist.

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2. Teil

Voraussetzung ist aber, dass die Wechsel noch realisierbar sind. In einem Fall, in dem das nach den übereinstimmenden Darlegungen der Parteien zu verneinen war, hat sich das OLG Köln an dem Richtwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten orientiert und das Herausgabeinteresse des Klägers mit 1/10 des Nominalwerts bemessen. Selbst das kann unter Umständen noch zu hoch gegriffen sein.

2.2222

ZPO

Hilfsantrag

Wird ein bereits bezahltes Wertpapier herausverlangt, um der Möglichkeit des Missbrauchs vorzu- 2.2223 beugen, dann ist nur darauf abzustellen, dass der Kläger sich vor erneuter Inanspruchnahme aus dem Papier schützen will. Es kommt dann darauf an, wie groß diese Gefahr aus der Sicht des Klägers ist; dieser muss dazu substantiiert darlegen. Wohnungsschlüssel Ist die Herausgabe eines Wohnungsschlüssels streitgegenständlich, richtet sich das für die Rechtsmittelbeschwer gem. § 6 Satz 1 ZPO maßgebliche Interesse in aller Regel nach den Kosten eines Ersatzschlüssels und nicht nach den Kosten einer Erneuerung der gesamten Schließanlage1. Soweit sich der Streitwert nach § 3 ZPO richtet, ist grundsätzlich auf das Interesse des Klägers bzw. Antragstellers abzustellen, das er mit seinem Begehren verfolgt. Im Einzelfall sind dann auch weitere unmittelbare wirtschaftliche Folgen Streitwert erhöhend zu berücksichtigen, z.B. die Kosten einer aus Sicherheitsgründen erforderlichen Erneuerung der zugehörigen Schließanlage2.

2.2224

Ein Anspruch auf Herausgabe des Wohnungsschlüssels nach Räumung ist mit der Jahresmiete zu bewerten3.

2.2225

Zurückbehaltungsrecht Wird auf Herausgabe einer Sache geklagt, und macht der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer Gegenforderung geltend, so bestimmt sich auch bei unstreitigem Herausgabeanspruch, aber (lediglich) streitiger Gegenforderung der Streitwert nach herrschender Meinung nur nach dem Wert der herauszugebenden Sache.

Hilfsantrag Literatur: Schneider, MDR 1988, 462; Fleischmann, Sachliche Zuständigkeit bei Haupt- und Hilfsantrag, NJW 1993, 506; Sänger, Klagenhäufung und alternative Klagebegründung, MDR 1994, 860; Emde, Kostenentscheidungen bei Haupt- und Hilfsantrag, MDR 1995, 990; Lappe, NJW 2004, 2409; Lappe, NJW 2009, 478. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2227

2. Bescheidung des Hilfsantrags . . . . . . . . 2.2238

B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . . 2.2232

II. Verschiedenheit der Gegenstände . . . . . 2.2243

C. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . 2.2234

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.2246

I. Entscheidung über den Hilfsantrag . . . 2.2235 1. Stattgabe des Hauptantrags . . . . . . . . . 2.2236

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2248

1 BGH v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, MDR 2018, 327 = NJW-RR 2018, 331. 2 Vgl. auch OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 79; LAG Kiel, AE 2007, 275 f. 3 Vgl. LG Halle, WM 1994, 532.

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2. Teil

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Hilfsantrag

ZPO

A. Allgemeines 2.2227 Die Zulässigkeit der bedingten Stellung eines von mehreren Klageanträgen ist, soweit sie unter dem Vorbehalt des Eintritts einer innerprozessualen Bedingung steht, allgemein anerkannt1 und wird auch von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) vorausgesetzt.

2.2228 Vom Eventualantrag zu unterscheiden ist die bedingte Klagerhebung, dass also der Kläger die Erhebung seiner ganzen Klage von dem Eintritt einer Bedingung abhängig macht, was nur im Wege der Hilfswiderklage zulässig ist und unter diesem Stichwort streitwertrechtlich behandelt wird. Unzulässig ist daher die für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gegen einen Dritten erhobene Klage (eventuelle subjektive Klagehäufung), da es hier an der Möglichkeit einer innerprozessualen Bedingung im Verhältnis des Klägers zum Dritten fehlt.2

2.2229 Auch ist zwischen echtem und unechtem Hilfsantrag zu unterscheiden. Während der echte Hilfsantrag (auch Eventualklagehäufung) für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gestellt wird, baut der unechte Hilfsantrag auf dem Hauptantrag auf, steht zu diesem folglich nicht in einem Eventualverhältnis, sondern teilt mit diesem nur den Erfolg bzw. Misserfolg.3 Der abweichenden Ansicht,4 wonach der Wortlaut von § 45 Abs. 3 GKG nicht zwischen echtem und unechtem Hilfsantrag differenziere und daher auch für den uneigentlichen Hilfsantrag gelte, ist daher nicht zu folgen.

2.2230 Die demnach grundsätzlich gebotene Addition der Einzelwerte gem. § 5 ZPO bzw. § 39 GKG scheitert jedoch häufig daran, dass mit beiden Anträgen – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel verfolgt wird. Wertbestimmend ist bei wirtschaftlicher Identität der Anträge immer nur der höchste Einzelwert. Das gilt insbesondere für die auf Herausgabe mit Fristsetzung und für den Fall von deren Versäumung auf Zahlung von Wertersatz gerichteten Klage (§§ 255, 259 ZPO). Da sich der Wert des Herausgabeantrags nach dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO bzw. § 40 GKG) bemisst, kann im Einzelfall der auf Zahlung des Wiederbeschaffungswertes (zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung) gerichtete Zahlungsantrag über dem des Herausgabeantrages liegen und daher wertbestimmend sein.5 Die Differenz zur gegenteiligen Ansicht besteht daher regelmäßig nur darin, dass bei einer analogen Anwendung von § 45 Abs. 3 GKG ein wirtschaftlich gleichwertiger, den Herausgabeantrag wertmäßig übersteigender Ersatzanspruch erst bei dessen Bescheidung die Wertbestimmung beeinflusst.6

2.2231 Schließlich ist der Hilfsantrag von der – streitwertrechtlich – unerheblichen Hilfsbegründung abzugrenzen. Während mit dem echten Eventualantrag ein eigenständiger Streitgegenstand in den Prozess eingeführt wird, betreffen Hilfsbegründungen nur unterschiedliche rechtliche Herleitungen des

1 BGH, Urt. v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, MDR 1995, 704 = NJW 1995, 1353; Zöller/Greger, § 260 ZPO Rz. 4 m.w.N. 2 Zöller/Greger, § 253 ZPO Rz. 1. 3 KG, Beschl. v. 9.11.2017 – 4 W 35/17; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W23/09; LAG Nürnberg, Beschl. v. 16.12.2004 – 4 Ta 255/04; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rz. 1. 4 BGH, Beschl. v. 8.4.2014 – XI ZR 335/12; BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, MDR 1996, 1135 – zu § 19 Abs. 1 GKG a.F.; KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.2.2020 – 4 W 4/20; OLG Braunschweig, Beschl. v. 3.12.2019 – 11 W 41/19; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; OLG Köln, Beschl. v. 10.3.2017 – 12 W 10/17; LAG Nürnberg, Beschl. v. 13.3.2008 – 6 Ta 57/08, AGS 2008. 359; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – 15 Ta 53/09, AuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06. 5 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; ebenso OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501. 6 Siehe etwa BGH, Beschl. v. 25.4.2018 – V ZR 181/17 – Klage auf Herausgabe, Fristsetzung und Schadensersatz.

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Hilfsantrag

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2. Teil

ZPO

Klageantrages aus demselben Lebenssachverhalt. Sie bleiben daher wertmäßig immer unberücksichtigt.1 Siehe dazu im Einzelnen unter dem Stichwort „Hilfsbegründungen“, Rz. 2.2227.

B. Zuständigkeitsstreitwert Da es sich nicht um eine kumulative Anspruchshäufung handelt, ist § 5 Halbs. 1 ZPO nach allgemeiner Ansicht nicht anwendbar. Für den Wert maßgebend ist vielmehr nur der höherwertige Klageantrag.2

2.2232

Daher ist das LG auch dann sachlich zuständig, wenn nur der höherwertige Hilfsantrag gem. §§ 23, 2.2233 71 GVG in dessen Zuständigkeit fällt. Unerheblich ist insoweit, ob es später zu einer Entscheidung über den höherwertigeren Hilfsantrag kommt oder bereits dem Hauptantrag stattgegeben wird. Denn der Hilfsantrag wird unabhängig vom Bedingungseintritt mit seiner Zustellung – auflösend bedingt – rechtshängig.3 Da für den Zuständigkeitsstreitwert der Zeitpunkt der Einreichung der Klage entscheidend ist (§ 4 Abs. 1 ZPO), bleibt eine Veränderung der die Zuständigkeit tragenden Umstände auf die einmal begründete Zuständigkeit ohne Einfluss, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Die Verweisung (§ 281 ZPO) der mit einem in die Zuständigkeit des LG fallenden Hilfsantrag vor dem AG erhobenen Klage ist daher bereits vor Bedingungseintritt geboten.4

C. Gebührenstreitwert Voraussetzung für eine Addition der Werte von Haupt- und Hilfsantrag ist, dass „eine Entscheidung über ihn ergeht“ und Haupt- und Hilfsantrag nicht „denselben Gegenstand“ (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) betreffen.

2.2234

I. Entscheidung über den Hilfsantrag Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöht sich der Streitwert bei der Eventualklagehäufung mit Anhän- 2.2235 gigkeit des Hilfsantrags, aber nur soweit über den Hilfsantrag entschieden wird.5 Für die Streitwertbemessung ist maßgeblich, ob das Gericht bei seiner Entscheidung den Hilfsantrag berücksichtigt und – bejahendenfalls – über den Bestand der mit ihm geltend gemachten Forderung entschieden hat. Daher bleiben im Falle der Erledigung der Hauptsache (§ 91a ZPO) Hilfsanträge bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts unberücksichtigt.6 Folgende Fallgestaltungen kommen in Betracht: 1. Stattgabe des Hauptantrags Erfolgt bereits eine Stattgabe des Hauptantrags, dann fehlt es an einem Bedingungseintritt für die Erhebung des Hilfsantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags entfällt rückwirkend, so dass eine 1 BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – VII ZR 162/08: zeitbezogene, aber nicht (höchst)betragsmäßige Schadensberechnung; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, BGHR 2003, 576 = MDR 2003, 716; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731; OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47. 2 BGH, Beschl. v. 8.4.2014 – XI ZR 335/12; KG, OLGZ 79, 348; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.2.2020 – 4 W 4/20; OLG Hamm, Beschl. v. 16.10.2015 – 32 SA 49/15; OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, OLGR 2008, 170; a.A. Fleischmann, NJW 1993, 506: maßgebend allein der Wert des Hauptantrags. 3 Zöller/Greger, § 260 ZPO Rz. 4. 4 Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; Lappe, Anm. zu BGH, KostRsp. § 5 Nr. 92; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 37; a.A. Fleischmann, NJW 1993, 506, 507. 5 OLG München, Beschl. v. 12.11.2008 – 1 W 2319/08 – unter zutreffender Zurückweisung der vom Ausgangsgericht erst ab Urteilsverkündung angenommenen Werterhöhung. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.4.2019 – 13 W 61/18, AGS 2019, 289 = JurBüro 2019, 310.

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2. Teil

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Hilfsantrag

Entscheidung insoweit nicht mehr möglich ist. Für eine Wertaddition ist kein Raum. Das gilt nach der neueren Rechtsprechung auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren, insbesondere erlaubt § 33 RVG keine Zusammenrechnung der Werte des Hauptantrags und des unbeschiedenen Hilfsantrags.1

2.2237 Dies gilt – entgegen der Ansicht des OLG Köln – nicht, wenn noch vor der Entscheidung über den Hilfsantrag die Klage hinsichtlich des Hauptantrags zurückgenommen und allein noch der bisherige Hilfsantrag weiterverfolgt wird. Hier wird der bisherige Hilfsantrag nunmehr als allein verbleibender Hauptantrag beschieden,2 so dass zwar kein Fall des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vorliegt. Jedoch handelt es sich um eine Klageänderung in Form eines Klagewechsels, der zumindest für einzelne Gebühren eine Wertaddition erfordert. Siehe hierzu unter dem Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2538. 2. Bescheidung des Hilfsantrags

2.2238 Nach überwiegender Ansicht bedarf es für eine Wertaddition einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch.3 Dabei ist zu beachten, dass – abweichend von der Regelung zur Hilfsaufrechnung – hier die sachliche Bescheidung des Anspruchs immer in vollem Umfang seiner Geltendmachung in Rechtskraft erwächst (§ 322 Abs. 1 ZPO) und daher die Berücksichtigung des Hilfsanspruchs nicht auf die Höhe des (mit dem Hauptantrag) geltend gemachten Klagebetrags beschränkt ist.4

2.2239 An einer wirksamen Entscheidung über den Hilfsantrag fehlt es, wenn das Gericht die Zulässigkeit des Hauptantrags prozessordnungswidrig offen lässt und sich damit über das nach § 308 ZPO verbindliche Eventualverhältnis hinwegsetzt.5

2.2240 Wird über den Hilfsantrag deshalb sachlich nicht entschieden, weil er über eine nicht zugelassene Klageänderung in den Prozess eingeführt worden ist, ist für eine Wertaddition folgerichtig kein Raum.6

2.2241 Eine Zusammenrechnung kommt nach richtiger Auffassung ebenfalls nicht in Betracht, wenn bereits die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint wird und deshalb eine Sachentscheidung über den damit geltend gemachten Anspruch ausbleibt. Beruht die Abweisung des Hilfsantrags auf dem Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen, beispielsweise auf mangelnder Zuständigkeit, ist für eine Wertaddition kein Raum.7

1 KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488 (Ls.); OLG Brandenburg, NJOZ 2006, 3384; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470; OLG Köln, Beschl. v. 23.7.2008 – 22 U 141/07. 2 OLG Köln, Beschl. v. 7.10.1996 – 26 W 13/96, OLGR 1997, 56 = JurBüro 1997, 435. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 1063; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.6.1979 – 5 U 183/78, OLG Nürnberg v. 26.6.1979 – 5 U 183/79, MDR 1980, 238 = JurBüro 1980, 739; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rz. 6; Emde, MDR 1995, 990, 991; Sänger, MDR 1994, 860, 861; Zöller/Greger, § 260 ZPO Rz. 7. 4 Zutreffend daher OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07-38, OLGR 2008, 746. 5 BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157 – zur Beschwer; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rz. 6. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.1981 – 10 W 98/81, MDR 1982, 505 = Rpfleger 1982, 161; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.6.1979 – 5 U 183/78, JurBüro 1980, 739 mit zust. Anm. Mümmler = MDR 1980, 238; hier zust. OLG München, Beschl. v. 29.1.1997 – 15 W 3507/96, OLGR 1997, 153; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rz. 6. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rz. 6; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2021 – 17 W 47/20; OLG München, Beschl. v. 29.1.1997 – 15 W 3507/96, OLGR 1997, 153; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 251; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, S. 64.

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2. Teil

Denn mit der seinerzeit durch das KostRÄndG 1994 für den Hilfsantrag aufgenommenen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. (jetzt § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) wollte der Gesetzgeber einen bewertungsrechtlichen Gleichlauf von Hilfsanspruch und -aufrechnung erreichen.1 Dem steht der in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG fehlende Zusatz einer „der Rechtskraft fähigen“ Entscheidung nicht entgegen.2 Die wörtliche Bezugnahme auf die Rechtskraft dient bei Hilfsaufrechnungen allein dazu, die Bindung der Werterhöhung an den Umfang der Rechtskraft („soweit“) zu verdeutlichen. Denn § 45 Abs. 1 GKG stellt ebenso wie die für die Hilfsaufrechnung geltende Regelung auf eine Entscheidung über „den Anspruch“ bzw. „die Gegenforderung“ ab. Eine auf Zulässigkeitserwägungen beruhende Bescheidung allein der Prozesshandlung, d.h., des Antrages bzw. des Aufrechnungseinwandes (die „Geltendmachung“) reicht. In diesem Fall fehlt es an einem Ausspruch über die Begründetheit des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs.

2.2242

ZPO

Hilfsantrag

II. Verschiedenheit der Gegenstände Sind Haupt- und Hilfsantrag auf „denselben Gegenstand“ gerichtet, entfällt auch bei einer sachlichen 2.2243 Bescheidung des Hilfsantrages eine Wertaddition. Maßgebend ist dann nur der höhere Wert, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Hierbei besteht Einigkeit, dass der Gegenstand des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstands des Prozessrechts nicht identisch ist.3 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von der Beurteilung bei Klage und Widerklage. Maßgebend für die Streitwertberechnung ist allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das dem Haupt- und Hilfsantrag zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.4 Dies ist nach Ansicht des BGH der Fall, wenn Haupt- und Hilfsansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist.5 Eine Wertaddition ist demgegenüber grundsätzlich dort vorzunehmen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.6 Dass der Kläger beide Anträge ggf. auf dieselbe Anspruchsgrundlage stützt, ist für die Prüfung ohne Bedeutung.7 Zu den Einzelheiten betreffend die „Wirtschaftliche Identität“ s. unter

1 OLG Naumburg, Urt. v. 20.4.2012 – 10 U 24/10; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70. 2 So aber Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 251; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, S. 64. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, NJ 2008, 82 (Ls.); OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rz. 7. 4 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/00, JurBüro 2001, 95; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, JurBüro 1988, 1551 = MDR 1988, 1067; NJW 1976, 247; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 121; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; LAG Stuttgart, JurBüro 1992, 626; N. Schneider, MDR 2003, 237 = Anm. zu OLG Düsseldorf v. 14.11.2202 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236. 5 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270; BGH, Beschl. v. 6.6.2013 – 1 ZR 190711; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716. 6 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270: Formel soll Wertaddition wirtschaftlich identischer Gegenstände vermeiden; BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 – zu Klage und Widerklage, dabei jedoch für die Feststellung der Werthäufung auf die Identitätsformel des RG abstellend; OLG München, Beschl. v. 24.9.2012 – 5 W 1650/12, NJW-RR 2013, 441; OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, OLGR 2008, 170 = NJ 2008, 82 (Ls.). 7 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, NJW-RR 2003, 713 = MDR 2003, 716.

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2. Teil

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Hilfsantrag

ZPO

dem Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2522 ff. sowie „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2935 ff.

2.2245 Regelmäßig wird bei einem verdeckten Hilfsantrag von einem vom Hauptantrag verschiedenen Gegenstand auszugehen sein, da der Kläger nur äußerlich einen Antrag stellt, diesen jedoch auf zwei (wirtschaftlich) eigenständige Lebenssachverhalte stützt.1 Keine wirtschaftlich eigenständigen Sachverhalte liegen jedoch vor, wenn der Klageantrag auf einer Saldierung verschiedener Vergütungsansprüche auf einer Geschäftsbeziehung beruht, Uneinigkeit über die Zuordnung – unstreitig – erbrachter (Teil)Zahlungen entsteht und der Kläger sein Klagebegehren deshalb hilfsweise auf den seiner Ansicht nach bereits beglichenen Teil der Ansprüche stützt.2

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.2246 Hinsichtlich der Beschwer und Beschwerdegegenstand sind die Streitwerte von Hauptantrag und ggf. mehreren Hilfsanträgen zusammenzurechnen, wenn der Kläger, der mehrere voneinander unabhängige Forderungen aus selbständigen Rechtsverhältnissen in einem mehrfach gestaffelten Hilfsverhältnis geltend gemacht hat, mit seiner Klage abgewiesen worden ist und sein Begehren im höheren Rechtszug uneingeschränkt weiter verfolgt.3

2.2247 Hilfsanträge, die wegen fehlenden Bedingungseintritts unentschieden bleiben oder deren Gegenstand mit dem des Hauptantrages identisch ist, bleiben der Berechnung der Beschwer des Klägers unberücksichtigt.4

E. Vergleich 2.2248 Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über den Hauptantrag führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung des Hilfsantrages in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.5

2.2249 Wird die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert des Hilfsantrages, soweit der Hilfsantrag nicht mit dem Hauptantrag wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 GKG a.F.). Hierüber besteht kein Streit.6

2.2250 Erledigen sich Hauptantrag und Hilfsantrag dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich, so dass sich auch der Verfahrenswert erhöht, § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG a.F.). Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichs-

1 OLG Bamberg, Beschl. 21.5.2008 – 3 U 34/07; OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Hilfsantrag“ Rz. 7. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746 – anwaltliche Gebührenansprüche aus verschiedenen Mandaten. 3 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270; BGH, Beschl. v. 15.1.2001 – XI ZR 324/00; BGH, Beschl. v. 10.10.1983 – III ZR 87/83, MDR 1984, 208 = NJW 1984, 371. 4 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270. 5 OLG Köln, JurBüro 1975, 506 = JMBl.NW 1975, 143 – zur Hilfswiderklage. 6 OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278.

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Hilfsbegründungen

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2. Teil

Die Gegenansicht verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.). Käme es auf 2.2251 den Bedingungseintritt an, würde (auch) eine Erhöhung des Verfahrenswertes im Fall der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung ausscheiden. Denn auch hier ist das Gericht gem. § 308 ZPO erst dann zu einer Entscheidung über die Gegenforderung berechtigt, wenn es zuvor (positiv) über den Bestand der Klageforderung entschieden hat. Wäre daher eine tatsächliche Entscheidung für die Werterhöhung Voraussetzung, liefe die – nur für die Gerichtsgebühren, mithin für den Verfahrenswert aufgestellte – Verweisung des § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) ins Leere, eine dem Wortlaut widersprechende, damit unzulässige und – soweit ersichtlich – von niemandem vertretene Gesetzesauslegung. Stellt aber § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) bei der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung für den Verfahrenswert gerade nicht auf den Bedingungseintritt ab, ist dieser auch bei einem Vergleich über Ansprüche entbehrlich, die Gegenstand eines Hilfsantrages oder einer Hilfswiderklage sind. Denn eine Unterscheidung zwischen diesen prozessualen Fallgestaltungen ist § 45 Abs. 4 GKG nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1 bis 3 GKG (§ 19 Abs. 1 bis 3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt. Bei der Prüfung der Wertaddition ist zu beachten, dass Haupt- und Hilfsanspruch häufig zumindest teilweise wirtschaftlich identische Klagebegehren zugrunde liegen.

2.2252

Hilfsbegründungen Echte Hilfsbegründungen (Alternativbegründungen), die ein und denselben gebührenrechtlichen Gegenstand betreffen, sind für die Wertfestsetzung unbeachtlich.2 Denn anders als bei der (objektiven) Klagehäufung, der eine Mehrheit von Streitgegenständen zugrunde liegt, wird hier das Klagebegehren bei gleich bleibendem Klagegrund nur auf mehrfache rechtliche Begründungen gestützt.3

2.2253

So ändert sich der Streitwert beispielsweise nicht dadurch, dass der Kläger sein Zahlungsbegehren auf 2.2254 vertragliche Ansprüche und (für deren Fehlen) hilfsweise auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung stützt. An solche Rangfolgen der Anspruchsgrundlagen ist das Gericht nicht gebunden.4 Verbirgt sich hingegen hinter der Hilfsbegründung ein (verdeckter) Hilfsantrag, gelten die Bewertungsregeln für Haupt- und Hilfsantrag. Dies ist dann zu bejahen, wenn durch eine rechtliche und tatsächliche Hilfsbegründung ein eigenständiger Lebenssachverhalt in den Prozess eingeführt wird.5 1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 18; offen lassend KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 2 BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – VII ZR 162/08: zeitbezogene, aber nicht (höchst)betragsmäßig abweichende Schadensberechnung; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731. 3 BGH, Beschl. v. 18.8.2016 – III ZR 325/15, MDR 2016, 1150 – Beschwer; OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47. 4 Rosenberg/Schwab, ZPR, § 65 IV 4; Nikisch, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1935, S. 145; Schwab, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1954, S. 91 ff.; Habscheid, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 251 f.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 1957, S. 135; RGZ 55, 244. 5 BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, MDR 1992, 708; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.5.2008 – 3 U 34/07; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2006 – 15 W 17/06; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rz. 7.

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2.2255

ZPO

schluss die innerprozessuale Bedingung des Hilfsantrages, nämlich die negative Bescheidung des Hauptantrages, bereits eingetreten war.1

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2. Teil

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Hilfswiderklage

ZPO

Eine formale Antragstellung ist dafür nicht erforderlich.1 Zur streitwertrechtlichen Behandlung des (verdeckten) Hilfsantrags s. das Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2245.

Hilfswiderklage Literatur: Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; Schneider, MDR 1988, 462; Sänger, Klagenhäufung und alternative Klagebegründung, MDR 1994, 860.

A. Allgemeines 2.2256 Die Hilfswiderklage (auch Eventualwiderklage) wird heute allgemein als zulässig angesehen.2 Neben der eigentlichen Hilfswiderklage, die an den Erfolg der Klage anknüpft, gibt es die uneigentliche Hilfswiderklage, die für den Fall des Misserfolges der Klage erhoben wird.3 Der Primärantrag des Beklagten geht in beiden Fällen auf Klageabweisung.

2.2257 Wichtigster Anwendungsfall ist die Prozesslage, bei der sich der Beklagte mit einer Primäraufrechnung verteidigt, aber z.B. wegen eines vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbots ungewiss ist, ob diese Aufrechnung zugelassen wird. Hier kann der Beklagte seinen Gegenanspruch zugleich hilfsweise widerklagend verfolgen.4

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.2258 Wie auch bei der unbedingt erhobenen Widerklage hat eine Wertaddition gem. § 5 Halbs. 2 ZPO zu unterbleiben.5 Fällt die Hilfswiderklage aufgrund ihres Wertes in die sachliche Zuständigkeit des LG (§ 71 GVG), dann ist bis dahin ein vor dem AG geführter Rechtsstreit auf Antrag gem. § 506 ZPO insgesamt an das zuständige LG zu verweisen.

2.2259 Hierbei ist eine Verweisung gem. § 506 ZPO bereits mit der Erhebung der Hilfswiderklage und nicht erst bei Bedingungseintritt geboten.6 Denn der vom Beklagten mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Anspruch wird mit deren Zustellung rechtshängig und ist damit wertbestimmend. Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht von der des gegenüber dem Hauptantrag in die Zuständigkeit des LG fallenden Hilfsantrages (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227).

1 So auch OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.1986 – 8 W 14/86, NJW-RR 1986, 1063 zu § 19 GKG a.F.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2006 – 15 W 17/06; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; a.A. Meyer, § 45 GKG Rz. 18. 2 Vgl. BGHZ 21, 13 = NJW 1956, 1478; Zöller/Greger, § 253 ZPO Rz. 2. 3 BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, MDR 1996, 1135. 4 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; BGH, Urt. v. 10.7.1961 – VIII ZR 64/80, NJW 1961, 1862; BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; BGH, Urt. v. 10.7.1961 – – VIII ZR 64/80, NJW 1961, 1862. 5 Schneider, MDR 1988, 462. 6 Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; a.A. Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 39.

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Hilfswiderklage

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2. Teil

ZPO

C. Gebührenstreitwert I. Anwendbare Vorschriften Auf die Hilfswiderklage ist die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG unmittelbar anzuwenden, da auch sie eine echte Klage ist.1

2.2260

Die Streitwerte von Klage und Hilfswiderklage sind danach zusammenzurechnen, wenn über die Hilfswiderklage entschieden wird2 und beide Klagebegehren nicht „denselben Gegenstand“ betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, dann darf nicht addiert werden.3

2.2261

II. Entscheidung über Hilfswiderklage Erfolgt bereits eine Abweisung der Klage, dann fehlt es am Bedingungseintritt für die Erhebung der 2.2262 (echten) Widerklage. Gleiches gilt bei Klagestattgabe für die nur für den Fall der Klageabweisung erhobene (unechte) Widerklage. Die Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage entfällt rückwirkend, so dass eine Entscheidung über die Widerklage nicht mehr möglich ist.4 Für eine Wertaddition ist kein Raum.5 Das gilt nach der neueren Rechtsprechung auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren, insbesondere erlaubt § 33 RVG keine Zusammenrechnung der Werte des Hauptantrags und des unbeschiedenen Hilfsantrags.6 Das Verbot der Wertaddition bei nicht beschiedener Hilfswiderklage folgt aus dem Grundgedanken des § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG, wonach hilfsweise geltend gemachte Ansprüche den Streitwert erst dann erhöhen, wenn die ihnen zugrunde liegende Bedingung eingetreten ist. Die in § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG mitgeregelte Eventualwiderklage ist insoweit der nicht beschiedenen Aufrechnung (§ 45 Abs. 3 GKG) und der nicht beschiedenen Eventualklage (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) gleichzusetzen.7

2.2263

Wird der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage als unzulässig abgewiesen, z.B. im Berufungs- 2.2264 rechtszug nach § 533 ZPO, sind die Werte von Klage und Hilfswiderklage zusammenzurechnen, soweit sie nicht denselben Gegenstand betreffen.8 Denn mit Eintritt des Eventualverhältnisses liegt eine unbedingte (Wider-)Klageerhebung vor, die – entsprechend der einfachen Klage – unabhängig von ihrem prozessualen Schicksal streitwertrechtlich in Ansatz zu bringen ist.9 Anders als in § 45 Abs. 3 GKG ist nämlich in § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG das Ergehen einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nicht Tatbestandsmerkmal, so dass nicht maßgeblich ist, ob über den Anspruch zur Widerklage im prozessualen Bereich der Zulässigkeit oder der Begründetheit 1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.4.2012 – 13 W 19/12, AGS 2012, 417; OLG Naumburg, Urt. v. 20.4.2012 – 10 U 24/10; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 2 BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – II ZA 12/18; JurBüro 1972, 777; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.4.2020 – 17 W 37/19, JurBüro 2020, 257; OLG München, Urt. v. 3.3.2016 – 32 U 235/13; ausführlich Schneider, MDR 1988, 462. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 4 Siehe dazu Schneider, MDR 1988, 462, 464. 5 BGH, Beschl. v. 27.9.1973 – VII ZR 10/72, MDR 1974, 36; BGH, Beschl. v. 12.7.1972 – VIII ZR 259/69, MDR 1972, 1028; OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.1989 – 31 U 56/88, JurBüro 1989, 1005; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 14 W 318/96, MDR 1997, 404. 6 KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488 (Ls.); OLG Brandenburg, NJOZ 2006, 3384; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470; OLG Köln, Beschl. v. 23.7.2008 – 22 U 141/07. 7 BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, MDR 1996, 1135; OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 123. 8 OLG Düsseldorf, AGS 1999, 92; OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 1354 = Rpfleger 1980, 487. 9 Zust. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.4.2012 – 13 W 19/12, AGS 2012, 417.

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2. Teil

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Hilfswiderklage

entschieden wird. Für die Wertaddition der Hilfswiderklage ist es daher unerheblich, ob die Geltendmachung zulässig, unzulässig, begründet oder mangels Anspruchs unbegründet ist. Auch für eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist schon mangels „Hauptantrages“ kein Raum, wenn sich die Rechtsverteidigung im Übrigen auf die Stellung eines Klageabweisungsantrages beschränkt.

2.2265 Nach dieser Maßgabe ist eine Zusammenrechnung der Werte von Klage und Hilfswiderklage auch in dem Fall geboten, in dem der Klageforderung durch Teilurteil stattgegeben und das Verfahren wegen der Widerklage fortgesetzt, aber ohne Sachentscheidung (z.B. infolge Vergleich oder Widerklagerücknahme) beendet worden ist.1 Mit dem Erfordernis der „Entscheidung“ über den hilfsweise geltend gemachten prozessualen Anspruch wird nur der Eintritt des Bedingungsverhältnisses beschrieben.

2.2266 An einer wirksamen Entscheidung über die Hilfswiderklage fehlt es jedoch, wenn das Gericht die Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage unter Verstoß gegen das Eventualverhältnis und damit entgegen § 308 ZPO prozessordnungswidrig offen lässt.2 Verstöße gegen § 308 Abs. 1 ZPO dürfen nicht dazu führen, dass die Parteien gewissermaßen „von Amts wegen“ mit höheren Kosten belastet werden.3

III. Verschiedenheit der Gegenstände 2.2267 Betreffen Klage und beschiedene Hilfswiderklage verschiedene Gegenstände, dann sind die Streitwerte beider Klagen zusammenzurechnen.4 Das folgt aus § 45 Abs. 3 GKG (argumentum a minore ad maius): Wenn schon die beschiedene Eventualaufrechnung zur Wertaddition führt, dann erst recht die beschiedene Eventualwiderklage.5

2.2268 Sind die Klagebegehren auf „denselben Gegenstand“ gerichtet, dann entfällt auch bei einer Bescheidung der Hilfswiderklage eine Wertaddition, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Maßgebend ist dann der höhere Wert.6 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von der Beurteilung von Klage und unbedingter Widerklage.

2.2269 Dies gilt auch für den Fall der zusätzlich gegen einen Dritten gerichteten (Hilfs-)Widerklage; denn die Streitgenossenschaft erhöht nicht den Streitwert.7

2.2270 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2522 ff.

IV. Feststellung-Hilfswiderklage 2.2271 Handelt es sich um eine positive Feststellungs-Widerklage, dann ist die Höhe der (von der Klageforderung nicht erfassten) Berühmung durch den Beklagten und Widerkläger wertbestimmend. Der

1 2 3 4

Zutr. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.4.2012 – 13 W 19/12, AGS 2012, 417. BGH, MDR 1974, 36; BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157 – Hilfsantrag. Siehe dazu Schneider, MDR 1971, 437 ff. BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 5 BGH, Beschl. v. 30.1.1992 – IX ZR 222/91, NJW-RR 1992, 1404; BGH, Urt. v. 16.12.1964 – VIII ZR 47/63, MDR 1965, 291; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III 4a. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Celle, Beschl. v. 18.4.2000 – 4 W 94/00, OLGR 2000, 247; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.3.2004 – 12 U 3873/03, NJW 2004, 2838. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86, JurBüro 1987, 401 m. Anm. Mümmler; a.A. wohl OLG Celle, AGS 1999, 92, das unzutreffend allein auf eine fehlende Streitgegenstandsidentität abstellt.

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Hilfswiderklage

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2. Teil

Hingegen sind für die Wertberechnung nicht die Erfolgsaussichten des Feststellungsanspruchs zu 2.2272 berücksichtigen.2 Wenn der Beklagte sich des Bestehens von Ansprüchen berühmt, die er voraussichtlich nicht durchsetzen kann, so ist das seine Sache; für die Streitwertbemessung kommt es immer nur auf das Begehren selbst an, nicht auf dessen Begründetheit (s. aber zu gegenläufigen Tendenzen das Stichwort „Forderung“, Rz. 2.1599 ff.). Wegen der streitwertrechtlichen Besonderheiten bei einer auf negative Feststellung gerichteten Widerklage wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1494 verwiesen.

2.2273

D. Rechtsmittel und Beschwer Soweit über die Hilfswiderklage entschieden wird, gelten gegenüber der Bescheidung der Widerklage keine streitwertrechtlichen Besonderheiten. Für jede Partei ist die Beschwer gesondert zu berechnen.3 Endet das Rechtsmittelverfahren ohne Antragstellung (und Entscheidung), dann bemisst sich nach Ansicht des BGH der Gebührenstreitwert gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nach der Beschwer des Rechtsmittelführers und damit – unabhängig von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG – unter Zusammenrechnung der Werte von Klage und Hilfswiderklage.4

2.2274

Bei wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände von Klage und Hilfswiderklage scheidet eine Zusammenrechnung der Beschwer aus.5 Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2529 ff. verwiesen werden.

2.2275

Kommt es aufgrund der Abweisung der Klage zu keiner Bescheidung der Hilfswiderklage, beschränkt sich die Beschwer des Klägers auf sein Unterliegen hinsichtlich des Klageantrages.6 Ist die Klage erstinstanzlich abgewiesen worden und wird erst im Berufungsverfahren über die Hilfswiderklage entschieden, erfasst eine damit einhergehende Werterhöhung nur den Gebührenstreitwert der zweiten Instanz.7

2.2276

Wird eine vom Beklagten hilfsweise erhobene Einrede, seine Verurteilung nur Zug-um-Zug gegen bestimmte Leistungen auszusprechen, fehlerhaft als Hilfswiderklage bewertet und abschlägig beschieden, dann bestimmt sich der Wert der Beschwer gem. § 45 Abs. 1 GKG. Die Werte der Klage und „Hilfswiderklage“ sind zu addieren, denn mit der Abweisung liegt eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die vom Beklagten nur einredeweise geltend gemachten Gegenansprüche vor, die diesen an einer selbständigen (klageweisen) Geltendmachung hindern würde.8

2.2277

1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459. A.A. OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459. Schneider, MDR 1988, 462. BGH, Beschl. v. 11.4.2019 – I ZR 205/18, JurBüro 2019, 539 = NJW 2019, 2175. BGH, Beschl. v. 11.4.2019 – I ZR 205/18, JurBüro 2019, 539 = NJW 2019, 2175; BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228. 6 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736. 7 KG, Beschl. v. 8.11.2017 – 26 U 109/16; OLG Rostock, Beschl. v. 29.5.2012 – 3 W 176/10, JurBüro 2010, 589. 8 BGH, Beschl. v. 27.7.2017 – III ZB 37/16, MDR 2017, 1319.

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Abschlag für positive Feststellungsklagen ist aber auch hier zu beachten.1 Siehe dazu auch unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1484.

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Hilfswiderklage

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E. Vergleich 2.2278 Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über die Klageforderung führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung der Hilfswiderklage in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.1

2.2279 Wird die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert der Widerklageforderung, soweit diese nicht denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) betrifft.2

2.2280 Erledigen sich Klage und Hilfswiderklage dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich. Der Verfahrenswert erhöht sich nach zutreffender Ansicht um den Wert des mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Anspruchs, soweit er nicht mit der Klageforderung wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG. Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses die innerprozessuale Bedingung des Widerklageantrages, nämlich die (positive) Bescheidung der Klageforderung, bereits eingetreten war.3

2.2281 Die Gegenansicht4 verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG. Käme es auf den Bedingungseintritt an, würde (auch) eine Erhöhung des Verfahrenswertes im Fall der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung ausscheiden. Denn auch hier ist das Gericht gem. § 308 ZPO erst dann zu einer Entscheidung über die Gegenforderung berechtigt, wenn es zuvor (positiv) über den Bestand der Klageforderung entschieden hat. Wäre daher eine tatsächliche Entscheidung für die Werterhöhung Voraussetzung, liefe die – nur für die Gerichtsgebühren, mithin für den Verfahrenswert aufgestellte – Verweisung des § 45 Abs. 4 GKG ins Leere, eine dem Wortlaut widersprechende, damit unzulässige und – soweit ersichtlich – von niemandem vertretene Gesetzesauslegung. Stellt aber § 45 Abs. 4 GKG bei der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung für den Verfahrenswert gerade nicht auf den Bedingungseintritt ab, ist dieser auch bei einem Vergleich über Ansprüche entbehrlich, die Gegenstand eines Hilfsantrages oder einer Hilfswiderklage sind. Denn eine Unterscheidung zwischen diesen prozessualen Fallgestaltungen ist § 45 Abs. 4 GKG nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, den § 45 Abs. 1 bis 3 GKG „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt.5

1 OLG Köln, JurBüro 1975, 506. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 456; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, MDR 2006, 297; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476. 3 So auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, MDR 2006, 297; OLG München, Beschl. v. 30.3.2009 – 1 W 977/09; unklar KG, Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/01, AGS 2002, 158. 4 KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; KG, Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/1, KGReport Berlin 2002, 199; OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476. 5 Wie hier OLG Braunschweig, JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 19; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 321.

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Hypothek

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Hinterlegung A. Vornahme der Hinterlegung Wird auf Vornahme der Hinterlegung geklagt, so ist der Streitwert gemäß dem Interesse des Klägers daran nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Maßgebend ist das Sicherungsinteresse des Klägers.2 Auszugehen ist daher zunächst von dem zu hinterlegenden Betrag oder dem Wert der zu hinterlegenden Sachen. Davon ist dann ein Abschlag vorzunehmen. Je höher das Insolvenz- oder Verlustrisiko ist, desto geringer ist der Abschlag vorzunehmen. Ggf. kann daher sogar der volle Wert anzunehmen sein.

2.2282

Steht bereits fest, dass der Kläger nur einen Teil des zu hinterlegenden Betrags oder einen Teil der zu 2.2283 hinterlegenden Sachen für sich beanspruchen wird, ist sein Interesse an der Hinterlegung entsprechend geringer zu bewerten. Daher ist der Streitwert einer Klage, mit der ein Miterbe nach § 2039 BGB gegenüber einem anderen 2.2284 Miterben eine Nachlassforderung auf Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme zugunsten des Nachlasses geltend macht, zwar nach dem Betrag der eingeklagten Forderung zu bewerten, allerdings abzüglich eines dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechenden Betrags.3

B. Einwilligung in die Auszahlung oder Herausgabe Wird die Einwilligung in die Auszahlung einer hinterlegten Geldsumme oder in die Herausgabe einer hinterlegten Sache verlangt, dann geht es in der Sache um die Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO). Siehe hierzu das Stichwort „Einwilligung wegen Hinterlegung“, Rz. 2.1187 ff.

2.2285

Hypothek A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Es gibt keine besondere kostenrechtliche Regel für die Bewertung von Rechtsstreitigkeiten im Zu- 2.2287 sammenhang mit Hypotheken. Der Zuständigkeitsstreitwert gilt daher wegen § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für die Gerichts- und wegen § 23 Abs. 1 RVG grundsätzlich für die Anwaltsgebühren.

I. Leistungsklagen 1. Eintragung Verlangt der Kläger die Eintragung (Bestellung) einer Hypothek, dann ist § 6 ZPO anwendbar.4 Maßgebend ist in diesen Fällen der Nennbetrag der einzutragenden Forderung. Die zu sichernde Forderung i.S.v. § 6 ZPO ist der Betrag, bis zu dem das Grundstück haften soll.5 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.6 Gemäß § 6 Satz 2 ZPO ist der 1 2 3 4

Anders/Gehle/Kunze, Hinterlegung, Rz; 1; Madert/v. Seltmann, Rz. 284. LG Essen, Beschl. v. 18.7.2003 – 10 T 75/03, MDR 2004, 207 zur Hinterlegung einer Mietkaution. BGH, Beschl. v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, MDR 1967, 202. MünchKommZPO/Wöstmann, § 6 Rz. 17; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2005 – 5 U 170/04, NZBau 2005, 697; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 29.12.1954 – 2 U 126/54, Rpfleger 1957, 275. 6 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18.

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Hypothek

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Grundstückswert die Obergrenze, wenn er geringer ist. Der Streitwert für eine Klage auf Zustimmung zur Belastung eines Grundstücks mit einer Hypothek ist dagegen nach § 3 ZPO zu schätzen.1 2. Abtretung

2.2289 Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abtretung einer Hypothek bemessen sich gem. § 6 ZPO nach deren Nennbetrag.2 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.3 Wird nur darum gestritten, ob das Zinsbezugsrecht aus § 1115 BGB mit abgetreten ist, bemisst sich der Streitwert gem. § 9 ZPO nach dem 3 1/2fachen Jahresbetrag der (dinglichen) Zinsen.4 Nach § 3 ZPO ist der Streitwert zu schätzen, wenn eine Briefhypothek bereits verpfändet ist und die Klage nur die Abgabe der zur Eintragung notwendigen formgerechten Erklärung erzwingen soll.5 Ebenfalls nach § 3 ZPO ist zu bewerten, wenn auf Genehmigung einer in Stellvertretung vorgenommenen Abtretung geklagt wird, um so dem Grundbuchamt den erforderlichen Nachweis erbringen zu können.6 3. Löschung

2.2290 Der Wortlaut des § 6 ZPO erfasst offensichtlich auch Prozesse über die Löschung von Hypotheken.7 Dennoch ist sehr streitig, wie man deren Streitwert bemisst.

2.2291 Eine Auffassung stellt auch dann nach § 6 Satz 1 ZPO auf den Nennbetrag der Hypothek ab, wenn sie teilweise oder ganz nicht mehr valutiert.8 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.9 Sie begrenzt den Streitwert lediglich nach § 6 Satz 2 ZPO auf den Verkehrswert des belasteten Grundstücks.10

2.2292 Eine zweite Meinungsgruppe stellt nach § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse an der Löschung ab.11 Innerhalb dieser Ansicht besteht keine einheitliche Auffassung, wie man das Interesse ermittelt.

2.2293 Teilweise wird das Löschungsinteresse mit dem Valutenstand bemessen.12 Zum Teil werden darauf 20 % aufgeschlagen, begrenzt auf den Nennbetrag der Hypothek als Höchstwert.13 Andere Vertreter

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13

OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.1956 – 5 W 98/55, JurBüro 1956, 230. OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.1.1903 – 1. Zs., OLGE 6, 373; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.9. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. KG, Beschl. v. 27.9.1910 – 11. Zs., OLGE 23, 77. OLG Stettin, Beschl. v. 22.1.1932 – 1 W 583/31, JW 1932, 669; OLG Kiel, Beschl. v. 5.1.1915 – 2. Zs., OLGE 31, 5. OLG Kiel, Beschl. v. 28.9.1934 – 4 W 7/34, HRR 1935 Nr. 376; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2015 – 5 W 96/14, Rpfleger 2015, 488. Roth, MDR 2017, 1153, 1154. BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608; BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07; OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2018 – 10 WF 2/18, MDR 2018, 703; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2016 – 6 W 99/15; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.1998 – 9 W 92/98, MDR 1999, 506; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.1.2001 – 7 W 11/01-2, MDR 2001, 897; KG, Beschl. v. 17.4.2000 – 23 W 1888/00, BauR 2001, 686; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; Roth, MDR 2017, 1153. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07. BGH, Beschl. v. 12.3.2013 – II ZR 214/10; OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1995 – 16 W 16/95. OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.6.1975 – 5 W 13/75, MDR 1975, 846; OLG Köln, Beschl. v. 2.7.1979 – 20 W 18/79, MDR 1980, 1025; LG Bonn, Beschl. v. 24.9.2001 – 15 O 125/01, BRAGOreport 2001, 172 m. Anm. N. Schneider. OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09; OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2005 – 16 W 11/05, MDR 2005, 1196; OLG Celle, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00, MDR 2000, 1456; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.2003 – 13 W 48/03 m. Anm. Onderka, RVG-B 2005, 116; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.112.

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Hypothek

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2. Teil

Zutreffend ist die erste Ansicht. Der ersichtlich einschlägige Wortlaut des § 6 ZPO verbietet, auf ein 2.2294 abweichend nach § 3 ZPO errechnetes Interesse abzustellen. Nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers legen die §§ 6 bis 9 ZPO die Grundsätze der Wertberechnung für praktisch häufige Fälle fest, in denen der Wert des Streitgegenstandes erfahrungsgemäß nach verschiedenen Grundsätzen ermittelt werden kann, um unterschiedliche Ermittlungsmethoden zu unterbinden.3 Sie stehen daher individuellen Bewertungen des Klägerinteresses im Interesse der Rechtssicherheit und der prozessualen Gleichbehandlung entgegen.4 Dass sich das unerwünschte Risiko unterschiedlicher Wertansätze verwirklicht, wenn man § 6 ZPO nicht anwendet, zeigt sich an der fehlenden inneren Geschlossenheit der zweiten Meinungsgruppe, wie das Interesse zu ermitteln ist. Verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten keine Begrenzung des § 6 ZPO. Das Problem stellt sich 2.2295 ausschließlich beim Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO, weil der Gesetzgeber den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht durch Gerichtsgebühren unzumutbar einschränken darf, die im Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes weit überhöht sind.5 Dennoch verbietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Gesetzgeber nicht, den Wert der Löschung pauschalisierend mit dem ursprünglichen Wert bei der Eintragung zu bemessen.6 Die Gleichstellung ist sachgerecht. Der Sicherungsgeber kann wählen, ob der Sicherungsnehmer die Sicherheit durch Löschung oder Abtretung der Hypothek zurückgewährt.7 Den Streitwert bei der Abtretung einer Hypothek berechnet man nach § 6 ZPO. Überdies scheidet ein verfassungswidriges Rechtsschutzerschwernis aus, soweit die Parteien eine Ge- 2.2296 legenheit nicht nutzen, ihren Rechtsstreit durch abweichende Gestaltung kostengünstiger auszugestalten.8 Daher scheidet ein Verfassungsverstoß etwa dann aus, wenn das wirtschaftliche Motiv des Streites die Frage ist, wer die Löschungskosten tragen muss. Die Parteien könnten ihren Streit dann nämlich durch einen Prozess um die Löschungskosten statt durch eine Klage auf Löschung bereinigen. Ein Verfassungsverstoß kann daher allenfalls in Ausnahmefällen denkbar sein. Wie er konkret zu beheben ist, hat das BVerfG nicht vorgegeben.9 Gegenüber einer Anwendung von § 3 ZPO vorzugswürdig erscheint dann eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Streitwertbegünstigung nach § 51 Abs. 5 GKG, § 12 Abs. 3, 4 UWG. Diese hat der Gesetzgeber geschaffen, um zu verhindern, dass gerichtlicher Rechtsschutz durch hohe Gebühren unzumutbar erschwert wird. Die Sachlage ist daher insoweit vergleichbar. Einer Bewertung des Interesses nach § 3 ZPO statt nach § 6 ZPO stehen dagegen der Wortlaut des Gesetzes und der geäußerte Wille des Gesetzgebers entgegen.10

2.2297

Wie man den Streitwert der Klage eines Bruchteilseigentümers gegen einen weiteren Bruchteilseigentümer auf Erteilung der Löschungsbewilligung nach § 1183 BGB zu bemessen hat, ist streitig. Teilweise wird der Nennwert der Hypothekenforderung ohne Rücksicht auf den Eigentumsanteil des

2.2298

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2008 – 6 W 2061/08, MDR 2009, 217; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, AGS 2008, 190. 2 BGH, Beschl. v. 12.3.2013 – II ZR 214/10. 3 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 4 Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 3 Rz. 3. 5 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 6 BVerfG, Beschl. v. 15.4.2012 – 1 BvR 1951/11, NJW 2012, 2947. 7 BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, MDR 2014, 1160. 8 Roth, MDR 2017, 1153, 1155. 9 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 10 Roth, MDR 2017, 1153, 1154.

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dieser Auffassung setzen das Löschungsinteresse pauschal mit 20 % des Nennbetrages der nicht valutierenden Hypothek an.1 Zum Teil wird das Interesse auch mit den Löschungskosten bemessen.2

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2. Teil

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Hypothek

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Klägers oder des Beklagten angesetzt,1 teilweise wird der Nennwert der Hypothek mit dem Bruchteil des Klägers malgenommen.2

2.2299 Den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG in einem Verfahren auf Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO zur Erwirkung der Löschung einer Hypothek bemisst man ebenfalls nach deren Nennwert.3 4. Rangverbesserung

2.2300 Streitigkeiten um den Rang eingetragener Hypotheken sind nach § 3 ZPO zu bewerten, weil ihr Gegenstand nicht das Pfandrecht, sondern dessen Werterhöhung ist. Im Rahmen des Ermessens nach § 3 ZPO ist entsprechend § 45 Abs. 1 GNotKG der Wert des vortretenden Rechts, begrenzt auf den Wert des zurücktretenden Rechts maßgeblich, weil die Werterhöhung durch die Rangverbesserung nicht größer sein kann.4 5. Gesamthypothek

2.2301 Der Streitwert einer Klage auf Eintragung einer Gesamthypothek auf mehreren Grundstücken (§ 1132 BGB) wird nach § 6 ZPO bestimmt. Das gilt ebenso, wenn damit zugleich die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Hypothek und ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken erreicht werden soll, selbst wenn allein die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek die Forderung hinreichend sicherte. Auch dann ist der Streitwert daher gem. § 6 ZPO der Nennbetrag der Grundschuld und nicht nur ein nach § 3 ZPO bemessener geringerer Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.5

II. Feststellungsklagen 2.2302 Für den Wert einer Klage auf Feststellung, dass keine Hypothek entstanden und daher kein Recht auf abgesonderte Befriedigung begründet worden ist, kommt es auf die eingetragene Forderung an oder auf die Höhe der Forderung, die eingetragen werden sollte. Der Wert des Pfandgegenstandes ist gleich dem Verkehrswert des belasteten Grundstücks.6 Es handelt sich dabei um eine negative Feststellungsklage, deren Streitwert daher gleich dem einer Klage auf Eintragung der Hypothek ist.

2.2303 Bei Streit über die Befugnis vorzeitiger Rückzahlung des Kapitals ist der Streitwert gleich dem Unterschied der Zinsbeträge.7 Nach § 3 ZPO zu bewerten ist der Fall, dass die Unzulässigkeit der Kündigung einer Hypothek geltend gemacht wird; für die Schätzung kommt es darauf an, an welcher Rangstelle die Hypothek steht.8

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, Beschl. v. 11.8.1955 – 1 W 2275/55, NJW 1956, 472. OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2018 – 10 WF 2/18, MDR 2018, 703. OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.1981 – 22 U 85/81, MDR 1982, 411; OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.1997 – 1 U 925/96. OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.2.1956 – 6 W 64/56, Rpfleger 1956, 318. OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.4.1956 – 6 W 90/56, MDR 1956, 432. RG, v. 16.10.1909 – V 104/09, Recht 1909 Nr. 3386. RG, Urt. v. 3.2.1906 – V 324/05, JW 1906, 169.

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Idealverein

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2. Teil

Wird mit einer Klage zugleich ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Hypothek nach § 1134 BGB und ein Anspruch auf Zahlung der Hypothekenforderung geltend gemacht, sind die Werte der Anträge wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzuzählen.1 Gleiches gilt bei einem Zahlungsantrag, der mit einem Antrag auf Absicherung des Betrages durch Eintragung einer Hypothek verbunden wird.2

2.2304

IV. Sicherungshypothek Bei einer Sicherungshypothek bestimmt sich das Recht des Gläubigers nach § 1184 Abs. 1 BGB ausschließlich nach der gesicherten Forderung, ohne dass er diese durch den ins Grundbuch eingetragenen Betrag beweisen kann. Ihre Akzessorietät ist strenger als die der normalen Hypothek. Gemäß § 1186 BGB kann die Sicherungshypothek in eine gewöhnliche umgewandelt werden und umgekehrt.

2.2305

Trotz der Besonderheiten der Sicherungshypothek gelten für die Ermittlung des Streitwerts entgegen teilweise vertretener Auffassung die vorstehend für die Hypothek beschriebenen Grundsätze in gleicher Weise. Dass das Grundbuch bei der Sicherungshypothek keinen guten Glauben begründet, ändert daran nichts. § 6 ZPO gilt für alle Pfandrechte ohne Rücksicht darauf, ob sie gutgläubig erworben werden können oder dem Pfandgläubiger Beweisvorteile bieten.

2.2306

Der Streitwert einer Klage auf Eintragung, Abtretung oder Löschung einer Sicherungshypothek ergibt sich daher nach § 6 Satz 1 ZPO aus dem Nennbetrag der Forderung und ist nicht nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.3

2.2307

B. Rechtsmittelstreitwert Die Beschwer ist nach § 6 ZPO zu ermitteln. Das gilt auch bei der Löschung nicht valutierender Hypo- 2.2308 theken.4 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.5 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung von § 6 ZPO greifen beim Rechtsmittelstreitwert von vornherein nicht, sondern allenfalls beim Gebührenstreitwert.6

Idealverein A. Einleitung Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 2.2308a BGB). Diese materiell-rechtliche Einordnung ist allerdings streitwertmäßig bedeutungslos, denn Ide1 OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2001 – 4 AR 79/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2001 – 12 U 195/00, NZI 2001, 477; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.11.1999 – 9 U 135/99. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322; Schneider/Volpert/ Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 309. 3 BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2005 – 5 U 170/04, NZBau 2005, 697; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09; OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005. 4 BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608. 5 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. 6 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 X ZB 30/07.

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III. Klagehäufung

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Idealverein

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2. Teil

Wird mit einer Klage zugleich ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Hypothek nach § 1134 BGB und ein Anspruch auf Zahlung der Hypothekenforderung geltend gemacht, sind die Werte der Anträge wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzuzählen.1 Gleiches gilt bei einem Zahlungsantrag, der mit einem Antrag auf Absicherung des Betrages durch Eintragung einer Hypothek verbunden wird.2

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IV. Sicherungshypothek Bei einer Sicherungshypothek bestimmt sich das Recht des Gläubigers nach § 1184 Abs. 1 BGB ausschließlich nach der gesicherten Forderung, ohne dass er diese durch den ins Grundbuch eingetragenen Betrag beweisen kann. Ihre Akzessorietät ist strenger als die der normalen Hypothek. Gemäß § 1186 BGB kann die Sicherungshypothek in eine gewöhnliche umgewandelt werden und umgekehrt.

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Trotz der Besonderheiten der Sicherungshypothek gelten für die Ermittlung des Streitwerts entgegen teilweise vertretener Auffassung die vorstehend für die Hypothek beschriebenen Grundsätze in gleicher Weise. Dass das Grundbuch bei der Sicherungshypothek keinen guten Glauben begründet, ändert daran nichts. § 6 ZPO gilt für alle Pfandrechte ohne Rücksicht darauf, ob sie gutgläubig erworben werden können oder dem Pfandgläubiger Beweisvorteile bieten.

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Der Streitwert einer Klage auf Eintragung, Abtretung oder Löschung einer Sicherungshypothek ergibt sich daher nach § 6 Satz 1 ZPO aus dem Nennbetrag der Forderung und ist nicht nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.3

2.2307

B. Rechtsmittelstreitwert Die Beschwer ist nach § 6 ZPO zu ermitteln. Das gilt auch bei der Löschung nicht valutierender Hypo- 2.2308 theken.4 Dingliche Zinsen erhöhen als Nebenforderung den Streitwert wegen § 4 ZPO nicht.5 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung von § 6 ZPO greifen beim Rechtsmittelstreitwert von vornherein nicht, sondern allenfalls beim Gebührenstreitwert.6

Idealverein A. Einleitung Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 2.2308a BGB). Diese materiell-rechtliche Einordnung ist allerdings streitwertmäßig bedeutungslos, denn Ide1 OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2001 – 4 AR 79/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2001 – 12 U 195/00, NZI 2001, 477; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.11.1999 – 9 U 135/99. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322; Schneider/Volpert/ Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 309. 3 BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2005 – 5 U 170/04, NZBau 2005, 697; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09; OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005. 4 BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – V ZR 165/16, MDR 2017, 608. 5 BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – V ZR 306/18. 6 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 X ZB 30/07.

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III. Klagehäufung

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2. Teil

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Idealverein

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alvereine können gleichermaßen vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen wie wirtschaftliche Vereine nichtvermögensrechtliche Ansprüche.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.2309 Es kommt für die Bemessung des Streitwerts (§ 48 Abs. 2 GKG oder § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) nur darauf an, welche konkreten Anträge vom Verein bzw. gegen diesen im Rechtsstreit verfolgt werden. Dagegen richtet sich die Bewertung des Beschwerdeverfahrens über die gerichtliche Bestellung eines Notvorstandes (§ 29 BGB) nach § 58 FamFG, § 36 Abs. 2 GNotKG.1

I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit 2.2310 Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt beispielsweise vor, wenn gegen einen Idealverein auf Feststellung geklagt wird, dass die Wahl des Vorstands nicht rechtmäßig erfolgt sei. Wegen der besonderen Bedeutung eines solchen Streits für einen Verein, der ohne einen rechtmäßig gewählten Vorstand nicht handlungsfähig ist, ist auch bei sonst durchschnittlichen Verhältnissen regelmäßig die Festsetzung eines über dem Grundwert liegenden Streitwerts gerechtfertigt.2

2.2311 Nichtvermögensrechtlich sind daneben auch die Streitigkeiten um Zugehörigkeit zu einem Idealverein oder um die Berechtigung, den Vereinsnamen zu führen.

2.2312 Streitigkeiten über den Ausschluss aus einem Idealverein sind regelmäßig als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten anzusehen, wenn das betroffene Mitglied (allein) in seinem sozialen Achtungsund Geltungsanspruch betroffen ist. Die Wertbestimmung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Einbindung und Bekanntheit des betroffenen Vereinsmitglieds3 sowie die Bedeutung des Vereins. Das Gericht hat sich bei der Festsetzung an den Vorgaben des Gesetzgebers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, der für durchschnittliche Streitigkeiten einen deutlich über 600 t liegenden Wert vorgibt, zu orientieren.4 Stehen für den Kläger dagegen ausschließlich oder zumindest vorrangig wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, sind diese auch bei einem Ausschluss aus einem Idealverein wertbestimmend.5 Siehe das Stichwort „Ausschließung“, Rz. 2.542.

II. Vermögensrechtliche Streitigkeiten 2.2313 Vermögensrechtlich ist dagegen der Streit um Höhe oder Berechtigung der Mitgliedsbeiträge sowie über Aufnahme von neuen Mitgliedern. Das LG Saarbrücken6 hat zur Bewertung des Streits über die Aufnahme von 200 neuen Mitgliedern auf die jährlichen Mitgliedsbeiträge abgestellt.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.2014 – 20 W 368/13, ZIP 2014, 875; OLG Jena, Beschl. v. 23.8.2013 – 9 W 134/13 noch zu § 30 Abs. 2 KostO. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, OLGR 1998, 39 – negative Feststellungsklage betr. Unwirksamkeit der Wahl von Vereinsvorstand und Ausschussmitgliedern (5.000 t); KG, JurBüro 1969, 1193 zu § 12 Abs. 2 GKG a.F. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1989 – 5 W 374/89; OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153: 500 t; LG Bonn, Urt. v. 8.1.2013 – 18 O 63/12: 6.500 t. 4 BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 8/14 – Parteiausschluss. 5 BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 8/14 – Parteiausschluss; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644 – Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Verkauf selbst gezüchteter Rassehunde. 6 LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.4.1994 – 5 T 235/94, JurBüro 1995, 26.

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2. Teil

Die Regelung in § 247 Abs. 1 AktG ist auf das Vereinsrecht nicht entsprechend anwendbar.1 Denn es fehlt an der für die aktienrechtliche Regelung mitbestimmenden Motivation, wirtschaftlich gering beteiligte Mitglieder durch die Berücksichtigung des Verbandsinteresses von willkürlichen Klagen abzuhalten.

2.2314

ZPO

Immissionen

III. Anspruchshäufung Werden mit einer Klage im Wege der Anspruchshäufung sowohl vermögensrechtliche als auch nicht- 2.2315 vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht, so erfolgt eine getrennte Bewertung und sodann die Addition nach § 5 ZPO.2 Eine Ausnahme gilt für den Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 4 GKG nur dann, wenn der vermögensrechtliche Anspruch aus dem nichtvermögensrechtlichen folgt. Dann ist nur der höhere Anspruch maßgeblich.

2.2316

C. Rechtsmittel und Beschwer Bei dem Streit um Ausschließung richtet sich die Beschwer des unterliegenden Mitglieds nach dessen 2.2317 Interesse an der fortdauernden Zugehörigkeit im Verein. Angesichts der gesetzgeberischen Vorgabe in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG wird daher ohne besondere Darlegung auch bei einer Mitgliedschaft im Idealverein nur ausnahmsweise eine unter der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegende Beschwer anzunehmen sein.3

Immissionen Für den nach § 3 ZPO zu schätzenden Streitwert einer Immissionsklage (§§ 903, 904, 907, 1004 BGB) ist die Wertminderung entscheidend, die das Grundstück des Klägers nach voraussichtlicher Dauer der Immissionen, hilfsweise bei Zulassung auf unbestimmte Zeit, erleiden würde.4 Vgl. zur Besitzstörung allgemein auch das Stichwort „Besitz“, Rz. 2.757 ff. und 2.771 ff.

2.2318

Auf die Höhe der Aufwendungen, die der Beklagte zur Abwendung der Immissionen anwenden müsste, kommt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nicht an. Allein die Beschwer des Beklagten wird hierdurch bestimmt.5

2.2319

Die Klage eines Mieters gegen einen Mitmieter zur Abwehr der von einem Gaststättenbetrieb ausgehenden Geräusch- und Geruchsimmissionen ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Wertung in § 41 Abs. 5 GKG ist eine Bemessung nach dem Jahresbetrag der aufgrund der Immissionen anzunehmenden Mietminderung (§ 537 BGB) naheliegend.6 Denn das Interesse an einem ungestörten Gebrauch der Mietsache entspricht – wirtschaftlich betrachtet – dem zur Gebrauchsgewäh-

2.2320

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 25.5.1992 – II ZR 23/92, MDR 1993, 183. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1984 – 12 W 254/84, JurBüro 1985, 1083. BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 8/14 – Parteiausschluss. BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – V ZB 247/11, Grundeigentum 2012, 683; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639; OLG Dresden LSK 2015, 060371; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27. 5 OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210; OLG Schleswig, JurBüro 1973, 637 = SchlHA 1973, 88; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Immissionen“. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83.

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2. Teil

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Informationserzwingungsverfahren

rung erforderlichen Aufwand. Zudem wäre auch der Gebührenstreitwert einer gegen den Vermieter als mittelbaren Störer bzw. den zur unbeeinträchtigten Gebrauchsgewährung Verpflichteten gerichtete Klage, nach Maßgabe von § 41 Abs. 5 GKG zu bemessen.1

2.2321 Soweit die Abwehr von Immissionen durch einstweilige Verfügung eingeleitet wird, sind auch die Bewertungsgrundsätze dafür heranzuziehen. Vgl. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1167.

2.2322 Klagen Miteigentümer eines Grundstücks auf Unterlassung einer Lärmimmission, so ist der Wert ihrer Klagen nicht nach § 5 ZPO zusammenzurechnen, da aufgrund desselben betroffenen Grundstücks „wirtschaftliche Identität“ vorliegt.2

Informationserzwingungsverfahren 2.2323 Das Informationserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG, § 132 AktG dient der Durchsetzung des mitgliedschaftlichen Individualrechts eines Gesellschafters bzw. Aktionärs auf Information. Der Anspruch richtet sich gegen die GmbH bzw. gegen den Vorstand. Dagegen kann sich aus § 810 BGB ein Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters ergeben.3

2.2324 Das Erzwingungsverfahren ist Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die sachliche Zuständigkeit des LG, auf Antrag die Kammer für Handelssachen, als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist gem. § 71 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) GVG wertunabhängig. Nach § 51b GmbHG bzw. § 132 Abs. 5 AktG gilt für die Festsetzung des Geschäftswertes die Regelung in § 36 Abs. 3 GNotKG, mit der Maßgabe, dass der Wert regelmäßig mit 5.000 t festzusetzen ist.4

2.2325 Der Geschäftswert ist auch dann einheitlich festzusetzen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben.5 Der Zahl der Antragsteller ist nicht durch bloße schematische Multiplikation des Regelgeschäftswertes mit der Zahl der Anträge Rechnung zu tragen, sondern durch angemessene Erhöhung des Geschäftswertes bis zur Obergrenze von 500.000 t (§ 36 Abs. 3 GNotKG). Maßgeblich ist für die Erhöhung, ob es sich um mehrere selbständige Informationsbegehren handelt, oder ob und in welchem Umfang die Auskünfte zusammenhängen6 bzw. ob die Antragsteller dem Verfahren eine über den Verfahrensgegenstand hinausgehende grundsätzliche Bedeutung beimessen.7

2.2326 Das OLG Frankfurt8 vertritt die Ansicht, dass der Regelwert mit der Zahl der gestellten Fragen zu multiplizieren ist, wenn das Verfahren mehrere Fragen mit jeweils einem eigenständigen Inhalt zum Gegenstand hat. Dagegen spricht schon, dass § 36 Abs. 3 GNotKG nicht auf die einzelne Frage, sondern auf das Verfahren als solches abstellt und für dieses – zusammen mit § 132 Abs. 5 AktG – einen Regelstreitwert vorgibt. Dieser kann nach den Umständen des Einzelfalls zwar niedriger oder höher angenommen werden. Allein die Anzahl der gestellten Fragen bestimmt jedoch nicht das Interesse der Antragsteller. 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92. 2 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.97. 3 OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2013 – 9 U 58/13 (Hs), GmbHR 2014, 209 zur Beschwer und deren Ermittlung unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses der Gesellschaft; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.9.2010 – 8 W 215/10. 4 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2016 – 3 Wx 322/15, GmbHR 2017, 194. 5 BayObLG, Beschl. v. 28.3.1991 – BReg. 3 Z 2/91, GmbHR 1991, 576; BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; BayObLG, Beschl. v. 14.11.2000 – 3Z BR 321/00, JurBüro 2001, 254. 6 BayObLG, v. 15.2.2000 – 1Z BR 150/99, NJW-RR 2000, 1201. 7 BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; ähnlich auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.1992 – 8 W 344/91, DB 1992, 1179. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.8.1992 – 20 W 300/92, DB 1992, 1920 noch zu § 30 KostO.

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Insolvenzverfahren

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2. Teil

Neben einem Hauptanspruch auf Geldzahlung sind Inkassokosten bei der Wertbemessung außer Ansatz zu lassen, da es sich um Kosten i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG handelt.1 Dagegen sind sie als werterhöhender Hauptanspruch und bei der Berechnung der Beschwer zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf den Teil der noch streitgegenständlichen Hauptforderung angefallen sind.2

2.2327

Insolvenzsicherung Zwischen dem Versorgungsempfänger oder -anwärter einer betrieblichen Altersversorgung und dem Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung besteht bereits vor Eintritt des Sicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 BetrAVG) ein feststellungsfähiges (bedingtes) Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO.3

2.2328

Der Streitwert für eine auf künftige Rentenleistung gerichtete Insolvenz-Sicherungsklage ist auf den dreifachen Jahresbetrag festzusetzen (§ 42 Abs. 1 GKG analog). Dies gilt auch dann, wenn die Klage von einem früheren Mitglied des Vertretungsorgans einer juristischen Person erhobenen wird.4

2.2329

Insolvenzverfahren Literatur: Fábián, Die Bestimmung der Gerichtskosten in Insolvenzverfahren, DZWIR 2020, 65; Schoppmeyer, Gebührenstreitwert im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 811; Schneider, MDR 1974, 101 ff.; Enders, JurBüro 1999, 113; Enders, JurBüro 1999, 169. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2330 B. Verfahrensstreitwerte I. Erste Instanz 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretung des Schuldners . . . . . . . . b) Vertretung des Gläubigers . . . . . . . . c) Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Feststellungsklage I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 2.2352 II. Bemessungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . 2.2359

2.2332 2.2337 2.2338 2.2339 2.2342

D. Einfluss der Insolvenz auf laufende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2368

II. Beschwerdeverfahren 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2343 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2346

G. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2381

E. Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2375 F. Abgesonderte Befriedigung . . . . . . . . 2.2377

1 BGH, Beschl. v. 24.9.2020 – III ZB 45/20 – Beschwer; OLG Köln, JurBüro 1974, 1594 = BB 1974, 1414 = DB 1974, 2203. 2 BGH, Beschl. v. 24.5.52020 – VIII ZR 275/18 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – I ZR 107/12, GRUR-RR 2013, 448. 3 BGH, Urt. v. 25.10.2004 – II ZR 413/02, MDR 2005, 292 = NJW-RR 2005, 637. 4 BGH, JurBüro 1980, 1822 = MDR 1980, 1001.

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2. Teil

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Stichwortübersicht Abgesonderte Befriedigung . . . . . . . . . . . . . 2.2333 Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2381 – Beseitigung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . 2.2382 – Rückgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2381 Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . 2.2337, 2.2346 – Ankündigung der Restschuldbefreiung . . . 2.2350 – Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2346 – Bestätigung des Insolvenzplans . . . . . . . . 2.2351 – Durchführung des Insolvenzverfahrens . . 2.2337 – Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2337 – Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2348 – Teilbetrag des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . 2.2340 – Vertretung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . 2.2339 – Vertretung des Schuldners . . . . . . . . . . . . 2.2338 – wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . 2.2349 Aufnahme eines Rechtsstreites . . . . . . . . . . . 2.2366 Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2333 Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2356 Bemessungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2359 – besondere Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2365 Beschwerde gegen Eröffnungsantrag . . . . . . 2.2343 Eventual-Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2373 Falsche Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2367 Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2352

– gegen bestreitenden Schuldner . . . . . . . . – Rang der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . – Umstellen von Zahlungsklage . . . . . . . . . Gegenforderungen, aufrechenbar . . . . . . . . Gläubiger, vermögenslos . . . . . . . . . . . . . . Hilfsaufrechnungen gegenüber Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage . . . . . . . . . . . . . . . Laufendes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quote, gering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstreit – nicht weitergeführt . . . . . . . . . . . . . . . . . – wieder aufgenommen . . . . . . . . . . . . . . . Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . Teilbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensfortführung . . . . . . . . . . . . . Verteilungsquote – Insolvenzverwaltungsbericht . . . . . . . . . – Prozentwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Verhältnis der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinsen und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2357 2.2354 2.2354 2.2301 2.2336 2.2374 2.2333 2.2356 2.2368 2.2363 2.2369 2.2370 2.2371 2.2355 2.2354 2.2334 2.2360 2.2363 2.2361 2.2353 2.2362

A. Einleitung 2.2330 Der Streitwert für die Gerichtsgebühren im Insolvenzverfahren – soweit keine Festgebühren anfallen – richtet sich nach § 58 GKG. Danach ist der Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich. Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 28 RVG.

2.2331 Bei der Klage auf Feststellung bestrittener Forderungen (§ 179 InsO) ist derjenige Betrag anzusetzen, der bei Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten ist (§ 182 InsO). Da diese Regelung keine maßgebliche sachliche Änderung gegenüber der früheren Vorschrift des § 148 KO enthält,1 kann auch auf Rechtsprechung zur Konkursordnung zurückgegriffen werden.

B. Verfahrensstreitwerte I. Erste Instanz 1. Gerichtsgebühren

2.2332 Der Streitwert für das Insolvenzverfahren selbst, also für die Eröffnung und die Durchführung, richtet sich nach § 58 GKG. Danach werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Nr. 2310 KV GKG) und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens (Nrn. 2320, 2330

1 BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463.

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2. Teil

Die Insolvenzmasse umfasst nach §§ 35, 36 InsO das gesamte dem Schuldner zurzeit der Eröffnung 2.2333 gehörende und während des Verfahrens von ihm erlangte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen, einschließlich Früchte, Nutzungen und Zinsen.3 Nicht zur Insolvenzmasse zählen diejenigen Gegenstände, die aufgrund dinglicher oder persönlicher Rechte einem Aussonderungsrecht unterliegen (§ 47 InsO). Der Wert von Gegenständen, die zur abgesonderten Befriedigung dienen (§§ 49 ff. InsO), wird nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrages angesetzt (§ 58 Abs. 1 Satz 2 GKG).4 Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO) werden nicht abgezogen.5 Bei Unternehmensfortführung bestimmt sich der Wert der Insolvenzmasse nicht allein anhand der Aktivwerte der Insolvenzmasse,6 sondern es sind die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten abzuziehen („Überschussprinzip“). Maßgeblich ist das wirtschaftliche Ergebnis. Nur die abwicklungsbedingten Massekosten und Masseschulden sind wertmindernd zu berücksichtigen.7

2.2334

Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt worden (Nr. 2311 KV GKG für das Eröffnungsverfahren), dann wird die Gebühr für das Verfahren entweder nach dem Betrag seiner Forderung oder nach dem geringeren Wert der Insolvenzmasse erhoben (§ 58 Abs. 2 GKG).

2.2335

Nimmt der Gläubiger seinen Eröffnungsantrag zurück, weil die Anhörung des Schuldners ergeben hat, dass dieser praktisch vermögenslos ist oder weil der Gläubiger erfahren hat, dass bereits aufgrund eines anderen Antrages die Einstellung des Verfahrens mangels Masse beschlossen worden war, dann ist der Wert nicht etwa nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers, sondern auf die geringste Gebührenstufe festzusetzen.8

2.2336

2. Anwaltsgebühren Im Eröffnungsverfahren erhält der Anwalt für die Vertretung des Schuldners eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV RVG. Für die Vertretung des Gläubigers erhält der Anwalt eine 0,5-Verfah1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.7.2010 – 10 W 60/10, ZIP 2010, 1912. 2 BGH, Beschl. v. 26.10.2006 – IX ZB 245/05, MDR 2007, 50; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2014 – 18 W 28/14, AGS 2015, 87; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.4.2014 – 18 W 45/14, ZInsO 2014, 1869; ausf. Schoppmeyer, ZIP 2013, 811. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2013 – 15 W 198/12, ZIP 2013, 1924; krit. zur Heranziehung für die Wertbestimmung OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, MDR 2020, 1468. 4 KG, Beschl. v. 25.6.2013 – 1 W 87/12, ZIP 2013, 1541; LG Kassel, Beschl. v. 17.2.1999 – 3 T 42/99, Rpfleger 1999, 288; AG Osnabrück, Beschl. v. 5.8.2013 – 60 IN 17/12, JurBüro 2013, 647; a.A. AG Itzehoe, Beschl. v. 31.1.2013 – 28 IE 4/12 H. 5 Zutr. OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – 25 W 262/12, ZIP 2013, 470. 6 So aber OLG München, Beschl. v. 25.4.2017 – 21 W 2/17, MDR 2017, 790 = ZIP 2017, 1035; OLG München, Beschl. v. 8.8.2012 – 11 W 832/12, JurBüro 2012, 660; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.7.2010 – 10 W 60/10, JurBüro 2010, 603. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 5.1.2017 – 8 W 87/16; OLG Dresden, Beschl. v. 26.8.2013 – 3 W 739/13, NZI 2014, 76; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.2019 – 3 W 46/19, JurBüro 2020, 146; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.2.2015 – 3 W 20/14, ZInsO 2015, 1581; OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – 25 W 262/12, ZIP 2013, 470; OLG Koblenz, Beschl. v. 20.1.2014 – 12 W 640/13; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, MDR 2020, 1468; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2014 – 8 W 149/14, ZInsO 2014, 1177; ebenso für die Vergütung des Insolvenzverwalters: BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 88/09, MDR 2013, 557; ausf. Schoppmeyer, ZIP 2013, 811. 8 AG Göttingen, Beschl. v. 3.3.1992 – 71 N 48/90, ZIP 1992, 790; unrichtig LG Krefeld, Beschl. v. 4.5.1983 – 6a T 14/83, Rpfleger 1983, 332 mit abl. Anm. Meyer-Stolte = ZIP 1984, 92 m. abl. Anm. Eickmann; LG Mainz, Beschl. v. 27.11.1985 – 8 T 201/85, Rpfleger 1986, 110 m. abl. Anm. Meyer-Stolte.

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2.2337

ZPO

KV GKG) nach dem Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens erhoben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GKG).1 Es gilt die allgemeine Wertobergrenze des § 39 Abs. 2 GKG.2

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2. Teil

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Insolvenzverfahren

rensgebühr nach Nr. 3314 VV RVG. Für die Durchführungen des Insolvenzverfahrens entsteht unabhängig von der Person des Mandanten eine einheitliche 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG. Der Wert für die Anwaltsgebühren richtet sich nach § 28 RVG. Dieser bestimmt unterschiedliche Werte für die verschiedenen Verfahrensabschnitte und unterscheidet zudem, ob der Gläubiger oder der Schuldner vom Anwalt im Insolvenzverfahren vertreten wird. a) Vertretung des Schuldners

2.2338 Soweit der Anwalt den Schuldner im Eröffnungsverfahren, im Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan oder im Insolvenzverfahren vertritt, berechnen sich seine Gebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse. Dieser Wert wiederum bestimmt sich nach § 58 GKG (§ 28 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Insolvenzmasse umfasst nach §§ 35, 36 InsO das gesamte dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehörende und während des Verfahrens von ihm erlangte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen. Nicht zur Insolvenzmasse zählen diejenigen Gegenstände, die aufgrund dinglicher oder persönlicher Rechte einem Aussonderungsrecht unterliegen (§ 47 InsO). Ebenfalls müssen diejenigen Gegenstände vom Wert der Masse abgezogen werden, die und soweit sie einer abgesonderten Befriedigung (§§ 49 ff. InsO) unterliegen.1 Für die Vertretung des Schuldners im Eröffnungsverfahren beträgt der Gegenstandswert mindestens 4.000 t (§ 28 Abs. 1 Satz 2 RVG). Für die anderen Verfahrensabschnitte gilt dieser Mindestwert nicht. b) Vertretung des Gläubigers

2.2339 Vertritt der Anwalt den Insolvenzgläubiger im Eröffnungsverfahren, im Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan oder im Insolvenzverfahren, ist der Nennwert der Forderung entscheidend. Dies gilt auch dann, wenn der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, weil § 28 Abs. 2 RVG nicht auf § 58 GKG verweist. Dabei sind Nebenforderungen mitzurechnen (§ 28 Abs. 2 RVG). Entscheidend ist also der tatsächliche Betrag der Forderung einschließlich der Zinsen und der etwa erstattungsfähigen Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.2

2.2340 Macht der Gläubiger nur einen Teilbetrag seiner Forderung im Insolvenzverfahren geltend, so ist nur dieser für den Gegenstandswert maßgeblich. Ob dies auch hinsichtlich der Gebühr für das Eröffnungsverfahren (Nr. 3314 VV RVG) gilt, ist umstritten: – Nach einer Meinung wird diese Gebühr – anders als die sonstigen Gebühren – immer nach der gesamten Forderung berechnet.3 – Die Gegenmeinung sieht nur den Teilbetrag als maßgeblich an.4

2.2341 Der zweiten Meinung ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 28 Abs. 2 RVG keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass der Gegenstandswert einmal in Höhe der gesamten Forderung und einmal in Höhe nur des Teilbetrages anzusetzen ist. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine solche Differenzierung zwischen dem Eröffnungsverfahren und dem weiteren Verfahren nicht. Bei Geltendmachung nur eines Teilbetrages ist also für alle Gebühren nur dieser Wert maßgeblich.

1 KG, Beschl. v. 25.6.2013 – 1 W 87/12, ZInsO 2013, 1541; LG Kassel, Beschl. v. 17.2.1999 – 3 T 42/99, KTS 2000, 468. 2 Enders, JurBüro 1999, 171. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 14.9.1994 – 3 W 315/93, MDR 1994, 1253; Enders, JurBüro 1999, 171. 4 LG Freiburg, Beschl. v. 4.11.1991 – 2 T 44/91, Rpfleger 1992, 312; Schneider/Wolf, § 28 RVG Rz. 9; Schneider/Volpert/Fölsch/Janssen, Gesamtes Kostenrecht, § 58 GKG Rz. 7.

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Insolvenzverfahren

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2. Teil

In allen sonstigen Fällen ist der Gegenstandswert unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interes- 2.2342 ses, das der Auftraggeber im Verfahren verfolgt, nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen (§ 28 Abs. 3 RVG). Damit sind alle Angelegenheiten gemeint, die in § 28 Abs. 1 und 2 RVG nicht geregelt worden sind. Beispielsweise ist bei der Vertretung des Schuldners wegen des Insolvenzplans der zu erhaltende Vermögensteil maßgeblich.1 Bei Vertretung des Gläubigers wegen des Insolvenzplans kommt es auf die Differenz zwischen Plan und geforderter Quote an.2 Bei Vertretung im Rahmen der Restschuldbefreiung ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers maßgeblich.3 Dies kann die Summe der Forderungen sein, von denen der Schuldner Befreiung begehrt.

II. Beschwerdeverfahren 1. Gerichtsgebühren Bei der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Eröffnungsantrag richtet sich der Wert für die Gerichtsgebühren nach § 58 Abs. 3 GKG, der nach der Person des Beschwerdeführers differenziert.

2.2343

Erfolgt die Beschwerde durch den Schuldner oder den ausländischen Insolvenzverwalter gegen die Eröffnungen des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Antrags mangels Masse, so ist für den Streitwert der Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 GKG).

2.2344

Ist dagegen ein sonstiger Antragsteller Beschwerdeführer, so richtet sich der Wert nach dem Betrag seiner Forderung bzw. nach dem geringeren Wert der Insolvenzmasse (§ 58 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 GKG). Für sonstige Beschwerdeverfahren stellt sich die Frage nach einem Wert für die Gerichtsgebühren nicht, weil hier Festgebühren anfallen (Nrn. 2361, 2364 KV GKG).

2.2345

2. Anwaltsgebühren Der Wert für die Anwaltsgebühren im Beschwerdeverfahren (Nrn. 3500, 3513 VV RVG) richtet sich ebenfalls nach § 28 RVG. Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 RVG der Wert der Insolvenzmasse entscheidend. Gleiches gilt, wenn der Anwalt den Schuldner als Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Eröffnungsbeschlusses vertritt.4 In sonstigen Beschwerdeverfahren richtet sich der Wert nach § 28 Abs. 3 RVG.

2.2346

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gegen die Anordnung einer Postsperre gem. § 99 InsO bestimmt sich nach dem Interesse des Schuldners. Das OLG Köln hat ihn auf (umgerechnet) 20.000 t festgesetzt.5

2.2347

Die Entscheidung des BGH6 zur Bestimmung des Gegenstandswertes für das einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung betreffende Verfahren ist inzwischen für die Gerichtsgebühren überholt. Denn im gesamten Verfahren der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) sind nur die in Nr. 2350

2.2348

1 2 3 4 5

Enders, JurBüro 1999, 171. Enders, JurBüro 1999, 171. BGH, JurBüro 2003, 253; OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32. OLG Köln, JurBüro 1994, 101. OLG Köln, Beschl. v. 14.6.2000 – 2 W 86/00, InVo 2001, 95 – die näheren Bewertungsumstände lassen sich der Entscheidung leider nicht entnehmen. 6 BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315; BGH, Beschl. v. 23.1.2003 – IX ZB 227/02, JurBüro 2003, 410; a.A. AG Duisburg, ZInsO 2002, 844: maßgeblich ist der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligten Gläubiger verbleibenden Forderung.

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c) Sonstige Fälle

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Insolvenzverfahren

KV GKG abschließend genannten Entscheidungen besonders gebührenpflichtig. Soweit überhaupt eine gerichtliche Gebühr in diesem Bereich anfällt – sei es in erster Instanz oder im Beschwerdeverfahren –, ist sie als Festgebühr ausgestaltet, so dass es der Festsetzung eines Gegenstandswertes nicht bedarf.

2.2349 Für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren (Nrn. 3500, 3513 VV RVG) ist der Wert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt. Maßgeblich ist dabei nicht der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligten Gläubiger verbleibenden Forderung, sondern deren wirtschaftlicher Wert, bei dem auch die Erfolgsaussichten einer künftigen Beitreibung zu berücksichtigen sind. Der BGH1 hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine greifbare Schätzungsgrundlage nicht existiert, hilfsweise ein Wert von 5.000 v (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG) herangezogen werden könne.

2.2350 Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung, so kann für die Berechnung des Gegenstandswertes weder auf den Nennbetrag der offenen Forderung des Versagungsantragstellers noch auf den Nennbetrag der Gesamtheit aller im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten abgestellt werden. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Wertes sind vielmehr auch die Erfolgsaussichten einer möglichen Beitreibung zu berücksichtigen, weil es ansonsten zu Gebührenansätzen kommen würde, die in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Verfahrens stehen. Ist völlig ungewiss, wie sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners entwickeln werden und ob bzw. in welchem Umfang er in Zukunft wieder in der Lage sein wird, Zahlungen zu leisten, kann auch hier auf den Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abgestellt werden.2

2.2351 Der Gegenstandswert für das Verfahren, in dem der Antrag auf Bestätigung des Insolvenzplans verfolgt oder Beschwerde gegen die vom Insolvenzgericht ausgesprochene Planbestätigung eingelegt wird, ist gem. § 3 ZPO nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt.3 Wird also gegen die Bestätigung eines Insolvenzplans Beschwerde eingelegt, so bemisst sich der Gegenstandswert nicht nach dem Aktivvermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan, sondern nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers an der Beseitigung des Insolvenzplans.4 Das wirtschaftliche Interesse des Insolvenzverwalters an der Bestätigung des Insolvenzplans entspricht dem Betrag, um den sich seine Vergütung erhöht hätte, wenn das von ihm eingelegte Rechtsmittel Erfolg gehabt hätte.5

C. Feststellungsklage I. Anwendungsbereich 2.2352 Wird die Forderung eines Gläubigers vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten, so gilt diese Forderung nicht als festgestellt. Es bleibt dann dem Gläubiger überlassen, die Feststellungen gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 InsO). Dies erfolgt mit der Insolvenzfeststellungsklage (§ 180 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens im ordentlichen Verfahren. Hierbei handelt es sich um eine echte Feststellungsklage, deren Ziel die Beseitigung des im Prüfungstermin erhobenen Widerspruchs ist, damit die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt werden kann.

1 2 3 4 5

So auch OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2007 – 10 W 6/07, NZI 2008, 252. BGH, Beschl. v. 28.9.2009 – IX ZB 230/07, JurBüro 2010, 87. OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2008 – 13 W 1209/07, ZIP 2008, 1351. BGH, Beschl. v. 28.9.2009 – IX ZB 230/07, JurBüro 2010, 87.

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2. Teil

Der Streitwert einer solchen Klage bestimmt sich nach § 182 InsO. Dieser findet Anwendung, wenn die Feststellungsklage durch Neuklage (§ 180 Abs. 1 InsO), durch Prozessaufnahme (§ 180 Abs. 2 InsO), durch positive Feststellungsklage des Gläubigers (§ 179 Abs. 1 InsO) oder durch negative Feststellungsklage des bestreitenden Insolvenzverwalters (§ 179 Abs. 2 InsO) betrieben wird. Ausgenommen vom Anwendungsbereich ist lediglich der Fall, dass ein widersprechender Gläubiger seinen Widerspruch gem. § 179 Abs. 2, § 180 InsO verfolgt. In diesem Fall bestimmt sich der Streitwert nach dem Betrag, um den sich im Erfolgsfall der Anteil des bestreitenden Gläubigers erhöhen würde.

2.2353

ZPO

Insolvenzverfahren

Die Regelung des § 182 InsO gilt sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und 2.2354 Rechtsmittelstreitwert, mithin auch für die Ermittlung des Wertes der mit einem Rechtsmittel geltend zu machenden Beschwer.1 Das gilt für die Bestimmung der Beschwer nur, wenn das Insolvenzverfahren bei Einlegung des Rechtsmittels bereits eröffnet war.2 § 182 InsO findet entsprechende Anwendung, wenn lediglich ein Teilbetrag oder der Rang der Forderung bestritten wurde. In diesen Fällen richtet sich der Streitwert nach dem Unterschied zwischen den Beträgen, die der Gläubiger bei einem Obsiegen oder bei einem Unterliegen gegenüber dem Bestreitenden erhalten würde.3 Entsprechend anwendbar ist § 182 InsO auch, wenn der Insolvenzverwalter in einem Rechtsstreit Massearmut einwendet und der klagende Massegläubiger daraufhin seinen Zahlungsantrag auf Feststellung der Forderung umstellt.4 Maßgebender Zeitpunkt für die Festsetzung des Streitwerts ist die Aufnahme des Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter.5 Für das selbständige Beweisverfahren gelten keine Besonderheiten. Ist der Insolvenzverwalter von 2.2355 Anfang an daran beteiligt, wird es nur nach § 182 InsO bewertet.6 Die Regelung des § 182 InsO gilt gem. § 185 InsO auch dann, wenn die Feststellungsklage bei einer an- 2.2356 deren Gerichtsbarkeit erhoben wird. So gilt sie für Verwaltungsstreitverfahren über die Richtigkeit einer im Insolvenzverfahren angemeldeten Abgabenforderung7 und für Sozialansprüche.8 Unanwendbar ist hingegen § 182 InsO, wenn ein Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung des Insolvenzverwalters mit der Kündigungsschutzklage wehrt. Dann gilt nur § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG.9 Erst recht ist § 182 InsO unanwendbar, wenn der Insolvenzrichter wegen Befangenheit abgelehnt wird.10 Richtet sich die Feststellungsklage nicht gegen den Insolvenzverwalter, sondern nach § 184 InsO gegen den bestreitenden Schuldner, dann ist nicht § 182 InsO, sondern § 6 ZPO anzuwenden. Der Nennbetrag der Forderung ist gleich dem Streitwert.11

2.2357

Kommt es während des laufenden Rechtsstreits zu einer Aufhebung des Insolvenzverfahren und damit zu einem gesetzlichen Parteiwechsel, dann ist der Klageantrag nicht mehr als Tabellenfeststel-

2.2358

1 BGH, Beschl. v. 15.6.2020 – IX ZA 8/20, ZInsO 2020, 1768; BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZB 23/01, NZI 2002, 549; OLG Celle, Beschl. v. 23.6.2005 – 4 U 83/05, ZInsO 2005, 776. 2 BGH, Beschl. v. 30.4.2014 – XII ZR 124/12. 3 Begründung zu § 210 RegE, BR-Drucks. 1/92, 185. 4 BGH, Beschl. v. 23.9.1987 – III ZR 96/87, NJW-RR 1988, 444; LAG Bremen, Beschl. v. 26.2.1988 – 4 Sa 235/87, MDR 1988, 699; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306; vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, MDR 1995, 320. 5 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287; BGH, Beschl. v. 27.2.1980 – I ZR 13/78, ZIP 1980, 429. 6 LG Hamburg, Beschl. v. 11.2.1983 – 2 T 15/83. 7 OVG NW, Beschl. v. 26.8.1982 – 2 B 1495/81, ZIP 1982, 1341. 8 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.1987 – 7 Ta 390/86, JurBüro 1987, 1586. 9 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 12.10.1988 – 7 Ta 300/88, JurBüro 1989, 955. 10 Verfehlt daher BayObLG, Beschl. v. 19.1.1988 – AR 1 Z 104/87, JurBüro 1988, 916. 11 BGH, Warneyer, 1966 Nr. 172; OLG Karlsruhe, OLGE 15, 50; OLG München, Beschl. v. 27.8.1993 – 1 W 2260/93, OLGR 1994, 11; OLG Frankfurt v. 17.5.1979 – 9 W 4/79, KTS 1980, 66.

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2. Teil

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Insolvenzverfahren

ZPO

lungsklage gem. §§ 179, 180 InsO, sondern als allgemeines positives Feststellungsbegehren verstehen und entsprechend zu bewerten.1

II. Bemessungsgrundsätze 2.2359 Der Wert einer Insolvenzfeststellungsklage bemisst sich gem. § 182 InsO nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Damit hat der Gesetzgeber die frühere Form der Wertbestimmung nach freiem Ermessen gem. § 148 KO, § 3 ZPO aufgegeben. Eine inhaltliche Änderung ist damit allerdings nicht verbunden, weil sich auch die freie Wertschätzung nach der bis 1998 geltenden § 148 KO auf die Schätzung der zu erwartenden Konkursquote beschränkte.2

2.2360 Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe der für die Forderung zu erwartenden Verteilungsquote. Da die Höhe der Quote bei Klageerhebung aber in der Regel noch nicht feststeht, muss sie durch das Gericht auf der Grundlage des Insolvenzverwalterberichts (§ 156 InsO) prognostiziert werden. Hierfür hat das Gericht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen und ggf. auch eine erneute Auskunft des Insolvenzverwalters einzuholen.3 Ist der Insolvenzverwalter selbst Partei, so kommt es entscheidend auf den Inhalt der Insolvenzakten an.4 Erst während des Rechtsstreits erfolgende Neubewertungen durch den Insolvenzverwalter haben gem. § 4 ZPO, § 40 GKG auf den Streitwert innerhalb der Instanz keinen Einfluss.5 Für die Berechnung der Beschwer ist dagegen auf die zu erwartende Quote zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen.6

2.2361 Die Quote bestimmt sich nach dem Verhältnis der Teilungsmasse zur Schuldenmasse.7 Es kommt also darauf an, welcher Betrag voraussichtlich auf die vom Kläger geltend gemachte Forderung entfallen wird.8 Steht der Masse eine aufrechenbare Gegenforderung gegen den Kläger zu, so ist dies bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen. Der Wert der Feststellungsklage ist nach dem Betrag festzusetzen, der bei einer Verteilung der um die Gegenforderung erhöhten Masse für die Forderung zu erwarten ist.9

2.2362 Zinsen sind bei der Streitwertfestsetzung nach § 182 InsO ebenso wie die Kosten hinzuzurechnen, da dies – folgend aus einem Umkehrschluss zu § 39 InsO – abweichend von § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist.10

2.2363 Kann hinsichtlich der Quote ein Mindestsatz – Prozentwert – geschätzt werden, ist dieser maßgebend.11 Ist keine Quote zugunsten des Gläubigers zu erwarten, so ist der Streitwert in Höhe der nied-

1 BGH, Beschl. v. 23.4.2015 – IX ZB 76/12, MDR 2015, 856: Abschlag i.H.v. 20 %. 2 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372. 3 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, IBR 2014, 58; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, MDR 2007, 681; Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463. 4 OLG Köln, JurBüro 1973, 1024 = KTS 1974, 239. 5 Insoweit zutreffend OLG München, Beschl. v. 11.6.2015 – 13 U 975/15. 6 BGH, Beschl. v. 27.1.2016 – IX ZB 100/15, ZInsO 2016, 541; BGH, Beschl. v. 14.1.2016 – IX ZB 57/125, MDR 2016, 300; a.A. OLG München, Beschl. v. 11.6.2015 – 13 U 975/15. 7 BGH, Beschl. v. 21.3.2019 – IX ZR 30/18, NJW-Spezial 2019, 374. 8 BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463; Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351. 9 BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351. 10 BGH, Beschl. v. 21.3.2019 – IX ZR 30/18, NJW-Spezial 2019, 374; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.2019 – 6 W 21/19, JurBüro 2019, 542; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.1.1995 – 7 W 34/94, ZIP 1995, 575. 11 LAG Köln, Beschl. v. 5.1.1994 – 10 Ta 192/93, AnwBl. 1995, 380 = ZIP 1994, 639.

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Insolvenzverfahren

2. Teil

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rigsten Wertstufe festzusetzen.1 Ein Null-Wert, der überhaupt keine Gebühren auslösen würde, ist also ausgeschlossen. Vielmehr ist die Gebührenstufe „bis zu 300 Euro“ zu wählen2, auch im Anwaltsprozess.3 Demgegenüber will das OLG Frankfurt4 den Streitwert i.H.v. 10 % der festzustellenden Forderung ansetzen. Diese Wertbemessung erscheint jedoch angesichts der Aussichtslosigkeit, die Forderung zu realisieren, willkürlich.5 Abzulehnen ist die Auffassung des LG Göttingen,6 der Streitwert müsse oberhalb der amtsgerichtlichen Zuständigkeit festgesetzt werden, wenn trotz mangelnder Aussicht auf eine Quote der beklagte Insolvenzverwalter dem vom Kläger angegebenen vorläufigen Gegenstandswert oberhalb der Zuständigkeitsgrenze des LG nicht widersprochen und die sachliche Zuständigkeit des LG nicht gerügt hat.7 Denn das Gericht darf sich in seiner besseren Erkenntnis über die wirkliche Höhe des Streitwerts nicht aufgrund von Angaben der Parteien verschließen.

2.2364

Maßstab für die Streitwertbestimmung ist allein die zu erwartende Quote.8 Der Streitwert darf nicht aufgrund besonderer Umstände oberhalb oder unterhalb dieser Quote angesetzt werden.9 Beispielsweise sind für die Bestimmung des Streitwerts unerheblich:

2.2365

– ein für die Forderung bestehendes Absonderungsrecht an Gegenständen des Schuldners,10 – ein vor dem Rechtsstreit wegen derselben Forderung erwirkter dinglicher Arrest,11 – die Möglichkeit zur Aufrechnung,12 – oder die Haftung weiterer Personen für den Streitwert.13 Die Prognose über die Möglichkeit, erfolgreich vollstrecken zu können, beeinflusst den Wert ebenfalls nicht. Dagegen folgt jedoch auch kein Abschlag wegen des Feststellungscharakters der Klage. Wird ein Rechtsstreit, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Forderung anhängig ist, gem. § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen, so bestimmt sich der Streitwert für das weitere Verfahren nach § 182 InsO.14 Für die bis zur Aufnahme entstandenen Gebühren ist der ursprüngliche Wert

1 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, IBR 2014, 58; BGH, Beschl. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463 = ZIP 1999, 1811; BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = JurBüro 1993, 554; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.1994 – 17 W 1/94, ZIP 1994, 638; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.2019 – 6 W 21/19, ZIP 2019, 1818; OLG München, Beschl. v. 11.6.2015 – 13 U 975/15. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.2019 – 6 W 21/19, JurBüro 2019, 542. 3 OLG Köln, Rpfleger 1974, 22; JurBüro 1974, 1024. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.1986 – 8 U 240/85, ZIP 1986, 1063; LAG Frankfurt, Beschl. v. 19.1.1990 – 15 Sa 1003/89, BB 1990, 928. 5 Ablehnend mit Recht daher LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, ZIP 1990, 61. 6 LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, ZIP 1990, 61. 7 Siehe E. Schneider, Anm. zu LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, KostRsp. GKG § 24 Nr. 6. 8 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50 – Sicherung durch Bürgschaft und Handwerkersicherungshypothek; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.9.1989 – 1 W 23/89, ZIP 1989, 1345; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372; OLG Köln, Rpfleger 1974, 22; a.A. OLG Karlsruhe, MDR 1958, 251; OLG Köln, KTS 1971, 286. 9 Siehe näher Schneider, MDR 1974, 101. 10 BGH, Beschl. v. 28.5.2015 – III ZR 260/14, ZIP 2015, 1889; BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, ZIP 1984, 1258. 11 BGH, MDR 1964, 428. 12 BGH, NZI 2000, 115. 13 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.9.1989 – 1 W 23/89, ZIP 1989, 1345; OLG Celle, JurBüro 1974, 1026. 14 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50; BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, MDR 1995, 320 = NJW-RR 1994, 1251; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1994, 306.

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2. Teil

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Insolvenzverfahren

maßgebend.1 In der Regel wird der Streitwert durch Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits sinken, da die Befriedigungsaussicht in der Insolvenz wohl immer hinter dem vollen Wert der Forderung zurückfällt.

2.2367 Zeigt sich nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, dass der gem. § 182 InsO angesetzte Streitwert falsch geschätzt worden ist, weil das wirkliche Verhältnis von Teilungsmasse und Schuldenmasse verkannt worden ist, dann ist der Wert von Amts wegen abzuändern. Dies gilt jedoch nur, wenn Umstände unberücksichtigt geblieben sind, die zu dem für die Berechnung maßgeblichen Zeitpunkt (instanzeinleitender Antrag, § 40 GKG) bekannt oder erkennbar waren.

D. Einfluss der Insolvenz auf laufende Verfahren 2.2368 Aus § 40 GKG ergibt sich, dass der Gebührenstreitwert durch diejenigen Minderungen nicht rückwirkend betroffen wird, die erst im Laufe einer Instanz eintreten. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn während der Instanz das Insolvenzverfahren mit der Folge des § 240 ZPO2 eröffnet wird oder der Rechtsstreit nach § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen werden könnte.3

2.2369 Wird der Rechtsstreit während des Insolvenzverfahrens überhaupt nicht weitergeführt, sondern erst nach Insolvenzbeendigung gegen den Schuldner fortgesetzt,4 richtet sich der Streitwert unverändert nach dem Klagebegehren (§§ 3 bis 9 ZPO, § 48 GKG). Ob und inwieweit der Schuldner nach durchgeführten Insolvenzverfahren noch leistungsfähig ist, ist für die Wertberechnung unerheblich.

2.2370 Wird ein bereits begonnener Rechtsstreit nach Insolvenzeröffnung wieder aufgenommen (§ 180 Abs. 2 InsO), dann unterliegt das spätere Verfahren ab der Aufnahme dem geringeren Wert aus § 182 InsO.5 Teilweise wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass sich das spätere Verfahren nach dem ursprünglichen, höheren Wert berechnet, der für die Dauer des Prozesses trotz zwischenzeitlicher Unterbrechung durch die Insolvenzeröffnung maßgebend bleibe.6 Zuzustimmen ist hier der Ansicht, die § 182 InsO anwendet. Da sich der Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter fortsetzt und der Klageantrag auf Feststellung zur Insolvenztabelle gerichtet ist, liegen Parteiwechsel und Klageänderung vor. Damit verändert sich der Streitgegenstand als Bewertungsobjekt.

2.2371 Eine Rückwirkung der niedrigeren Wertfestsetzung nach § 182 InsO auf die Zeit vor Aufnahme scheidet auf jeden Fall aus.7 Daher richtet sich die Verfahrensgebühr einer vor Insolvenzeröffnung gegen den Gemeinschuldner eingereichten Leistungsklage nach dem höheren Wert, nicht nach dem des § 182 InsO.8

2.2372 Werden dem Insolvenzverwalter die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, dann erfasst diese Verurteilung nicht nur die ab Aufnahme des Rechtsstreits entstandenen Kosten, sondern auch die davor an-

1 OLG Hamm, Beschl. v. 31.12.2007 – 26 W 24/07, DZWiR 2008, 219; OLG Dresden, Beschl. v. 23.1.2006 – 13 W 1185/05, JurBüro 2007, 531; OLG Jena, Beschl. v. 2.6.1997 – 8 W 234/97, OLGR 1997, 284. 2 Dagegen wird das selbständige Beweisverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen; vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2003 – VII ZB 14/03, MDR 2004, 404; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2000 – 11 W 11/00, OLGR 2000, 436; OLG München, Beschl. v. 21.12.2001 – 13 W 2641/01, OLGR 2002, 222. 3 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1963, 280. 4 OLG Marienwerder, OLGE 25, 79. 5 BGH, Beschl. v. 23.3.2016 – IX ZB 73/15, ZInsO 2016, 1172; BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287 = ZIP 1993, 50; OLG Schleswig, ZIP 1981, 1358; OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 1994, 306; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 W 414/09, JurBüro 2010, 201. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 68 zu KO § 148. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.3.1981 – 12 W 44/81, ZIP 1981, 638.

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Insolvenzverfahren

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2. Teil

Verteidigt sich der Beklagte mit einer Eventualaufrechnung, nachdem der Kläger vom Leistungsantrag wegen Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten nach § 180 Abs. 2 InsO zum Feststellungsantrag übergegangen ist, dann richtet sich der Grenzwert des § 45 Abs. 3 GKG nach dem Streitwert des ursprünglichen Leistungsantrages, nicht nach demjenigen des Feststellungsantrages.3 Der Grund dafür ist, dass § 182 InsO einen reinen Gebührenstreitwert betrifft und nicht etwa auch die Rechtskraftgrenze des § 322 Abs. 2 ZPO bei Aberkennung der Gegenforderung bestimmt.

2.2373

Soweit das Gericht eine Hilfsaufrechnung gegenüber einer vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Forderung nach § 96 InsO für unzulässig erklärt, scheidet eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG aus, weil es mangels einer Entscheidung über die Gegenforderung auch nicht zu einer Rechtskraftwirkung darüber kommen kann.4

2.2374

E. Aussonderung Die Streitwertbestimmung bei Klagen von Aussonderungsberechtigten (§§ 47 ff. InsO) und Massegläubigern (§ 53 InsO) richtet sich nicht nach § 182 InsO, sondern nach § 6 ZPO.5 Maßgeblich ist die Höhe der Forderung oder der geringere Wert des Gegenstandes, an dem das persönliche oder dingliche Recht geltend gemacht wird.

2.2375

Für die Klagen der Massegläubiger gilt dies selbst dann, wenn unsicher ist, ob die Masse zur Deckung ausreicht.6 Jedoch ist der Nominalbetrag der Forderung eines Massegläubigers dann nicht anzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter sich ausdrücklich auf Masseunzulänglichkeit beruft und der Kläger zum Feststellungsantrag auf Bestehen einer bezifferten Masseforderung übergeht.7

2.2376

F. Abgesonderte Befriedigung Der Wert eines Rechts auf abgesonderte Befriedigung aus §§ 49 ff. InsO bemisst sich nach der für Pfandrechte gültigen Regel des § 6 ZPO.8 Vorgehende Pfandrechte bleiben bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.9

2.2377

Nur auf den Wert des nach § 6 ZPO zu bemessenden höheren Anspruchs ist auch abzustellen, wenn 2.2378 eine Insolvenzfeststellungsklage mit einer Klage auf Feststellung des Rechts auf abgesonderte Befriedigung verbunden wird.10 Auszugehen ist also regelmäßig von dem Wert des Rechts auf abgesonderte Befriedigung, der nach § 6 ZPO zu bewerten ist. Dagegen ist § 182 InsO anzuwenden, wenn mit

1 OLG Schleswig, ZIP 1981, 1358. 2 OLG Hamm, JurBüro 1990, 1482; OLG Köln, JurBüro 1986, 1244; OLG Schleswig, Beschl. v. 24.3.1981 – 9 W 33/81, ZIP 1981, 1359. 3 OLG Schleswig, SchlHA 1981, 189. 4 OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.11.1983 – 8 W 123/83, MDR 1984, 239. 5 BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, NJW-RR 1988, 690; Schneider, MDR 1974, 101. 6 OLG Frankfurt, OLGE 31, 6. 7 Siehe BGH NJW-RR 1988, 690: betrifft die Revisionsbeschwer; LAG Berlin-Brandenburg, 5.6.2019 – 26 Ta (Kost) 6036/19, ZIP 2019, 1395 zur Bewertung eines Mehrvergleichs. 8 BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.1.2020 – 7 W 109/19; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372. 9 OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25. 10 OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372.

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gefallenen.1 Diese Kosten sind insgesamt als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu berichtigen.2

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der Klage nur die Feststellung des Forderungsbetrages, nicht aber die des Absonderungsrechtes begehrt wird.1

2.2379 Ist das Recht auf abgesonderte Befriedigung als solches unstreitig, dann kann der Klageantrag darauf gerichtet werden, die Forderung zur Insolvenztabelle „für den Ausfall“ festzustellen. Insoweit ist dann der voraussichtliche Ausfall zu schätzen und die nach § 182 InsO maßgebliche Quote nur von dem Teil der Forderung zu berechnen, der voraussichtlich durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung nicht gedeckt ist.2

2.2380 Steht die Insolvenzquote noch nicht fest, ist sie zu schätzen. Ist mit einer Quote nicht zu rechnen, ergeben sich keine Besonderheiten, da dann die geringste Gebührenstufe anzusetzen ist.

G. Anfechtung 2.2381 Der Wert einer Anfechtungsklage (§ 129 InsO) ist nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen. Richtet sich die Klage auf Rückgewähr des Gegenstandes zur Masse (§ 143 InsO), bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Zurückverlangten (§ 3 ZPO),3 den dieses bei Zurückgewährung für die Insolvenzmasse hat. Belastungen, die auf der anfechtbar übertragenen Sache (Grundstücke!) ruhen, sind wertmindernd zu berücksichtigen, wenn sie die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks selbst mindern.4

2.2382 Richtet sich die Klage auf Beseitigung eines Pfandrechts, dann entspricht dies einer Klage aus § 771 ZPO. Das Klageinteresse ist entsprechend § 6 ZPO nach dem Wert der Forderung oder dem geringeren Wert des belasteten Gegenstandes zu bewerten.5

Internet A. Löschung von Interneteinträgen 2.2383 Verlangt der Kläger die Löschung von Einträgen im Internet, ist für die Abgrenzung zwischen einer vermögensrechtlichen und einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit auf den Inhalt der konkreten Eintragung abzustellen.

I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit 2.2384 Richtet sich der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen abwertende, abfällige oder gar beleidigende Äußerungen über die Person des Klägers, so handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, da das Persönlichkeitsrecht und der soziale Geltungsanspruch des Klägers betroffen sind.6 Hierunter fallen etwa Angaben bzw. Bewertungen anderer Nutzer über den Kläger auf der Website eines sozialen Netzwerks oder einer online-Community (z.B. facebook, instagram, StudiVZ, Twitter, Myspace, gutefrage etc.).

1 2 3 4 5 6

KG, OLGE 27, 14. OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372. RGZ 151, 319. BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629. RG, JW 1910, 114; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Drittwiderspruchsklage“, Rz. 2.933. BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag.

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Ebenfalls eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn der Kläger als ehemaliger Nutzer 2.2385 eines solchen sozialen Netzwerkes bzw. einer online-Community verlangt, dass sein Account gelöscht und damit alle von ihm eingegebenen (persönlichen) Daten entfernt werden. Gleiches gilt für die (temporäre) Sperrung eines Accounts, dessen Überleitung in einen read only-Modus oder die Löschung einzelner Beiträge durch den Plattformbetreiber.1 Der Gebührenstreitwert ist in solchen Fällen nach § 48 Abs. 2 GKG, also unter Berücksichtigung al- 2.2386 ler Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen und darf 1 Million t nicht übersteigen. In Anlehnung an § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG kann sowohl für den Gerichtsgebührenstreitwert als auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren zunächst von einem Betrag von 5.000 v ausgegangen werden.2 Je nach den Umständen des Einzelfalls ist dieser Betrag dann zu reduzieren bzw. zu erhöhen.3 Mangels belastbarer Umstände kommt den Angaben zum Streitwert in der Klage- bzw. Antragsschrift indizielle Bedeutung zu, insbesondere wenn sie zu einem Zeitpunkt, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch unklar ist, abgegeben werden, soweit sie nicht offensichtlich unrichtig sind.4 Bei der Frage der Bedeutung der Sache für den Kläger ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das In- 2.2387 ternet eine massenhafte Verbreitung von Äußerungen/Abwertungen/Beleidigungen ermöglicht, die ansonsten nur in einem begrenzten Kreis (Klassenverband, Arbeitskollegen, Freundes- und Bekanntenkreis etc.) kundgetan worden wären.5 Andererseits ist stets auf die tatsächliche Breitenwirkungen und damit auf die Größe des angesprochenen Nutzerkreises abzustellen,6 sodass zwischen Veröffentlichungen auf großen Internetportale und privaten Homepages zu unterscheiden ist.7 Für die Bestimmung des Streitwertes ist dagegen ohne Belang, ob dem Kläger der entsprechende Unterlassungsbzw. Beseitigungsanspruch tatsächlich zusteht oder ob er die im Internet über ihn verbreiteten Äußerungen letztlich hinnehmen muss. Auch für eine gegenüber dem Ansatz bei Printveröffentlichungen generell höhere oder niedrige Bewertung besteht kein Anlass.8 Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

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II. Vermögensrechtliche Streitigkeit Handelt es sich dagegen um eine Äußerung über das Geschäftsverhalten des Klägers oder über sonstige Umstände, die Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Betätigung oder Interessen haben, so liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, deren Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten ist. Zu nennen sind hier beispielsweise negative Bewertungen des Klägers auf einer Internethandelsplattform (ebay, amazon, Immoscout etc.), welche die künftigen Geschäftsaktivitäten des Klägers er-

1 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – III ZR 124/00, K&R 2021, 127. 2 Wohl auch BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – III ZR 76/20, MMR 2021, 319; OLG Dresden, Beschl. v. 20.11.2018 – 4 W 982/18, ZUM-RD 2019, 144. 3 Ausführlich zu den unterschiedlichen Bewertungsansätzen OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.9.2020 – 1 W 3/20. 4 BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Celle, Urt. v. 13.5.2015 – 13 U 177/14, AP 2015, 438. 5 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282 – facebook-Eintrag. 6 BGH, Urt., v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, MDR 2014, 216. 7 OLG Dresden, Beschl. v. 20.11.2018 – 4 W 982/18, ZUM-RD 2019, 144. 8 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, MDR 2014, 216; KG, Beschl. v. 8.11.2012 – 10 W 81/12, AfP 2013, 65; OLG Köln, Beschl. v. 19.1.2012 – 15 W 63/11, AfP 2012, 268.

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schweren,1 Sperrung des Mitgliedskontos (Account) auf einer Internethandelsplattform, wodurch die geschäftliche Tätigkeit des Klägers verhindert wird. Als vermögensrechtliche Streitigkeit i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sind auch Unterlassungsansprüche von Privatpersonen einzuordnen. Denn auch wenn diese im Rahmen der Verkäufe im Internet nicht gewerblich tätig werden, sind ihre Interesse an der Entfernung negativer Einträge doch wirtschaftlicher Natur und betreffen nicht ihre Privatsphäre.

2.2390 Die Streitwertbestimmung hängt maßgeblich vom Interesse des Klägers ab, also von den möglichen Auswirkungen, welche die beanstandete Äußerung oder die negative Bewertung für ihn hat. Ein Anhaltspunkt für den Grad der Beeinträchtigung und damit die Höhe des Streitwertes können Art, Umfang und Intensität der bisherigen geschäftlichen Aktivitäten des Klägers im Internet sein. Darüber hinaus ist zu bewerten, in welchem Maße die negative Äußerung/Bewertung künftige Kunden des Klägers von einem Kauf bzw. einer sonstigen Geschäftsanbahnung abhalten wird.

2.2391 Die Beschwer des zur Löschung zweier Emails des gewerblich tätigen Klägers auf einer eigenen (Informations-)Internetseite verurteilten Schuldners ist nach den ihm aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehenden Nachteilen zu bemessen.2 Das Interesse des zur Unterlassung Verurteilten entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungsverpflichtung streiten oder allein über bereits erfolgte Verstöße gegen ein unstreitig bestehendes Unterlassungsgebot.3 Handelt der Schuldner dagegen ohne wirtschaftliche Interessen, sind die wirtschaftlichen Interessen des Klägers für die Bewertung unerheblich.4

III. Einzelfälle 2.2392 Den Anspruch der Klägerin auf Löschung bzw. Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, der Schule und der unterrichteten Fächer durch Notengebung von 1 bis 6 auf dem Schüler-Portal www. spickmich.de hat das OLG Köln im Berufungsverfahren mit 63.000 t bewertet und damit die Bewertung der ersten Instanz übernommen.5 In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren hatte das OLG Köln die insgesamt vier Anträge der Klägerin auf Löschung und Unterlassung mit jeweils 6.000 t (insgesamt 24.000 t) bewertet.6

2.2393 Das LG Duisburg hat einen solchen Anspruch der Klägerin auf Löschung der sie betreffenden Daten auf www.spickmich.de sowie auf Unterlassung, künftig ihre Person betreffende Daten zu veröffentlichen, mit 28.000 t bewertet.7

2.2394 Ansprüche auf Rücknahme von negativen Bewertungen auf der Handelsplattform ebay sind von den Gerichten wie folgt bewertet worden: – 1.000 v für die Klage auf Rücknahme einer negativen Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „nie, nie, nie wieder! Geld zurück, Ware trotzdem einbehalten – frech & dreist!!!“.8

1 Vgl. AG Bremen, Urt. v. 27.11.2009 – 9 C 412/09. 2 BGH, Beschl. v. 13.1.2015, MDR 2015, 230 – Beschwer: 500 t. 3 BGH, Urt. v. 24.1.2013 – 1 ZR 174/11, MDR 2013, 1360; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 13.4.2011 – 11 U 236/10. 4 BGH, Beschl. v. 13.1.2015, MDR 2015, 230. 5 OLG Köln, Urt. v. 3.7.2008 – 15 U 43/08, MMR 2008, 672 = CR 2008, 512 – auch der BGH hat in der nachfolgenden Revisionsentscheidung (Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888 = MDR 2009, 1038) diese Wertfestsetzung nicht abgeändert. 6 OLG Köln, Urt. v. 27.11.2007 – 15 U 142/07, NJW-RR 2008, 203 = GRUR-RR 2008, 26. 7 LG Duisburg, Urt. v. 18.4.2008 – 10 O 350/07, MMR 2008, 691 = ZUM 2008, 700. 8 LG Köln, Urt. v. 10.6.2009 – 28 S 4/09, ITRB 2009, 250 = MMR 2010, 244.

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– 2.000 v für eine Klage auf Rücknahme einer negativen Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „Bietet, nimmt nicht ab, schade obwohl selber großer Verkäufer“.1 – 3.000 v für eine Widerrufs- und Unterlassungsklage gegen eine negative Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „Vorsicht Spaßbieter. Bietet erst und zahlt dann nicht“. Das AG Koblenz ist davon ausgegangen, dass auch bei einem privaten ebay-Nutzer eine negative Bewertung weitere Geschäftsabschlüsse beeinträchtigen kann, so dass die Wertfestsetzung auch dann auf 3.000 t lauten müsse, wenn der betreffende Kaufvertrag nur ein Bagatellgeschäft war (hier: Kaufpreis von 1 t).2 – 5.000 v für eine Widerrufs- und Unterlassungsklage gegen eine negative Bewertung verbunden mit dem Bewertungskommentar „Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht“ sowie „Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail“.3 – 6.000 v für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Behauptungen auf dem ebay-Bewertungsprofil „Verkäufer erinnert an chron. Syndrom der Histrionik“, „Verkäufer bleibt weiterhin beim ‚missing the point‘“, „Verkäufer ist beratungsresistent und ignorant“. Die Kammer hat 2.000 t für jede zu unterlassende Behauptung angesetzt.4 – 10.000 v für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Löschung der auf dem ebay-Bewertungsprofil der Antragstellerin veröffentlichten Beschwerde des Antragsgegners mit dem Wortlaut: „Beschwerde: statt der in der Werbung vorgegaukelten 750 mg Tribulus Terrestris nur 400 mg.“5 Für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, mit welchem der Anspruch der Antragstellerin auf Frei- 2.2395 schaltung ihres Mitgliedskontos (Account) auf der Handelsplattform ebay durchgesetzt werden sollte, hat das OLG Brandenburg einen Streitwert von 10.000 t angesetzt.6 Ein auf Unterlassung der Löschung einer Äußerung und der Versetzung in den read-only-Modus für 30 Tage gerichtete einstweilige Verfügungsverfahren ist – unter werterhöhender Berücksichtigung der Marktmacht, Reichweite und des potentiellen Empfängerkreises der Plattform – zwischen 2.500 t7 und 7.500 t bewertet worden.8 Für eine Unterlassungsklage gegen das Angebot von Software zur Umgehung des Kopierschutzes hat das AG München einen Streitwert von 20.000 t für angemessen erachtet. Dabei sind das Schädigungspotential und die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit aus der Sicht des Unternehmens zu bemessen. Grundsätzlich ist hierbei nicht das wirtschaftliche Interesse durch die einzelne Verkaufshandlung zu berücksichtigen, sondern das Interesse des Klägers, Gefährdungen durch Umgehungssoftware generell zu bekämpfen. Ein wertbildender Faktor für das Schädigungspotential ist dabei nach Ansicht des Gerichts auch die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Umgehung von Kopierschutz kaum noch ein Unrechtsbewusstsein bei denjenigen bestehe, die sich dieser Software bedienten. In breiten Bevölkerungsschichten sei es vielmehr weitgehend üblich, alles, was kostenlos durch Brennen zu erhalten sei, sich auch kostenlos zu kopieren.9

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OLG Oldenburg, Urt. v. 3.4.2006 – 13 U 71/05, NJW-RR 2006, 1204. AG Koblenz, Urt. v. 21.6.2006 – 151 C 624/06, NJW-RR 2006, 1643 = MMR 2007, 270. AG Brühl, Urt. v. 7.4.2008 –28 C 447/07, ITRB 2008, 201. LG Köln, Beschl. v. 16.6.2005 – 28 O 304/05. LG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.2004 – 12 O 6/04, MMR 2004, 496. OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2008 – 6 W 183/08, MDR 2009, 526. BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – III ZR 76/20, NNR 2021, 319 für 30tägige Aktivsperre. OLG Dresden, Beschl. v. 19.1.2019 – 4 W 1074/18, JurBüro 2019, 199; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.9.2018 – 16 W 38/18. 9 AG München, Urt. v. 24.4.2007 – 161 C 24310/05, CR 2007, 816.

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B. Belehrung im Internethandel 2.2397 Im Internethandel (= Fernabsatzgeschäft) treffen den Unternehmer gegenüber dem Verbraucher bestimmte Informationspflichten nach §§ 312c, 355, 357 Abs. 2 BGB über seine Rücktritts- und Widerrufsrechte. Verstößt der Unternehmer gegen diese Pflichten, weil die Belehrung fehlerhaft ist oder völlig fehlt, kann er von Mitbewerbern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (vgl. § 3, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 3 UWG).

2.2398 Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert sowie der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren richtet sich bei solchen Unterlassungsbegehren gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 RVG nach dem Interesse des Klägers. Auch die für eine außergerichtliche Abmahnung geltend gemachten Anwaltskosten richten sich gem. § 23 Abs. 1 RVG nach dem Wert, den ein entsprechendes gerichtliches Verfahren haben würde.

2.2399 Für die Bewertung ist zu unterscheiden, ob ein Mitbewerber oder Verbraucherschutzverband sich gegen fehlerhafte Widerrufs- und Rückgabebelehrungen oder unzulässige Einschränkungen der Gewährleistung wendet.1

2.2400 Das Unterlassungsverlangen eines Mitbewerbers ist maßgeblich danach zu bewerten, inwieweit die Verletzung von Informationspflichten im Fernabsatz die Interessen eines Mitbewerbers konkret beeinträchtigt. Zwar besteht an der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutze der Verbraucher auch ein erhebliches Allgemeininteresse, so dass fehlerhafte Belehrungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten.2 Für den Streitwert maßgeblich ist jedoch nicht das Interesse des Verbrauchers, sondern das des Mitbewerbers. Die Bewertung muss sich also daran orientieren, inwiefern die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung in der konkret beanstandeten Form geeignet ist, die Kaufentscheidung zugunsten des fehlerhaft Belehrenden zu beeinflussen. Insoweit stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte.

2.2401 Dagegen hat die Rechtsverfolgung eines Verbraucherschutzverbandes die Wahrung der Interessen der Verbraucher in ihrer Gesamtheit zum Ziel. Dessen Unterlassungsansprüche sind daher höher zu bewerten.3

2.2402 In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden für die entsprechenden Unterlassungsansprüche recht unterschiedliche Wertfestsetzungen vorgenommen: – 900 v Widerrufsbelehrung eines Onlineshops nennt eine zwei Wochen zu kurze Widerrufsfrist.4 Es handelte sich um einen Bereich des Internethandels (Computer und Zubehörteile), in dem sich eine Vielzahl von Wettbewerbern begegnen und daher wirtschaftliche Beeinträchtigungen der Mitbewerber nicht in nennenswertem Umfang zu erkennen waren.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.2.2016 – 4 U 86/14. 2 OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2006 – 3 U 103/06, OLGR 2007, 114; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2006 – 5 U 105/06, OLGR 2007, 916; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.1.2007 – 3 W 224/06, OLGR 2007, 656; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976; KG, Beschl. v. 11.5.2007 – 5 W 116/07, KGR 2007, 697; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.6.2007 – 4 U 210/06, OLGR 2007, 753; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.4.2006 – 4 U 119/04, OLGR 2006, 707. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.11.2011 – 6 W 91/11, MDR 2012, 185: 15.000 t; Beschl. v. 4.8.2011 – 6 W 70/11; a.A ohne Begründung OLG Hamm, Beschl. v. 23.3.2017 – 4 W 15/17, AGS 2017, 278: regelmäßig ebenso hoch wie das eines „gewichtigen“ Mitbewerbers. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2007 – I-20 W 13/07.

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Regelwert für jeden behaupteten Fehler einer Widerrufsbelehrung im Internethandel.1 – 3.000 v Richtwert für fehlerhafte Widerrufsbelehrung eines Onlineshops. Der Senat hat § 12 Abs. 4 UWG angewandt, weil die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert war.2 – 4.000 v (Untergrenze) Eilverfahren bzgl. zwei Belehrungsfehlern.3 – 5.000 v – Wert eines Eilverfahrens wegen Fehlens der Widerrufsbelehrung und der Anbieterdaten.4 Nach Ansicht des Senats ist das Fehlen der Widerrufsbelehrung und der Anbieterdaten als solches nicht geeignet, die Kaufentscheidung zugunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten zu beeinflussen. – Wert eines Eilverfahrens wegen Verstoß gegen fernabsatzrechtliche Informationspflichten.5 Es muss auf die Schwere des Verstoßes sowie auf den Umstand abgestellt werden, dass durch die Vielzahl von Anbietern, die keine ordnungsgemäße Belehrung erteilen, die Wettbewerbsposition der rechtstreuen Wettbewerber tendenziell verschlechtert, weil ein rechtstreuer Anbieter Zeit, Aufwand und ggf. auch Geld für Beratungsleistungen aufwenden muss, um die Verbraucher zutreffend über ihre Rechte belehren zu können. – Wert eines Verfahrens wegen unrichtiger Widerrufsbelehrung bei Verkaufsangeboten über einen eBay-Onlineshop.6 – Wert eines Verfahrens wegen fehlender Angaben nach § 5 Pkw-EnVKV (Verbrauchsangaben zu einem Kraftfahrzeug).7 – 10.000 v Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen fehlender Widerrufsbelehrung eines PkwHändlers, der neue Pkw und Gebrauchtwagen verschiedener Marken an Einzelhändler im gesamten Bundesgebiet verkauft und diese auch über das Internet anbietet.8 Der Senat ist von seinem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Regelstreitwert für wettbewerbsrechtliche Eilverfahren ausgegangen. – 15.000 v Zweifach fehlerhafte Widerrufsbelehrung eines Unternehmers bei insgesamt durchschnittlichem Verfolgungsinteresse.9 Allgemein können nach Ansicht des Senats bei Verletzung von Informationspflichten im Fernabsatzgeschäft Streitwerte von 10.000 bis 20.000 t angesetzt werden. 1 OLG Celle, Beschl. v. 8.2.2016 – 13 W 6/16, WRP 2016, 738; OLG Naumburg, Beschl. v. 18.7.2007 – 10 W 37/07, GRUR-RR 2008, 144. 2 OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, MMR 2008, 172. 3 OLG Naumburg, Urt. v. 13.7.2007 – 10 U 14/07, OLGR 2008, 300. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2007 – 3 W 189/07, K&R 2008, 254. 6 OLG Jena, Urt. v. 23.4.2008 – 2 U 929/07, OLGR 2008, 877 = Magazindienst 2008, 936; OLG Jena, Urt. v. 9.6.2007 – 2 W 124/07, WRP 2007, 1008. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.2.2016 – 4 U 86/14: idR 30.000 t bei Mitbewerberklage und 20.000 t bei Verbandsklage; OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2014 – 13 W 22/14, MDR 2014, 982; OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2011 – 13 W 101/11: idR 5.000 t. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628. 9 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.11.2011 – 6 W 91/11, MDR 2012, 185 – Eilantrag eines Verbraucherschutzverbandes; OLG Hamm, Beschl. v. 29.4.2008 – 4 W 27/08.

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2.2403 Dem OLG Celle1 ist darin zuzustimmen, dass die Beeinträchtigung des Mitbewerbers durch Belehrungsfehler in aller Regel als gering einzustufen ist. Dessen Interesse liegt darin, dass sich der Gegner durch eine unrichtige oder fehlende Belehrung keinen Wettbewerbsvorteil verschafft. Der Umstand, dass eine Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, dürfte jedoch die Kaufentscheidung des Verbrauchers zum Nachteil der sich gesetzestreu verhaltenden Mitbewerber nur unwesentlich beeinflussen. In der Regel wird der Verbraucher nämlich seine Kaufentscheidung nicht von der konkreten Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung abhängig machen, zumal schon fraglich sein dürfte, ob der durchschnittliche, rechtlich nicht vorbelastete Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt einer Widerrufsbelehrung überhaupt kennt.

2.2404 Die Festsetzung eines Werts von 4.000 bis 5.000 t für eine Unterlassungsklage dürfte ein angemessener Ausgangspunkt für die Bewertung sein. Dabei ist zu bedenken, dass durch eine weitere Herabsetzung des Streitwerts der Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden könnte. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter würde abmahnen bzw. eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vornherein ein Verlustgeschäft bedeutete.

C. Urheber- und Nutzungsrechte 2.2405 Das LG Köln hat den Streit um die Befugnis der Beklagten, das im Miteigentum der Klägerin stehende

Hausgrundstück in ihrem Internetangebot mit Adresse abzubilden, mit 19.500 t bewertet.2 Das Internetangebot der Beklagten konnte so genutzt werden, dass nach einem Haus systematisch durch Eingabe von Straßennamen und Hausnummer gesucht wurde. Das Ergebnis bot dann ein Bild der Gebäudeansicht, die über Geokoordinaten eindeutig lokalisiert und damit einer Gebäudeadresse zugeordnet werden konnte.

2.2406 Der schematischen Bewertung einer auf Unterlassung der urheberrechtlichen Verletzung von Bildund Tonrechten gerichteten Klage, etwa bei einem Vorgehen gegen File-Sharing über Internetportale,3 nach einem Vielfachen des vom Urheber aufgezeigten Lizenzschadens,4 hat der BGH5 widersprochen. Zwar könne im Wege der Lizenzanalogie der zu ersetzenden Schaden durch die unberechtigte Verbreitung von Musiktiteln oder Computerspielen ermittelt werden (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG).6 Eine entsprechende Ermittlung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruch trage schon nicht der unterschiedlichen Funktion von Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch Rechnung. Erster diene dem Ausgleich bereits erlittener Vermögenseinbuße, letzterer der Vermeidung künftiger. Zudem sei diese Vorgehensweise nicht mit dem bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in Einklang zu bringen, da je nach Vorgehensweise des Schädiger sowie Aktualität und Popularität des Werkes dessen kommerzielle Auswertung insgesamt in Frage stellen könne.7

2.2407 Wird im Rahmen einer Internetversteigerung (z.B. eBay) ein urheberrechtlich geschütztes Lichtbild rechtswidrig verwendet, dann bestimmt sich der Streitwert eines darauf gestützten Unterlassungsverlangens nach der Bedeutung des verletzten Rechts und der Intensität des Angriffs. Bei der Bewertung 1 OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, MMR 2008, 172; so auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976. 2 LG Köln, Urt. v. 13.1.2010 – 28 O 578/09, MMR 2010, 278 = CR 2010, 198. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 26.3.2013 – 22 W 42/13: 2.000 t je Musik- oder Filmtitel; OLG Köln. Beschl. v. 17.11.2011 – 6 W 234/11: 3.000 t je Titel. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.8.2013 – 6 W 31/13, NJW-RR 2014, 227 – 10facher Satz bei gewerblichem Handeln; OLG Hamm, Beschl. v. 13.9.2012 – 22 W 58/12, JurBüro 2013, 28: Verdopplung bei privater oder kleingewerblicher Tätigkeit. 5 BGH, Urt. v. 30.3.2017 – I ZR 124/16, ZUM-RD 2018, 68. 6 Zustimmend OLG Frankfurt, Urt. v. 31.3.2020 – 11 U 44/19, WRP 2020, 907. 7 BGH, Urt. v. 30.3.2017 – I ZR 124/16, ZUM-RD 2018, 68: 15.000 t.

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2. Teil

Eine Klage gegen Internet- und Telefonanbieter auf Abgabe der Erklärung, dass aufgrund technischer Probleme mit dem Telefon- und Internetanschluss eine von der Billigung des Klägers unabhängige Nutzungsmöglichkeit für Dritte bestanden habe könne, bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der Erteilung einer derartigen Erklärung, das ohne entgegenstehende Anhaltspunkte mit 1.200 t bewertet werden kann.2

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sind die Anzahl der Verkäufe, die Art der Verkaufstätigkeit (gewerblich/privat) sowie der Verkaufswert des zu bewerbenden Gegenstandes zu berücksichtigen. Die Verwendung zur Förderung eines zeitlich begrenzten Privatverkaufs wird mit 2.000 t angemessen erfasst.1

2.2408

Der Streitwert eines Namensrechtsstreits um eine Internetdomain bemisst sich nach dem wirtschaft- 2.2409 lichen Interesse des Namensinhabers an der Unterlassung der Domainbezeichnung. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, ob die Namensverletzung sich auf die reine Inhaberschaft der Domin beschränkt und der Namensinhaber sich ohne Interesse an der Domain selbst auf die bloße Abmahnung der Namensanmaßung beschränkt.3 Siehe hierzu das Stichwort „Internet-Domain“ (Rz. 2.2411 ff.) Für die Bewertung der auf Unterlassung gerichteten vorprozessualen Tätigkeit des Anwalts ist zwi- 2.2410 schen privatem und gewerblichem Handeln des Schädigers zu unterscheiden. Außerhalb des geschäftlichen Verkehrs erfolgt über § 97a Abs. 3 UrhG (in der Fassung vom 1.10.2013) eine Beschränkung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Abmahntätigkeit auf 1.000 v, sowie der Wert nicht nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Davon ist nur dann auszugehen, wenn das Ausmaß der Rechtsverletzung vom üblichen Maß in Anzahl oder Schwere abweicht.4 Hier ist eine restriktive Auslegung geboten („besondere Umstände“), um die von Gesetzgeber beabsichtigte Deckelung gerade auch Filesharingfälle, nicht zu unterlaufen.5

Internet-Domain A. Allgemeines Eine Internet-Domain ist eine technische Adresse im Internet, die von der zuständigen Vergabestelle 2.2411 (z.B. DENIC eG) nur einmal vergeben wird. Ihre ausschließliche Stellung ist daher technisch bedingt und begründet als solche kein absolutes Recht. Der Domainname besteht aus der sog. second-leveldomain, dem der Individualisierung dienenden eigentlichen Namen der Internetseite, und der top-level-domain, dem übergeordneten Bereich (z.B. .com oder .de). Die Inhaberschaft einer Domain beruht auf der Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen.6 Zugleich genießt die Domain(Bezeichnung) namens-, kennzeichnungs- und markenrechtlichen Schutz.

1 OLG Hamburg, Beschl. 22.1.2013 – 5 W 5/13, ZUM-RD 2014, 90; ähnlich LG Köln, Beschl. v. 3.12.2013 – 28 T 9/13, MMR 2014, 194: 6.000 t bei gewerblicher Nutzung und 3.000 t bei privater oder kleingewerblicher Nutzung. 2 BGH, Beschl. v. 15.12.2011 – III ZR 226/11, MMR 2012, 191. 3 OLG Celle, Urt. v. 8.4.2004 – 13 U 213/03, CR 2004, 772: 2.556 t für Freigabe einer Internetdomain; AG Charlottenburg, Urt. v. 23.7.2012 – 237 C 273/11, GuT 2013, 37. 4 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/13057, S. 29. 5 OLG Celle, Urt. v. 14.10.2019 – 13 U 48/19, GRUR-RR 2020, 146. 6 BVerfG, Beschl. v. 24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, CR 2005, 282; BGH, Beschl. v. 5.7.2005 – VII ZB 5/05, MDR 2005, 1311 = CR 2006, 50.

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B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.2412 In der Praxis sind eine Vielzahl von Konstellationen bei der prozessualen Durchsetzung von Rechten und Ansprüchen im Zusammenhang mit der Domains anzutreffen. Im Vordergrund stehen Unterlassungsansprüche, darüber hinaus sind Zahlungs-, Übertragungs- und Freigabeansprüche anzutreffen (s. unten). Für die Bewertung ist zunächst zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten zu unterscheiden.

I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit 2.2413 Der Gebührenstreitwert ist in solchen Fällen nach § 48 Abs. 2 GKG, also unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen und darf 1 Mio. t nicht übersteigen.

2.2413a Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

II. Vermögensrechtliche Streitigkeit 2.2414 Liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, dann bestimmt sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

2.2415 Davon abweichend ist in marken- und kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten gem. § 140 MarkenG wertunabhängig das LG erstinstanzlich sachlich zuständig. Zugleich eröffnet § 142 MarkenG die Möglichkeit einer Reduzierung des Gebührenstreitwerts (Streitwertbegünstigung), wenn eine Partei glaubhaft dazulegen vermag, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Für wettbewerbsrechtliche Ansprüche findet sich in § 12 Abs. 4 UWG eine gleichartige Vorschrift.

2.2416 Die Bewertung von Leistungs- und Feststellungsansprüchen folgt hier den allgemeinen Regeln. Die für die Streitwertbestimmung von Unterlassungsansprüchen maßgeblichen Kriterien entsprechen denen der Bewertung in kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten. Im Vordergrund stehen die wirtschaftliche Bedeutung der Domain und der ohne Unterbindung zu erwartende Verletzungsumfang.1 Anhaltspunkte für den Grad der Beeinträchtigung und damit die Höhe des Streitwertes sind Art, Umfang und Intensität der bisherigen geschäftlichen Aktivitäten des Klägers im Internet. Darüber hinaus ist der Verschuldensgrad zu berücksichtigen.

2.2417 In durchschnittlich gelagerten Fällen wird regelmäßig ein Wert zwischen 50.000 bis 75.000 t angemessen sein.2

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.2418 Die formelle Beschwer des unterliegenden Klägers entspricht seinem Klageinteresse und damit dem Gebührenstreitwert. Die materielle Beschwer des zur Unterlassung der Nutzung einer registrierten Domain und ggf. zusätzlich zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verurteilten Schuldners ist nach den ihm aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehenden Nachteilen zu bemessen.3

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2015 – 5 U 245/11. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2015 – 5 U 245/11. 3 BGH, Beschl. v. 13.1.2015 – VI ZB 29/14, MDR 2015, 230 – Beschwer: 500 t.

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2. Teil

Das Interesse des zur Unterlassung Verurteilten entspricht dabei zwar nicht zwangsläufig aber doch 2.2419 regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungsverpflichtung streiten oder allein über bereits erfolgte Verstöße gegen ein unstreitig bestehendes Unterlassungsgebot.1 Handelt der verurteilte Schuldner dagegen ohne wirtschaftliche Interessen, dann sind die wirtschaftlichen Interessen des Klägers für die Bewertung unerheblich.2

D. Einzelfälle I. Domaingrabbing und -parking Hierunter ist das vorsorgliche Reservieren und Horten künftig vermutlich begehrter Domains in der 2.2420 Absicht gewinnbringender Veräußerung zu verstehen. Die regelmäßig auf Freigabe der Domain gerichtete Klage ist nach dem Interesse des Klägers an der Domain zu bewerten. Lässt sich dieses nicht sicher bestimmen, dann kann hilfsweise auf die vom derzeitigen Inhaber geforderte Ablösesumme abgestellt werden.3

II. Übertragung einer Domain Da die Inhaberschaft der Domain auf dem vertraglichen Verhältnis des Domainnutzers mit einem Dritten (Vergabe- bzw. Registrierungsstelle) beruht, scheidet ein Anspruch auf „Übertragung“ dieser Rechtsstellung aus.4 Der Anspruchsgegner schuldet auch schadensersatzrechtlich allenfalls eine Freigabe der Domain durch entsprechende Erklärung gegenüber der Vergabestelle. Wird dennoch auf Übertragung einer Domain geklagt, dann ist das Leistungsinteresse, also das Interesse des Klägers an der Inhaberschaft wertbestimmend. Ohne besondere Anhaltspunkte kann auf den Wert einer (nur) auf Unterlassung gerichteten Klage abgestellt und dieser mit einem Zuschlag von 1/4 versehen werden.

2.2421

Für einen Anspruch auf Übertragung einer „eu-Domain“ wegen unbefugter Namensanmaßung wurde der Streitwert auf 30.000 t festgesetzt.5

2.2422

III. Verletzung von Marken-, Namens und sonstigen Rechten durch Domain-Namen Der Streitwert eines Namensrechtsstreits um eine Domain bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Namensinhabers an der Unterlassung der Domainbezeichnung.6 Dabei ist neben der wirtschaftlichen Bedeutung des klagenden Unternehmens und dessen Bekanntheit auch das Maß der Übereinstimmung von Name und Domainbezeichnung, ob letztere also mit dem Namen vollidentisch oder nur teilweise identisch (sog. arrondierte Domainbezeichnung) ist, zu berücksichtigen.

2.2423

Der Wert einer Domain wird bei (behaupteter) Verletzung des Namensrechts ohne Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen häufig mit 25.000 t bemessen.7

2.2424

1 BGH, Urt. v. 24.1.2013 – 1 ZR 174/11, MDR 2013, 1360; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 13.4.2011 – 11 U 236/10. 2 BGH, Beschl. v. 13.1.2015 – VI ZB 29/14, MDR 2015, 230. 3 OLG Frankfurt, NJWE-WettbR 2000, 160; LG Wiesbaden, Urt. v. 9.8.2000 – 3 O 129/00, MMR 2001, 59. 4 BGH v. 22.11.2001 – I ZR 138/99, MMR 2002, 382 = MDR 2002, 835. 5 LG Stuttgart v. 26.9.2013 – 17 O 1069/12, K&R 2013, 751. 6 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.8.2005 – 20 U 14/05 – afilias.de. 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.7.2003 – 20 U 43/03, NJW-RR 2003, 1687: betr. das Namensrecht einer Gemeinde – solingen.info; OLG Köln, Urt. v. 30.9.2005 – 20 U 45/05, CR 2006, 493 für Verletzung der Namensrechte von Hoheitsträgern – mahngericht.de; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2015 – 5 U 245/11; vgl.

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2.2425 Bei der Verletzung von Namensrechten privater Personen ist danach zu unterscheiden, ob allein nichtkommerzielle Interessen des Namensträgers berührt werden oder sind oder es diesem um eine selbstbestimmte kommerzielle Verwertung seines prominenten Namens geht.1

2.2426 Bei der Bewertung ist ferner zu berücksichtigen, ob die Namensverletzung sich auf die reine Inhaberschaft der Internet-Domain beschränkt und der Namensinhaber sich ohne Interesse an der Domain selbst auf die bloße Abmahnung der Namensanmaßung beschränkt.2

2.2427 Bei einer markenrechtlichen Verletzung erfolgt die Bewertung insbesondere nach der Bekanntheit und Größe des betroffenen Unternehmens.3 Für die Einordnung kann auf den Warenumsatz unter der Marke und Werbeaufwand des Markeninhabers abgestellt werden.4 Die Betroffenheit langjährig etablierter und weltbekannter Marken rechtfertigt hohe Wertfestsetzungen.5 Ferner sind Umfang, Dauer und Intensität der Verletzungshandlung sowie der infolgedessen drohende Verletzungsumfang, insbesondere Rufschädigung und -ausbeutung sowie Verwässerung der Marke bei der Wertermittlung zu berücksichtigen.

2.2428 Streitigkeiten wegen unlauterer oder irreführender Benutzung von Domainnamen sind nach den für das Wettbewerbsrecht entwickelten Kriterien zu bewerten (vgl. das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“ Rz. 2.2634). Die Bewertungen bewegen sich regelmäßig im Bereich zwischen 25.000 und 150.000 t.

2.2429 Wird mit der Klage, die eine Domainbezeichnung beanstandet, neben der Verletzung des Namensrechts zugleich ein Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht geltend gemacht, dann handelt es sich um zwei Streitgegenstände.6 Bei derartig einheitlichen Unterlassungsverlangen, dem nach der markenrechtlichen Rechtsprechung des BGH7 mehrere Streitgegenstände in eventualer oder kumulativer Klagehäufung zugrunde liegen, hat keine formale Streitwertaddition, sondern eine angemessene Erhöhung zu erfolgen.8

2.2430 Gleiches gilt für die Begründung eines Unterlassungsverlangens mit einer Namensrechtsrechtverletzung und unlauteren Wettbewerbsbehinderung.9

2.2431 Dagegen sind bei mehreren Beklagten die Werte inhaltsgleicher Unterlassungsanträge zu addieren, da auf Unterlassung (oder den Verzicht auf eine Internet-Domain) nicht gesamtschuldnerisch gehaftet wird.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

auch OLG Köln, Beschl. v. 31.5.2007 – 3 W 110/07, CR 2007, 661 betr. Namensinhaber mit nicht kommerziellen Meinungsbildungsinteresse: 10.000 t – mblog.de; OLG Köln, Urt. v. 13.9.2018 – 10 U 8/18, MMR 2019, 321: 50.000 t. OLG Dresden v. 24.11.2000 – 14 U 2486/00, CR 2001, 408 zu kurt-biedenkopf.de; OLG Köln v. 6.7.2000 – 18 U 34/00, CR 2000, 696 = MMR 2001, 170 zu maxem.de. AG Charlottenburg, Urt. v. 23.7.2012 – 237 C 273/11, GuT 2013, 37. Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.8.2005 – 20 U 14/05: 100.000 t betr. Domain-Registrierungsstelle – afilias.de. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.2011 – 6 W 30/11, MMR 2011, 491 betr. AdWord-Werbung mit dem Namen eines Kreditinstituts: 280.000 t; LG Köln v. 20.4.2001 – 81 O 160/99, MMR 2002, 60 = CR 2002, 58 – budweiser.com. BGH, Urt. v. 22.11.2001 – I ZR 138/99, MDR 2002, 835: 500 Mio. Euro – shell.de. OLG Frankfurt, Urt. v. 24.9.2015 – 6 U 181/14, ZIP 2016, 637 zur Verbindung des Namens einer Kapitalanlagegesellschaft mit dem Wort „-Schaden“. BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 – TÜV I; BGH v. 17.8.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 = MDR 2011, 1311 – TÜV II. BGH, Urt. v. 28.4.2016 – I ZR 254/14, MDR 2016, 1344 zugleich zur Kostenverteilung bei einem Teilunterliegen; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2014 – 6 U 187/11, GRUR-RR 2015, 402. BGH, Urt. v. 22.1.2014 – I ZR 164/12, MDR 2014, 554 = GRUR 2014, 393 – wetteronline.de. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2015 – 5 U 245/11.

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2. Teil

Wird mit der Unterlassung zugleich die Löschung der Domain, genauer die Abgabe einer Löschungsbewilligung gegenüber der Vergabestelle verlangt, sind die Werte der Einzelansprüche zusammenzurechnen. Der in der Löschungsbewilligung liegende Verzicht auf die Domain geht über das Unterlassen ihrer (weiteren) Nutzung hinaus,1 insbesondere stellt ein „Baustellen-Hinweis“ keine Nutzung dar.2 Das Löschungsbegehren ist regelmäßig mit 25.000 t bewertet und hinzuzurechnen.3

2.2432

ZPO

Jagdpachtrecht

Inventar 2.2433

Siehe das Stichwort „Pacht“, Rz. 2.3821 ff.

Investitionsverpflichtung Wird im Zusammenhang mit Grundstücks- oder Unternehmensverkäufen vom Verkäufer neben der Kaufpreiszahlung die Verpflichtung übernommen, Baumaßnahmen oder sonstige Investitionen zu tätigen, sind diese regelmäßig auch streitwertrechtlich zu berücksichtigen.

2.2434

Dies gilt etwa für die Klage eines Unternehmenskäufers auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrages über ein Treuhandunternehmen. Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Loslösungsinteresse des Käufers. Anzusetzen sind neben dem Kaufpreis auch sonstige geldwerte Vertragspflichten, wie Arbeitsplatzgarantien oder Investitionsverpflichtungen.4

2.2435

2.2436–2.2456

Einstweilen frei.

Jagdpachtrecht Bei Streitigkeiten betreffend Jagdpachtverhältnisse ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden, ob es um das Jagdausübungsrecht oder um den Bestand des Jagdpachtvertrags geht.

2.2457

Beeinträchtigungen des Ausübungsrechts sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Ein solcher Streit – etwa 2.2458 über die Grenzen des Jagdbezirks oder über die Störung der Jagdausübung – ist nicht etwa durch Vervielfältigung des Jahresertrages gem. § 9 ZPO zu bestimmen, sondern nach freiem Ermessen zu schätzen.5

1 Ohne Differenzierung jedoch OLG Düsseldorf v. 15.7.2003 – 20 U 43/03, NJW-RR 2003, 1687. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2007 – 3 W 151/07, MMR 2008, 113 – mlpblog.de II. 3 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.6.2010 – 16 U 239/09, GRUR-RR 2010, 488; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2014 – 6 U 187/11, GRUR-RR 2015, 402; OLG Köln, Urt. v. 6.8.2004 – 6 U 131/03, MarkenR 2005, 153; OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.9.2003 – 2 W 27/03, CR 2004, 133 betr. Unterlassung und Löschung: 50.000 t; LG Köln, Urt. v. 8.2.2007 – 31 O 439/06, K&R 2007, 221; abweichend OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2005 – 5 U 141/04, MMR 2006, 475: 20.000 t – metrosex.de. 4 KG, Beschl. v. 15.10.1996 – 14 W 6060/96, KGReport Berlin 1997, 268; vgl. für die Bemessung des Geschäftswerts notarieller Beurkundungstätigkeit in derartigen Fällen: OLG Jena, Beschl. v. 27.5.2010 – Not W 18/09, NotBZ 2011, 50; OLG Celle, Beschl. v. 26.10.1993 – 8 W 270/93, OLGR 1994, 46; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.1994 – 10 W 26/94, MDR 1994, 625; OLG Hamm, Urt. v. 26.3.2003 – 8 U 170/02. 5 RG, JW 1938, 1841 Nr. 50.

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2. Teil

Wird mit der Unterlassung zugleich die Löschung der Domain, genauer die Abgabe einer Löschungsbewilligung gegenüber der Vergabestelle verlangt, sind die Werte der Einzelansprüche zusammenzurechnen. Der in der Löschungsbewilligung liegende Verzicht auf die Domain geht über das Unterlassen ihrer (weiteren) Nutzung hinaus,1 insbesondere stellt ein „Baustellen-Hinweis“ keine Nutzung dar.2 Das Löschungsbegehren ist regelmäßig mit 25.000 t bewertet und hinzuzurechnen.3

2.2432

ZPO

Jagdpachtrecht

Inventar 2.2433

Siehe das Stichwort „Pacht“, Rz. 2.3821 ff.

Investitionsverpflichtung Wird im Zusammenhang mit Grundstücks- oder Unternehmensverkäufen vom Verkäufer neben der Kaufpreiszahlung die Verpflichtung übernommen, Baumaßnahmen oder sonstige Investitionen zu tätigen, sind diese regelmäßig auch streitwertrechtlich zu berücksichtigen.

2.2434

Dies gilt etwa für die Klage eines Unternehmenskäufers auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrages über ein Treuhandunternehmen. Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Loslösungsinteresse des Käufers. Anzusetzen sind neben dem Kaufpreis auch sonstige geldwerte Vertragspflichten, wie Arbeitsplatzgarantien oder Investitionsverpflichtungen.4

2.2435

2.2436–2.2456

Einstweilen frei.

Jagdpachtrecht Bei Streitigkeiten betreffend Jagdpachtverhältnisse ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden, ob es um das Jagdausübungsrecht oder um den Bestand des Jagdpachtvertrags geht.

2.2457

Beeinträchtigungen des Ausübungsrechts sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Ein solcher Streit – etwa 2.2458 über die Grenzen des Jagdbezirks oder über die Störung der Jagdausübung – ist nicht etwa durch Vervielfältigung des Jahresertrages gem. § 9 ZPO zu bestimmen, sondern nach freiem Ermessen zu schätzen.5

1 Ohne Differenzierung jedoch OLG Düsseldorf v. 15.7.2003 – 20 U 43/03, NJW-RR 2003, 1687. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2007 – 3 W 151/07, MMR 2008, 113 – mlpblog.de II. 3 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.6.2010 – 16 U 239/09, GRUR-RR 2010, 488; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2014 – 6 U 187/11, GRUR-RR 2015, 402; OLG Köln, Urt. v. 6.8.2004 – 6 U 131/03, MarkenR 2005, 153; OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.9.2003 – 2 W 27/03, CR 2004, 133 betr. Unterlassung und Löschung: 50.000 t; LG Köln, Urt. v. 8.2.2007 – 31 O 439/06, K&R 2007, 221; abweichend OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2005 – 5 U 141/04, MMR 2006, 475: 20.000 t – metrosex.de. 4 KG, Beschl. v. 15.10.1996 – 14 W 6060/96, KGReport Berlin 1997, 268; vgl. für die Bemessung des Geschäftswerts notarieller Beurkundungstätigkeit in derartigen Fällen: OLG Jena, Beschl. v. 27.5.2010 – Not W 18/09, NotBZ 2011, 50; OLG Celle, Beschl. v. 26.10.1993 – 8 W 270/93, OLGR 1994, 46; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.1994 – 10 W 26/94, MDR 1994, 625; OLG Hamm, Urt. v. 26.3.2003 – 8 U 170/02. 5 RG, JW 1938, 1841 Nr. 50.

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2. Teil

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Jagdpachtrecht

ZPO

2.2459 Bei Unterlassungsklagen wegen Störung des Besitzrechts hat sich die Schätzung an § 41 GKG zu orientieren, so dass die Jahrespacht die Höchstgrenze bildet.1 Denn der Streitwert wegen der Berechtigung einzelner Störungen kann nicht höher liegen als der Wert eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Pachtvertrags.2 Das Ausmaß und die Intensität der Störungen sind zu berücksichtigen. Lediglich vorübergehende Störungen hat das LG Saarbrücken3 mit 2/3 des jährlichen Pachtzinses bewertet.

2.2460 Wird über den Bestand des Jagdpachtvertrags gestritten, dann ist für die Gerichts- und Anwaltsgebühren § 41 Abs. 1 GKG unmittelbar einschlägig und der Jahresbetrag des Pachtzinses anzusetzen.4 Begehrt der Kläger die Feststellung der alleinigen Jagdausübungsberechtigung und damit zugleich die Unwirksamkeit eines vom Verpächter mit einem Dritten geschlossenen Jagdpachtvertrages, dann sind die Werte beider Verträge zu addieren.5 Für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte bleibt hingegen § 8 ZPO maßgebend;6 ebenso für die Beschwer.7

2.2461 Das gilt auch dann, wenn streitig ist, wer von den Parteien aus dem Pachtverhältnis berechtigt ist.8 Vorausgesetzt ist allerdings stets, dass der Kläger auch Vertragspartei ist.

2.2462 Klagt ein Dritter mit dem Antrag, die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags im Verhältnis zu einem Jagdpächter und dem Jagdverpächter festzustellen, dann ist § 41 GKG unanwendbar.9 In diesem Fall ist das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei vor allem sein Interesse daran maßgebend ist, bei Nichtigerklärung des Jagdpachtvertrags selbst Jagdpächter werden zu können.

2.2463 Zum Pachtzins zählen auch vertragliche Gegenleistungen, wenn sie im Verkehr als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden,10 etwa die vom Pächter zu tragende Jagdsteuer.

2.2464 Umstritten ist, ob auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft zu berücksichtigen ist. Das LG Saarbrücken11 bejaht dies. Das OLG Schleswig12 berücksichtigt die Berufsgenossenschaftsbeiträge nicht, wenn der Pächter nach der einschlägigen berufsgenossenschaftlichen Satzung ohne Rücksicht auf die Vereinbarungen im Pachtvertrag verpflichtet ist, diese Beträge zu leisten.

2.2465 Richtiger Ansicht nach sind Jagdsteuer und Beiträge zur Berufsgenossenschaft gleich zu bewertende Nebenleistungen zum Pachtzins. Die Jagdpacht zählt zu den landwirtschaftlichen Unternehmen des § 114 SGB VII. Der Jagdpächter hat deshalb auch nach § 150 SGB VII die Unternehmerbeiträge aufzubringen. Satzungsgemäß ist es zwar möglich, dass primär der Eigentümer in Anspruch genommen wird, wenn er keine Angaben zum Pächter macht. Das ändert aber nichts daran, dass der Jagdpächter als Unternehmer der gesetzlich Belastete ist. Deshalb werden ihm in solchen Ausnahmefällen im Pachtvertrags-Innenverhältnis die Beträge zur Berufsgenossenschaft auferlegt. Der Pächter muss den Betrag immer zahlen, weil er die Jagdpacht vertraglich übernommen und schon dadurch die Unternehmereigenschaft erworben hat. Der Abschluss des Pachtvertrages ist faktische Voraussetzung für die Beitragspflicht; und deren Übernahme wiederum ist wirtschaftlich Voraussetzung für das Zu-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. OLG Bamberg, NJW 1953, 230; OLG Celle, Beschl. v. 29.9.1972 – 7 W 43/72, JurBüro 1972, 1080; OLG Koblenz, Urt. v. 3.8.2015 – 12 U 130/14, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 214. OLG Koblenz, Urt. v. 3.8.2015 – 12 U 130/14, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 214. RG, JW 1938, 1047 Nr. 45. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91 – Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. OLG Hamburg, NJW 1965, 2406. BGH, Beschl. v. 10.2.1983 – III ZR 64/82; a.A. ohne Begründung OLG Koblenz, Urt. v. 23.9.2020 – 5 U 1208/19, Jagdpachtrechtliche Entscheidungen III Nr. 229. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91. LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. LG Saarbrücken, Beschl. v. 6.1.1958 – 3 W 103/57, JurBüro 1958, 512.

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Kapitalanleger-Musterverfahren

2. Teil

ZPO

standekommen des Pachtvertrages, weil der Verpächter sonst nicht abschließt. Somit ist die Zahlungspflicht letztlich ungeachtet der gesetzlichen Regelung durch das Bestehen des Jagdpachtvertrages bedingt. Hinzukommen muss als Voraussetzung einer Streitwerterhöhung natürlich, dass diese Positionen 2.2466 auch grundsätzlich dem Pachtzins zugerechnet werden. Insoweit handelt es sich um das Problem der Nebenleistungen (s. dazu das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3040 f.). Werden Nebenkosten als Teil des Pachtzinses angesehen, dann erhöhen sie den Streitwert. Werden sie streitwertmäßig nicht als Teil des Pachtzinses angesehen, weil es sich dabei um durchlaufende Beträge handele, denen keine Gegenleistungen des Verpächters gegenüberstünden, dann bleiben sie unberücksichtigt.1 Ausgehend von diesen Bemessungsgrundsätzen hat der BGH2 ausgeführt, dass die Verpflichtung, den Wildschaden zu tragen, bei der Bestimmung des Pachtzinses außer Betracht zu bleiben hat, weil nicht gewiss sei, ob Ersatz für Wildschaden geleistet werden müsse.

2.2467

Ist aber beim Wegfall des Wildschadens ein Mindestbetrag als „weiterer Pachtzins“ zu zahlen, so gilt auch die Ersatzleistung für Wildschaden insoweit als Pachtzins, als der Pächter diese ungeachtet des Eintritts von Wildschaden jährlich mindestens für die Überlassung der Jagd aufzubringen hat.

2.2468

Kapitalanleger-Musterverfahren Literatur: Mayer, Zwei Jahre RVG, Neue Justiz 2006, 242; Mock, Gebührenrecht zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, RVG-B 2005, 172.

A. Allgemeines Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) können im Wege eines Vorlagever- 2.2469 fahrens das Vorliegen oder Nichtvorliegen von anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen festgestellt oder Rechtsfragen geklärt werden, soweit davon die Entscheidung eines laufenden Rechtsstreits abhängt, in dem (u.a.) wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen auf Schadensersatz geklagt wird (§ 1 Nr. 1 KapMuG). Der bei dem Prozessgericht zu stellende Musterfeststellungsantrag führt nach Bekanntmachung im Klageregister zur Unterbrechung des Prozessverfahrens (§ 5 KapMuG) und nach Bekanntmachung des Musterverfahrens zur Aussetzung aller weiteren anhängigen oder bis zum Erlass des Musterentscheids noch anhängig werdenden Verfahren, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder zu klärenden Rechtsfrage abhängt (§ 8 KapMuG). Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 20 Abs. 1 KapMuG). Die Geltungsdauer des Gesetzes ist derzeit bis zum 1.11.2020 befristet.

B. Zuständigkeitsstreitwert Die Zuständigkeit für Musterverfahren ist gem. § 6 KapMuG streitwertunabhängig ausgestaltet und 2.2470 obliegt – vorbehaltlich einer Konzentration (§ 4 Abs. 5 KapMuG) – dem im Rechtszug übergeordneten OLG.

1 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.11.1990 – 1 W 120/90, JurBüro 1991, 416. 2 BGH, Beschl. v. 17.11.1961 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293.

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Kapitalanleger-Musterverfahren

2. Teil

ZPO

standekommen des Pachtvertrages, weil der Verpächter sonst nicht abschließt. Somit ist die Zahlungspflicht letztlich ungeachtet der gesetzlichen Regelung durch das Bestehen des Jagdpachtvertrages bedingt. Hinzukommen muss als Voraussetzung einer Streitwerterhöhung natürlich, dass diese Positionen 2.2466 auch grundsätzlich dem Pachtzins zugerechnet werden. Insoweit handelt es sich um das Problem der Nebenleistungen (s. dazu das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3040 f.). Werden Nebenkosten als Teil des Pachtzinses angesehen, dann erhöhen sie den Streitwert. Werden sie streitwertmäßig nicht als Teil des Pachtzinses angesehen, weil es sich dabei um durchlaufende Beträge handele, denen keine Gegenleistungen des Verpächters gegenüberstünden, dann bleiben sie unberücksichtigt.1 Ausgehend von diesen Bemessungsgrundsätzen hat der BGH2 ausgeführt, dass die Verpflichtung, den Wildschaden zu tragen, bei der Bestimmung des Pachtzinses außer Betracht zu bleiben hat, weil nicht gewiss sei, ob Ersatz für Wildschaden geleistet werden müsse.

2.2467

Ist aber beim Wegfall des Wildschadens ein Mindestbetrag als „weiterer Pachtzins“ zu zahlen, so gilt auch die Ersatzleistung für Wildschaden insoweit als Pachtzins, als der Pächter diese ungeachtet des Eintritts von Wildschaden jährlich mindestens für die Überlassung der Jagd aufzubringen hat.

2.2468

Kapitalanleger-Musterverfahren Literatur: Mayer, Zwei Jahre RVG, Neue Justiz 2006, 242; Mock, Gebührenrecht zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, RVG-B 2005, 172.

A. Allgemeines Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) können im Wege eines Vorlagever- 2.2469 fahrens das Vorliegen oder Nichtvorliegen von anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen festgestellt oder Rechtsfragen geklärt werden, soweit davon die Entscheidung eines laufenden Rechtsstreits abhängt, in dem (u.a.) wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen auf Schadensersatz geklagt wird (§ 1 Nr. 1 KapMuG). Der bei dem Prozessgericht zu stellende Musterfeststellungsantrag führt nach Bekanntmachung im Klageregister zur Unterbrechung des Prozessverfahrens (§ 5 KapMuG) und nach Bekanntmachung des Musterverfahrens zur Aussetzung aller weiteren anhängigen oder bis zum Erlass des Musterentscheids noch anhängig werdenden Verfahren, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder zu klärenden Rechtsfrage abhängt (§ 8 KapMuG). Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 20 Abs. 1 KapMuG). Die Geltungsdauer des Gesetzes ist derzeit bis zum 1.11.2020 befristet.

B. Zuständigkeitsstreitwert Die Zuständigkeit für Musterverfahren ist gem. § 6 KapMuG streitwertunabhängig ausgestaltet und 2.2470 obliegt – vorbehaltlich einer Konzentration (§ 4 Abs. 5 KapMuG) – dem im Rechtszug übergeordneten OLG.

1 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.11.1990 – 1 W 120/90, JurBüro 1991, 416. 2 BGH, Beschl. v. 17.11.1961 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293.

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2. Teil

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Kapitalanleger-Musterverfahren

ZPO

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 2.2471 Gesonderte Gerichtsgebühren löst die Einleitung und Durchführung des Musterverfahrens nicht aus. Ziel des Gesetzgebers war es, die Durchsetzung der Interessen von Kapitalanlegern nicht durch besondere Kostenrisiken zu erschweren. Für eine gesonderte Streitwertfestsetzung besteht daher kein Anlass.

II. Anwaltsgebühren 2.2472 Ähnlich liegt es bei den Anwaltsgebühren, da nach § 16 Nr. 13 RVG das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem KapMuG dieselbe Angelegenheit darstellen.1 Hieraus folgt, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Musterverfahren lediglich die Gebühren erhält, die ihm nicht bereits aus dem Prozessverfahren zustehen.2

2.2473 Dabei bestimmt sich der Gegenstandswert im Musterverfahren gem. § 23a RVG nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Angesichts der Bedeutung der Entscheidung im Musterverfahren für den Ausgang des Prozessverfahrens scheidet eine Bruchteilsbewertung aus.3

D. Rechtsmittel und Beschwer I. Vorlageverfahren 2.2474 Der Wert einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Musterfeststellungsantrags bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 EGZPO, § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse, mit dem Musterfeststellungsantrag die wesentlichen Grundlagen für den (in der Regel) beabsichtigten Schadensersatzanspruch zu schaffen. Im Hinblick auf diese nur vorbereitende Funktion des Verfahrens erachtet der BGH4 eine Bruchteilsbewertung i.H.v. 1/5 und das OLG München5 eine i.H.v. 1/2 für angemessen.

2.2475 Die gegen den Bekanntmachungsbeschluss und damit verbundene faktische Aussetzung des Prozessverfahrens (§ 5 KapMuG) gerichtete Beschwerde hat der BGH mit 1/5 des Hauptsachestreitwerts bemessen.6

II. Rechtsbeschwerdeverfahren 2.2476 Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Streitwert für die Gerichtsgebühren gem. § 51a Abs. 1 GKG nach der Summe der in sämtlichen nach § 8 KapMuG ausgesetzten Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüchen, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens sind. Für ein Abstellen auf die Kostenschuld des Beigeladenen nach § 51a Abs. 3 GKG besteht kein Anlass.7 Bei der Streitwertbemessung sind auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen 1 2 3 4 5

Mayer/Kroiß/Gierl, § 23a Rz. 5. AnwK-RVG/Mock/N. Schneider/Wahlen, § 16 Rz. 238 mit Berechnungsbeispielen. BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – XI ZB 3/16, MDR 2019, 235; AnwK-RVG/Wolf, § 25 Rz. 2. BGH, Beschl. v. 30.7.2020 – III ZR 47/19, ZIP 2020, 1702. OLG München, Beschl. v. 15.11.2007 – W (KAP) 27/07; OLG München, Beschl. v. 1.10.2007 – W (KAP) 16/07, NJW-RR 2008, 132. 6 BGH, Beschl. v. 5.11.2015 – III ZB 69/14, MDR 2016, 348 zur (unstatthaften) Rechtsbeschwerde. 7 BGH, Beschl. v. 2.2.2021 – II ZB 19/19.

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Karenzentschädigung

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2. Teil

Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren beläuft sich entspre- 2.2477 chend § 23a RVG nach der Beschwer des Auftraggebers2 und damit der nach der Höhe des von oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist, begrenzt auf den Höchstwert von 30 Mio. v (§ 22 Abs. 2 RVG).3 Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen eine vom Ausgangsgericht beschlossene Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG, entspricht der Gegenstandswert nach Ansicht des BGH dem Wert der Hauptsache.4 Dem ist nicht zuzustimmen, da die Aussetzung nur eine Verzögerung des Hauptsacheverfahrens zur Folge hat. Mit der Rechtsprechung zur Verfahrensunterbrechung5 ist auch hier eine – in der Regel bei 1/5 liegende – Bruchteilsbewertung geboten.6

Karenzentschädigung Der Streit über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist gem. § 3 ZPO, § 48 2.2478 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers zu bewerten. Dabei kann für die Bewertung der auf Feststellung der Nichtigkeit gerichteten Klage auf Angebote anderer Arbeitgeber, dem (Mehr)Verdienst bei selbständiger Tätigkeit im Geschäftsbereich des alten Arbeitsgebers oder die bei Wettbewerbsverstößen drohende Vertragsstrafe abgestellt werden.7 Fehlen besondere Anhaltspunkte, ist regelmäßig mit dem Betrag der insgesamt nach § 74 Abs. 2, § 74a Abs. 1 HGB höchstens geschuldeten Karenzentschädigung zu bewerten.8 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen muss. Dieser Wert kann auch im Eilverfahren erreicht werden, wenn dieses im praktischen Ergebnis den Streit entschieden hat.9

2.2479

Die auf Feststellung der Wirksamkeit gerichtete Klage des Arbeitsgebers ist grundsätzlich nach dem durch die Wettbewerbsverletzung drohenden Schaden zu bemessen. Ist dieser nicht hinreichend sicher zu beziffern, kann wiederum auf den Betrag der höchstens geschuldeten Karenzentschädigung als Bemessungsgrundlage abgestellt werden.10

2.2480

1 BGH, Beschl. v. 1.7.2014 – II ZB 29/12, MDR 2014, 1319 = NZG 2014, 1946; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – II ZB 6/09, MDR 2012, 178 = ZIP 2012, 117. 2 Mayer/Kroiß/Gierl, § 23a Rz. 7. 3 BGH, Beschl. v. 15.12.2015 – XI ZB 12/12, MDR 2016, 302; BGH, Beschl. v. 1.7.2014 – II ZB 29/12, MDR 2014, 1319 = NZG 2014, 1946; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – II ZB 6/09, MDR 2012, 178 = ZIP 2012, 117. 4 BGH, Beschl. v. 8.9.2009 – XI ZB 4/09. 5 BGH, Beschl. v. 25.7.2019 – I ZB 82/18, MDR 2019, 1524. 6 Ebenso OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.2.2020 – 3 W 22/19, MDR 2020, 689; ebenso für die Aussetzung nach § 5 KapMuG BGH, Beschl. v. 5.11.2015 – III ZB 69/14, MDR 2016, 348. 7 LAG Schleswig, Beschl. v. 31.5.2012 – 6 Ta 86/12. 8 LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2020 – 26 Ta (Kost) 6112/19, NZA-RR 2020, 273; LAG Schleswig, Beschl. v. 31.5.2012 – 6 Ta 86/12; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2011 – 2 Ta 68/11; LAG Köln, Beschl. v. 12.11.2007 – 7 Ta 295/07; LG Bayreuth, Beschl. v. 14.3.1990 – 2 O 287/90, JurBüro 1990, 772, 773. 9 LAG Hamm v. 23.12.1980 – 8 Ta 148/80, AnwBl. 1981, 106. 10 LAG Nürnberg, Beschl. v. 25.6.1999 – 2 TA 56/99, JurBüro 1999, 640.

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zu berücksichtigen, die zwar den Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zurückgenommen haben.1

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2. Teil

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Kartellsachen

ZPO

Kartellsachen Literatur: Petzold, Nebenintervention, Kostenrisiken und Streitwertbeschwerde – § 89a Abs. 3 GWB in der Übergangszeit nach der 9. GWB-Novelle, NZKart 2019, 262.

A. Zuständigkeitsstreitwert 2.2481 In Kartellsachen braucht man keinen Zuständigkeitsstreitwert zu bestimmen. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Ansprüchen aus dem Kartellrecht sind gem. §§ 87, 95 GWB die LG sachlich ausschließlich zuständig. Für Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Kartellbehörden ist nach § 63 Abs. 4 GWB ebenso wie für Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Vergabekammer gem. § 171 Abs. 3 GWB stets das OLG zuständig.

B. Gebührenstreitwert I. Kartellstreitsachen 1. Allgemeines

2.2482 In den Kartellstreitsachen richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem zugrunde liegenden Klageantrag. Wird Kartellschadensersatz nach § 33a GWB beziffert geltend gemacht, ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO der Nennbetrag der streitgegenständlichen Forderung maßgebend.

2.2483 Eine Klage auf Feststellung des Fortbestandes eines Vertrages, weil seine Kündigung kartellrechtlich unwirksam sei, ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu bewerten.1 Bei der Unterlassungsklage eines Verbandes ist auf das Interesse eines gewichtigen Mitgliedes abzustellen.2 Die Höchstgrenze von 30 Mio. t nach § 39 Abs. 2 GKG ist zu beachten. 2. Nebenintervention

2.2484 Der Gegenstandswert der Nebenintervention entspricht dem Hauptsachestreitwert der unterstützten Partei.3 Daran ändert § 89a Abs. 3 GWB nichts, weil er allein dazu dient, im Kartellprozess den Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers zu begrenzen.4 Er enthält daher nur eine Sonderregel für den Gegenstandswert, nach dem der Streithelfer vom Gegner seine Kosten erstattet verlangen kann. Seine Anwaltskosten sind daher nur nach dem Gegenstandswert zu erstatten, den das Gericht nach freiem Ermessen festsetzt. Die Summe der Streitwerte mehrerer Nebeninterventionen darf zudem den Streitwert des Rechtsstreits nicht überschreiten. Ob die Vorschrift auf alle laufenden Verfahren5 oder nur auf Streithelfer anzuwenden ist, die einem Rechtsstreit nach dem Inkrafttreten der Norm

1 LG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2013 – 11 O 215/12; BGH, Beschl. v. 25.4.2018 – KZR 33/16 (jeweils zur Kündigung von Programmeinspeisungsverträgen durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten). 2 BGH, Beschl. v. 9.8.2018 – KZR 47/15. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2021 – 2 W 7/20, WuW 2021, 185; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.8.2019 – 8 W 39/19; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.2.2015 – W (Kart) 1/15; a.A. OLG München, Beschl. v. 3.4.2012 – W 416/12 Kart: Wert der durch die Entscheidung drohenden Einwirkung auf den Nebenintervenienten. 4 BT-Drucks. 18/10207, 100. 5 LG Hannover, Beschl. v. 9.3.2020 – 13 O 4/19; LG Stuttgart, Beschl. v. 28.2.2019 – 30 O 26/17, WuW 2019, 275.

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Kartellsachen

2. Teil

ZPO

am 9.6.2017 beigetreten sind,1 ist streitig.2 Vorzugswürdig ist die zweite Auffassung. Zwar erfassen prozessrechtliche Änderungen grundsätzlich alle laufenden Verfahren. Bereits vor Inkrafttreten abgeschlossene Prozesshandlungen richten sich aber grundsätzlich weiterhin nach dem alten Recht. Der Beitritt zum Rechtsstreit ist ein punktuelles Ereignis, das mit seiner Erklärung abgeschlossen ist.3 3. Streitwertbegünstigung In diesen Verfahren besteht die Möglichkeit einer Streitwertbegünstigung nach § 89a Abs. 1 GWB.4 Bei Verbänden ist § 89a GWB nur anwendbar, wenn alle Mitglieder die Kosten gemeinsam nicht aufbringen können.5 Im Übrigen entspricht die Vorschrift der Streitwertvergünstigung in den Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes.6 Weitere Einzelheiten zur Streitwertvergünstigung können beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858 ff. nachgelesen werden.

2.2485

II. Beschwerdeverfahren 1. Sofortige Beschwerde gegen Verfügungen der Kartellbehörden In den Beschwerdeverfahren i.S.v. §§ 63 ff. GWB bestimmt man den Streitwert nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO. Abzustellen ist auf das Interesse, das der Beschwerdeführer daran hat, dass die Entscheidung der Kartellbehörde geändert wird. Die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsverhältnisses für ihn ist wesentlich.7

2.2486

Bei der Beschwerde eines Verbandes ist auf das Interesse eines gewichtigen Mitgliedes abzustellen.8 Der Streitwert einer Beschwerde des Zusammenschlusses der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft gegen die kartellbehördliche Untersagung, bestimmte AGB zu verwenden, die Nichtbanken aus dem Zahlungsdiensteverkehr herausdrängen, ist mit dem Ertragsinteresse der Banken zu bewerten.9

2.2487

Das Klägerinteresse bei einer Beschwerde gegen die Untersagung eines Unternehmenszusammenschlusses ist grundsätzlich mit einem Bruchteil des Kaufpreises anzusetzen,10 bei Untersagung bereits vollzogener Zusammenschlüsse mit dem vollen Kaufpreis.11 In Sonderfällen kann es mit dem Interesse zu bemessen sein, den störenden Einfluss eines Minderheitsaktionärs abzuwehren.12

2.2488

2. Sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammern Der Gebührenstreitwert einer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer nach §§ 171 ff. GWB beträgt gem. § 50 Abs. 2 GKG fünf Prozent der Bruttoauftragssumme.13 Sie er-

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2021 – 2 W 7/20, WuW 2021, 185; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.3.2019 – 3 O 239/16, NZKart 2019, 291. 2 Dazu Petzold, NZKart 2019, 262. 3 BGH, Beschl. v. 23.4.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2021 – 2 W 7/20, WuW 2021, 185. 4 Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 50 GKG Rz. 33. 5 BGH, Beschl. v. 29.1.2019 – KZR 47/15, WuW 2019, 316. 6 Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 50 GKG Rz. 31. 7 BGH, Beschl. v. 7.8.1978 – KVZ 4/77, WuW 1978, 652. 8 BGH, Beschl. v. 9.8.2018 – KZR 47/15. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.1.2019 – Kart 7/16 (V). 10 BGH, Beschl. v. 7.8.1978 – KVZ 4/77, WuW 1978, 652. 11 BGH, Beschl. v. 6.3.2007 – KVR 32/05. 12 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2019 – 2 Kart 1/18 (V), NZKart 2019, 501. 13 BGH, Beschl. v. 12.11.2019 –XIII ZB 120/19, NZBau 2020, 179.

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2. Teil

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Kassatorische Klagen

gibt sich aus dem Bruttopreis nach dem Angebot des Antragstellers.1 Ist ein befristeter Dienstleistungsvertrag Gegenstand des Vergabeverfahrens, ist das Entgelt für die gesamte Vertragslaufzeit die Auftragssumme.2 Bei Entgelten für Zeiträume, für die eine Vertragsverlängerungsoption bestand, ist ein Unsicherheitsabschlag von 1/2 zu machen.3

2.2490 Hatte der Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens i.S.v. § 160 Abs. 1 GWB kein Angebot abgegeben, ist die objektive Auftragssumme entsprechend § 3 ZPO zu schätzen.4 Geeignete Schätzungsgrundlagen sind der ursprünglich von der Vergabekammer geschätzte Wert oder der Angebotspreis eines Konkurrenten.5

2.2491 Im Eilverfahren ist kein Abschlag vom Streitwert vorzunehmen.6

Kassatorische Klagen 2.2492 Im Gesellschaftsrecht wird der Begriff „kassatorische Klagen“ als Oberbegriff für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen verwendet. Vgl. deshalb die Ausführungen unter dem Stichwort „Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130 ff.

Kaufanwartschaftsvertrag 2.2493 Kaufanwartschaftsverträge sind Vereinbarungen von Privatpersonen mit einer staatlichen Treuhandgesellschaft für Wohnungsbau, die dem Käufer erlauben, ein Eigenheim schon vor Eigentumserwerb zu nutzen (auch Träger-Bewerber-Vertrag genannt).

2.2494 Der Wert eines Streits, ob aufgrund der Bestimmungen eines Kaufanwartschaftsvertrags die Beklagten zur Räumung des Grundstücks verpflichtet sind, ist unter Berücksichtigung des in § 41 GKG enthaltenen und weit auszulegenden sozialen Grundgedankens nach dieser Vorschrift mit dem einjährigen Netto-Nutzungsentgelt zu bemessen.7

Kaufvertrag A. Allgemeines 2.2495 Bei Kaufverträgen gibt es keine Sondervorschriften für den Zuständigkeits- oder Gebührenstreitwert. Er hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist. 1 2 3 4 5 6 7

OLG Rostock, Beschl. v. 28.1.2005 – 17 Verg 9/04, JurBüro 2006, 369. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, NZBau 2005, 486. BGH, Beschl. v. 18.3.2014 – X ZB 12/13, MDR 2014, 626; KG, Beschl. v. 19.1.2016 – Verg 5/15. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.2016 – Verg 44/13. OLG Rostock, Beschl. v. 28.1.2005 – 17 Verg 9/04, JurBüro 2006, 369. OLG Rostock, Beschl. v. 2.10.2019 – 17 Verg 3/19. OLG Köln, Beschl. v. 11.12.1973 – 2 U 5/73, MDR 1974, 323; OLG Köln, Beschl. v. 8.2.1978 – 1 W 4/78, JurBüro 1978, 1054; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.166.

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Kaufvertrag

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2. Teil

ZPO

B. Leistungsklagen I. Zahlungsklagen Der Streitwert einer Kaufpreisklage ist gleich dem Nennwert der bezifferten Forderung (§ 6 ZPO, § 48 2.2496 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die Umsatzsteuer ist nur ein unselbständiger Teil der Hauptforderung. Dass sie in der Rechnung gesondert ausgewiesen wird, ändert daran nichts, sondern beruht auf den steuerrechtlichen Vorgaben des § 14 UStG. Der Umsatzsteueranteil ist keine Nebenforderung, auch wenn sie für vorsteuerabzugsberechtige Verkäufer wirtschaftlich nur ein durchlaufender Posten ist. § 4 ZPO, § 43 GKG erfassen nur Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten, aber keine Umsatzsteuerbeträge.1 Der volle Nominalwert des Kaufpreises ist auch dann maßgebend, wenn die Vertragsparteien eine Ratenzahlung vereinbart haben. § 9 ZPO ist nicht anwendbar, weil die Kaufpreisraten keine wiederkehrende Leistung sind, sondern nur eine Zahlungsmodalität für einen von vornherein feststehenden Gesamtbetrag.2 Es ist auch kein Abzug von Zwischenzinsen gerechtfertigt, wenn die Klage auf Zahlung einer erst künftig fällig werdenden Forderung gerichtet ist.3

2.2497

Hat der Käufer den Kaufpreis bereits vollständig gezahlt, bevor er Minderung geltend macht, so bestimmt sich der Wert der Klage auf Zahlung des Minderungsbetrages gem. § 6 ZPO nach der geforderten Summe. Weiteres dazu findet man beim Stichwort „Minderung (ohne Miete)“, Rz. 2.3355 ff.

2.2498

II. Klagen auf Übereignung der Kaufsache Der Zuständigkeitsstreitwert einer Leistungsklage auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache entspricht dem Wert der Sache (§ 6 ZPO), und zwar dem objektiven Verkehrswert.4 Dasselbe gilt für eine Klage auf Auflassung der gekauften Liegenschaft.5 Das gilt nach herrschender Meinung gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für den Gebührenstreitwert.6 Weitere Einzelheiten zu dieser Streitfrage lese man beim Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1681–2.1686 nach.

2.2499

Der Wert für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung (vgl. § 34 GNotKG, Nr. 14150 KV 2.2500 GNotKG) zur Sicherung des Übereignungsanspruchs aus einem Kaufvertrag über ein Grundstück richtet sich gem. § 47 GNotKG nach dem vollen Kaufpreis7 bzw. nach dem Wert des Grundstücks (ohne Zubehör), wenn dieser geringer ist. Ist der Abschluss des Kaufvertrages noch ungewiss, wird entsprechend der Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG für Vor- und Wiederkaufsrechte nur der halbe Wert angesetzt.8

1 BGH, Beschl. v. 7.10.1976 – VII ZR 95/76, MDR 1977, 220; OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.1.2010 – 6 W 16/10, MDR 2010, 532. 2 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.5.2002 – 7 W 11/02. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 4.3.1958 – 2 U 98/57, Rpfleger 1964, 97; RG, Urt. v. 3.11.1927 – IV 279/27, RGZ 118, 321; Meyer, GKG/FamGKG, Anh. § 48 GKG Rz. 7. 4 OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118/15; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97. 5 OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 4438/18. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.5.2018 – 16 U 79/17; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737; OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 30.1.2013 – 12 W 37/12, BauR 2013, 995; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.12.2010 – 2 W 2145/10, MDR 2011, 514 (zur Auflassung). 7 BayObLG, Beschl. v. 29.2.1996 – 3Z BR 340/95, Rpfleger 1996, 378 (zu § 20 Abs. 1 KostO a.F.). 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.1993 – 10 W 99/93, Rpfleger 1994, 182 (zu § 20 Abs. 2 KostO a.F.).

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2. Teil

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Kaufvertrag

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2.2501 Ob sich der Käufer aus der Sache einen (späteren) Veräußerungsgewinn erhofft, ist für die Streitwertberechnung ohne Belang.1 Gleiches gilt für den Fall, dass sich der Käufer seinen Übereignungsanspruch durch ein Veräußerungsverbot sichern lassen will. Auch hier bemisst sich der Streitwert nach dem Verkehrswert der Sache und nicht nach dem möglichen Veräußerungsgewinn.2

III. Klagen auf Abnahme der Kaufsache 2.2502 Der Streitwert für Ansprüche nach § 433 Abs. 2 BGB auf Abnahme der Kaufsache wird nicht nach § 6 ZPO bemessen, weil die Klage nicht darauf gerichtet ist, Besitz und Eigentum an der Sache zu erlangen, sondern sich ihrer zu entledigen.3 Maßgebend ist daher das nach § 3 ZPO zu bewertende Interesse, von der Sache befreit zu werden.4 Die Beschwer des zur Abnahme der Sache verurteilten Beklagten bestimmt sich nach den ersparten Aufwendungen (etwa Transport- und Lagerkosten), wenn er die Sache nicht abnehmen muss.5 Weitere Einzelheiten sind beim Stichwort „Abnahme von Sachen“, Rz. 2.48 ff. nachzulesen.

IV. Klagen auf Abschluss eines Kaufvertrages 2.2503 Richtet sich die Klage auf eine Verpflichtung des Beklagten, mit dem Kläger einen Kaufvertrag abzuschließen, bemisst man den Streitwert allein nach dem Wert der Ansprüche, die der Vertrag dem Kläger verschaffen wird. Wirtschaftliche Belastungen des Gegenstandes, auf den sich der Anspruch richtet, bleiben ebenso unberücksichtigt wie die von ihm zu erbringende Gegenleistung.6

C. Feststellungsklagen 2.2504 Für Feststellungsbegehren bei Kaufverträgen gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze. Man schätzt den Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und macht bei positiver Feststellung einen 20prozentigen Abschlag vom Wert einer entsprechenden Leistungsklage.7

2.2505 Neben einem Antrag auf Kaufpreiszahlung erhöht ein Feststellungsantrag, der Beklagte befinde sich mit der Annahme der Kaufsache im Gläubigerverzug, nach zutreffender herrschender Meinung den Streitwert nicht (s. hierzu das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1509–2.1512).

2.2506 Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Kaufvertrages ist das vom Kläger verfolgte Interesse maßgebend, dass der Vertrag nicht besteht.8 Es ist mit dem ungeschmälerten Wert der Leistung zu bemessen, von der die Nichtigkeit den Kläger freistellt oder die er zurückerhält, wenn er sie schon erbracht hat.9 Klagt der Käufer auf Feststellung der Nichtigkeit, ist daher der Kaufpreis als Streitwert anzusetzen.10 Bei einer Klage des Verkäufers ist der Streitwert dagegen gleich dem Verkehrswert der Kaufsache.11 Ist ein Grundstückskaufvertrag erst teilweise vollzogen und hat der 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737; LG Bochum, Beschl. v. 10.3.1994 – 7 T 12/94, AnwBl. 1994, 368. 3 RG, Urt. v. 22.3.1904 – II 363/03, RGZ 57, 400. 4 RG, Urt. v. 22.3.1904 – II 363/03, RGZ 57, 400. 5 LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.5.2013 – 13 S 171/12. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 13 WF 237/13, MDR 2014, 1414. 7 Vgl. die Ausführungen unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1484 ff. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587. 9 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.9.1953 – 2 W 277/53, NJW 1953, 1918. 10 OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597. 11 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749.

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Klage und Widerklage

2. Teil

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags und auf Verurteilung zur Vornahme von Erfüllungsleistungen kann insgesamt den Betrag des vereinbarten Kaufpreises nicht übersteigen.3

ZPO

Käufer noch nicht das Eigentum, sondern nur eine Auflassungsvormerkung erlangt, ist nur ein Bruchteil des Werts anzusetzen.1 Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrags, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten.2

2.2507

D. Klagehäufung Neben einem Antrag auf Kaufpreiszahlung erhöht ein Feststellungsantrag, der Beklagte befinde sich mit der Annahme der Kaufsache im Gläubigerverzug, nach zutreffender herrschender Meinung den Streitwert nicht (s. hierzu das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1509–2.1512).

2.2508

Die Streitwerte der Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und der Widerklage auf Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung sind zusammenzurechnen, weil damit die Kaufpreiszahlung insgesamt in Streit steht.4

2.2509

Kennzeichenstreitigkeit Siehe dazu die Stichwörter „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1828–2.1830, „Design“, Rz. 2.899 ff., „Gebrauchsmuster“, Rz. 2.1660 ff., „Geschmacksmuster/Gemeinschaftsgeschmacksmuster“, Rz. 2.1766, „Marke“, Rz. 2.2890 ff. und „Patent“, Rz. 2.3845 ff.

Klage und Widerklage Literatur: E. Schneider, NJW 1992, 2680; E. Schneider, Prozesstaktischer Einsatz der Widerklage, MDR 1998, 21; N. Schneider, Gegenstandswert bei Klage und Widerklage auf Zugewinnausgleich, FamRB 2002, 379. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2511

II. Identität des Gegenstands . . . . . . . . . . 2.2529

B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.2516

III. Verschiedenheit der Gegenstände . . . . . 2.2530

C. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . 2.2520

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.2533

I. Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 GKG . . . 2.2522

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2536

Stichwortübersicht Additionsverbot und wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2524, 2.252 f. Anwaltskosten, vorgerichtliche . . . . . . . . . . 2.2531 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2533 1 2 3 4

Bürgschaftsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Drittwiderklage, isolierte . . . . . . . . . . . . . . 2.2527 Feststellung – und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529

KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18. BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – II ZR 256/10, AGS 2012, 571. KG, Rpfleger 1962, 154 zu ZPO § 3. OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.1983 – 1 W 50/83, AnwBl. 1984, 205.

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ZPO

2. Teil

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Klage und Widerklage

– wechselseitige Anträge . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Gegenseitigkeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 2.2532 Gegenstandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2522 – gebührenrechtlich und prozessual . . . . . . 2.2521 Herausgabeansprüche – Pkw und Fahrzeugbrief . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 – und Besitzschutzansprüche . . . . . . . . . . . 2.2529 Hinterlegung, Zustimmung zur Auszahlung 2.2529 Identität des Gegenstandes – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Klagehäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2517 Kostenpflicht der Parteien für Anträge Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2513 – und Auflassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2531 – und Herausgabe . . . . . . . 2.2529, 2.2531, 2.2532 – und Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 – und Schadensersatz . . . . . . . . . . 2.2529, 2.2532 – und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Räumung und Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . 2.2529

Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Sicherungsrechte, Eintragung und Löschung 2.2529 Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2528 Teilansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2526 Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2531 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2536 Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2531 Vermögenspositionen – unterschiedliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2525 Verschiedenheit der Gegenstände – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2531 Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529 Widerklagerhebung ohne Antragstellung . . 2.2515 Wirtschaftliche Identität und Additionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2524, 2.2527 f. Wirtschaftliche Werthäufung . . . . . . . . . . . 2.2527 Zugewinnausgleich, wechselseitiger . . . . . . 2.2531 Zuständigkeit, gerichtliche . . . . . . . . . . . . 2.2518 f. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2529

A. Einleitung 2.2511 Die Widerklage ist die während der Rechtshängigkeit der Klage von dem Beklagten (zumindest auch) gegen den Kläger vor dem Gericht des Klageverfahrens erhobene Gegenklage, mit der ein von der Klage verschiedener Anspruch geltend gemacht wird. Wie jede Klage unterliegt sie den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen und einer eigenständigen streitwertrechtlichen Beurteilung. Dies gilt zunächst einmal für den Fall, dass mit einer Widerklage mehrere (prozessuale) Ansprüche verfolgt werden. Hier ist entsprechend den allgemeinen Bewertungsregeln zwischen der objektiven und der subjektiven Klagehäufung innerhalb der Widerklage zu unterscheiden. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff. verwiesen werden.

2.2512 Streitwertrechtliche Wirkung begründet die Widerklage bereits mit Einreichung des Schriftsatzes, § 4 ZPO, § 40 GKG.1 Ob sie in der prozessual gebotenen Form eingereicht wird, zugestellt werden kann oder sonst den Sachurteilsvoraussetzungen genügt, ist für die Gerichtsgebühren unerheblich.2

2.2513 Auch kostenrechtlich sind Klage und Widerklage zwei Verfahren, so dass jede Partei für ihre Anträge kostenpflichtig ist.3 Hierbei wird die mit Widerklageeinreichung fällige Kostenpflicht nach § 6 GKG nicht davon berührt, dass das Gericht die Bearbeitung der Widerklage gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG nicht von Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen darf.4 Daher bleibt die Kostenpflicht der widerklagenden Partei über die Zweitschuldnerhaftung auch dann bestehen, wenn dem im Prozess unterlegenen Widerbeklagten zuvor Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist oder er sich als zahlungsunfähig erweist.5

2.2514 Als allgemein zulässig wird erachtet, dass der Beklagte die Erhebung der Widerklage unter eine innerprozessuale Bedingung stellt, sog. Hilfswiderklage.6 Wegen der damit aufgeworfenen Fragen 1 OLG Jena, Beschl. v. 27.4.2012 – 1 WF 199/12; OLG Düsseldorf v. 23.11.1999 – 10 W 124/99, NJW-RR 2000, 1594. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 5.9.2000 – 14 W 29/2000, OLGR 2001, 49. 3 RGZ 135, 19; OLG Frankfurt, JurBüro 1966, 237. 4 OLG München, Beschl. v. 26.6.2003 – 11 W 1560/03, MDR 2003, 1078. 5 Toussaint/Marquardt, § 12 GKG Rz. 33; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.11.1988 – 8 W 320/88, MDR 1989, 272; LG Hamburg, Beschl. v. 24.6.1999 – 331 O 109/95, JurBüro 2000, 89. 6 BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, MDR 1996, 1135; E. Schneider, MDR 1998, 21, 23.

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Klage und Widerklage

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2. Teil

Davon zu unterscheiden ist die nur angekündigte Widerklage, die auf den Streitwert des Gerichtsverfahrens keinen Einfluss hat.1 Erhebt der Beklagte dagegen eine Widerklage, ohne im weiteren Verlauf des Rechtsstreits den Widerklageantrag zu verlesen, so dass – mangels Antrag auf Erlass eines (Teil)Versäumnisurteils – nur über die Klage ein (Teil-)Urteil ergeht, dann hat er den Mehrbetrag der gerichtlichen Verfahrensgebühr zu zahlen, der sich durch die Erhöhung des Gesamtstreitwertes infolge Zusammenrechnung der Streitwerte von Klage und Widerklage ergibt.

2.2515

B. Zuständigkeitsstreitwert Gemäß § 5 Halbs. 2 ZPO hat für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes eine Addition von 2.2516 Klage und Widerklage zu unterbleiben. Eine Missachtung dieser Vorschrift ist (objektiv) willkürlich und nimmt einem darauf beruhenden Verweisungsbeschluss die Bindungswirkung.2 Soweit mit einer Widerklage mehrere Ansprüche verfolgt werden – objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO) –, ist innerhalb der Widerklage der Streitwert gem. § 5 Halbs. 1 ZPO durch Addition zu ermitteln. Demgegenüber führt die subjektive Klagehäufung (Streitgenossenschaft) innerhalb der Widerklage im Falle wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände, etwa bei gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme im Wege der Drittwiderklage, nicht zur Werterhöhung.3

2.2517

Fällt die Widerklage aufgrund ihres Wertes in die sachliche Zuständigkeit des LG (§ 71 GVG), dann ist ein bis dahin vor dem AG geführter Rechtsstreit auf Antrag gem. § 506 ZPO insgesamt an das zuständige LG zu verweisen. Andernfalls ist die Widerklage wegen Unzuständigkeit abzuweisen.

2.2518

Wird in einem vor dem LG geführten Klageverfahren eine in die (nicht ausschließliche) sachliche Zu- 2.2519 ständigkeit des AG gehörende Widerklage erhoben, ist das LG nach allgemeiner Ansicht auch zur sachlichen Bescheidung der Widerklage befugt, da es an einer dem § 506 ZPO entsprechenden Regelung fehlt.4

C. Gebührenstreitwert Die Werte der in Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche sind, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) zu addieren. Dabei beträgt der Streitwert insgesamt höchstens 30 Mio. t, § 39 Abs. 2 GKG.5 Hingegen bemisst sich der Gebührenstreitwert nach dem höchsten „einfachen Wert“, wenn Klage und Widerklage „denselben Gegenstand“ betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG.

2.2520

Hierbei besteht Einigkeit, dass der Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstands des Prozessrechts nicht identisch ist.6

2.2521

1 OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999 – 17 W 349/99. 2 KG, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG München, Rpfleger 1968, 232. 4 Zöller/Schultzky, § 33 ZPO Rz. 16; s. auch OLG Frankfurt v. 3.5.2010 – 4 W 6/10, NJW 2010, 3173; KG, Beschl. v. 17.2.1999 – 28 AR 6/99, MDR 1999, 563: Widerklageerhebung im Berufungsverfahren. 5 BGH, Beschl. v. 6.4.2010 – II ZR 130/08. 6 BGH, AGS 2012, 30; BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85; OLG Köln v. 12.1.2012 – 18 W 76/11, NJW-RR 2012, 615; OLG München, Beschl. v. 22.1.2019 – 32 W 1907/18; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJW-RR 2009, 864.

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der Streitwertberechnung wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Hilfswiderklage“, Rz. 2.2256 ff. verwiesen.

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2. Teil

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Klage und Widerklage

ZPO

I. Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 GKG 2.2522 Ganz überwiegend wird zur Unterscheidung identischer und nicht identischer Gegenstände auf die Abgrenzungsformel des RG1 zurückgegriffen, wonach von demselben Gegenstand auszugehen ist, wenn die beiderseitigen Klagebegehren dergestalt einander ausschließen, dass „die Anerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt“.2 Voneinander verschiedene Gegenstände liegen demnach vor, „wenn die mehreren Ansprüche nebeneinander bestehen können, sodass das Gericht unter Umständen beiden Ansprüchen stattgeben kann“.3 Unerheblich ist demgegenüber, ob sie beide verneint werden können.4

2.2523 Die Formel ist von der nachfolgenden Rechtsprechung weitgehend übernommen worden.5 Danach soll die mit der Entscheidung des einen Klagebegehrens verbundene materiell-rechtliche Klärung des anderen eine Reduzierung des Streitwerts und der danach zu berechnenden Gebühren rechtfertigen.6

2.2524 Die Tragfähigkeit dieses Ansatzes ist zweifelhaft. Unklar bleibt bereits, warum die Häufung von Ansprüchen durch wechselseitige Klageerhebung gebührenrechtlich anders beurteilt werden soll als bei der objektiven und subjektiven Klagehäufung. So wird bei der Klagehäufung der Wert der Streitgegenstände unabhängig davon zusammengerechnet, ob die Entscheidung des einen Anspruchs inhaltlich zugleich die des anderen bestimmt, § 39 Abs. 1 GKG.7 Eine Addition scheidet hier nach allgemeiner Meinung allein dann aus, wenn die Ansprüche „wirtschaftlich identisch“ sind, wovon beispielsweise bei subjektiver Klagehäufung im Fall der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme auszugehen ist.8

2.2525 Auch wird die Abgrenzungsformel des RG von ihren Vertretern in einer Vielzahl von Fällen nicht angewandt und trotz materiell-rechtlicher Abhängigkeit der mit Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche eine Wertaddition vorgenommen. Sie führt nämlich dann nicht zu überzeugenden Ergebnissen, wenn Klage und Widerklage trotz gleich gelagerter Rechtsfragen zeit-, inhaber- oder gesamtbetragsbezogen unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Eine Wertaddition wird trotz materiell-rechtlichem Gleichlauf beispielsweise bejaht, wenn sich der Beklagte gegen eine auf Mietzahlung gerichtete Klage mit dem Einwand der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) verteidigt und wegen desselben Mangels widerklagend die Rückzahlung für vorhergehende Zeiträume überzahlter Miete verlangt.9 Ebenso soll zusammengerechnet werden, wenn mit der Klage restliche Vergütung und mit der

1 RGZ 154, 164. 2 So auch BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – III ZA 32/20; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716. 3 So BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 261/12, MDR 2014, 627; BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84, JurBüro 1985, 917. 5 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; BGHZ 43, 31; OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.2999; OLG Hamm, FamRZ 2018, 862; OLG Köln v. 12.1.2012 – 18 W 76/11, NJW-RR 2012, 615; OLG Köln, Beschl. v. 22.3.1996 – 2 W 2/96, JurBüro 1997, 316; OLG München; FamRZ 2018, 862; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.1978 – 5 W 151/77, AnwBl. 1978, 106. 6 Nieder, NJW 1976, 901. 7 A.A. wohl nur OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.11.1987 – 6 UF 146/86, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 76 mit abl. Anm. E. Schneider = JurBüro 1988, 232: Verbindung unterhaltsrechtlicher Abänderungs- mit Bereicherungsklage. 8 KG, Beschl. v. 1.3.2007 – 8 W 66/06, KGReport Berlin 2007, 759; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86, JurBüro 1987, 401 m. Anm. Mümmler; kritisch auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJWRR 2009, 864. 9 LG Hamburg, Beschl. v. 7.1.1991 – 307 T 179/90, WM 1993, 477.

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Klage und Widerklage

2. Teil

ZPO

Widerklage die Rückzahlung bereits erbrachter Anzahlungen begehrt wird1 oder wenn in der Annahme der Vertragsnichtigkeit auf Rückzahlung des Kaufpreises geklagt und Widerklage auf Vornahme der zur Eigentumsübertragung erforderlichen Handlungen erhoben wird,2 ferner wenn gegenüber einer Klage auf Herausgabe widerklagend Zahlung des Werklohnes Zug um Zug gegen Herausgabe erhoben wird.3 Ungeeignet erscheint es auch, die Identitätsformel des RG nur dann nicht anzuwenden, wenn „Teil- 2.2526 ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis“ geltend gemacht werden.4 Zwar ist zutreffend, dass in den damit bezeichneten Sachverhalten eine Addition trotz materiell-rechtlicher Abhängigkeit zu bejahen ist. Hingegen bleiben additionsfähige Sachverhalte nicht erfasst. Denn wird gegenüber der Abänderungsklage auf Zahlung erhöhten Unterhalts widerklagend die Herabsetzung der titulierten Unterhaltsverpflichtung verlangt5 oder sind Klage und Widerklage auf Zahlung von Zugewinnausgleich gerichtet,6 kann von „Teilansprüchen“ nicht ausgegangen werden. Vielmehr repräsentieren beide Klagebegehren – aus Sicht der jeweiligen Partei – das gesamte Rechtsverhältnis. Hier ist jeweils eine Addition geboten.7 Maßgebend für die Streitwertberechnung ist daher ebenso wie bei der Bewertung der Klagehäufung 2.2527 allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das beiderseitige Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.8 Eine Wertaddition ist demgegenüber grundsätzlich dort vorzunehmen, wo „durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.9 Der Annahme desselben Gegenstandes steht nicht entgegen, dass die Widerklage sich neben dem Kläger gegen weitere Streitgenossen10 oder, etwa bei einer Klage aus abgetretenem Recht, sich allein gegen den Zedenten (sog. isolierte Drittwiderklage) richtet.

1 BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 262712 – Leasingvertrag; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.1.1979 – 4 W 78/78, JurBüro 1979, 252; OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983, 105 = AnwBl. 1983, 89; OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.1983 – 1 W 50/83, AnwBl. 1984, 205. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.1975 – 2 U 212/74, NJW 1976, 247. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, AGS 2000, 230. 4 So aber BGH, Beschl. v. 16.5.2019 – I ZB 46/18, MDR 2019, 1025 = JurBüro 2019, 423; BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 262712 – Leasingvertrag; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.1981 – 4 WF 437/80, JurBüro 1981, 737 m. Anm. Mümmler = FamRZ 1981, 809; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203 – beide Wertaddition. 6 OLG Koblenz, Beschl. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84: keine Wertaddition; OLG München, Beschl. v. 25.10.2006 – 12 WF 1613/06, AGS 2007, 364; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.3.2006 – 18 WF 71/06, AGS 2007, 47. 7 N. Schneider, FamRB 2002, 379. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.1975 – 2 U 212/74, NJW 1976, 247; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, MDR 1988, 1067; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241; LAG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.1992 – 8 Ta 120/91, JurBüro 1992, 626 m. Anm. Mümmler; offen lassend noch in Beschl. v. 12.2.1991 – 8 Ta 10/91, JurBüro 1991, 1506; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 288; N. Schneider, MDR 2003, 237, Anm. zu OLG Düsseldorf v. 14.11.2202 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236. Zumindest auch auf wirtschaftliche Identität abstellend: LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/00, JurBüro 2001, 95; wohl auch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJWRR 2005, 506; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 9.9.1993 – 14 WF 73/93, MDR 1994, 316. 9 Insoweit zutr. BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506, der jedoch für die Feststellung der Werthäufung wiederum die Identitätsformel heranzieht; kumulativ auf das(selbe) wirtschaftliche Interesse abstellend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJW-RR 2009, 864; zur abweichenden Bewertung bei Streitigkeiten nach dem UrhG BGH, ZuM 2019, 134. 10 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85.

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2. Teil

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Klage und Widerklage

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II. Identität des Gegenstands 2.2529 Betreffen Klage und Widerklage denselben Gegenstand, kommt eine Zusammenrechnung ihrer Werte nicht in Betracht, maßgeblich ist vielmehr der Wert des höheren Anspruchs. Von wirtschaftlich identischen Ansprüchen ist unproblematisch in den Fällen auszugehen, in denen der Gegenstand von Klage und Widerklage eine körperliche Ausprägung findet bzw. auf dessen Wert gerichtet ist oder die Erfüllung bzw. den Bestand ein und derselben vertraglichen Leistungspflicht zum Inhalt hat. In folgenden Konstellationen scheidet daher eine Wertaddition aus: – Der auf Besitzschutzansprüche gestützten Herausgabeklage wird mit einer petitorischen auf Rückgabe gerichteten Widerklage begegnet; hier ist das Interesse der Parteien auf Herausgabe derselben Sache gerichtet. – Beide Parteien beantragen mit Klage und Widerklage wechselseitig die Verurteilung des Gegners zur Einwilligung in die Auszahlung desselben Bausparguthabens1 oder Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages.2 – Zahlungsklage sowie nachfolgende vorläufige Vollstreckung aus einem stattgebenden Urteil und Widerklage auf (natürlich nur wertmäßige) Erstattung des vorläufig vollstreckten Klagebetrages gem. § 717 Abs. 2 ZPO. Hier geht es wirtschaftlich um denselben Betrag. Anders liegt es hingegen, wenn im Nachverfahren Widerklage auf Ersatz des weiter gehenden Schadens erhoben wird. Dann sind die Werte von Klage und Widerklage zusammenzurechnen.3 – Der Vermieter klagt auf Räumung einer Mietwohnung und der Mieter erhebt Widerklage mit dem Ziel der Verurteilung des Klägers zur Fortsetzung des Mietverhältnisses über dieselbe Wohnung4 oder auf Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses.5 Hier haben Klage und Widerklage die Berechtigung zur künftigen Nutzung (tatsächlichen Sachherrschaft) derselben Wohnung zum Gegenstand. – In gleicher Weise ist zu bewerten, d.h. eine Addition scheidet aus, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung bzw. der Fortdauer des Mietverhältnisses und die (Dritt-)Widerklage auf Räumung gerichtet sind.6 – Ebenso liegt es, wenn der Mieter auf die Räumungsklage des Vermieters im Wege der Widerklage gem. § 556a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses für eine angemessene Dauer verlangt.7 – Nicht zusammenzurechnen ist bei einer die Wirksamkeit einer einseitigen Mieterhöhung betreffenden negativen Feststellungsklage des Mieters und Widerklage des Vermieters auf Zahlung des rückständigen Erhöhungsbetrages. Hier ist gem: § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete maßgebend, außer Rückstände übersteigen diesen.8 – Dies gilt auch für die Klage des Verkäufers auf Herausgabe eines nicht bezahlten Pkw und Widerklage des Käufers auf Herausgabe des dazugehörigen Fahrzeugbriefes. Denn die Parteien streiten wirtschaftlich über das Eigentum an demselben Fahrzeug, so dass eine Wertaddition ausscheidet.9 In gleicher Weise ist bei einer Klage des Leasinggebers auf Herausgabe des Leasingfahrzeugs nach 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868. KG, Rpfleger 1962, 120. LG Gießen, AnwBl. 1954, 89. OLG München, Beschl. v. 22.1.2019 – 32 W 1907/18; OLG München, Beschl. v. 22.7.1988 – 21 W 3002/88, JurBüro 1989, 852. Meyer, JurBüro 1999, 74. OLG München, Beschl. v. 18.5.2010 – 32 W 1288/10. LG Dortmund, ZMR 1964, 320 = WM 1964, 111; s. § 16 Abs. 3 GKG. BGH, Beschl. v. 17.12.2014 – VIII ZR 89/13, AGS 2015, 454. OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2019 – 13 W 2775/19, MDR 2020, 126; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100.

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Klage und Widerklage

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2. Teil

– Auch bei der Klage auf Feststellung der unbefristeten Fortdauer eines Arbeitsverhältnisses und Widerklage auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten (Kündigungs-)Zeitpunkt geht es in beiden Klagen um den Fortbestand desselben Arbeitsverhältnisses.2 – Klage auf Eintragung einer Höchstbetragshypothek zur Sicherung einer Werklohnforderung und die Widerklage auf Löschung der Vormerkung für diese Sicherungshypothek betreffen denselben Gegenstand, da sie der Sicherung derselben Forderung dienen.3 – Klage auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung (§ 767 ZPO) aus einer notariellen Urkunde, in der sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung hinsichtlich einer (Rück-)Zahlungsverpflichtung unterworfen hat, unter Hinweis auf fehlende Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung und Widerklage auf Rückzahlung des darlehensweise hingegebenen Zahlungsbetrages aus ungerechtfertigter Bereicherung.4 Hier sind beide Klagebegehren auf die Durchsetzung bzw. Abwendung derselben Zahlungsverpflichtung gerichtet. – Ebenso ist zu bewerten, wenn gegenüber einer Drittwiderspruchsklage mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung in ein Fahrzeug für unzulässig zu erklären, eine Widerklage auf Herausgabe des Fahrzeuges an den Gerichtsvollzieher erhoben wird. Hier betreffen beide Klagen die Sachherrschaft an demselben Gegenstand der Zwangsvollstreckung.5 – Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Sicherheitshypothek und Widerklage auf Löschung der Hypothek betreffen wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand. Dem widerspricht, entgegen der Ansicht des OLG Celle6 nicht, dass der Beklagte ein über die Abweisung der Klage hinausgehendes Interesse hat. Denn diesem Umstand wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass sich der Streitwert nach dem aus diesem Grunde höheren Wert der Widerklage bestimmt. – Die von dem Kläger begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtung eines Kaufvertrages – die richtigerweise die Feststellung der Gültigkeit dieses Vertrages bedeutet – schließt den von dem Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Leistungsanspruch auf Rückgabe des Kaufgegenstandes aus; es liegt eine wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände vor.7 – Klage auf Gewährung von Versicherungsschutz und Widerklage auf Rückzahlung des für den Versicherungsnehmer in Ansehung des Dritten Geleisteten sind nach dem einfachen Wert zu berechnen,8 denn Gegenstand beider Klagebegehren ist der Bestand derselben vertraglichen Leistungspflicht (nur) einer Vertragspartei (hier: Deckungsschutz). – Ebenso liegt es, wenn die Klage auf Zahlung eines Kaufpreisrestes mit der Widerklage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung einer sich über den Kaufpreisanspruch verhaltenden notariellen Urkunde zusammentrifft9 oder auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages.10 Auch 1 LAG, Beschl. v. 13.10.2020 – 2 Ta 260/20; unzutreffend daher OLG München, Beschl. v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984, das unter Missachtung von § 6 ZPO das Interesse des Klägers am Besitz und des Beklagten am Eigentum des Gegenstandes zusammenrechnet. 2 LAG Baden-Württemberg, JurBüro 1991, 753. 3 OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 543. 4 OLG Dresden, Urt. v. 15.11.2002 – 8 U 2987/01, VuR 2003, 70; OLG Celle, JurBüro 1990, 518; OLG Celle, Beschl. v. 18.4.2000 – 4 W 94/00, OLGR 2000, 247. 5 A.A. LG Saarbrücken, Beschl. v. 8.10.1988 – 5 T 588/98, JurBüro 1999, 309. 6 A.A. OLG Celle, Beschl. v. 17.5.2000 – 4 W 101/00, OLGR 2000, 271. 7 KG, Rpfleger 1962, 120. 8 OLG Köln, VersR 1966, 769. 9 KG, JurBüro 1981, 261. 10 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657 = NJW-RR 2006, 378; BGH, Beschl. v. 30.1.1992 – IX ZR 222/91, NJW-RR 1992, 1404.

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Vertragsbeendigung und der auf Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Widerklage des Leasingnehmers zu bewerten.1

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2. Teil

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Klage und Widerklage

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hier steht allein der Bestand einer vertraglichen Hauptleistungspflicht im Streit, so dass keine Zusammenrechnung erfolgt. – Dies gilt auch für eine Klage auf Gewährleistung und Widerklage auf Herausgabe der dafür ausgestellten Bürgschaftsurkunde,1 einheitlicher Gegenstand ist hier die Verpflichtung einer Vertragspartei zur Gewährleistung. – Dem entspricht die Fallgestaltung, in der auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde geklagt und Widerklage auf Schadensersatz aus Pachtverhältnis erhoben wird.2 – Klage auf Werklohnzahlung und Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen einzelner Mängel des Gewerks gem. § 13 Nr. 7 VOB/B bzw. § 635 BGB a.F.3 oder auf Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung gem. § 637 Abs. 3 BGB,4 da nach der Differenztheorie letztlich nur der Umfang des Vergütungsanspruchs betroffen ist. Eine Zusammenrechnung ist jedoch geboten, wenn widerklagend Schadensersatz wegen Verzuges mit der Fertigstellung (§ 286 BGB) geltend gemacht wird5 (s. hierzu auch bei den Stichwörtern „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff. und „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.). – Wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände, wenn gegenüber der negativen Feststellungsklage eine Widerklage erhoben wird, mit der nur Teile des Anspruchs geltend gemacht werden, dessen Inhaberschaft sich der Beklagte vorgerichtlich berühmt hat.6 Gleiches gilt für die Schadensersatzklage des Zessionars und der Drittwiderklage gegen den Zedenten auf negative Feststellung, dass diesem keine Ersatzansprüche zustehen.7

III. Verschiedenheit der Gegenstände 2.2530 Betreffen Klage und Widerklage unterschiedliche Gegenstände, bleibt es bei der Zusammenrechnung der Werte gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.).

2.2531 Wirtschaftlich betrachtet, ist von verschiedenen Gegenständen und damit von der Notwendigkeit einer Wertaddition in den Fällen auszugehen, in denen Klage und Widerklage trotz gleichem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zeitlich, inhaber- oder gesamtbetragsbezogen unterschiedliche Vermögenspositionen bzw. Ansprüche betreffen: – Verlangt nach einem Verkehrsunfall jeder Beteiligte seinen eigenen Schaden mit Klage und Widerklage, sind die Einzelwerte zu addieren.8 Dass materiell-rechtlich gleich gelagerte Fragestellungen, etwa Unabwendbarkeit (§ 17 Abs. 3 StVG), dazu führen können, dass die Zuerkennung des einen Klagebegehrens zur Abweisung des anderen führen muss, ändert nichts an der Notwendigkeit der Wertaddition. Denn im Streit steht nicht der Verkehrsunfall, sondern die – inhaberbezogen – unter-

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1988, 427; OLG Stuttgart v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2016 – 9 W 8/15, NJW-RR 2016, 1215 = AGS 2016, 520; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, JurBüro 2005, 542 = MDR 2005, 1223. 4 OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1993 – 12 U 183/92, OLGR 1994, 194 – zu § 633 Abs. 3 BGB a.F.; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 21.12.1994 – 16 W 66/94, OLGR 1995, 274; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255 m. Anm. E. Schneider. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223. 6 BGH, Beschl. v. 9.6.2015 – IX ZR 257/14; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 859. 7 BGH, Beschl. v. 17.12.2015 – III ZB 61/15, AGS 2016, 61; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 W 38/14. 8 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241.

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Klage und Widerklage

S. 601 von 1232 Druckdaten

2. Teil

– In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn gegenüber einer auf Rückabwicklung eines Vertrages gerichteten Klage mit der Widerklage die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt wird. Die hier als Hauptforderung geltend gemachten Kosten sind streitwerterhöhend zu berücksichtigen.2 – Der Klage auf erhöhende Abänderung eines Unterhaltstitels wird eine Widerklage auf Herabsetzung des titulierten Betrages entgegengesetzt; beide Klagen betreffen verschiedene Teile des materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruchs, so dass die Werte zu addieren sind.3 Beide Klagen betreffen voneinander verschiedene Teile eines (monatlich zu zahlenden) streitigen Gesamtbetrages. Dies als „verschiedene Teile eines materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruchs“ zu bewerten, übersieht, dass materiell-rechtlich der Unterhaltsanspruch nur in einer bestimmten Höhe besteht, die darüber hinausgehende Klageforderung also nicht mehr dessen „Teil“ sein kann.4 – Ebenso liegt es, wenn beide Ehegatten mit Klage und Widerklage wechselseitig einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen.5 – Eine Wertaddition erfolgt ebenfalls bei einer Klage auf Auflassung von Grundeigentum und Widerklage auf Zahlung des restlichen Kaufpreises,6 denn die Parteien streiten hier über den Bestand wechselseitiger vertraglicher Verpflichtungen. Auf deren Erfüllung ist das jeweilige Klagebegehren (Interesse) gerichtet. Dass der Geldwert dieser Verpflichtungen bei einer Saldierung den höheren Wert der Einzelverpflichtung nicht übersteigen kann, ist – wie auch sonst, etwa bei Zurückbehaltungsrecht (s. unter dem Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1681) – unerheblich.7 – Dies gilt auch bei einer Klage auf Kaufpreiszahlung Zug-um-Zug gegen Lieferung der Kaufsache mit der Eigenschaft × und Widerklage auf Lieferung der Kaufsache mit der Eigenschaft y8 oder wenn der Kläger die Auflassung verkauften Wohneigentums verlangt und der Beklagte Widerklage auf Restkaufpreiszahlung erhebt. In beiden Fällen betreffen Klage und Widerklage nicht denselben Gegenstand.9

1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2019 – 1 U 19/19, AGS 2019, 518, a.A. OLG Celle, Urt. v. 23.1.20208 – 14 U 98/07. 2 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07; OLG Rostock, Beschl. v. 29.5.2012 – 1 W 84/10, JurBüro 2013, 194. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.8.1994 – 2 UF 140/93, FamRZ 1995, 492; OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.1981 – 4 WF 437/80, JurBüro 1981, 737 m. Anm. Mümmler; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203; OLG Köln, Beschl. v. 18.11.1993 – 21 WF 86/92, OLGR 1994, 102; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.1.2004 – 14 UF 258/03, JurBüro 2004, 379; OLG München, Beschl. v. 25.10.2006 – 12 WF 1613/06, FamRZ 2007, 750; vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, MDR 1998, 64, OLGR 1997, 364: Stufenklage betr. höheren Unterhalts und Widerklage auf Herabsetzung bereits titulierten Unterhalts. 4 So auch OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.8.1994 – 2 UF 140/93, FamRZ 1995, 492; OLG Köln, Beschl. v. 5.3.2001 – 14 WF 24/01, MDR 2001, 941; OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2000 – 25 WF 108/00, OLGR 2001, 9; OLG Köln, Beschl. v. 18.11.1993 – 21 W 86/92, OLGR 1994, 102; OLG München, Beschl. v. 16.1.1996 – 26 WF 1270/95, FamRZ 1997, 41; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.3.2006 – 18 WF 71/06, AGS 2007, 47; N. Schneider, MDR 2003, 237 – Anm. zu OLG Düsseldorf v. 14.11.2202 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; N. Schneider, FamRB 2002, 379 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84, JurBüro 1985, 917; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.1993 – 14 WF 73/93, MDR 1994, 316. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988, MDR 1988, 1067. 7 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, OLGR 2000, 306. 8 A.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.3.1996 – 2 W 2/96, JurBüro 1997, 316. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 17.7.2002 – 2 W 1/02, OLGR 2002, 427.

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schiedlichen Vermögenseinbußen. Gleiches gilt, wenn die Unfallbeteiligten mit wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln eine Erhöhung der vorinstanzlichen Haftungsquote des Gegners anstreben.1

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ZPO

2. Teil

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Klage und Widerklage

– Daher ist auch bei einem Klagebegehren auf Herausgabe einer Sache und einer auf Zahlung von Werklohn Zug-um-Zug gegen Herausgabe derselben Sache gerichteten Widerklage eine Zusammenrechnung der Einzelwerte geboten.1 – Dies gilt auch, wenn mit der Klage Zahlung der restlichen Vergütung und mit der Widerklage, etwa aufgrund einer Anfechtung, bereits erbrachte vertragliche Leistungen, beispielsweise eine Anzahlung, zurückverlangt werden.2 Zwar wird auch hier (wie unter Rz. 2.2529) allein über den Bestand einer vertraglichen Leistungsverpflichtung gestritten, deren Geldeswert wird jedoch erst durch die Addition von Klage und Widerklage vollständig erfasst, da diese nur auf nicht identische Teilbeträge derselben Leistungsverpflichtung gerichtet sind. – Verteidigt sich der Beklagte gegen eine auf Mietzahlung gerichtete Klage mit dem Einwand der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) und erhebt wegen desselben Mangels Widerklage auf Rückzahlung für vorhergehende Zeiträume überzahlter Miete, liegen verschiedene Gegenstände vor.3 – Ebenso ist zusammenzurechnen, wenn der Vermieter nach Abrechnung Zahlung noch offener Nebenkosten und der Mieter widerklagend die Rückzahlung seiner Vorauszahlung verlangt.4 – Diese Fallgestaltung kann auch bei einer schadensersatzrechtlichen Auseinandersetzung auftreten, etwa wenn der Kläger restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall verlangt und der Beklagte Widerklage auf Rückzahlung vorprozessual bereits geleisteter Beträge erhebt.5

2.2532 Ferner ist von verschiedenen Gegenständen auszugehen und eine Wertaddition vorzunehmen, wenn der Bestand wechselseitiger, nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehender vertraglicher Leistungspflichten im Streit steht: – So ist zusammenzurechnen, wenn auf Feststellung geklagt wird, dass kein Recht zur Mietminderung bestehe, und der Beklagte Widerklage auf Schadensersatz wegen desselben (streitigen) Mangels der Mietsache erhebt.6 Auch wenn den Ansprüchen derselbe Mangel zugrunde liegt, sind doch unterschiedliche Vermögenspositionen betroffen. – Ebenso liegt es, wenn der Eigentümer gegen den Inhaber einer Reparaturwerkstatt auf Herausgabe seines Fahrzeuges klagt und dieser Widerklage auf Werklohnzahlung wegen Arbeiten an diesem Fahrzeug erhebt.7 Denn das Nutzungsinteresse des Klägers ist nicht identisch mit dem Vergütungsinteresse des Beklagten, daher erfolgt eine Zusammenrechnung der Werte. – Dies gilt auch bei einer Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz.8 – Die Klage auf Auflösung einer GmbH und die Widerklage auf Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH betreffen nicht denselben Streitgegenstand; ihre Streitwerte müssen daher bei der Kostenberechnung zusammengerechnet werden.9

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, OLGR 2000, 306. 2 BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 261/12, MDR 2014, 564; OLG Bamberg, Beschl. 18.3.2015 – 2 U 2/14, AGS 2015, 194; OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1985 – 3 W 46/85, JurBüro 1985, 1212; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983, 105. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, AGS 2009, 42; LG Hamburg, Beschl. v. 7.1.1991 – 307 T 179/90, WM 1993, 477. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, AGS 2009, 42. 5 LG Berlin, Beschl. v. 10.6.1988 – 82 T 316/88. 6 So auch Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Widerklage“ Rz. 6; a.A. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = JurBüro 2004, 378. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 12.9.1989 – 26 W 25/89, Rpfleger 1990, 40. 8 BGHZ 43, 33; LG München, JurBüro 1950, 46. 9 OLG Düsseldorf, NJW 1966, 1569.

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S. 602 von 1232 Druckdaten

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Klageänderung

S. 603 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Die Beschwer der gerichtlichen Entscheidung ist für jede Partei getrennt zu bestimmen. Werden Klage und Widerklage zuerkannt oder abgewiesen, ist jede Partei nur einfach beschwert. Wird der Klage unter Abweisung der Widerklage stattgegeben oder die Klage unter Stattgabe der Widerklage abgewiesen, sind – verschiedene Gegenstände der Klagebegehren vorausgesetzt – deren Werte zusammenzurechnen.

2.2533

§ 5 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, da er nach allgemeiner Meinung auf die Berechnung der Beschwer keine Anwendung findet. Vielmehr will § 5 Halbs. 2 ZPO verhindern, dass der Beklagte mit der Erhebung der Widerklage die Zuständigkeit eines anderen Gerichts erzwingen kann, während die Beschwer sich nach dem Umfang des Unterliegens bemisst und daher an den Ausgang von Klage und Widerklage anknüpfen muss.1

2.2534

Das Additionsgebot ergibt sich aus und nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.). Obwohl diese Vorschrift formal nur für den Gebührenwert gilt, handelt es sich doch tatsächlich um die Grundregel für die Ermittlung der materiellen Beschwer. Gebührenstreitwert und Beschwer unterliegen hier denselben Bewertungsgrundsätzen.2

2.2535

E. Vergleich Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so ist zu addieren, wenn die streitwertmäßig selbständige Widerklageforderung in den Vergleich einbezogen wird.3

2.2536

Klageänderung Literatur: Liebheit, Streitwert nach einer Klageänderung, JuS 2001, 687 ff.

A. Allgemeines Der klägerische Angriff wird bestimmt durch den (zweigliedrigen) Streitgegenstand, der nach zutr. Ansicht zugleich die Beteiligten des Prozessrechtsverhältnisses (Parteien) definiert. Änderungen des Streitgegenstandes sind in dreifacher Hinsicht möglich:

2.2537

– unter Beibehaltung des bisherigen Sachverhalts wird ein neuer Antrag gestellt, – der bisherige Antrag wird mit einem (völlig) neuen Sachverhalt begründet, – ein neuer Antrag wird mit einem (völlig) neuen Sachverhalt begründet.

2.2538

Bezüglich des Verhältnisses der Änderung zum bisherigen Streitgegenstand gilt Folgendes: 1 BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198; BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2 Klage und Widerklage Nr. 1; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.1992 – 6 U 134/92, NJW-RR 1993, 827; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Widerklage“ Rz. 4; E. Schneider, NJW 1992, 2680; a.A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.5.1992 – 11 U 81/91, MDR 1993, 143 = NJW 1992, 3246 – zu Unrecht allein auf den Wortlaut von § 2 ZPO abstellend. 2 Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 22. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459 – das aber zu Unrecht die Widerklageforderung nicht nach der Höhe der Berühmung beziffert, sondern nach § 3 ZPO frei schätzt; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95 – Hilfswiderklage.

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ZPO

D. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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Klageänderung

ZPO

– Wird der bisherige Streitgegenstand vollständig ausgetauscht, handelt es sich um einen Klagewechsel. Hierzu zählt nach überwiegender Ansicht auch der Parteiwechsel.1 – Wird hingegen der bisherige Streitgegenstand (nur) um einen weiteren Streitgegenstand ergänzt, reden wir von einer (objektiven oder subjektiven) nachträglichen Klagehäufung, auf welche die Vorschriften der Klageänderung entsprechend anzuwenden sind.2 – Wird schließlich der bisherige Streitgegenstand hinsichtlich der Antragstellung nur reduziert oder erweitert (sog. Antragsänderung), liegt zwar eine objektive Klageänderung vor, die jedoch gem. § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klageänderung (§ 263 ZPO) unterliegt.

2.2539 Von alldem zu unterscheiden ist die bloße Klageberichtigung, d.h. die Beseitigung von Unklarheiten betreffend den Antrag, den Sachverhalt oder die Parteien (Klage- bzw. Parteiberichtigung). Diese unterliegt keinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, arg. § 264 Nr. 1 ZPO, und hat keine Auswirkungen auf den Streitwert.

2.2540 Eine wirksame und damit streitwertrelevante Vornahme der Klageänderung ist nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich, arg. §§ 297, 308 Abs. 1 ZPO.3 Der für die (neue) Wertberechnung nach § 4 ZPO, § 40 GKG maßgebliche Zeitpunkt ist der Tag des Eingangs des die Klageerweiterung oder die Beschränkung des Klageantrages ankündigenden Schriftsatzes.4

2.2541 Eine Beeinflussung des bisherigen Streitwertes scheidet aus, wenn eine Klageänderung als unzulässig zurückgewiesen5 oder eine zweitinstanzlich vorgenommene Klageerweiterung nicht zugelassen wird.6 Hier wird nicht die (neue) Klage, sondern der Wechsel von einem prozessualen Anspruch zum anderen als unzulässig zurückgewiesen.7

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.2542 Auf eine einmal begründete Zuständigkeit des LG bleiben Veränderungen des Streitgegenstandes ohne Einfluss, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Dies gilt nach einhelliger Ansicht auch dann, wenn – hier infolge einer Klageänderung – der neue oder verbleibende prozessuale Anspruch in die sachliche Zuständigkeit des AG fiele.

2.2543 Führt die Änderung einer vor dem AG erhobenen Klage, sei es durch Klageerweiterung, (echte) Klageänderung oder eine nachträgliche Klagehäufung, zu einem die sachliche Zuständigkeit des LG begründenden Streitwert, gelten die §§ 504, 506 ZPO. Der Rechtsstreit ist auf Antrag einer der Parteien an das zuständige LG zu verweisen. 1 Offenlassend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.1998 – 2 WF 169/97, OLGR 1999, 124, das jedoch bei einem Parteiwechsel rechtsfehlerhaft eine Streitgegenstandsänderung verneint. 2 BGH, Urt. v. 17.4.1986 – III ZR 246/84, NJW-RR 1987, 59; BGH, Beschl. v. 10.1.1985 – III ZR 93/83, MDR 1985, 741 = NJW 1985, 1841. 3 BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 152/08, MDR 2009, 824 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 9.7.1997 – IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579; zweifelnd OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127, das aber verkennt, dass eine unwirksame Klageerweiterung keine Anhängigkeit begründen kann und daher auch nicht beschieden werden muss. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.10.2017 – 8 W 31/17, MDR 2018, 302; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 7.1.2013 – 6 W 51/12, MDR 2013, 624; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579. 6 OLG Schleswig, Beschl. 22.6.2001 – 5 U 87/91, AGS 2002, 64. 7 Unzutr. daher OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.9.2016 – 1 U 21/16, dass auf die (Un)Zulässigkeit des erweiternden Klageantrages abstellt.

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Klageänderung

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2. Teil

ZPO

C. Gebührenstreitwert I. Zeitliche gestaffelte Wertfestsetzung Die Klageänderung führt zu einer Änderung des zu bewertenden Streitgegenstandes. Hat diese eine Wertminderung oder -erhöhung zur Folge, dann ist – aufgrund der bereits mit Antragstellung anfallenden Gebühren – für den Streitwert der gerichtlichen Gebühren nur die Werterhöhung von Bedeutung. Denn dem GKG ist in seiner heutigen Fassung eine Reduzierung des Gebührenstreitwertes im Verlauf des Verfahrens fremd.1

2.2544

Für die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallenden anwaltlichen Gebühren bedarf es dagegen (auf Antrag) einer zeitlich gestaffelten Festsetzung des Gegenstandswerts.2 Nur so kann sichergestellt werden, dass die nach Klageänderung anfallenden Gebühren nach dem zutreffenden, d.h. an dem neuen prozessualen Anspruch zu bestimmenden Wert, berechnet werden. Mit der zeitlichen Staffelung des Gegenstandswertes sind jedoch nicht alle Fragen beantwortet.

2.2545

Zwar entspricht der Streitwert für den Zeitraum nach Klageänderung nach einhelliger Auffassung 2.2546 dem Wert des neuen prozessualen Anspruchs. Damit ist aber nichts dafür gewonnen, wie sich der Streitwert für die Gebührentatbestände bemisst, welche die gerichtliche bzw. anwaltliche Tätigkeit in den Zeiträumen vor und nach Klageänderung einheitlich erfassen. Hierzu zählen namentlich die gerichtlichen und anwaltlichen Verfahrensgebühren. Richtigerweise dürfen deshalb die Werte der vor und nach Klageänderung geltend gemachten Ansprüche weder undifferenziert zusammengerechnet werden, noch ist zutreffend, einfach den höheren Wert zugrunde zu legen.3

II. Klagehäufung und Antragsänderung Von den unter Ziffer A. dargestellten Fallgruppen bereiten die nachträgliche (objektive und subjektive) Klagehäufung und die Antragsänderung jedoch insoweit streitwertrechtlich keine Bewertungsprobleme. – Die Antragsänderung, also die Klageerhöhung oder -reduzierung, führt zu einem erhöhten bzw. verringerten Streitwert ab Eingang des antragsändernden Schriftsatzes. So liegt es etwa, wenn der Kläger bei einer Vorschussklage gem. § 637 BGB die Kosten der Ersatzvornahme erst mit 5.000 t, nach Einholung eines Kostenvoranschlages dann mit 7.500 t beziffert und seinen Klageantrag entsprechend erweitert. Hier ist der Streitwert für den Zeitraum vor und nach Klageerweiterung festzusetzen, wenn in den Zeitabschnitten voneinander verschiedene Gebühren (z.B. Verfahrens- und Terminsgebühr gem. Nrn. 3100, 3104 VV RVG) angefallen sind. Wird die Klageerhöhung indes nicht zugelassen, weitet sie sich nicht auf die Höhe des Streitwerts aus.4 – Dies gilt auch bei einer nachträglichen Klagehäufung, wenn beispielsweise der Kläger neben der rückständigen Miete für Januar i.H.v. 1.000 t, nunmehr auch Zahlung der Miete für Februar und damit nunmehr 2.000 t verlangt. Eine Addition hat jedoch zu unterbleiben, wenn die Ansprüche wirtschaftlich (teil-)identisch sind, arg. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921.

1 OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306 – für den Wechsel von Zahlungsklage auf Feststellung zur Insolvenztabelle; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.2.1994 – 5 W 33/93, OLGR 1994, 72 – für die Klageerweiterung bei gleichzeitiger Teilerledigung. 3 So aber OLG Bamberg, JurBüro 1985, 740. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2001 – 5 U 87/01, AGS 2002, 64.

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2. Teil

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Klageänderung

ZPO

III. Klagewechsel 2.2548 Schwieriger ist die Bewertung des Klagewechsels, also des vollständigen Austauschs der Streitgegenstände. Nach überwiegender Ansicht können die Werte der prozessualen Ansprüche schon deswegen nicht zusammengerechnet werden, weil sie nicht nebeneinander, sondern nur nacheinander geltend gemacht werden. Erforderlich sei allenfalls eine nach Zeiträumen gestaffelte Wertfestsetzung, wenn die Streitgegenstände unterschiedliche Einzelwerte aufwiesen.1

2.2549 Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Richtigerweise ist zu unterscheiden: – Handelt es sich um einen Austausch wirtschaftlich identischer Ansprüche (Streitgegenstand), verbleibt es beim bisherigen Streitwert. So liegt es etwa, wenn der Kläger zunächst auf Zahlung von 1.000 t aus eigenem Recht klagt und nach einer Rüge der Aktivlegitimation das Zahlungsverlangen auf eine Abtretung stützt. Hier liegt zwar eine Klageänderung vor,2 einer Zusammenrechnung der Einzelwerte steht jedoch schon entgegen, dass beide Gegenstände (wirtschaftlich) denselben Gegenstand betreffen. Ebenso ist zu bewerten, wenn der Kläger von der Rückabwicklungs- zur Schadensersatzklage, von der Auskunfts- zur Zahlungsklage oder von der Zahlungs- zur Freistellungsklage übergeht. Das Gleiche gilt für die Auswechslung des Beklagten bei gleich bleibendem Klageantrag.3 – Der Austausch wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände erfordert demgegenüber für bestimmte Gebühren eine Zusammenrechnung der Einzelwerte.4 Eine derartige Konstellation ist beispielsweise gegeben, wenn der Kläger den prozessualen Anspruch austauscht (Zahlung von 10.000 t Schmerzensgeld statt 10.000 t Reparaturkosten) oder seine Klage (teilweise) zurücknimmt und zugleich erweitert bzw. einen neuen Streitgegenstand in den Prozess einführt.5 Ebenso liegt es bei einer Klageerweiterung oder -häufung nach einer übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Parteien.6 Hiervon ist beispielsweise bei einer zunächst auf Zahlung von Schadensersatz (10.000 t Reparaturkosten) gerichteten Klage auszugehen, die aufgrund der außergerichtlichen Begleichung einer Schadensposition (2.000 t) zurückgenommen oder (übereinstimmend) für erledigt erklärt und um die in dieser Höhe neue Schadensposition (4.000 t Schmerzensgeld) erweitert wird. In allen Fällen sind für die Verfahrensgebühren (Nr. 1210 KV GKG, Nr. 3100 VV RVG) die Werte des bisherigen und des neuen Anspruchs zu addieren (10.000 + 10.000 bzw. 10.000 + 1 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2012 – 17 W 1/12, SchlHA 2012, 263: anderenfalls „unnötige Verkomplizierung“; OLG Dresden, Beschl. v. 3.2.2017 – 22 W 101/17, AGS 2017, 335; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.8.2010 – 24 W 9/10, AGS 2011, 86; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.12.2011 – 4 W 74/11, MDR 2012, 314; KG, Rpfleger 1968, 289; OLG Dresden, Beschl. v. 29.12.2006 – 5 W 1517/06, JurBüro 2007, 315; OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.3.2009 – 3 W 3/09, AGS 2009, 247; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.2.1994 – 5 W 33/93, OLGR 1994, 72; OLG München, Beschl. v. 29.6.1994 – 11 WF 797/94, MDR 1994, 948, OLGR 1994, 15. 2 Insoweit zutr. OLG Dresden, Beschl. v. 3.2.2017 – 22 W 101/17, AGS 2017, 335; Zöller/Greger, § 263 ZPO Rz. 7. 3 Zutr. LG Itzehoe, Beschl. v. 10.3.2009 – 11 S 30/08, ZMR 2009, 479. 4 Zustimmend OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2015 – 2 W 132/15, MDR 2015, 912, MDR 2015912; KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, MDR 2008, 173; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2007 – 21 W 50/06, AGS 2007, 516; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.12.2005 – 5 W 829/05, WuM 2006, 45; OLG München, Urt. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.11.2019 – 7 OA 35/19; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.11.2014 – 5 Ta 125/14, AGS 2014, 562; LAG Sachsen, Beschl. v. 21.10.2016 – 4 Ta 168/16, AGS 2017, 339. 5 KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, MDR 2008, 173; OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, MDR 2017, 243, AGS 2017, 336; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374; LAG Sachsen, Beschl. v. 21.10.2016 – 4 Ta 168/16, AGS 2017, 339. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1655; OLG Celle, JurBüro 1986, 741; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2007 – 21 W 50/06, AGS 2007, 516; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; OLG Koblenz, AGS 2007, 151; Liebheit, JuS 2001, 687, 688 f.; s. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, JurBüro 2001, 313 – Teilvergleich nach Erlass eines Versäumnisurteils und späterer Klageerweiterung.

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Klageänderung

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2. Teil

Ausgangspunkt der Bewertung ist § 39 Abs. 1 GKG. Hiernach werden die in einem Verfahren geltend gemachten (wirtschaftlich nicht identischen) Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nicht etwas Abweichendes bestimmt ist.

2.2550

Dass es für eine Addition der zeitgleichen Anhängigkeit der Streitgegenstände bedarf, ist weder den 2.2551 §§ 39 ff. GKG zu entnehmen, noch würde dies zu tragfähigen Ergebnissen führen. Vielmehr berechnen sich die gerichtliche und anwaltliche Verfahrensgebühr nach der Summe der Werte des bisherigen und künftigen Streitgegenstandes. Voraussetzung für die Wertaddition ist nicht, dass die zu bewertenden Ansprüche „nebeneinander geltend gemacht werden“,1 sondern dass sie „nebeneinander bestehen können“.2 Denn allein bei hilfsweise erhobenen (bzw. zur Aufrechnung gestellten) Ansprüchen bedarf es nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG für eine Zusammenrechnung, dass über diese entschieden worden ist, sie also zeitgleich mit dem primär geltend gemachten Anspruch anhängig gewesen sind. Zudem bleibt der mit der Klageänderung hier verbundene Wegfall des bisherigen (Teils des) Streitgegenstandes auf die bislang entstandenen gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren – wie bei der Teilklagerücknahme3 – ohne Auswirkung.4 Daher gebietet es auch eine prozessadäquate Kostenverteilung, die durch die Geltendmachung des bisherigen Anspruchs ausgelösten Kosten demjenigen aufzuerlegen, der die Auseinandersetzung veranlasst hat und (autonom) von der weiteren Rechtsverfolgung Abstand nimmt.5 Für die Annahme, dass bei der Klageänderung „kostenrechtlich die Anhängigkeit des neuen Anspruchs – als von Anfang an bestehend – fingiert“ werde, wodurch „der bisherige Anspruch gebührenrechtlich seine Bedeutung verliere“,6 fehlt es im GKG an einer gesetzlichen Grundlage.

2.2552

Zudem vermag die Gegenansicht die unterschiedliche Behandlung des Parteiwechsels, der nach überwiegender Ansicht der Klageänderung gleichgestellt wird und dennoch ergebnisunabhängig zu einer Kostenlast des Klägers führt,7 nicht plausibel zu erklären.

2.2553

Stichtag für die Wertänderung ist nicht die erste mündliche Verhandlung über den geänderten Antrag, sondern der Eingang des Antrags bei Gericht.8 Deshalb ist für die Berechnung der erhöhten Gerichtsgebühren auf den Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags abzustellen.9

2.2554

Die Streitwerterhöhung ab Einreichung des Antrags wirkt nur für die danach erfüllten Gebührentatbestände. Es findet insbesondere keine Erhöhung der (nach der BRAGO noch anfallenden) Beweisgebühr nach einer bereits abgeschlossenen Beweisaufnahme statt, wenn der Kläger mit Rücksicht auf das Beweisergebnis den Klageantrag erweitert.10

2.2555

1 So aber OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2012 – 17 W 1/12, SchlHA 2012, 263; OLG München, Beschl. v. 29.6.1994 – 11 WF 797/94, MDR 1994, 948, OLGR 1994, 15. 2 Instruktiv Liebheit, JuS 2001, 688, 690 f. 3 KG, Beschl. v. 31.5.1999 – 8 W 3707/99, NJW-RR 2000, 215; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1655; OLG Celle, JurBüro 1986, 741. 5 Ausführlich Liebheit, JuS 2001, 688, 691. 6 So Zöller/Greger, § 263 ZPO Rz. 32. 7 Vgl. etwa Zöller/Greger, § 269 ZPO Rz. 5. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 137; OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, JurBüro 2001, 313; LG Koblenz, JurBüro 1967, 1015. 10 OLG Bamberg, JurBüro 1977, 960; KG, JurBüro 1970, 246 m. Anm. Schneider; OLG Schleswig, JurBüro 1969, 521 m. Anm. Schneider; OLG Koblenz, MDR 1994, 629.

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ZPO

4.000 t). Für die anwaltliche Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) gilt das ebenso, wenn über den bisherigen und den neuen Anspruch in vollem Umfang mündlich verhandelt worden ist.

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2. Teil

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Klageerweiterung

2.2556 Auch darf die jeweilige Gebühr nur einmal berechnet werden, wenn auch nach dem höchsten Wert

ZPO

(§ 21 Abs. 3 GKG, § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO).

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.2557 Wird die Klageerweiterung zweitinstanzlich nicht zugelassen, scheidet für diese Instanz eine Werterhöhung aus.1

2.2558 Im Falle der Zulassung erhöht sich nur der zweitinstanzliche Streitwert. Die Erhöhung wirkt jedoch auf den Streitwert der ersten Instanz zurück, wenn der neue Antrag nach Zurückverweisung in erster Instanz weiterverfolgt wird.2

2.2559 Für die Berechnung der Beschwer dürfen die vor und nach Klageänderung geltend gemachten Ansprüche in keinem Fall zusammengerechnet werden.3

2.2560 Der für die Zulässigkeit der Revision maßgebende Betrag kann nicht höher sein als der Wert der Beschwer. Daran kann auch eine unzulässige Klageerweiterung nichts ändern.

Klageerweiterung 2.2561 Siehe das Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff.

Klagehäufung 2.2562 Siehe das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

Klagerücknahme A. Einleitung I. Erklärung der Klagerücknahme . . . . . . 2.2563

C. Feststellung der fehlenden Anhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2575

II. Abgrenzung zur Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2568

D. Verpflichtung zur Klagerücknahme

B. Wirksamkeit der Klagerücknahme

II. Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2581

I. Unstreitige Klagerücknahme . . . . . . . . 2.2571

E. Teilklagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . 2.2585

II. Streit über die Wirksamkeit . . . . . . . . . 2.2573

F. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.2590

I. Klagerücknahmeversprechen . . . . . . . . 2.2580

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2001 – 5 U 87/91, OLGR 2001, 442. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1976, 1680. 3 KG, Rpfleger 1968, 289.

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Klagerücknahme

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2. Teil

Stichwortübersicht – kostenmäßige Mitbereinigung einer Teilklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2584 – Kostenregelung, abweichend . . . . . . . . . . 2.2582 – Wertvereinbarung für selbständige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2584 Rücknahme des Mahnantrags . . . . . . . . . . . 2.2566 Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2579 Streit über Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . 2.2573 f. Teilweise ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2571, 2.2585 Unstreitige ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2571 f. Verlustigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2576 Vorliegen einer ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2573 Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2571

ZPO

Ankündigung eines verminderten Antrags . 2.2565 Antrag nach § 269 Abs. 3 und 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2571, 2.2856 Berufungsrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2568 Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 2.2568 ff. Kostenerstattungsanspruch . . . . . . . 2.2571, 2.2589 Kostenregelung, abweichend . . . . . . . . . . . . 2.2583 Nichtanhängigkeitsfeststellung, Antrag des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2575 Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . . . 2.2572 Prozessvergleich über Verpflichtung zur ~ – Erledigung des Rechtsstreits . . . . . . . . . . 2.2581 – Kosten des Prozessvergleichs . . . . . . . . . . 2.2583

A. Einleitung I. Erklärung der Klagerücknahme Die Klagerücknahme ist eine einseitige bedingungsfeindliche und grundsätzlich unwiderrufliche Pro- 2.2563 zesshandlung. Sie kann zwischen Anhängigkeit (arg. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO) bis zum Eintritt der Rechtskraft und damit auch noch zwischen den Instanzen erklärt werden. Bei einem Widerruf vor Eingang der Klageschrift tritt Anhängigkeit nicht ein, Gerichtsgebühren (Nr. 1211 KV GKG) fallen nicht an.1 Zur Wirksamkeit der Klagerücknahme bedarf es der Einwilligung des Beklagten, wenn dieser, und sei es nur erstinstanzlich, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat, § 269 Abs. 1 ZPO.2 Eine vor Zustellung der Klage erklärte teilweise Rücknahme verändert den Zuständigkeitsstreitwert. Verringert sich dadurch der Wert des verbleibenden Anspruchs auf unter 5.000,01 t, wird die Zuständigkeit des AG begründet.3 Dagegen bleibt eine entsprechende Teilklagerücknahme nach Klagezustellung (Rechtshängigkeit) ohne Auswirkungen, arg. § 261 Abs. 3 ZPO.

2.2564

Die Zurücknahme der Klage kann in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines die Erklärung enthaltenden Schriftsatzes erklärt werden, § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass die bloße Ankündigung eines verminderten Antrags – außerhalb des schriftlichen (Vor)Verfahrens – noch keine Klagerücknahme darstellt, auch wenn sie in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz enthalten ist.4

2.2565

Die Rücknahme des Mahnantrags steht in seiner prozessualen Wirkung der Klagerücknahme gleich. Ab Antragsrücknahme bestimmt sich der Gebührenstreitwert für das weitere Verfahren allein nach dem Kosteninteresse der Parteien, d.h. nach den bislang angefallen Gerichts- und außergerichtlichen Kosten.5

2.2566

Gleichliegende Fragen wie bei Klagerücknahme ergeben sich bei der Berufungsrücknahme (s. dazu das Stichwort „Berufungsrücknahme“, Rz. 2.703).

2.2567

1 2 3 4 5

OLG Celle v. 24.9.2012 – 2 W 247/12, MDR 2012, 1378. BGH, Beschl. v. 20.8.1998 – I ZB 38/98, MDR 1999, 626. OLG Naumburg, Beschl. v. 17.7.2014 – 1 AR 11/14. Schneider, MDR 1985, 265. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2007 – 15 W 107/06, JurBüro 2007, 428 (Ls.).

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2. Teil

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Klagerücknahme

ZPO

II. Abgrenzung zur Erledigungserklärung 2.2568 Ermäßigt der Kläger seinen Klageantrag oder erklärt er, an der Fortsetzung des Rechtsstreits kein Interesse mehr zu haben, bedarf es der Klärung, ob darin eine Klagerücknahme oder eine – bis zur Zustimmung des Beklagten – einseitige Erledigungserklärung liegt. Hier ist eine Nachfrage gem. § 139 ZPO geboten. Wegen der mit § 269 Abs. 3 ZPO verbundenen Kostenfolge ist zugunsten des Klägers bei verbleibenden Zweifeln von einer bloßen Erledigungserklärung auszugehen.1

2.2569 Wenn beiden Parteien an einer Entscheidung der Hauptsache nicht mehr gelegen und nur streitig ist, ob die Erklärung des Klägers an das Gericht als Klagerücknahme (§ 269 ZPO) oder als (übereinstimmende) Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) zu deuten ist, bestimmt sich der Streitwert nach der Summe der bis dahin angelaufenen Kosten.2 Hier geht es nämlich nicht mehr darum, ob zur Sache entschieden werden muss, sondern zweifelhaft ist allein, auf welchem prozessualen Weg und mit welcher Kostenfolge die Entscheidung zur Hauptsache entbehrlich geworden ist.

2.2570 Zu beachten bleibt, dass eine Klagerücknahme nach übereinstimmender Erledigungserklärung aufgrund des damit verbundenen Wegfalls der Rechtshängigkeit nicht mehr möglich ist.3

B. Wirksamkeit der Klagerücknahme I. Unstreitige Klagerücknahme 2.2571 Mit der wirksamen Klagerücknahme entfällt die Rechtshängigkeit ex tunc, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergeht – soweit nicht bloß eine teilweise Klagerücknahme vorliegt (§ 308 Abs. 2 ZPO) – gem. § 269 Abs. 3 ZPO nur auf Antrag. Dessen Wert ist nach dem Interesse der antragstellenden Partei zu bemessen, das auf Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten gerichtet ist. Maßgeblich sind daher die bis zur Erklärung angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.4 Dies gilt auch, wenn der Kläger nach Klagerücknahme wegen Wegfalls des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO beantragt.

2.2572 Bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist für den der Kostenermittlung zugrunde zu legenden Hauptsachestreitwert auf den Umfang der Sache abzustellen, den sie im Fall ihrer Durchführung nach dem im Zeitpunkt der Rücknahme gegebenen Sach- und Streitstand angenommen hätte.5

II. Streit über die Wirksamkeit 2.2573 Ist streitig, ob eine zulässige oder wirksame Klagerücknahme vorliegt, bestimmt sich der Streitwert nach dem vollen Wert der Hauptsache. Denn den Parteien ist – je nach Standpunkt zur Wirksamkeit – an der Entscheidung des Klagebegehrens bzw. an der Vermeidung einer Sachentscheidung gelegen.

2.2574 Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme, so entscheidet es hierüber zusammen mit der Hauptsache in den Gründen des Endurteils oder durch selbständig anfechtbares Zwischenurteil (§ 303 ZPO) und nachfolgend über die Hauptsache durch Endurteil. Bejaht das Gericht die 1 2 3 4

Vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.10.2003 – II ZB 38/02, MDR 2004, 408. OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 695. OLG Jena, Beschl. v. 5.9.2001 – 5 W 174/011, OLGR 2002, 51. KG, Beschl. v. 9.3.2007 – 1 W 378/05, AGS 2008, 23; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.2005 – 10 W 30/05, NJW-RR 2005, 1231; OLG Köln, JurBüro 2000, 77; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagerücknahme“ Rz. 2. 5 KG, JurBüro 1973, 53 = Rpfleger 1973, 36.

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Klagerücknahme

2. Teil

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Wirksamkeit der Klagerücknahme, entscheidet es gem. § 269 Abs. 3 ZPO durch Beschluss. In beiden Fällen ist der Hauptsachestreitwert maßgebend, da der richterliche Spruch feststellt, ob die Hauptsache infolge wirksamer Zurücknahmeerklärung noch zur Entscheidung steht.1 Auch im Hinblick auf die streitwertrechtliche Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung besteht kein Anlass, den Streitwert auf die bis zur Rücknahme angefallenen Kosten festzusetzen, da sich die Prozesshandlungen in Inhalt und Wirkung nicht entsprechen (s. hierzu unter dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303 ff.).

C. Feststellung der fehlenden Anhängigkeit Nach wirksamer Klagerücknahme ist auf Antrag (des Beklagten) gem. § 269 Abs. 3, 4 ZPO festzustellen, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden und ein bereits ergangenes Urteil als wirkungslos anzusehen ist. Über die wertmäßige Erfassung dieses Antrages herrscht Streit. Während Wagner,2 Göppinger3 und Gerold4 hier den Streitwert der Hauptsache ansetzen, stellt das LG Osnabrück5 für die Bemessung auf die Kosten des Rechtsstreits ab.

2.2575

Für die letztgenannte Auffassung spricht, dass der BGH in Abwendung von der Rechtsprechung des 2.2576 RG seit BGHZ 15, 394 die Kosten für das Verfahren über Anträge auf Verlustigerklärung des Rechtsmittels und auf Kostenentscheidung nach Zurücknahme des Rechtsmittels nicht mehr nach dem Wert der Hauptsache, sondern nur nach dem Betrag der Kosten berechnet, die in der Rechtsmittelinstanz bis zu dem Antrag auf Verlustigerklärung und auf Kostenentscheidung erwachsen sind. Schließt man sich dem an, dann wird man für die entsprechenden Anträge nach Klagerücknahme keine andere Bewertung vornehmen dürfen. Lediglich wenn man entgegen des BGH der älteren Rechtsprechung6 folgt, ist nicht der Kostenwert, sondern der Hauptsachewert maßgebend. Dennoch ist beiden Ansätzen nicht zu folgen. Der sachliche Gehalt der Nichtanhängigkeits- und Wirkungslosigkeitserklärung entspricht weder der Hauptsache noch dem Kosteninteresse der Beklagten. Insbesondere vermag dem BGH7 nicht gefolgt werden, wenn dieser davon ausgeht, „dass der Verlustigerklärung eine sachliche Bedeutung überhaupt abzusprechen ist und sie nur eine Grundlage einerseits für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses, andererseits für die Kostenentscheidung bildet“ (s. auch das Stichwort „Berufungsrücknahme“, Rz. 2.703).

2.2577

Die Nichtanhängigkeitserklärung ist – ebenso wie die Verlustigkeitserklärung – gegenüber der bloßen Kostenentscheidung ein Mehr.8 Wie auch sonst richtet sich seine Bewertung nach dem Interesse des Antragstellers, das hier darauf gerichtet ist, eine amtliche Beurkundung darüber zu erhalten, dass der Rechtsstreit abgeschlossen und ein (etwaig) vorangegangenes Urteil wirkungslos ist.

2.2578

Mangels besonderer Bewertungsvorschrift kommt nur eine Schätzung nach § 3 ZPO in Betracht.9 In der Regel dürfte es angemessen sein, 1/10 des Hauptsachewertes anzusetzen.

2.2579

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gerold, Streitwert, S. 297; Göppinger, Rpfleger 1958, 81. Wagner, NJW 1953, 972. Göppinger, Rpfleger 1958, 81, 82. Gerold, Streitwert, III Rz. 2. Mitgeteilt von Wagner, NJW 1953, 973. RGZ 155, 382; OLG Bamberg, NJW 1949, 513; OLG Frankfurt, MDR 1957, 49. BGHZ 15, 399. Worauf Wagner, NJW 1953, 973 mit Recht hingewiesen hat. So früher bereits KG, JW 1933, 1078; OLG Jena, JW 1937, 142; OLG Dresden, HRR 1937 Nr. 1126; OLG Frankfurt, HRR 1938 Nr. 1249; OLG Breslau, DR 1939, 333; OLG Naumburg, JW 1937, 822.

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2. Teil

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Klagerücknahme

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D. Verpflichtung zur Klagerücknahme I. Klagerücknahmeversprechen 2.2580 Anerkannt ist die Möglichkeit, sich durch schuldrechtlichen Vertrag (mit dem Prozessgegner) zu verpflichten, gegenüber dem Gericht die Klagerücknahme zu erklären. Die Abrede, die auch Bestandteil eines außergerichtlichen Vergleichs sein kann, führt im Falle der Nichterfüllung über die Arglisteinrede des Beklagten zur Abweisung der Klage als unzulässig.1 Auf den Hauptsachestreitwert hat dies keinen Einfluss.

II. Prozessvergleich 2.2581 Da der Prozessvergleich den Rechtsstreit unmittelbar beendet,2 besteht für eine Verbindung von Vergleich und Klagerücknahme kein praktisches Bedürfnis. Vielmehr ist in diesen Fällen durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien eine Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme oder Vergleich gewollt haben. Maßgebend ist in beiden Fällen der Streitwert der Hauptsache.3

2.2582 Enthält der Prozessvergleich über die Klagerücknahmeverpflichtung hinaus noch eine von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenregelung, ist das für den Streitwert unerheblich, wie sich aus § 43 Abs. 3 GKG ergibt.4 Der Prozessvergleich als kostenverursachende Handlung betrifft nämlich die Kosten des Rechtsstreits und den Hauptanspruch. Der Kostenbetrag ist aber lediglich dann maßgebend, wenn Handlungen den Kostenpunkt ohne den Hauptanspruch betreffen.

2.2583 Die Kosten des Prozessvergleichs selbst bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG außer Ansatz.5

2.2584 Werden in einem Klagerücknahmevergleich noch Vereinbarungen über die Kosten selbständiger Verfahren getroffen, insbesondere Eilsachen, sind diese hinzuzurechnen. Dies beispielsweise, wenn eine Forderung in zwei Teilklagen geltend gemacht worden ist und in einem Prozess ein Rücknahmevergleich geschlossen wird, wobei das andere Verfahren kostenmäßig mit bereinigt wird.6

E. Teilklagerücknahme 2.2585 Eine teilweise Rücknahme der Klage vermindert den Streitwert im Umfang der Rücknahme, soweit sie sich nicht allein auf Nebenforderungen (§ 43 Abs. 1 GKG) bezieht.7 Ist die Teilklagerücknahme dagegen Bestandteil einer von den Parteien erzielten Gesamtregelung, dann bestimmt der Wert des nachfolgenden (nur) über den noch verbliebenen Teil der Klageforderung geschlossenen Vergleichs unter Einbeziehung des von der Klagerücknahme betroffenen Teils.8

2.2586 Verfahrensrechtlich beachtlich ist die Prozesshandlung jedoch erst, wenn sie wirksam geworden ist: vor Beginn der mündlichen Verhandlung durch Erklärung gegenüber dem Gericht, nach mündlicher Verhandlung ab Einwilligung des Beklagten. Sie führt gem. § 308 Abs. 2 ZPO unabhängig von einer An1 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839; NJW-RR 1987, 307; NJW 1956, 990; BAG, MDR 1982, 258. 2 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839. 3 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Oldenburg, JurBüro 1957, 33; OLG Stuttgart, MDR 1955, 368. 4 OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195; OLG Köln, JurBüro 1970, 803. 5 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Nürnberg, BayJMBl. 1959, 170. 6 OLG Köln, JurBüro 1970, 803. 7 OLG Naumburg, Beschl. v. 17.7.2014 – 1 AR 11/14 betr. Klagerücknahme zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit. 8 OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG prof. 2006, 129 (Ls.).

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Klagerücknahme

2. Teil

ZPO

tragstellung nach § 269 Abs. 3 ZPO zu einer sog. gemischten Kostenentscheidung, die hinsichtlich der mit der teilweisen Rücknahme verbundenen Kosten gesondert anfechtbar ist.1 Es sei denn, dem Beklagten sind in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO die gesamten Prozesskosten auferlegt worden.2 Ob die auf die teilweise Klagerücknahme entfallenden Teile der Kosten nach der sog. Quotenoder nach der Mehrkostenmethode zu berechnen sind, ist streitig. Angesichts der degressiven Gebührenentwicklung ist eine quotale Kostenverteilung vorzuziehen.3 Der Gebührenstreitwert und damit die Höhe der Gerichtsgebühren werden durch die Teilklagerücknahme nicht berührt, da sich der für sie maßgebliche Streitwert nach der Verfahrenseinleitung (und/ oder -erweiterung) bestimmt, § 40 GKG.4 Dagegen ist hinsichtlich des für die Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswertes auf Antrag (§ 33 RVG) eine Wertfestsetzung nach Zeitabschnitten erforderlich, da alle bis zur Teilklagerücknahme entstandenen Gebühren nach dem ursprünglichen und alle nachfolgenden nach dem verminderten Streitwert zu berechnen sind.5 Abzustellen ist dabei auch hier auf den Zeitpunkt der Antragstellung in der Verhandlung oder des Eingangs der schriftlichen Rücknahmeerklärung bei Gericht. Auf die Zustellung und Kenntnis des Beklagten kommt es nicht an.6

2.2587

Die auf den zurückgenommenen oder erledigten Teil entfallenden Kosten des Rechtsstreits bleiben bei der Wertfestsetzung unberücksichtigt, arg. § 43 Abs. 3 GKG.7 Zu den Bewertungsregeln, wenn zusammen mit einer Teilklagerücknahme eine Klageerweiterung erfolgt, hier ist regelmäßig Addition der von Rücknahme und Erweiterung betroffenen Gegenstände geboten,8 s. das Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff.

2.2588

Der Übergang vom Hauptanspruch zum materiellen Kostenerstattungsanspruch beschränkt den Streitwert auf den (bezifferten)9 Kostenpunkt.10

2.2589

F. Rechtsmittel und Beschwer Wendet sich eine Partei dagegen, dass ihr gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind, dann bestimmt sich der Wert der Beschwer und des Beschwerdeverfahrens gem. § 3 ZPO nach dem Betrag der bis zur Klagerücknahme entstandenen Verfahrenskosten.11 Zielt das Rechtsmittel auf Aufhebung eines infolge unbeachtet gebliebener Klagerücknahme wirkungslosen Urteils, dann ist die sich aus dem Urteilstenor ergebende Beschwer maßgebend.12

1 BGH, Beschl. v. 19.10.1995 – III ZR 208/94, NJW-RR 1996, 256; OLG Köln, Beschl. v. 9.1.1998 – 3 W 66/97, OLGR 1998, 170. 2 BGH, Beschl. v. 19.10.1995 – III ZR 208/94, NJW-RR 1996, 256. 3 OLG Köln, Beschl. v. 7.5.2018 – 16 W 22/18, JurBüro 2018, 647; vgl. zum Meinungsstand OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2007 – 1 W 37/07, MDR 2008, 353 = AGS 2007, 142. 4 Zutr. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.10.2009 – 3 Ta 228/09. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.2.2021 – 12 W 2/21; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.3.2001 – 13 WF 31/01, OLGR 2001, 393. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.2.2018 – 13 WF 235/17, AGS 2018, 411. 7 BGH, Rpfleger 1955, 12; OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.9.2016 – 1 U 21/16; OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816. 8 KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, MDR 2008, 173. 9 Siehe Schneider, MDR 1981, 353 ff. 10 LG Bayreuth, Beschl. v. 27.8.1982 – 2 O 205/82, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 615 m. Anm. Schneider = JurBüro 1983, 258, dort mit irreführendem 3. Leitsatz. 11 KG, Beschl. v. 18.3.2009 – 2 W 39/09, NJW-RR 2009, 1411. 12 Im Ergebnis auch BGH, Beschl. v. 27.1.2021 – IX ZR 270/19, MMR 2021, 457.

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2. Teil

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Klageverzicht und Verzichtsurteil

ZPO

Klageverzicht und Verzichtsurteil A. Allgemeines 2.2591 Zu unterscheiden ist zwischen dem materiell-rechtlichen Verzicht auf eine Forderung, hier denkbar durch Erlass (§ 397 BGB) oder als negatives (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und dem Verzicht auf einen klageweise geltend gemachten Anspruch (gem. § 306 ZPO).1 Ersterer begründet eine Einwendung gegenüber dem (dennoch) klageweise erhobenen Anspruch. Siehe hierzu unter dem Stichwort „Verzicht“, Rz. 2.5543 ff.

2.2592 Der Verzicht des Klägers auf seinen prozessualen Anspruch führt, wenn er in der mündlichen Verhandlung erklärt wird,2 dagegen gem. § 306 ZPO auf Antrag des Beklagten zum Erlass eines Verzichtsurteils, mit dem die Klage „mit dem geltend gemachten Anspruch“ abgewiesen wird. Über seine Wirksamkeit kann ein Zwischenurteil (§ 303 ZPO) ergehen.3 Im Rechtsmittelverfahren ist über eine entsprechende Erklärung des klagenden Berufungsklägers hinaus eine Verzichtserklärung dann anzunehmen, wenn der Kläger als Berufungsbeklagter den auf Klageabweisung gerichteten Antrag des Beklagten und Berufungsklägers „anerkennt“.4

2.2593 Das Verzichtsurteil unterliegt den auch sonst zulässigen Rechtsmitteln, hat aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Verzichtserklärung beseitigt werden kann.

B. Gebührenstreitwert 2.2594 Die Abgabe der Verzichtserklärung entbindet das Gericht zwar von der Prüfung, ob die Klage begründet ist, hat aber keinen Einfluss auf den Streitgegenstand selbst. Dies wird schon daraus ersichtlich, dass der Kläger durch die Verkündung des Anerkenntnisurteils im Umfang der Verurteilung materiell beschwert wird.5 Der Streitwert verändert sich folglich bis zur Verkündung grundsätzlich nicht.6

2.2595 Wird die Verzichtserklärung dagegen auf einen Teil des Klagebegehrens beschränkt und kommt es nicht zum Erlass eines Teil-Verzichtsurteil, dann ändert sich der Streitwert für das weitere Verfahren, soweit von diesem nur der streitige Teil des prozessualen Anspruchs betroffen ist.7 So liegt es etwa, wenn der Kläger auf einen Teil der Klageforderung verzichtet und die Parteien sich, ohne dass zuvor ein Teil-Verzichtsurteils erlassen worden ist, über den nicht vom Verzicht betroffenen Teil der Klageforderung – ggf. unter deklaratorischem Hinweis auf den Teilverzicht – vergleichen. Hier ist für die anwaltlichen Gebühren (auf Antrag) der Gegenstandswert des Vergleichs entsprechend zu reduzieren, da es im Umfang des Verzichts an einem Streit bzw. Ungewissheit über den Bestand des Anspruchs fehlt.

1 BGH, Beschl. v. 13.7.2020 – X ZR 90/18, MDR 2020, 1387: zu letzterem zählt nicht bereits die Ankündigung im Vorfeld eines Vergleichs, keine weiteren Ansprüche geltend machen zu wollen. 2 BGH, Beschl. v. 28.9.2010 – X ZR 117/07, NJW 1988, 210. 3 Zöller/Feskorn, § 306 ZPO Rz. 7. 4 OLG Braunschweig, Urt. v. 18.5.1961 – 2 U 161/60, Nds.Rpfl. 1961, 245; LAG Sachsen, Urt. v. 7.8.2000 – 10 Sa 509/99, Fa 2001, 147; Zöller/Feskorn, § 306 ZPO Rz. 12; a.A. OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2017 – 16 U 47/17; OLG Hamm, Urt. v. 6.11.2018 – 21 U 112/18; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.1.2002 – 16 UF 512/01, OLGR 2002, 22 – Bedeutung erlangt diese Kontroverse vor der weiter streitigen Frage, ob auf den Verzicht § 93 ZPO analog anwendbar ist. 5 Zöller/Feskorn, § 306 ZPO Rz. 12. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.1986 – 2 W 136/86, JurBüro 1987, 396; OLG München, Beschl. v. 9.12.2016 – 8 W 2038/16, MDR 2017, 120; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120; unzutreffend daher KG, Urt. v. 8.11.2017 – 26 U 109/16. 7 Vgl. für das Teilanerkenntnis LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.5.2006 – 8 Ta 94/06.

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Konkurrenzverbot

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2. Teil

Für die Ermittlung der mit dem Verzichtsurteil für den Kläger verbundenen (formellen) Beschwer ist allein auf den Wert des vom Verzicht erfassten Sachantrages abzustellen. Die Freiwilligkeit der Aufgabe des Anspruchs für die Bewertung ist ohne Bedeutung.

2.2596

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Beklagten wird nicht davon berührt, dass die Verzichtserklärung des Klägers im Rechtsmittelverfahren zu einem unter der Rechtsmittelbeschwer verbleibenden Restanspruch führt.1

2.2597

Der Gebührenstreitwert für die Rechtsmittelinstanz richtet sich nach dem Umfang der beantragten Überprüfung, also der Differenz zwischen Urteil und Berufungsantrag.

2.2598

D. Vergleich Wird der vom Verzicht erfasste Teilanspruch, ohne dass ein Teil-Verzichtsurteil erlassen wurde, in einem sich anschließenden Vergleich abschließend mitgeregelt, ist dieser für den Gegenstandswert des Vergleichs nicht in voller Höhe miteinzubeziehen. Da der Kläger mit der Erklärung des Verzichts sich keines Anspruchs mehr berühmt, fehlt es an einem Streit oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis, die mit dem nachfolgenden Vergleich behoben werden könnte. Zudem behält der (Teil-)Verzicht – aufgrund seiner Bindungswirkung – auch ohne Erlass eines (Teil-)Verzichtsurteils seine Wirkung regelmäßig für den ganzen Prozess unabhängig davon, ob nachfolgend streitig verhandelt worden ist.2 Bei der Bestimmung des Vergleichswerts kann jedoch bei entsprechender Aufnahme des Verzichts in den Vergleich ein etwaiges Titulierungsinteresse zu berücksichtigen sein.

2.2599

Konkurrenzverbot Der Streitwert für einen auf ein Konkurrenzverbot gerichteten Unterlassungsanspruch wird nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt.

2.2600

Maßgebend ist das Interesse des Klägers auf Abwehr des durch die Konkurrenz drohenden Schadens. Dieses entspricht dem Reingewinn, der dem Kläger durch die beanstandeten Wettbewerbshandlungen entgeht.3 Dabei entspricht der Verlust des Klägers nicht vollumfänglich dem Gewinn des Konkurrenten. In der Regel ist davon auszugehen, dass zwar ein erheblicher Teil des vom Konkurrenten erzielten Umsatzes, nicht aber der gesamte Umsatz an Waren oder Dienstleistungen dem Kläger zugute gekommen wäre, wenn der Konkurrent den Handel nicht aufgenommen hätte.4

2.2601

Der Streitwert über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist regelmäßig mit dem Betrag der insgesamt höchstens geschuldeten Karenzentschädigung zu bewerten.5

2.2602

Wird der Anspruch im Eilverfahren verfolgt und führt dies praktisch zu einem endgültigen Ergebnis, dann kann es angebracht sein, bereits dort den Hauptsachewert anzusetzen.6 Ansonsten ist der Wert

2.2603

1 2 3 4 5

RGZ 165, 87; Zöller/Feskorn, § 306 ZPO Rz. 12. Vgl. zum Teil-Anerkenntnis BGH, Urt. v. 17.3.1993 – XII ZR 256/91, MDR 1993, 1238. LAG Köln, Beschl. v. 16.3.2012 – 9 Ta 407/11. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/93, ZMR 1993, 377. LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2020 – 26 Ta (Kost) 6112/19, NZA-RR 2020, 273; vgl. das Stichwort „Karenzentschädigung“, Rz. 2.2478. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, SchlHA 2008, 628; LAG Hamm v. 23.12.1980 – 8 Ta 148/80, AnwBl. 1981, 106.

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ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO)

ZPO

mit einem Bruchteil des Wertes in der Hauptsache anzunehmen, da nur eine vorläufige Sicherung angestrebt wird.

Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO) Literatur: Volpert, Die kostenrechtlichen Auswirkungen des EuKoPfVODG, RVGreport 2017, 122.

A. Einleitung 2.2604a Die Verordnung (EU) Nr. 655/2014 (EuKoPfVO) ermöglicht, Bankkonten in grenzüberschreitenden Rechtssachen vorläufig zu pfänden. Das Verfahren gleicht einem Arrestverfahren nach den §§ 916 ff. ZPO in Verbindung mit einem Kontenpfändungsbeschluss. Soweit die EuKoPfVO das Verfahren nicht selbst regelt, gilt das nationale Recht (Art. 46 EuKoPfVO). Die Verfahrenskosten richten sich nach nationalem Recht. Sie dürfen wegen Art. 42 EuKoPfVO aber nicht höher sein als für eine entsprechende prozessuale Möglichkeit, die nach nationalem Verfahrensrecht besteht.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Kontenpfändung bevor ein Titel vorliegt 2.2604b Man braucht keinen eigenen Zuständigkeitsstreitwert für das Verfahren nach der EuKoPfVO zu bestimmen, weil gem. § 946 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache zuständig ist. Der Begriff ist ebenso zu verstehen wie in § 919 Fall 1, § 937 Abs. 1 ZPO. Als Hauptsache ist der Anspruch anzusehen, dessen rechtliche Durchsetzung im ordentlichen Hauptverfahren einschließlich der Zwangsvollstreckung durch die vorläufige Kontenpfändung gesichert werden soll, bei § 946 ZPO also eine Geldforderung in Zivil- und Handelssachen nach Art. 2 EuKoPfVO.1 Demgemäß ist, wie bei § 919, § 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO, zu unterscheiden, ob die Hauptsache bereits anhängig ist oder noch nicht.

2.2604c Ist noch kein Hauptsacheverfahren anhängig, ist jedes Gericht zuständig, das nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften für die Hauptsache zuständig wäre.2 Die sachliche Zuständigkeit ist nach den für die Hauptsache geltenden allgemeinen Regeln zu bestimmen.

2.2604d Solange das Hauptsacheverfahren bei einem Gericht tatsächlich anhängig ist, ist allein dieses als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 946 Abs. 1 Satz 2, § 943 Abs. 1 ZPO) und zwar unabhängig davon, ob es tatsächlich für die Hauptsache zuständig ist.3 Nach zutreffender Ansicht ist daher bei einem anhängigen Mahnverfahren das Mahngericht und kein „fiktives“ Streitgericht das Gericht der Hauptsache.4

1 LG Freiburg, Beschl. v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39. 2 LG Freiburg, Beschl. v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39. 3 LG Freiburg, Beschl. v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39; Zöller/Geimer, § 946 ZPO Rz. 14; Zöller/G. Vollkommer, § 919 ZPO Rz. 8. 4 LG Freiburg, Beschl. v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39; Musielak/Voit/Lackmann, vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 15; a.A.: OLG Hamm, Beschl. v. 10.4.2017 – 32 SA 28/17; AG Berlin-Wedding, Beschl. v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17; Zöller/G. Vollkommer, § 919 ZPO Rz. 4.

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Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO)

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2. Teil

Liegt bereits ein gerichtlicher Titel vor, braucht kein Zuständigkeitsstreitwert bestimmt zu werden. Gericht der Hauptsache ist das Gericht, welches den Titel erlassen hat. Freilich ist dies gem. § 946 Abs. 1 Satz 2, § 943 Abs. 1 ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges, es sei denn, die Sache ist noch in der Berufungsinstanz anhängig.1 Ist der Titel ein Vollstreckungsbescheid, ist das Mahngericht als Gericht der Hauptsache zuständig.2 Das Streitgericht ist nur zuständig, wenn die Sache wegen eines Einspruchs ins Streitverfahren übergeleitet worden ist.

2.2604e

III. Kontenpfändung aufgrund einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde Liegt der Kontenpfändung keine gerichtliche Entscheidung, sondern eine öffentliche Urkunde i.S.v. Art. 4 Nr. 10 EuKoPfVO als Titel zugrunde, richtet sich die sachliche Zuständigkeit gem. § 946 Abs. 2 ZPO streitwertabhängig nach den § 23 Nr. 1, § 71 GVG.3

2.2604f

Der Zuständigkeitsstreitwert entspricht gem. § 6 Satz 1 ZPO dem in der Urkunde titulierten Betrag. Die begehrte Kontenpfändung begründet gem. §§ 950, 930 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein Pfändungspfandrecht, welches ein Pfandrecht i.S.v. § 6 ZPO ist.4 Weil durch die begehrte vorläufige Kontopfändung ein Pfandrecht erst erstrebt wird, ist allein die zu sichernde Forderung maßgeblich und die Wertbegrenzung des § 6 Satz 2 ZPO unanwendbar.5

2.2604g

C. Streitwert für die Gerichtsgebühren Beim Gebührenstreitwert ist zu unterscheiden, ob das Kontenpfändungsverfahren betrieben wird, bevor (Art. 5 lit. a EuKoPfVO) oder nachdem (Art. 5 lit. b EuKoPfVO) ein Titel erstritten worden ist.

2.2604h

I. Kontenpfändung bevor ein Titel vorliegt 1. Erster Rechtszug Wird ein europäischer Kontenpfändungsbeschluss erstrebt, bevor ein Titel erwirkt worden ist, fallen 2.2604i gemäß Vorbem. 1.4 Abs. 1 Satz 1 KV GKG und Vorbem. 2.1 Satz 1 KV GKG streitwertabhängige Gerichtsgebühren an, die denen eines Arrestes entsprechen. Der Gebührenstreitwert folgt aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO und ist nach denselben Grundsätzen zu bestimmen wie beim Arrest. Da das Verfahren einem Arrestverfahren ähnelt, ist die gebührenrechtliche Gleichbehandlung wegen Art. 42 EuKoPfVO europarechtlich geboten. Das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Antragstellers ist nach denselben Grundsätzen wie beim Arrest zu ermitteln. Es ist daher grundsätzlich mit einem Bruchteil der gesicherten Forderung zu bemessen. Trotz der gebotenen Einzelfallbetrachtung dürfte eine Bewertung zwischen 1/36 und 1/2 einen Großteil der Fälle abdecken. Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Arrest“, Rz. 2.232 ff. nach.

1 BR-Drucks. 633/15, 43. 2 LG Freiburg, Beschl. v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39; Musielak/Voit/Lackmann, vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 15; a.A.: OLG Hamm, Beschl. v. 10.4.2017 – 32 SA 28/17; AG Berlin-Wedding, Beschl. v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17; Zöller/G. Vollkommer, § 919 ZPO Rz. 4. 3 BR-Drucks. 633/15, 43. 4 Musielak/Voit/Heinrich, § 6 ZPO Rz. 8. 5 Vgl. OLG München, Beschl. v. 21.11.1957 – 11 W 1045/57, NJW 1958, 1687; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 9. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 13.11.2019 – 8 W 30/19, MDR 2020, 569.

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II. Kontenpfändung bei bereits vorhandenem gerichtlichen Titel

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2. Teil

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Kontenpfändung, europäische (EuKoPfVO)

ZPO

2.2604j Die Bewertungsregeln des Erwirkungsverfahrens gelten gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG auch für das Widerspruchsverfahren nach § 954 Abs. 1 ZPO, Art. 33 Abs. 1 EuKoPfVO, für das wegen Vorbem. 1.4 Abs. 3 KV GKG gesonderte Gerichtsgebühren anfallen.1 2. Beschwerderechtszug

2.2604k Die Gebühren für alle Beschwerdeverfahren nach der EuKoPfVO richten sich nach Nr. 1430 Ziff. 2 KV GKG, wenn der Kontenpfändung kein Titel zugrunde liegt.2 Der Streitwert ist nach §§ 47, 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen. Die Wertbestimmung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie in der ersten Instanz.

II. Kontenpfändung bei bereits vorhandenem Titel 1. Erster Rechtszug

2.2604l Verfügt der Antragsteller dagegen bereits über einen Titel (Art. 5 lit. b EuKoPfVO), fallen streitwertunabhängige Festgebühren (Nr. 2111, 2112 KV GKG) an, die denen der Forderungspfändung entsprechen (Vorbem. 2.1 Satz 1 KV GKG).3 Es sind daher keine Gebührenstreitwerte festzusetzen. 2. Beschwerderechtszug

2.2604m Im Beschwerdeverfahren fallen streitwertunabhängige Festgebühren nach Nr. 2121 KV GKG an. Es sind daher keine Gebührenstreitwerte festzusetzen.

D. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren I. Kontenpfändung bevor ein Titel vorliegt 2.2604n In Fällen des Art. 5 lit. a EuKoPfVO entspricht der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG dem Streitwert der Gerichtsgebühren. Erwirkungs- und Widerspruchsverfahren sind für den Anwalt des Antragstellers gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit (§ 16 Nr. 5 RVG).

II. Kontenpfändung anhand eines bereits vorhandenen Titels 2.2604o Im Fall des Art. 5 lit. b EuKoPfVO erhält der Rechtsanwalt gemäß Vorbem. 3.3.3 Abs. 2 Satz 1 RVG-VV Gebühren wie im Zwangsvollstreckungsverfahren. Ihr Gegenstandswert wird für den Antragstellervertreter nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG und für den Antragsgegnervertreter nach § 25 Abs. 2 RVG bestimmt.4 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3873 ff. verwiesen.

E. Rechtsmittel und Beschwer 2.2604p Die Rechtsmittel gegen Beschlüsse nach der EuKoPfVO sehen keine Mindestbeschwer vor. Rechtsmittelstreitwerte braucht man daher nicht zu ermitteln.

1 2 3 4

Volpert, RVGreport 2017, 122, 123. BR-Drucks. 633/15, 52. BR-Drucks. 633/15, 53. Volpert, RVGreport 2017, 122, 125.

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Kostenansatz

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2. Teil

2.2605

Siehe das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.

Kostenansatz A. Überblick Die Kosten, insbesondere also die Gerichtsgebühren, die sich nach dem jeweiligen Wert ergeben, werden im Kostenansatzverfahren nach § 19 GKG vom jeweiligen Gericht festgesetzt.

2.2606

Gegen den Kostenansatz ist nach § 66 Abs. 1 GKG die Erinnerung gegeben. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.

2.2607

Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG die Beschwerde statt. 2.2608 Sie setzt eine Mindestbeschwer von mehr als 200 t voraus (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GKG), wenn das Gericht, das über die Erinnerung entschieden hat, die Beschwerde nicht bereits wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage in dem Erinnerungsbeschluss zugelassen hat (§ 66 Abs. 2 Satz 2 GKG). Gegen die Beschwerdeentscheidung ist unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zulässig, nämlich dann, wenn das LG als Beschwerdegericht entschieden und es wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde in seinem Beschluss zugelassen hat. Eine Mindestbeschwer ist hier nicht erforderlich.

2.2609

Eine Rechtsbeschwerde ist im Kostenansatzverfahren nicht statthaft, da das GKG eine solche nicht vorsieht. Abgesehen davon schließt § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG Beschwerden an einen obersten Gerichtshof des Bundes aus.1

2.2610

Zum Kostenansatzverfahren s. Rz. 1.86 ff.

2.2611

B. Wert des Beschwerdegegenstands Sofern das Erinnerungsgericht die Beschwerde nicht schon wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist sie nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (nicht zu verwechseln mit der Beschwer!) den Betrag von 200 v übersteigt (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GKG).

2.2612

Der Wert des Beschwerdegegenstands richtet sich nach der Differenz der angesetzten Kosten zu dem Betrag, der nach Auffassung des Beschwerdeführers anzusetzen ist.

2.2613

Zu beachten ist, dass nur die Differenz der Kosten berücksichtigt werden darf, für die der Beschwerdeführer nach dem GKG haftet. Daher ist z.B. eine nur anteilige Haftung zu beachten. Sie führt dazu, dass auch nur die entsprechende Quote bei dem Wert des Beschwerdegegenstands berücksichtigt werden darf.

1 BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – IV AR(VZ) 3/02; zur vergleichbaren damaligen Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 4 KostO; BGH, Beschl. v. 30.4.2003 – V ZB 19/03.

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2.2614

ZPO

Kosten

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2. Teil

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Kostenansatz

ZPO

2.2615 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings nicht nur eine Haftung als Erstschuldner, sondern auch als Zweitschuldner oder Mitschuldner, solange insoweit eine Inanspruchnahme noch möglich ist, also nicht, wenn der Erst- oder Mitschuldner bereits gezahlt hat.

2.2616 Beispiel: Das Gericht hat den Beklagten verurteilt, 50 % der Kosten des Verfahrens zu tragen. Ausgehend

von Kosten i.H.v. 1.000 t werden 500 t gegen den Beklagten angesetzt. Der Beklagte ist der Auffassung, die Gerichtskosten dürften nur mit 700 t angesetzt werden.

Die Beschwerde ist unzulässig. Zwar bestreitet der Beklagte den Kostenansatz um 300 t. Aufgrund der Quote wirkt sich dies für ihn jedoch nur zu 150 t aus.

2.2617 Beispiel: Die Parteien haben sich verglichen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Ausgehend von Kosten i.H.v. 1.000 t werden 500 t gegen den Kläger festgesetzt. Er ist der Auffassung, die Gerichtskosten dürften nur mit insgesamt 700 t angesetzt werden. Zwar sind jetzt gegen den Kläger aus seiner Sicht bislang nur 150 t zu viel festgesetzt. Sofern der Beklagte nicht zahlt, droht jedoch die Inanspruchnahme weiterer 150 t. Daher muss für den Kläger die Beschwerde zulässig sein.

C. Gerichtsgebühren 2.2618 Im Verfahren über den Kostenansatz fallen keine Gerichtsgebühren an (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG). Ein Wert für die Gerichtsgebühren ist daher nicht festzusetzen.

2.2619 Auch das Erinnerungsverfahren, das Beschwerdeverfahren und das Verfahren über die weitere Beschwerde sind gebührenfrei. Die Vorschrift des § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG spricht davon, dass „die Verfahren“ gebührenfrei sind, womit auch die Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren erfasst werden. Eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG ist daher auch hier nicht vorzunehmen. Soweit angenommen wird, dass für unzulässige oder nicht statthafte Beschwerden Gerichtsgebühren zu erheben seien,1 werden jedenfalls Festgebühren erhoben, so dass auch in diesem Fall eine Wertfestsetzung ausscheidet.

D. Anwaltsgebühren I. Erstattung/Vergütung 2.2620 Auch wenn hinsichtlich der Anwaltsgebühren eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 66 Abs. 8 Satz 2 GKG), ist die Tätigkeit vom Auftraggeber dennoch zu vergüten.

2.2621 Da sich die anwaltlichen Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), ist insoweit auf Antrag eines Beteiligten die Festsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG vorzunehmen.

II. Kostenansatzverfahren 2.2622 Für den im Ausgangsverfahren beauftragten Anwalt zählt die Tätigkeit im Kostenansatzverfahren zur Instanz (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RVG), so dass es hier einer gesonderten Wertfestsetzung grundsätzlich nicht bedarf.

2.2623 Ist der Anwalt dagegen mit dem Kostenansatzverfahren als Einzeltätigkeit beauftragt, erhält er eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG.

1 So BGH, Beschl. v. 17.10.2002 – IX ZB 303/02, MDR 2003, 115 = NJW 2003, 69.

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2. Teil

Der Gegenstandswert richtet sich dann gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend ist der Wert der Kosten, die gegen den Auftraggeber angesetzt werden sollen.

2.2624

ZPO

Kosten des Rechtsstreits

III. Erinnerungsverfahren Wird der Anwalt im Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz beauftragt, löst dies nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine gesonderte Angelegenheit aus, wenn der Rechtspfleger die Kosten angesetzt hat; anderenfalls zählt die Erinnerung zur Instanz. Der Anwalt erhält eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Maßgebender Gegenstandswert ist in diesem Fall der Betrag der strittigen Kostenpositionen (§§ 23 Abs. 2 Satz 3, 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG).

2.2625

Werden gegen denselben Kostenansatz mehrere Erinnerungen – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. a RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

2.2626

IV. Beschwerdeverfahren Wird gegen die Entscheidung über eine Erinnerung Beschwerde eingelegt, so ist dies eine weitere Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt erhält wiederum eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem angegriffenen Betrag (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Er kann wiederum nicht höher liegen als der Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG).

2.2627

Werden gegen dieselbe Erinnerungsentscheidung mehrere Beschwerden – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. b RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

2.2628

V. Weitere Beschwerde Wird gegen die Beschwerdeentscheidung weitere Beschwerde eingelegt, so ist dies wiederum eine neue Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt erhält erneut eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich wiederum nach dem angegriffenen Betrag (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG) und kann nicht höher liegen als der Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG).

2.2629

Werden gegen dieselbe Beschwerdeentscheidung mehrere weitere Beschwerden – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. b RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

2.2630

Kosten des Rechtsstreits A. Begriff Unter Kosten des Rechtsstreits sind diejenigen Kosten zu verstehen, die durch den Rechtsstreit ausgelöst worden sind, also – die Gerichtsgebühr(en) und -auslagen, die im Verfahren entstanden sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GKG), – die Anwaltskosten für die Prozessvertretung sowie Schneider

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2.2631

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2. Teil

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Kosten des Rechtsstreits

ZPO

– die Parteikosten, also alle Kosten, die nach §§ 103 ff. ZPO später festgesetzt werden können.

2.2632 Zu unterscheiden sind die Kosten des Rechtsstreits von den sonstigen Kosten, insbesondere den vorgerichtlichen Kosten, die aus Anlass der außergerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs entstanden sind. Soweit das Gesetz nur von „Kosten“ spricht (so in § 4 ZPO und § 43 Abs. 1 und 2 GKG), sind die vorgerichtlichen Kosten gemeint. Diese Kosten sind zwar Streitgegenstand, bleiben aber als Nebenforderung grundsätzlich für die Wertfestsetzung außer Ansatz (s. das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653). Die Kosten des Rechtsstreits werden dagegen grundsätzlich gar nicht erst zum Streitgegenstand, so dass sie für die Bewertung nicht herangezogen werden können. Nur dann, wenn der ursprüngliche Streitgegenstand vollständig wegfällt, können die Kosten selbst zum Streitgegenstand werden. Dann sind sie Wert bestimmend, sofern daraus Kosten anfallen (§ 43 Abs. 3 GKG).

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.2633 Für den Zuständigkeitsstreitwert kann sich die Frage des Wertes der Kosten des Rechtsstreits bei einer Klageerhebung nie stellen, da zu Beginn des Verfahrens diese Kosten nicht Streitgegenstand sein können.

2.2634 Für die Frage des Zuständigkeitsstreitwerts ist der Wert der Kosten des Rechtsstreits nur im Falle eines Kostenwiderspruchs oder -einspruchs nach einem Mahnverfahren von Bedeutung. Sowohl der Widerspruch gegen einen Mahnbescheid als auch der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid kann auf die im Mahnverfahren entstandenen Kosten beschränkt werden. In diesem Fall werden die Kosten selbst zum Streitgegenstand und sind zu bewerten. Soweit der Wert der Kosten 5.000 t nicht übersteigt und auch keine besondere Zuständigkeit des LG gegeben ist, wird insoweit das AG zuständig, unabhängig davon, wie hoch die im Mahnverfahren geltend gemachte Forderung war.

2.2635 Beispiel: Der Antragsteller macht im Mahnverfahren eine Forderung i.H.v. 10.000 t geltend. Der Antragsgegner beschränkt seinen Widerspruch auf die Kosten des Verfahrens. Da die Kosten (0,5-Gerichtsgebühr sowie die entstandenen Anwaltsgebühren) unter 5.000 t liegen, ist die Sache an das AG abzugeben. Gleiches würde gelten, wenn über die 10.000 t nebst Kosten ein Vollstreckungsbescheid ergangen und nur gegen die Kosten Einspruch eingelegt worden wäre.

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Kosten neben der Hauptsache

2.2636 Sind die Kosten neben der Hauptsache betroffen, werden sie dem Wert der Hauptsache nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 3 GKG) und haben für die Gerichtsgebühren keine Bedeutung. Soweit eine Gebühr für das gesamte Verfahren im Allgemeinen erhoben wird, stellt sich die Frage des Kostenwertes also gar nicht, da die Gebühr nach dem Wert der Hauptsache erhoben wird, weil nur diese Streitgegenstand ist (§ 3 GKG).

2.2637 Beispiel: Vor der mündlichen Verhandlung wird die Klage zurückgenommen. Das Gericht verhandelt anschließend mündlich über die Kosten. Für die Gerichtsgebühr spielt die Klagerücknahme keine Rolle.1 Der Wert der Hauptsache bleibt maßgebend. 1 OLG Köln, Beschl. v. 9.5.2011 – 17 W 90/11, AGS 2011, 328 = JurBüro 2011, 489 = RVGreport 2011, 397.

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Kosten des Rechtsstreits

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2. Teil

Der Wert der Kosten hat für die Gerichtsgebühren nur dann Bedeutung, wenn es ausnahmsweise zu Stufenstreitwerten kommt, also z.B. beim Übergang vom Mahnverfahren zum streitigen Verfahren oder beim sog. „Kostenwiderspruch“ in Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren.

2.2638

Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 t wird Kostenwiderspruch eingelegt. Die Kosten des Mahnverfahrens belaufen sich auf 347,48 t.

2.2639

Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 t erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG wird dagegen nur aus dem Wert der Kosten, also aus 347,48 t, erhoben. Beispiel: Es ergeht eine einstweilige Verfügung (Wert 20.000 t). Der Antragsgegner legt Widerspruch nur gegen die Kosten ein. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung über die Kosten und setzt den Wert insoweit auf 5.000 t fest.

2.2640

Für die 1,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG gilt der Wert von 20.000 t. Für die erhöhte 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG gilt der Wert von 5.000 t.1 Zu rechnen ist also wie folgt: 1,5-Gebühr, Nr. 1410 KV GKG (Wert 20.000 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 5.000 t) Gesamt

573,00 t 241,50 t 814,50 v2

Der Wert darf nicht höher sein als der Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 3 GKG). Diese Regelung hat allerdings nur für die Anwaltsgebühren Bedeutung (s. Rz. 2.645 ff.). Für die Gerichtskosten hat diese Regelung in der Praxis keine Bedeutung. Solche Fälle sind nur bei Minimalforderungen denkbar. Dann spielt der Wert aber im Ergebnis keine Rolle, weil er auf jeden Fall immer in der untersten Wertstufe liegt.

2.2641

Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 50 t wird Kostenwiderspruch eingelegt. Die Kosten belaufen sich auf 140,96 t.

2.2642

Im Mahnverfahren gilt der Wert von 50 t. Im streitigen Verfahren wäre an sich der Wert der Kosten maßgebend. Er wird jedoch begrenzt auf den Wert der Hauptsache, also 50 t, was hier aber unerheblich ist, da beide Werte in der untersten Gebührenstufe bis 500 t liegen.

3. Rechtsmittelverfahren Für Rechtsmittelverfahren gegen Kostenentscheidungen werden ausschließlich Festgebühren erhoben. Es gelten

2.2643

– für sofortige Beschwerden die Nrn. 1810, 1811 KV GKG und – für Rechtsbeschwerden die Nrn. 1823, 1824 KV GKG. Einer Wertfestsetzung nach § 63 GKG bedarf es also nicht; im Gegenteil ist eine solche Wertfestsetzung unzulässig und sinnlos.3 Sie entfaltet keine Wirkung. Dennoch wird hier regelmäßig – selbst vom BGH – eine Wertfestsetzung vorgenommen.

1 Zur zutreffenden Berechnung s. N. Schneider/Nitschke, NJW-Spezial 2021, 475; Oestreich/Hellstab/ Schneider, GKG/FamGKG, Loseblatt, Stand Mai 2021, Nr. 1412 GKG-KV Rz. 16; a.A. KG, Beschl. v. 7.10.2008 – 1 W 77/07, KGR 2009, 145 = JurBüro 2009, 149. 2 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 10.000 t (= 1.056 t), ist nicht überschritten. 3 Siehe Rz. 1.122 ff.

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2.2644

ZPO

2. Gebühren nur aus den Kosten

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2. Teil

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Kosten des Rechtsstreits

ZPO

II. Anwaltsgebühren 2.2645 Soweit Kosten betroffen sind, so stellt § 43 GKG, auf den § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG verweist, drei Grundsätze auf: (1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG). (2) Sind Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist ihr Wert maßgebend, soweit ihr Wert den des Hauptanspruchs nicht übersteigt (§ 43 Abs. 2 GKG). (3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten als Streitwert anzusetzen, soweit der Wert den des Hauptanspruchs nicht übersteigt (§ 43 Abs. 3 GKG).

2.2646 Die Grundsätze (1) und (2), also § 43 Abs. 1 und 2 GKG, gelten nur für Kosten als Nebenforderungen, also für solche Kosten, die neben dem Hauptanspruch miteingeklagt oder anderweitig (Widerklage o.Ä.) neben dem Hauptanspruch geltend gemacht werden und damit Streitgegenstand sind. Hierzu gehört insbesondere der Fall, dass vorgerichtliche Anwaltskosten als Schadensersatz miteingeklagt werden. Die Kosten des Rechtsstreits gehören nicht hierzu.

2.2647 Für die Kosten des Rechtsstreits, also die Kosten, die im Verfahren über den Hauptanspruch anfallen, gilt vielmehr Folgendes: (1) Soweit die Hauptsache betroffen ist, gilt § 3 GKG. Maßgebend ist nur der Wert des Streitgegenstands. Dazu gehören aber nicht die Kosten des Verfahrens,1 so dass sie nicht zu bewerten sind. (2) Soweit die Kosten des Verfahrens ohne den Hauptanspruch betroffen sind, werden die Kosten zum Streitgegenstand und damit zur Hauptsache. Maßgebend ist dann der Wert aller betroffenen Kosten, also Anwalts- und Gerichtskosten sowie Parteiauslagen, soweit diese den Hauptanspruch nicht übersteigen.

2.2648 Damit § 43 Abs. 3 GKG greift, müssten die Kosten ausschließlich betroffen sein. Solange auch nur ein Teil der Hauptsache anhängig ist, bleiben die Kosten unberücksichtigt. Im Gegensatz zu den vorgerichtlichen Kosten werden die Kosten des Rechtsstreits nicht zur Hauptsache, wenn die Hauptforderung, aus der sie abgeleitet werden, nicht (mehr) anhängig ist.

2.2649 Beispiel: Die Klage über 10.000 t wird i.H.v. 8.000 t zurückgenommen und hiernach verhandelt. Der Gegenstandswert reduziert sich auf 2.000 t. Die anteiligen Kosten aus den zurückgenommenen 8.000 t bleiben unberücksichtigt.

2.2650 Beispiel: Eine Widerklage wird zurückgenommen. Solange die Klage anhängig bleibt, werden die Kosten der Widerklage nicht berücksichtigt.2

2.2651 Zu der Streitfrage, ob nach teilweiser Erledigungserklärung die anteiligen Kosten zu berücksichtigen sind, s. das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1304 ff.

2.2652 Für die Anwaltsgebühren kommt die Anwendung des § 43 Abs. 3 GKG häufiger in Betracht, da hier Stufenstreitwerte in größerem Umfang möglich sind.

1 Toussaint/Elzer, KostR, § 43 GKG Rz. 12; BGH NJW 2007, 3289 Rz. 6. 2 Toussaint/Elzer, KostR, § 43 GKG Rz. 12.

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Kosten des Rechtsstreits

2. Teil

2.2653

Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen nach Erledigung der Hauptsache, Klagerücknahme, Rücknahme eines Rechtsmittels etc. nur noch über die Kosten verhandelt oder eine Einigung geschlossen wird.

2.2654

Beispiel: Vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung wird die Klageforderung bezahlt. Es wird dann im Termin nur noch über die Kosten (§ 91a ZPO) verhandelt.

2.2655

ZPO

Neben den zu den Gerichtsgebühren geschilderten Fällen kommt in Betracht, dass einzelne Gebühren nur aus den Kosten des Rechtsstreits anfallen. Dann ist für diese Gebühren nur der Wert der Kosten maßgebend (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG).

Für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) maßgebend ist der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG).1 Beispiel: Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache schließen die Anwälte für ihre Parteien einen Vergleich über die Kosten.

2.2656

Für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Einigungsgebühr der Anwälte (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) gilt wiederum der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Beispiel: Vor der mündlichen Verhandlung wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erkennt der Beklagte die Kostenlast an.

2.2657

Für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt wieder der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) gilt wiederum der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Beispiel: Es ergeht eine einstweilige Verfügung (Wert 60.000 t). Der Antragsgegner beauftragt seinen Anwalt, nur gegen die Kosten Widerspruch einzulegen. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung über die Kosten und setzt den Wert insoweit auf 2.500 t fest.

2.2658

Für die Verfahrensgebühr des Anwalts des Antragstellers gilt der volle Wert von 60.000 t. Für die Verfahrensgebühr des Antragsgegners sowie die Terminsgebühren beider Anwälte gilt dagegen nur der Wert von 2.500 t.

Soweit die Kosten noch nicht exakt feststehen, müssen diese abgeschätzt werden, was anhand der 2.2659 Gebührentabellen zum RVG und GKG problemlos möglich ist. Zu beachten ist, dass auch Auslagen mit geschätzt werden müssen (Reisekosten des Anwalts, Parteiauslagen, Sachverständigenkosten, Zeugenauslagen etc.). Möglich ist, dass auch nur ein Teil der Kosten betroffen ist. Dann ist nur der entsprechende Teil maßgebend.

2.2660

Beispiel: Der Kläger nimmt seine Klage über 10.000 t i.H.v. 5.000 t zurück. In Höhe der weiteren 5.000 t wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Parteien vergleichen sich, dass die Kosten des erledigten Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Im Übrigen entscheidet das Gericht nach § 269 Abs. 3 ZPO.

2.2661

Für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt wieder der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Einigungsgebühr der Anwälte gilt der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese sich aus 5.000 t berechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3, § 36 Abs. 1 GKG), also hier im Zweifel auf die Hälfte der Gesamtkosten.

1 BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35.

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2. Teil

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Kosten des Rechtsstreits

ZPO

2.2662 Bei den Anwaltsgebühren kann es darüber hinaus auch vorkommen, dass eine Gebühr zu unterschiedlichen Sätzen aus der Hauptsache und aus den Kosten des Rechtsstreits anfällt. Es gilt dann § 15 Abs. 3 RVG mit der Maßgabe, dass kein höherer Wert als die Hauptsache angenommen werden darf.1

2.2663 Beispiel: Nach Klageerhebung (5.000 t) bleibt der Beklagte im ersten Termin säumig. Das Gericht erlässt auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil. Nach Einspruch wird vor dem zweiten Termin die Klageforderung bezahlt. Es wird dann im Termin nur noch über die Kosten des Rechtsstreits (§ 91a ZPO) verhandelt. Der Wert der Kosten wird auf 1.600 t festgesetzt. Die 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und die 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG sind aus dem Wert der Klageforderung angefallen, die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG ist dagegen aus dem Wert der Kosten angefallen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Insgesamt erhält der Anwalt jedoch nicht mehr als eine 1,2-Gebühr aus dem Wert der Hauptsache, da bei der Ermittlung des Gesamtbetrages i.S.d. § 15 Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist, dass die Kosten neben der Hauptsache nicht berücksichtigt werden. Zu rechnen ist wie folgt: 1. 2. 3. 4. 5.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000 t) 0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 5.000 t) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 1.600 t) (die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 5.000 t, 400,80 t, ist nicht überschritten) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

434,20 t 167,00 t 199,20 t

820,40 t

20,00 t 155,88 t 976,28 v

2.2664 Ein solcher Fall ist auch dann gegeben, wenn Klage zurückgenommen wird, bevor der Anwalt des Beklagten einen Sachantrag gestellt hat und er nach Klagerücknahme beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

2.2665 Beispiel: Der Kläger klagt auf Zahlung von 20.000 t. Der Rechtsanwalt des Beklagten zeigt dessen Verteidigungsbereitschaft an, ohne jedoch bereits Klageabweisung zu beantragen. Bevor der Anwalt des Beklagten zur Sache erwidern kann, nimmt der Kläger die Klage wieder zurück. Daraufhin beantragt der Anwalt des Beklagten, gem. § 269 Abs. 4 ZPO dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft hat lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100, 3101 VV RVG ausgelöst.2 Für den Kostenantrag ist dagegen von einer 1,3-Verfahrensgebühr auszugehen, da es sich insoweit um einen Sachantrag handelt. Allerdings richtet sich der Gegenstandswert der vollen Verfahrensgebühr nur nach dem Kosteninteresse (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Hat man beide Gebühren berechnet, sind diese dann gem. § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen auf eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert. Dies bedeutet, dass insgesamt maximal eine 1,3-Gebühr aus dem Wert der Hauptsache anfallen kann, da Hauptsache und Kosten gem. § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht zusammengerechnet werden dürfen.3 Ausgehend hiervon muss man zunächst den Gegenstandswert des Kostenantrags ermitteln und ggf. nach § 33 RVG festsetzen lassen. Dieser Wert würde sich aus den bisherigen Kosten des Klägers (1.171,76 t) und des Beklagten (730,18 t) sowie einer 1,0-Gerichtsgebühr (345 t) berechnen und insgesamt 2.246,94 t betragen. Daraus wiederum ergibt sich jetzt folgende Berechnung: 1.

0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV (Wert: 20.000 t)

657,60 t

1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 = JurBüro 2006, 254. 2 LG Stuttgart, Beschl. v. 17.9.2014 – 19 O 148/13, AGS 2014, 501. 3 OLG Köln, Beschl. v. 29.6.1987 – 17 W 320/8, JurBüro 1989, 491; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.1983 – 10 W 139/82, MDR 1983, 764 = JurBüro 1983, 1334.

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2. Teil

Kosten des Rechtsstreits

3. 4.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 2.246,94 t) die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 20.000 t (1.068,60 t), ist nicht überschritten Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV Gesamt

288,60 t

ZPO

2.

S. 627 von 1232 Druckdaten

20,00 t

1.942,48 t

369,07 t 2.311,55 v

Eine Wertfestsetzung von Amts wegen für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren ist in diesen Fällen unzulässig, da keine Gerichtsgebühren anfallen. Der Wert darf nur auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG festgesetzt werden.

2.2666

D. Rechtsmittel I. Rechtsmittelstreitwert bei Rechtsmittel in der Hauptsache Wird in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt, richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstands ausschließlich nach dem Wert der Hauptsache. Die vorinstanzlich entstandenen Kosten des Rechtsstreits spielen insoweit keine Rolle. Das gilt auch dann, wenn eine Entscheidung der Vorinstanz in der Hauptsache nur teilweise angefochten wird, sich das Rechtsmittel aber gegen die gesamten Kosten richtet. Die Kosten des Rechtsstreits aus den nicht angefochtenen Gegenständen erhöhen – im Gegensatz zu den Kosten als Nebenforderungen (s. Rz. 2.2632, 2.2645 f.) – nicht den Rechtsmittelstreitwert.

2.2667

II. Rechtsmittelstreitwert bei Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung Wird ausschließlich gegen eine Kostenentscheidung ein Rechtsmittel eingelegt, zulässig in den Fällen der §§ 91a, 99 Abs. 2 und § 269 Abs. 5, § 494a Abs. 2 Satz 2 ZPO, so ist die Beschwerde nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands, also der Wert der Kosten, 200 v übersteigt (§ 567 Abs. 2 ZPO). Eine wertunabhängige Zulassung der Beschwerde kommt nicht in Betracht. Dies betrifft folgende Fälle: § 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerden gegen eine Kostenentscheidung

§ 59 FamFG

Beschwerden gegen eine Kostenentscheidung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

§ 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerden gegen die Kostenfestsetzung

§ 87 FamFG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerden gegen die Kostenfestsetzung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

§ 63 Abs. 2 GKG

Beschwerde gegen den Kostenansatz

§ 81 Abs. 2 GNotKG

Beschwerde gegen den Kostenansatz in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

§ 68 Abs. 1 GKG

Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts

§ 83 Abs. 3 GNotKG

Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts

§ 69 Abs. 1 GKG

Beschwerde gegen die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr

§ 11 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung

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2.2668

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ZPO

2. Teil

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Kosten des Rechtsstreits

§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG

Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts

§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG

Beschwerde gegen die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung

§ 4 Abs. 3 JVEG

Beschwerde gegen die Festsetzung einer Vergütung, einer Entschädigung oder eines Vorschusses

2.2669 Ist der Beschwerdewert nicht erreicht, kommen nur – soweit vorgesehen – Erinnerung, Gehörsrüge oder Gegenvorstellung in Betracht.

2.2670 Soweit eine Abhilfemöglichkeit der Vorinstanz besteht und der Beschwerde teilweise abgeholfen wird, ist der Wert nach Abhilfe maßgebend. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der jeweiligen Vorschriften kommt es nicht auf die ursprüngliche Beschwer an, sondern auf den Wert des Beschwerdegegenstands, also den Wert, der noch in die Beschwerdeinstanz übergeht.

2.2671 Beispiel: Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legt der Beklagte sofortige Beschwerde ein, da nach seiner Ansicht 250 t zu viel festgesetzt worden sind. Der Rechtspfleger hilft i.H.v. 100 t teilweise ab.

Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich nur noch auf 150 t. Die Beschwerde ist damit unzulässig. Der Rechtspfleger entscheidet abschließend.1

2.2672 Für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands bei einem ausschließlich gegen die Kostenentscheidung gerichteten Rechtsmittel gilt § 23 Abs. 2 RVG. Maßgebend ist der Wert aller angefallenen Kosten, gegen die sich der Rechtsmittelführer wendet, also die Kosten des Gegners und des Gerichts, die er übernehmen soll, sowie der eigenen Kosten, die nach seiner Auffassung dem Gegner aufzuerlegen sind.

2.2673 Beispiel: Die Klageforderung i.H.v. 3.000 t wird ohne mündliche Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht entscheidet nach § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits und legt diese dem Beklagten auf. Hiergegen legt dieser Beschwerde ein und beantragt, a) die Kosten dem Kläger aufzuerlegen b) die Kosten gegeneinander aufzuheben. Maßgebend ist der Wert der Kostendifferenz zwischen dem Erstattungsanspruch nach der ergangenen und der beantragten Kostenentscheidung. Diese Kostendifferenz ist ggf. nach § 3 ZPO zu schätzen, da zum Zeitpunkt der Beschwerde noch nicht alle Kosten und Auslagen (Gericht, Parteien und ggf. Streithelfer, Sachverständige, Zeugenauslagen) feststehen. Hier ist von folgenden Kosten auszugehen: I. 1. 2.

Kosten Kläger 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 3.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt II. Kosten Beklagter (wie I.) III. Gerichtskosten 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG Summe

308,60 t

288,60 t 20,00 t 58,63 t 367,23 v 367,23 v 357,00 v 1.091,46 v

Im Fall a) beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 1.091,46 t und im Fall b) (1.091,46 : 2 =) 545,73 t.

1 Zuletzt OLG Köln, Beschl. v. 24.8.2005 – 17 W 79/05, AGS 2006, 358 m. Anm. N. Schneider = OLGR 2006, 134.

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Kostenfestsetzungsverfahren

2. Teil

2.2674

Beispiel: Nach Anerkenntnis der Klageforderung (500 t) wird gegen die Kostenentscheidung gem. § 99 Abs. 2 ZPO sofortige Beschwerde eingelegt (Wert der Kosten 700 t).

2.2675

ZPO

Allerdings führt bei einer Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung ein höherer Wert der Kosten als der der Hauptsache nicht zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben wäre (sog. fiktive Rechtsmittelfähigkeit), § 91a Abs. 2 Satz 2, § 99 Abs. 2 Satz 2, § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO.

Die Beschwerde ist ungeachtet des an sich gegebenen Werts des Beschwerdegegenstands unzulässig (§ 99 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Liegt der Wert der Kosten über dem der Hauptsache, dann hat der Wert des Beschwerdegegenstands sogar einen höheren Wert. Eine Begrenzung auf den Wert der Hauptsache sieht die ZPO im Gegensatz zum GKG nicht vor. Allerdings ist dies für den Rechtsmittelstreitwert wegen der erforderlichen fiktiven Rechtsmittelbeschwer (§ 91a Abs. 2 Satz 2, § 99 Abs. 2 Satz 2, § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO) unerheblich.

2.2676

Kein Mindestwert ist dagegen für die Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung (§ 67 GKG) erforderlich.

2.2677

Ebenso wenig ist für die Rechtsbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung eine Mindestbeschwer 2.2678 vorgesehen.1

Kostenfestsetzungsverfahren A. Überblick

IV. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.2694

I. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2679 II. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2681 III. Beschwerdewert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2684 B. Gegenstandswert im Festsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO)

V. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2695 C. Wert des Beschwerdegegenstands I. Erreichen des Beschwerdewertes als Zulässigkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . 2.2697 II. Wertberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2699

I. Kostenfestsetzungsverfahren . . . . . . . . 2.2685 II. Kostenausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 2.2686

D. Bindung an die Streitwertfestsetzung im Ausgangsverfahren . . . . . . . . . . . . 2.2711

III. Erinnerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 2.2689

A. Überblick I. Gerichtsgebühren Gerichtsgebühren fallen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht an. Das Kostenfestsetzungsverfahren wird durch die jeweilige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen abgegolten; das Gleiche gilt für das Erinnerungsverfahren, so dass in beiden Fällen eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ausscheidet.

2.2679

Im Beschwerdeverfahren entsteht, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird, eine wertunabhängige Gebühr i.H.v. 60 t (Nr. 1811 KV GKG) und im Rechtsbeschwerdeverfahren i.H.v.

2.2680

1 BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZB 41/04, MDR 2005, 237 = AGS 2005, 26.

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2. Teil

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Kostenfestsetzungsverfahren

ZPO

120 t (Nr. 1824 KV GKG). Eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG kommt daher auch hier nicht in Betracht, wird gleichwohl aber immer wieder unzulässiger Weise vorgenommen.

II. Anwaltsgebühren 2.2681 Für den jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten zählt die Tätigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren zur Instanz (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG), so dass es auch hier grundsätzlich keiner Wertfestsetzung bedarf.

2.2682 Lediglich für den nur mit der Festsetzung als Einzeltätigkeit beauftragten Anwalt fallen gesonderte Gebühren nach Nr. 3403 VV RVG an.1 Hier ist der Gegenstandswert ggf. auf Antrag eines Beteiligten nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen.

2.2683 Unabhängig davon, ob der Anwalt im Ausgangsverfahren als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt war oder nicht, fallen sowohl im Erinnerungs- als auch im Beschwerdeverfahren die 0,5-Gebühren nach Nr. 3500 ff. VV RVG an und im Rechtsbeschwerdeverfahren die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. Diese Gebühren sind wertabhängig (§ 2 Abs. 1 RVG), so dass auf Antrag eines Beteiligten nach § 33 Abs. 1 RVG ein Gegenstandswert festzusetzen ist.

III. Beschwerdewert 2.2684 Gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss kann nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO sofortige Beschwerde erhoben werden. Nach § 567 Abs. 2 ZPO ist diese allerdings nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 v übersteigt. Hier ist daher ggf. eine gerichtliche Wertfestsetzung erforderlich.

B. Gegenstandswert im Festsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) I. Kostenfestsetzungsverfahren 2.2685 Im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO richtet sich der Gegenstandswert nach dem Betrag der zur Festsetzung angemeldeten Kosten. Ob diese bestritten werden oder nicht, ist unerheblich.

II. Kostenausgleichung 2.2686 Ist eine Kostenausgleichung nach § 106 ZPO durchzuführen, so richtet sich der Wert nach dem vom Erstattungsgläubiger begehrten Saldobetrag, wenn die einzelnen Positionen unstreitig bleiben.

2.2687 Im Übrigen gilt § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 45 Abs. 3 GKG. Soweit einzelne Positionen des Erstattungsberechtigten streitig sind, und ihnen streitige Positionen des Erstattungspflichtigen gegenüberstehen, die ebenfalls streitig sind, ist der Wert der streitigen Forderungen des Erstattungspflichtigen bis zur Höhe der streitigen Forderungen des Erstattungsberechtigten hinzuzurechnen.

2.2688 Beispiel: Die Kosten sind zu 25 % dem Kläger auferlegt worden und zu 75 % dem Beklagten. Der Kläger meldet 1.500 t an, der Beklagte 1.860 t.

1 VG Potsdam, Beschl. v. 31.7.2009 – 11 KE 21/09, AGS 2010, 366; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.1963 – 10 W 204/63, NJW 1964, 1233; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 3403 VV RVG Rz. 23.

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Kostenfestsetzungsverfahren

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2. Teil

a) Beide Forderungen sind unstreitig.

ZPO

b) Die Forderung des Klägers ist i.H.v. 300 t streitig; die des Beklagten ist insgesamt unstreitig. c) Die Forderung des Klägers ist unstreitig, die des Beklagten ist i.H.v. 360 t streitig. d) Die Forderung des Klägers ist i.H.v. 300 t streitig; die des Beklagten ist i.H.v. 360 t streitig. Der Gegenstandswert bemisst sich immer nach dem Interesse des Erstattungsberechtigten, also nach der Forderung, die sich nach seiner Auffassung ergibt: Im Fall a) beläuft sich der Gegenstandswert auf 1.500 t – (1.500 t + 1.860 t) × 25 % = 840 t, da dieser Betrag nach dem Antrag des Klägers zu seinen Gunsten festzusetzen wäre. Im Fall b) ist unerheblich, dass die Forderung des Klägers streitig ist. Der Gegenstandswert beläuft sich wiederum auf 1.500 t – (1.500 t + 1.860 t) × 25 % = 840 t, da dieser Betrag nach dem Antrag des Klägers zu seinen Gunsten festzusetzen wäre. Im Fall c) beläuft sich der Gegenstandswert auf 1.500 t – (1.500 t + 1.500 t) × 25 % = 750 t. Blieben die streitigen 360 t aufseiten des Beklagten unberücksichtigt, wären jetzt 750 t zugunsten des Klägers festzusetzen. Im Fall d) beläuft sich der Gegenstandswert wiederum auf 750 t, da dieser Betrag nach dem Vortrag des Klägers festzusetzen wäre.

III. Erinnerungsverfahren Der Gegenstandswert richtet sich im Erinnerungsverfahren nach § 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG. Maßgebend ist der mit der Erinnerung per Saldo geltend gemachte Betrag.

2.2689

Zu beachten ist, dass mehrere Erinnerungen, die sich gegen denselben Festsetzungsbeschluss richten, eine Angelegenheit sind (§ 16 Nr. 10 Buchst. a RVG).1 Daher sind die einzelnen Werte nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren.

2.2690

Das gilt sowohl bei mehreren Erinnerungen derselben Partei (§ 22 Abs. 1 RVG) als auch bei wechselseitigen Erinnerungen (entsprechend § 45 Abs. 1 GKG).

2.2691

Ausreichend dürfte es grundsätzlich sein, wenn das Gericht den Gesamtwert festsetzt. Eine gesonderte Wertfestsetzung der nach § 16 Nr. 10 Buchst. a RVG zusammengefassten Erinnerungen ist allerdings dann erforderlich, wenn Gebühren aus Teilwerten anfallen.

2.2692

Beispiel: Der Kläger legt gegen die Absetzung der Reisekosten Erinnerung ein, der Beklagte gegen die Absetzung seiner Verkehrsanwaltskosten. Der Kläger tritt der Erinnerung des Beklagten entgegen, während sich der Beklagte an der Erinnerung des Klägers nicht beteiligt.

2.2693

Für den Kläger gilt der Gesamtwert (§ 16 Nr. 10 Buchst. a, § 23 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1 RVG); für den Beklagten gilt dagegen nur der Wert seiner Erinnerung.

IV. Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren gelten die gleichen Grundsätze wie im Erinnerungsverfahren (§ 23 Abs. 2 Satz 1 RVG).

1 AnwK-RVG/N. Schneider, § 16 Rz. 132 ff.

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2. Teil

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Kostenfestsetzungsverfahren

ZPO

V. Rechtsbeschwerde 2.2695 Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die gleichen Grundsätze wie im Erinnerungsverfahren (§ 23 Abs. 2 Satz 1 RVG).

2.2696 Legt eine Partei Erinnerung und die andere Beschwerde ein, dann wird die Erinnerung als Anschlussbeschwerde behandelt.1 Die Werte sind nach § 16 Nr. 10 Buchst. b RVG zu addieren.

C. Wert des Beschwerdegegenstands I. Erreichen des Beschwerdewertes als Zulässigkeitsvoraussetzung 2.2697 Die Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss oder die Ablehnung der Kostenfestsetzung

ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 t überschreitet (§ 104 Abs. 3 i.V.m. § 567 Abs. 2 ZPO). Die Möglichkeit einer wertunabhängigen Zulassung besteht hier nicht.

2.2698 Die Rechtsbeschwerde ist dagegen wertunabhängig zulässig. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.2 Die Rechtsbeschwerde muss allerdings zugelassen sein (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

II. Wertberechnung 2.2699 Der Wert des Beschwerdegegenstands berechnet sich, da es um den Rechtsmittelstreitwert geht, nach den §§ 3 ff. ZPO.

2.2700 Maßgebend ist der Betrag, der nach Ansicht des Beschwerdeführers oder der Beschwerdeführer zu Unrecht zugebilligt oder aberkannt worden ist und der weiterverfolgt wird. Die Beschwer ist also nicht (mehr) entscheidend. Es kommt auf den tatsächlichen Umfang der Anfechtung an.

2.2701 So ist eine Beschwerde unzulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die Kostenfestsetzung zwar mit über 200 t beschwert ist, aber nur wegen einer Position im Wert von bis zu 200 t Beschwerde einlegt.

2.2702 Es sind zu vergleichen die festgesetzten Kosten mit den darüber hinaus durch die Beschwerde geltend gemachten oder mit ihr bestrittenen Positionen, je nachdem welche Partei die Festsetzung beanstandet. Der Differenzbetrag ist gleich dem Wert des Beschwerdegegenstands.

2.2703 Mehrere Positionen sind zu addieren (§ 5 ZPO), wobei unerheblich ist, ob es sich um eigene abgesetzte Positionen handelt oder um Positionen, die zugunsten der Gegenseite festgesetzt worden sind oder um beides.

2.2704 Zu beachten ist, dass es im Falle einer Kostenquote nur auf die entsprechende Quote ankommt. 2.2705 Beispiel: Die Kosten sind zu 40 % dem Kläger auferlegt worden und zu 60 % dem Beklagten. Das Gericht hat Reisekosten des Klägers i.H.v. 300 t als nicht erstattungsfähig angesehen.

Für den Kläger, der sich gegen die Absetzung seiner Reisekosten wehren will, ergibt sich ein Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. 60 % × 300 t, also i.H.v. 180 t. Eine Beschwerde wäre unzulässig. Möglich ist nur die Erinnerung.

1 Ausführlich AnwK-RVG/N. Schneider, § 16 Rz. 132 ff. 2 BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZB 41/04, AGS 2005, 26 m. Anm. N. Schneider = MDR 2005, 237 = FamRZ 2005, 196.

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Kostenfestsetzungsverfahren

2. Teil

Zu beachten ist auch eine Reduzierung infolge einer Kostenausgleichung.

2.2706

Beispiel: Die Kosten sind zu 30 % dem Kläger auferlegt worden und zu 70 % dem Beklagten (Streitwert 20.000 t). Das Gericht hat auf beiden Seiten eine 1,0-Einigungsgebühr (jeweils 334 t) abgesetzt.

2.2707

Wenn der Kläger die Absetzung der Einigungsgebühr angreift, ergibt sich vermeintlich ein Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. 70 % × 334 t, also i.H.v. 233,80 t, so dass die Beschwerde zulässig erscheint. Zu beachten ist aber, dass das Gericht einheitlich entscheiden muss. Auch aufseiten des Beklagten müsste dann die Einigungsgebühr berücksichtigt werden, so dass 30 % aus 334 t = 100,20 t abzuziehen sind, die im Wege der Kostenausgleichung den festzusetzenden Betrag wieder verringern. Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt daher im Ergebnis nur (233,80 t–100,20 t =) 133,60 t. Die Beschwerde ist unzulässig.

Reduziert sich nach Teilabhilfe der Wert des Beschwerdegegenstands auf 200 t oder darunter, wird die 2.2708 Beschwerde unzulässig. Der Beschwerdewert muss zum Zeitpunkt des Eingangs beim Beschwerdegericht noch gegeben sein. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht ist, bleibt allerdings die befristete Erinne- 2.2709 rung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG). Zum Wert des Beschwerdegegenstands bei übersehenem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung s. das Stichwort „Vorbehalt“, Rz. 2.5642 ff.

2.2710

D. Bindung an die Streitwertfestsetzung im Ausgangsverfahren Der Streitwertfestsetzungsbeschluss, der im Ausgangsverfahren für die Kostenrechnung ergeht, wirkt für und gegen die am Kostenfestsetzungsverfahren Beteiligten.1

2.2711

Ergeht nach der Kostenfestsetzung eine abweichende Streitwertfestsetzung für das Ausgangsverfahren, 2.2712 so ist auf Antrag die Kostenfestsetzung abzuändern (§ 107 Abs. 1 ZPO). Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einem Monat gestellt werden (§ 107 Abs. 2 ZPO). Hiernach kommt nur eine einfache Nachfestsetzung in Betracht bzw. materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche, in der Regel nach Bereicherungsrecht – oder sofern noch nicht gezahlt – die Vollstreckungsabwehrklage. Wird bereits während des Kostenfestsetzungsverfahrens die Streitwertfestsetzung oder -abänderung beantragt oder Streitwertbeschwerde erhoben, so ist das Festsetzungsverfahren gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung über den Festsetzungs- oder Abänderungsantrag oder die Beschwerde oder ggf. sogar über die weitere Beschwerde auszusetzen.2 Zwar liegt die Aussetzung nach § 148 ZPO im Ermessen des Gerichts; es ist allerdings anerkannt, dass sich dieses Ermessen in bestimmten Fällen – wie hier – auf „Null“ reduzieren kann, so dass eine Aussetzung zwingend ist. Der analogen Anwendung des § 11 Abs. 4 RVG bedarf es nicht, da sich das Recht und die ermessensgebundene Pflicht des Gerichts zur Aussetzung bereits unmittelbar aus der ZPO ergibt.

2.2713

Die Pflicht zur Aussetzung trifft nicht nur das Ausgangsgericht, sondern auch das Rechtsmittelgericht. Auch ein Beschwerdegericht ist nicht befugt, die Wertfestsetzung an sich zu ziehen.3

2.2714

1 OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.1955 – 8 W 219/55, Rpfleger 1956, 77; Zöller/Herget, § 104 ZPO Rz. 21.87; von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Rz. B 79 ff. 2 BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, MDR 2014, 566 = AGS 2014, 246; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12, AGS 2014, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2018 – 14 W 89/18, AGS 2019, 199.

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2. Teil

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Kostenwiderspruch

ZPO

Kostenwiderspruch Literatur: D. Meyer, Gerichtsgebühren bei einem Kostenwiderspruch gegen eine einstweilige Verfügung, JurBüro 2003, 525.

A. Kostenwiderspruch 2.2715 Den Widerspruch gegen eine ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung kann man auf den Kostenpunkt beschränken (sog. Kostenwiderspruch).1 Das ist besonders bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten nicht selten.

2.2716 Diese Beschränkung des Widerspruchs muss sich aus der Formulierung des Antrags eindeutig ergeben, weil damit zugleich auf das Widerspruchsrecht gegen die Sachentscheidung verzichtet wird.2 Legt der Antragsgegner „Widerspruch“ gegen eine einstweilige Verfügung ein und kündigt er an, im Termin den Anspruch unter Protest gegen die Kostenlast anerkennen zu wollen, handelt es sich nicht um einen Kostenwiderspruch, sondern um einen Widerspruch in der Hauptsache3 mit der Folge, dass auch der Wert der Hauptsache entscheidend ist.

2.2717 Dem Ansatz des vollen Gebührenstreitwerts entgeht der Antragsgegner daher nur, wenn er seinen Widerspruch sofort im Änderungsantrag oder zumindest in der Widerspruchsbegründung eindeutig auf die Kostenentscheidung beschränkt. Der Rechtsbehelf sollte ausdrücklich als „Kostenwiderspruch“ bezeichnet werden.

2.2718 Beispiel: „In dem einstweiligen Verfügungsverfahren … lege ich namens und mit Vollmacht des Antragsgegners gegen die in dem Beschluss des Landgerichts/Amtsgerichts … vom … enthaltene Kostenentscheidung Widerspruch ein (Kostenwiderspruch). Es wird beantragt, die Kosten des Verfahrens (insgesamt)4 dem Antragsteller aufzuerlegen.“

2.2719 Die Beschränkung des Widerspruchs vermindert den Streitwert, der sich dann im Widerspruchsverfahren nur noch nach dem Wert der bisher angefallenen Kosten bemisst.5 Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) der Anwälte beider Parteien wird daher nur aus diesem Kostenstreitwert berechnet, nach dem sich auch die anwaltliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) für den Anwalt des Antragsgegners errechnet; der (zusätzliche) Ansatz einer reduzierten Gebühr aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens (Nr. 3101 VV RVG) kommt nicht in Betracht.6 Weil für den Anwalt des Antragstellers Widerspruchs- und Antragsverfahren gem. § 16 Nr. 5 RVG eine Angelegenheit sind, richtet sich seine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) nach dem ursprünglichen Streitwert des Verfügungsverfahrens.

2.2720 Bei der Ermittlung des Kostenstreitwerts bleibt die Gerichtskostenfreiheit einer Partei außer Betracht.7

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.1981 – 6 W 60/81, WRP 1982, 226; KG, Beschl. v. 25.5.1982 – 1 W 1971/82, MDR 1982, 853. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.3.2018 – 3 W 531/18. 3 KG, Beschl. v. 25.5.1982 – 1 W 1971/82, MDR 1982, 853; Zöller/Herget, § 93 ZPO Rz. 6.32 m.w.N. 4 Wenn dem Antragsteller bereits im angefochtenen Beschluss ein Teil der Kosten auferlegt worden war. 5 OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.1.2013 – 3 W 12/13, NJW-RR 2013, 635. 6 BGH, Beschl. v. 15.8.2013 – I ZB 68/12, MDR 2013, 1253; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.7.2008 – 8 W 118/08, MDR 2009, 174; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.2007 – 6 W 58/07, MDR 2007, 1455; a.A. OLG München, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 W 1883/05, AnwBl. 2005, 795. 7 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.1992 – 8 W 177/92, MDR 1993, 183.

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Kraftfahrzeug

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2. Teil

Legt der Beklagte gegen ein Versäumnisurteil nur Einspruch ein, um die Kostenentscheidung ändern zu lassen (sog. Kosteneinspruch),1 bestimmt sich der Streitwert für das Verfahren über den Einspruch nur nach denjenigen Kosten, mit denen sich der Beklagte zu Unrecht belastet fühlt, höchstens allerdings nach dem Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 3 GKG).

2.2721

Gleiches gilt nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid2 oder Widerspruch gegen einen Mahnbescheid.3 Terminsgebühren nach Nr. 3104 VV RVG entstehen nur, wenn mündlich verhandelt wird, weil das Gericht nach § 128 Abs. 3 ZPO ohne Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entscheiden kann.

2.2722

Kraftfahrzeug Der Zuständigkeitsstreitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugs bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Fahrzeugs, und zwar nach dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Instanzeinleitung (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Der gleiche Wert gilt über §§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für den Gebührenstreitwert.

2.2723

Für die Verkehrswertermittlung kann bei Neufahrzeugen auf den Listenpreis des Herstellers, nicht den Händlereinkaufspreis,4 und bei Gebrauchtfahrzeugen auf Zeitwertlisten (Schwacke, DAT etc.) abgestellt werden. Hier sind neben Typ, Baujahr und Laufleistung auch die Anzahl der Vorbesitzer, Nutzungsart, Allgemeinzustand, Umfang und Qualität zurückliegender (unfallbedingter) Reparaturmaßnahmen und Schäden zu berücksichtigen.5 Verlangt der Käufer Übergabe und Eigentumsverschaffung gem. § 433 Abs. 1 BGB ist der vereinbarte Kaufpreis in Regel ein geeigneter Anhalt.

2.2724

Sehen sich die Parteien wechselseitig über den Besitz oder das Eigentum an einem Fahrzeug und sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten, dann sind die Ansprüche wirtschaftlich identisch. Die Werte von Klage und Widerklage sind daher nicht zu addieren, maßgebend ist vielmehr der höhere Einzelwert.6 Der Streitwert einer Klage auf Abnahme eines Kraftfahrzeugs, ohne dass der Kaufpreis geltend gemacht wird, richtet sich nach § 3 ZPO. Anzusetzen ist ein Bruchteil des Kaufpreises.7

2.2725

Siehe auch die Stichwörter „Kraftfahrzeugschlüssel“, Rz. 2.2738, „Kraftfahrzeugbrief“, Rz. 2.2727, „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511 und „Mehrere Ansprüche“, Rz. 2.2921.

2.2726

1 2 3 4 5

LG Mannheim, Urt. v. 9.6.2009 – 2 O 200/08. Vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 1.3.2004 – 2 U 28/03. LG Bielefeld, Urt. v. 16.3.2005 – 21 S 2/05, ZIP 2005, 1095. KG, Rpfleger 1962, 155; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 14 m.w.N. OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075 = JurBüro 2009, 429; LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls.). 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2019 – 13 W 2775/19, MDR 2020, 126; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; unzutr. OLG München, Beschl. v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984. 7 AG Osnabrück, Urt. v. 30.10.2000 – 6 C 219/00, JurBüro 2001, 144.

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ZPO

B. Kosteneinspruch

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2. Teil

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Kraftfahrzeugbrief

ZPO

Kraftfahrzeugbrief A. Zuständigkeitsstreitwert 2.2727 Der Zuständigkeitsstreitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kfz-Briefes bestimmt sich weder nach dem Sachwert des Briefes noch nach dem vollen Wert des Fahrzeugs, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument.1 Dieses Interesse ist nach § 3 ZPO zu schätzen und grundsätzlich höher zu bewerten als die Kosten der Beschaffung eines neuen Briefes2 oder die Kosten der Kraftloserklärung.3 Regelmäßig ist eine auf den Verkehrswert bezogene Bruchteilsbewertung geboten.

2.2728 Hierbei ist zu unterscheiden: Geht es lediglich um die Herausgabe des Briefes und ist das Fahrzeug durch den fehlenden Brief nicht in seiner Nutzung beeinträchtigt, etwa weil der Verkäufer mit seiner Übergabepflicht (§ 433 Abs. 1 BGB) im Rückstand ist, ist regelmäßig 1/10 des Verkehrswertes anzusetzen.4

2.2729 Verweigert der Besitzer des Briefes die Herausgabe dagegen unter Berufung auf sein Eigentum am Fahrzeug, so ist ein höherer Wert als 1/10 anzusetzen. Sofern keine Gefährdung der Vermögensinteressen vorliegt, ist nach OLG Düsseldorf 5 in diesem Fall ein Wert i.H.v. 1/3 des Verkehrswertes maßgebend.

2.2730 Dagegen nehmen OLG Köln,6 OLG Nürnberg7 und LG Augsburg8 grundsätzlich einen Betrag in Höhe des hälftigen Fahrzeugwertes an.9

2.2731 Der für die Bruchteilsbewertung maßgebliche Verkehrswert bestimmt sich nach dem auf dem freien Markt zu erzielenden Verkaufserlös bzw. zu zahlenden Kaufpreis. Bei fabrikneuen Fahrzeugen kann für die Bemessung der Listenpreis (U.V.P.) des Herstellers herangezogen werden.10 Bei gebrauchten Kraftfahrzeugen kann der Verkehrswert ggf. anhand der Schwacke-Liste ermittelt werden.11 Der Wert entspricht jedenfalls nicht dem Händlereinkaufspreis oder dem Betrag, zu dem die Sache in Zahlung genommen wird, sondern liegt regelmäßig darüber.12 Für die konkrete Bewertung sind neben Typ, Baujahr und Laufleistung auch die Anzahl der Vorbesitzer, Nutzungsart, Allgemeinzustand, Umfang

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.5.1969 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020; OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891. 3 OLG Neustadt, Beschl. v. 11.4.1963 – 2 W 27/63, JurBüro 1963, 764. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 19 W 3/93, NZG 1999, 941; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2011 – 24 W 20/11, AGS 2012, 190 m. Anm. N. Schneider. 6 OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168. 7 OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.5.1969 – 2 U 146/68, MDR 1969, 1020. 8 LG Augsburg, Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495/00, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 172 m. Anm. N. Schneider; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = JurBüro 2001, 143 m. Anm. Hock. 9 Ebenso AG Stuttgart, Beschl. v. 2.4.2011.1966 – 16 C 9396/66, AnwBl. 1967, 454. 10 OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168 = JMBl.NW 1962, 168 – Neufahrzeug. 11 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661. 12 KG, Rpfleger 1962, 155 – Pkw; LG Augsburg, Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495/00, JurBüro 2001, 143; LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06: Laptop; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 14 m.w.N.

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Kraftfahrzeugschlüssel

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2. Teil

Denkbar ist auch, dass der Wert des Briefes höher zu bewerten ist, als der Wert des Fahrzeugs, etwa dann, wenn das Fahrzeug faktisch keinen Wert mehr hat, der Brief aber für den Eigentümer von besonderer Bedeutung ist.

2.2732

B. Gebührenstreitwert Es gelten über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Das gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2.2733

Wird auf Herausgabe des Briefes geklagt und widerklagend auf Herausgabe des Fahrzeugs oder umgekehrt, so findet nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG keine Wertaddition statt. Beide Klagen betreffen denselben Streitgegenstand i.S.d. Vorschrift, denn die Parteien streiten wirtschaftlich über das Eigentum an demselben Fahrzeug.2 zugrunde liegt. Maßgebend ist der regelmäßig höhere Wert des Herausgabeanspruchs und damit der Verkehrswert des Fahrzeugs.3 Fälle, in denen der Brief einen höheren Wert hat als das Fahrzeug, sind zwar denkbar, aber in der Praxis eher selten.

2.2734

Unzutreffend ist es im Fall von Klage und Widerklage, für den Klageantrag auf Herausgabe des Briefes keinen Streitwert festzusetzen.4 Dieser Antrag hat durchaus einen eigenen Wert, der z.B. dann zum Tragen kommt, wenn danach gesonderte Gebühren anfallen (§ 36 Abs. 1 GKG). Dies gilt insbesondere für die Anwaltsgebühren, die ggf. nur aus dem Wert der Klage oder der Widerklage entstehen können.

2.2735

Wird die Herausgabe des Briefes im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, um das Fahrzeug veräußern zu können, richtet sich der Wert nach § 53 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Das OLG Saarbrücken5 nimmt den hälftigen Wert des Fahrzeugs an.

2.2736

C. Rechtsmittel und Beschwer Die (formelle) Beschwer des unterliegenden Klägers entspricht dem Gebührenstreitwert. Dagegen ist die Beschwer des zur Herausgabe verurteilten Beklagten materiell zu bestimmen (vgl. hier allgemein die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“). Maßgeblich ist der (Sach)Wert des Briefes an6; höherwertige Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte bleiben gem. § 6 Satz 2 ZPO außer Betracht.

2.2737

Kraftfahrzeugschlüssel Der Streitwert der auf Herausgabe von Fahrzeugschlüsseln gerichteten Klage ist nach dem Wert der 2.2738 Schlüssel und nicht dem des Kraftfahrzeugs zu bemessen.7 Zur Wertermittlung kann auf die fiktiven

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075 = JurBüro 2009, 429 = AGS 2009, 402; LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls.). 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2019 – 13 W 2775/19, MDR 2020, 126; KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; a.A. OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 513. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.12.1960 – 6 W 559/69, JurBüro 1961, 87. 4 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.12.1960 – 6 W 559/69, JurBüro 1961, 87. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.4.1968 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020. 7 BGH MDR 2018, 109.

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ZPO

und Qualität zurückliegender (unfallbedingter) Reparaturmaßnahmen und Schäden zu berücksichtigen.1

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2. Teil

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Kraftloserklärung

ZPO

Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage1 abgestellt werden.

2.2739 Der Umstand, dass das Fahrzeug aufgrund der Vorenthaltung der Schlüssel nicht genutzt werden kann, bleibt als bloß mittelbare Folge unberücksichtigt und rechtfertigt daher auch keine auf den Fahrzeugwert bezogene Bruchteilsbewertung gem. § 6 ZPO.2

2.2740 Wird die Herausgabe der Schlüssel im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, um das Fahrzeug veräußern zu können, richtet sich der Wert nach § 53 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Wegen der Dringlichkeit kann ein höherer Wert anzusetzen sein. Das OLG Saarbrücken3 nimmt hier den hälftigen Wert des Fahrzeugs an.

Kraftloserklärung 2.2741 Siehe das Stichwort „Aufgebotssachen“ im freiwG-Teil, Rz. 4.22 ff.

Krankenhaustagegeldversicherung A. Allgemeines 2.2742 Eine Krankenhaustagegeldversicherung i.S.v. § 192 Abs. 4 VVG verpflichtet den Versicherer, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung jeden Tag einen vereinbarten Geldbetrag zu zahlen. Krankenhaustagegeldversicherungen pflegen im Verbund mit Krankheitskosten- oder Unfallversicherungen abgeschlossen zu werden. Der mögliche Leistungsbezug ist gewöhnlich auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.2743 Bei Streitigkeiten aus oder über Krankenhaustagegeldversicherungen hängt die Bemessung des Streitwerts vom konkreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

I. Zahlungsklagen 1. Versicherungsprämien

2.2744 Versicherungsbeiträge sind wiederkehrende Leistungen. Daher ist der geforderte Betrag maßgebend, gem. § 9 ZPO höchstens der Betrag der nächsten 3 1/2 Jahre, dem gem. § 42 Abs. 3 GKG bereits fällige Beträge hinzuzurechnen sind.

1 So LAG Schleswig in einem vergleichbaren arbeitsrechtlichen Fall, AE 2007, 275 = JurBüro 2007, 238 und 258. 2 Für eine Berücksichtigung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661; ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.5.1969 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020.

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Krankenhaustagegeldversicherung

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2. Teil

Wird die Zahlung fälliger Krankenhaustagegelder verlangt, ist gem. § 6 Satz 1 ZPO der Betrag der verlangten Beträge maßgebend.

2.2745

Wird zukünftige Leistung für einen unbestimmten Zeitraum verlangt, ist nach § 3 ZPO der Wert eines Sechsmonatsbezuges anzusetzen, der dreieinhalbfache Jahreswert des § 9 Satz 1 ZPO ist nicht anwendbar.1 § 9 ZPO gilt nur für Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine solche Dauer haben oder haben können.2 Die regelmäßige Bezugsdauer von Krankenhaustagegeld liegt deutlich unter dreieinhalb Jahren, mag ein solcher Zeitraum in Einzelfällen auch nicht ausgeschlossen sein.3 Zudem ist der Bezug nach den Versicherungsbedingungen häufig zeitlich begrenzt und davon auszugehen, dass der Versicherte zukünftige Leistung nur im Rahmen des versicherten Zeitraums verlangt.

2.2746

Wird neben der zukünftigen Leistung zugleich ein fälliger Rückstand verlangt, ist der Streitwert gem. § 42 Abs. 3 GKG um den Rückstand zu erhöhen.4

2.2747

II. Feststellungsklagen 1. Versicherungsleistungen Wird Feststellung der Verpflichtung zu zukünftigen Tagesgeldleistungen verlangt, bemisst sich der Streitwert nach den vorstehenden Ausführungen. Es ist vom Leistungsbezug von 6 Monaten auszugehen und ein Feststellungsabschlag von 20 % vorzunehmen.5 Mit eingeklagte Rückstände erhöhen den Streitwert gem. § 42 Abs. 3 GKG.6

2.2748

Eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Herabsetzung des Krankenhaustagegeldes ist mit der Differenz des herabgesetzten zum ursprünglichen Betrag bei einem Sechsmonatsbezug abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % zu bemessen.7

2.2749

2. Fortbestand des Versicherungsvertrags Der Streitwert eines auf Feststellung gerichteten Antrags, der ausschließlich das Fortbestehen eines Krankentagegeldversicherungsvertrags zum Gegenstand hat, ist mit dem Wert des Sechsmonatsbezuges des Krankenhaustagegeld abzüglich 20 % Feststellungsabschlag anzusetzen.8 Handelt es sich dagegen um eine verbundene Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, ist nach §§ 3, 9 ZPO der Wert der dreieinhalbfachen Jahresprämie abzüglich 20 % Feststellungsabschlag maßgeblich.9

2.2750

Behauptet der Versicherungsnehmer, ihm stünden nicht eingeklagte Tagegeldansprüche zu, so erhöht sich der Streitwert des Feststellungsantrags um 50 % der vermeintlichen Tagegeldansprüche.10

2.2751

1 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 2 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293; BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, 144. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 4 OLG Rostock, Beschl. v. 8.11.2018 – 4 W 27/18. 5 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 8.11.2018 – 4 W 27/18. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2016 – 6 W 28/16, MDR 2017, 301. 8 Vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 9 BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – IV ZR 186/03, MDR 2004, 1182; BGH, Beschl. v. 3.5.2000 – IV ZR 258/99, MDR 2000, 850. 10 BGH, Beschl. v. 3.5.2000 – IV ZR 258/99, MDR 2000, 850.

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2. Versicherungsleistungen

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2. Teil

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Kreditgebühren

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III. Klagehäufung 2.2752 Neben einem Leistungs- oder Feststellungsantrag auf Zahlung von Krankenhaustagegeld hat ein Antrag auf Feststellung des Fortbestandes des Vertrages einen Wert von 20 % des Betrages eines sechsmonatigen Krankenhaustagegeldbezugs.1 Um denselben Wert erhöht die Vereinbarung der Beendigung des Vertrages in einem Vergleich über die Zahlung von Krankenhaustagegeld den Streitwert des Vergleichs.2

IV. Einstweilige Verfügung 2.2753 Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Zahlung von laufendem Krankentagegeld bemisst sich nach dem um ein Drittel verminderten Hauptsachewert.3

Kreditgebühren 2.2754 Kreditgebühren, die im Rahmen eines Teilzahlungskredits vereinbart werden, werden als Zinsen und damit als Nebenforderungen angesehen.4

2.2755 Umstritten ist, ob die Zusammenfassung des Darlehens und der Kreditgebühren in einem Betrag daran etwas ändert oder ob auch in diesem Fall die Kreditgebühren als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung außer Ansatz zu bleiben haben. Das OLG Bamberg5 lässt auch dann die Kreditgebühren unberücksichtigt, während das OLG München6 die Zinsen dem Streitwert hinzurechnet.

2.2756 Das OLG München geht davon aus, eine Zinsforderung verliere die Eigenschaft als Nebenforderung und werde zum Bestandteil des Hauptanspruchs, wenn der Zins aufgrund einer besonderen Vereinbarung dem Kapital zugeschlagen werde. Das aber geschehe durch Kreditverträge, in denen Kapital und Kreditgebühren zu einem „Gesamtkreditbetrag“ zusammengefasst würden. Leitend für den Senat war bei dieser Rechtsauffassung die Überlegung, dass die gegenüber dem Hauptanspruch in der Regel nicht ins Gewicht fallenden Zinsen im Interesse einer möglichst einfachen und raschen Streitwertermittlung außer Ansatz bleiben sollen. Dieser Zweck werde nicht erreicht, sondern in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Gesamtkreditbetrag zur Streitwertermittlung auseinandergerechnet werden müsse. „Gerade die Frage, wie sich die Restschuld aus einem Finanzierungsdarlehen zusammensetzt und welcher Zinsanteil in ihr steckt, ist oft überaus streitig und nicht ohne Weiteres zu beantworten.“7

2.2757 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da kraft Vereinbarung eine neue einheitliche Hauptforderung geschaffen wird und nur dies auch dem Praktikabilitätsgebot im Streitwertrecht entspricht. In der Grundtendenz gleich lauten dürfte die Entscheidung des BGH,8 die bei einem Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer wegen einer rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers die im Vorurteil mitzuerkannten Kosten und Zinsen ebenfalls dem Streitwert zugeschlagen hat.

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. OLG Rostock, Beschl. v. 8.11.2018 – 4 W 27/18. OLG Hamm, Beschl. v. 1.4.2011 – 20 W 6/11, VersR 2011, 1329. OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1975 – 16 U 91/75, MDR 1976, 663. OLG Bamberg, Beschl. v. 18.11.1975 – 2 W 69/75, JurBüro 1976, 343. OLG München, Beschl. v. 10.11.1975 – 2 W 1976/75, JurBüro 1976, 237. OLG München, Beschl. v. 10.11.1975 – 2 W 1976/75, JurBüro 1976, 237. BGH, Warneyer 1976 Nr. 14.

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Landpacht

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2. Teil

2.2758

Siehe das Stichwort „Schadensersatz“, Rz. 2.4409–2.4410 und 2.4426–2.4430.

2.2759–2.2779

Einstweilen frei.

Lagerkosten Bei ihnen handelt es sich nicht um Nebenkostenforderungen i.S.d. § 43 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, so dass sie dem Hauptanspruch zuzurechnen sind.1 Siehe auch das Stichwort „Standgeld“, Rz. 2.4574 ff.

2.2780

Landpacht Für Rechtsstreitigkeiten aus Landpachtverträgen i.S.v. § 585 BGB braucht man keine Zuständigkeitsstreitwerte zu ermitteln, weil das AG als Landwirtschaftsgericht nach §§ 2 Abs. 1, 1 Nr. 1a LwVG sachlich ausschließlich zuständig ist. Da in Landpachtsachen – soweit sie nicht unter § 1 Nr. 1 LwVG fallen2 – wegen § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG die ZPO anzuwenden ist, sind die Gebührenstreitwerte gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG nach dem GKG zu bestimmen.3 Sie werden genauso wie bei anderen Pachtsachen ermittelt. Bei Räumungsklagen errechnet man den Streitwert also gem. § 41 Abs. 1, Abs. 2 GKG nach dem Nettonutzungsentgelt für den streitigen Zeitraum, begrenzt auf das Nettonutzungsentgelt für ein Jahr.4 Der Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Landpachtvertrages ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO mit dem Wert des Pachtzinses für die beabsichtigte Vertragsdauer, aufgrund des Rechtsgedankens des § 9 ZPO aber höchstens mit dreieinhalb Jahrespachten anzusetzen.5 Der Rechtsmittelstreitwert ergibt sich aus §§ 3 ff. ZPO. Bei Räumungsprozessen errechnet man ihn nach § 8 ZPO,6 bei fehlender zeitlicher Befristung des Pachtvertrages nach § 9 ZPO.7

2.2780a

Weitere Einzelheiten schlage man bei den Stichwörtern „Pacht“, Rz. 2.3821 ff. und „Siedlungsverhältnis“, Rz. 2.4535 ff. nach. Ausführungen zu den Gegenstandwerten in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet man beim Stichwort „Landwirtschaftssachen“ im fG-Teil des Kommentars, Rz. 4.187 ff.

2.2780b

1 KG, JVBl. 1933, 250. 2 Erläuterungen zu den Landpachtsachen i.S.v. § 1 Nr. 1 LwVG findet man unter dem Stichwort „Landwirtschaftssachen“ im fG-Teil des Kommentars, Rz. 4.191, 4.192. 3 von Selle/Huth, LwVG, § 48, Rz. 11. 4 BGH, Beschl. v. 17.9.2020 – V ZR 305/19. 5 BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20. 6 BGH, Beschl. v. 1.10.2013 – LwZB 1/13. 7 von Selle/Huth, LwVG, § 48, Rz. 10; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.1.2017 – VIII ZR 178/16, WuM 2017, 162 (zum Mietrecht).

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Künftiger Schaden

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Landpacht

S. 641 von 1232 Druckdaten

2. Teil

2.2758

Siehe das Stichwort „Schadensersatz“, Rz. 2.4409–2.4410 und 2.4426–2.4430.

2.2759–2.2779

Einstweilen frei.

Lagerkosten Bei ihnen handelt es sich nicht um Nebenkostenforderungen i.S.d. § 43 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, so dass sie dem Hauptanspruch zuzurechnen sind.1 Siehe auch das Stichwort „Standgeld“, Rz. 2.4574 ff.

2.2780

Landpacht Für Rechtsstreitigkeiten aus Landpachtverträgen i.S.v. § 585 BGB braucht man keine Zuständigkeitsstreitwerte zu ermitteln, weil das AG als Landwirtschaftsgericht nach §§ 2 Abs. 1, 1 Nr. 1a LwVG sachlich ausschließlich zuständig ist. Da in Landpachtsachen – soweit sie nicht unter § 1 Nr. 1 LwVG fallen2 – wegen § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG die ZPO anzuwenden ist, sind die Gebührenstreitwerte gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG nach dem GKG zu bestimmen.3 Sie werden genauso wie bei anderen Pachtsachen ermittelt. Bei Räumungsklagen errechnet man den Streitwert also gem. § 41 Abs. 1, Abs. 2 GKG nach dem Nettonutzungsentgelt für den streitigen Zeitraum, begrenzt auf das Nettonutzungsentgelt für ein Jahr.4 Der Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Landpachtvertrages ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO mit dem Wert des Pachtzinses für die beabsichtigte Vertragsdauer, aufgrund des Rechtsgedankens des § 9 ZPO aber höchstens mit dreieinhalb Jahrespachten anzusetzen.5 Der Rechtsmittelstreitwert ergibt sich aus §§ 3 ff. ZPO. Bei Räumungsprozessen errechnet man ihn nach § 8 ZPO,6 bei fehlender zeitlicher Befristung des Pachtvertrages nach § 9 ZPO.7

2.2780a

Weitere Einzelheiten schlage man bei den Stichwörtern „Pacht“, Rz. 2.3821 ff. und „Siedlungsverhältnis“, Rz. 2.4535 ff. nach. Ausführungen zu den Gegenstandwerten in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet man beim Stichwort „Landwirtschaftssachen“ im fG-Teil des Kommentars, Rz. 4.187 ff.

2.2780b

1 KG, JVBl. 1933, 250. 2 Erläuterungen zu den Landpachtsachen i.S.v. § 1 Nr. 1 LwVG findet man unter dem Stichwort „Landwirtschaftssachen“ im fG-Teil des Kommentars, Rz. 4.191, 4.192. 3 von Selle/Huth, LwVG, § 48, Rz. 11. 4 BGH, Beschl. v. 17.9.2020 – V ZR 305/19. 5 BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20. 6 BGH, Beschl. v. 1.10.2013 – LwZB 1/13. 7 von Selle/Huth, LwVG, § 48, Rz. 10; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.1.2017 – VIII ZR 178/16, WuM 2017, 162 (zum Mietrecht).

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2. Teil

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Landvermessung

ZPO

Landvermessung 2.2781 Hat sich der Beklagte notariell verpflichtet, auf jederzeit statthaftes Verlangen des Klägers ein noch zu vermessendes Teilstück eines Grundstücks herauszugeben und begehrt der Kläger zunächst nur Verurteilung des Beklagten zur Landvermessung, so ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.2782 Wenn für eine Schätzung jegliche oder hinreichende Anhaltspunkte fehlen, so hat die frühere Rechtsprechung sich an dem Regelwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten orientiert.1 Das ist wegen des vermögensrechtlichen Streitgegenstandes zweifelhaft und mangels eines Regelwerts im geltenden § 48 Abs. 2 GKG nicht mehr möglich. Das OLG Braunschweig2 hat insoweit den Auffangwert für verwaltungsgerichtliche Verfahren angewandt. Dieser Auffangwert beläuft sich derzeit auf 5.000 t (§ 52 Abs. 2 GKG).

2.2783 Für die Beschwer eines Beklagten, der zur Zustimmung zur amtlichen Landvermessung verurteilt wurde, ist auf die Höhe der ihm voraussichtlich entstehenden Kosten abzustellen.3

Leasingvertrag 2.2784 Der Leasingvertrag ist im BGB nicht geregelt. Es handelt sich dabei um die mietähnliche Ausgestaltung der Gebrauchsüberlassung einer Sache, die jedoch der Zielsetzung nach auf eine kaufrechtliche Regelung hinausläuft. Der „Kaufpreis“ des Abzahlungsgeschäfts entspricht den Leasingraten. Wie bei der Miete geht kein Eigentum über, kann aber nach Ablauf der Leasingzeit erworben werden. Es gelten folgende Bewertungsregeln:

2.2785 Bei einem als Mietvertrag zu wertenden Leasingvertrag richtet sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG und nicht nach § 3 ZPO, wenn der Bestand des Mietvertrages in Frage steht.4 Das gilt in gleicher Weise, wenn der Fortbestand nur Vorfrage (präjudizielles Rechtsverhältnis) ist.5

2.2786 Leitet der Leasinggeber seinen Anspruch auf den Besitz der Mietsache zugleich aus einem zuvor mit dem Leasingnehmer geschlossenen und nunmehr rückabzuwickelnden Kaufvertrag ab, dann erhöht sich der Streitwert im Falle des Streites auch um den Bestand des Kaufvertrages entsprechend dem Wert der Sache, § 6 ZPO.6

2.2787 Klagt der Leasinggeber auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Rücktrittserklärung des Leasingnehmers vom Kaufvertrag und einer Kündigung des Mietvertrages, dann ist ein Abschlag von 20 % des sich nach § 48 Abs. 1, § 41 Abs. 1 GKG, § 6 ZPO ergebenden vollen Wertes vorzunehmen.7 Abzustellen ist bei der Streitwertermittlung auf die Verhältnisse des Leasinggebers, so dass Mehrwertsteuer unberücksichtigt bleibt, wenn dieser vorsteuerabzugsberechtigt ist.8 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Köln, Beschl. v. 7.4.1971 – 2 U 111/70, JurBüro 1971, 719. OLG Braunschweig, Beschl. v. 18.12.1976 – 2 U 70/76, Nds.Rpfl. 1977, 126. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.11.1993 – 7 U 101/93, MDR 1994, 1247. BGH, Beschl. v. 14.12.1988 – VIII ZR 222/88; OLG Celle, Beschl. v. 17.3.1993 – 2 U 131/91, MDR 1993, 1020: fristlose Kündigung; OLG Frankfurt, MDR 1978, 145: Anmietung einer Computeranlage; OLG München, Beschl. v. 11.3.2020 – 32 W 284/20, JurBüro 2020, 206. OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.2021 – 30 W 10/20; a.A. OLG München, Beschl. v. 11.3.2020 – 32 W 284/20, JurBüro 2020, 206. OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1748 = MDR 1978, 145. BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149. BGH, Beschl. v. 26.8.2014 – VIII ZR 335/13; BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149; OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.10.1977 – 20 W 762/77, MDR 1978, 145.

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Seggewiße und Kurpat

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Lebensversicherung

2. Teil

2.2788

Klagt der Leasingnehmer wegen Mängeln des Leasinggegenstandes auf Rückzahlung bereits geleisteter Leasingraten und der Leasinggeber widerklagend auf Zahlung rückständiger Leasingraten, dann betreffen Klage und Widerklage nicht denselben Gegenstand und es sind die Einzelwerte zusammenzurechnen.3

2.2789

Dagegen scheidet eine Addition wegen wirtschaftlicher Identität aus, wenn der Leasinggeber auf Herausgabe des Leasingobjekts nach Vertragsbeendigung klagt und der Leasingnehmer widerklagend die Übereignung desselben aufgrund einer mündlichen Abrede begehrt.4

2.2790

ZPO

Verlangt dagegen der Leasingnehmer von einem Dritten die Herausgabe des Leasinggegenstandes, beispielsweise der Arbeitgeber die Rückgabe des geleasten Firmenfahrzeugs, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dessen Verkehrswert und nicht nach der Höhe der noch offenen oder bereits geleisteten Leasingraten.1 Gleiches gilt für die Herausgabeklage des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer, wenn über die Beendigung des Vertragsverhältnisses kein Streit besteht. Für eine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 2 GKG ist mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum.2

Lebensversicherung A. Allgemeines Bei Streitigkeiten aus oder über Lebensversicherungen hängt die Bemessung des Streitwerts vom konkreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

2.2791

B. Zahlungsklagen I. Versicherungsprämie Versicherungsbeiträge sind wiederkehrende Leistungen. Daher ist der geforderte Betrag maßgebend, gem. § 9 ZPO höchstens der Betrag der nächsten 3 1/2 Jahre, dem gem. § 42 Abs. 3 GKG bereits fällige Beträge hinzuzurechnen sind.

2.2792

II. Versicherungsleistung Wird aus einer Lebensversicherung auf Auszahlung der Versicherungsleistung geklagt, so ist der Zahlbetrag gem. § 6 Satz 1 ZPO maßgebend.

2.2793

Sofern sich aus der Lebensversicherung wiederkehrende Leistungen ergeben, etwa bei einer RentenLebensversicherung, gilt der Wert der nächsten 3 1/2 Jahre, soweit die Laufzeit nicht geringer ist. Bereits rückständige Leistungen sind nach § 42 Abs. 3 GKG hinzuzurechnen.

2.2794

1 2 3 4

LAG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2008 – 1 Ta 190/08, JurBüro 2009, 140. OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18, WM 2018, 1526. BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 261/12, MDR 2014, 564. Unzutreffend daher OLG München, Beschl. v. 18.6.2015 – 32 W 792/15, MDR 2015, 984, das unter Missachtung von § 6 ZPO das Interesse des Klägers am Besitz und des Beklagten am Eigentum des Gegenstandes zusammenrechnet.

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2. Teil

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Lebensversicherung

ZPO

III. Rückabwicklung nach Widerspruch (§ 5a VVG a.F.) 2.2795 Ist ein Lebensversicherungsvertrag nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. rückabzuwickeln, sind die im Bereicherungsanspruch nach §§ 812, 818 BGB enthaltenen Nutzungsersatzansprüche streitwerterhöhende Teile der Hauptforderung.1 § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO dient einer einfachen und klaren Wertermittlung, weil die sachliche Zuständigkeit der Gerichte und die Zulässigkeit von Rechtsmitteln wertabhängig sind.2 Den Zweck verfehlte man, wenn man in der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Einzelnen ermittelte, in welcher Höhe der Nutzungsersatz vom Anspruch auf Rückzahlung der Prämien abhängt, zumal dieser mit dem (gegenläufigen) Bereicherungsanspruch des Versicherers wegen des faktisch genossenen Versicherungsschutzes und einem typischerweise bereits ausgezahlten Rückkaufwert zu saldieren ist.3 Das Gleiche gilt bei der kostenrechtlichen Beurteilung nach § 43 GKG,4 der nach dem Willen des Gesetzgebers mit § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO sachlich übereinstimmt und ebenfalls zeitraubende Berechnungen ersparen soll.5

C. Andere Leistungsklagen I. Freistellung von Versicherungsprämien 2.2796 Der Streitwert einer Klage auf Freistellung von den zukünftig fällig werdenden Prämien ist gem. § 9 ZPO mit deren 3 1/2fachem Jahresbetrag zu bewerten.6

II. Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages 2.2797 Bei Klagen auf Abschluss einer Risikolebensversicherung bestimmt man den Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers am Vertragsschluss.7

D. Feststellungsklagen I. Bestand des Vertrages 2.2798 Wird auf Feststellung geklagt, ein Vertrag über eine Risikolebensversicherung bestehe (fort), sind als Streitwert regelmäßig 20 % der Versicherungssumme anzusetzen, weil der Eintritt des Leistungsfalls ungewiss ist.8

2.2799 Bei Kapitallebensversicherungen, die auch im Erlebensfall ausgezahlt werden, ist als Streitwert der Feststellungsklage dagegen der Wert der Versicherungsleistung abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 % anzusetzen, weil der Eintritt des Versicherungsfalls gewiss ist.9 Dasselbe gilt entgegen der

1 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251. 2 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 3 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2019 – 8 W 868/19, NJW-RR 2019, 803; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2019 – 12 W 1/19, VersR 2019, 774 unter ausdrücklicher Aufgabe der gegenteiligen Ansicht aus OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.7.2017 – 12 U 75/17, MDR 2017, 1053; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 U 275/18, NJW-RR 2019, 807. 5 BT-Drucks. 7/2016, 73; BT-Drucks. 15/1971, 155. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07. 7 OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.1975 – 1 U 71/74, JurBüro 1975, 1099. 8 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259. 9 BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – IV ZR 9/94.

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Leibrente

2. Teil

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des beitragsfreien Fortbestands einer fondsgebundenen Lebensversicherung kann bei fehlenden Angaben zur Höhe des Deckungskapitals im Erlebensfalle auf die vereinbarte Mindesttodesfallsumme zzgl. 20 % Aufschlag geschätzt werden.2 Alsdann ist dieser Betrag um einen 20prozentigen Feststellungsabschlag zu kürzen.3

ZPO

Auffassung des OLG Oldenburg1 bei einer Klage auf „Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts des Versicherers“ von einer Kapitallebensversicherung. Deren Antrag ist entsprechend §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass mit der Klage der Fortbestand des Versicherungsvertrages festgestellt werden soll, weil die Unwirksamkeit der Rücktrittserklärung nur eine nach § 256 ZPO nicht feststellungsfähige rechtliche Vorfrage ist.

2.2800

II. Versicherungsleistung Der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer in 46 Jahren zu erbringenden Ablaufleistung aus der Lebensversicherung bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Interesse, das durch bankübliche Abzinsung des in der Zukunft erwarteten Betrages zu ermitteln ist.4

2.2801

E. Herausgabe der Versicherungspolice Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Lebensversicherungspolice ist nach § 3 ZPO zu bestimmen, und zwar nach dem Interesse des Klägers an der Legitimations- und Beweismöglichkeit, die das Papier gibt. § 6 ZPO gilt nicht, weil Versicherungspolicen keine Inhaberpapiere sind, sondern nur qualifizierte Legitimationspapiere.5 Das Interesse entspricht nur dann dem vollen Rückkaufswert der Lebensversicherung, wenn die materielle Berechtigung des Klägers nicht im Streit steht und daher ohne weiteres davon auszugehen ist, dass er die Versicherungssumme nach Vorlage des Versicherungsscheins ausbezahlt erhält.6 Ansonsten kann man das Interesse mit 1/3 der Versicherungssumme bemessen.7

2.2802

Leibrente Die Leibrente hat eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung im Rechtsverkehr. Für die Vertragsparteien bestehen die Vorteile der Leibrente (§§ 759 ff. BGB) darin, dass der Gläubiger für seine Lebensdauer einen Zahlungsanspruch erhält, während der Schuldner seine Leistung nur ratenweise erbringen muss. Überwiegend wird eine Leibrente vereinbart bei der Übergabe von Grundstückskaufverträgen und Vermögensübertragungen, um dem Übertragenden für die Dauer seines Lebens gleichmäßige Geldbezüge zu sichern.

2.2803

Der Wert des geltend gemachten Rechts auf eine lebenslange Leibrente ist als wiederkehrende Leistung gem. § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges zu berechnen, wenn nicht der Gesamtbetrag der Bezüge geringer ist

2.2804

1 2 3 4 5 6

OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.1994 – 2 W 39/94. KG, Beschl. v. 11.12.1998 – 6 W 8735/98. KG, Beschl. v. 11.12.1998 – 6 W 8735/98. OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.10.2000 – 7 U 20/00, VersR 2002, 913. BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.1.2005 – 4 UR 85/05, OLG Hamburg, Beschl. v. 24.10.1903 – 3. Zs., OLGE 9, 50. 7 LAG Stuttgart, Beschl. v. 18.10.2001 – 3 Ta 103/01, VersR 2002, 913.

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2. Teil

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Leistung an die Erbengemeinschaft

ZPO

2.2805 Es ist unerheblich, ob eine Leistungs- oder eine Feststellungsklage erhoben wird. Lediglich bei positiven Feststellungsklagen ist ein Abschlag – ca. 1/5,1 – vorzunehmen. Der Wert einer Feststellungsklage über künftige Leibrentenbeträge kann sich unter Berücksichtigung des hohen Alters des Berechtigten verringern.2

2.2806 Tritt eine 98-jährige Frau von einem Grundstückskaufvertrag zurück, den sie 16 Jahre zuvor (mit einer fixen monatlichen Leibrente und einem lebenslänglichen alleinigen Nutzungsrecht) abgeschlossen hat, so bemisst sich der Grundstückswert nach der statistischen Lebenserwartung einer 82-jährigen Frau im Zeitpunkt der Vereinbarung, erhöht um den Steigerungsfaktor für Grundstücke bis zum Bewertungszeitpunkt (hier: Rücktritt vom Vertrag). Unrichtig wäre es, von der tatsächlichen Lebensdauer der jetzt 98-Jährigen ausgehend auf den Wert des Grundbesitzes zurückzurechnen.3

2.2807 Vgl. auch die Ausführungen unter dem Stichwort „Altenteil“, Rz. 2.102 ff.

Leistung an die Erbengemeinschaft A. Klagen gegen Dritte 2.2808 Der Streitwert einer Klage gegen einen Dritten auf Leistung an die Erbengemeinschaft bemisst sich mit dem vollen Wert. Ein Abschlag, weil der klagende Miterbe „nur“ mit einer Quote am Nachlass beteiligt ist, ist unzulässig.

2.2809 Klagt ein Miterbe aufgrund des § 2039 BGB gegen einen Nachlassschuldner auf Leistung an die noch ungeteilte Erbengemeinschaft, dann ist die volle Leistung im Streit und gem. § 6 ZPO zu bewerten.4

2.2810 Das Interesse des auf Leistung an die Erbengemeinschaft Klagenden zielt auf den vollen Wert. Denn nur wenn der volle Betrag an die Erbengemeinschaft fließt, erhält er daraus auch seinen Anteil. Er hat also ein Interesse daran, dass die Miterben an der Leistung partizipieren und ihren „Anteil“ erhalten, weil nur dann auch sein „Anteil“ gesichert ist.

B. Klagen gegen Miterben I. Zahlungsklagen 2.2811 Bei der Zahlungsklage eines Miterben gegen die anderen Miterben auf Zahlung einer Geldsumme an die lediglich aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft ist eine wirtschaftliche Betrachtung geboten, so dass der auf den Anteil des beklagten Miterben entfallende Geldbetrag streitwertmäßig grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist.5

2.2812 Ist der beklagte Nachlassschuldner zugleich Miterbe, dann ist zu beachten, dass ihm ein seinem Erbteil entsprechender Anteil an der geforderten Leistung zukommen und verbleiben kann. Dieser Anteil

1 2 3 4 5

BGH, JurBüro 1975, 1598. BGH v. 11.3.1993 – III ZR 75/92, BGHR ZPO § 9 Leibrente 1. OLG Koblenz, Beschl. v. 18.5.1999 – 5 W 318/99, NJW-RR 2000, 163 = AGS 2000, 30. OLG Düsseldorf, MDR 1962, 912; OLG Schleswig, JurBüro 1994, 26. BGH, Beschl. v. 24.4.1975 – III ZR 7/73, MDR 1975, 741 = WM 1975, 599; Beschl. v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, NJW 1967, 443 = MDR 1967, 202; so auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, Rpfleger 1992, 254 = JurBüro 1992, 418; OLG Köln, JurBüro 1969, 344; OLGR 1995, 246.

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Leistung an die Erbengemeinschaft

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2. Teil

Dasselbe soll gelten, wenn der klagende Miterbe auf Leistung an sich allein klagt, weil er von den üb- 2.2813 rigen Miterben zur Einziehung der Forderung oder des Anspruches ermächtigt worden ist.2 Diese Betrachtungsweise darf jedoch nicht schematisiert und unreflektiert übernommen werden, weil dem beklagten Miterben vor der Auseinandersetzung gar kein fester Anteil an der Forderung zusteht und im Übrigen gar nicht feststeht, ob der Beklagte an der beigetriebenen Forderung partizipiert.

2.2814

Beispiel: Der Kläger (zu 1/4 erbberechtigt) klagt gegen den Beklagten (ebenfalls zu 1/4 erbberechtigt) auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 100.000 t an die Erbengemeinschaft. Nach Zahlung der Forderung ergibt sich ein Nachlassbestand von 0 t.

2.2815

In diesem Fall muss der Streitwert bei den vollen 100.000 t verbleiben. Es wäre nicht sachgerecht, den Streitwert in diesem Fall auf lediglich 75.000 t zu reduzieren. Wäre die Forderung gegen den Beklagten unbegründet gewesen und der Nachlass damit überschuldet, hätte er das Erbe ausschlagen, zumindest die Dürftigkeitseinrede erheben können, so dass er durch den Eingang der 100.000 t bei der Erbengemeinschaft überhaupt keinen Nutzen hat. Daher darf in einem solchen Fall nichts abgezogen werden.

Es ist somit immer zu fragen, welcher Vorteil auf den Beklagten wieder zurückfällt oder besser aus Sicht des Klägers ausgedrückt, welcher Anteil ihm wieder verloren geht und daher für ihn wirtschaftlich kein Interesse hat.

2.2816

Der Nachteil dieser Berechnung liegt sicherlich darin, dass die Frage der Streitwertbemessung zusätzlich mit der Ermittlung der Erbquote belastet wird, die zum Zeitpunkt der Klage noch gar nicht feststehen muss.

2.2817

Steht der Erbteil des Miterben nicht fest, so muss dieser geschätzt werden. Dabei dürfte es ausschließlich auf die Sicht des Klägers ankommen.

2.2818

Behauptet der Kläger, der in Anspruch genommene Miterbe sei erbunwürdig, dürfte ein Abzug nicht gerechtfertigt sein, da aus Sicht des Klägers dem Beklagten kein Vorteil zukommen kann. Ggf. ist auch hier nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.2819

Begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten, von einem Konto einer aus beiden Parteien bestehenden Erbengemeinschaft mit je hälftigem Anteil von 114.278,10 t auf ein allein auf seinen Namen lautendes Konto zu zahlen, beurteilt sich sein wirtschaftliches Interesse gem. § 3 ZPO nur auf die Hälfte dieses Betrages. Hier erstrebt der Kläger mit seinem Antrag die Wiedererlangung der alleinigen Verfügungsbefugnis über einen Betrag von 114.278,10 t, auf den bisher nur beide Parteien als Miterben gemeinschaftlich zugreifen konnten (vgl. §§ 2038, 2040 BGB). Auch wenn der Beklagte mithin alleinige Verfügungen des Klägers über das Konto verhindern konnte, ändert dies nichts daran, dass er durch die ursprünglich vorgenommene Überweisung der 114.278,10 t auf ein Konto der Erbengemeinschaft diesen Betrag nicht vollständig aus seinem Vermögen ausgegliedert hat, sondern über die Erbengemeinschaft weiterhin zur Hälfte an diesem Vermögenswert beteiligt ist.3

2.2820

1 RG, JW 1937, 228 Nr. 11; RGZ 156, 264. 2 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.65. 3 BGH, Beschl. v. 8.10.2019 – IV ZR 33/19.

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müsse als außer Streit befindlich angesehen und daher von dem an sich maßgebenden Wert der gesamten Leistung abgesetzt werden.1

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2. Teil

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Leistung an die Erbengemeinschaft

ZPO

II. Klage auf Löschungsbewilligung 2.2821 Der Streitwert der Klage des Eigentümers gegen einen Miterben auf Erteilung der Löschungsbewilligung ist nach einhelliger Auffassung wiederum nach dem Betrag der ganzen Forderung, nicht nur nach dem Erbanteil des beklagten Miterben zu bemessen.1

2.2822 Auch bei der Klage gegen einen Miterben auf Löschung einer Hypothek bestimmt sich der Streitwert nach dem eingetragenen Betrag ohne Rücksicht darauf, dass der Miterbe nur zu einem Teil berechtigt ist.2

2.2823 Soweit jedoch nur die Zustimmung anderer Miterben notwendig (oder freiwillig erteilt) ist, ist dies streitwertermäßigend zu berücksichtigen. Denn dann kann die Klage lediglich gegen einen Miterben nicht den vom Kläger bezweckten rechtlichen Erfolg herbeiführen. So bemisst sich der Streitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung einer zugunsten einer Erbengemeinschaft eingetragenen Sicherungshypothek nicht nach dem vollen Betrag der Hypothek, sondern nach dem hälftigen Anteil des löschungsunwilligen Miterben3.

III. Klage auf Grundbuchberichtigung 2.2824 Den Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass an Stelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, ist gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Grundstücks, abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils zu bemessen.4 Ein das Grundstück belastendes Nießbrauchrecht bleibt außer Betracht.5

IV. Klage auf Zustimmung zur Einrichtung eines Erbengemeinschaftskontos 2.2825 Der Streitwert der Klage eines Mehrheitserben gegen einen Miterben auf Zustimmung zur Umwandlung eines Sparkassenkontos in ein Konto der Erbengemeinschaft mit alleiniger Verfügungsbefugnis des Mehrheitserben (§ 2038 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB), bemisst sich nicht nach den vom beklagten Miterben angegebenen Wertvorstellungen seiner Nachlassbeteiligung oder den auf diesem Konto eingegangenen und zukünftig eingehenden Beträgen, sondern nach dem mit der Zustimmung erstrebten Erfolg6. Dabei geht es nur darum, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung die banktechnische Abwicklung der laufenden Geschäfte der Erbengemeinschaft zu ermöglichen. Daraus ergibt sich keine Grundlage, den Wert des Beschwerdegegenstandes nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO auf einen Wert oberhalb der bisherigen Festsetzung von 2.500 t oder gar der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu schätzen.7

2.2826 Da die angestrebte Maßnahme des Miterben, eine solche zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Erbengemeinschaft im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung darstellt, ändern sich die vermögensrechtlichen Ansprüche der Erben nicht. Daher stellt der Wert des Nachlasses eigentlich kein geeignetes Kriterium zur Streitwertbemessung dar. Andererseits können die Umsätze, die mit dem Konto

1 2 3 4

KG, NJW 1956, 472. OLG Naumburg, JW 1936, 2169; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.1981 – 16 W 38/80, JurBüro 1981, 757. BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, LM Nr. 5 zu § 6 ZPO = MDR 1958, 676; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66. 5 BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, LM Nr. 5 zu § 6 ZPO = MDR 1958, 676. 6 BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – IV ZR 7/13, AGS 2013, 524 = ErbR 2014, 20 m. Anm. N. Schneider. 7 BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – IV ZR 7/13, AGS 2013, 524 = ErbR 2014, 20 m. Anm. N. Schneider.

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Leistungsklage

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2. Teil

ZPO

getätigt werden sollen, einen Anknüpfungspunkt bei der nach § 3 ZPO gebotenen Schätzung bilden.1

V. Klage auf Zustimmung zur Grundstücksveräußerung Verlangt ein zu 1/2 am Grundbesitz beteiligter Miterbe von einem lediglich zu 1/24 Beteiligten die Zu- 2.2827 stimmung zur Grundstücksveräußerung, bestimmt die Erbquote des Anspruchsstellers den Streitwert.2

VI. Feststellungsklage Der Streitwert einer Feststellungsklage eines Miterben gegen einen anderen Miterben, dass ein Bankguthaben zum Nachlass gehört, bestimmt sich nach dem Betrag des Guthabens abzüglich des Anteils des beklagten Miterben. Davon ist ein Abschlag von 20 v.H. vorzunehmen.3

2.2828

Eine Klage auf Feststellung, dass der Kläger Erbe oder Miterbe sei, ist nicht nach § 6 ZPO, sondern entsprechend § 3 ZPO nach dem Antragsinteresse zu bemessen, das in dem Erbanteil des klagenden Miterben besteht.4

2.2829

Dabei ist ein unstreitiger Pflichtteilanspruch des klagenden Miterben in Abzug zu bringen.5 Da das Feststellungsurteil lediglich die Rechtsstellung des Klägers festlegt, ihm aber nicht im Wege der Zwangsvollstreckung die tatsächliche Sachherrschaft über irgendeinen Erbschaftsgegenstand einräumt, ist es gerechtfertigt, einen bei Feststellungsklagen üblichen Abschlag von 20 % vorzunehmen.6

2.2830

Leistungsklage Für die Bewertung der Leistungsklage ist zunächst danach zu unterscheiden, ob sie auf Zahlung oder 2.2831 eine anderweitige Leistung, wie z.B. Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, Herausgabe, Auskunft oder Abgabe einer Willenserklärung, gerichtet ist. Dagegen ist die Klage gegen den Vertragspartner auf Freistellung von allen bestehenden oder künftigen Verpflichtungen nicht auf Leistung, sondern auf Feststellung gerichtet, dass derartige Verpflichtungen nicht (mehr) bestehen.7 Die nicht auf Geldleistung gerichteten Klageanträge werden unter dem einschlägigen Stichwort jeweils gesondert kommentiert. Bei der auf Zahlung lautenden Klage ist, vom Ausnahmefall der unbezifferten Leistungsklage abgesehen (vgl. hierzu das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867), für die Wertberechnung grundsätzlich der bezifferte Leistungsantrag maßgebend.8 Geldbeträge in ausländischer Währung sind in

1 2 3 4 5

Vertiefend N. Schneider, ErbR 2014, 20. OLG Koblenz, Urt. v. 22.7.2010 – 5 U 505/10, FamRZ 2011, 402. OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433; OLG Köln, JurBüro 1979, 1704. OLG Schleswig, SchlHA 58, 83; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 1367. BGH, JurBüro 1975, 461 = NJW 1975, 539 = MDR 1975, 389; BayObLG v. 12.3.1996 – 1Z BR 122/95, 1Z BR 129/95, FamRZ 1996, 1560. 6 OLG Köln, JurBüro 1979, 1704. 7 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – III ZR 265/14 – Bewertung entsprechend der Forderung, derer sich der Beklagte berühmt. 8 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172.

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ZPO

2. Teil

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Leistungsklage

inländische Währung umzurechnen.1 Macht der Kläger sein Zahlungsverlangen nicht als Einmalzahlung, sondern den Zahlungsbetrag als Ratenzahlung geltend, bleibt der Gesamtbetrag wertbestimmend. § 9 ZPO ist insoweit nicht einschlägig.2

2.2833 Ist der Klageantrag auf Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug gerichtet, dann bleibt die Gegenleistung nach bei der Bestimmung des Streitwertes grundsätzlich unberücksichtigt, auch bei gleichartiger Gegenleistung.3 Ob Gleiches gilt, wenn sich der Streit – wirtschaftlich betrachtet – auf die Verpflichtung zur Gegenleistung beschränkt, etwa bei der Auflassungsklage allein über die Verpflichtung zur restlichen Kaufpreiszahlung Uneinigkeit besteht, ist umstritten (s. das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677). Die Beschwer der Beklagten, der sich allein gegen eine unbeschränkte Verurteilung verteidigt hat, bestimmt sich dagegen allein nach dem Wert des Gegenrechts, begrenzt auf den Wert des klägerischen Anspruchs.4

2.2834 Eine Saldierung ist dagegen geboten, wenn der Kläger eine von ihm geschuldete Vorteilsausgleichung trotz Gleichartigkeit der Leistung nicht vom Klagebetrag abzieht, sondern als Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung anbietet, also z.B. Zahlung von Schadensersatz Zug-um-Zug gegen Zahlung einer bezifferten Nutzungsentschädigung anbietet.5 Hier bestimmt sich der Wert nach dem Klagebetrag abzüglich der (in der Höhe) unstreitigen Nutzungsentschädigung. Die Art der Antragstellung darf nicht den Blick darauf verstellen, dass der Kläger nur den Differenzbetrag einklagt. Bei nicht gleichartiger Gegenleistung verbleibt es dagegen beim ungeschmälerten Klagebetrag.6

2.2835 Bei der Verpflichtung zur wiederkehrenden Leistung (z.B. Versicherungsprämien) ist eine Klage auf Zahlung der laufenden Beiträge nach § 9 Satz 1 ZPO zu bemessen, wenn das Stammrecht erfahrungsgemäß dreieinhalb Jahre dauern kann. Anderenfalls ist nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der geringeren Dauer zu bewerten.7

2.2836 Der Klagebetrag bleibt auch dann maßgeblich, wenn die Klageforderung (auch schon) vorprozessual unstreitig war. Denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.8 Der fehlende Streit über den Bestand einer Forderung hat nur auf den für die gerichtliche Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1300 VV RVG) relevanten Streitwert Einfluss (s. weitergehend unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5082 ff.).

2.2837 Der Nennwert der Forderung bestimmt auch den Streitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Geldansprüche,9 solange der Streit sich nicht auf die Fälligkeit der Forderung beschränkt (s. hierzu das Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470 ff.).

1 Vgl. ausführlich das Stichwort „Ausländische Währung“. 2 OLG Köln, Beschl. v. 14.5.1999 – 11 W 3/99, OLGR 1999, 404. 3 BGH, Beschl. v. 8.7.2019 – XI ZR 309/18 – für Rückzahlung der Darlehensraten Zug-um-Zug gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta. 4 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/17, Grundeigentum 2017, 830; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829; BGH, Beschl. v. 7.4.2009 – VIII ZB 94/08, MDR 2009, 759 = NJW-RR 2010, 492. 5 A.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.11.2014 – 12 W 40/14, Justiz 2015, 61; OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15, SchlHA 2015, 331. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.2019 – 4 W 46/19, MDR 2019, 1190; insoweit zutr. OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15, SchlHA 2015, 331 – betr. Freigabe von Sicherheiten. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 17.8.2012 – 20 W 29/12, MDR 2013, 342 – Krankenkostenvollversicherungsvertrag. 8 OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. 9 BGH, BGHR ZPO § 2; RGZ 118, 323; offen gelassen: BGH, Beschl. v. 2.8.1994 – IV ZR 270/93, WuM 1995, 2060; a.A. KG, JurBüro 1989, 1599: Abzinsungsbetrag; Hirte, MDR 1978, 170; Voormann, MDR 1987, 722.

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Leistungsklage

2. Teil

2.2838

Schließlich wird die Bewertung nicht dadurch beeinflusst, dass die Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs unsicher ist, etwa weil der Erfolg einer Vollstreckung offen ist.4

2.2839

Wird ein Rechtsstreit, der einen Anspruch auf Zahlung zum Gegenstand hat, infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten unterbrochen, dann bestimmt sich der Streitwert für den Zeitraum nach Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Betrag, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Klageforderung zu erwarten ist.5

2.2840

Spricht das Gericht dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO mehr zu, als er beantragt hat, berechnet sich der Gebührenstreitwert dennoch nach dem Klageantrag.6 Allein die Beschwer erhöht sich, soweit der Kläger nicht erklärt, aus dem Urteil keine über den Klageantrag hinausgehenden Rechte herleiten zu wollen (s. im Einzelnen unter dem Stichwort „Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO“, Rz. 2.5473 ff.).

2.2841

Zinsen und Kosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt, auch wenn Kapital und Zinsen in einem einheitlichen Betrag geltend gemacht werden. Das ist immer dann der Fall, wenn sie neben der Hauptforderung für einen Zeitraum beansprucht werden, in dem auch die Hauptforderung bestand oder besteht. Dabei ist unerheblich, ob sie durch einen festen Betrag oder nur einen Prozentsatz bezeichnet werden7 – s. auch unter dem Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

2.2842

Bei der Leistungsklage eines Miterben auf Leistung an die Erbengemeinschaft bestimmt sich der Streitwert nach dem Anteil, mit dem der klagende Miterbe am Nachlass beteiligt ist.8 Dies gilt auch, wenn ein Erbe von den Miterben die Rückgewähr zuvor aufgeteilter Vermögensgegenstände zum Nachlass verlangt. Hier ist für den Streitwert und die Beschwer nicht der Vollwert des Gegenstandes maßgebend, sondern der Wert nur mit der jeweiligen Erbquote des klagenden Miterben anzusetzen9 – s. auch unter dem Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369.

2.2843

Werden bei einer von Anfang an erhobenen Leistungsklage auf Rentenzahlung solche Rückstände, die während des Prozesses (s. § 42 Abs. 1 GKG) entstehen, aus dem Rentenanspruch herausgenommen und selbständig kapitalisiert geltend gemacht, so sind diese bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.10

2.2844

5 6 7 8 9 10

Vgl. Schumann, NJW 1982, 1258; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rz. 3. Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172. Schumann, NJW 1982, 1227, 1258. RGZ 25, 367; LAG Hamm, Beschl. v. 8.8.1991 – 8 Ta 252/91, MDR 1991, 1203; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rz. 3. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 W 414/09, JurBüro 2010, 201. BGH, MDR 1974, 36; Schneider, MDR 1971, 437. BGH, Beschl. v. 28.5.2019 – 7 U 11/19, ZInsO 2019, 1863; Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJWRR 1995, 706; OLG Köln, Beschl. v. 14.5.1999 – 11 W 3/99, OLGR 1999, 404. BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 7/73, MDR 1975, 741; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, JurBüro 1992, 418. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.1993 – 2 U 80/93, OLGR 1994, 67. OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686.

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ZPO

Für die Wertbestimmung ebenfalls bedeutungslos ist, ob der Klagebetrag dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht.1 Da sich die Rechtskraft der Entscheidung (§ 322 ZPO) auf den Streitgegenstand beschränkt und präjudizielle Rechtsverhältnisse nicht erfasst,2 rechtfertigt der Umstand, dass zwischen den Parteien Streit auch in gleichartigen weiteren Sachverhalten besteht bzw. über den mit der (Teil)Klage geltend gemachten Anspruch hinaus weiter gehende Ansprüche aus demselben Sachverhalt in Betracht kommen, keine Werterhöhung.3

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2. Teil

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Leistungsmodalitäten

ZPO

2.2845 Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses und zugleich auf Leistung eines Teils geklagt, so sind die Werte beider Ansprüche nach überwiegender Auffassung nicht zusammenzurechnen, da dies zu einer unzulässigen Mehrfach-Bewertung des Streitgegenstandes führen würde. Der höchste Wert ist maßgebend.1 Richtigerweise ist danach zu differenzieren, ob die Feststellungsklage den weitergehenden Leistungsanspruch (z.B. Ersatz des weiteren Schadens) oder das diesem zugrunde liegende Rechtsverhältnis (z.B. Mietvertrag bei Mietzinsklage) betrifft. In diesen Fällen ist zu addieren, wobei im letztgenannten Fall der Feststellungsantrag wegen wirtschaftlicher Identität jedoch zuvor um den in ihm enthaltenen Leistungsantrag zu bereinigen ist.2 Siehe im Einzelnen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2951.

2.2846 Wird auf Feststellung der Verpflichtung zur Rentenzahlung geklagt und macht der Kläger gleichzeitig bereits fällig gewordene Beträge zusätzlich durch einen Leistungsantrag geltend, dann erhöht sich der Streitwert des Feststellungsantrages um den Streitwert der Rückstände, § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG.3 Für die Beurteilung, ob bereits ein Rückstand besteht, ist auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung (Anhängigkeit) abzustellen.4

Leistungsmodalitäten 2.2847 Klagt eine Vertragspartei gegen die andere auf Erfüllung des Vertrages, ist für die Bewertung des klägerischen Interesses gem. § 6 ZPO grundsätzlich der Wert der geforderten Leistung ohne Abzug der Gegenleistung maßgebend.5

2.2848 Wird nur um Modalitäten wie Art, Ort oder Zeit der Erfüllung gestritten, dann ist das Interesse des Klägers an der beanspruchten Erfüllungsweise maßgebend.6 Wird neben der Hauptleistung über Vollzugsregelungen gestritten, rechtfertigt das keine Werterhöhung.7

2.2849 Dazu rechnet auch der Streit über die Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes, hier ist das Interesse des Klägers an der Feststellung eines früheren (Gläubiger) oder späteren (Schuldner) Zeitpunkts wertbestimmend,8 s. näher das Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470. Zu beachten ist aber in diesen Fällen, dass sich die Beschränkung des Streites auf bloße Modalitäten aus dem Klagevorbringen ergeben muss. Einwendungen allein des Beklagten rechtfertigen keine Streitwertverringerung.9

1 BGH, JurBüro 1969, 833; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 14; Schumann, NJW 1982, 1257, 1258. 2 Vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, MDR 2010, 990. 3 BGHZ 2, 74; BGH, Rpfleger 1953, 575; OLG Bamberg, Rpfleger 1953, 47. 4 OLG Brandenburg, JurBüro 2001, 94; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.3.2003 – 12 WF 18/03, FamRZ 2003, 1198; OLG Köln, Beschl. v. 5.3.2001 – 14 WF 24/01, MDR 2001, 941 = FamRZ 2001, 1386 – Vollstreckungsabwehrklage. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1984, 738; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.185. 6 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36; RG, JW 1927, 2129; RGZ 118, 324; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.185. 7 LAG Frankfurt, Beschl. v. 2.8.2013 – 1 Ta 125/13. 8 BGH, WPM 1995, 2060 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 58/60; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1982 – 3 W 33/82, JurBüro 1982, 1245; OLG Schleswig, Beschl. v. 13.1.1983 – 8 WF 156/82, SchlHA 1983, 142. 9 OLG Stuttgart, OLGE 2, 430.

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Löschung von Grundbuchbelastungen

2. Teil

Der Streitwert einer (als Hauptforderung eingeklagten) Zinsforderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt ist gem. § 3 ZPO frei zu schätzen.1

2.2850

Bei Streit über den Ort der Einsichtnahme in Handelsbücher geht es wirtschaftlich nur um die Frage, ob der Kläger höhere Kosten – Fahrt- und Transportkosten, Dienstleistungsvergütungen usw. – aufzuwenden hat.2 Diese Kosten sind zu schätzen.

2.2851

Für die Leistung Zug-um-Zug s. das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff.

2.2852

Lieferung Der Streitwert der Klage auf Erfüllung einer vertraglichen Lieferpflicht bemisst sich gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem Wert der zu liefernden Sache (vgl. hierzu das Stichwort „Wert einer Sache“, Rz. 2.5890).3 Eine vertraglich geschuldete Gegenleistung bleibt bei der Wertbestimmung ebenso außer Ansatz wie Gegenrechte und Einreden.

2.2853

In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn von einem Energieversorger die (Wieder)Aufnahme der Versorgung verlangt wird. Die Bemessung richtet sich hier nach dem Wert der Versorgungsleistung. Im einstweiligen Verfügungsverfahren kann auf das üblicherweise anfallende Halbjahresentgelt abgestellt werden4 (vgl. hierzu das Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238).

2.2854

Hat die geschuldete Vertragsleistung neben der Lieferung weitere Leistungen zum Gegenstand, wie beispielsweise die Montage einer Maschine oder die Einweisung in eine bereits montierte Anlage, und sind diese nur teilweise erbracht worden, dann kann der Streitwert nicht höher sein als der Wert der Kaufsache bzw. Werkleistung im Zeitpunkt der Klageerhebung abzüglich des Wertes des etwa bereits Gelieferten (Gesamtpreis abzgl. Wert der Maschinenteile und der Teilmontage).

2.2855

Der Umstand, dass der Beklagte es zur Vollstreckung des gegen ihn ergangenen Urteils kommen lässt und durch die Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, rechtfertigt keinen höheren Streitwert.5

2.2856

Löschung von Grundbuchbelastungen Siehe die Stichwörter „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.311–2.319, „Grunddienstbarkeit“, Rz. 2.1966, „Grundschuld“, Rz. 2.1975–2.1984, „Hypothek“, Rz. 2.2290–2.2299, „Nießbrauch“, Rz. 2.3747–2.3749, „Reallast“, Rz. 2.4139–2.4140, „Vorkaufsrecht“, Rz. 2.5720–2.5721, „Vormerkung“, Rz. 2.5739, „Widerspruch gegen Grundbucheintragung“, Rz. 2.5921 und „Wohnrecht“, Rz. 2.6006 f., 2.6020 f.

1 BGH, NJW 1981, 2360; OLG Köln, Urt. v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215; unzutr. LG Osnabrück, Beschl. v. 17.4.1957 – 8 T 78/57, JurBüro 1957, 354 – auf § 9 ZPO abstellend, da insoweit nur bei Zinsen als wiederkehrende Leistung für Vermögensanlagen einschlägig. 2 RGZ 2, 403; vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.3.2001 – II ZB 11/00, MDR 2001, 710 = BB 2001, 752 – Beschwer. 3 Stein/Jonas/Roth, § 6 ZPO Rz. 4; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 3. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.2.2012 – Kart W 3/11, VersorgW 2012, 320; LG Göttingen, Beschl. v. 16.10.2002 – 4 T 15/02; unzutr. LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.9.2013 – 1 T 146/13, RVG prof. 2014, 55, denn die Wiederaufnahme der Stromversorgung besteht in der Lieferung von Strom. 5 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111.

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2.2857

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Mahnverfahren

ZPO

Mahnverfahren Literatur: Fischer, Neues zu Zuständigkeits- und Verweisungsfragen, MDR 2000, 301; Liebheit, Erledigung der Hauptsache im Mahnverfahren – Rücknahme des Streitantrages, NJW 2000, 2235; Volpert, Streitwert im Mahn- und Prozessverfahren, RVGreport 2008, 261. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2858 B. Zuständigkeitsstreitwert

II. Teilwiderspruch und -einspruch . . . . . 2.2878

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2859

III. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2881

II. Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . 2.2861

IV. „Erledigung“ im Mahnverfahren . . . . . 2.2883

III. Teilwiderspruch und -einspruch . . . . . 2.2865

V. Rücknahme des Mahnantrags . . . . . . . 2.2884

IV. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2867

D. Rechtsmittel und Beschwer

V. „Erledigung“ im Mahnverfahren . . . . . 2.2868 C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2872

I. Zurückweisung des Mahnantrages . . . . 2.2885 II. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides . . . . . . 2.2886 III. Abgabe an das Prozessgericht . . . . . . . 2.2887

A. Einleitung 2.2858 Das Mahnverfahren dient der beschleunigten Durchsetzung von Geldforderungen, die der Schuldner nicht erfüllen kann oder will. Ob der mit dem Mahnantrag verfolgte Anspruch besteht, wird im Mahnverfahren nicht überprüft. Im Hinblick auf einen damit möglichen Missbrauch des Verfahrens ist sein Anwendungsbereich durch § 688 Abs. 2 ZPO eingeschränkt worden. Soweit sie nicht der schriftlichen und schematischen Ausgestaltung des Verfahrens zuwiderlaufen, gelangen die allgemeinen Verfahrensvorschriften der ZPO zur Anwendung.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines 2.2859 Für die Durchführung des Mahnverfahrens ist das AG ohne Rücksicht auf den Wert der geltend gemachten Forderung sachlich ausschließlich zuständig, § 689 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bewertungsprobleme stellen sich insoweit nicht.

2.2860 Anders liegt es beim Übergang in das streitige Verfahren. Hier kann es zu Wertunterschieden zwischen Mahn- und Streitverfahren kommen, etwa weil der Antragsgegner den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid nicht in vollem Umfang angegriffen, während des Mahnverfahrens Zahlungen auf die im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung erbracht hat und/oder der Antragsteller die Forderung im streitigen Verfahren nicht mehr unverändert weiterverfolgt.

II. Zeitpunkt der Wertberechnung 2.2861 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO derjenige der Klageeinreichung (Anhängigkeit). Diesem Zeitpunkt entspricht bei der Überleitung der Mahnsache in das streiti-

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2. Teil

Der vorgenannte Bewertungszeitpunkt wird durch die Regelung über die Fortdauer einer einmal begründeten Zuständigkeit in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht in Frage gestellt. Zwar gilt nach § 696 Abs. 3 ZPO die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheides als rechtshängig geworden, jedoch findet § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auf diese zurückbezogene Rechtshängigkeit nach ganz überwiegender Ansicht wegen der Besonderheiten des Mahnverfahrens keine Anwendung.2 Es handelt sich um eine Rückwirkungsfiktion für materiell-rechtliche Normen, die an den Eintritt der Rechtshängigkeit anknüpfen, beispielsweise für den Anfall von Prozesszinsen (§ 291 BGB) oder den Ersatz von Nutzungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 987 BGB).

2.2862

Die mit dem Erlass des Vollstreckungsbescheids verbundene fiktive Rechtshängigkeit nach § 700 Abs. 2 ZPO rechtfertigt keine andere Bewertung, was bereits aus der Verweisung in § 700 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgt. Danach gilt bei Einlegung eines Einspruchs § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO, wonach der Rechtsstreit (erst) mit Akteneingang als anhängig anzusehen ist, entsprechend. Maßgeblicher Zeitpunkt für § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist auch hier der Akteneingang, so dass bei Wertdifferenzen zwischen Mahnund Vollstreckungsbescheid immer auf Letzteren abzustellen ist.3

2.2863

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn die Abgabe nach Widerspruchseinlegung nicht alsbald erfolgt. Da ein Eintritt der Rechtshängigkeit vor Anhängigkeit ausscheidet, kommt alternativ zum Akteneingang nur die nach außen erkennbare Aufnahme der gerichtlichen Tätigkeit4 oder die Zustellung der Anspruchsbegründung in Betracht.5 Beides trägt den Besonderheiten des Mahnverfahrens nur unzureichend Rechnung.6 Streitwertrechtlich gewinnt die Frage an Bedeutung, wenn eine Antragsbeschränkung auf einen Wert unterhalb der Zuständigkeitsgrenze erstmals in der nach Abgabe eingereichten Anspruchsbegründung erfolgt. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO stünde dann einer Verweisung vom LG an das AG nicht entgegen.7

2.2864

1 KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1996 – 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403; OLG Hamm, Beschl. v. 26.4.2001 – 23 W 594/00, JurBüro 2002, 89; OLG München, Beschl. v. 16.11.1998 – 11 W 2823/98 MDR 1999, 508; OLG Rostock, Beschl. v. 18.2.2002 – 8 W 64/01, MDR 2002, 665; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.2.1999 – 8 W 527/98, MDR 1999, 634; a.A. für Gebührenstreitwert: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.2.1998 – 10 W 18/98, JW 1999, 2000 = NJW-RR 1998, 1077: zu Unrecht auf den Streitantrag abstellend. 2 BayObLG, Beschl. v. 29.6.1994 – 1Z AR 31/94, MDR 1995, 312; KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; KG, Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 35 = NJW 1998, 1324; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1994 – AR 15/94, NJW-RR 1995, 831; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, MDR 1998, 1121; OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/97, MDR 1997, 890 = JurBüro 1997, 602; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.2.1999 – 1 W 5/99, OLGR 1999, 310; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.3.1982 – 4 SmA 1/82, Rpfleger 1982, 292; ohne Begründung a.A. Fischer, MDR 2000, 301, 303. 4 So OLG Köln, Urt. v. 22.2.1985 – 6 U 191/84, MDR 1985, 680. 5 MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rz. 21; Musielak/Voit/Voit, § 696 Rz. 4. 6 KG, Beschl. v. 13.2.1998 – 28 AR 61/97, MDR 1998, 618; KG, Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 735; offenlassend: KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; offenlassend für Einhaltung materiell-rechtlicher Fristen: BGH, Urt. v. 14.11.1991 – IX ZR 250/90, MDR 1992, 180 = NJW 1993, 1070: spätestens mit Zustellung der Anspruchsbegründung; BGH, Urt. v. 18.10.1990 – IX ZR 43/90, BGHZ 112, 325 = MDR 1991, 145 = NJW 1991, 171: nicht vor Abgabe. 7 Vgl. etwa KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 147.

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ge Verfahren gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO der Eingang der Akten beim Prozessgericht, nicht die Einreichung des Mahnantrages oder des Antrages auf Durchführung des streitigen Verfahrens.1

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III. Teilwiderspruch und -einspruch 2.2865 Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid nur teilweise Widerspruch ein, erfolgt eine Abgabe nur im Umfang des widersprochenen Teils, § 694 Abs. 1, § 696 Abs. 1 ZPO. Allein der von der Abgabe betroffene Teil des Mahnantrages (Streitgegenstand) wird beim Prozessgericht an- und rechtshängig, während hinsichtlich des beim Mahngericht verbliebenen Teils Vollstreckungsbescheid beantragt werden kann. Beschränkt der Antragsgegner (in zulässiger Weise) seinen Einspruch, wird der nicht angegriffene Teil des Vollstreckungsbescheides rechtskräftig, § 700 Abs. 1 ZPO. Auch hier gelangt das Mahnverfahren nicht in vollem Umfang an das Prozessgericht.

2.2866 Der Streitwert des Erkenntnisverfahrens richtet sich in beiden Fällen nach dem Umfang der Abgabe, d.h. dem Wert des streitigen Anspruchs, wobei entsprechend den allgemeinen Regeln Zinsen und Kosten unberücksichtigt bleiben, § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG.

IV. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten 2.2867 Der Antragsgegner kann seinen Widerspruch bzw. Einspruch auf die im Mahnbescheid bzw. Vollstreckungsbescheid enthaltene Kostenentscheidung beschränken. Bewertungsrechtlich entspricht dies dem bereits erörterten Teilwiderspruch, da eine Abgabe des Mahnverfahrens an das Prozessgericht nur hinsichtlich der noch streitigen Kosten erfolgt, die damit nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG zur Hauptsache werden.1 Der Zuständigkeitswert bemisst sich folglich nach der Summe der durch das Mahnverfahren verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, soweit der Wert der Hauptsache nicht überschritten wird.

V. „Erledigung“ im Mahnverfahren 2.2868 Wie bereits dargelegt, bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert danach, in welchem Umfang das Mahnverfahren an das Streitgericht abgegeben worden ist. Dies wird bei Zahlungen des Beklagten während des Mahnverfahrens maßgeblich davon beeinflusst, ob sich der Kläger bereits im Mahnverfahren, d.h. vor Abgabe der Akten an das Prozessgericht, auf eine vollständige oder nur teilweise materielle Erledigung der Mahnantragsforderung berufen und diese insoweit nicht mehr zur Entscheidung des Prozessgerichts gestellt hat.2

2.2869 In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass vom Kläger „der Rechtsstreit“ in der Hauptsache (teilweise) für erledigt erklärt wird. Darin ist weder eine Rücknahme des Streitantrages noch ein Antrag auf Feststellung einer dahingehenden „Erledigung“ zu sehen. Die Erklärung ist vielmehr sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Kläger – unter Aufgabe des bisherigen Mahnantrages – die Feststellung der (materiell-rechtlichen) Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung begehrt. Denn gegen eine Wertung als Rücknahme des Streitantrages spricht, dass der „erledigte“ Teil des Mahnverfahrens nicht in das Streitverfahren übergeleitet und damit eine Entscheidung über die durch diesen verursachten Kosten verhindert wird, obwohl dem Kläger an einer Sachentscheidung gelegen ist.3

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1983 – 5 W 9/83, MDR 1984, 149; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.1994 – 5 W 117/94, JurBüro 1995, 323; OLG Zweibrücken, OLGZ 1971, 380. 2 Vgl. nur OLG Dresden, Beschl. v. 17.1.2019 – 8 W 24/19, JurBüro 2019, 78. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 + 21 W 7/01, OLGR 2001, 297; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368; Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236.

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Mahnverfahren

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Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1382 ff.

2.2871

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Erfolgt dagegen eine Abgabe ohne einschränkende Antragstellung des Klägers, dann wird das aus dem Mahn- oder Vollstreckungsbescheid ersichtliche Klagebegehren in vollem Umfang rechtshängig.1 Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe des im Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid aufgeführten Zahlungsanspruchs.

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Im Mahnverfahren richten sich die Gerichtskosten (Nr. 1110 KV GKG) und Gebühren für die anwaltliche Vertretung des Antragstellers (Nr. 3305 VV RGV) gem. §§ 3, 39 GKG und § 23 RVG nach dem Wert des im Mahnantrag geltend gemachten Zahlungsanspruchs.2 Dass der Antragsteller den Mahnbescheid „nur“ zur Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) beantragt hat, rechtfertigt keine geringere Bewertung.3 Insoweit wie auch im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln, Zinsen und Kosten bleiben als Nebenforderung unberücksichtigt, § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG Probleme des Gebührenstreitwertes ergeben sich regelmäßig erst im Zusammenhang mit der Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht.

2.2872

Wird das Verfahren nach Erhebung des Widerspruchs oder Einlegung des Einspruchs an das Streitgericht abgegeben (§ 696 Abs. 1, § 700 Abs. 3 ZPO), entsteht mit Eingang der Akten die allgemeine Verfahrensgebühr (Nr. 1210 KV GKG) unter Anrechnung der Gebühr nach Nr. 1110 KV GKG, soweit Mahn- und Streitverfahren denselben Streitgegenstand betreffen.4 Entscheidend für die Wertbestimmung ist daher der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird. Ist der Abgabe ein Teilwiderspruch bzw. -einspruch vorausgegangen, ermäßigt sich der Streitwert für das weitere Verfahren bereits mit dessen Eingang bei dem Mahngericht.5

2.2873

Der Streit, ob sich die Verfahrensgebühr – bei einer (bedingten) Streitantragstellung bereits im Mahnbescheidsantrag (§ 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO) – nach dem Wert des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs unabhängig davon bestimmt, ob der Anspruch vom Antragsteller (Kläger) noch vor Abgabe teilweise für „erledigt“ erklärt worden ist,6 ist mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004 überholt. Ausweislich der amtlichen Anmerkungen zu Nr. 1210 KV GKG ist kostenrechtlich – wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert (s. Rz. 2.2861 ff.) – der Eingang der Akten beim Prozessgericht der für die Wertbestimmung maßgebende Zeitpunkt. Bleibt ein Widerspruch des Antragsgegners innerhalb der Widerspruchsfrist aus und wird infolgedessen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides gestellt, dann entsteht eine halbe Verfahrensgebühr (nur) für die Vertretung des Antragstellers (Nr. 3308 VV RGV).7 Der Gegenstandswert dieser nicht der Anrechnung unterliegenden Verfahrensgebühr bemisst sich nach der Höhe des mit dem Vollstreckungsbescheid verfolgten Anspruchs. Zahlungen des Antragsgegners, die bei der Antragstellung

1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 7/01, OLGR 2001, 297. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Mahnverfahren“. BVerfG, Beschl. v. 3.1.2007 – 1 BvR 737/04, Rpfleger 2007, 427 = NJW 2007, 2032. Volpert, RVGreport 2008, 361, 362. OLG Düsseldorf, JurBüro 2004, 378; OLG Köln, Beschl. v. 16.6.2006 – 17 W 5/05, OLGR 2007, 67. So die sog. Vorverlegungstheorie – OLG Bamberg, Beschl. v. 29.7.1998 – 7 W 16/98, FamRZ 1999, 1292; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.2.1998 – 10 W 18/98, NJW-RR 1998, 1077; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, MDR 1998, 1121; dagegen mit Recht: Liebheit, NJW 2000, 2235; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2000 – 8 W 294/00, MDR 2001, 294 m. zust. Anm. Schütt. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.12.1979 – 1 W 59/79, JurBüro 1980, 721; a.A. AnwK-RVG/Mock, VV 3308 Rz. 8, der jede, also auch eine vor Antragstellung liegende Tätigkeit ausreichen lassen will.

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gem. § 699 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sind, führen folglich zu einer Wertminderung. Die auf den „erledigten“ Teil des Mahnverfahrens anfallenden Kosten bleiben bei der Wertbestimmung gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG unberücksichtigt, da es sich ausweislich § 696 Abs. 1 Satz 5, § 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO um Kosten des Rechtsstreits handelt.

2.2875 Wird der Anwalt nach Erlass des Mahnbescheids mit der Widerspruchseinlegung oder nach Erlass des Vollstreckungsbescheids mit der Erhebung des Einspruchs beauftragt, richtet sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners (Nr. 3307 VV RGV) über § 23 RVG nach dem Wert des Mahnanspruchs, soweit nicht der Rechtsbehelf seinem Umfang nach bereits nach dem Inhalt der Mandatierung beschränkt werden soll.1

2.2876 Mit dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erwächst dem Prozessbevollmächtigten die allgemeine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RGV.2 Der Gegenstandswert berechnet sich gem. § 23 Abs. 1 RVG nach dem in der Instanz erreichten höchsten Wert für das streitige Verfahren, soweit keine weiter gehende Mandatierung erfolgt; nachträgliche Wertminderungen bleiben unberücksichtigt.3 Maßgebend ist daher auch hier der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird, mithin der Wert zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Prozessgericht (§ 694 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

2.2877 Mit der Abgabe des Rechtsstreits an das Prozessgericht (§ 696 Abs. 1 ZPO bzw. § 700 Abs. 3 ZPO) endet das Mahnverfahren.4 Die nunmehr nach Nr. 1210 KV GKG und Nr. 3100 VV RGV entstehende gerichtliche und anwaltliche Verfahrensgebühr bestimmt sich vorbehaltlich von Beschränkungen oder Erweiterung des Streitgegenstandes nach dem Umfang der Abgabe. Insoweit und bezüglich des Zeitpunktes der Wertberechnung kann auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert Bezug genommen werden.

II. Teilwiderspruch und -einspruch 2.2878 Bei einem (zulässigen) Teilwiderspruch wird nur der vom Widerspruch betroffene Teil des Mahnbescheids an das Prozessgericht abgegeben, hinsichtlich des verbliebenen Teils kann beim Mahngericht Vollstreckungsbescheid beantragt werden. Wird dies vom Kläger übersehen und vor dem Prozessgericht „der Antrag aus dem Mahnbescheid“ gestellt, bedarf es eines gerichtlichen Hinweises (§ 139 ZPO). Über die bis dahin entstandenen Kosten des Mahnverfahrens kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung erst mit der Schlussentscheidung im streitigen Verfahren entschieden werden. Für eine Teil-Kostenentscheidung im Teil-Vollstreckungsbescheid ist nur dann Raum, wenn diese unabhängig vom weiteren Ausgang des Rechtsstreits von dem Antragsgegner in jedem Fall zu tragen sind.5

2.2879 Streitig ist insoweit, ob der Kläger, anstatt die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen, den Anspruch auch unmittelbar im Wege der Klageerhebung geltend machen kann.6 Zwar steht dem nicht eine anderweitige Rechtshängigkeit der Forderung (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen, da das Mahnverfahren keine Rechtshängigkeit begründet. Jedoch fehlt es für die Klageerhebung am all-

1 OLG Saarbrücken, JurBüro 1973, 132 m. Anm. Schmidt; wohl auch AnwK-RVG/Mock, VV 3307 Rz. 6, 8, und zur Anrechnung Rz. 33 f. 2 OLG Hamburg, Beschl. 15.12.1993 – 8 W 235/93, MDR 1994, 520; OLG Jena, Beschl. v. 22.11.1999 – 5 W 594/99, JurBüro 2000, 472; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.5.1990 – 1 W 60/90, JurBüro 1990, 613. 3 AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV Vorbem. 3 Rz. 86. 4 OLG München, Beschl. v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62. 5 OLG Köln, Beschl. v. 16.6.2006 – 17 W 5/05, OLGR 2007, 67; Volpert, RVGreport 2008, 361, 368 m.w.N. 6 Siehe MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rz. 17 m.w.N.

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gemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dem Kläger mit der Fortsetzung des Mahnverfahrens ein einfacherer und kostengünstigerer Weg zur Erlangung eines Titels (Vollstreckungsbescheid) zur Verfügung steht. Bei verständiger Würdigung ist der Klageantrag daher dahingehend auszulegen, dass der Antrag aus dem Mahnbescheid nur im Umfang der Abgabe gestellt werden soll. Dementsprechend kommt es für das streitige Verfahren auch zu keiner Erhöhung des bereits durch den Umfang der Abgabe bestimmten Streitwertes. Legt der Antragsgegner (in zulässiger Weise) gegen den Vollstreckungsbescheid nur teilweise Ein- 2.2880 spruch ein, gelangt das Mahnverfahren nur in diesem Umfang an das Prozessgericht, im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig, § 700 Abs. 1 ZPO. Ein – ohne entsprechende Beschränkung – auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides gerichteter Klageantrag ist daher sprachlich ungenau und berichtigend auszulegen.

III. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten Wie bereits beim Zuständigkeitsstreitwert dargestellt, kann der Antragsgegner seinen Widerspruch bzw. Einspruch auf die im Mahnbescheid bzw. Vollstreckungsbescheid enthaltene Kostenentscheidung beschränken. Da in diesem Fall das Mahnverfahren nur hinsichtlich der noch streitigen Kosten abgegeben wird, werden diese gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG zur Hauptsache.1 Wertbestimmend ist auch hier die Summe der durch das Mahnverfahren verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, soweit nicht der Wert der bisherigen Hauptsache geringer ist.

2.2881

Teilt der Antragsteller mit Einreichung des Antrages auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids dem Mahngericht gem. § 699 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit, die Hauptforderung sei bezahlt worden, dann „erledigt“ sich dadurch allein die Hauptsache nicht; ein auf dem Vollstreckungsbescheid angebrachter Vermerk „abzüglich gezahlter … Euro“ stellt auch nicht die Erledigung der Hauptsache fest. Er besagt aber, dass ein auf die Kosten beschränkter Vollstreckungsbescheid ergeht. Der Wert des nach einem allein gegen die Kostenlast eingelegten Einspruch abgegebenen Mahnverfahrens ist folglich nur nach dem Wert der bis zur Einlegung des Einspruchs erwachsenen Kosten zu berechnen.2

2.2882

IV. „Erledigung“ im Mahnverfahren Beim Zuständigkeitsstreitwert wurde bereits ausgeführt, dass Zahlungen mit materiell-rechtlich erledigender Wirkung auf den Wert des streitigen Verfahrens nur dann Einfluss nehmen, wenn ihnen der Antragsteller vor Abgabe durch eine entsprechende eingeschränkte Antragstellung Rechnung getragen hat. Damit ist noch nicht entschieden, welche streitwertrechtlichen Auswirkungen Antragsänderung nach Abgabe haben. Wegen der Einzelheiten wird auch insoweit auf das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1383 ff. verwiesen.

2.2883

V. Rücknahme des Mahnantrags Nach Rücknahme des Mahnantrags, die entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO bis zum Eintritt der Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides möglich ist, bestimmt sich der Streitwert des weiteren Verfahrens nur noch nach dem Kosteninteresse der Beteiligten und damit nach der Höhe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.3

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1983 – 5 W 9/83, MDR 1984, 149; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.1994 – 5 W 117/94, JurBüro 1995, 323; OLG Zweibrücken, OLGZ 1971, 380. 2 KG, Beschl. v. 10.9.1982 – 1 W 2507/82, JurBüro 1983, 281 = MDR 1983, 323. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2007 – 15 W 18/07, JurBüro 2007, 437.

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D. Rechtsmittel und Beschwer I. Zurückweisung des Mahnantrages 2.2885 Die Zurückweisung des Mahnantrages ist mit der sofortigen Beschwerde nur angreifbar, wenn die Zurückweisung auf eine zur maschinellen Verarbeitung ungenügende Form des Mahnantrages gestützt wird, § 691 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Im Übrigen ist die Zurückweisung nach ganz überwiegender Ansicht nicht mit der Beschwerde (arg. § 691 Abs. 3 Satz 2 ZPO), aber mit der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG angreifbar. Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Umfang der Zurückweisung des geltend gemachten Anspruchs.

II. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides 2.2886 Weist der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 3a i.V.m. § 20 Nr. 1 RPflG) den Vollstreckungsbescheidsantrag zurück, steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 ZPO zu. Auch hier entspricht der Beschwerdewert dem Umfang der Zurückweisung.

III. Abgabe an das Prozessgericht 2.2887 Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens oder wird nach Erlass des Vollstreckungsbescheides verspätet Widerspruch oder Einspruch erhoben, dann gibt das Mahngericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das Prozessgericht ab. Diese Entscheidung ist gem. § 696 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht anfechtbar, auch nicht mit der Erinnerung nach § 11 Abs. 1 RPflG.1

2.2888 Fehlt es an einem Widerspruch des Antragsgegners, scheidet eine Abgabe an das Prozessgericht aus. Eine gleichwohl angeordnete Abgabe bleibt ohne Bindungswirkung und zwingt zur Rückgabe des Verfahrens an das Mahngericht. Die Rückgabeentscheidung unterliegt wiederum der Beschwerde.2 Der im Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch bestimmt auch hier den Beschwerdewert.

2.2889 Lehnt das Mahngericht den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens und damit die Abgabe an das Prozessgericht ab, ist die Erinnerung gem. § 11 Abs. 1 RPflG eröffnet.3

Marke A. Zuständigkeitsstreitwert 2.2890 Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu bestimmen. Die LG sind nach § 140 Abs. 1 MarkenG sachlich ausschließlich zuständig.

1 Musielak/Voit, § 696 ZPO Rz. 3. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2000 – 8 W 663/00, Rpfleger 2001, 437. 3 Musielak/Voit, § 696 ZPO Rz. 3.

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Marke

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2. Teil

Der Gebührenstreitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen bestimmt. Inhaltlich entspricht die Vorschrift in der Sache § 3 ZPO.1 Das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt den Wert.2

2.2891

Dessen Wertangaben bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) binden das Gericht nicht,3 indizieren aber den Wert des wirklich im Streit stehenden Interesses.4 Das gilt erst recht bei übereinstimmenden Wertangaben der Parteien.5 Dennoch darf das Gericht diese Werte nicht unbesehen übernehmen, sondern muss sie selbständig prüfen. Maßstab sind dabei die objektiven Gegebenheiten, die Erfahrung des Gerichts und die Wertfestsetzung in gleichartigen oder ähnlichen Fällen.6 Insbesondere wenn Parteien übereinstimmend ihre Wertangaben bewusst niedrig halten und (vorsätzlich) die Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, muss das Gericht einen höheren Wert festsetzen.7

2.2892

1. Auskunft Klagen auf Auskunft nach § 19 MarkenG und Besichtigung nach § 19a MarkenG dienen dazu, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen vorzubereiten. Sie können grundsätzlich mit 1/5 des Werts des vorbereiteten Anspruchs bewertet werden.8

2.2893

Wenn für eine Auskunftsklage Verkehrsdaten i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG erlangt werden müssen, bedarf es einer vorherigen gerichtlichen Anordnung. Für dieses Vorschaltverfahren ist gem. § 19 Abs. 9 Satz 2 MarkenG streitwertunabhängig das LG zuständig. Für die Gerichtskosten wird eine Festgebühr nach Nr. 15213 KV GNotKG erhoben. Ein Gegenstandswert ist daher nur für die Anwaltsgebühren zu bestimmen. Es ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Bruchwert des Wertes der Ansprüche anzusetzen, deren Geltendmachung vorbereitet wird. Wenn keine besonderen tatsächlichen Umstände Anhalt für eine höhere oder niedrigere Festsetzung geben, liegt dem Vorschaltverfahren der Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG von 5.000 t zugrunde.9

2.2894

2. Unterlassung Der Streitwert eines Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung einer Marke ist am klägerischen Interesse auszurichten, das vom wirtschaftlichen Wert der verletzten Marke und vom Ausmaß und der 1 2 3 4

5 6 7 8 9

BT-Drucks. 13/9971, 44; BT-Drucks. 15/1971, 154. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831. BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; BGH, Urt. v. 24.4.1985 – I ZR 130/84, GRUR 1986, 93; OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1980 – 6 W 127/80, WRP 1981, 221. BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2014 – 2 U 27/13; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. Vgl. LG Köln, Urt. v. 18.12.2012 – 33 O 803/11, WRP 2013, 247. OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16; OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159; OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10 (jeweils zum Vorschaltverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG).

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2.2895

ZPO

B. Gebührenstreitwert

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ZPO

2. Teil

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Marke

Gefährlichkeit der Verletzung (Angriffsfaktor) bestimmt wird.1 Nicht anwendbar ist der Regelstreitwert von 50.000 t aus dem Markenlöschungsverfahren, weil in einem Markenverletzungsverfahren das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs wertbestimmend ist und nicht das wirtschaftliche Interesse des Verletzers, die Kennzeichnung weiter benutzen zu dürfen.2 Aus diesem Grund ist unerheblich, welchen konkreten Vorteil der Beklagte aus seinem Verstoß tatsächlich gezogen oder welchen Schaden der Kläger bereits erlitten hat; Relevanz kommt allein dem Schaden zu, den die begehrte Unterlassungsverpflichtung verhindert.3 Es ist also nicht nach einem Prozentsatz seiner Umsätze oder der Umsätze des Beklagten zu bemessen,4 sondern hängt ab von der Größe und der Wirtschaftskraft des klägerischen Unternehmens sowie der Gefährlichkeit der beanstandeten Markenrechtsverletzung für den weiteren Vertrieb der betroffenen Markenartikel.5 Das OLG Düsseldorf sieht bei Patenten als Untergrenze des Streitwertes den Wert der Lizenzgebühren an, die dem Kläger mutmaßlich zustünden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Schutzrechts fortgesetzt werden.6 Die Auffassung trifft auch bei Marken zu, weil dies nach § 14 Abs. 6 Satz 3 MarkenG (wie bei Patenten nach § 139 Abs. 3 Satz 2 PatG) eine zulässige Methode zur Berechnung des Schadens ist.

2.2896 Den Wert der verletzten Marke prägen: – Dauer und Umfang der bisherigen Benutzung, – unter der Marke erzielte Umsätze, – Ruf und Bekanntheitsgrad der Marke, – der Grad der originären Kennzeichnungskraft sowie – die allgemeine Bedeutung von Marken für den Absatz nach Produktart und Branche.

2.2897 Ein bisher geringer Umsatz auf Seiten des Beklagten mindert das Interesse des Klägers nicht.7 Es kommt nicht auf den Nutzen des Beklagten aus den Handlungen an, deren Verbot die Klage bezweckt. Das Interesse kann daher höher sein als der Umsatz des Verletzers auf dem betreffenden Gebiet.8 Es beschränkt sich nicht einmal auf den Umfang der ihm durch die beanstandeten Handlungen des Beklagten etwa entgehenden Geschäfte, sondern erstreckt sich, weit darüber hinausgreifend, auf die Gefahr, die für Markenrechte des Klägers entsteht, wenn die Marke unbefugt von Dritten benutzt wird.9

2.2898 Der Wert markenrechtlicher Unterlassungsansprüche ist bei einem Weltunternehmen selbst dann unter besonderer Berücksichtigung der mit der Marke erzielten hohen Umsätze zu bemessen, wenn die konkret beanstandete Verletzungshandlung nur eine geringe Menge der Markenartikel erfasst. 1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, GRUR-RR 2005, 239; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, AGS 2002, 14. 2 BPatG, Beschl. v. 12.8.2019 – 26 W (pat) 44/16; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2012 – 20 U 193/11, GRUR-RR 2013, 156; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 1081 gegen KG, Beschl. v. 28.3.1953 – 5 W 1379/53, GRUR 1953, 406, das 1/8 des Umsatzes der betreffenden Waren angenommen hat. 5 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.10.1976 – 2 W 38/76, WRP 1977, 135; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139; BGH, Beschl. v. 26.4.1990 – I ZR 58/89, MDR 1990, 986 = GRUR 1990, 1052. Unter Berücksichtigung des Alters der Entscheidung sowie der Marken- und Wirtschaftsentwicklung wird man heute einen solchen Unterlassungsanspruch mit mindestens 100.000 t bewerten können. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.1951 – 2 W 22/51, GRUR 1952, 54. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.1952 – 3 W 338/51, GRUR 1952, 262. 9 OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139; OLG Celle, JurBüro 1960, 404.

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2. Teil

Beispiel: Der Streitwert war auf 500.000 DM festzusetzen, obwohl Anlass der Unterlassungsklage nur 50 gefälschte Armbanduhren gewesen waren, weil die Klägerin Inlandsumsätze in Millionenhöhe erzielte und mit ihren Produkten ständigen Versuchen des Imports und Vertriebs von Plagiaten ausgesetzt war.1

2.2899

ZPO

Marke

3. Beseitigung Der Beseitigungsanspruch (§ 18 MarkenG) hat neben einem Unterlassungsbegehren (§§ 14, 15, 17 MarkenG) einen eigenen Streitwert, weil er keine Nebenforderung i.S.d. § 4 ZPO ist.2 Beseitigungsund Unterlassungsanspruch sind selbständige Ansprüche mit unterschiedlicher Zielrichtung.3

2.2900

4. Negative Feststellung Eine negative Feststellungsklage wegen Markenrechtsverletzungen ist so zu bewerten wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt.4

2.2901

Beispiel: Das LG Düsseldorf hat den Wert einer negativen Feststellungsklage des Inhabers der Wortmarke „ARD-Wahltipp“ gegen die Internetadresse „www.wahltipp.de“ mit 50.000 t angesetzt.

2.2902

5. Markenlöschung Im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren ist von Amts wegen kein Streitwert festzusetzen, weil 2.2903 die Gerichtskosten als Festgebühren erhoben werden.5 Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren des Beschwerdeverfahrens vor dem BPatG und des Rechtsbeschwerdeverfahrens beim BGH im Markenlöschungsstreit ist gem. § 23 Abs. 2 RVG das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke.6 § 51 Abs. 1 GKG ist unanwendbar.7 Das Bestandsinteresse ist höher zu bewerten als das Interesse, die Marke vor Verletzungen zu schützen, so dass ein doppelt so hoher Wertansatz wie bei einem gleichzeitigen Verletzungsverfahren geboten sein kann.8 Im Regelfall beträgt der Streitwert 50.000 v.9 Auch bei unbenutzten Marken ist der Ansatz des Regelstreitwertes gerechtfertigt.10 Er kann bei umfänglich benutzten Marken aber erheblich höher liegen. So wurde im Löschungsstreit um die Marke „Milchschnitte“ ein Streitwert von 100.000 t11 und um die Marke „test“ von 500.000 t12 angesetzt. 6. Streitwertbegünstigung Gemäß § 51 Abs. 5 GKG, § 142 MarkenG kann eine Streitwertbegünstigung gewährt werden. Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858 ff. nach.

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831; OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2008 – 5 U 83/07. 3 BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – I ZB 96/16. 4 LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.1.2006 – 2a O 267/05, MMR 2006, 412. 5 BGH, Beschl. v. 30.7.2015 – I ZB 61/13. 6 BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZB 17/17; BPatG, Beschl. v. 29.7.2014 – 27 W (pat) 29/13. 7 BGH, Beschl. v. 18.10.2017 – I ZB 6/16. 8 BGH, Beschl. v. 30.7.2015 – I ZB 61/13; BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZB 17/17. 9 BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZB 17/17; BPatG, Beschl. v. 27.4.2016 – 26 W (pat) 77/13. 10 BPatG, Beschl. v. 6.4.2016 – 26 W (pat) 50/14. 11 BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – I ZB 22/04. 12 BGH, Beschl. v. 17.10.2013 – I ZB 65/12.

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2. Teil

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Nachbarrechtliche Ansprüche

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.2905 Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Markenverletzers entspricht regelmäßig dem korrespondierenden Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche, weil deren wirtschaftliche Bedeutung den wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.1

Nachbarrechtliche Ansprüche 2.3510 Der Streitwert von Klagen, mit denen nachbarrechtliche Ansprüche nach den §§ 906 ff. BGB oder Art. 124 EGBGB i.V.m. den Nachbarrechtsgesetzen der Länder geltend gemacht werden, wird grundsätzlich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt. Wenn die streitgegenständlichen Beschränkungen ähnlich wie eine Grunddienstbarkeit wirken, können im Rahmen des von § 3 ZPO eingeräumten Ermessens die Bewertungsgrundsätze des § 7 ZPO angewendet werden.2

2.3511 Beispiel: Die Wertminderung, die das dienende Grundstück durch das behauptete Lichtrecht erlitte, beschränkt sich nicht auf den Minderwert des davon unmittelbar betroffenen Grundstücksteiles, sondern erstreckt sich auf das gesamte Grundstück, insbesondere auf die gesamte bislang nicht bebaute Grundfläche.3

2.3512 Maßgebend für die Schätzung ist die vom Kläger behauptete Entwertung seines Grundstücks, die er angesichts der voraussichtlichen Dauer der Störung befürchten muss,4 sowie sein Interesse an der Durchführung der Abwehrmaßnahmen, nicht dagegen der Betrag der Kosten, die der Beklagte zur Verhinderung der Belästigung aufwenden muss.5 Dabei ist unbeachtlich, ob das Grundstück mehreren Klägern gehört, die der Störung ausgesetzt sind, denn das Grundstück bleibt dasselbe.6

2.3513 Bei bloß schuldrechtlich vereinbarten Beschränkungen im Nachbarschaftsverhältnis kann dagegen nicht auf die Grundsätze des § 7 ZPO abgestellt werden.7

2.3514 Macht der Kläger bezifferte Geldforderungen aus nachbarrechtlichen Anspruchsgrundlagen geltend, entspricht der Streitwert gem. § 6 ZPO dem Nennbetrag der streitgegenständlichen Forderung.8

2.3515 Der nach § 3 ZPO zu bemessende Streitwert für Klagen über das Hammerschlag- und Leiterrecht hängt vom Umfang der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch die Arbeiten ab. So ist eine Klage, Teile des Nachbargrundstücks für einen Monat auf der Grundlage des Hammerschlag- und Leiterrechts betreten und zur Lagerung von Baumaterial nutzen zu dürfen, mit 1.500 t bewertet worden.9 Bei unklarem Umfang der Arbeiten wurden 4.000 t angesetzt.10 Ein dreitägiges Betretungsrecht, um Garagen zu reinigen und anzustreichen, ist mit 2.500 t bewertet worden.11 Ebenso wurde die aus dem

1 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 2 BGH, Beschl. v. 14.12.1955 – V ZR 221/55, Rpfleger 1959, 112 (Lichtrecht); OLG Schleswig, Beschl. v. 25.9.1956 – 4 W 176/56, Rpfleger 1957, 2 (Licht- und Fensterrecht); BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461 (Notwegrecht). 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 25.9.1956 – 4 W 176/56, Rpfleger 1957, 2. 4 BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – V ZR 270/17; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 17.2.1955 – 4 W 14/55, Rpfleger 1957, 1. 6 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570. 7 BGH, Urt. v. 18.5.1990 – V ZR 291/89. 8 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.4.2018 – 8 U 108/17. 9 AG Lemgo, Urt. v. 20.6.2013 – 20 C 250/13. 10 LG Wuppertal, Urt. v. 7.2.2012 – 16 S 33/11. 11 AG Ludwigsburg, Urt. v. 3.2.2010 – 1 C 2138/09, DWW 2010, 191.

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Mediation, Güterichter und Gütestelle

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2. Teil

Der Streitwert einer Klage um einen jährlich wiederkehrenden Rückschnitt einer Hecke (§§ 1004, 910 BGB) bemisst sich nach § 9 ZPO, weil die Vorschrift auch für die Beseitigung wiederkehrender Störungen gilt.2 Der jährliche Wert des Bezugs kann mit den Kosten des Rückschnitts angesetzt werden.3

2.3516

Weitere Einzelheiten schlage man bei den Stichwörtern „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff., „Immissionen“, Rz. 2.2318 ff. und „Notwegrecht“, Rz. 2.3759 ff., nach.

2.3517

Mediation, Güterichter und Gütestelle A. Überblick Der Gesetzgeber hat für die Parteien nach und nach verschiedene Möglichkeiten geschaffen, Vermitt- 2.2906 ler in Anspruch nehmen zu können, um ihren Streit gütlich zu beenden (alternative Streitbeilegung). Dabei sind insbesondere die Streitbeilegungsverfahren während eines laufenden Rechtsstreits und vor oder außerhalb von Rechtsstreitigkeiten zu unterscheiden.

B. Alternative Streitbeilegungsverfahren im Gerichtsprozess Laufende Rechtsstreite können zur alternativen Streitbeilegung entweder nach § 278 Abs. 5 ZPO an den Güterichter verwiesen oder nach § 278a Abs. 2 ZPO während einer gerichtsnahen Mediation ruhend gestellt werden.

2.2907

I. Güterichter Die Verhandlung beim Güterichter verursacht keine Gerichtsgebühren. Die Prozessbevollmächtigten erhalten grundsätzlich ebenfalls keine weiteren Gebühren, weil die Verhandlung beim Güterichter Teil des Rechtsstreits ist. Sie ist keine besondere Angelegenheit nach § 17 Nr. 7 lit. a, lit. d RVG, weil der Güterichter nicht als Gütestelle, sondern als ersuchter Richter tätig wird.4 Durch den Termin beim Güterichter entsteht allerdings für die Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RGV), wenn in dem Rechtsstreit kein anderer Termin stattfindet.5 Deren Gegenstandswert entspricht dem Streitwert des Rechtsstreits. Einigen sich die Parteien beim Güterichter, bestimmt man den Streitwert des Vergleichs nach den allgemeinen Regeln. Zuständig für die Festsetzung des Streitwertes für den Vergleich ist das Gericht, nicht der Güterichter.6

1 2 3 4

LG München I, Urt. v. 13.7.2018 – 11 O 2717/17. BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. OLG Rostock, Beschl. v. 5.1.2007 – 8 W 67/06, 8 W 68/06, JurBüro 2007, 194; Zöller/Greger, § 278 ZPO Rz. 41. 5 OLG Celle, Beschl. v. 5.12.2008 – 2 W 261/08, NJW 2009, 1219; OVG Greifswald, Beschl. v. 6.6.2006 – 1 O 51/06, JurBüro 2007, 136; vgl. auch KG, Beschl. v. 31.3.2009 – 1 W 176/07, MDR 2009, 835. 6 OLG Celle, Beschl. v. 5.12.2008 – 2 W 261/08, NJW 2009, 1219; a.A. Zöller/Greger, § 278 ZPO Rz. 33.

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Hammerschlag- und Leiterrecht hergeleitete Pflicht bewertet, das Überschwenken eines Krans über das eigene Grundstück für die Dauer einer Baumaßnahme zu dulden.1

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2. Teil

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Mediation, Güterichter und Gütestelle

ZPO

II. Gerichtsnahe Mediation 2.2909 Für die gerichtsnahe Mediation fallen keine Gerichtskosten an. Das Gericht selbst mediiert nicht, sondern schlägt gem. § 278a Abs. 1 ZPO den Parteien die Mediation i.S.v. § 1 Abs. 1 MediationsG nur vor.

2.2910 Die Vergütung des Mediators richtet sich grundsätzlich nach einer mit ihm zu schließenden Vereinbarung (vgl. § 126 Abs. 1 S. 1 GNotKG), nachrangig nach § 34 RVG, wenn der Mediator ein Anwalt ist.1 Sie gehört nicht zu den nach § 91 ZPO erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits.

2.2911 Den Prozessbevollmächtigten der Parteien ist die Teilnahme an der Mediation nicht nach § 34 RVG zu vergüten, weil sie nicht der Mediator sind (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG).2 Sie erhalten wegen § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG für die gerichtsnahe Mediation keine gesonderten Gebühren.3 Endet der zugrunde liegende Rechtsstreit ohne Termin, erhält der Prozessbevollmächtigte die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RGV) für die Teilnahme am Mediationstermin.4 Ihr Gegenstandswert entspricht dem Streitwert des Rechtsstreits. Einigen sich die Parteien in der Mediation, bestimmt man den Streitwert des Vergleichs nach den allgemeinen Regeln.

C. Güte- und Schlichtungsstellen 2.2912 Um Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen, stehen von den Landesjustizverwaltungen anerkannte oder eingerichtete Güte- (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), vom Bundesamt für Justiz anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen (§§ 24, 27 Abs. 1 VSBG) und einige für besondere Rechtsgebiete anerkannte Schlichtungsstellen zur Verfügung, z.B. die für den Luft- (§ 57 LuftVG) und Eisenbahnverkehr (§ 11 EVO) oder für Streitigkeiten unter oder mit Rechtsanwälten (§ 191f BRAO). § 15a EGZPO ermächtigt die Länder, in den dort aufgeführten Fällen einen Schlichtungsversuch zur Voraussetzung für eine zulässige Klage zu machen. Einige Länder haben davon teilweise Gebrauch gemacht.5

2.2913 Ob und in welcher Höhe die Schlichtungsstelle für ihre Tätigkeit Gebühren verlangt, ist unterschiedlich und bestimmt sich nach der jeweils zugrunde liegenden Verfahrensordnung.

2.2914 Der anwaltliche Bevollmächtigte erhält für die Vertretung seines Mandanten eine 1,5-fache Gebühr nach Nr. 2303 VV RGV. Das gilt sowohl für Verfahren bei den von der Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestellen, als auch bei Verfahren vor Schlichtungsstellen im Sinne des VSBG, weil § 15a Abs. 3 Satz 2 EGZPO deren einvernehmliche Anrufung unwiderleglich vermutet und Nr. 2303 Ziff. 1. VV RGV auf diesen verweist.6

2.2915 Die Vertretung vor der Gütestelle ist nach § 17 Nr. 7 RVG eine besondere Angelegenheit. Zuvor entstandene Gebühren nach Nr. 2300 VV RGV werden allerdings nach Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV RGV teilweise angerechnet. Die Gebühr nach Nr. 2303 VV RGV wird wiederum nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG teilweise auf die gerichtliche Verfahrensgebühr angerechnet, wenn dem Schlichtungs- ein Gerichtsverfahren folgt.

1 2 3 4

Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 34 Rz. 56. OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.11.2006 – 2 W 155/06, MDR 2007, 684. OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.11.2006 – 2 W 155/06, MDR 2007, 684. OLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2005 – 23 W 246/05, NJW 2006, 2499; Hartung/Schons/Enders, RVG, § 15 Rz. 109. 5 Z.B. Bayern in Art. 1 BaySchlG und Nordrhein-Westfalen in § 53 JustizG NRW. Siehe die Auflistung bei Zöller/Heßler, § 15a EGZPO Rz. 27. 6 Borowski/Röthemeyer/Steike, VSBG, Art. 4 EGVSBG Rz. 6, 7.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

2. Teil

2.2916

Ob eine zulässige Klage nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO i.V.m. dem jeweiligen Landesgesetz den Schlichtungsversuch bei der Gütestelle voraussetzt, hat für die Kostenentstehung keine Bedeutung. In einem nachfolgenden Rechtsstreit nach § 91 ZPO erstattungsfähig sind aber nur die Kosten eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens,1 nicht die eines freiwilligen Güteverfahrens.2

2.2917

Weitere Einzelheiten können beim Stichwort „Schlichtungsverfahren“, Rz. 2.4486 ff. nachgelesen werden.

2.2918

ZPO

Den Gegenstandswert der Gebühr für die Vertretung im Gütestellenverfahren bestimmt man nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG. Er entspricht folglich dem Streitwert, den ein Gerichtsverfahren hätte, das denselben Gegenstand betrifft.

D. Sonstige Mediationsverfahren Bei gerichtsfernen Mediationen i.S.v. § 1 Abs. 1 MediationsG richtet sich die Vergütung des Mediators grundsätzlich nach einer mit ihm zu schließenden Vereinbarung (vgl. § 126 Abs. 1 Satz 1 GNotKG), nachrangig nach § 34 RVG, wenn der Mediator ein Anwalt ist.3

2.2919

Anwaltlichen Bevollmächtigten der Parteien ist die Teilnahme an der Mediation nicht nach § 34 2.2920 RVG zu vergüten, weil sie nicht der Mediator sind (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG).4 Sie erhalten vielmehr eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RGV für die außergerichtliche Vertretung ihrer Mandanten. War diese Gebühr für die außergerichtliche Vertretung bereits angefallen, entsteht durch das Mediationsverfahren kein zusätzlicher Verdienst. Gebühren nach Nr. 2303 VV RGV fallen nur bei der Anrufung der dort aufgezählten Stellen an. Der Gegenstandswert der Geschäftsgebühr bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG. Er entspricht folglich dem Streitwert, den ein Gerichtsverfahren hätte, das denselben Gegenstand betrifft.

Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) Literatur: Schumann, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, NJW 1982, 2800; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986; E. Schneider, MDR 1990, 197. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2921 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition . . . . . . . . 2.2924 II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . 2.2932 2. Wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . . . 2.2933 3. Nebenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2934 C. Gebührenstreitwert

II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . . . . a) Einzelfälle der objektiven Klagehäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle der subjektiven Klagehäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nebenansprüche . . . . . . . . . . . . . . .

2.2943 2.2945 2.2948 2.2953 2.2954

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . . 2.2956

I. Grundsatz der Wertaddition . . . . . . . . 2.2935

1 BayObLG, Beschl. v. 29.6.2004 – 1Z BR 36/04, MDR 2004, 1263; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 26.2.2007 – 23 W 23/07, JurBüro 2007, 489. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.2019 – II ZB 12/17, MDR 2019, 378. 3 Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 34 Rz. 56. 4 OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.11.2006 – 2 W 155/06, MDR 2007, 684.

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2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

ZPO

Stichwortübersicht Abschluss eines Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2949 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2939 Bauhandwerkersicherungshypothek . . . . . . . 2.2950 Bezugsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2949 Ehrverletzende Äußerungen – Widerruf und Unterlassung . . . . . . . . . . . 2.2949 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2950 Feststellung eines Rechtsverhältnisses . . . . . . 2.2949 Gegenstandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2945 f. Gesamtgläubiger und -schuldner . . . . . . . . . 2.2953 Gläubigeranfechtungsgesetz . . . . . . . . . . . . . 2.2953 Grundschuldbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2952 Haupt- und Hilfsantrag . . . . . . . . . 2.2926, 2.2939 – unechter Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2927 Hauptschuldner und Bürge . . . . . . . . . . . . . 2.2953 Herausgabe und Nutzungsersatz . . . . . . . . . 2.2949 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2949 Klage und Widerklage . . . . . . . . . . 2.2926, 2.2939 Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2931, 2.2942 Löschung eingetragener Rechte . . . . . . . . . . 2.2952 Objektive Klagenhäufung – Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2948 – Feststellung und Leistung . . . . . . . . . . . . . 2.2951 – Leistung und Herausgabe . . . . . . . . . . . . . 2.2950 – Leistung und Sicherung . . . . . . . . . . . . . . 2.2950 – Leistung und unterstützende Zusatzanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2952 – mehrere Leistungsansprüche . . . . . . . . . . 2.2949 Mehrheit materieller Ansprüche . . . 2.2932, 2.2943

Miteigentümergemeinschaft, Aufhebung . . 2.2952 Nacherbenvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2952 Nebenansprüche . . . . . . . . . . . . . . 2.2934, 2.2954 Nichtvermögensrechtliche Ansprüche – mehrere Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2953 – Mehrheit von . . . . . . . . . . . . . . . 2.2924, 2.2937 – und vermögensrechtliche . . . . . . 2.2924, 2.2938 Prozesstrennung . . . . . . . . . 2.2930, 2.2941, 2.2938 Prozessverbindung . . . . . . . . . . . . . 2.2930, 2.2941 Rechtliche Identität . . . . . . . . . . . . 2.2924, 2.2943 Rechtshängigkeit, doppelte . . . . . . . . . . . . . 2.2944 Rentenzahlung und Reallasteintragung . . . 2.2950 Schadensersatz nach Fristsetzung . . . . . . . . 2.2952 Schadensersatz wegen Nichterfüllung . . . . . 2.2949 Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2953 Stufenstreitwerte bei Klageänderung . . . . . 2.2931 Subjektive Klagenhäufung – Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2957 – Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2953 Verletzung mehrerer Schutzrechte . . . . . . . 2.2936 Vermögensrechtlichen Ansprüchen – Mehrheit von . . . . . . . . . . . . . . . 2.2924, 2.2937 Wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . 2.2933, 2.2945 Wohnungseigentumssachen . . . . . . . . . . . . 2.2949 Zeitpunkt der Wertbestimmung . . . 2.2929, 2.2940 Zwangsvollstreckung – Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2953 – Unzulässigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . 2.2949

A. Allgemeines 2.2921 Die außergerichtliche und gerichtliche Rechtsverfolgung muss sich nicht auf die Geltendmachung nur eines prozessualen Anspruches beschränken. Neben die Geltendmachung verschiedener Lebenssachverhalte sowie von vorrangig und hilfsweise verfolgten Ansprüchen, treten Forderungen von oder gegen mehrere Personen sowie die wechselseitige Inanspruchnahme der Parteien. Dabei haben alle Ansprüche einen eigenen Wert, der von dem Umstand ihrer Verbindung mit anderen grundsätzlich nicht berührt wird.1 Für eine streitwertrechtlich zutreffende Erfassung bedarf es vielmehr der Klärung, ob bei einer Mehrheit von geltend gemachten Ansprüchen diese rechtlich oder wirtschaftlich identisch sind, da in diesem Fall eine Wertaddition ausscheidet.

2.2922 Systematisch stellt sich die Häufung von Ansprüchen wie folgt dar: I.

Zusammentreffen von Primäransprüchen 1. einseitig: objektive und subjektive Klagehäufung 2. wechselseitig: Klage und Aufrechnung bzw. Widerklage II. Zusammentreffen von Hauptanspruch und Hilfsanspruch 1. einseitig: Hauptantrag und (echter) Hilfsantrag 2. wechselseitig: Klage und Hilfsaufrechnung bzw. -widerklage III. Wechselseitige Rechtsmittel 1 Unzutreffend daher KG, Beschl. v. 1.12.2016 – 20 W 67/16, das bei der Bewertung eines Herausgabeanspruchs zwischen isolierter und kombinierter Geltendmachung unterscheidet.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

2. Teil

Da die Themenbereiche I. 2, II. und III. zum besseren Verständnis und der Übersichtlichkeit wegen 2.2923 unter eigenen Stichwörtern behandelt werden, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen – von vereinzelten für das Gesamtverständnis erforderlichen Ausführungen abgesehen – auf die Erörterung der Klagehäufung. Siehe daher im Übrigen unter den Stichwörtern „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511, „Hilfsantrag“, Rz. 2.227, „Aufrechnung“, Rz. 2.327, „Hilfswiderklage“, Rz. 2.2256 und „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition Gemäß § 5 Halbs. 1 ZPO werden mehrere in einer Klage nebeneinander primär geltend gemachte An- 2.2924 sprüche, soweit verschiedene Streitgegenstände vorliegen, grundsätzlich zusammengerechnet.1 Dies gilt nach allgemeiner Meinung bei der subjektiven Klagehäufung nach §§ 59 ff. ZPO sowie der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO. Im letzteren Falle auch bei einer Mehrheit von nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen2 sowie bei dem Aufeinandertreffen von vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen.3 Ist die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für einen der geltend gemachten Ansprüche vom Streitwert unabhängig geregelt, beispielsweise gem. § 23 Nr. 2a GVG (amtsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten bei Wohnraummiete), dann bleibt der Wert dieses Anspruchs bei der ansonsten nach § 5 Halbs. 1 ZPO gebotenen Wertaddition unberücksichtigt.4 Für die Zulässigkeit einer Klagehäufung (§ 260 ZPO) kommt es daher darauf an, dass das Prozessgericht auch für den weiteren Anspruch sachlich zuständig ist.

2.2925

Von der Addition ebenfalls ausgenommen sind Klage und Widerklage (§ 5 Halbs. 2 ZPO) sowie Haupt- und (echter) Hilfsantrag. Hier ist für den Zuständigkeitsstreitwert letztlich jeweils der höherwertigere prozessuale Anspruch wertbestimmend.5

2.2926

Davon abzugrenzen ist der unechte Hilfsantrag, beispielsweise der Antrag auf Schadensersatz für den Fall der Nichterfüllung einer (gleichfalls titulierten) Leistungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist (§§ 255, 259 ZPO, 283 BGB), bei dem es sich um einen Fall der kumulativen Klagehäufung handelt. Hier gelten die allgemeinen Bewertungsregeln zur objektiven Klagehäufung (s. im Einzelnen unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227 und „Herausgabe“, Rz. 2.2117).

2.2927

Die Geltendmachung eines Anspruchs im Wege der Aufrechnung bleibt auf den Zuständigkeitsstreit- 2.2928 wert in jedem Fall ohne Einfluss, denn dieser wird durch den Streitgegenstand bestimmt und setzt die Rechtshängigkeit des Anspruchs (§ 261 Abs. 1 ZPO) voraus. Da die Gegenforderung mit der Geltendmachung der Aufrechnung nicht rechtshängig wird,6 ist insbesondere für eine Addition von Forderung und Gegenforderung gem. § 5 Satz 1 ZPO kein Raum.7 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertbestimmung ist gem. § 4 ZPO der Zeitpunkt der Antrags- bzw. Klageeinreichung (und -erweiterung). Eine Veränderung der die Zuständigkeit begründenden Um1 BGH, AnwBl. 1976, 339; Meyer, Anh. § 48 (§ 5 ZPO) Rz. 50. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 1985, 257 – mehrere Unterlassungsschuldner; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286 – mehrere Unterlassungsschuldner. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 11.6.2014 – 32 SA 40/14, MDR 2014, 1347; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 4. 4 Musielak/Voit/Heinrich, § 5 Rz. 10. 5 Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 4; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 4. 6 BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, MDR 1972, 318; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 18. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 9.

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2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

ZPO

stände nach Eintritt der Rechtshängigkeit ist (bei gleich bleibendem Streitgegenstand) für den Zuständigkeitswert ohne Bedeutung, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

2.2930 Dies gilt auch für die nachträgliche Zusammenführung oder Aufhebung anfänglich verbundener Ansprüche durch gerichtliche Anordnung der Prozessverbindung (§ 147 ZPO) oder Prozesstrennung (§ 146 ZPO). Eine einmal begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts wird hierdurch nicht berührt.1 Siehe hier auch unter den jeweiligen Stichwörtern.

2.2931 Die Werte vor und nach einer Klageänderung (§ 263 ZPO) geltend gemachter Ansprüche werden für den Zuständigkeitsstreitwert ebenfalls nicht zusammengerechnet. Das Verfahren hat zu jedem Zeitpunkt nur einen Streitgegenstand. Daher müssen zeitbezogen unterschiedliche Werte – sog. Stufenwerte – festgesetzt werden.2

II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität

2.2932 Wird ein Klagebegehren auf mehrere Klagegründe (materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen) oder Haupt- und Hilfsvorbringen gestützt, dann handelt es sich nicht um eine Häufung prozessualer Ansprüche (Klagehäufung), sondern um eine Mehrheit materieller Ansprüche. Hier ist ohne Zusammenrechnung nur ein Streitwert und dieser nach der höchsten anwendbaren Bewertungsvorschrift festzusetzen.3 2. Wirtschaftliche Identität

2.2933 Nur bei einer Mehrheit von Streitgegenständen (prozessualen Ansprüchen) bedarf es der Klärung, ob diese wirtschaftlich identisch sind. Betreffen diese „denselben Gegenstand“, weil der eine Anspruch aus dem anderen folgt, auf dasselbe (wirtschaftliche) Interesse ausgerichtet ist oder nur den Zweck verfolgt, den anderen Anspruch zu rechtfertigen oder ihm als Vorrausetzung oder Begründung zu dienen, scheidet eine Wertaddition aus.4 Die Bewertungsgrundlagen entsprechen daher denen des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass auf die nachfolgenden Ausführungen zur wirtschaftlichen Identität beim Gebührenstreitwert (s. Rz. 2.2945 ff.) verwiesen werden kann. 3. Nebenansprüche

2.2934 Nebenforderungen sind von der eingeklagten Hauptforderung abhängige, in demselben Rechtsstreit verfolgte, jedoch getrennt von der Hauptsache berechnete Forderungen. Sie bleiben, von Ansprüchen aus Art. 45 ScheckG und Art. 48 WG abgesehen (§ 4 Abs. 2 ZPO), gem. § 4 ZPO bei der Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes unberücksichtigt, solange sie neben der Hauptforderung geltend gemacht werden. Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 10, 11; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 7. 2 Siehe dazu Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, § 22 VII und hier das Stichwort „Klageänderung“. 3 BGH, Beschl. v. 18.8.2016 – III ZR 325/15, MDR 2016, 1150: fehlende Beschwer bei Klagestattgabe auf abweichender Anspruchsgrundlage; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 160/83, MDR 1985, 750 = NJW 1985, 1840. 4 Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

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2. Teil

ZPO

C. Gebührenstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition Nach der Neufassung des § 39 Abs. 1 GKG wird nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass mehrere in einer Klage primär geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, soweit sich im GKG keine abweichende Sonderregelung findet. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage ist damit nicht verbunden, da die Regelung inhaltlich dem Verweis des § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. auf § 5 ZPO entspricht.1

2.2935

Für die Streitwertbemessung eines auf die Verletzung mehrerer Schutzrechte gestützten Unterlassungsantrages, bei dem nach Ansicht des BGH unterschiedliche prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) vorliegen sollen,2 gelten bereichsspezifische Besonderheiten.3

2.2936

Für die Zusammenrechnung unterscheidet § 39 GKG nicht danach, ob Gegenstand der Klage eine Mehrheit von vermögensrechtlichen oder von nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen ist. Da mit Letzteren kein wirtschaftliches Interesse verfolgt wird, ist deren (Gebühren)Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung und des Umfangs der Sache sowie der finanziellen Verhältnisse, der Parteien zu bestimmen, § 48 Abs. 2 GKG. In beiden Fällen ist der Streitwert jedes Anspruchs einzeln festzusetzen und dann zusammenzurechnen,4 soweit sie sich nicht auf das gleiche Interesse beziehen und somit ideellen Identität auszugehen ist.5

2.2937

Zu differenzieren ist hingegen bei einer Verbindung von vermögensrechtlichen und nichtvermögens- 2.2938 rechtlichen Ansprüchen. Beispielsweise wenn mit der Klage eines nicht ehelichen Kindes auf Zahlung des Unterhaltes und der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft verbunden ist. Hier hat gem. § 48 Abs. 4 GKG eine Wertaddition zu unterbleiben, wenn der vermögensrechtliche Anspruch aus dem nichtvermögensrechtlichen Anspruch abgeleitet wird,6 maßgeblich ist dann der höherwertigere Einzelanspruch. Anderenfalls ist auch hier eine Zusammenrechnung der Einzelwerte geboten. Ebenso ist gem. § 45 GKG grundsätzlich zu addieren, wenn verschiedene (prozessuale) Ansprüche im Wege der Klage und Widerklage, Haupt- und (beschiedenem) Hilfsantrag sowie Klage und (beschiedener) Hilfsaufrechnung geltend gemacht werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter den einschlägigen Stichworten verwiesen.

2.2939

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertbestimmung ist gem. § 40 GKG auch hier derjenige der Antrags- bzw. Klageeinreichung (und -erweiterung). Nachfolgende Wertänderungen bei gleichbleibendem Streitgegenstand sind unbeachtlich. Ist die Wertminderung oder -erhöhung dagegen Folge einer Veränderung des Streitgegenstandes, ist – aufgrund der bereits mit Antragstellung anfallenden Gebühren – für den Streitwert der gerichtlichen Gebühren nur die Werterhöhung von Bedeutung.7 Für die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallenden anwaltlichen Gebühren bedarf es dagegen (auf Antrag) einer zeitlich gestaffelten Festsetzung des Gegenstandswerts.

2.2940

1 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 23.10.1990 – VI ZR 135/90, MDR 1991, 427; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, OLGR 2000, 458. 2 BGH v. 17.8.2011 – I ZR 108/09, MDR 2011, 1311 = GRUR 2011, 1043 – TÜV II. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – I ZR 58/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.12.2013 – 6 U 218/13 – Erhöhung des Ausgangsstreitwertes für jede weitere Schutzrechtsverletzung um 10 %. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 198, 257; OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, OLGR 1993, 286 = MDR 1993, 286. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2021 – 1 U 9/20; OLG Nürnberg, Urt. v. 4.8.2020 – 3 U 3641/19, MDR 2020, 1434. 6 OLG Hamm v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, VersR 2008, 1236; OLG Köln, Beschl. v. 25.11.1975 – 2 W 133/75, ZMR 1977, 62. 7 OLG Rostock, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 W 25/19, MDR 2020, 374.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

ZPO

2.2941 Dies gilt auch für die nachträgliche Zusammenführung oder Aufhebung anfänglich verbundener Ansprüche durch gerichtliche Anordnung der Prozessverbindung (§ 147 ZPO) oder Prozesstrennung (§ 146 ZPO). Hier ist im Hinblick auf den zeitlich unterschiedlichen Anfall von Gebühren zwischen dem Gebührenstreitwert bis zur Anordnung der Verbindung bzw. Trennung und dem nachfolgenden Zeitraum zu differenzieren. Denn bereits entstandene Gebühren bleiben von der Anordnung unberührt.1

2.2942 Ob die Werte der vor und nach einer Klageänderung (§ 263 ZPO) geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet werden müssen, kann nicht für alle Fallgestaltungen einheitlich beantwortet werden. Während dies für die Antragsänderung und die nachträgliche Klagenhäufung zu verneinen ist, muss beim Klagewechsel maßgeblich darauf abgestellt werden, ob damit ein Austausch wirtschaftlich identischer oder nicht identischer Ansprüche verbunden ist. Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537.

II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität

2.2943 Wird eine Klageforderung auf mehrere Klagegründe gestützt, also beispielsweise ein Herausgabeverlangen zugleich aus Gesetz, Vertrag und unerlaubter Handlung hergeleitet, dann handelt es sich nicht um eine Klagenhäufung, also um eine Häufung prozessualer Ansprüche, sondern um eine Mehrheit materieller Ansprüche. Hier ist ohne Zusammenrechnung nur ein Streitwert und dieser nach der höchsten anwendbaren Bewertungsvorschrift festzusetzen.2

2.2944 Wird in einer Klage derselbe Streitgegenstand mehrfach und damit – wegen des Verbots der doppelten Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) – einmal in unzulässiger Weise geltend gemacht, scheidet gleichfalls eine Wertaddition aus. Dies folgt jedoch nur mittelbar aus § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, dessen Gegenstandsbegriff mit dem prozessualen Streitgegenstand nicht übereinstimmt und damit Fallgestaltungen der wirtschaftlichen Identität verschiedener prozessualer Ansprüche erfasst. 2. Wirtschaftliche Identität

2.2945 In § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist der Grundgedanke des Streitwertrechts ausgedrückt, dass derselbe Gegenstand nicht mehrfach bewertet werden darf. Mehrere Anträge in objektiver Klagehäufung, die denselben Gegenstand betreffen, dürfen deshalb weder für den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelwert noch für den Gebührenwert addiert werden. Maßgebend ist dann nur der höhere Wert.

2.2946 Hierbei besteht Einigkeit, dass der „Gegenstand“ in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstand des Prozessrechts nicht identisch ist.3 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von der Beurteilung der Mehrheit von prozessualen Ansprüchen bei Klage und Widerklage, Haupt- und Hilfsantrag oder Klage und Hilfsaufrechnung. Zu den Einzelheiten s. unter den entsprechenden Stichwörtern.

1 RGZ 44, 420; VGH Hess., JurBüro 1987, 1359; KG, JW 1938, 540; OLG Köln, VersR 1992, 518; OLG München v. 11.12.1980 – 11 W 2015/80, AnwBl. 1981, 155; str. ist die Berechnung, wenn eine Gebühr zunächst in einem der Verfahren entstanden ist, nach Verbindung – aus dem höheren Wert – erneut anfällt, s. OLG Koblenz, JurBüro 1986, 1523; gefolgt werden sollte dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.1.1995 – 10 WF 2/95, MDR 1995, 645: auf die Streitwertteile bezogene anteilige Kürzung. 2 BGH, Beschl. v. 18.8.2016 – III ZR 325/15, MDR 2016, 1150: fehlende Beschwer bei Klagestattgabe auf abweichender Anspruchsgrundlage; BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 160/83, MDR 1985, 750 = NJW 1985, 1840; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198.

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2. Teil

Maßgebend für die Streitwertberechnung ist allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das den Klageanträgen (prozessualen Ansprüchen) zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf „denselben Gegenstand“ richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.1

2.2947

ZPO

Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

a) Einzelfälle der objektiven Klagehäufung Eine Klagehäufung kann dadurch erfolgen, dass mehrere prozessuale Ansprüche gegen denselben Beklagten geltend gemacht werden, § 260 ZPO (obj. Klagehäufung). Um die streitwertrechtliche Einordnung zu erleichtern, ist die Rechtsprechung nach häufig auftretenden Konstellationen der Anspruchshäufung unterteilt.

2.2948

(1) Treten bei der objektiven Klagehäufung mehrere Leistungsansprüche nebeneinander, ist bei verschiedenen Sachverhalten regelmäßig von fehlender wirtschaftlicher Einheit auszugehen, so dass eine Wertaddition geboten ist. Verfolgt der Kläger hingegen Leistungsansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, die auf das gleiche wirtschaftliche Ziel gerichtet sind, scheidet eine Wertaddition aus:

2.2949

– Verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des positiven Interesses und hilfsweise Ersatz des Vertrauensschadens handelt es sich um denselben Gegenstand, da die Ersatzpositionen einander ausschließen und daher eine wirtschaftliche Werthäufung fehlt.2 Wertbestimmend ist das regelmäßig weiter gehende positive Interesse. – Stützt der Kläger sein Entschädigungsverlangen wegen verzögerter Erteilung eines Bauvorbescheids auf einen Amtshaftungsanspruch und hilfsweise auf einen enteignungsgleichen Eingriff, dann ist eine Addition ausgeschlossen, da beide Ansprüche wirtschaftlich betrachtet auf den Ausglich derselben Nachteile gerichtet sind.3 – Die Klage auf Ausgleichszahlung wegen Verspätung (Art. 5 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 7 FluggastrechteVO) und hilfsweise auf Ersatz der zusätzlichen Kosten für die Weiterreise vom Ort der Landung sowie infolge der Verspätung entstandenen Verdienstes betreffen – trotz möglicher Anrechnung – wirtschaftlich nicht identische Gegenstände und sind daher für die Wertermittlung zu addieren.4 – Ist die Klage auf Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung und Unterlassung künftiger entsprechender Äußerungen gerichtet, liegen zwei Gegenstände vor. Während der Widerruf auf Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zielt, dient das Unterlassungsgebot der Vermeidung weiterer, auch gleichartiger Verletzungshandlungen. Die Klagebegehren sind gesondert zu bewerten und gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.5 Gleiches gilt, wenn neben der Unterlassung ehrverletzender Äußerungen eine Veröffentlichung von Rubrum und Tenor des Unterlassungsurteils (auf Facebook) begehrt wird.6 – Begehrt der Kläger dagegen von dem Beklagten Unterlassung ehrverletzender Äußerungen und zugleich die Beseitigung inhaltsgleicher Interneteinträge, ist von demselben Gegenstand auszugehen und die Einzelwerte sind nicht zu addieren. Das Unterlassungsverlangen ist auf Vermeidung 1 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/00, JurBüro 2001, 95; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, JurBüro 1988, 1551 = MDR 1988, 1067; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 121. 2 OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, OLGR 2008, 170 = NJ 2008, 82 (Ls.). 3 BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 116/09, NJW 2010, 681. 4 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270. 5 OLG Düsseldorf v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358; KG, JurBüro 1969, 320; OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 1413 unter Aufgabe JurBüro 1963, 38, wonach der Unterlassungsantrag von dem weiter gehenden Widerrufsantrag streitwertmäßig konsumiert werde. 6 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282: Veröffentlichung als Teil der Folgenbeseitigung.

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2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

ZPO

künftiger Beeinträchtigungen gerichtet und umfasst die Verpflichtung zur Beseitigung fortwirkender Beeinträchtigungen.1 – Wird neben dem Anspruch auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen ein aus diesen abgeleiteter Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld oder Zahlung einer Vertragsstrafe geltend gemacht, liegen zwei Gegenstände vor. Da hier vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche aufeinandertreffen, ist für die Streitwertbestimmung zu unterscheiden: Während für den Zuständigkeitsstreitwert gem. § 5 ZPO eine Addition der Einzelwerte vorzunehmen ist,2 bestimmt sich der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 3 GKG allein nach dem Wert des höheren Anspruchs.3 – Wird neben Unterlassung der Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung bereits eingetretener Beeinträchtigungen geklagt, scheidet entgegen eine Wertaddition aus. Die Verpflichtung zur Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen umfasst die Beseitigung fortwirkender Beeinträchtigungen.4 – Der Antrag auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung in Höhe eines bestimmten bereits beigetriebenen Betrages und der Antrag auf Rückzahlung des beigetriebenen Betrages haben wirtschaftlich denselben Gegenstand und sind deshalb nicht zusammenzurechnen.5 – Gleiches gilt, wenn sich in Wohnungseigentumssachen der Anfechtungskläger gegen einen Negativ-Beschluss wendet und dieses Begehren mit einem Verpflichtungsantrag auf Vornahme einer Maßnahme der ordentlichen Verwaltung verbindet.6 – Von einem wirtschaftlich einheitlichen Gegenstand ist ferner auszugehen, wenn neben dem Antrag, den Beklagten aufgrund einer Bezugsverpflichtung zu verurteilen, seinen gesamten Bedarf an einer Ware nur beim Kläger zu decken, der weitere Antrag gestellt wird, den Beklagten zur Unterlassung des anderweitigen Bezuges dieser Ware zu verurteilen. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers an einer solchen Klage ergibt sich aus dem Gewinnverlust, der durch die Klage verhindert werden soll.7 – Auch bei Verbindung dinglicher und persönlicher Klage aus einer Hypothek und der ihr zugrunde liegenden Forderung ist nur ein Wert anzusetzen.8 – Im Falle einer Klage auf Zustimmung zum Abschluss eines Vertrags (z.B. Mietvertrags) verbunden mit dem Antrag auf Erbringung der Hauptleistung (z.B. Zurverfügungstellung der Mieträume) ist der letztgenannte Antrag zwangsläufige Folge des ersten Antrages und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in diesem enthalten. Eine Zusammenrechnung scheidet daher aus.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 = JurBüro 2009, 430 (Ls). 2 Vgl. Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Gehle, § 5 Rz. 2; unklar Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rz. 4. 3 BGH, Beschl. v. 25.4.2006 – VI ZB 73/04, WuM 2006, 396 – Schmerzensgeld; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 – Vertragsstrafe; OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 27/93, JurBüro 1994, 991 – Schmerzensgeld; LAG Koblenz, Beschl. v. 24.4.2007 – 1 Ta 89/07, MDR 2007, 1045; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, AGS 2008, 463: Schmerzensgeldanspruch folge aus der unerlaubten Handlung nicht dem Unterlassungsanspruch – das übersieht jedoch, dass der Unterlassungsanspruch die Erstbegehung voraussetzt; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97 – Schätzung eines Gesamtstreitwerts allein nach § 3 ZPO. 4 Unzutreffend daher BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZR 19/12, GE 2012, 1314. 5 OLG Schleswig, JurBüro 1958, 426. 6 LG Hamburg, Beschl. v. 13.9.2012 – 318 T 48712, ZMR 2012, 966. 7 KG, JurBüro 1969, 1195. 8 OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274 zu ZPO § 5.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

2. Teil

ZPO

– Keine Addition bei einer Klage auf Herausgabe eines Grundstück, Bewilligung einer Auflassungsvormerkung und Beseitigung einer Grundschuld nach Kaufvertragsrückabwicklung, denn maßgeblich ist das Interesse an lastenfreier Herausgabe und damit dessen Verkehrswert.1 – Klagt der Eigentümer gegen den unrechtmäßigen Besitzer auf Herausgabe (§ 985 BGB) und Ersatz entgangener Nutzungen (§ 823 Abs. 1, § 992 BGB), liegen zwei Gegenstände vor. Deren Werte sind zu addieren.2 – Ist die Klage dagegen auf Herausgabe und hilfsweise auf Wertersatz gerichtet, liegen wirtschaftlich identische Gegenstände vor, eine Zusammenrechnung scheidet aus.3 – Gleiches gilt für den Übergang vom Rückabwicklungs- zum Schadensersatzanspruch.4 – Wird wegen fehlerhafter Beratung zur Anlage eines Wertpapierdepots auf Schadensersatz geklagt und die Klage wegen desselben Wertpapierdepots hilfsweise darauf gestützt, dass pflichtwidrig zur Fortführung des Depots geraten worden sei, ist nicht zusammenzurechnen, da es sich um denselben Vermögensgegenstand handelt.5 – Begehrt der Kläger Ersatz der ihm aufgrund eines Verkehrsunfalls entstandenen Reparaturkosten, hilfsweise die ihm infolge der Übernahme der Reparaturkosten durch die Vollkaskoversicherung entstandenen Prämiennachteile, dann scheidet mangels Werthäufung eine Wertaddition aus.6 – Zwischen dem auf Rückzahlung einer geleisteten Gesellschaftseinlage und den Hilfsanträgen auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung des Gesellschaftsvertrages und Zahlung eines Abfindungsguthabens besteht wirtschaftliche Identität.7 (2) Verbindet der Kläger in seiner Klage Ansprüche auf Leistung mit Ansprüchen auf Sicherung seines Leistungsinteresses, kommt regelmäßig eine Wertaddition nicht in Betracht: – Wird auf Kaufpreiszahlung und zugleich auf Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware geklagt, so werden diese Streitgegenstände nicht zusammengerechnet.8 Es geht wirtschaftlich nur um einen Leistungsvorgang, weil das Herausgabeverlangen nur zur Sicherung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht wird.9 – Ebenso liegt es, wenn auf Zahlung und auf Sicherstellung des geforderten Betrages geklagt wird, dann handelt es sich nicht um verschiedene Ansprüche. Es ist nicht zusammenzurechnen, sondern der Wert der zu sichernden Hauptforderung ist maßgebend.10 – Desgleichen ist nicht zu addieren, wenn ein Bauunternehmer auf Zahlung des Werklohnes und zugleich auf Einwilligung zur Eintragung einer Bauwerksicherungshypothek für diesen Betrag klagt. Beide Anträge betreffen denselben Gegenstand, nämlich die Werklohnforderung. Der Streitwert bestimmt sich daher nur nach dem einfachen Betrag des Zahlungsanspruchs.11 1 BGH, Beschl. v. 20.9.2019 – V ZR 258/18, MDR 2020, 22, Grundeigentum 2019, 1503. 2 A.A. OLG Karlsruhe, ZZP 68, 1955, 463: Nutzungsentgelt bleibt gem. § 4 ZPO unberücksichtigt. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – 24 W 20/11, AGS 2012, 190; OLG Rostock, Urt. v. 16.7.2008 – 1 U 48/08, MDR 2009, 133. 4 Insoweit zutr. OLG Dresden, Beschl. v. 3.2.2017 – 22 W 101/17, AGS 2017, 335. 5 OLG München, Beschl. 24.9.2012 – W 1650/12, NJW-RR 2013, 441. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.5.2011 – 3 W 23/11. 7 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.8.2014 – 4 U 147/08, MDR 2014, 1345. 8 OLG Hamburg, MDR 1965, 394; Toussaint/Elzer, KostR, § 5 ZPO Rz. 5 dort unter „Kaufpreis“. 9 Ebenso Hillach/Rohs, § 41C II, S. 180. 10 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 74; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 201. 11 OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.2.2012 – 4 W 34/11; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09, IBR 2010, 370; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.3.2013 – 10 W 14713; KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/87, BauR 1998, 829; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 6 W 1/08; OLG Köln, DB 1974, 429; OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2003 –

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ZPO

2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

– Die Klage auf Zahlung einer Rente und auf Eintragung einer Reallast im Grundbuch zur Sicherung dieser Rente sind wirtschaftlich auf den gleichen Erfolg gerichtet, so dass eine Zusammenrechnung der beiden Werte nicht stattfindet.1 Das gilt in gleicher Weise für die Klage auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses und auf Bewilligung der Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast.2

2.2951 (3) Ist die Klage neben dem Leistungsantrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, ist danach zu unterscheiden, ob sich der Feststellungsantrag auf einen weiter gehenden, nicht rechtshängigen Teil des Leistungsanspruchs, auf das dem Leistungsantrag zugrundliegende Rechtsverhältnis oder nur auf die die Vollstreckung erleichternden Umstände richtet: – Wird der Leistungsanspruch, etwa weil eine abschließende Berechnung noch nicht möglich ist, nur teilweise eingeklagt und zugleich Feststellung begehrt, dass der Beklagte auch zur weiter gehenden (noch unbezifferten) Leistung, etwa zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet ist, müssen die Einzelwerte addiert werden. Dabei ist der für den Feststellungsantrag übliche Abschlag (20 %; s. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1484 ff.) zu beachten. Das gilt jedoch nicht, wenn der Feststellungsantrag (z.B. betr. mögliche Schäden ab dem 75 Lebensjahr) funktional an die Stelle eines zeitlich begrenzten Leistungsantrages (betr. Schäden bis zum 75. Lebensjahr) tritt, der selbst ohne zeitliche Begrenzung gem. § 9 Satz 1 ZPO höchstens nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag zu bemessen wäre.3 – Dagegen handelt es sich um wirtschaftlich identische Begehren, wenn auf Leistung und gleichzeitig auf Feststellung des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnisses (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO) geklagt wird. Das gilt zumindest dann, wenn der wirtschaftliche Wert des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses durch den Leistungsantrag vollständig repräsentiert wird, etwa weil die Parteien über den Bestand eines Kaufvertrages und die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung oder die Eigentumslage und Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache streiten. Maßgeblich ist dann immer der höhere Einzelwert, d.h. regelmäßig der Wert des Leistungsanspruchs.4 Werden dagegen die nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis möglichen Ansprüche durch den Leistungsantrag nicht vollständig abgebildet, ist eine differenzierte Bewertung geboten.5 Zwar sind auch hier Feststellungsund Leistungsantrag wirtschaftlich identisch, dies aber nicht in vollem Umfang. Denn würde nur der höherwertige Feststellungsanspruch zugrunde gelegt, bliebe unberücksichtigt, dass der beim Feststellungsantrag gebotene Abschlag (20 %) auch den Teil umfassen würde, der Gegenstand des Leistungsantrages ist. Hier ist daher der Wert des Feststellungsantrages um 20 % des Leistungsan-

1 2 3 4 5

6 W 19/03; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 15; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.2017 – 12 W 16/17, JurBüro 2017, 586: Zuschlag von 1/3 wegen besserer Durchsetzbarkeit der Werklohnforderung; OLG Hamm, Beschl. v. 9.6.2011 – 24 U 147/08, BauR 2011, 1546: Zuschlag von 1/3 bzw. 1/5 bei vorausgegangener rangwahrender Vormerkungseintragung; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1996 – 23 W 19/96, OLGR 1997, 136: Aufschlag von 1/3 des Hypothekenwerts; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.1.2000 – 9 U 212/99, MDR 2000, 543: Addition; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.2001 – 9 W 101/00, OLGR 2001, 217; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, IBR 2000, 296. OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684; OLG Celle, Beschl. v. 21.4.1983 – 4 W 68/83, Nds.Rpfl. 1983, 159. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.3.2014 – 19 W 12/14, MDR 2014, 858 – zur Zwischenfeststellungsklage neben einer Pflichtteilsstufenklage; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. OLG München, Beschl. v. 27.8.2018 – 24 W 725/18. OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 14; Schumann, NJW 1982, 2800. So wohl auch BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698 – Zusammentreffen von Leistungs- und Zwischenfeststellungsklage; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rz. 7 – bei Teilidentität.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

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2. Teil

– Ebenso verhält es sich bei einer Klage auf Leistung Zug-um-Zug gegen Erbringung der Gegenleistung verbunden mit dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges. Zwar beruht der Leistungsanspruch nicht auf dem festzustellenden Annahmeverzug. Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich jedoch um einen nachbereitenden Zusatzantrag, dem ein vom Leistungsantrag abweichendes wirtschaftliches Interesse nicht zugrunde liegt. Denn er dient allein dazu, die Durchsetzung des Leistungsanspruchs (§ 756 ZPO) zu erleichtern. Wird er neben dem Leistungsanspruch geltend gemacht, ist allein der Wert des Leistungsantrages maßgeblich,2 (s. auch das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1509 ff.). – Der neben Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages gestellte Antrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung rechtfertigt keine Zusammenrechnung. Die Verpflichtung zur Erteilung der Löschungsbewilligung ist eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit.3 Dass die Löschungsbewilligung eine zusätzliche Willenserklärung erfordert und diese nicht durch die Nichtigkeitsverurteilung ersetzt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung (a.A. 12. Aufl.). – Ebenso scheidet eine Zusammenrechnung aus, wenn die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Darlehensvertrages und daneben auf Freigabe der zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zedierter Ansprüche gerichtet ist. Auch hier ist die begehrte Rückabtretung Folge der Rückabwicklung des Darlehensvertrages und damit mit dieser wirtschaftlich identisch.4 – Eine Addition der Einzelwerte scheidet dagegen aus, wenn neben dem Leistungsantrag auf Feststellung des Rechtsgrundes der Leistungsverpflichtung geklagt wird. Insbesondere rechtfertigt die angesichts etwaiger Pfändungsschutzregelungen oder einer möglichen Restschuldbefreiung nach Abschluss eines (etwaigen) Privatinsolvenzverfahrens begehrte Feststellung, dass die Klage auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, keine Werterhöhung.5 Es handelt sich vielmehr um einen nachbereitenden Zusatzantrag, dem ein vom Leistungsantrag abweichendes wirtschaftliches Interesse nicht zugrunde liegt. Das gilt auch im Verhältnis zu den zur Hauptforderung erstarkten Zins- und Rechtsverfolgungskosten.6 Der Feststellungsantrag dient allein dazu, die Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu erleichtern bzw. zu sichern. Bei isolierter Geltendmachung des

1 Zutr. daher BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293 – für künftige weitere Ansprüche auf Krankentagegeld neben Leistung aufgrund gegenwärtigem Versicherungsfall; OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, MDR 2010, 990. 2 BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VIII ZR 290/19, MDR 2021, 53; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.3.2012 – 10 W 17/12, NJW-RR 2012, 1213; KG, Beschl. v. 21.3.2005 – 8 W 65/04, MDR 2005, 898; OLG Brandenburg, Urt. v. 21.2.2007 – 4 U 121/06; OLG Hamburg v. 10.5.2000 – 11 U 108/00; OLG Karlsruhe, JurBüro 2007, 648; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.6.2004 – 1 U 10/04, OLGR Karlsruhe 2004, 388; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.2.2006 – 13 U 95/05; offen lassend: BGH, Beschl. v. 18.7.2007 – XII ZR 87/05, FamRZ 2007, 1314; a.A. BGH, NJW-RR 1989, 826; OLG Bremen v. 21.6.2007 – 2 U 5/07, OLGR Bremen 2007, 625; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 496; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Feststellungsklage“ Rz. 13; E. Schneider, MDR 1990, 197. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 4 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 199/04, MDR 2006, 1257, NW-RR 2006, 997; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2007 – 3 W 77/06, NJ 2007, 463. 5 BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022; OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15; OLG Jena, Beschl. v. 5.7.2010 – 4 W 277/10, MDR 2010, 1211; a.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.12.2008 – 7 W 79/08, MDR 2009, 654 = NJW-RR 2009, 708; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50. 6 BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022.

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trages zu erhöhen oder die Werte von Leistungs- und Feststellungsantrag zu addieren, letzterer jedoch geschmälert um 80 % des Leistungsantrags.1

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2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

ZPO

Feststellungsantrages ist ausgehend vom Wert der Hauptforderung eine Bruchteilsbewertung geboten,1 (s. das Stichwort „Forderung“, Rz. 2.1599 ff.).

2.2952 (4) Werden neben dem Leistungsanspruch diesen vorbereitende, unterstützende oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Ist das zu verneinen, sind die Einzelwerte zu addieren; anderenfalls ist der höchste Einzelwert maßgeblich. – So liegt etwa bei einer Klage auf Darlehensrückzahlung und Herausgabe des damit in Zusammenhang stehenden Grundschuldbriefs wirtschaftliche Gleichheit vor, so dass nur ein Streitwert anzunehmen ist.2 – Eine Werterhöhung scheidet regelmäßig aus, wenn der Patient auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und (aus diesem Grunde) zugleich auf Herausgabe der Patientenunterlagen klagt.3 – Das gilt auch dann, wenn neben der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) die Herausgabe des Vollstreckungstitels4 oder einer dem Beklagten (Gläubiger) gestellten Sicherheit, etwa einer Bürgschaftsurkunde, verlangt wird.5 Entsprechend ist zu bewerten, wenn neben einem Zahlungsanspruch die dafür ausgestellte Bürgschaftserklärung herausverlangt wird.6 – Eine Addition scheidet ferner aus, wenn neben dem Zahlungsanspruch ein Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Teilbetrages geltend gemacht wird, der im Zahlungsantrag mitenthalten ist.7 – Ebenso verhält es sich bei der Klage auf Auflassung, verbunden mit dem Antrag auf Löschung einer bereits eingetragenen Eigentümergrundschuld. Nur der Auflassungsantrag ist dann wertbestimmend, weil die Anträge zusammen keinen höheren Streitwert als den Verkehrswert des Grundstücks haben können.8 Mehr als die lastenfreie Übertragung des Grundstückseigentums kann der Kläger in diesem Fall nicht erreichen. Der Verkehrswert ist deshalb zugleich Höchstwert. Das entspricht dem Grundgedanken des § 6 ZPO. – Demgegenüber sind nach Ansicht des OLG Braunschweig9 die Werte der Klageanträge auf Löschung eines Nutzungsrechts und Herausgabe der genutzten Räume zu addieren, da mit dem einen Anspruch die Beseitigung rechtlicher Beschränkungen und mit dem anderen Anspruch die Wiedererlangung auf tatsächlicher Ebene angestrebt werde. – Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Nacherbenvermerks hat neben dem Begehren der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Nachlassgrundstücks keinen eigenen Wert.

1 BGH, Beschl. v. 6.4.2009 – VI ZB 88/08, Schaden-Praxis 2010, 29: 1/4; BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50: 1/20. 2 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 199/04, MDR 2006, 1257; OLG München, MDR 1968, 769. 3 Vgl. KG, Beschl. v. 1.12.2016 – 20 W 67/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.8.2017 – 8 W 39/17, JurBüro 2017, 587; anders aber für Schadensersatz und Datenauskunft gem. Art. 15 DS-GVO OLG Köln, Beschl. v. 17.6.2020 – 5 W 16/20, MDR 2020, 1082. 4 BGH, Beschl. v. 17.9.2014 – XII ZB 284/13, MDR 2015, 115 – Beschwer; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.4.2015 – 5 W 23/15, SchlHA 2016, 143; im Ergebnis OLG Rostock, Urt. v. 30.1.2013 – 1 U 75/11, GmbHR 2013, 305: wenn nur geringes Missbrauchsrisiko. 5 BGH, Beschl. v. 11.7.1985 – III ZR 220/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 789 m. Anm. Schneider. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1437. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94. 8 OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1988 – 11 W 25/88, JurBüro 1988, 1388; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, JurBüro 1994, 496. 9 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

2. Teil

ZPO

– Die Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft läuft in Stufen ab.1 Notwendig ist neben der Zustimmung zur Aufhebung der Gemeinschaft an bestimmten Gegenständen die Zustimmung zum Verkauf dieser Gegenstände und schließlich die Auskehrung des bruchteilsmäßig zu bestimmenden Erlösanteils. Dennoch sind die Streitwerte der entsprechenden Klageanträge nicht zu addieren, weil alle diese Anträge wirtschaftlich eine Einheit bilden, abzielend auf die Aufhebung der Gemeinschaft. Deshalb ist nur der am höchsten zu bewertende Anspruch maßgebend, und das ist – wie bei der „Stufenklage“, s. beim Stichwort dort – immer der Leistungsanspruch.2 Zu beachten ist dabei, dass der Anteil des klagenden Miteigentümers wertmäßig nicht zu berücksichtigen ist. – Wird neben einer Leistungsklage ein Antrag auf Fristsetzung mit der Maßgabe gestellt, dass der Beklagte nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz zu leisten habe (s. § 283 BGB, §§ 255, 259, 510b ZPO), dann sind die Einzelwerte nicht zu addieren. Mit dem Leistungs- und dem Schadensersatzantrag verfolgt der Kläger – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel, dem Fristsetzungsantrag kommt als vorbereitendem Antrag wertmäßig keine eigenständige Bedeutung zu. Über dieses Ergebnis besteht – ungeachtet unterschiedlicher Begründungen – Einigkeit.3 Wertbestimmend ist daher der Leistungsantrag, soweit nicht der Ersatzantrag ausnahmsweise einen höheren Wert aufweist,4 (s. unter den Stichworten „Fristsetzung“, Rz. 2.1633 und „Wert einer Sache“, Rz. 2.5890). Das gilt (auch) für den Gebührenstreitwert unabhängig davon, ob über den unechten Hilfsantrag entschieden wird (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227). – Nicht zusammenzurechnen sind ferner die Werte eines Leistungsantrages Zug-um-Zug gegen Erbringung der Gegenleistung und eines Antrages auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet (s. hierzu Rz. 2.2951). – Eine Addition der Einzelwerte scheidet ferner aus, wenn auf Leistung und zugleich auf Feststellung des Rechtsgrundes der Leistungsverpflichtung geklagt wird. Siehe hierzu unter Rz. 2.2951. b) Einzelfälle der subjektiven Klagehäufung Eine Anspruchshäufung kann auch dadurch erfolgen, dass mehrere Personen gemeinsam klagen oder verklagt werden, §§ 59 ff. ZPO (subjektive Klagehäufung). Hat die Klage – aus wirtschaftlicher Sicht – denselben Gegenstand zum Inhalt, beispielsweise, weil die Leistung materiell-rechtlich nur einmal verlangt werden kann, scheidet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus. Andernfalls ist zu addieren. – Daher erfolgt keine Zusammenrechnung, wenn die Klage von Gesamtgläubigern (§ 428 BGB) oder gegen Gesamtschuldner (§ 421 BGB) erhoben wird. Es handelt sich – wirtschaftlich betrachtet – nur um einen einzigen Anspruch, der mehreren zugleich zusteht oder von mehreren zugleich zu erfüllen ist.5

1 Siehe H. Schneider, DGVZ 1985, 51 ff. 2 OLG Köln, Beschl. v. 25.4.1984 – 2 W 53/84. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – 24 W 20/11, AGS 2012, 190; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2011 – 3 W 27/11, AGS 2011, 446; KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98. 4 So jetzt auch BGH, Beschl. v. 25.4.2018 – V ZR 181/17 zu § 45 Abs. 1 S. 3 GKG; BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/17, MDR 2018, 109 zur Beschwer bei § 255 ZPO; insoweit zutr. KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98. 5 BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17, Grundeigentum 2019, 1571; BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.10.1984 – 14 W 619/84, JurBüro 1985, 590: für negative Feststellungsklage gegen zwei Streitgenossen.

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ZPO

2. Teil

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

– Wird gegen einen Streitgenossen auf Erfüllung, gegen den anderen hilfsweise auf Feststellung der Schadensersatzpflicht geklagt, dann handelt es sich wirtschaftlich um denselben Streitgegenstand, so dass nur der höherwertige Anspruch wertbestimmend ist.1 – Werden mehrere Schädiger mit jeweils unterschiedlichen Klageanträgen, etwa auf Rückübertragung des Eigentums, Bewilligung der Löschung von Grundpfandrechten sowie Unterlassung der Eintragung weiterer, als Gesamtschuldner (§§ 826, 830, 840 BGB) genommen, dann sich die Einzelwerte nicht zu addieren, wenn das Klagebegehren auf Rückübertragung eines Grundstück in seinem (lastenfreien) Zustand vor den schädigenden Ereignissen zielt.2 – Dies gilt auch dann, wenn sich der Kläger bei einer gegen mehrere Gesamtschuldner gerichteten Klage gegenüber einem Streitgenossen auf die Geltendmachung einer reduzierten Klageforderung beschränkt.3 Die nur geringere Inanspruchnahme des einen Beklagten ist beim Streitwert für seine außergerichtlichen Kosten und gem. § 100 Abs. 2 ZPO bei der Kostengrundentscheidung zu berücksichtigen.4 Dies gilt auch für den umgekehrten Fall, dass neben der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von einem Streitgenossen eine weitere, wirtschaftlich selbständige Leistung beansprucht wird. – Werden mehrere Beklagte ohne gesamtschuldnerische Bindung verklagt, sind die Einzelwerte für die Gerichtsgebühren und die außergerichtlichen Gebühren des Klägers zusammenzurechnen und bei den Streitgenossen entsprechend ihrer Beteiligung zu bestimmen. Deren unterschiedliche Beteiligung ist auch hier durch eine Kostenquotierung gem. § 100 Abs. 2, § 92 Abs. 1 ZPO auszugleichen.5 – Sind nichtvermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits, ist regelmäßig eine Wertaddition geboten, da ihnen kein (gemeinsames) wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Kläger von mehreren Beklagten die Unterlassung künftiger ehrverletzender oder unzulässiger wettbewerblicher Äußerungen beansprucht.6 Das gilt in gleicher Weise, wenn neben der juristischen Person deren gesetzlicher Vertreter in Anspruch genommen wird.7 Selbst wenn gleichartige Verletzungshandlungen vorliegen, kann der Kläger von jedem Streitgenossen kumulativ die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung verlangen.8 – Gleiches gilt für die Inanspruchnahme mehrerer Beklagten auf Rechnungslegung oder Auskunftserteilung, selbst wenn für den (vorzubereitenden) Hauptanspruch eine gesamtschuldnerische Haftung besteht.9 Dass hier eine Mehrheit der Streitgegenstände zur Bewertung steht, erhellt auch der Umstand, dass der gemeinsame Prozess gegen die Streitgenossen gem. § 145 ZPO getrennt werden kann, ohne dass sich die von jedem Kläger für sich beanspruchte oder von jedem Beklagten

1 2 3 4 5 6

7 8 9

OLG Kiel, JVBl. 1936, 60. BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17. Vgl. RG, HRR 1940 Nr. 1304. Zöller/Herget, § 100 ZPO Rz. 9. BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53 m. Anm. Schneider – Beschwer. BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126, AGS 2008, 327; BGH, Beschl. v. 12.7.1994 – VI ZB 43/93, MDR 1994, 1143 = NJW-RR 1994, 1404; OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2014 – 4 W 25/14; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 1985, 257; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286. BGH v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126 = GRUR-RR 2008, 460; KG, MD 2011, 147; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2017 – 6 W 119/16; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 W 18/13, MDR 2013, 1240 (Ls.); OLG Hamm, Beschl. v. 1.12.2015 – 4 W 97/14, GRUR-RR 2016, 383. Für das Wettbewerbsrecht BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126, AGS 2008, 327; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 329.8.2018 – 15 W 44/18; OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2014 – 4 W 25/14; OLG Köln OLGR Köln 2006, 134; a.A. Tillmann, GRUR 1986, 691, 694. BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, MDR 2008, 1126 = AGS 2008, 327.

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Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)

2. Teil

ZPO

zu erbringende Leistung verändern würde. Hiervon abweichend stellt das KG1 bei einem Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger gegen einen Beklagten auf das höchste Interesse eines Klägers ab und addiert für jeden weiteren Kläger einen Zuschlag in der Höhe, die seinem Interesse an einer selbständigen Verfolgung entspricht. In diese Richtung geht auch der Ansatz des OLG Hamburg, das bei Inanspruchnahme einer juristischen Person und ihres gesetzlichen Vertreters den Anspruch gegenüber dem Vertreter geringer bewertet.2 – Bei einer Klage gegen Hauptschuldner und Bürge auf Zahlung findet keine selbständige Bewertung und Zusammenrechnung der Ansprüche statt.3 Obwohl insoweit keine Gesamtschuldnerschaft vorliegt, ist die Leistung nur einmal zu erbringen. – Ebenso verhält es sich, wenn der Kläger neben der Personenhandelsgesellschaft deren Gesellschafter persönlich in Anspruch nimmt, da diese entsprechend § 421 BGB wie Gesamtschuldner haften.4 – Wird im selben Rechtsstreit die Ehefrau auf Leistung und der Ehemann auf Duldung der Zwangsvollstreckung verklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Leistungsanspruchs. Eine Anspruchshäufung liegt nicht vor.5 – Wenn mit der Leistungsklage gegen Erben zugleich die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen deren Testamentsvollstrecker erhoben wird, ist der Streitwert in Anwendung des § 6 ZPO nach der Leistungsklage zu bemessen; der Duldungsantrag bleibt streitwertmäßig unberücksichtigt.6 – Klagt ein Gläubiger nach dem Gläubigeranfechtungsgesetz gegen denjenigen, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben, aber wieder veräußert hat, auf Wertersatz und zugleich gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner in den Gegenstand, so werden beide Ansprüche nicht zusammengerechnet.7 3. Nebenansprüche Wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert bleiben Nebenforderungen neben dem Hauptanspruch bei der Wertermittlung grundsätzlich unberücksichtigt, § 43 Abs. 1 GKG. Nur im Falle einer allein auf Nebenforderungen bezogenen Handlung ist deren Wert bis zur Höhe der (noch vorhandenen) Hauptforderung gem. § 43 Abs. 2 GKG maßgebend. Eine Zusammenrechnung scheidet daher in beiden Fällen aus.

2.2954

Eine Wertaddition ist hingegen geboten, wenn bei einer objektiven Klagehäufung von zwei Hauptforderungen, für die zugleich eine Verzinsung beansprucht wird, nur eine wegfällt. Hier tritt die Nebenforderung des einen Streitgegenstandes als (nunmehrige) Hauptforderung neben die verbliebene Hauptforderung.8 Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

2.2955

1 KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, KGReport Berlin 1999, 344. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 W 18/13, MDR 2013, 1240 (Ls.). 3 LG Kaiserslautern, Rpfleger 1966, 347; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 13; Zöller/ Herget, § 5 ZPO Rz. 8. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rz. 13. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 360. 6 KG, AnwBl. 1979, 229. 7 OLG Frankfurt, MDR 1955, 496. 8 BGH, Urt. v. 22.2.1994 – XI ZR 16/93, MDR 1994, 681 = NJW 1994, 1868.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.2956 § 5 Halbs. 1 ZPO gilt auch hier, so dass sich die Beschwer der gerichtlichen Entscheidung für jede Partei nach dem Umfang ihres Unterliegens bezogen auf die einzelnen (rechtlich und wirtschaftlich nicht identischen) Klageanträge bestimmt. Sie ist daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen und ggf. zu addieren.

2.2957 Handelt es sich um eine subjektive Klagehäufung, kann jeder durch das Urteil beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen Streitgenossen Berufung einlegen.1 Wird nur durch einen Streitgenossen Rechtsmittel eingelegt, dann ist – nach zutreffender Ansicht – allein seine Beschwer maßgebend und diese ist daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen.2

2.2958 Legen mehrere Streitgenossen gegen das für sie nachteilige Urteil Rechtsmittel ein, so sind für den Wert des Beschwerdegegenstandes die auf die einzelnen Streitgenossen entfallenden Beschwerdewerte zusammenzurechnen, soweit nicht ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt.3 Beschränkt sich hingegen die Beschwer eines Streitgenossen auf die Verurteilung zur Zahlung eines anteilsmäßig bestimmten Teils der Kosten, dann bleibt dieser Teil bei der Berechnung außer Ansatz, wenn eine Überprüfung der Kostenentscheidung gesetzlich nicht eröffnet ist.4

2.2959 Im Falle der Prozesstrennung (§ 145 ZPO) kann die Beschwer den nach Aufspaltung des Verfahrens verbleibenden Wert nicht übersteigen. Dies ändert sich auch nicht, wenn die nach zulässiger Trennung getrennten Verfahrensteile in der Revisionsinstanz zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung wieder verbunden werden.5

2.2960 Hingegen bleibt der vor Trennung vorhandene Hauptsachewert wertbestimmend, wenn die Prozesstrennung allein zur Vermeidung der Rechtsmittelfähigkeit der dadurch entstehenden Einzelentscheidungen erfolgt.6

2.2961 Im Übrigen folgt die Wertbestimmung den allgemeinen Grundsätzen, daher wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 Bezug genommen.

Mietstreitigkeiten Literatur: Mutter, MDR 1995, 343 (Streitwert der Räumungsklage); Gies, NZM 2003, 886 (Streitwert in Mietsachen); Meyer, JurBüro 2003, 632 (Mietrückstände); 2004, 473 (Klage auf künftige Miete); Lützenkirchen, MDR 2003, 1279 (Mietrechtliche Gewährleistungsansprüche); Geldmacher, DWW 2005, 270 (Kaution im Miet- und Pachtverhältnis); Flatow, WuM 2007, 438 Rechtsmittelstreitwert bei Räumung einer Garage); Lützenkirchen, NJW 2007, 2152 (Besichtigungsrechte des Vermieters); Peter, NJW 2007, 2298 (Geschäftswert bei Kündigung und Räumungsklage; Gies, WuM 2008, 79 (Räumungsanspruch); Winkler, ZMR 2008,

1 BGH, Urt. v. 8.3.2004 – II ZR 175/02, MDR 2004, 960; Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 5. 2 RG, JW 1933, 2216; OLG Schleswig, SchlHA 78, 198; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rz. 3; Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 25; a.A. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648; BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33 = NJW 1984, 927. 3 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648; BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33; OLG Schleswig, Urt. v. 27.5.2004 – 11 U 33/03; BAG, Urt. v. 31.1.1984 – 1 AZR 174/81, NZA 1984, 167. 4 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648. 5 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217. 6 BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 296; VGH Bay., Entsch. v. 22.9.2000 – Vf. 102-VI-99, NJW 2001, 2962.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

94 (Zukünftig fällig werdender Mietzins); N. Schneider, NJW-Spezial 2008, 763 (Räumungsklage bei Staffelmiete); Meyer, JurBüro 2010, 184 (Geschäftswert eines Räumungsvertrags); N. Schneider, NJW-Spezial 2012, 347 („Mieterhöhungsklage“ nach Wohnraumrenovierung); Meyer, JurBüro 2013, 633 (mietvertragliche Abmahnungen); N. Schneider, ZAP Fach 24, 1259 (Gebührenstreitwert in Räumungsprozessen); MeyerAbich, NJW 2020, 31 (Fallstricke des Mietprozesses: Streitwerte und Berufungsbeschwer). A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2962 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2965 II. Wohnraummietverhältnisse . . . . . . . . 2.2969 III. Sonstige Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . 1. Miet- und Pachtverhältnisse . . . . . . . . a) Miet- oder Pachtvertrag . . . . . . . . . b) Streit über Bestehen oder Dauer . . . c) Wertberechnung im Einzelnen . . . . aa) Streitige Zeit . . . . . . . . . . . . . . bb) Pacht- oder Mietzins . . . . . . . . 2. Ähnliche und sonstige Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streit über Bestand und Dauer . . . . b) Anderweitige Klagebegehren . . . . . .

2.2974 2.2975 2.2977 2.2982 2.2988 2.2991 2.2998

2.3053 2.3064 2.3076 2.3079 2.3088 2.3093 2.3095

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.3006 2.3009 2.3011

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3012 II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines zu § 41 GKG . . . . . . . . . . 2. Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse a) Miete und Pacht . . . . . . . . . . . . . . . b) Ähnliche Nutzungsverhältnisse . . . . c) Sonstige Nutzungsverhältnisse . . . . d) Gemischte Verträge . . . . . . . . . . . . 3. Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Streitige Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfasste Ansprüche

a) Streit über Bestehen oder Dauer des Nutzungsverhältnisses . . . . . . . b) Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils . . . . . . c) Räumung von Wohnraum und Fortsetzung des Mietverhältnisses . . d) Erhöhung der Miete für Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beseitigung von Mängeln der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Modernisierung und Erhaltung der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . .

2.3017

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3097 II. Bestehen und Dauer eines Mietoder Pachtverhältnisses . . . . . . . . . . . 2.3100 III. Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3109 IV. Mängelbeseitigung, Instandsetzung, Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3116 V. Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . 2.3117 E. Vergleich

2.3023 2.3024 2.3027 2.3030 2.3033 2.3048

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3120 II. Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3122 III. Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3126 F. Rechtsprechungs-ABC . . . . . . . . . . . . 2.3127

Stichwortübersicht (zu Rz. 2.2962–2.3126) Abschluss des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3095 Auszugsrenovierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3095 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3097 Besitzstörungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3780 Betriebs- oder Nebenkosten . . . . . . . . . . . . 2.3043 – Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3080 – Pauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3044 Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . 2.2978, 2.3023 Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2.3025, 2.3028 Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2987, 2.3168, 2.3176 Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2999, 2.3033 Erfüllungsansprüche . . . . . . 2.2982, 2.3106, 2.3118 Ersatzbeschaffung, Kosten der . . . . . . . . . . 2.3101

Feststellungsklage – betreffend Miethöhe oder Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3063, 2.3095 – (kein) prozentualer Abschlag . . . 2.2989, 2.3054 Filmverleih . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2980 Gebrauchsgewährung, Klage auf . . . . . . . . . 2.3055 Gemischte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2980 Hausmeistervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2980 Heimvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2981 Investitionen, nutzlose . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3101 Jagdpachtverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2979 Kaufvertrag, beabsichtigter . . . . . . . 2.3025, 2.3028 Klagenhäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3020 ff. Krankenhausbehandlungsvertrag . . . . . . . . 2.2981

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Mietstreitigkeiten

Kündigung, Ausschluss der . . . . . . . . . . . . . 2.3104 Künftige Leistung, Klage auf 2.3063, 2.3086, 2.3096 Lebenszeit, Vertrag auf . . . . . . . . . . 2.2995, 2.3222 Mängelbeseitigung . . . . . . . 2.3088, 2.3116, 2.3267 Mehrere Klagebegründungen . . . . . . . . . . . . 2.3014 Mehrere Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3019 Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3002 Miet- oder Pachtverhältnis . . . . . . . . . . . 2.2977 ff. – Verteidigung mit angeblichem . . . . . . . . . 2.2983 Miet- oder Pachtvertrag – Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3072 – Klage auf Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3095 – Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . 2.3004, 2.3047 Miet- oder Pachtzins . . . . . . . . . . 2.2998 f., 2.3033 Miete beweglicher Sachen . . . . . . . 2.2978, 2.3023 Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . 2.3079, 2.3109 ff. Mietvertragsinhalt, Streitigkeit über 2.2985, 2.3063 Mischmietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3289 Modernisierung und Erhaltung . . . 2.3093, 2.3116 Neben- oder Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . 2.3043 – Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3080 – Pauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3044 Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . 2.3000, 2.3040 Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . 2.3098 Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3026 Nutzungsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . 2.2999, 2.3033 – umsatzbezogenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3038 – Untervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3039 Nutzungsrecht, Berufen auf . . . . . . . . . . . . . 2.3059 Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2976 – der Miete ähnliche . . . . . . . . . . . 2.3007, 2.3024 – wesensverschiedene oder sonstige 2.3008, 2.3027 Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3122 ff., 2.3288

– Ausgleichszahlung für vorzeitige . . . . . . 2.3122 – Räumungsaufwand . . . . . . . . . . . 2.2988, 2.3073 – vorübergehende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3068 Räumungsfrist, Verzicht auf . . . . . . . . . . . . 2.3123 Säumnis des Beklagten . . . . . . . . . . 2.3050, 2.3060 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3095 Schutzvorschriften, Berufen auf . . . . . . . . . 2.3095 Sonderleistungen . . . . . . . . . . . . . . 2.3001, 2.3050 Streit zwischen – Eheleuten oder Lebenspartnern . . . . . . . 2.3015 – Vermieter oder Mieter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2986, 2.3015 f. Streitige Zeit . . . . . . . . . . . . 2.2991, 2.3048, 2.3103 Teilflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3065, 2.3065 Untermiet- und Unterpachtverhältnisse . . . 2.2979 Untervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3039 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3120 – Gegenstand des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3121 – Räumungs- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3122 Vertragsinhalt, Streitigkeit über . . . 2.2985, 2.3063 Werkdienstwohnungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.2972 Werkmietwohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2972 Wert der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3045 Widerklage . . . . . . . . . . . . 2.3075, 2.3336, 2.3337 f. Wiedereinräumung des Besitzes . . . . . . . . . 2.3056 Wohngemeinschaft – Streitigkeiten innerhalb . . . . . . . . . . . . . 2.2973 Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2969 Wohnrecht, unentgeltliches . . . . . . . . . . . . 2.3028 Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . 2.2980 Zustimmung zur Mieterhöhung . . . 2.3081, 2.3109, 2.3245

A. Einleitung 2.2962 Mietstreitigkeiten sind Gegenstand eines erheblichen Teils der erstinstanzlichen Tätigkeit der Gerichte. Beziehen sie sich auf die Nutzung von Wohnraum, sind zugleich elementare Bedürfnisse der jeweiligen Bürger betroffen. Das Wohnungsmietrecht ist daher in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand gesetzgeberischer Reformbemühungen gewesen, die auch – wie zuletzt die GKG-Novelle vom 1.7.2004 zeigt – bis in das Gebührenrecht hineinreichen.

2.2963 Heute findet sich insbesondere im Bereich der Wohnraummiete eine kaum noch überschaubare Fülle an Rechtsprechung. Bei ihrer Auswertung können Fehler auftreten, die durch eine Nichtbeachtung zwischenzeitlich ergangener Gesetzesänderungen verursacht werden. Hier sei nur an die Änderungen der gebührenrechtlichen Regelung für mietrechtliche Streitigkeiten, heute in § 41 GKG normiert, erinnert, etwa durch die Novellierungen vom 13.6.19801 und vom 5.5.2004.2

2.2964 Unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ werden vorliegend alle Mietverhältnisse und ähnliche Nutzungsverhältnisse betreffenden streitwertbezogenen Rechtsfragen behandelt sowie diejenigen, die sich unverändert auch bei Pachtverhältnissen stellen. Streitwertrechtliche Besonderheiten der Pacht- und

1 BGBl. I 1980, 680. 2 BGBl. I 2004, 718.

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Mietstreitigkeiten

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2. Teil

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Gewerbemietverhältnisse sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung sind unter den Stichwörtern „Pacht“, Rz. 2.3821 ff. und „Geschäftsräume“, Rz. 2.1750 zu finden.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines Nach § 23 Nr. 2 lit. a GVG sind alle Streitigkeiten aus einem Wohnraummietverhältnis oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses vom Streitwert unabhängig den AG zugewiesen; diese Zuständigkeit ist ausschließlich. Bewertungsprobleme stellen sich insoweit nicht.

2.2965

Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für sämtliche Streitigkeiten aus sonstigen Miet-, Pacht- 2.2966 und ähnlichen Nutzungsverhältnissen gem. § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG nach dem Streitwert, soweit nicht ausnahmsweise die amtsgerichtliche Zuständigkeit für Reisestreitigkeiten eingreift (§ 23 Nr. 2 lit. b GVG). Bedeutung erlangt das bei getrennten Vertragsverhältnissen betreffend Wohnung und Garage,1 da sich der Zuständigkeitsstreitwert für Streitigkeiten über den Bestand von Garagenmietverhältnissen nach § 8 ZPO richtet.2 Für die Zuordnung der jeweiligen Streitigkeit und deren streitwertrechtliche Behandlung ist es ohne Bedeutung, ob ein Haupt- oder Untermietverhältnis betroffen ist. Miet- und Pachtverhältnisse sind auch Untermiet- und Unterpachtverhältnisse.3

2.2967

Ergänzend zu den Rechtsprechungsnachweisen bei den Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Wertvorschriften wird auf die alphabetische Einzelfalldarstellung (Rechtsprechungs-ABC) unter Anmerkung f. (Rz. 2.1327 ff.) verwiesen.

2.2968

II. Wohnraummietverhältnisse Die Wohnraummiete ist seit dem Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.20014 ein in den §§ 549 ff. BGB materiell eigenständig geregeltes Rechtsgebiet. Hierbei ist unter Wohnraum jeder zum Wohnen, das heißt insbesondere zum Schlafen, Essen und auf Dauer angelegten privaten Nutzung bestimmter, innerhalb eines Gebäudes gelegener Raum zu verstehen.5

2.2969

Bei Mischmietverhältnissen, also der Anmietung von Räumlichkeiten zu Wohn- und beispielsweise Gewerbezwecken, ist für die Einordnung nach herrschender Ansicht auf die überwiegende Nutzungsart abzustellen.6

2.2970

Soweit die Gebrauchsgewährung in einem Zusammenhang mit der Erbringung von Arbeitsleistun- 2.2971 gen steht, ist zwischen Werkmietwohnungen und Werkdienstwohnungen zu unterscheiden. Streitigkeiten betreffend Werkdienstwohnungen, also Wohnungen, deren Überlassung Teil des Arbeitsver-

1 2 3 4 5 6

Zur widerleglichen Vermutung getrennter Verträge vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 374/13. BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980. BGH, Urt. v. 21.3.1952 – V ZR 20/51, MDR 1952, 666; Zöller/Lückemann, § 23 GVG Rz. 8. BGBl. I 2001, 1542. Palandt/Weidenkaff, vor § 535 BGB Rz. 89. KG, Grundeigentum 2013, 1202; OLG Celle, Beschl. v. 8.1.1986 – 3 W 102/85, MDR 1986, 324; OLG Hamm, Urt. v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.6.1987 – 7 U 101/87, NJW-RR 1988, 401; OLG Köln, Urt. v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, ZMR 2007, 114; Zöller/Lückemann, § 23 GVG Rz. 8.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

trages und der danach geschuldeten Vergütung des Arbeitnehmers sind, fallen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG in die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichts.1

2.2972 Auf welche Rechtsgrundlage die Klage gestützt wird, ist für die Einordnung der Streitigkeit ohne Bedeutung. Nur wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass hinsichtlich des Wohnraums kein Wohnraummietverhältnis besteht, greift § 23 Nr. 2 lit. a GVG nicht ein. Ob die betroffenen Räumlichkeiten als Wohnraum genutzt werden (können), ist in jedem Fall unerheblich. Denn nach dem Wortlaut von § 23 Nr. 2 lit. a GVG ist nicht die Eigenschaft des Raumes zuständigkeitsbegründend, sondern der Inhalt der Rechtsbeziehungen der Parteien.2 Ausgehend von seinem Schutzzweck gelangt § 23 Nr. 2 lit. a GVG aber bereits dann zur Anwendung, wenn sich eine Partei auf den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses beruft.3

2.2973 Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft fallen in keinem Fall unter § 23 Nr. 2 lit. a GVG (oder § 8 ZPO). Denn die im Streit stehenden Ansprüche folgen nicht aus einem Wohnraummietverhältnis, sondern aus der regelmäßig gesellschaftsrechtlichen Bindung ihrer Mitglieder. So sind insbesondere Klagen betreffend die Aufhebung der Wohngemeinschaft oder auf Abgabe einer (gemeinsamen) Kündigungserklärung gegenüber dem Vermieter nach § 3 ZPO zu bewerten.4

III. Sonstige Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse 2.2974 Handelt es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Wohnraummietverhältnis, dann bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Streitwert des Klagebegehrens (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) und damit gem. § 2 ZPO nach den §§ 3 ff. ZPO. Danach ist wie folgt zu unterscheiden: 1. Miet- und Pachtverhältnisse

2.2975 Betrifft die Streitigkeit den Bestand oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses, kommt eine Wertbestimmung nach § 8 ZPO in Betracht, der als Sondervorschrift dem § 6 ZPO vorgeht.5 Danach entspricht der Wert der für die gesamte streitige Zeit noch zu zahlenden Pacht bzw. Miete oder dem 25-fachen Jahresbetrag, wenn dieser Betrag geringer ist.

2.2976 Auch auf Streitigkeiten betreffend Nutzungsverhältnisse, die der Miete oder Pacht nur ähnlich oder von ihnen wesensverschieden (sonstige) sind (s. hierzu Rz. 2.3006 ff.) ist § 8 ZPO nicht anwendbar.6 a) Miet- oder Pachtvertrag

2.2977 Unter Miete und Pacht sind schuldrechtliche Gestattungsverhältnisse zu verstehen, die zur entgeltlichen Gebrauchsgewährung auf Zeit berechtigen und verpflichten. Sie unterscheiden sich im Ver1 BAG, Beschl. v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, MDR 2000, 600; BAG, Urt. v. 24.1.1990 – 5 AZR 749/87, BAGE 64, 75; MDR 1990, 656; Zöller/Lückemann, § 23 GVG Rz. 9; differenzierend Bub/Treier/Fischer, VIII Rz. 13 m.w.N. 2 Bub/Treier/Fischer, VIII Rz. 10 m.w.N. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2007 – 24 U 117/07, WuM 2007, 712; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757 für § 8 ZPO; a.A. KG, Beschl. v. 6.3.2008 – 2 AR 12/08, NZM 2008, 837. 4 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323. 5 Musielak/Voit/Heinrich, § 8 ZPO Rz. 2. 6 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124; BGH, Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91; BayObLG, Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 3; a.A. Musielak/Voit/Heinrich, § 8 ZPO Rz. 2 unter Hinweis auf die Anwendung von § 8 auf gemischttypische Verträge.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

Für die streitwertrechtliche Beurteilung ist eine Differenzierung zwischen Miete oder Pacht nicht erforderlich.1 Wenn auch in der Praxis Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gebäude- oder Gebäudeteilnutzung im Vordergrund stehen, darf nicht übersehen werden, dass § 8 ZPO auch die Miete beweglicher Sachen erfasst.

ZPO

tragsgegenstand, der sich bei der Pacht auch auf Rechte erstrecken kann, und dem Vertragszweck, der bei der Pacht neben der Nutzung auch die Fruchtziehung umfasst. Geregelt sind sie vornehmlich in den §§ 535 bis 597 BGB.

2.2978

Zu den Miet- und Pachtverhältnissen i.S.d. § 8 ZPO gehören neben den Untermiet- und Unterpacht- 2.2979 verhältnissen2 auch die Jagdpachtverhältnisse.3 Bei gemischten Verträgen ist auch hier maßgeblich darauf abzustellen, ob die entgeltliche Gebrauchsüberlassung das prägende Vertragsmerkmal ist, also der miet- oder pachtrechtliche Teil des Vertrages überwiegt.4 Dies kommt etwa beim Filmverleih, Hausmeistervertrag oder bei Beherbergungsverträgen5 oder einem Vertrag über die Reinigung von Kundentoiletten6 in Betracht. Da § 8 ZPO – anders als § 41 Abs. 2 GKG – auch die Miete oder Pacht von beweglichen Sachen erfasst, gelangt er auch bei modernen Mischformen, wie dem Fahrzeugleasing, zur Anwendung.7 Für die Wertberechnung ist dann der Teilwert der miet- oder pachtrechtlichen Beziehung maßgebend, falls der Teilwert der übrigen Beziehung wirtschaftlich eigenständig bewertet werden kann.8

2.2980

Stehen bei dem gemischten Vertrag dagegen andere Bestandteile, etwa dienstvertragliche Elemente, 2.2981 im Vordergrund, wie beispielsweise beim Bewirtungsvertrag, Krankenhausbehandlungs- oder Heimvertrag,9 scheidet eine unmittelbare Anwendung von § 8 ZPO in der Regel aus. Hier ist jedoch im Einzelfall zu erwägen, ob bei der dann nach § 3 ZPO vorzunehmenden Bewertung zum Zwecke einer angemessenen Erfassung die Wertberechnung nach § 8 ZPO mitberücksichtigt wird.10 b) Streit über Bestehen oder Dauer § 8 ZPO setzt einen Streit über Bestehen oder Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses voraus und ist daher nicht anwendbar, wenn ein solches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien unstreitig ist oder unstreitig nicht mehr besteht. Erfüllungsansprüche, beispielsweise auf Überlassung der Mietsache, fallen unter § 8 ZPO, sofern durch die mit der Klage erstrebte Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.11 Dies gilt jedoch nicht für Klagen auf (Mietzins-)Zahlung, selbst wenn letztlich nur über den (Fort-)Bestand des zugrunde liegenden Nutzungsverhältnisses gestritten wird.12

1 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204; BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064. 2 BGH, Urt. v. 21.3.1952 – V ZR 20/51, MDR 1952, 666; ebenso für § 41 GKG: OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 53/99, OLGR 1999, 263 = NZM 2000, 190. 3 BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, BGHR ZPO § 8 Jagdpacht Nr. 1; OLG Bamberg, NJW 1953, 230; ebenso für § 41 GKG: OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 53/99, NZM 2000, 190. 4 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064. 5 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7. 6 OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2008 – 2 U 26/08, NZM 2009, 334 – zu § 41 GKG. 7 Vgl. etwa AG Bad Segeberg, Urt. v. 29.8.2013 – 17 C 26/12. 8 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064. 9 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7. 10 So MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rz. 3. 11 BGH, Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 127. 12 BGH, Beschl. v. 22.1.2013 – VIII ZR 104/12, AGS 2014, 67; BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

2.2983 Da § 8 ZPO nicht auf den Klageantrag, sondern auf den dahinter stehenden Streit der Parteien abstellt, führt bereits die Verteidigung mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis, etwa gegen einen dinglichen Herausgabeanspruch, zur Anwendbarkeit des § 8 ZPO.1 Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der Streit Gegenstand einer Feststellungs-, Leistungs- oder Gestaltungsklage ist.2

2.2984 Wird Räumung der Miet- oder Pachtsache verlangt, bestimmt sich der Wert nur dann nach § 8 ZPO, wenn nach dem Klagevorbringen Streit darüber besteht, ob das Pacht- oder Mietverhältnis über den Zeitpunkt der verlangten Räumung hinaus bestanden hat oder noch besteht. Anderenfalls fehlt es an dem Erfordernis der „streitigen Zeit“ und es gelten die allgemeinen Wertvorschriften.3

2.2985 Sind sich die Parteien über die Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses einig und beschränkt sich der Streit auf die nach dem Vertragsinhalt bestehenden Handlungs- oder Unterlassungspflichten, wie etwa bei Klage auf rückständiges oder künftiges Nutzungsentgelt, oder auf die Folgen der Beendigung, wie beispielsweise bei Ansprüchen auf Vornahme von Renovierungsleistungen oder Ersatz entgangener Mieteinnahmen wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassener Abschlussrenovierung, ist § 8 ZPO nicht einschlägig. Die Wertbestimmung erfolgt hier regelmäßig nach §§ 3 und 6 ZPO, soweit Gegenstand des Klagebegehrens nicht eine Leistung wiederkehrender Art (§ 9 ZPO) ist.

2.2986 Da § 8 ZPO bei einem nicht auf Räumung gerichteten Streit nur auf einen Rechtsstreit zwischen den Vertragsparteien angewandt werden kann, fällt der Streit zwischen Vermietern oder Mietern untereinander nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.4

2.2987 Auch der Streit darüber, ob eine Partei einen von ihr mit einem Dritten geschlossenen Miet- oder Pachtvertrag gegen sich gelten lassen muss, ist keine Streitigkeit nach § 8 ZPO. Dem steht schon entgegen, dass die Parteien nicht zugleich Vertragsparteien sind und damit in einer der Rechtskraft fähigen Weise über den Bestand oder die Dauer des Vertrages nicht entschieden werden kann. Die Bewertung erfolgt nach § 3 ZPO.5 Anders liegt es dagegen, wenn sich der Beklagte auf ein Besitzrecht beruft, weil ihm (unmittelbar) aus dem Nutzungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Dritten ein Recht auf Übertragung des objektbezogenen Wohnrechts zustehe.6 c) Wertberechnung im Einzelnen

2.2988 Gelangt § 8 ZPO zur Anwendung, bestimmt sich der Streitwert im Grundsatz nach der auf die „streitige Zeit“ entfallenden „Pacht oder Miete“, höchstens auf den 25-fachen Jahresbetrag des Nutzungsentgelts. Der zur Räumung und Herausgabe der Miet- oder Pachtsache in vertragsgemäßem Zustand erforderliche Aufwand, ist ausweislich des klaren Wortlauts von § 8 ZPO ohne Bedeutung.7 Dies zumindest, soweit hierzu kein eigenständiger Klageantrag gestellt wird.8 (Siehe hierzu unter „Abbruchkosten“, Rz. 2.3128).

1 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 3; offenlassend noch BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – III ZR 206/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 8. 2 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; BGH, Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291. 3 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 4. 4 BGH, Urt. v. 21.10.1955 – V ZR 160/54, LM ZPO § 8 Nr. 6. 5 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVII Nr. 76; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.3.2012 – 1 (Z) Sa 2712, Jagdrechtliche Entscheidungen IV Nr. 131. 6 BGH, Beschl. v. 29.11.2018 – III ZR 222/18, MDR 2019, 252 – Kleingartenpacht. 7 BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7 – Beschwer. 8 BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.2989

Überschneidet sich eine auf Zahlung von Mietzins gerichtete Leistungsklage bezogen auf den Leistungszeitraum mit einer Zwischenfeststellungswiderklage (§ 265 Abs. 2 ZPO) auf Erlöschen des Mietverhältnisse, dann findet keine Wertaddition statt.2

2.2990

ZPO

Der Bewertungsmaßstab des § 8 ZPO gilt auch für Klagen, die auf positive Feststellung hinsichtlich des Bestehens oder der Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses gerichtet sind. Denn für den bei positiven Feststellungsklagen gebotenen prozentualen Abschlag vom Streitwert (s. unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.) besteht hier kein Bedürfnis, da derartige Feststellungsbegehren zum Regelfall der von § 8 ZPO erfassten Streitigkeiten gehören und ihre Eigenart daher bereits in dessen Wertmaßstab berücksichtigt worden ist.1

aa) Streitige Zeit Unter der „streitigen Zeit“ ist derjenige Zeitraum zu verstehen, für den hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertragsverhältnisses Streit zwischen den Parteien herrscht. Es ist die Spanne zwischen denjenigen Zeitpunkten, in denen nach dem jeweiligen Vorbringen der einen und der anderen Partei der Räumungsanspruch des Vermieters zu erfüllen ist.3 Dies ist nach dem Vortrag in der Klageschrift zu ermitteln, da für den Zuständigkeitsstreitwert allein das Vorbringen des Klägers maßgebend ist. Daher sind Säumnis des Beklagten (§ 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und die Geständnisfiktion (§ 138 Abs. 3 ZPO) für die Wertermittlung unerheblich.4

2.2991

Der Beginn des streitigen Zeitraumes fällt frühestens auf den Zeitpunkt der Zustellung von Klage- 2.2992 oder Antragsschrift.5 Das gilt im Falle eines Räumungs- oder Herausgabebegehrens auch dann, wenn der Einreichung bereits eine Kündigung vorausgegangen ist.6 Nur wenn der Kläger Räumung erst für einen künftigen Zeitpunkt oder die Feststellung begehrt, dass das Miet- oder Pachtverhältnis bereits zu einem vor Rechtshängigkeit liegenden Zeitpunkt beendet worden ist, ist dieser Zeitpunkt der Wertberechnung zugrunde zu legen.7 Das Ende des streitigen Zeitraumes fällt auf den Tag, an dem der Vertrag unstreitig ablaufen wür- 2.2993 de, d.h. bei Verträgen mit bestimmter Dauer mit Zeitablauf und bei Verträgen mit unbestimmter Dauer mit dem Tage, auf den derjenige hätte (ordentlich) kündigen können, der sich auf eine längere Bestehenszeit beruft.8 Die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bleibt bei der Berechnung außer Betracht.9

1 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 23; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 5; a.A. ohne Begründung: LG Berlin, Beschl. v. 7.7.2000 – 65 T 62/00, JurBüro 2001, 96. 2 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657; BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437; BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NZM 2005, 944 – zu § 41 GKG; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 5. 5 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 12.7.1952 – V ZR 30/51, LM § 8 ZPO Nr. 1. 6 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NZM 2000, 1227; BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 5. 7 BGH, Beschl. v. 15.5.1958 – VIII ZR 16/58, MDR 1958, 601; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.5.1991 – 8 U 83/91, JurBüro 1991, 1126; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 16. 8 BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LWZR 9/02, BGHR 2003, 757; BGH, Beschl. v. 10.8.1999 – XII ZR 69/99, NZM 1999, 1048; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 5. 9 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 17.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

2.2994 Beruft sich der Beklagte auf einen Mietvertrag von bestimmter Dauer, dann ist dessen Zeitablauf für die Berechnung nur dann heranzuziehen, wenn – nach dem Vortrag des Beklagten – vom wirksamen Abschluss eines zeitlich befristeten Mietverhältnisses auszugehen ist. Anderenfalls verbleibt es bei der Annahme eines Mietverhältnisses von unbestimmter Dauer.1

2.2995 Beruft sich der Beklagte gegenüber Kündigung und Räumungsklage auf Schutzvorschriften, die das Kündigungsrecht beschränken und ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung begründen, so dauert die „streitige Zeit“ bis zu dem Zeitpunkt an, den derjenige, der sich auf das Nutzungsrecht beruft, als den für ihn günstigsten in Anspruch nimmt.2

2.2996 Ist (nach dem Vorbringen in der Klageschrift) die Beendigung des Nutzungsverhältnisses ungewiss, weil der Nutzungsberechtigte kein konkretes Ende des Nutzungsverhältnisses benennt,3 die Ausübung einer Verlängerungsoption durch ihn ungewiss ist,4 er sich auf einen Ausschluss der Kündigung durch den Vermieter oder darauf beruft, dass der Miet- oder Pachtvertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei,5 dann bestimmt sich der Wert nach Ansicht des BGH in entsprechender Anwendung nach § 9 ZPO auf das 3,5-fache des Jahresnutzungsentgelts. Denn die Regelung in § 8 ZPO sei nur auf solche Fallgestaltungen zugeschnitten, „in denen die streitige Zeit genau bestimmt werden kann“.6

2.2997 Folgt hingegen aus dem Klagevorbringen, dass der Beklagte ebenfalls die Kündigung erklärt hat und deshalb der streitige Zeitraum kürzer als ein Jahr ist, bleibt die abstrakte Möglichkeit, dass er nach Ablauf der „streitigen Zeit“ nicht räumen wird, für die Wertbestimmung außer Betracht.7 Hat der verurteilte Beklagte dagegen das Mietobjekt vor Einlegung des Rechtsmittels (aufgrund einer eigenen Kündigung) freiwillig und vorbehaltlos geräumt, dann soll es nach Ansicht des BGH ab diesem Zeitpunkt hinsichtlich der tenorierten Räumungspflicht an einer Beschwer fehlen.8 bb) Pacht- oder Mietzins

2.2998 Der für die Wertberechnung zugrunde zu legende Pacht- oder Mietzins errechnet sich nach dem Geldwert der vom Nutzungsberechtigten für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Maßgebend ist das (nach dem Klägervortrag) vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Be-

1 BGH, Beschl. v. 26.9.2018 – VIII ZR 290/18, NZM 2019, 90. 2 BGH, Beschl. v. 18.10.2017 – XII ZR 6/17, WuM 2017, 724; BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, ZMR 2005, 933; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913. 3 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757. 4 BGH, Beschl. V. BGH v. 18.10.2017 – XII ZR 6/17, WuM 2017, 724. 5 BGH, Beschl. v. 13.5.2014 – VIII ZR 366/13, MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 17 – betr. Berufen auf lebenslanges Nutzungsrecht; BGH, Beschl. v. 13.3.2007 – VIII ZR 189/06, MDR 2007, 917, NZM 2007, 512 mit krit. Anm. N. Schneider; BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, ZMR 2005, 933; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 17. 6 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277; BGH, Beschl. v. 8.4.2008 – VIII ZR 50/06, AGS 2008, 401; BGH, Beschl. v. 2.10.2007 – III ZB 47/07, NZM 2008, 461; BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428; BGH, Beschl. v. 13.3.2007 – VIII ZR 189/06, MDR 2007, 917; BGH, Beschl. v. 27.3.2007 – VIII ZB 123/06, MDR 2007, 966 = JurBüro 2007, 362; BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757. 7 BGH, Beschl. v. 2.7.2008 – XII ZR 44/07, GuT 2008, 35; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486. 8 BGH, Beschl. v. 15.12.2020 – VIII ZR 341/19, WuM 2021, 122: die hierauf bezogenen Prozesskosten bleiben ebenfalls unberücksichtigt, soweit andere Streitgegenstände noch Hauptsache des Rechtsmittelverfahrens bleiben.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

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trag, der nach Auffassung einer Partei angemessen wäre oder ortsüblich ist.1 Ebenso unberücksichtigt bleiben Maßnahmen der Wertverbesserung oder Rückbaukosten.2 Bestreitet die klagende Partei den Bestand eines Mietverhältnisses, kann der nach §§ 8, 9 ZPO maßgebliche Mietzins nur dem Vortrag des Beklagten entnommen werden.3 Nach bisherigem Verständnis entsprach das „einjährige Entgelt“ des § 8 ZPO dem „einjährigen Zins“ 2.2999 des § 16 Abs. 1 GKG a.F.4 Hieran hat sich mit der Neufassung von § 41 Abs. 1, 2 GKG nichts geändert, was schon die nunmehr übereinstimmende Verwendung des „einjährigen Entgelts“ erhellt. Das spricht dafür, die Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG auch für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts heranzuziehen.5 Danach umfasst das Entgelt neben dem Nettogrundentgelt die Nebenkosten nur noch dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden. Die Neuregelung folgt der Rechtsprechung des BGH,6 wonach Vorauszahlungen auf Nebenkosten bei der Wertbestimmung nach § 8 ZPO schon deshalb nicht berücksichtigt werden können, weil aus ihnen nicht erkennbar ist, welche über den eigentlichen Mietzins hinausgehenden Beträge der Mieter nach Abrechnung schuldet. Zudem enthält die Pauschale, da sie vom tatsächlichen Verbrauch unabhängig ist, im Einzelfall (Unterschreitung des erwarteten Verbrauchs) eine Vergütung für die Gebrauchsgewährung, und das nicht nur, wenn sie ununterscheidbar in der Pauschalmiete aufgeht.7 Zum Nutzungsentgelt zählen neben dem in Geld oder Naturalien zu erbringenden Pacht- oder Mietzins alle weiteren vertraglich vereinbarten (verbrauchsunabhängigen) Nebenleistungen, es sei denn, diese werden im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen oder vom Mieter bzw. Pächter selbst abgerechnet.8

2.3000

Ferner sind alle vertragsgemäß zu erbringenden Sonderleistungen des Mieters oder Pächters zu berücksichtigen, etwa für die Unterhaltung und Instandsetzung der Mietsache, für Abgaben und sonstige öffentliche Lasten, aber auch Baukostenaufwand und Baukostenzuschüsse.9

2.3001

Soweit Mehrwertsteuer zu zahlen ist, erhöht sich der Streitwert um diese.10

2.3002

1 BGH, Beschl. v. 23.3.2016 – VIII ZB 26/16, WuM 2016, 304; BGH, Beschl. v. 11.2.2014 – VIII ZR 214/13, WuM 2014, 219; BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204; BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064. 2 BGH, Beschl. v. 11.2.2014 – VIII ZR 214/13, WuM 2014, 219. 3 BGH, Beschl. v. 3.4.2014 – V ZR 185/13, WuM 2014, 353. 4 BGH, Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 9. 5 Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 6; offenlassend: BGH, Beschl. v. 8.12.2015 – VIII ZR 129/15, WuM 2016, 650; BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277. 6 Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 – Beschwer. 7 Vgl. aber BGH, Beschl. v. 8.12.2015 – VIII ZR 129/15, WuM 2016, 650: allenfalls für die „ununterscheidbar vereinbarte Pauschalmiete“. 8 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277; BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615; BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 6. 9 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277 – öffentlich-rechtliche Lasten; BGH, Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512; krit. OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, MDR 1996, 859. 10 OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527 – zu § 16 GKG a.F.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, MDR 2006, 1079; OLG Hamm v. 28.4.1995 – 32 W 1/95, ZMR 1995, 359; KG, Beschl. v. 17.6.1999 – 8 W 4592/99, NZM 2000, 659; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2000 – 4 W 53/00, OLGR 2001, 260.

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2. Teil

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2.3003 Bei der Höhe nach unterschiedlichen Jahresentgeltbeträgen ist auf den höchsten Betrag innerhalb

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des streitigen Zeitraums abzustellen.1

2.3004 Veränderungen des Mietvertrages nach Klageerhebung, die Einfluss auf den Streitwert haben könnten, bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt, solange nicht auch der Klageantrag geändert wird.

2.3005 Siehe ferner bei den Ausführungen zum Gebührenstreitwert (s. Rz. 2.3033 ff.). 2. Ähnliche und sonstige Nutzungsverhältnisse

2.3006 Streiten die Parteien über Ansprüche aus einem der Pacht oder Miete nur ähnlichen oder aus einem sonstigen, d.h. wesensverschiedenen Nutzungsverhältnis, dann fehlt es an einer Sondernorm. § 8 ZPO ist schon ausweislich seines – von § 41 GKG abweichenden – Wortlauts nicht anwendbar.2 Hier ist der Streitwert vielmehr nach §§ 3 ff. ZPO zu bestimmen, wobei eine Orientierung an § 9 ZPO naheliegt.3

2.3007 Ähnliche Nutzungsverhältnisse sind solche, die miet- oder pachtähnlichen Charakter haben, auch wenn sie nicht unmittelbar unter die §§ 535 ff., 581 ff. BGB fallen.4 Dies ist etwa bei dem mietähnlich ausgestalteten Dauerwohnrecht gem. § 1093 BGB oder § 31 WEG5 der Fall.

2.3008 Demgegenüber zeichnen sich wesensverschiedene Nutzungsverhältnisse insbesondere dadurch aus, dass es an einer mietzinsähnlichen Gegenleistung fehlt. Beispielhaft ist hier das unentgeltliche Nutzungsverhältnis6 oder das in letztwilliger Verfügung angeordnete Wohnvermächtnis7 zu nennen. Ausführlich hierzu nachfolgend unter Rz. 2.3027 ff. a) Streit über Bestand und Dauer

2.3009 Auf Feststellung des Bestehens oder der Dauer derartiger Rechtsverhältnisse gerichtete Klagebegehren sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Im Einzelfall ist jedoch zu erwägen, ob zum Zwecke einer angemessenen Erfassung die Wertberechnung nach § 8 ZPO mitberücksichtigt wird.8

2.3010 Ist das Klagebegehren auf Räumung und Herausgabe gerichtet, bestimmt sich der Streitwert nach § 6 ZPO.9

1 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944 – zu § 41 GKG; Zöller/Herget, § 9 ZPO Rz. 6. 2 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124; BGH, Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91; BayObLG, Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 3; differenzierend MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rz. 5; a.A. Musielak/Voit/Heinrich, § 8 Rz. 2 unter Hinweis auf die Anwendung von § 8 auf gemischttypische Verträge. 3 BGH, Beschl. v. 12.4.2018 – V ZR 230/17, Grundeigentum 2019, 316; BGH, Beschl. v. 15.6.2011 – XII ZR 54/09, WuM 2011, 485. 4 BGH, Rpfleger 1959, 1 zu § 10 Abs. 1 GKG a.F. 5 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG Frankfurt, NJW 1963, 1930; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130. 6 BGH, Beschl. v. 12.4.2018 – V ZR 230/17, Grundeigentum 2019, 316; BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204. 7 KG, JurBüro 1962, 294. 8 So MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rz. 3. 9 Prütting/Gehrlein/Gehle, § 8 Rz. 6; krit. Lappe, NJW 2000, 449.

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2. Teil

Im Übrigen bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 3 ZPO, soweit nicht aufgrund des konkreten Klagebegehrens speziellere Wertvorschriften zur Anwendung gelangen und eine mittelbare Berücksichtigung von § 8 ZPO ausscheidet. So ist etwa § 9 ZPO einschlägig, wenn der Streit Leistungen wiederkehrender Art zum Gegenstand hat.1 Das gilt beispielsweise für eine auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage.2

2.3011

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Mit der GKG-Novelle vom 5.5.20043 hat der Gesetzgeber auch die Wertvorschriften für Miet-, Pacht- 2.3012 oder ähnliche Nutzungsverhältnisse betreffende Streitigkeiten überarbeitet und einige in Rechtsprechung und Lehre streitige Punkte entschieden. So wird mit der Regelanknüpfung in § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG an das Nettogrundentgelt und dessen Jahreswert die – bereits anerkannte – soziale Schutzfunktion der Gebührenvorschriften nunmehr auch für die Mängelbeseitigung, Instandsetzung und Modernisierung erweitert. Danach soll der Zugang zu den Gerichten nicht durch kostentreibende Streitwerte erschwert werden.4 Hierbei gelangt die Gebührenprivilegierung des § 41 GKG bereits dann zur Anwendung, wenn nur eine von mehreren Klagebegründungen dessen Voraussetzungen erfüllt.5

2.3013

In den noch bestehenden Streitfällen ist aus gleichen Gründen eine weite Auslegung geboten. Sie ist 2.3014 auf alle Sachverhalte anzuwenden, bei denen eine für das Verhältnis von Vermieter und Mieter typische Berechtigung Streitgegenstand ist.6 Dies soll jedoch nicht für gewerbliche Mietverhältnisse gelten, da dort soziale Gesichtspunkte keine Rolle spielen.7 Da § 41 Abs. 1 GKG an Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien anknüpft, fällt der Streit zwischen Vermietern oder Mietern untereinander nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.8 Zu denken ist hier an Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft oder Klagen eines Mieters gegen einen Mitmieter auf Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses. Das Verhältnis der Beteiligten ist hier in der Regel gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlich geprägt, so dass für eine Gebührenprivilegierung kein Anlass besteht. Daher dürfte auch für eine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG, wie sie vom OLG Frankfurt9 zur Vermeidung „übersetzter Streitwerte“ bejaht wird,10 ausscheiden.11 Im Einzelfall kann bei der Schätzung nach § 3 ZPO jedoch der Bewertungsmaßstab des § 41 Abs. 1 GKG berücksichtigt werden.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Musielak/Voit/Heinrich, § 9 Rz. 3. LG Mainz, Urt. v. 17.7.2012 – 6 S 31/12, WuM 2012, 507. BGBl. I 2004, 718. BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.1997 – 11 W 21/97, JurBüro 1997, 478; OLG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, ZMR 1997, 468. BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944. OLG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, ZMR 1997, 468. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132; OLG München, Beschl. v. 3.3.1997 – 15 W 2857/96, OLGR 1997, 107; a.A. wohl: BGH, Beschl. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530. BGH, LM ZPO § 8 Nr. 6 = LM GKG § 10 Nr. 10 – zu § 10 GKG a.F. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.3.2003 – 1 W 11/03, AGS 2004, 162. Ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 18.6.1965 – 11 W 20/65, NJW 1965, 2406. So auch KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7. KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323.

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b) Anderweitige Klagebegehren

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Mietstreitigkeiten

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2.3016 Auch auf einen Räumungsvertrag zwischen einem potentiellen Käufer und einem Mieter des Verkäufers findet § 41 GKG keine Anwendung.1 Bei Streitigkeiten von Eheleuten oder Lebenspartnern über die gemeinsam genutzte Wohnung gem. §§ 200, 269 FamFG ist die Verfahrenswertregelung in § 48 FamGKG zu beachten, wonach – vorbehaltlich einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgesichtspunkten (§ 48 Abs. 3 FamGKG) – für Streitigkeiten über die Zuweisung der Wohnung während der Trennungszeit 3.000 t und anlässlich der Scheidung 4.000 t anzusetzen sind.

II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines zu § 41 GKG

2.3017 § 41 GKG geht als Sondervorschrift für Streitigkeiten aus Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen einer Wertberechnung nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 bis 9 ZPO vor. Zum besseren Verständnis der Streitwertberechnung werden zunächst die einzelnen von § 41 GKG erfassten Tatbestände im Zusammenhang dargestellt: – Das Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses ist streitig. Dann bemisst sich der Streitwert nach dem auf die streitige Zeit entfallenden Entgelt oder nach dem einjährigen Entgelt, je nachdem welcher Betrag geringer ist, § 41 Abs. 1 GKG. – Die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses ist streitig. Maßgebend für den Streitwert ist ebenfalls das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt oder das einjährige Entgelt, je nachdem welcher Betrag geringer ist, § 41 Abs. 1 GKG. – Es wird Räumung wegen Beendigung des Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses über eine unbewegliche Sache (§§ 546, 578, 581 BGB) verlangt, wobei gleichgültig ist, ob die Beendigung streitig oder unstreitig ist. Auch hier ist der Streitwert gleich dem einjährigen Entgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist, § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG. – Es wird im vorgenannten Fall Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund (z.B. § 985 BGB) verlangt, wobei wiederum gleichgültig ist, ob Streit über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses besteht. Dann ist der Streitwert ausnahmslos gleich dem Wert der Nutzungen eines Jahres, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG. Weiterhin nicht beantwortet ist in § 41 Abs. 2 GKG die Frage, wie der Streitwert zu bemessen ist, wenn Räumung oder Herausgabe allein aus einem anderen Rechtsgrund verlangt wird (s. dazu Rz. 2.3069 ff.). – Es wird die Erhöhung des Mietzinses für Wohnraum beansprucht. Der Wert richtet sich nach dem Jahresbetrag der zusätzlichen Miete, soweit nicht aufgrund kürzerer Mietdauer ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG. Zu beachten bleibt, dass diese Streitwertbeschränkung nur für Wohnraum gilt! – Der Mieter von Wohnraum verlangt die Instandsetzung von Wohnraum oder die Feststellung, aufgrund von Mängeln zur Mietminderung berechtigt zu sein. Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG. – Der Vermieter verlangt die Duldung von Maßnahmen der Modernisierung oder Erhaltung von Wohnraum. Dann bemisst sich der Streitwert nach dem Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung bzw. einer ansonsten möglichen Mietminderung, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG. – Die gemeinsame Verhandlung des Anspruchs auf Räumung und des Anspruchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574 bis 574b BGB. Hier ist der Wert ohne Zusammenrechnung immer nach dem einjährigen Mietzins zu errechnen, § 41 Abs. 3 und 4 GKG. 1 Meyer, JurBüro 2010, 184, 185.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

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Hierbei erhöht sich der Streitwert nicht bei einer auf mehrere Kündigungen gestützten Räumungsklage.1 Soweit die Kündigungserklärungen auf im Wesentlichen unterschiedlichen Sachverhalten beruhen, liegen zwar verschiedene Streitgegenstände vor.2 Da diese jedoch auf den Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet sind, ist wegen wirtschaftlicher Identität trotz objektiver Klagehäufung für eine Wertaddition kein Raum.3 Siehe auch das Unterstichwort „Kündigung“ (Rz. 2.3224 ff.).

2.3019

Treffen im Zuge einer objektiven Klagehäufung Ansprüche auf Leistung und Feststellung hinsichtlich des Bestandes eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses zusammen, ist für eine Wertaddition nach § 39 Abs. 1 GKG zu unterscheiden.

2.3020

Ist das den verschiedenen prozessualen Ansprüchen zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet und damit als wirtschaftliche Einheit anzusehen, scheidet eine Zusammenrechnung aus und der höhere Einzelwert ist maßgebend. Anderenfalls ist zu addieren.4

2.3021

ZPO

Das vorstehende Schema der Tatbestandsgruppen zeigt, dass praktisch kaum Bewertungsunterschiede bestehen. Es ist im Wesentlichen darauf zu achten, ob ein Fall des § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG vorliegt: Räumungsverlangen aus mehreren Rechtsgründen. Denn dann ist immer das einjährige Nutzungsentgelt anzusetzen, auch wenn der streitige Zeitraum kürzer als ein Jahr ist.

Überschneidet sich eine auf Zahlung von Mietzins gerichtete Leistungsklage bezogen auf den Leis- 2.3022 tungszeitraum mit einer Zwischenfeststellungswiderklage (§ 265 Abs. 2 ZPO) auf Erlöschen des Mietverhältnisses, findet daher keine Wertaddition statt.5 Siehe auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff. 2. Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse a) Miete und Pacht Die mit der Bestimmung von Miet- und Pachtverhältnissen verbundenen Abgrenzungsfragen sind bereits beim Zuständigkeitsstreitwert (§ 8 ZPO) erörtert worden. Zu beachten bleibt, dass § 41 Abs. 1 GKG auch auf Ansprüche aus der Miete beweglicher Sachen Anwendung findet,6 was sich insbesondere bei neueren Nutzungsformen, wie dem Leasing, auswirken kann (s. hierzu unter dem Stichwort „Leasingvertrag“, Rz. 2.2784 ff.).

2.3023

b) Ähnliche Nutzungsverhältnisse § 41 GKG erfasst – im Gegensatz zu § 8 ZPO – neben den Miet- und Pachtverhältnissen auch die ihnen „ähnlichen Nutzungsverhältnisse“. Ähnliche Nutzungsverhältnisse sind solche, die miet- oder

1 OLG Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – 3 U 64/07, ZMR 2008, 361 – unzutreffend jedoch hinsichtlich der Ausführungen zu dem für die Kostengrundentscheidung im Einzelfall zu bildenden sog. fiktiven Streitwert; OLG München, Beschl. v. 9.7.2001 – 5 W 1857/01, NZM 2001, 749. 2 OLG Brandenburg, Urt. v. 24.2.2010 – 3 U 112/09; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.7.1993 – VIII ZB 22/93, NJW-RR 1994, 61: Klageänderung bei Wechsel von einer Kündigung zur anderen. 3 KG, Beschl. v. 12.1.2012 – 8 W 31/11, MDR 2012, 455; OLG München, Beschl. v. 9.7.2001 – 5 W 1857/01, NZM 2001, 749; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303. 4 OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1986 – 3 W 139-140/86, JurBüro 1987, 596; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 m. Anm. Schneider; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800; LG Hamburg, Beschl. v. 11.9.1995 – 311 O 183/95, WuM 1996, 287; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8. 5 BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/81, NJW-RR 1992, 698 – zu § 8 ZPO. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589: Miete eines Blumenautomaten.

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pachtähnlichen Charakter haben, auch wenn sie nicht unmittelbar unter die §§ 535 ff., 581 ff. BGB fallen.1

2.3025 Hierzu zählen beispielhaft die Nutzung von Pachtland ohne Pachtvertrag,2 das mietähnlich ausgestaltete Dauerwohn- oder Nutzungsrecht gem. § 1093 BGB oder § 31 WEG,3 die Überlassung eines Siedlungsgrundstücks,4 der Werbenutzungsvertrag5 sowie die Vereinbarung einer entgeltlichen Nutzung vor Abschluss eines geplanten Kaufvertrages über ein bebautes Grundstück6 oder entgeltlicher Nutzung vor wirksamer Eigentumsübertragung nach Kauf einer Eigentumswohnung.7 Siehe dazu auch unter dem Stichwort „Herausgabe“, Rz. 2.2117.

2.3026 Auch ein Nießbrauchsrecht kann ein „ähnliches Nutzungsverhältnis“ i.S.d. § 41 GKG sein, etwa wenn es durch den schuldrechtlichen Bestellungsvertrag mietähnlich ausgestaltet ist. Daher ist der Jahresbetrag für die Wertbestimmung maßgebend, wenn beim Kauf eines bebauten Grundstücks dem Verkäufer ein dinglicher Nießbrauch am Grundstück eingeräumt wird und der Eigentümer nach dem Tode des Nießbrauchers, der die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten überlassen hatte, die Herausgabe verlangt.8 Doch ist das die Ausnahme. Grundsätzlich ist § 41 GKG auf den Nießbrauch unanwendbar.9 c) Sonstige Nutzungsverhältnisse

2.3027 Sonstige, das heißt gegenüber Miete und Pacht wesensverschiedene Nutzungsverhältnisse, werden von § 41 GKG nicht erfasst. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es an einer mietzinsähnlichen Gegenleistung fehlt. Hier ist der Streitwert vielmehr nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu bestimmen, soweit nicht aufgrund des konkreten Klagebegehrens besondere Wertvorschriften, etwa § 6 ZPO, einschlägig sind.

2.3028 Beispielhaft sind hier zu nennen, das in letztwilliger Verfügung angeordnete Wohnvermächtnis,10 das unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht aufgrund eines beabsichtigten Kaufvertrags und des damit in Aussicht genommenen Eigentumsverschaffungsanspruchs,11 das unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht aufgrund Ehe oder Lebensgemeinschaft12 sowie das unentgeltlich eingeräumte

1 BGH, Rpfleger 1959, 1 zu § 10 Abs. 1 GKG a.F. 2 KG, JurBüro 1966, 964. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550; OLG Frankfurt, NJW 1963, 1930; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 627. 5 BVerwG, Beschl. v. 14.10.1993 – 11 B 72/92, NVwZ-RR 1994, 420. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.1987 – 9 W 48/87, JurBüro 1988, 373. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.2011 – 5 W 45/11, NZM 2012, 53 – allerdings im konkreten Fall verneinend; OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, JurBüro 1996, 194: analog § 16 Abs. 2 GKG. 8 OLG Köln, Beschl. v. 11.4.1981 – 2 W 27/81, MDR 1981, 767 = AnwBl. 1981, 500. 9 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265. 10 KG, JurBüro 1962, 294. 11 OLG Celle, Beschl. v. 4.1.1996 – 4 W 269/95, OLGR 1996, 119; OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.3.2004 – 9 W 1014/04, MDR 2004, 966 = AGS 2004, 344; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 20.7.1998 – 3 W 45/98, OLGR 1998, 424 – für Räumung nach Wandlung des Kaufvertrages; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.116: analog § 41 Abs. 2 GKG. 12 OLG Braunschweig, NZM 2008, 423; OLG Frankfurt, Beschl. 27.5.2009 – 19 W 28/09, AGS 2009, 499: fiktiver Jahresmietbetrag; OLG Naumburg OLGR Naumburg 2001, 13; ausf. N. Schneider, MDR 1999, 637; a.A. OLG Jena, Beschl. v. 16.7.1997 – 7 W 355/97, MDR 1998, 63; OLG Köln, Beschl. v. 25.1.1999 – 22 W 52/98, MDR 1999, 637.

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2. Teil

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Dauerwohnrecht.1 In all diesen Fällen fehlt es – neben einer periodischen Struktur des Nutzungsrechts2 – schon an einem „Entgelt“ i.S.d. § 41 GKG, das als Berechnungsgrundlage für die Wertbestimmung dienen könnte.3 Über den Maßstab, an dem sich in diesen Fällen die freie Schätzung gem. § 3 ZPO orientieren kann, 2.3029 besteht Uneinigkeit. Gegenüber der vom BGH bislang vertretenen Anlehnung an § 24 KostO4 (entspricht teilweise § 52 GNotKG) oder einer entsprechenden Anwendung von § 41 GKG5 erscheint es angemessener, beide Bewertungsanalogien zu kombinieren und je nach den Umständen des Einzelfalles den Jahreswert angemessen zu erhöhen. Dies zumindest dann, wenn nach der sozialen Schutzfunktion des § 41 GKG eine Begrenzung des Gebührenanfalls geboten ist. Allerdings bietet sich auch § 9 ZPO als Orientierung an.6 d) Gemischte Verträge Bei gemischten Verträgen ist ebenfalls maßgeblich darauf abzustellen, ob die entgeltliche Gebrauchsüberlassung das prägende Vertragsmerkmal ist, also der miet- oder pachtrechtliche Teil des Vertrages überwiegt. Dann kommt bereits eine Einordnung als ähnliches Nutzungsverhältnis in Betracht.

2.3030

Stehen hingegen andere Bestandteile im Vordergrund, etwa dienstvertragliche Elemente, scheidet eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG in der Regel aus. Hier ist jedoch wegen der sozialen Schutzfunktion des § 41 GKG die Abgrenzung nicht auf die materiell-rechtliche Bewertung des Vertragstyps zu beschränken,7 sondern den § 41 GKG auf den mietrechtlichen Vertragsteil anzuwenden, wenn allein dieser Gegenstand der Auseinandersetzung ist.8

2.3031

Wegen der Einordnung einzelner Vertragstypen wird auf die Erörterung bei dem Zuständigkeits- 2.3032 streitwert bei Rz. 2.2980 f. Bezug genommen. 3. Entgelt Das für die Wertberechnung zugrunde zu legende Nutzungsentgelt (früher: Zins) errechnet sich nach 2.3033 der vom Mieter, Pächter oder Nutzer für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Hierzu zählt zunächst das in Geld oder Naturalien zu leistende „Nettogrundentgelt“, zu dem weitere vertraglich vereinbarte Nebenleistungen hinzuzurechnen sind, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden, § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG. Die vorstehende Entgeltdefinition ist über den Verweis in § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG auch für die Bewertung der dort geregelten Räu-

1 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05; OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.2015 – 5 W 92/15 – mit Orientierung an § 52 GNotKG; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.7.2013 – 3 W 316/13, MDR 2013, 1069 = NJW-RR 2014, 197; OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.10.2007 – 8 W 81/07, AGS 2008, 299; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.9.2002 – 24 W 28/02, NZM 2002, 1046; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132: Schätzung nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung von § 41 GKG; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159. 2 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05. 3 OLG München, AnwBl. 1966, 231. 4 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05; BGH, Beschl. v. 23.9.1992 – XII ZR 33/92; OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.10.2007 – 8 W 81/07, AGS 2008, 2999; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477. 5 OLG Dresden, Beschl. 2.4.2003 – 11 W 408/03; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.10.2018 – 5 W 71/18 – Vorenthaltung eines dinglichen Wohnrechts; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.116. 6 So OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06. 7 So aber Gerold, Streitwert, S. 195 m.N. 8 Meyer, § 41 Rz. 5.

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mungsklage heranzuziehen.1 Zur Entgeltbestimmung beim Zuständigkeitsstreitwert gem. § 8 ZPO s. vorstehend unter Rz. 2.2998 ff.

2.3034 Maßgebend für die jeweilige Berechnung ist das – nach dem Klagevortrag – vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Betrag, der nach Auffassung einer Partei, etwa aufgrund einer Minderung, angemessen wäre oder ortsüblich ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein schriftlicher Miet-, Pacht- oder ähnlicher Nutzungsvertrag mit Regelungen über die Höhe des Nutzungsentgeltes besteht.2

2.3035 Ebenfalls zum Entgelt i.S.d. § 41 GKG gehört eine etwaig anfallende Mehrwertsteuer.3 2.3036 Das Klagevorbringen bleibt für die Ermittlung des vertraglich vereinbarten Nutzungsentgelts auch dann maßgeblich, wenn es nach der gerichtlichen Entscheidung von dem tatsächlich geschuldeten Nutzungsentgelt abweicht.4 Denn im Streitwertrecht gilt der Grundsatz, dass der Kläger mit seinem Angriff den Streitwert bestimmt und dieser Angriff durch seinen Klageantrag konkretisiert wird.5

2.3037 Die Gegenansicht6 ist weder praktikabel, noch führt sie durchweg zu tragfähigen Ergebnissen. Denn ein Abstellen auf das erst bei Beendigung des Rechtsstreits bekannte „tatsächlich“ geschuldete Nutzungsentgelt ermöglicht eine korrekte Streitwertfestsetzung frühestens nach Urteilserlass und nimmt dem Anwalt zudem die Grundlage für eine Gebührenberechnung bei einer ausschließlich außergerichtlichen Tätigkeit. Auch muss zwangsläufig auf die vom Vermieter verlangte Höhe abgestellt werden, wenn das Bestehen des Mietvertrages davon abhängt, ob die Angaben des Klägers zur Miethöhe zutreffen.7 Anderenfalls würde auch der Streitgegenstand verfehlt, weil z.B. ein Mangel über die Einigung der Miethöhe dem Zustandekommen eines Mietvertrages entgegenstehen kann (§ 155 BGB) oder weil der Vermieter ein Kündigungsrecht wegen Verzuges mit der Mietzahlung nur dann hat, wenn die von ihm behauptete Miethöhe zutrifft.

2.3038 Haben die Parteien ein umsatzbezogenes Nutzungsentgelt vereinbart, ist der maßgebliche Betrag gem. § 41 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen, wobei die Parteiangaben berücksichtigt werden können.8

2.3039 Im Falle der Untervermietung ist ein Zuschlag für den höheren Verwaltungsaufwand und die höhere Abnutzung hinzuzurechnen.9

1 KG, Beschl. v. 25.10.2004 – 8 W 75/04, ZMR 2005, 123; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, MDR 2006, 1079; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 2009, 46. 2 BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – VIII ZR 16/19, WuM 2020, 298; BGH, Beschl. v. 23.3.2016 – VIII ZB 26/16, AG Gießen v. 10.3.2016 – 48 C 2/16, WuM 2016, 304; BGH, Beschl. v. 11.2.2014 – VIII ZR 214/13, WuM 2014, 219; BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064; LG Itzehoe, WuM 1965, 211 – zum Einwand der wucherisch überhöhten Miete. 3 BGH, ZMR 2006, 190; KG, Beschl. v. 15.1.2007 – 12 W 5/07, ZMR 534; BGH, Beschl. v. 29.1.2005 – 8 W 20/05, GuT 2005, 179; OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2008 – 2 W 239/08, AGS 2009, 89; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7.2011 – 24 W 59/11, JurBüro 2011, 645; OLG Hamm, Beschl. v. 26.4.2018 – 18 W 11/18, JurBüro 2018, 716; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 209, 46; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, GuT 2008, 349. 4 Vgl. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 13; OLG Köln, JurBüro 1961, 561; LG Augsburg, AnwBl. 1966, 232; Gerold, Streitgegenstand, S. 204; Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, S. 23. 5 LG Wuppertal, Beschl. v. 14.2.1991 – 6 T 138/91, WuM 1993, 478. 6 LG Köln, Beschl. v. 26.7.1994 – 12 T 220/94, WuM 1994, 624; LG Mannheim, NJW 1961, 1266 Nr. 11; LG Mönchengladbach, WuM 1965, 19; LG München, WuM 1963, 47. 7 OLG Köln, JurBüro 1961, 561; hier auch Meyer, § 41 Rz. 19. 8 OLG München, Urt. v. 18.4.1997 – 21 U 6318/96, OLGR 1997, 181. 9 BGH, Beschl. v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648; BGH, Urt. v. 6.10.1959 – VIII ZR 96/59, NJW 1959, 2164; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 9.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.3040

Ein laufend zu entrichtender Betrag, der als Abgeltung für die Gestattung der Errichtung einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu bezahlen ist und sich nach einem Prozentsatz des steuerlichen Reingewinns errechnet, gilt für den Streitwert als Mietzins.6

2.3041

Nicht ansatzfähig bleiben weiterhin diejenigen Nebenleistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden, etwa Zahlungen aufgrund vom Vermieter erworbener Einrichtungsgegenstände. Auch Leistungen, die vom Mieter bzw. Pächter gegenüber einem Dritten abgerechnet werden, sind nicht hinzuzurechnen.7

2.3042

Für das Jahresentgelt ist weder allein das Nettogrundentgelt maßgeblich, noch sind generell sämtliche Neben- oder Betriebskosten hinzuzurechnen. Vielmehr sind Nebenkosten dann anzusetzen, wenn sie als Pauschale oder Teil einer Inklusivmiete vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.8

2.3043

Von einer Pauschale ist auszugehen, wenn die Höhe der Nebenkosten prozentual nach dem Nettogrundentgelt oder als Festbetrag vereinbart wird.9 Unerheblich ist hierbei, ob die Pauschale in monatlichen Teilbeträgen oder jährlich zu zahlen ist. Auch die Möglichkeit einer Anpassung der Pauschale für künftige Zeiträume steht einer Berücksichtigung nicht entgegen. Denn mit dem Erfordernis der pauschalen Berechnung wird nur dem Umstand Rechnung getragen, dass bei einer abrechnungspflichtigen Vorauszahlung vor einer endgültigen Abrechnung die Höhe der Nebenkosten nicht sicher bestimmt werden kann.10

2.3044

Bestimmt sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG nicht nach dem Nutzungsentgelt, sondern ist auf den Wert der Nutzung abzustellen, ist das im Verkehr erzielbare und damit objektive Nutzungsentgelt maßgebend.11 Dessen Höhe kann im Regelfall mit dem (nach dem Klagevortrag) vereinbarten

2.3045

1 BGH, Beschl. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204 = ZMR 1993, 325; BGHZ 18, 168; OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, MDR 1996, 859; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512. 2 BGH, Beschl. v. 17.11.1962 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293. 3 AG Bad Segeberg, Urt. v. 5.1.2012 – 17 C 31/11, Gemeindehaushalt 2012, 68 (Ls.). 4 BGH, Beschl. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204 = ZMR 1993, 325; a.A. LG Hannover, NJW 1954, 1614. 5 KG, JurBüro 1969, 537. 6 LG Wuppertal, MDR 1953, 499. 7 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 – Beschwer; BGH, Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.116. 8 BGH, Beschl. v. 30.10.2007 – VIII ZR 163/07, AGS 2008, 461. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 245. 10 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, NZM 1999, 794, der deshalb schon nach altem Recht die Berücksichtigung von Nebenkostenvorauszahlungen verneinte. 11 OLG Celle, JurBüro 1968, 251; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1424; Meyer, 6. Aufl., § 41 Rz. 18.

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ZPO

Zu den berücksichtigungsfähigen Nebenleistungen gehören, soweit die bereits genannten Voraussetzungen erfüllt sind, auch alle vertragsgemäß zu erbringenden Sonderleistungen des Mieters oder Pächters, etwa für die Unterhaltung und Instandsetzung der Mietsache, für Abgaben und sonstige öffentliche Lasten, aber auch Baukostenaufwand und Baukostenzuschüsse1 sowie die Verpflichtung des Jagdpächters, zum Ersatz der anfallenden Wildschäden einen Mindestbetrag als „weiteren Pachtzins“ zu zahlen,2 und die neben einer nur symbolischen Miete (1 Euro) vom Mieter übernommenen Nebenkosten.3 Ist deren Wert im Mietvertrag nicht beziffert, sondern nur mittelbar über einen deshalb reduzierten Mietzins berücksichtigt, bedarf es der Schätzung.4 Anders liegt es, wenn es dem Mieter gestattet ist, von ihm übernommene Ausbaukosten durch Aufrechnung mit der Miete zu verrechnen.5 Denn besteht keine Verpflichtung zur Vornahme der Maßnahmen, stehen Gebrauchsgewährung und Ausbauleistung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

Nutzungsentgelt gleichgesetzt werden1 und muss ansonsten – etwa unter Zuhilfenahme eines Mietspiegels – geschätzt oder durch Sachverständigenbeweis ermittelt werden.

2.3046 Soweit sich nach dem Inhalt des Mietvertrages, etwa aufgrund einer Staffelmietvereinbarung, innerhalb der streitigen Zeit der Höhe nach unterschiedliche Jahresbeträge ergeben, ist auf den höchsten Betrag und nicht auf den Durchschnittsbetrag innerhalb des streitigen Zeitraums abzustellen. Anderenfalls wäre nicht ausgeschlossen, dass sich der Streitwert trotz einer Verlängerung der streitigen Zeit aufgrund einer vereinbarten Verringerung der Miete absenkt.2

2.3047 Nach Klageerhebung eintretende Veränderungen des Mietvertrages, die auf die Höhe des Streitwertes Einfluss haben könnten, sind gem. § 4 ZPO, § 40 GKG streitwertrechtlich unbeachtlich, solange nicht auch der Klageantrag geändert wird.3 4. Streitige Zeit

2.3048 Die „streitige Zeit“ ist derjenige Zeitraum, für den hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien Uneinigkeit besteht. Abweichend zum Zuständigkeitsstreitwert ist hier nicht das Vorbringen in der Klageschrift maßgebend, sondern auf den tatsächlich, d.h. unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens, streitigen Zeitraum abzustellen. Fehlt es hierzu an Angaben der Parteien, dann bestimmt sich die „streitige Zeit“ nach dem Zeitraum zwischen Eingang der Klage und dem Zeitpunkt der nächstmöglichen (ordentlichen) Kündigung.4

2.3049 Ein Wert unterhalb des Jahresnutzungsentgelts ist daher anzusetzen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig ist, dem Beklagten jedoch an einer um drei Monate verlängerten Nutzungsmöglichkeit gelegen ist.5

2.3050 Ist dagegen wegen fehlender Räumung oder aufgrund Säumnis des Beklagten ungewiss, ob und wann er sich zur Räumung verpflichtet sieht, bleibt der Jahresbetrag wertbestimmend, unabhängig von der Möglichkeit einer früheren ordentlichen Kündigung.6 Dies gilt jedoch nicht, wenn nach dem Klagevorbringen auch der Beklagte das Nutzungsverhältnis gekündigt und eine Räumung zu dem aus seiner Sicht bestehenden Beendigungszeitpunkt mitgeteilt hat, im Prozess aber säumig geblieben ist. Hier reicht die bloß abstrakte Möglichkeit einer nicht fristgerechten Räumung für den Ansatz des Jahresbetrages nicht aus.7

2.3051 Zu beachten bleibt, dass bei der Räumungsklage der Streitwert unabhängig von der streitigen Zeit dem Wert der Nutzung für ein Jahr entspricht, wenn das Räumungsverlangen auch oder allein auf einem anderen Rechtsgrund beruht (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG) und sich der Beklagte – in letztgenannten Fall – mit einem angeblichen Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnis verteidigt (s. Rz. 2.2983).

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625. 2 BGH, Beschl. v. 30.10.2007 – VIII ZR 163/07, WuM 2008, 50 m. zust. Anm. Gies; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NZM 2005, 944; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 536; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 14; N. Schneider, NJW-Spezial 2008, 763. 3 LG Mannheim, ZMR 1970, 114. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2005 – 24 W 62/05, MDR 2006, 1079; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.7.2001 – 5 W 14/01, AGS 2002, 39; a.A. Meyer, § 41 Rz. 15: Jahresbetrag. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.7.2001 – 5 W 14/01, AGS 2002, 39; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 E 48/08. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, NZM 2000, 1228; OLG Köln, Beschl. v. 19.1.1990 – 2 W 10/90, JurBüro 1990, 323. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486.

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Mietstreitigkeiten

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2. Teil

2.3052

ZPO

Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert unter Rz. 2.2991 ff. verwiesen werden. 5. Erfasste Ansprüche a) Streit über Bestehen oder Dauer des Nutzungsverhältnisses Nach § 41 Abs. 1 GKG muss das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig sein. Ohne Bedeutung ist, ob der Streit Gegenstand einer Feststellungs-, Leistungs- oder Gestaltungsklage ist.1

2.3053

Ist das Klagebegehren auf positive Feststellung, etwa bzgl. des Bestandes eines Mietverhältnisses, gerichtet, erfolgt auch die Berechnung des Gebührenstreitwertes ohne den bei positiven Feststellungsklagen ansonsten gebotenen prozentualen Abschlag (s. hierzu unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481). Denn dahingehende Feststellungsbegehren gehören zum Regelfall der von § 41 Abs. 1 GKG erfassten Streitigkeiten, ihre Eigenart ist daher bereits in dessen Wertmaßstab berücksichtigt worden.2

2.3054

Erfasst werden Streitigkeiten betreffend den Fortbestand eines unstreitig entstandenen Mietverhältnisses über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus3 sowie über die Feststellung, ob und zu welchem frühestmöglichen Zeitpunkt das Nutzungsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann.4 Er gilt ferner für die Klage des Mieters gegen den Vermieter auf Gewährung des Mietgebrauchs5 und die Drittwiderspruchsklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss in der Zwangsversteigerung.6

2.3055

Entzieht der Vermieter dem Mieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht, ist die antragsgemäß auf Wiedereinräumung des Besitzes gerichtete einstweilige Verfügung gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach § 3 ZPO zu bewerten. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen.7 Denn die Besitzverschaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert speziellere Norm erfasst.

2.3056

Der Streitwert bestimmt sich hier nach dem einjährigen Nutzungsentgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist. Soweit § 41 Abs. 1 GKG begrifflich zugleich den Streit

2.3057

1 OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.2021 – 30 W 10/20: auch wenn Bestehen nur eine Vorfrage darstellt. 2 BGH, Beschl. v. 16.8.2017 – XII ZR 81/16, AGS 2018, 78; BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, AGS 2009, 183; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.8.2009 – 3 W 19/09, AG-Kompakt 2010, 27; OLG Brandenburg, Urt. v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190; OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2001 – 2 W 75/01; OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2008 – 2 U 26/08, NZM 2009, 334; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201; a.A. OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, AGS 2009, 187 unter fehlerhaftem Hinweis auf die Reichweite der Gebührenprivilegierung nach § 41 GKG. 3 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980 = JurBüro 2006, 369; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; KG, Rpfleger 1962. 4 OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1984 – 8 W 15/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 36 m. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, MDR 1967, 313. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.5.2007 – 3 W 17/07, GuT 2007, 310 – zugleich Gebrauchsüberlassung an den Pächter; OLG Celle, Beschl. v. 21.9.1988 – 2 W 66/88, KostRsp. GKG § 16 Nr. 58 m. Anm. Schneider = MDR 1989, 272; s. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225 = NJ 2008, 31 – Wiedereinräumung nach Störung des Besitzes durch Entziehung des vertragsmäßigen Gebrauchs. 6 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2002 – 19 W 35/02, InVo 2003, 206. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

um die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils (auch) aufgrund eines beendeten Nutzungsverhältnisses mitumfasst, greift § 41 Abs. 2 GKG als speziellere Norm ein.

2.3058 Da § 41 Abs. 1 GKG nicht das Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses voraussetzt, sondern nur den Streit darüber, kann für seine Anwendbarkeit nicht allein auf den Klagevortrag abgestellt werden.1 Es ist daher gleichgültig, ob der Kläger sein Klagebegehren auf die Vorschriften zur Leihe, Eigentum, Besitz usw. stützt, sofern nur der Beklagte mit seiner Einlassung ein Miet-, Pachtoder ähnliches Nutzungsverhältnis einwendet.2

2.3059 Dazu reicht es auch aus, dass der Beklagte sich auf ein durch letztwillige Verfügung begründetes schuldrechtliches Nutzungsrecht beruft3 oder sein bisheriges Nutzungsrecht auf einem (nunmehr gekündigten) Mietverhältnis zwischen seinem Ehepartner und dem klagenden Vermieter beruhte.4

2.3060 Bestand oder Fortdauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses sind auch dann streitig, wenn sich der Streit aus dem Vortrag des Klägers ergibt, der Beklagte jedoch auf die Klage nicht erwidert oder in der mündlichen Verhandlung säumig ist.5 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn nach dem Klagevorbringen der Beklagte einer fristlosen Kündigung nicht Folge leistet, die Mietsache weiter nutzt und sich damit ein dahingehendes Recht anmaßt, im Termin zur mündlichen Verhandlung aber nicht erscheint.6

2.3061 Die Geständnisfiktion in den § 138 Abs. 3, § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht hier der Anwendung des § 41 Abs. 1 GKG nicht entgegen.7 Vielmehr ist ein Streit i.S.d. § 41 GKG, sei es hinsichtlich des Nutzungsverhältnisses oder der noch verbleibenden Zeit, immer dann zu bejahen, wenn sich der Kläger durch Klageerhebung einen Titel verschaffen muss, wenn er also darlegt, dass der Beklagte nicht freiwillig zahlt oder herausgibt. Diese Lösung vermeidet die Belastung der Streitwertberechnung mit diffizilen Unterscheidungen danach, ob der Beklagte das tatsächliche Vorbringen des Klägers zugesteht (§ 138 Abs. 1 ZPO), nicht bestreitet (§ 138 Abs. 3 ZPO) oder säumig ist (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie macht zugleich einen Stufenstreitwert für die Zeit ab Klageeinreichung bis Einlassung des Beklagten entbehrlich.8

2.3062 Umgekehrt ist § 41 Abs. 1 GKG dann unanwendbar, wenn ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis besteht, die Parteien darüber aber nicht streiten. Gleiches gilt, wenn über dessen Beendigung kein Streit besteht.9 Demgegenüber ist der Streit über die rechtliche Einordnung eines – in seinem Bestand unstreitigen – Miet- oder Pachtverhältnisses nach § 41 Abs. 1 GKG zu bewerten, da der Streit über die Einordnung keinen höheren Wert haben kann als der Streit über seinen Bestand.10 1 BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1993 – 4 W 73/92, WuM 1995, 197; OLG Karlsruhe, NJW 1956, 310; OLG München, NJW 1953, 1399; a.A. noch OLG Oldenburg, NJW 1955, 956. 2 BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177 = NJW 1967, 2263; OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 624; OLG Köln, Beschl. v. 6.12.2002 – 11 W 80/02, GuT 2003, 64; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 20; Schneider, DGVZ 1986, 4. 3 KG, JurBüro 1978, 892. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906 = NZM 2004, 880; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 22. 6 Vgl. LG Passau, Beschl. v. 1.2.1994 – 1 O 407/93, KostRsp. GKG § 16 Nr. 28 m. Anm. E. Schneider. 7 Im Ergebnis ebenso: OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486. 8 Siehe zur Begründung und zu den prozessualen Unterscheidungen ausführlich: Schneider, Anm. zu LG Passau, KostRsp. GKG § 16 Nr. 28. 9 OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18, WM 2018, 1526 – Leasingvertrag. 10 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355 – Kleingartenpachtverhältnis.

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2. Teil

Daher gelten über § 48 Abs. 1 GKG die allgemeinen Wertvorschriften, wenn z.B. wegen fortlaufend unpünktlicher Entgeltzahlungen gem. § 259 ZPO eine Klage auf künftige Leistung wegen Besorgnis der Nichterfüllung erhoben wird,1 der Vermieter rückständigen oder zukünftigen Mietzins oder Nutzungsentschädigung beziffert einklagt,2 bei einem Mietverhältnis von unbestimmter Dauer auf Feststellung geklagt wird, dass der Mieter (keine) Miete schuldet3 oder zur Mietminderung (nicht) berechtigt ist.4 Ebenso liegt es, wenn über den Inhalt des Mietvertrages gestritten wird, ohne dass hiervon Bestand oder Dauer des Nutzungsverhältnisses betroffen ist,5 etwa die Berechtigung zur Nutzung der Mietsache in einer bestimmten Art und Weise,6 oder Löschung einer Grunddienstbarkeit verlangt wird, mit der die Gebrauchsgewährung aus einer Stellplatzanmietung gesichert wird.7 Dies gilt in gleicher Weise für die nach § 3 ZPO zu bewertenden Besitzstörungsklagen, wobei streitig ist, ob im Rahmen der Schätzung die Wertansätze des § 41 GKG zu berücksichtigen sind (s. hierzu unter den Stichwörtern „Besitz“, Rz. 2.739 und „Beseitigung“, Rz. 2.712).

2.3063

ZPO

Mietstreitigkeiten

b) Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils Wie bereits aus der eingangs dargestellten Systematik erkennbar, ist das Räumungsbegehren in drei 2.3064 Konstellationen anzutreffen: Die Räumung wird (1) wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses oder (2) auch aus einem anderen Rechtsgrund oder (3) nur aus einem anderen Rechtsgrund verlangt. Dabei kann im Einzelfall eine auf Teilflächen bezogene Betrachtungsweise geboten sein. Klagt der Eigentümer auf Herausgabe eines Grundstücks und verteidigt sich der Beklagte damit, einen Teil der Grundstücksfläche gemietet zu haben und die übrige nicht zu nutzen, dann muss für jede Teilfläche eine gesonderte Bewertung stattfinden.8

2.3065

Die beiden erstgenannten Fälle werden, soweit sie sich auf die Räumung von Grundstücken, Ge- 2.3066 bäuden und Gebäudeteilen beziehen, von § 41 Abs. 2 GKG unmittelbar erfasst. Hiernach bestimmt sich der Wert der wegen der Beendigung erhobenen Räumungsklage nach dem einjährigen Entgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist, § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG, während der Wert eines auch auf einen anderen Rechtsgrund gestützten Räumungsanspruchs ausnahmslos dem Wert der Nutzungen eines Jahres entspricht, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG. Der dem Kläger bei Fortsetzung 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.3.1980 – 22 W 1/80, MDR 1980, 761. 2 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101; BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 m. Anm. Schneider: § 6 ZPO; OLG Celle, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 32/14, MDR 2014, 568: (Nutzungsentschädigung) und KG, Beschl. v. 22.12.2005 – 12 W 46/05, MDR 2006, 958 – jeweils Bewertung nach § 3 ZPO, jedoch in „einfach gelagerten Fällen“ Begrenzung auf Jahresbetrag; OLG Bamberg, Urt. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.4.2016 – 8 W 62/15, NZM 2017, 475; weitergehend BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736, auch wenn zugleich Bestehen eines Mietverhältnisses streitig; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 315 – künftige Nutzungsentschädigung analog § 41 Abs. 5 GKG. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101: § 9 ZPO; abweichend OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34: Schätzung nach § 3 ZPO. 4 BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZB 43/15, MDR 2016, 1037; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NJW-RR 2006, 16; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZB 248/04, MDR 2005, 519; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 1135 – gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. 5 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101, NZM 2005, 519; OLG Koblenz, JurBüro 1977, 1132 = ZMR 1978, 64: § 3 ZPO. 6 BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 382/19, MDR 2020, 191: § 3 ZPO. 7 OLG München, Urt. v. 5.4.2000 – 3 U 5502/99, DWW 2000, 159: § 7 ZPO. 8 OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.6.2012 – 4 W 1065/12, MDR 2012, 1024: Streitwert entspricht dem Jahresbetrag des Nutzungsentgelts zzgl. des anteiligen Verkehrswertes.

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des Mietverhältnisses drohende wirtschaftliche Schaden bleibt unberücksichtigt.1 Unerheblich ist in beiden Fällen, ob Streit über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses besteht.

2.3067 Auch für die vom KG2 vorgenommene Abgrenzung in den Fällen, in denen ein Herausgabeanspruch sowohl unter schuldrechtlichen als auch unter dinglichen Gesichtspunkten geltend gemacht wird, wonach es auf den „inhaltlichen Kern des Streits“ ankomme, besteht schon nach dem Wortlaut von § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG („auch aus einem anderen Grund“) kein Bedarf. Insbesondere wäre es verfehlt, gem. § 48 GKG, § 6 ZPO auf den Wert der Sache (nur) deswegen abzustellen, weil die Eigentümerund Vermieterstellung des aus Eigentum und Mietvertrag vorgehenden Klägers in Abrede gestellt wird.

2.3068 Dabei gelangt § 41 Abs. 2 GKG auch dann zur Anwendung, wenn der Eigentümer nur vorübergehende Räumung zur Durchführung von Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlangt.3

2.3069 Wird das Räumungsverlangen hingegen allein auf einen anderen Rechtsgrund gestützt, ist zu unterscheiden:

2.3070 Ist unstreitig, dass ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis nicht besteht, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des genutzten Objekts.4 So liegt es beispielsweise, wenn allein gegen einen unselbständigen Mitbewohner, der keinen Mietvertrag hat, auf Räumung geklagt wird5 oder der Räumungskläger nicht Mietvertragspartei ist, sondern sein Herausgabeverlangen allein auf das ihm an der Sache zustehende Eigentumsrecht stützt.6

2.3071 Beruft sich der Beklagte jedoch gegenüber der allein auf einen anderen Rechtsgrund (z.B. Eigentum) gerichteten Klage auf Räumung von Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen einredeweise auf ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis oder auf einen Anspruch aus § 546 BGB,7 ist § 41 Abs. 2 GKG entsprechend anzuwenden. Das dürfte auch gelten, wenn ein Beklagter sein Besitzrecht auf ein von einem Streitgenossen, der sich seinerseits auf ein Mietverhältnis mit dem Kläger beruft, eingeräumtes Nutzungsrecht stützt.8 Denn unter Rechtsgrund ist im Sinne einer Mehrheit von Rechtsgründen neben dem der Klage, auch derjenige der Verteidigung zu verstehen, um dem sozialen Schutzgedanken des § 41 GKG Rechnung zu tragen.9 Dazu besteht jedoch kein Anlass, wenn der Einwand eines bestehenden Nutzungsverhältnisses dem (Räumungs- und) Herausgabebegehren schon aus rechtlichen Gründen nicht entgegen gehalten werden kann, wie etwa bei einem gem. § 863 BGB auf verbotene Eigenmacht gestützten Herausgabeverlangen.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137710, JurBüro 2012, 303. KG, Beschl. v. 7.1.2008 – 12 U 127/06, ZMR 2008, 448. KG, JurBüro 1978, 892; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1425; LG Mannheim, ZMR 1974, 275. KG, Beschl. v. 28.12.2017 – 12 W 48/17, AGS 2018, 134; LG Bayreuth, JurBüro 1978, 533; LG Kassel, Beschl. v. 9.3.1987 – 2 T 106/87, Rpfleger 1987, 425. H. Schneider, DGVZ 1986, 8; a.A. Rabl, DGVZ 1987, 41, der jedoch übersieht, dass § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG ein (streitiges) Mietverhältnis voraussetzt. LG Köln, Beschl. v. 23.10.1995 – 1 T 362/95, ZMR 1996, 268. OLG Koblenz, Beschl. v. 1.7.2013 – 3 W 316/13, MDR 2013, 1069 = NJW-RR 2014, 197; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2009 – 10 U 160/08, OLGR 2009, 341; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906. So OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2008 – 10 W 6/08, AGS 2008, 307; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 – Räumungsklage gegen Untermieter. BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177 = NJW 1967, 2263; OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625; OLG Celle, JurBüro 1968, 251; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1993 – 4 W 73/92, WuM 1995, 197; KG, Beschl. v. 13.5.1996 – 8 W 2606/96, OLGR 1996, 166; OLG Köln, Beschl. v. 6.12.2002 – 11 W 80/02, GuT 2003, 64; OLG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, ZMR 1997, 468; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130; Meyer, § 41 Rz. 13; a.A. noch LG Lübeck, JurBüro 1960, 219 für Räumungsklage allein aus § 985 BGB: § 6 ZPO. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024.

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Dass gegenüber dem Vertrag, der die Nutzung begründet hat, die Anfechtung erklärt worden ist, hat 2.3072 für die Wertbestimmung keine Bedeutung. Die Fiktion anfänglicher Nichtigkeit in § 142 Abs. 1 BGB kann nicht die Tatsache beseitigen, dass der Beklagte das zu räumende Objekt als vertraglich Nutzender übernommen hatte. Wirtschaftlich betrachtet geht es daher um die Beendigung des Nutzungsverhältnisses. Deshalb muss nach § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG und nicht nach § 6 ZPO bewertet werden.1 Die Gegenansicht, die nach § 6 ZPO bewertet, wenn sich die Täuschung begründenden Umstände und die Anfechtungserklärung aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben,2 vermag nicht zu überzeugen. Sie vermengt die Entscheidung des Rechtsstreits mit seiner streitwertrechtlichen Bewertung. Denn dass sich der Beklagte nach Ansicht des Gerichts zu Unrecht auf ein Nutzungsverhältnis beruft, vermag am „Streit“ über dessen Bestand nichts zu ändern. Der einjährige Mietzins bleibt gem. § 41 Abs. 2 GKG grundsätzlich auch dann wertbestimmend, wenn das Klagebegehren neben Räumung auch auf Beseitigung der von dem Mieter eingebrachten Gegenstände gerichtet ist, da sie Teil des geltend gemachten Rückgabeanspruchs ist. Auch die damit verbundenen Beseitigungskosten bleiben unberücksichtigt (§ 556 BGB).3 Dies gilt zumindest dann, wenn die Vollstreckung keinen gesonderten Titel voraussetzt. Anderenfalls ist ein daneben geltend gemachter Beseitigungsanspruch eigenständig zu bewerten und hinzuzurechnen.4

2.3073

Eine eigenständige und dann nach § 3 ZPO vorzunehmende Bewertung ist auch geboten, wenn bei un- 2.3074 streitiger Beendigung des Nutzungsverhältnisses nur über die Verpflichtung zur Beseitigung von Aufbauten gestritten wird, da es hier an einem Streit über Bestehen und Dauer bzw. einer streitigen Zeit fehlt.5 Siehe ausführlich nachfolgend unten „Abbruchkosten“, Rz. 2.3128. Erhebt der Beklagte, der sich gegenüber der Räumungsklage mit dem Einwand eines fortdauernden Mietverhältnisses verteidigt, Widerklage auf Feststellung der Dauer des Mietverhältnisses, dann betreffen Klage und Widerklage wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand. Eine Zusammenrechnung nach § 45 Abs. 1 GKG scheidet – wie bei dem Zusammentreffen von Räumungs- und Fortsetzungsverlangen (s. Rz. 2.3077) – aus.6

2.3075

c) Räumung von Wohnraum und Fortsetzung des Mietverhältnisses Der Mieter von Wohnraum kann dem Räumungsverlangen des Vermieters gem. §§ 574 ff. BGB wider- 2.3076 sprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses beanspruchen, wenn die Auflösung für ihn eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Hierbei handelt es sich nur um eine Einwendung des Beklagten, die für die Streitwertbemessung grundsätzlich unbeachtlich ist. Das gilt auch für Berechnung der Beschwer.7

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.4.1981 – 4 W 93/80, JurBüro 1981, 1047; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 25. 2 Gerold, Streitwert, S. 242 Rz. 7. 3 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2007 – 24 W 82/07, AGS 2008, 402; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, NZM 2000, 1228 – Aufgabe der bisherigen Rspr; im Ergebnis jetzt auch BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525 – Beschwer; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 25; offenlassend: BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7; a.A. wohl BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739; BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525 – jeweils ohne nähere Begründung. 5 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352: Kosten der Beseitigung. 6 BGH, Beschl. v. 1.3.2011 – VIII ZR 19/10, WuM 2011, 247; unzutr. daher OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303. 7 BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – VIII ZR 16/19, WuM 2020, 298.

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2.3077 Verfolgt der Mieter seinen Anspruch auf Fortsetzung dagegen neben dem Vermieter klageweise, ist eine demnach denkbare Addition der Werte des Räumungsverlangens (§ 41 Abs. 2 GKG) und des Fortsetzungsverlangens (§ 41 Abs. 1 GKG) nach § 41 Abs. 3 GKG ausgeschlossen. Hierfür ist unerheblich, in welcher prozessualen Form die Räumung des Wohnraumes und die Sozialklausel jeweils geltend gemacht werden.

2.3078 Wertbestimmend ist stets der Jahresbetrag des vereinbarten Mietzinses, auch wenn der Wert der Räumungsklage unterhalb des Jahresbetrags liegt, weil der auf die streitige Zeit entfallende Mietzins entsprechend niedriger ist (§ 41 Abs. 1 GKG). Denn einer Bezugnahme auf die streitige Zeit steht entgegen, dass der Mieter mit seinem Fortsetzungsantrag gerade diesen Zeitraum zu verlängern sucht. Damit wird aber (s. § 308a ZPO) eine Entscheidung über mehr als die nach der Klage streitige Zeit notwendig, mit der Folge, dass auch in diesem Fall der Jahresbeitrag anzusetzen ist.1 d) Erhöhung der Miete für Wohnraum

2.3079 Maßgebend für die Bewertung ist der Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses, bei einem kürzeren Zeitraum ist ein entsprechend niedriger Betrag wertbestimmend.2

2.3080 § 41 Abs. 5 GKG erfasst auch Ansprüche auf Erhöhung der Betriebskostenpauschale gem. § 560 BGB sowie auf Zahlung einer nach §§ 557a, 557b BGB geschuldeten Staffel- oder Indexmiete.3

2.3081 Die Mietdifferenz bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 40 GKG) geltenden und der nach dem Klageantrag verlangten Miete. Der Klageantrag ist auch dann maßgebend, wenn eine teilweise Zustimmung übersehen wurde.4

2.3082 Da sich die Regelung – als Spezialnorm zu § 41 Abs. 1 GKG – unmittelbar auf Klagen auf Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung (§§ 557 ff. BGB) bezieht, besteht kein Anlass für einen prozentualen Abschlag. Unabhängig davon handelt es sich bei der Mieterhöhungsklage nicht um eine Feststellungsklage, sondern um eine auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Leistungsklage. Wird die Klage auf mehrere, auch nachgeholte oder nachgebesserte Mieterhöhungsverlangen gestützt, bleibt der einfache Jahreswert maßgebend.5

2.3083 § 41 Abs. 5 GKG erfasst nach dem Willen des Gesetzgebers „gerichtliche Auseinandersetzungen um eine Mieterhöhung“6 und gilt daher nicht nur für Klagen auf Mieterhöhung,7 sondern auch für Klagen auf Feststellung von deren (Un)Wirksamkeit.8 Hingegen ist bei positiven Feststellungsklagen betreffend eine (künftig) erhöhte Miete ein Abschlag von 20 % der Erhöhungsdifferenz geboten.9 Bei

1 So zutreffend Lappe, Anm. zu LG Itzehoe, KostRsp. GKG § 16 Nr. 5; ebenso Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 28; a.A. LG Itzehoe, Beschl. v. 1.11.1976 – 1 T 102/76: nur Klagewert. 2 So schon vorher: OLG München, AnwBl. 1960, 205; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJWRR 1997, 652; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 34. 3 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.1989 – 6 T 14/89, WuM 1989, 435; LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435. 4 LG Wuppertal, Beschl. v. 14.2.1991 – 6 T 138/91, WuM 1993, 478. 5 LG Berlin, Beschl. v. 17.7.2012 – 63 T 109/12, NZM 2013, 233. 6 BT-Drucks. 15/1971, zu § 41 GKG, S. 154. 7 So aber N. Schneider, NJW-Spezial 2012, 347. 8 KG, Beschl. v. 16.7.2012 – 8 W 36712, JurBüro 2013, 252. 9 BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 – Beschwer; LG Hamburg, MDR 1978, 497; LG Berlin, Beschl. v. 24.9.1985 – 64 S 276/85, MDR 1986, 323.

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Mietstreitigkeiten

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2. Teil

Geht der Kläger dabei im Laufe eines Rechtsstreits hinsichtlich der bereits fällig gewordenen Miet- 2.3084 beträge von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so erhöht sich der Streitwert nur um den Differenzbetrag zwischen dem Feststellungswert und dem Leistungswert, also in der Regel um 20 %.3 Wird andererseits das Mietverhältnis vorzeitig beendet, dann ist dies wie eine Antragsänderung zu behandeln und für den Streitwert nur noch die wirkliche Dauer maßgebend, soweit noch Gerichtsoder Anwaltsgebühren ab Beendigung anfallen. Es müssen dann Stufenstreitwerte festgesetzt werden.4

2.3085

Unzutreffend ist es, auch den Wert einer Klage auf zukünftige Zahlung der Mietdifferenz nach 2.3086 § 41 Abs. 5 GKG auf den Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages zu begrenzen.5 Der Gebührenstreitwert richtet sich vielmehr gem. § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Mietdifferenz, denn der Anspruch auf (Zustimmung zur) Erhöhung der Miete ist mit dem Anspruch aus der Mieterhöhung nicht identisch. § 41 Abs. 5 GKG privilegiert gebührenrechtlich allein den Streit um die Mieterhöhung und nicht über die sich daraus ergebenden wiederkehrenden Verpflichtungen. Zur Frage der analogen Anwendung von § 41 Abs. 5 GKG auf Miet- oder Pachtzinserhöhung für Geschäftsräume6 s. unter dem Stichwort „Geschäftsräume“, Rz. 2.1750 ff.

2.3087

e) Beseitigung von Mängeln der Mietsache Schon bisher wurde der Streitwert des auf Mängelbeseitigung gerichteten Klagebegehrens überwiegend gem. §§ 3 und 9 ZPO nach einem Vielfachen des monatlichen Minderungsbetrages bemessen, da das klägerische Interesse auf Wiederherstellung des uneingeschränkten Nutzungswertes der gemieteten Räume gerichtet ist.

2.3088

So wurde neben dem 3,5-fachen Jahresbetrag7 der Ansatz des 3-fachen Jahresbetrags8 sowie des einfachen Jahresbetrags9 für geboten erachtet. Unzutreffend und zu Recht vereinzelt geblieben ist die Be-

2.3089

1 LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435; LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 m. Anm. Enders = AGS 1999, 74. 2 KG, Beschl. v. 25.9.2014 – 8 W 67/14, MDR 2014, 1309; KG, Beschl. v. 16.7.2012 – 8 W 36/12, MDR 2012, 1219 = NJW-RR 2013, 262. 3 LG Hildesheim, Nds.Rpfl. 1965, 137. 4 Vgl. dazu Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, § 23 VII. 5 So aber LG Bonn, Beschl. v. 1.7.2014 – 6 T 180/14, AGS 2014, 475; LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, AGS 1999, 74. 6 Ablehnend: KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193; OLG Hamburg, Beschl. v. 6.7.1990 – 4 W 45/90, MDR 1990, 1024 – es gelten die § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO. 7 So BGH, NZM 2003, 152; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975; KG, GE 2002, 930; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2000 – 24 W 63/00, MDR 2001, 354; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.6.1995 – 4 W 26/95, WuM 1995, 595; OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2000 – 7 W 9/00, OLGR 2001, 37; LG Berlin, MM 2001, 152; ZMR 1999, 556; GE 1996, 1549; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJW-RR 1997, 652; LG Hamburg, WuM 1999, 344; LG Paderborn, WuM 2002, 55. 8 So OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2000 – 22 W 4/00, OLGR 2001, 33; LG Aachen v. 7.3.1996 – 7 T 40/96, NJW-RR 1996, 777; LG Hamburg, Beschl. v. 5.12.1991 – 316 T 137/91, WuM 1992, 447; LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1985 – 16 T 16/84, MDR 1985, 1032; LG Stendal, Beschl. v. 5.11.1993 – 22 T 87/93, WuM 1994, 70. 9 So OLG Schleswig, SchlHA 1991, 202; LG Berlin, GE 2004, 81; WuM 2000, 313; LG Frankfurt/O., NZM 2000, 757; LG Hamburg, JurBüro 1994, 116; LG Hamburg, Beschl. v. 15.8.1991 – 311 S 26/91, MDR 1991, 1095; LG Itzehoe, WE 2004, 22; LG Köln, Beschl. v. 10.11.2000 – 12 T 289/00, WuM 2001, 345.

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der negativen Feststellungsklage verbleibt es beim vollen Streitwert nach § 41 Abs. 5 GKG.1 Dies gilt auch, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Mieterhöhung gerichtet ist.2

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

wertung nach Maßgabe der Beseitigungskosten.1 Hier wird übersehen, dass das Interesse an der Beseitigung der Gebrauchsbeeinträchtigung wertmäßig nicht den damit verbundenen Kosten entspricht (z.B. bei Ausfall der Heizanlage wegen verunreinigter Brennerdüse).

2.3090 Der Gesetzgeber hat diesen Ansatz in der GKG-Novelle vom 5.5.2004 in § 41 Abs. 5 GKG aufgegriffen, jedoch der Höhe nach auf den Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung begrenzt, soweit nicht wegen kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag anzusetzen ist. Die jeweils angemessene Mietminderung ist dabei unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags zu bemessen. Bemessungsgrundlage ist die Grundmiete mit allen Nebenkosten.2 Die Regelung gilt auch für Geschäftsräume.3

2.3091 Sind Mängel der Mietsache nur Ursache für eine Einstellung oder Reduzierung der Mietzahlungen, gelangt § 41 Abs. 5 GKG nicht zur Anwendung, wenn der Vermieter wegen der Mietminderung Klage auf zukünftige Mietzahlung erhebt. Hier bleibt gem. §§ 3, 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag wertbestimmend.4 Das gilt nach altem Recht in gleicher Weise, wenn der Mieter gegen den Vermieter auf Feststellung klagt, dass er wegen Mängeln der Mietsache zur Mietminderung berechtigt ist. Für eine Analogie ist mangels einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.5 Mit der Neufassung des § 41 Abs. 5 GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 hat der Gesetzgeber auch hier den Streitwert auf den Jahresbetrag einer angemessenen Minderung als Obergrenze bestimmt.

2.3092 Das gilt ebenfalls für die Klage des Mieters auf Zahlung eines Vorschusses für Kosten einer von ihm in Ausübung seines Selbsthilferechts beabsichtigten Mängelbeseitigung. Hier bemisst sich der Streitwert nach dem Zahlungsbetrag, da der Gesetzgeber mit § 41 Abs. 5 GKG keine allgemeine und damit auch sämtliche Zahlungsklagen erfassende Begrenzung einführen wollte. Zudem hat das Verlangen nach Aufwendungsersatz, sei es nun über eine Vorschuss- oder eine Schadensersatzklage, eine andere Zielrichtung (Ausgleich einer Vermögenseinbuße) als das Verlangen nach Wiederherstellung des Nutzungswertes.6 f) Modernisierung und Erhaltung der Mietsache

2.3093 Auch bei Klagen auf Duldung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen für Wohnraum (§§ 554, 555d BGB) und auch Geschäftsräume7 ist für den Wert auf den Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung (Modernisierung) bzw. Mietminderung (Erhaltung) abzustellen, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG. Hinsichtlich des möglichen Mieterhöhungs- bzw. Mietminderungsbetrages ist auf den klägerischen Vortrag abzustellen. 1 So aber LG Detmold, Beschl. v. 18.8.1995 – 2 T 215/95, WuM 1996, 50; LG Kiel, WuM 1995, 320; LG Siegen, WuM 1999, 48. 2 OLG München, Beschl. v. 24.9.2013 – 32 W 1760/13, MDR 2013, 1435. 3 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657 = ZMR 2006, 190; KG, Beschl. v. 26.8.2010 – 8 W 38/10, MDR 2010, 1493; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pachtverhältnis; OLG Rostock, Beschl. v. 20.11.2019 – 3 W 44/19, MDR 2019, 155; a.A. Binz/Dörndorfer, § 41 GKG Rz. 15. 4 BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – VIII ZR 115/19, WuM 2020, 30 – Beschwer; LG Berlin, Beschl. v. 1.10.2002 – 65 T 73/02, AGS 2003, 463. 5 BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZB 43/15, MDR 2016, 1037; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NJW-RR 2006, 16; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZB 248/04, MDR 2005, 519; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.2013 – 10 W 18/13, MDR 2014, 247; a.A. KG, Beschl. v. 5.7.2018 – 8 W 32/18, Grundeigentum 2018, 1151: Begrenzung des Wertes nach § 9 ZPO auf Jahresbetrag wegen binnen Jahresfrist zu erwartender Mängelbeseitigung; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 4 W 12/09, NJOZ 2010, 492. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 20.11.2019 – 3 W 44/19, MDR 2019, 155. 7 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657 = ZMR 2006, 190.

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Für den Jahresbetrag „einer möglichen Mieterhöhung“ ist nach Ansicht des LG Berlin nicht nur auf den Jahresbetrag der voraussichtlichen Erhöhung der Nettokaltmiete, sondern zusätzlich auch modernisierungsbedingten Erhöhung oder Neueinführung von Nebenkostenvorauszahlungen zu berücksichtigen.1

2.3094

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Mietstreitigkeiten

6. Sonstige Ansprüche Hierzu zählen weitere Ansprüche, die auf Abschluss eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsver- 2.3095 trags2 gerichtet sind, sowie Streitigkeiten über den Inhalt des Vertrages bzw. der sich daraus ergebenden Handlungs- und Unterlassungspflichten. Da hier Fehlen bzw. Bestand eines Vertragsverhältnisses unstreitig sind, ist § 41 Abs. 1 GKG bereits nach seinem Wortlaut nicht einschlägig. Der Streitwert ist daher gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu bemessen, soweit nicht eine Sondervorschrift (§§ 4 bis 8 ZPO) eingreift. Siehe hierzu nachfolgend unter „Vertragsabschluss“, Rz. 2.3327 ff. Beispielhaft seien genannt die Klage des Vermieters auf Unterlassung vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache, auf Vornahme einer Auszugsrenovierung, auf Zahlung von Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache oder von rückständigem oder zukünftigem Mietzins (oder Nutzungsentschädigung).3

2.3096

D. Rechtsmittel und Beschwer I. Allgemeines Mittlerweile besteht weitgehend Einigkeit, dass zur Ermittlung der Beschwer nicht auf die Wertberech- 2.3097 nung gem. § 41 GKG abgestellt werden kann. Die dort aus sozialpolitischen Erwägungen intendierte Gebührenabsenkung findet im Bereich der Rechtsmittelfähigkeit einer Entscheidung keine Entsprechung.4 Zur Anwendung gelangen daher über § 2 ZPO die Wertvorschriften der §§ 3 ff. ZPO, wobei im Einzelfall die Bemessungsmaßstäbe des § 41 GKG Berücksichtigung finden können. In der Berufungspraxis wird das unterschiedliche Bewertungssystem für Rechtsmittelzulässigkeit und Gebührenberechnung häufiger nicht beachtet5 und erzwingt damit Entscheidungen des BVerfG,6 wonach die Anwendung des § 41 GKG an Stelle § 8 ZPO (hier bei befristeten Pachtverträgen) dem Willkürverbot zuwiderläuft.7 Ähnlich fehlerhaft ist es, auf die Berechnung der Berufungsbeschwer § 5 ZPO anzuwenden und die Werte von Klage und Widerklage nicht zu addieren (s. dazu das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197).

1 LG Berlin, Beschl. v. 28.6.2018 – 67 S 373/15, ZMR 2018, 940. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195: Wert nicht die für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern Begrenzung nach § 9 ZPO ohne Nebenkostenvorauszahlungen. 3 BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZB 43/15, MDR 2016, 1037; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NJW-RR 2006, 16; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZB 248/04, MDR 2005, 519; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.9.2014 – 2 W 61/14; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.2013 – 10 W 18/13, MDR 2014, 247; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 1135 – gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. 4 BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.1.1996 – 1 BvR 1181/95, NJWE-MietR 1996, 54; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207. 5 Lappe, NJW 1984, 1212; 1985, 1875; unzutreffend beispielsweise LG Saarbrücken v. 7.6.1996 – 13 BS 13/96, WuM 1996, 468: Beschwer der Räumungsklage gem. § 16 Abs. 1 GKG a.F. 6 Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 15.1.1996 – 1 BvR 1181/95, NJWE-MietR 1996, 54. 7 Ebenso BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931.

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2.3099 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wert der Beschwer auch maßgeblich ist für den Gebührenstreitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde, § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG.1

II. Bestehen und Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses 2.3100 Erkennt das Gericht über einen Streit betreffend den Bestand oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses, wozu auch die Herausgabe- und Räumungsklage nach vorangegangener Kündigung gehört, dann bestimmt sich die Beschwer nach § 8 ZPO.2 Hiernach entspricht der Wert der für die gesamte streitige Zeit noch zu zahlenden Pacht bzw. Miete und nach dem 25-fachen Jahresbetrag, wenn dieser Betrag geringer ist. Das gilt auch dann, wenn der Beklagte sich gegenüber einem dinglichen Herausgabeanspruch mit der Berufung auf ein angebliches Mietverhältnis verteidigt.3 Betriebskostenvorauszahlungen erhöhen den Beschwerdewert nicht, da sie kein Entgelt für die Gebrauchsüberlassung darstellen. Wird eine Betriebskostenpauschale vereinbart, dann ist diese – entsprechend der Entgeltbestimmung in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG – hinzuzurechnen, selbst wenn der Pauschalbetrag nicht ununterscheidbar in der Miete aufgegangen ist.4

2.3101 Infolge einer Räumung nutzlose Investitionen oder die Kosten einer Ersatzbeschaffung bleiben bei der Ermittlung der Beschwer des zur Räumung verurteilten Mieters unberücksichtigt.5 Das gilt in gleicher Weise für den mit der Erfüllung der Räumungspflicht verbundenen Kostenaufwand6 oder den Verlust von mit dem Mietvertrag über die Nutzung des streitigen Grundstücks hinaus an weiteren Grundstücken eingeräumten Gebrauchsrechten.7

2.3102 Wie bereits ausgeführt, ist § 8 ZPO auf Streitigkeiten betreffend Nutzungsverhältnisse, die der Miete oder Pacht nur ähnlich oder von ihnen wesensverschieden (sonstige) sind, nicht anwendbar.8

2.3103 Soweit für die Ermittlung der Beschwer auf die streitige Zeit abzustellen ist, bleibt für deren Beginn die Einreichung der Klageschrift maßgebend, nicht etwa die Einlegung des Rechtsmittels. Denn § 8 ZPO stellt auf die „gesamte streitige Zeit“ ab und verdrängt insoweit als Sondernorm § 4 ZPO.9

2.3104 Wird der Räumungsklage stattgegeben, bestimmt sich die „streitige Zeit“ vom Tag der Erhebung der Räumungsklage bis zum Endzeitpunkt des Mietvertrages, den der Mieter als den für ihn günstigsten in Anspruch nimmt. Handelt es sich um ein Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer und lässt sich deshalb die „streitige Zeit“ nicht bestimmen, berechnet sich die Beschwer gem. §§ 8, 9 ZPO nach dem 3 1/2 fa1 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101. 2 BGH, Beschl. v. 23.1.2019 – XII ZR 95/17, AGS 2019, 410; BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, WuM 2007, 328; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913; BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698 – jeweils auch zur Berechnung der „streitigen Zeit“; a.A. BGH, Beschl. v. 28.10.2020 – VIII ZR 383/18, JurBüro 2021, 145: gem. §§ 8, 9 ZPO 3,5facher Jahresbetrag der Nettomiete; ebenso BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZR 291/15, NZM 2016, 760. 3 BGH, Beschl. v. 3.4.2014 – V ZR 185/13, WuM 2014, 353. 4 Offenlassend BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277; zugleich einschränkend BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZR 291/15, NJW-RR 2016, 1235; BGH, Beschl. v. 8.12.2015 – VIII ZR 129/15, WuM 2016, 650: allenfalls für die „ununterscheidbar vereinbarte Pauschalmiete“. 5 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NZM 2000, 1227; BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7. 6 BGH, Beschl. v. 22.1.2013 – VIII ZR 104/12, AGS 2014, 67. 7 BGH, Beschl. v. 6.2.2018 – VIII ZR 273/17, WuM 2018, 221. 8 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124; BGH, Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91; BayObLG, Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27. 9 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428; MDR 1959, 1009; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.5.1991 – 8 U 83/90, JurBüro 1991, 1126; OLG Schleswig, Beschl. v. 8.3.1996 – 4 U 6/96, SchlHA 1996, 168; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 16.

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2. Teil

Wird die Räumungsklage auf eine fristlose Kündigung eines Vertrages mit bestimmter Dauer gestützt, kommt dem bestrittenen Vortrag des Beklagten, wonach das Mietverhältnis durch eine Ergänzungsvereinbarung um weitere 20 Jahre verlängert worden sei, nach Ansicht des BGH bei der Berechnung der für die Beschwer maßgeblichen „streitigen Zeit“ keine Bedeutung zu.3 Der Entscheidung ist nicht zuzustimmen. Der BGH begründet seine Bewertung damit, dass Gegenstand des Rechtsstreits allein die Frage gewesen sei, „ob der Kläger fristlos kündigen und eine Räumung schon vor dem im Mietvertrag vorgesehenen Zeitpunkt verlangen konnte“. Eine Klärung der streitigen Vertragsverlängerung hätte der Beklagte allein über eine Feststellungswiderklage erreichen können. Entscheidend dürfte jedoch sein, ob für die Bestimmung der streitigen Zeit allein auf den Klagevortrag abzustellen ist. Wird dies bejaht, kommt es auf die allein von dem Beklagten behauptete Vertragsergänzung nicht an. Wird hingegen der Streit über die ohne Kündigung noch verbleibende Vertragslaufzeit auch unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens ermittelt, ist auf das Ende der behaupteten Vertragsverlängerung abzustellen. Denn die behauptete Vertragsverlängerung ist als Änderungsvereinbarung Bestandteil des (einen) Mietvertrages. Nur die letztere Bewertung erfasst auch die Beschwer des Beklagten zutreffend, denn mit einer rechtskräftigen Räumungsverpflichtung bleibt für die vom BGH angesprochene Feststellungsklage kein Raum, da eine wirksame Kündigung das Vertragsverhältnis unabhängig seiner beabsichtigten Dauer beendet.

2.3105

Nach Ansicht des BGH erfolgt auch bei Erfüllungsansprüchen, beispielsweise auf Überlassung der 2.3106 Mietsache, die Berechnung der Beschwer nach § 8 ZPO, sofern mit der vom Kläger erstrebten Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.4 Dies gelte jedoch nicht für Klagen auf (Mietzins-)Zahlung, selbst wenn letztlich nur über den (Fort-)Bestand des zugrunde liegenden Nutzungsverhältnisses gestritten wird. Insbesondere erhöhe sich die Beschwer nicht dadurch, dass in der angefochtenen Entscheidung die Wirksamkeit einer Kündigung verneint (oder bejaht) wird, da die Entscheidung hierüber nicht in Rechtskraft erwachse.5 Für die Einzelheiten der Wertberechnung nach § 8 ZPO wird auf die Ausführungen beim Zuständigkeitsstreitwert unter Rz. 2.2988 ff. verwiesen.

2.3107

Für den Gebührenstreitwert im Rechtsmittelverfahren bleibt der einjährige Mietzins gem. § 41 Abs. 2 GKG auch dann wertbestimmend, wenn der Kläger von der erstinstanzlich auf vollständige Räumung gerichteten Klage im Rechtsmittelverfahren nur noch einzelne Beseitigungsansprüche verfolgt, die zuvor Gegenstand des umfassenden Räumungsbegehrens (§ 556 BGB) waren.6

2.3108

III. Mieterhöhung Die Beschwer einer stattgebenden oder abweisenden Entscheidung über eine Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung bestimmt sich nach §§ 3 ff. ZPO und nicht nach § 41 Abs. 5 GKG. Hierüber besteht weitgehend Einigkeit.

1 BGH, Beschl. v. 23.1.2019 – XII ZR 95/17, AGS 2019, 410; BGH, Beschl. v. 3.11.2015 – VIII ZR 108/15, WuM 2016, 43; BGH, Beschl. v. 3.4.2014 – V ZR 185/13, WuM 2014, 353. 2 BGH, Beschl. v. 10.8.1999 – XII ZR 69/99, NZM 1999, 1048. 3 BGH, Beschl. v. 5.7.1995 – XII ZR 30/95, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 5. 4 BGH, Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 1227. 5 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736. 6 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530.

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2.3109

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chen Jahreswert der Nettomiete.1 Beruft er sich auf einen Ausschluss der Kündigung durch den Vermieter, läuft die „streitige Zeit“ bis zur erstmöglichen Kündigung nach Ablauf von 30 Jahren.2

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2.3110 Dieselben Bewertungsgrundsätze gelten für Klagen, die nach einer Mieterhöhungserklärung auf Feststellung einer zukünftig erhöhten Grundmiete gerichtet sind, ohne dass ein prozentualer Abschlag geboten wäre.1

2.3111 Nach Ansicht des BGH2 fallen beide Klagen als Klagen auf künftig wiederkehrende Leistungen unter § 9 ZPO. Einer davon abweichenden Bewertung nach § 3 ZPO stehe entgegen, dass § 9 ZPO als Sondervorschrift Vorrang habe. Maßgebend sei daher der 42-fache Mietdifferenzbetrag. Soweit die Klage nur auf positive Feststellung gerichtet ist, sei ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.

2.3112 Demgegenüber wird von den Instanzgerichten für die Ermittlung der Beschwer überwiegend gem. § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Vermieters bzw. des von der Mieterhöhung betroffenen Mieters abgestellt. Hierbei wird sehr unterschiedlich geschätzt, wobei im Wesentlichen auf eine Jahresdifferenz,3 auf einen Differenzbetrag von 15 Monaten4 oder auf den dreijährigen Erhöhungsbetrag abgestellt wird.5 Demgegenüber wird nur vereinzelt der fünfjährige Erhöhungsbetrag6 oder der Differenzbetrag der Restdauer des Mietverhältnisses7 in Ansatz gebracht.

2.3113 Der erstgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Maßgebend ist gem. § 9 ZPO der 3,5-fache Jahresdifferenzbetrag, denn mit der Höhe des Mietzinses ist das Stammrecht selbst und sind nicht nur einzelne (Teil-)Leistungen Streitgegenstand. Soziale Erwägungen stehen dem nicht entgegen, da von ihnen bereits die Streitwert- und damit auch Gebührenermäßigung in § 41 GKG getragen wird. Die §§ 3 ff. ZPO tragen vielmehr dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelfähigkeit erstinstanzlicher Entscheidungen Rechnung.8 Ohnehin liegt das wirtschaftliche Interesse der Parteien regelmäßig über dem Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, da die Mieterhöhung nicht lediglich für ein Jahr begehrt wird.9

2.3114 Der vorstehenden Bewertung widerspricht auch nicht, dass der Inhalt des Mietverhältnisses gem. § 558 Abs. 1 BGB nur für 15 Monate festgeschrieben wird und danach erneute Erhöhung möglich ist.10 Denn die Möglichkeit einer erneuten Mieterhöhung sagt nichts über den Umfang der Beschwer der bisherigen Erhöhung aus, da diese „unter“ dem Erhöhungsbetrag des nachfolgenden Mieterhöhungsverlangens fortwirkt. Jedenfalls missachtet eine generelle Bemessung der Beschwer nach dem Jahresbetrag entsprechend § 41 Abs. 5 GKG den in § 2 ZPO und § 48 Abs. 1 GKG niedergelegten Vorrang des Prozesswertes.

1 LG Köln, Beschl. v. 5.9.1997 – 10 S 220/97, WuM 1997, 688. 2 BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – VIII ZB 4/16, WuM 2016, 510; BGH, Beschl. v. 8.4.2014 – VIII ZB 30/13; BGH, Beschl. v. 28.11.2006 – VIII ZB 9/06, ZMR 2007, 107; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = ZMR 2000, 665. 3 LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 2.5.1990 – 1 S 38/90, MDR 1990, 833; LG Berlin, Urt. v. 17.10.1985 – 61 S 65/85, MDR 1986, 323; LG Darmstadt, NJW-RR 1997, 755; LG Hannover, Beschl. v. 13.5.1994 – 8 S 148/94, MDR 1994, 1148; LG Köln, WuM 1995, 122; LG Münster, Urt. v. 1.12.1983 – 8 S 317/83, JurBüro 1984, 453; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.5.1992 – 7 S 1884/92, WuM 1992, 636; LG Regensburg, Beschl. v. 19.11.1991 – S 347/91, WuM 1992, 145; LG Saarbrücken, ZMR 1998, 232. 4 LG Köln, WuM 1998, 297; LG Bremen, WuM 1997, 334. 5 LG Arnsberg, Urt. v. 3.3.1992 – 5 S 253/91, WuM 1992, 625; LG Berlin, GE 1996, 57; LG Bonn, WuM 1985, 129; LG Gießen, Urt. v. 1.12.1993 – 1 S 203/93, WuM 1994, 27; LG Hamburg, Urt. v. 19.9.1991 – 307 S 44/91, WuM 1993, 134; LG Lübeck, Beschl. v. 25.10.1983 – 6 S 296/83, MDR 1984, 237; LG Mannheim, WuM 1985, 128; LG Stuttgart, Urt. v. 1.8.1991 – 6 S 255/91, WuM 1992, 24. 6 LG Hagen, Beschl. v. 30.5.1986 – 10 S 342/86, ZMR 1987, 97. 7 LG Berlin, Urt. v. 8.4.1985 – 61 S 247/84, MDR 1985, 1034, differenz. LG Wiesbaden, Urt. v. 26.10.1992 – 1 S 525/91, WuM 1993, 470 – Begrenzung auf 36-fachen Monatsbetrag. 8 BGH, Beschl. v. 12.5.2004 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207; BVerfG, Beschl. v. 30.1.1996 – 1 BvR 2338/95, WuM 1996, 312. 9 Siehe auch LG Berlin, Urt. v. 8.4.1985 – 61 S 247/84, MDR 1985, 1034. 10 So aber LG Bremen, Beschl. v. 16.4.1997 – 2 S 127/97, WuM 1997, 334.

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2. Teil

2.3115

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Bei der Ermittlung des Mieterhöhungsbetrages bleiben frühere Mieterhöhungen als Bestandteil des Ausgangsmietzinses außer Betracht.1

IV. Mängelbeseitigung, Instandsetzung, Modernisierung Erkennt das Gericht über einen Streit betreffend die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung oder In- 2.3116 standsetzung bzw. zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, dann bestimmt sich die Beschwer nach §§ 3, 9 ZPO. Gleiches gilt für die Bewertung eines Streits über die Berechtigung zur Mietminderung. Sie entspricht dem 42-fachen des monatlichen Minderungsbetrages2 bzw. des zu erwartenden Mieterhöhungsbetrages.3 § 41 Abs. 5 GKG, wonach für den Gebührenstreitwert der Jahresbetrag wertbestimmend ist, findet keine Anwendung. Auf die Kosten der Mängelbeseitigung kommt es auch im Falle einer Verurteilung des Vermieters nicht an.4

V. Sonstige Ansprüche Ansprüche auf Zahlung eines bestimmten Betrages bemessen sich hinsichtlich der Beschwer immer nach dem Zahlbetrag, auch wenn inzident das Bestehen des Mietverhältnisses überprüft wird. Denn die Ausführungen zum Bestehen erwachsen als bloße Vorfrage nicht in Rechtskraft.5

2.3117

Demgegenüber bemisst sich die Beschwer aus der Abweisung eines Erfüllungsanspruchs, beispielswei- 2.3118 se auf Überlassung der Mietsache, nach § 8 ZPO, wenn durch die mit der Klage erstrebte Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.6 Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu den Einzelfällen in der Rechtsprechung (RechtsprechungsABC) Rz. 2.3127 ff. Bezug genommen.

2.3119

E. Vergleich I. Allgemeines Für die Berechnung des Vergleichswertes gibt es keine besonderen mietrechtlichen Vorschriften. Da- 2.3120 her ist auf den Anspruch oder das Recht abzustellen, der bzw. das Gegenstand des Vergleichs ist. Deren Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 39 ff. GKG und §§ 3 ff. ZPO). Dabei sind den Streitwert ermäßigende Sondervorschriften, beispielsweise §§ 41 oder 42 GKG, immer zu beachten.7

1 Nur insoweit zutr. LG Saarbrücken, Urt. v. 20.2.1998 – 13 B S 283/97, WuM 1998, 234. 2 BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – VIII ZR 115/19, WuM 2020, 300; BGH, Beschl. v. 18.2.2004 – VIII ZB 84/03, WuM 2004, 220; BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – VIII ZB 33/02, NZM 2003, 152; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2000 – 24 W 63/00, MDR 2001, 354; OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2000 – 7 W 9/00, OLGR 2001, 37; a.A. LG Berlin, Beschl. 28.9.1999 – 63 S 334/99, GE 1999, 1429: Jahresbetrag. 3 BGH, Beschl. v. 7.1.2019 – VIII ZR 112/18, AGS 2019, 112; BGH, Beschl. v. 20.11.2018 – VIII ZR 112/18, WuM 2019, 44. 4 BGH, Beschl. v. 7.4.2020 – VIII ZR 383/18, WuM 2020, 299. 5 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736. 6 BGH, Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 127. 7 OLG Köln, MDR 1971, 854; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177.

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2.3121 Der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung bestimmt sich danach, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist demgegenüber, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt.1 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.

II. Räumung 2.3122 Vergleichen sich die Parteien in einem Rechtsstreit über den Bestand oder Fortdauer eines Mietoder Pachtverhältnisses dahingehend, dass sich der Mieter (bzw. Pächter) gegen eine Ausgleichszahlung zur vorzeitigen Räumung des Miet- oder Pachtobjekts verpflichtet, bleibt für den Streitwert unabhängig von der Ausgleichszahlung der einjährige Betrag des Nutzungsentgelts maßgeblich, § 41 GKG, da sich der Vergleichswert allein nach dem Wert der verglichenen Ansprüche bestimmt.2

2.3123 Eine Werterhöhung ist jedoch zu bejahen, wenn mit einer vergleichsweise vereinbarten Umzugsbeihilfe angebliche Schadensersatzansprüche des Mieters wegen möglicherweise unberechtigter Eigenbedarfskündigung erledigt werden3 oder diese mit einem Verzicht auf eine eingeräumte Räumungsfrist verbunden ist.4

2.3124 Erledigt sich ein Rechtsstreit, in dem der Beklagte nach § 574 BGB der Kündigung widersprochen hatte, durch einen Vergleich, wonach die Parteien das Mietverhältnis unter geänderten Bedingungen fortsetzen, dann liegt darin nicht der Abschluss eines neuen Mietvertrages. Der Wert dieses Vergleichs richtet sich nach § 41 Abs. 1 GKG, wobei der vereinbarte höchste zulässige Mietzins zugrunde zu legen ist;5 dass der Vergleich unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde, ist für die Festsetzung ohne Bedeutung.6

2.3125 Ebenfalls nach § 41 Abs. 1 GKG (und nicht gem. § 9 ZPO) ist zu bewerten, wenn die Parteien neben den streitgegenständlichen Zahlungsansprüchen das außergerichtlich streitige Mietverhältnis durch Beendigung des alten und Begründung eines neuen Mietverhältnisses regeln.7

1 BGH, NJW 1964, 1523; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, JurBüro 2008, 594 = AGS 2008, 462; OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 423; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.8.1986 – 2 WF 138/86, FamRZ 1987, 184; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476; OLG München, Beschl. v. 22.2.2000 – 14 W 333/99, JurBüro 2001, 141; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.1990 – 9 W 136/90, JurBüro 1991, 584; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 4. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 17.5.2011 – 7 W 13/11, NZM 2012, 535; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, AGS 2009, 496; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, JurBüro 2008, 651; OLG Köln, WuM 71, 136; LG München, Beschl. v. 27.1.2012 – 14 T 1431/12, AGS 2012, 144: jeweils Umzugskostenbeihilfe; unzutr. daher OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303, das die Problematik erkennend auf ein entsprechendes Titulierungsinteresse abstellt und dabei verkennt, dass davon nur vor Vergleichsschluss entstandene Ansprüche erfasst werden. 3 LG Köln, BRAGOreport 2001, 108; LG Köln, AnwBl. 1998, 212; unklar KG, AGS 2005, 354. 4 AG Köln, Beschl. v. 14.8.2002 – 210 C 200/02, AGS 2003, 35; bestätigend LG Köln, Beschl. v. 20.8.2002 – 10 T 164/02, AGS 2003, 35 m. Anm. N. Schneider; AG Augsburg, Beschl. v. 25.5.2001 – 24 C 803/01, WuM 2001, 413. 5 LG Kassel, AnwBl. 1966, 232; vgl. auch LG Limburg, Beschl. v. 10.1.2007 – 3 T 95/06, ZMR 2007, 700. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.2.1992 – 10 W 11/92, JurBüro 1992, 351. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, JurBüro 2008, 594.

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Verpflichtet sich der Beklagte in einem Vergleich, mit dem eine auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage einvernehmlich geregelt wird, für den bis zum Vergleichsschluss verstrichenen Zeitraum (im Hinblick auf die erhöhte Miete) aufgelaufenen Mietzinsrückstand zu zahlen, dann bestimmt sich der Mehrwert des Vergleichs nach dem für diesen Zeitraum streitigen Erhöhungsbetrag.1

F. Rechtsprechungs-ABC Stichwortübersicht Abbruchkosten (Räumungsaufwand) . . . . . 2.3127 Abgeleiteter Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3139 Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.340 Abschluss s. Vertragsschluss Allgemeine Geschäftsbedingungen (Verbandsklage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3142 Anspruchshäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3143 Art und Weise der Nutzung . . . . . . . . . . . . 2.3144 Aufbaukosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3145 Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3146 Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3149 Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3150 Beheizung (Heizung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.351 Berechtigung aus dem Vertrag . . . . . . . . . . 2.3155 Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3156 Besichtigung (Zutritt) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3160 Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3166 Besitzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3168 Betriebskosten s. Nebenkosten Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3173 Beweisverfahren s Selbständiges Beweisverfahren Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3175 Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3176 Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3187 Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3192 Energie- und Wasserversorgung . . . . . . . . . 2.3193 Erbbauzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3195 Erhaltung s. Modernisierung Ersatzmieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3177, 2.3196 Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3198 Hausordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3206 Hausteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3207 Heizkosten s. Nebenkosten Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3209 Instandsetzung (Mängelbeseitigung) . . . . . 2.3210 Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3214 Jagdpachtvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3215 Kaufanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3217 Kaution s. Mietsicherheit Kellerräumlichkeiten (Nebenräume) . . . . . 2.3219

Kleingarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrentenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . Künftige Mietzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Künftige Nutzungsentschädigung . . . . . . . . Mängelbeseitigung s. Instandsetzung Medien (Rundfunk, Fernsehen, Telefon) . . . Mietausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietbürgschaft s. Mietsicherheit Mieterschutzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietsicherheit (Bürgschaft, Kaution) . . . . . Mietzins s. Miete Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musterprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenkosten (Betriebskosten) . . . . . . . . . . Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parabolantenne (Medien) . . . . . . . . . . . . . . Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückständige Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . Siedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tauschvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbandsklage (AGB) . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3222 2.3223 2.3224 2.3231 2.3233 2.3237 2.3241 2.3242 2.3243 2.3253 2.3255 2.3263 2.3269 2.3270 2.3271 2.3279 2.3282 2.3283 2.3284 2.3285 2.3286 2.3288 2.3289 2.3293 2.3294 2.3297 2.3301 2.3304 2.3305 2.3306 2.3307 2.3308 2.3310 2.3311 2.3314 2.3316 2.3322 2.3326

1 OLG Dresden, Beschl. v. 18.7.2006 – 10 W 816/06.

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III. Mieterhöhung

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2. Teil

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Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3327 Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3330 Vorauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3332 Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3333 Vorvertrag s. Vertragsabschluss Wegnahme von Einrichtungen . . . . . . . . . . . 2.3336 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3338

Winterdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zins s Mietzins Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3340 2.3341 2.3348 2.3349 2.3351 2.3354

Abbruchkosten (Räumungsaufwand)

2.3127 Hat der Beklagte ein von ihm genutztes Grundstück mit Bepflanzungen, Einrichtungen oder Gegenständen versehen, stellt sich mit Beendigung der Nutzung die Frage nach deren Verbleib. Zugleich ist zu beantworten, ob ein mit der Beseitigung verbundener Aufwand Streitwert und Beschwer bei einer Räumungsklage beeinflussen. Hier ist wie folgt zu unterscheiden:

2.3128 (1) Ist das Klagebegehren allein auf Entfernung von Einrichtungen gerichtet, bestimmt sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das klägerische Interesse an der Beseitigung, für dessen Bewertung allenfalls mangels weiterer Anhaltspunkte auch die Kosten der Entfernung herangezogen werden können.1 Ebenso liegt es im Übrigen, wenn vom Mieter oder Pächter Klage auf Feststellung erhoben wird, dass eine Verpflichtung zur Beseitigung nicht besteht. Hier ist der Wert gem. § 3 ZPO nach den Kosten zu bemessen, die zur Entfernung der Aufbauten aufgewandt werden müssten.2

2.3129 (2) Beantragt der Kläger allein Räumung und Herausgabe des Grundstücks, bemessen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach den allgemeinen Grundsätzen, mithin in der Regel nach § 8 ZPO bzw. § 41 Abs. 2 GKG. Dies gilt auch für die Beschwer, die ausweislich des Wortlauts von § 8 ZPO allein nach dem für die streitige Zeit anfallenden Nutzungsentgelt zu bestimmen ist. Folglich bleibt der Beseitigungsaufwand als bloß mittelbar mit der Räumung verbundene Belastung unberücksichtigt.3

2.3130 (3) Problematisch ist es hingegen, wenn der Kläger neben Räumung und Herausgabe die Beseitigung von Einrichtungen oder Gegenständen verlangt. Hier stellt sich bereits aufgrund der prozessualen Eigenständigkeit der Klageanträge die Frage einer Addition gem. § 5 ZPO bzw. § 39 Abs. 1 GKG bei Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert.

2.3131 Beschränkt sich das Beseitigungsverlangen auf bewegliche Gegenstände, unterbleibt eine Wertaddition schon im Hinblick auf die Möglichkeit einer gem. § 885 Abs. 2 ZPO bereits aus dem Räumungsurteil resultierenden Möglichkeit der Beseitigung im Wege der Zwangsvollstreckung.

2.3132 Das Beseitigungsverlangen bleibt aus diesem Grunde trotz eigenständiger Antragstellung nur unselbständiger Teil des streitgegenständlichen Räumungsbegehrens.4 Daran ändert sich auch nichts, wenn der Kläger sein Klagebegehren während des Rechtsstreits auf das Beseitigungsverlangen reduziert.5

1 LG Cottbus, Beschl. v. 10.7.2013 – 5 S 10/13, AGS 2014, 382 (Fertigteilgarage); Kossmann/Meyer-Abich, Handbuch der Wohnraummiete, § 204 Rz. 14. 2 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352. 3 BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15, MDR 2016, 122 – Pacht; BGH, Beschl. v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, MDR 2012, 1117 = NJW-RR 2012, 1103; BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525; BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7 – Beschwer; vgl. auch LM ZPO § 551a Nr. 33: Beseitigung von Bäumen. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, WuM 2000, 365 – Aufgabe der bisherigen Rsp.; nur im Ergebnis ebenso: BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100. 5 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530.

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2. Teil

Ob dies ebenso gilt, wenn der Kläger neben der Räumung die Beseitigung von Aufbauten, Einrichtungen oder sonstigen unbeweglichen Sachen fordert, ist streitig.

2.3133

Der BGH verneint zum Teil auch hier eine Addition unter Hinweis darauf, dass das Beseitigungsverlangen Teil des materiell-rechtlichen Räumungsanspruchs aus § 546 BGB und damit keiner eigenständigen Bewertung bei der Bemessung von Zuständigkeitsstreitwert, Beschwer (§ 8 ZPO) und Gebührenstreitwert (§ 41 Abs. 2 GKG) zugänglich sei.1

2.3134

Die Ansicht des BGH vermag nicht zu überzeugen. Der Umfang der materiell-rechtlichen Rückgabe- 2.3135 pflicht des Mieters (§ 546 BGB) ist für den Wert des Räumungsverlangens unerheblich. Zwar muss danach der Zustand der Mietsache bei Rückgabe der vertraglichen Vereinbarung entsprechen, so dass vom Mieter eingebrachte Gegenstände und Einrichtungen zu entfernen sind.2 Für den Inhalt des prozessualen Räumungsverlangens ist damit jedoch nichts gewonnen, denn dieses reicht – ebenso wie das dahinter stehende klägerische Interesse – notwendigerweise nicht weiter als der Umfang der aus einer entsprechenden Titulierung resultierenden gesetzlichen Vollstreckungsmöglichkeiten. Die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsurteil ist jedoch gem. § 885 Abs. 2 ZPO auf Besitzverschaffung und Beseitigung von beweglichen Gegenständen beschränkt.3 Für die Beseitigung von Gebäuden, Bepflanzungen oder Geländeveränderungen (z.B. Aufschüttungen) bedarf es demgegenüber eines gesonderten Vollstreckungstitels. Insbesondere ist das Räumungsurteil keine geeignete Grundlage für eine Ermächtigung des Klägers (als Vollstreckungsgläubiger) zur Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO.4 Zudem trägt der Verweis auf den Umfang der materiell-rechtlichen Räumungspflicht (§ 546 BGB) 2.3136 nicht, wenn der Kläger seinen Herausgabeanspruch auf § 985 BGB stützt und sich der Beklagte erfolglos auf den Bestand eines Nutzungsverhältnisses beruft. Denn nach § 985 BGB schuldet der Besitzer nur „Auskehrung“, d.h. nur die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Sache in dem Zustand, in dem diese sich befindet.5 Dass die materiell-rechtliche Perspektive eine wertmäßig voneinander abweichende Behandlung des Beseitigungsverlangens rechtfertigen könnte, ist angesichts desselben Streitgegenstandes nicht ersichtlich. Bedarf das Beseitigungsverlangen, weil eine nicht bewegliche Sache betreffend, damit für die Vollstreckung eines gesonderten Titels und deshalb eines prozessual eigenständigen Klageantrags, ist dieser auch wertmäßig zu erfassen und hinzuzurechnen.6

1 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739; BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, LM ZPO § 8 Nr. 14 mit krit. Anm. Lappe = MDR 1995, 530 – Entfernen zurückgelassener Einrichtungen; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 = NJW-RR 1994, 256 – Entfernung von Bäumen; zustimmend: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.2011 – 4 U 101/11; abweichend: BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15, MDR 2016, 122; BGH, Beschl. v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, MDR 2012, 1117; BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525 – jeweils zur Beschwer, ohne Auseinandersetzung mit der bisherigen Rspr. 2 Palandt/Weidenkaff, § 546 Rz. 5 ff. m.w.N. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, WuM 2000, 365 – Aufgabe der bisherigen Rspr. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.11.2002 – 26 W 122/02, MDR 2003, 655; Derleder, JurBüro 1994, 450; offenlassend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.7.1999 – 3 W 195/99, MDR 2000, 414; unklar BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15, MDR 2016, 122. 5 MünchKomm.BGB/Baldus, § 985 Rz. 30 m.w.N. – zugleich zu den Auswirkungen auf die Formulierung des Klageantrages. 6 KG, Beschl. v. 19.11.2012 – 8 W 80/12, MDR 2013, 430; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2007 – 24 W 82/07, AGS 2008, 402; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, WuM 2000, 365 – Aufgabe der bisherigen Rspr.; OLG Köln, AnwBl. 1968, 396; OLG Rostock, Beschl. v. 2.6.2014 – 3 W 65/14, MDR 2014, 1138; im Ergebnis jetzt auch BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, MDR 2005, 1431 = WuM 2005, 525.

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Mietstreitigkeiten

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2.3138 Als Streitigkeit über den Inhalt der aus dem Nutzungs- oder bloßen Besitzverhältnis erwachsenden Verpflichtungen sind für die Bewertung eines – im vorgenannten Sinne eigenständigen – Beseitigungsverlangens weder § 8 ZPO (Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer) noch § 41 Abs. 1 GKG einschlägig. Das Beseitigungsverlangen ist vielmehr (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 3 ZPO zu bewerten, wobei für die Beschwer des Klägers auf sein Beseitigungsinteresse und die Beschwer des Beklagten auf den mit der Beseitigung verbundenen Aufwand abzustellen ist. Siehe auch unter dem Stichwort „Beseitigung“, Rz. 2.712 ff. Abgeleiteter Besitz

2.3139 Der Streitwert einer auf § 985 BGB gestützten Herausgabeklage ist auch dann nach § 41 GKG aus dem einjährigen Zins zu berechnen, wenn der Besitzer sein Recht zum Besitz aus einem mit dem Rechtsvorgänger des Eigentümers geschlossenen Vertrag herleitet.1 Abmahnung

2.3140 Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Abmahnung des Mieters unter Androhung einer Kündigung, dann bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Interesse des Vermieters an der Vermeidung weiteren vertragswidrigen Gebrauchs, hier Unterlassung künftiger Lärmbelästigungen aus der Wohnung des Mieters.2 Abschluss

2.3141 Siehe unter „Vertragsabschluss“, Rz. 2.3327. Allgemeine Geschäftsbedingungen (Verbandsklage)

2.3142 Ist der Inhalt von Formularmietverträgen Gegenstand eines Verbandsklageverfahrens, dann bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verwendungsverbots für den Verwender bleiben unberücksichtigt. Im Regelfall ist – auch unter Berücksichtigung des Preisverfalls im Hinblick auf ältere Rechtsprechung – eine Bewertung von 2.500 t je angegriffener Klausel vorzunehmen.3 Anspruchshäufung

2.3143 Gemäß § 5 ZPO und § 39 GKG sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 verwiesen werden. Für mietrechtliche Streitigkeiten kann ergänzend festgehalten werden: – Wird mit der Leistungsklage neben der Räumung die Zahlung rückständigen Nutzungsentgeltes verbunden, dann ist dem Wert für das Räumungsbegehren aus § 41 GKG der Wert für den bezifferten Klageanspruch hinzuzurechnen.4 – Verlangt der Vermieter neben der Räumung und Herausgabe die Beseitigung von Einrichtungen und Gegenständen ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die begehrte Entfernung bewegliche

1 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177. 2 AG Köln, Urt. v. 2.7.1997 – 213 C 261/96, WuM 1999, 237. 3 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352: 3000 DM; offen lassend: BGH, Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, WuM 1998, 342; OLG Celle, Beschl. v. 28.6.2005 – 11 W 49/05, VuR 2005, 310: 3.000 t; LG München, Beschl. v. 8.9.1997 – 7 O 18843/96, WuM 1997, 631: 2.500 t; a.A. OLG Brandenburg, Urt. v. 1.12.1999 – 3 U 251/98, VuR 2000, 147: 10.000 DM je Klausel. 4 Bub/Treier/Fischer, VIII 240; Gerold, Streitwert, S. 245.

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oder unbewegliche Sachen zum Gegenstand hat. Nur in letzterem Fall kommt eine Wertaddition in Betracht. Siehe hierzu „Abbruchkosten“, Rz. 2.3127. – Klagt der Mieter gleichzeitig auf Überlassung der Mietwohnung und auf Verlängerung des Mietverhältnisses, so sind die Streitwerte beider Anträge nicht zusammenzurechnen.1 – Treffen Leistungs- und Feststellungsklage zusammen, ist zu unterscheiden: Begehrt der Kläger die Feststellung des (Fort-)Bestehens des Mietverhältnisses und Zahlung von Nutzungsentgelt, ist für die Bewertung darauf abzustellen, ob derselbe Zeitraum betroffen ist. Wird dies bejaht, betreffen die Ansprüche gebührenrechtlich denselben Streitgegenstand (wirtschaftliche Identität). Denn die Feststellungsklage erfasst das gesamte Rechtsverhältnis und damit auch den daraus abgeleiteten Leistungsanspruch. Daher ist nicht zu addieren, sondern lediglich ein Wert anzusetzen, und zwar der höchste.2 Anders liegt es, wenn neben der Feststellungsklage Mietzahlungen für die vorangegangene Zeit eingeklagt werden; hier ist mangels wirtschaftlicher Deckungsgleichheit zu addieren.3 Wird neben dem Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages hilfsweise der Antrag auf Abschluss eines Mietvertrags mit gleichem Inhalt gestellt, unterbleibt eine Zusammenrechnung. Hier ist bei Bescheidung beider Anträge gem. § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG für die Streitwertbemessung der (ggf.) höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend.4 – Erhebt der Beklagte gegenüber einer Klage auf Feststellung, dass kein Recht zur Mietminderung besteht, eine Feststellungswiderklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln der Mietsache, ist nach Ansicht des BGH5 der höhere Wert maßgebend, wenn es um denselben Mangel geht. – Auch soweit der Anspruch auf Räumung von Wohnraum mit dem Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gem. §§ 556a, 556b BGB zusammentrifft und in demselben Prozess verhandelt wird, ist nicht zusammenzurechnen, § 41 Abs. 3 GKG. Art und Weise der Nutzung Streitigkeiten zwischen den Mietparteien über die Berechtigung des Mieters, die Mietsache in einer bestimmten Art und Weise zu nutzen, sind (über § 48 GKG) nach § 3 ZPO zu bewerten. Nur wenn das Mietverhältnis selbst im Streit steht, kommt eine Berechnung nach §§ 8, 9 ZPO bzw. § 41 Abs. 1 GKG in Betracht.6

2.3144

Aufbaukosten Ein Streit über die Dauer des Mietverhältnisses liegt vor, wenn der Mieter die Feststellung begehrt, dass der Vermieter zur vorzeitigen Rückzahlung der ihm vom Mieter darlehensweise zur Verfügung gestellten aufgewandten Aufbaukosten und damit nach dem Mietvertrag zur vorzeitigen Verkürzung des Mietverhältnisses nicht berechtigt sei.7

2.3145

Ausgleichszahlung Vergleichen sich die Parteien in einem Rechtsstreit über den Bestand oder die Fortdauer eines Mietoder Pachtverhältnisses dahingehend, dass sich der Mieter (bzw. Pächter) gegen eine Ausgleichszah-

1 LG Frankenthal, MDR 1968, 419 Nr. 76. 2 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657, NZM 2006, 138; OLG Braunschweig, Beschl. v. 1.4.1975 – 5 W 13/75, MDR 1975, 848 – negative Feststellungsklage; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.2.1980 – 14 W 5/80, Justiz 1980, 272. 3 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980, AGS 2006, 298 m. Anm. N. Schneider. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; Meyer, § 41 Rz. 22. 5 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 – behördliche Untersagungsverfügung. 6 BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 382/19, MDR 2020, 191 – Abstellung von Müllbehälter auf angemietetem Tiefgaragenstellplatz. 7 OLG Celle, JurBüro 1967, 598 Nr. 157.

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lung zur vorzeitigen Räumung des Miet- oder Pachtobjekts verpflichtet, bleibt für den Streitwert unabhängig von der Ausgleichszahlung der einjährige Betrag des Nutzungsentgelts maßgeblich, § 41 GKG, da sich der Vergleichswert allein nach dem Wert der verglichenen Ansprüche bestimmt.1

2.3147 Wird demgegenüber mit einer Umzugsbeihilfe der Anspruch des Mieters bzw. dessen Verzicht auf eine bereits eingeräumte Räumungsfrist abgegolten, ist der Vergleichswert erhöht.2

2.3148 Ebenso ist eine Werterhöhung zu bejahen, wenn mit der vergleichsweise vereinbarten Umzugsbeihilfe angebliche Schadensersatzansprüche des Mieters wegen möglicherweise unberechtigter Eigenbedarfskündigung erledigt werden.3 Auskunft

2.3149 Der Streitwert einer auf Auskunft gerichteten Klage bemisst sich nach einem Bruchteil des Wertes desjenigen Anspruchs, der mit der Auskunft vorbereitet werden soll. Begehren die Mieter vom Vermieter die Herausgabe der Ergebnisse einer in der von ihnen genutzten Wohnung anlässlich von Schimmelbildung (und darauf gestützter Mietminderung) durchgeführten Klimamessung, dann ist ein Bruchteil des Jahresbetrages einer angemessenen Mietminderung (§ 41 Abs. 5 Satz 1 GKG) anzusetzen.4 Barrierefreiheit

2.3150 Die Klage des Mieters auf Zustimmung des Vermieters zu baulichen, eine behindertengerechte Nutzung ermöglichende Veränderungen der Mietsache (§ 554a BGB) ist (über § 48 GKG) gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an einer barrierefreien Nutzung zu bewerten. Diese sollte sich an dem Jahresbetrag der Mietminderung orientieren, die bei Fehlen einer mietvertraglich vereinbarten Barrierefreiheit angemessen wäre. Die Beschwer des zur Zustimmung verurteilten Vermieters entspricht seinem Interesse an einer unveränderten Erhaltung der Mietsache. Beheizung (Heizung)

2.3151 Der Wert der Klage auf ordnungsgemäße Beheizung der Mietsache ist, da es um die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen geht, nach dem Jahresbetrag der wegen unzureichender Beheizung möglichen Mietminderung zu berechnen, soweit das Mietverhältnis nicht vor Ablauf eines Jahres endet, § 41 Abs. 5 GKG.5

2.3152 Fraglich ist, ob sich der Jahresbetrag immer nach dem 12-fachen des monatlich angemessenen Minderungsbetrags bestimmt. Denn das wurde schon nach altem Recht für Mängel verneint, die sich naturgemäß nur auf bestimmte Monate des Jahres auswirken. So stellt das LG Berlin für die Bewertung von Klagen auf Behebung von Beheizungsmängeln auf die (siebenmonatige) Dauer der Heizperiode ab.

2.3153 Dem ist nicht zuzustimmen, da die Bewertung in § 41 Abs. 5 GKG nach der Höhe des jeweiligen Jahresbetrages der pauschalierten Erfassung von Mieterhöhungs-, Instandsetzungs- oder zustandsbezogenen Duldungsansprüchen dient. Sie beruht, wie schon die Miterfassung der Mieterhöhungsansprüche zeigt, nicht auf der Annahme, dass mit dem Jahresbetrag die vermögensrechtliche Relevanz

1 OLG Köln, WuM 71, 136. 2 AG Köln, Beschl. v. 14.8.2002 – 210 C 200/02, AGS 2003, 35; bestätigend: LG Köln, Beschl. v. 20.8.2002 – 10 T 164/02, AGS 2003, 35 m. zust. Anm. N. Schneider. 3 LG Köln, Beschl. v. 12.2.2001 – 10 S 282/00, BRAGOreport 2001, 108; unklar: KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354. 4 Daher teilweise zutr. AG Bad Segeberg, Urt. v. 7.6.2012 – 17 C 21/12, ZMR 2012, 875. 5 So schon zum alten Recht, hier über § 3 ZPO: LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; LG Görlitz, Beschl. v. 25.3.1994 – 2 T 34/94, WuM 1994, 380 – einstweilige Verfügung.

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2.3154

Siehe auch unter „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.3193. Berechtigung aus dem Vertrag

Der Wert eines Streits darüber, wer von den Parteien aus einem Miet- oder Pachtverhältnis berech- 2.3155 tigt ist, bemisst sich nach der gegenwärtigen Jahresmiete oder Jahrespacht. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 GKG ist entsprechend anzuwenden. Der Wert der einjährigen Nutzung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG) kommt nicht in Betracht, weil kein Streit über die Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses gegeben ist.1 Beseitigung Das Interesse des Vermieters an der Beseitigung einer an der Außenwand angebrachten Metallverkleidung ist nach der optischen Beeinträchtigung der Hausfassade sowie etwaig drohenden Gewährleistungsansprüchen der übrigen Mieter und Nachbarstreitigkeiten zu bewerten.2 Zur Beseitigung eines Zustandes, der auf einem vertragswidrigen Gebrauch beruht, s. im Übrigen bei „Unterlassung“.

2.3156

Geht es um die Beseitigung von Einrichtungen und Gegenständen aufgrund eines beendeten Nutzungsverhältnisses, s. unter „Abbruchkosten (Räumungsaufwand)“.

2.3157

Streitwertrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Störungen des Mietbesitzes durch Dritte werden unter „Besitzstörung“ erörtert.

2.3158

Bei der Beseitigung von Mängeln geht es um die Instandsetzung oder Erhaltung der Mietsache, s. daher unter „Instandsetzung (Mängelbeseitigung)“.

2.3159

Besichtigung (Zutritt) Begehrt der Vermieter vom Mieter, die Mietsache selbst oder von Dritten besichtigen zu können, ist 2.3160 die Wertbestimmung (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 3 ZPO vorzunehmen, da es sich um einen Streit über die aus einem Nutzungsverhältnis erwachsenden Verpflichtungen handelt, auf den § 41 GKG nicht anwendbar ist. Dem Wesen nach handelt es sich um einen auf Duldung gerichteten Anspruch, da den zur Ermöglichung der Besichtigung erforderlichen Leistungshandlungen, etwa der Gewährung des Zutritts, nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Das für den Streitwert maßgebliche klägerische Interesse ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung 2.3161 zu ermitteln, die Beschwer des Beklagten demgegenüber nach dem mit der Besichtigung verbundenen Zeit- und Kostenaufwand. Geht es um eine Besichtigung durch Mietinteressenten, dient sie der Ermöglichung einer Weiter- 2.3162 vermietung, also dem Abschluss eines Mietvertrages. Angemessen ist eine Bruchteilsbewertung bezogen auf die für den Vertragsabschluss geltenden Bewertungsmaßstäbe (s. unter „Vertragsabschluss“). Insoweit kann das Vermietungsinteresse gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen des Jahresbetrags der Miete bemessen werden und entsprechend der Bewertung des Auskunftsanspruchs – je nach Dringlichkeit und Bedeutung – ein Bruchteil zwischen 1/10 und 1/5 liegen, da die Besichtigung Auskunft über den Zustand der Mietsache gibt und nur der Vorbereitung weiter gehender Ansprüche bzw. Rechtsänderungen dient.3

1 OLG Hamburg, NJW 1965, 2406. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.2011 – 10 W 33/11, Grundeigentum 2011, 752. 3 Vgl. Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156.

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der Ansprüche realitätsnah abgebildet wird. Daher kommt es nicht darauf an, ob der zugrunde liegende Mangel zu einer Beeinträchtigung über einen Zeitraum von 12 Monaten geeignet ist.

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2.3163 Ähnlich liegt es, wenn es um eine Besichtigung durch Kaufinteressenten und damit um das Verwertungsinteresse des Vermieters geht. Für den Streitwert ist auf einen Bruchteil des beabsichtigten Kaufpreises abzustellen.1

2.3164 Dient die Besichtigung der Klärung, ob die Mietsache mit Mängeln behaftet oder sonst in ihrer Substanz gefährdet ist, ist Ausgangspunkt das Interesse des Vermieters am Substanzerhalt. Da es sich hierbei um notwendige Vorbereitungen zu etwaig geschuldeten Instandsetzungs- oder zu duldenden Erhaltungsmaßnahmen handelt, ist eine Bruchteilsbewertung des hierfür nach § 41 Abs. 5 GKG anzusetzenden Jahresbetrages einer möglichen Mieterhöhung bzw. -minderung geboten.2

2.3165 Wird mit der Klage mit der Duldung von Modernisierungsarbeiten zugleich die Gewährung des Zutritts zur Mietwohnung verlangt, dann bleibt der Anspruch auf Duldung der Modernisierung wertbestimmend. Das Zutrittsbegehren stellt einen untrennbaren Teil des auf Duldung der Modernisierungsmaßnahmen gerichteten Gesamtbegehrens dar.3 Besitz

2.3166 Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf Gebrauchsüberlassung, sind für den Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer §§ 8, 9 ZPO und für den Gebührenstreitwert § 41 Abs. 1 GKG anwendbar.4 Richtet sich die Herausgabeklage des Mieters gegen einen Dritten, verbleibt es bei der Anwendung von § 6 ZPO.5

2.3167 Der Antrag auf vorläufige Besitzverschaffung an einer Wohnung oder einem Geschäftsraum (Übergabe eines Schlüssels) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu bewerten. Ist der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB) Streitgegenstand, richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem Nutzungsinteresse des Besitzers. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen. Denn die Besitzverschaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert spezielleren Norm erfasst.6 Trotz Leistungsverfügung ist wegen des nur vorläufigen Rechtsschutzes ein – wenngleich höherer – Bruchteil des Hauptsachewertes, in der Regel 2/3 der Jahresmiete/ -pacht, anzusetzen. Besitzstörung

2.3168 Wird der mit der Nutzung einer Miet- oder Pachtsache verbundene Besitz durch Dritte gestört, kann der Mieter oder Pächter gem. §§ 862, 1004 BGB die Beendigung fortdauernder und Unterlassung künftiger Störungen beanspruchen. Der Streitwert einer entsprechenden Unterlassungsklage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.

1 LG Berlin, Beschl. v. 27.11.2017 – 6 T 132/17: 1 % angestrebten Verkaufserlöses; AG Dorsten, Beschl. v. 22.9.1978 – 3 C 319/78, WuM 1979, 155: und davon 1/3 bei einstweiliger Verfügung. 2 AG Hamburg-St. Georg, Beschl. v. 22.3.2011 – 915 C 604/10; ZMR 2011, 646: 1/5; Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156. 3 BGH, Beschl. BGH v. 20.11.2018 – VIII ZR 112/18, WuM 2019, 44. 4 BGH, Beschl. v. 22.1.2013 – VIII ZR 104/12, AGS 2014, 67 (Beschwer); BGH, Beschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, WuM 2008, 296 (Beschwer); LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1995, 208; Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156: eventueller Mindererlös (aber wie soll dieser bestimmt werden?); abw. OLG Celle, Beschl. v. 21.9.1988 – 2 W 66/88, MDR 1989, 272: § 41 Abs. 2 GKG. 5 KG, HuW 1952, 293; Meyer, § 41 Rz. 9. 6 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225: 1/3; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189: voller Wert; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004.

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2. Teil

2.3169

Maßgebend ist in beiden Fällen das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestehender oder Verhinderung weiterer Störungen. Handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen den Mietvertragsparteien, sollte im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO die Bemessungsregel des § 41 Abs. 1 GKG nicht überschritten werden.1 Sinnvoll ist eine Orientierung am Jahresbetrag der aufgrund der Störung möglichen Minderung,2 denn ist die Störung zugleich mit einer Beschädigung der Mietsache verbunden, stünde dem Mieter auch ein Instandsetzungsanspruch zu. Besonders schwerwiegende Folgen bei Störung gewerblichen Mietbesitzes können eine abweichende Bewertung erfordern.3

2.3170

Hieran ist auch der Wert einer Klage zu bemessen, mit der ein Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses mit einem störenden Mitmieter verpflichtet werden soll. Auch hier steht das Interesse des Mieters an einem störungsfreien Gebrauch der Mietsache im Vordergrund.4

2.3171

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Dies gilt auch, wenn die Störung von der anderen Mietvertragspartei ausgeht und das Unterlassungsbegehren mietvertraglich begründet wird. Denn für eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG besteht nur Raum, wenn aufgrund der Störung der Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst in Frage gestellt wird.

Betriebskosten

2.3172

Siehe unter „Nebenkosten“, Rz. 2.3271. Betriebspflicht Der Streitwert einer Klage auf Einhaltung einer (vertraglich vereinbarten) Betriebspflicht bestimmt sich nach dem Interesse des Vermieters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Gewerberäumlichkeiten in dem Gesamtobjekt. Bei pauschalierender Betrachtungsweise kann auf die Jahresmiete der an den Beklagten vermieteten Gewerbeeinheit abgestellt werden.5

2.3173

Beweisverfahren (selbständiges)

2.3174

Siehe unter „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.3301. Dauer Ein Streit um die Dauer eines Mietverhältnisses liegt auch vor, wenn der Mieter die Feststellung begehrt, dass der Vermieter zur vorzeitigen Rückzahlung der von ihm aufgewandten Aufbaukosten und damit nach dem Mietvertrag zur vorzeitigen Verkürzung des Mietverhältnisses nicht berechtigt sei.6

2.3175

Dritter Sind am Rechtsstreit allein die Parteien des Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses beteiligt, gelten für den Streitwert je nach Streitgegenstand die §§ 3 ff. ZPO, § 41 GKG. Problematischer ist die Wertbestimmung, wenn Dritte beteiligt sind, etwa weil sich die Klage einer Mietvertragspartei gegen einen Dritten richtet, Mieter bzw. Vermieter von einem Dritten verklagt werden oder der Bestand des Mietverhältnisses Gegenstand eines Rechtsstreits einer Vertragspartei mit einem Dritten ist.

1 BGH, Beschl. v. 7.4.1993 – XII ZR 244/92; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, MDR 1986, 325 = WuM 1986, 15. 3 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.3.2012 – 24 W 17/12, MDR 2012, 1187. 4 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657. 5 KG, Beschl. v. 7.3.2006 – 8 W 2/06, ZMR 2006, 611. 6 OLG Celle, JurBüro 1967, 598.

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Mietstreitigkeiten

ZPO

2.3177 Dies ist jedoch noch nicht der Fall, wenn es um die Feststellung geht, ob der Kläger berechtigt ist, aus einem bestehenden Mietverhältnis auszuscheiden und einen Dritten als Ersatzmieter an seine Stelle treten zu lassen. In diesem Fall ist der Dritte am Mietverhältnis noch nicht – auch nicht mittelbar – beteiligt. Die Wertfestsetzung erfolgt hier – Bestand und Dauer des Mietverhältnisses sind unstreitig – gem. § 3 ZPO.1

2.3178 Im Grundsatz gilt bei einer Drittbeteiligung, dass weder § 8 ZPO noch § 41 GKG unmittelbar zur Anwendung gelangen. Denn beide Vorschriften setzen einen Streit zwischen den am Mietverhältnis beteiligten Parteien voraus, da auf die Klage eines Dritten diesen gegenüber nicht rechtskräftig über den Bestand oder die (Fort-)Dauer des Mietverhältnisses entschieden werden kann.

2.3179 Daher bestimmen sich bei der Klage eines Dritten gegen den Vermieter oder Verpächter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Mietvertrages Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer nicht nach § 8 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse dieses Dritten an der Unwirksamkeit des Vertrages.2 Dies gilt auch für den Gebührenstreitwert, da § 41 GKG aus den gleichen Gründen nicht anwendbar ist.3

2.3180 Eine entsprechende Anwendung von § 41 GKG wird nur in dem Fall befürwortet, dass sich der Dritte gegenüber einer Herausgabeklage des (Haupt-)Vermieters auf ein Nutzungsrecht des Mieters4 oder ein mit diesem geschlossenes Nutzungsverhältnis5 beruft.

2.3181 Klagt dagegen der Mieter gegen einen Dritten auf Unterlassung von Besitzstörungen oder ein Dritter gegen einen Mieter auf Feststellung, dass ein Miet- oder Pachtverhältnis nicht bestehe, ist jeweils gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse maßgebend.6

2.3182 Ebenso liegt es, wenn Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit mit einem Dritten abgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrages klagen.7

2.3183 Als Streitwert einer vom Mieter gegen einen Dritten auf Herausgabe gerichteten Klage ist gem. § 6 ZPO der Verkehrswert festzusetzen.8 Dies gilt entgegen OLG Hamburg9 auch dann, wenn die Herausgabeklage auf einem Streit der Parteien beruht, wer von ihnen aus einem mit einem (weiteren) Dritten geschlossenen Pachtverhältnis berechtigt ist. Allein der Umstand, dass der Herausgabeanspruch die Prüfung erfordert, ob überhaupt ein Pachtverhältnis besteht, rechtfertigt noch keine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG.

2.3184 Auch der Streit von Mietern oder Vermietern untereinander fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 8 ZPO, § 41 GKG. Mieter und Vermieter stehen zueinander nicht in mietvertraglicher, sondern (in der Regel) in gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlicher Verbindung. Dies gilt etwa für die Klage eines Mieters auf Zustimmung des Mitmieters zur Kündigung des Mietverhältnisses. Hier ist nach § 3 ZPO das klägerische Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses wertbestimmend.10

1 OLG Hamburg, OLGE 37, 82. 2 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVIII Nr. 76; Rpfleger 1955, 101. 3 BGH LM GKG § 10 Nr. 10 (10/1955). 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906: Ehefrau. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1953, 445 Nr. 168: Untermieter. 6 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVII Nr. 76 – s. auch hier unter „Besitzstörung“, Rz. 2.3168. 7 BGH, LM § 10 GKG Nr. 10 – Beschwer. 8 KG, HuW 1952, 293; Meyer, § 41 Rz. 10. 9 OLG Hamburg, NJW 1965, 2406. 10 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323: Orientierung an Jahresmiete; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 7.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.3185

Auch auf einen Räumungsvertrag zwischen einem potentiellen Käufer und einem Mieter des Verkäufers findet § 41 GKG keine Anwendung.1

2.3186

ZPO

Dies gilt auch für die auf Feststellung gerichtete Klage, dass ein Dritter zusammen mit dem Kläger Partei eines mit einem anderen geschlossenen Mietvertrags ist. Denn hier geht es nicht um den Bestand des Mietverhältnisses, sondern um die – in der Regel gesellschaftsrechtlich zu beurteilende – Beteiligung daran (s. auch vorstehend unter „Berechtigung aus dem Vertrag“, Rz. 2.3155).

Duldung Ist die Klage auf Duldung von Instandsetzungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen ge- 2.3187 richtet, bestimmt sich der Gebührenstreitwert jetzt nach § 41 Abs. 5 GKG. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen unter Rz. 2.3116 ff. verwiesen werden. Geht es um die Verurteilung zur Duldung einer Besichtigung der Mieträume, ist für die Wertbemessung gem. § 3 ZPO der vom Kläger mit der Besichtigung verfolgte Zweck maßgebend. Siehe hierzu unter „Besichtigung“, Rz. 2.3160.

2.3188

Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme von ihm eingebauter Sachen, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert, den die wegzunehmenden Sachen nach der Trennung haben.2 Dies gilt auch für die Beschwer des unterliegenden Vermieters.

2.3189

Bei einer Klage des Mieters auf Duldung einer bestimmten Nutzung des Mietobjekts handelt es sich 2.3190 durchweg um Streitigkeiten über den Inhalt des Mietvertrages, etwa über die Berechtigung zur Anbringung einer Parabolantenne, der Haltung von Tieren oder zum Abstellen von Gegenständen auf Gemeinschaftsflächen. Hier ist der Streitwert nach § 3 ZPO entsprechend dem klägerischen Interesse an der streitgegenständlichen Nutzung zu bemessen. Die Beschwer des unterliegenden Vermieters ist gleich dem Verhinderungsinteresse. Zum Streitwert einer auf Duldung der Unterbrechung der Energieversorgung und damit verbunde- 2.3191 ner Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen gerichteten Klage s. nachfolgend unter „Energieund Wasserversorgung“, Rz. 2.1238. Eigentumswohnung Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatwirt- 2.3192 schaftlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so ist im Falle einer Herausgabeklage des Eigentümers nur die Frage Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diese Auseinandersetzung bildet der einjährige Nutzungswert der Wohnung, § 41 Abs. 2 GKG.3 Energie- und Wasserversorgung Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf (Wieder-)Herstellung der Energie- oder Wasserversorgung, 2.3193 steht der Umfang sich aus dem Mietverhältnis ergebender Pflichten und damit der Vertragsinhalt im Streit. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich daher gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an einer dahingehenden Versorgung. Dieses entspricht wertmäßig dem Betrag einer möglichen

1 Meyer, JurBüro 2010, 184, 185. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 196 = WuM 1991, 562. 3 KG, JurBüro 1969, 166.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

ZPO

Mietminderung und sollte daher wie der Gebührenstreitwert – nach § 41 Abs. 5 GKG – mit dem Jahresbetrag einer angemessenen Minderung beziffert werden.1

2.3194 Die Klage des Versorgungsträgers auf Duldung der Unterbrechung bzw. Wegnahme erforderlicher Mess- und Regeleinrichtungen ist keine mietrechtliche Streitigkeit und daher gem. §§ 3, 6 ZPO zu bewerten. Zutreffend dürfte sein, auf das Interesse des Versorgungsunternehmens abzustellen, gegenüber seinem Kunden, der in Zahlungsverzug geraten ist, nicht weiter in Vorleistung treten zu müssen und die Entnahme weiterer Versorgungsleistungen bis zur Zahlung der Rückstände zu verhindern.2 Dies auch dann, wenn die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – mit einer Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen verbunden ist.3 Dies gilt jedoch nur, wenn die Klage allein auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen. Ausführlich zur Bewertung unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238 ff. Erbbauzins

2.3195 Der Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses bemisst sich nach § 9 ZPO. § 41 GKG ist nicht einschlägig, weil der Erbbauzins auch die dingliche Rechtsstellung abgilt.4 Erhaltung

2.3196 Siehe unter „Modernisierung“, Rz. 2.3269. Ersatzmieter

2.3197 Nach § 3 ZPO ist der Streitwert festzusetzen, wenn die Frage streitig ist, ob der Kläger berechtigt ist, aus einem bestehenden Mietverhältnis auszuscheiden und einen Dritten als Mieter an seine Stelle treten zu lassen. In diesem Fall ist der Dritte am Mietverhältnis noch nicht – auch nicht mittelbar – beteiligt.5 Feststellung

2.3198 Bei Feststellungsklagen, die den Bestand oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses zum Gegenstand haben, bemisst sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 1 GKG nach dem Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Mietzinses, wenn der einjährige Zins geringer ist, nach diesem. 1 So schon zum alten Recht: LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; vgl. auch AG Kerpen, Urt. v. 6.6.1990 – 3 C 267/90, MDR 1990, 928: Duldung eines Wasseranschlusses – 1/2 des Jahresnutzungsentgelts. 2 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13 W 17/10; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NJW-RR 2010, 14; LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v.: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596. 3 Zutr. LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.1.2006 – 14 T 7/06, n.v.; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596; a.A. AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NZM 2003, 616 = AG Königstein/T. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03-12, NJW-RR 2003, 949: Verkehrswert der Messeinrichtung; AG Nürnberg, Urt. v. 22.2.2001 – 20 C 567/01, NZM 2002, 144. 4 BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – V ZB 271/11, NJW-RR 2012, 1041; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14, RVG prof. 2014, 164; LG Bochum, Beschl. v. 10.10.2011 – 11 S 113/11. 5 OLG Hamburg, OLGE 37, 82.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.3199

Ebenfalls nach § 41 Abs. 1 GKG und nicht nach § 3 ZPO richtet sich der Wert einer Klage auf Feststellung, ob bei einem Miet- oder Pachtverhältnis ein einzelner Kündigungsakt wirksam ist.2

2.3200

Da nach § 41 Abs. 1 GKG der Gebührenstreitwert für sämtliche Streitigkeiten über den Bestand oder die Dauer pauschaliert bemessen wird, ist bei entsprechenden positiven Feststellungsklagen entgegen der sonstigen Wertung kein Abschlag von dem sich ergebenden Wert zu machen.3

2.3201

ZPO

So beispielsweise für ein auf Feststellung gerichtetes Klagebegehren, dass ein Mietverhältnis infolge fristloser Kündigung seit einem bestimmten Tag nicht mehr besteht. Das gilt auch dann, wenn feststeht, dass es inzwischen auch ohne diese Kündigung an einem späteren Tage beendet gewesen wäre.1

Gemäß § 9 ZPO ist zu bewerten, beim Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG, wenn bei einem 2.3202 Mietverhältnis von unbestimmter Dauer auf Feststellung geklagt wird, dass der Mieter (keine) Miete schuldet.4 Richtet sich das Feststellungsbegehren auf die (fehlende) Berechtigung zur Mietminderung ist nach 2.3203 altem Recht gem. § 3 ZPO zu schätzen, wobei – ebenso wie im Fall der Klage auf Zahlung zukünftigen Mietzinses5 – der Streitwert (und die Beschwer) wegen § 9 ZPO auf den 42-fachen Minderungsbetrag begrenzt ist, wenn dieser niedriger ist.6 Der übliche Feststellungsabschlag von 20 % ist nur bei der Feststellungsklage des Vermieters geboten, da die Feststellung der Minderungsberechtigung der negativen Feststellungsklage gleichsteht. Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 richtet sich der Wert nunmehr nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung, soweit nicht wegen früherer Beendigung des Mietverhältnisses ein entsprechend niedriger Betrag anzusetzen ist. Für die Klage auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer erhöhten Miete bei einem Miet- 2.3204 vertrag von unbestimmter Dauer gilt jetzt § 41 Abs. 5 GKG.7 Der Wert bestimmt sich nach dem Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages. Auch sind die Werte von Feststellungsklage und daneben erhobener Klage auf Zahlung bereits rückständiger Miete zu addieren, wenn die Feststellung erst den an die Zahlung anschließenden Zeitraum erfasst, § 5 ZPO.8

2.3205

Hausordnung Begehrt der klagende Mieter eine Änderung der Müllcontainerordnung, weil ihn das Herausstellen der Müllcontainer bereits am Vorabend der Leerung stört, sind nach LG Köln9 Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach dem Jahresbetrag einer möglichen Minderung zu beziffern.

1 BGH, MDR 58, 601; OLG Frankfurt, MDR 67, 313; LG Würzburg, JurBüro 1977, 705. 2 OLG Celle, MDR 1958, 167. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384 = NJW-RR 2006, 16; BGH, Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, JurBüro 1958, 295; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.7.1984 – 5 W 59/84, JurBüro 1985, 1359; KG, Rpfleger 1962, 118; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.7.1987 – 10 W 78/87, JurBüro 1988, 227. 4 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101: § 9 ZPO; abweichend OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34: Schätzung nach § 3 ZPO. 5 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/05, MDR 2005, 1101. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437. 7 Vgl. OLG Celle, JurBüro 1967, 598. 8 LG Hamburg, Beschl. v. 11.9.1995 – 311 O 183/95, WuM 1996, 287. 9 LG Köln, Beschl. v. 31.5.1990 – 1 S 46/90, WuM 1990, 394.

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Mietstreitigkeiten

ZPO

Hausteil

2.3207 Wird die Räumung eines Hausteiles verlangt, ohne dass ein Miet- oder ähnliches Rechtsverhältnis besteht, dann bietet der Wert der ganzen Sache einen Anhalt für die Bemessung des Wertes eines Hausteiles.1 Hierbei kann der Wert eines Sachteiles jedoch nicht schlechthin nach dessen Verhältnis zum Ganzen errechnet werden, vielmehr ist er regelmäßig geringer.2 Heizkosten

2.3208 Siehe unter „Nebenkosten“, Rz. 2.3271. Hilfsantrag

2.3209 Wird neben dem Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages hilfsweise die Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages mit gleichem Inhalt beantragt, so ist für die Streitwertbemessung der höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend, wenn über ihn entschieden wird, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Hierbei ist der vorbezeichnete Hilfsantrag gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse zu bewerten. Dieses entspricht jedoch nicht der Summe aller Mietzinsen, die während der Dauer der ganzen Vertragszeit anfallen würden.3 Zu den Einzelheiten der Bewertung s. unter „Vertragsabschluss“, Rz. 2.3327. Instandsetzung (Mängelbeseitigung)

2.3210 Der Gebührenstreitwert für Ansprüche des Wohnraummieters auf Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen bestimmt sich nach der Neufassung von § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung, soweit das Mietverhältnis nicht vor dem Ablauf eines Jahres endet4 – s. zu den Einzelheiten Rz. 2.3088 ff. Wird neben Mängelbeseitigung auf Mietminderung geklagt, dann findet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nur statt, wenn unterschiedliche Zeiträume betroffen sind. Anderenfalls betreffen beide Ansprüche wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand, nämlich das Interesse an einer mangelfreien Gebrauchsgewährung.5

2.3211 Fraglich ist, ob sich der Jahresbetrag immer nach dem 12-fachen des monatlich angemessenen Minderungsbetrages bemisst. Dies wurde schon nach altem Recht für Mängel verneint, die sich ihrer Natur nach nur auf bestimmte Monate eines Jahres auswirken, beispielsweise bei Mängeln der Heizungsversorgung. So wurde bei Klagen auf Behebung von Beheizungsmängeln für die Ermittlung des Jahresbetrages auf die (siebenmonatige) Dauer der Heizperiode abgestellt.6

2.3212 Dem ist nicht zuzustimmen, da die Bewertung nach der Höhe des jeweiligen Jahresbetrages der pauschalierten Erfassung von Mieterhöhungs-, Instandsetzungs- oder zustandsbezogenen Duldungsansprüchen dient. Sie beruht, wie schon die Miterfassung der Mieterhöhungsansprüche zeigt, nicht auf der Annahme, dass mit dem Jahresbetrag die vermögensrechtliche Relevanz der Ansprüche realitätsnah abgebildet wird. Daher kommt es nicht darauf an, ob der zugrunde liegende Mangel zu einer Beeinträchtigung über einen Zeitraum von 12 Monaten geeignet ist.

1 2 3 4

Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 12; Hillach/Rohs, § 30 III, S. 144. OLG Schleswig, SchlHA 1967, 184. OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685: 3-facher Betrag der Jahresmiete; Meyer, § 41 Rz. 22. So schon zum alten Recht: OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2000 – 7 W 9/00, OLGR 2001, 37; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, AGS 2003, 408; LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; LG Göritz, Beschl. v. 25.3.1994 – 2 T 34/94, WuM 1994, 380 – einstweilige Verfügung. 5 Ungenau daher AG München, Urt. v. 2.6.2014 – 282 C 4912/14, WuM 2014, 437. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, AGS 2003, 408; LG Berlin, Beschl. v. 4.6.1993 – 64 T 69/93, GE 1993, 861; LG Berlin, Beschl. v. 5.2.1999 – 63 S 280/98, Grundeigentum 1999, 717: bei fehlender Beschattung des Mietobjekts nur Sommermonate.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

Die Klage eines Mieters auf Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung richtet sich demgegen- 2.3213 über gem. § 3 ZPO (§ 48 GKG) nach dem geltend gemachten Betrag. Für eine (analoge) Anwendung von § 41 Abs. 5 GKG ist kein Raum.1 Daher richtet sich auch der Wert eines diesen Anspruch vorbereitenden selbständigen Beweisverfahrens nach den Kosten der Mängelbeseitigung und nicht nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Minderung.2 Inventar Für den Anspruch des Verpächters, der Pächter habe die Entfernung von Inventar zu unterlassen, ist 2.3214 das Interesse des Verpächters am Verbleiben der Inventarstücke auf dem Pachtgrundstück maßgebend. Für eine Bewertung nach § 6 ZPO ist kein Raum, weil der Streit nicht um den Besitz oder das Eigentum, sondern nur um den Verbleib der Sachen geht. Es muss deshalb nach §§ 3 ff. ZPO geschätzt werden, wobei von dem Schaden auszugehen ist, der dem Verpächter droht, wenn das Inventar entfernt wird. Jagdpachtvertrag Bei der Entgeltberechnung ist eine etwaig vereinbarte Waldwildschadenspauschale zu berücksichtigen, da es sich dabei um eine vertraglich geschuldete Gegenleistung handelt.3

2.3215

Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, bestimmt sich der Gebüh- 2.3216 renstreitwert nach § 41 GKG, so dass der Betrag des einjährigen Entgelts maßgebend ist. § 8 ZPO gelangt nur für den Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer zur Anwendung.4 Kaufanwartschaft Der Wert eines Streites darüber, ob aufgrund der Bestimmungen eines Kaufanwartschafts- und Bewerbervertrages die Beklagten zur Räumung des Grundstückes verpflichtet sind, ist unter Berücksichtigung des in § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG enthaltenen und weit auszulegenden sozialen Grundgedankens nach dieser Vorschrift zu bemessen. Daher ist der einjährige Nutzungsbetrag maßgebend und § 6 ZPO unanwendbar.5

2.3217

Kaution

2.3218

Siehe unter „Mietsicherheit“, Rz. 2.3255. Kellerräumlichkeiten (Nebenräume) Streiten die Parteien über die Einbeziehung von Kellerräumlichkeiten in den Wohnungsmietvertrag, beläuft sich der Streitwert nach dem Nutzwert des Raumes.6

2.3219

Dies gilt auch für das auf Nebenräume beschränkte Räumungsverlangen nach entsprechender Teilkündigung. Hier ist der (flächenmäßig zu bestimmende) Mietzinsanteil im Verhältnis zum Gesamtmietzins zugrunde zu legen.7

2.3220

1 OLG Rostock, Beschl. v. 20.11.2019 – 3 W 44/19, MDR 2019, 155; LG Berlin, Urt. v. 14.8.2012 – 63 T 121/12, AGS 2013, 582; a.A. noch LG Berlin, Beschl. v. 18.11.2011 – 63 T 157/11, NJW 2012, 693. 2 LG Stade, Beschl. v. 6.7.2012 – 7 T 116/12, AGS 2014, 74. 3 BGH, Beschl. v. 17.11.1961 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172. 5 OLG Köln, MDR 1974, 323; OLG Köln, JurBüro 1978, 1054; LG Braunschweig, BlGBW 1968, 34. 6 LG Hamburg, Beschl. v. 24.2.1993 – 307 S 7/93, WuM 1993, 416 – Beschwer. 7 LG Hamburg, Beschl. v. 3.4.1991 – 311 S 22/91, WuM 1992, 145; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 12.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

2.3221 In gleicher Weise ist zur Bestimmung des Umfangs der Mietminderung zu verfahren, wenn dem

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Mieter die (vertraglich geschuldete) Mitbenutzung des Fahrradkellers entzogen wird.1 Kleingarten

2.3222 Auf Verträge, die (in der DDR) zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung geschlossen worden sind, finden gem. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG bzw. § 4 Abs. 1 BKleingG die Bestimmungen des BGB über die Miete oder Pacht bzw. der Pacht Anwendung, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht etwas Abweichendes bestimmt. Ist der Bestand oder die Dauer des Nutzungsvertrages streitig, richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer nach § 8 ZPO. Beruft sich der Nutzungsberechtigte darauf, dass der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei, gelangt (für die Bestimmung der streitigen Zeit) § 9 ZPO zur Anwendung.2 Steht allein die rechtliche Einordnung eines zwischen den Parteien unstreitigen Pachtverhältnisses im Streit, kann dessen Wert den eines Streits über den Bestand des Nutzungsverhältnisses nicht übersteigen.3 Konkurrentenschutz

2.3223 Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf Unterlassung, anderweitig noch vorhandene Räumlichkeiten an einen Konkurrenten zu vermieten, bemisst sich der Streitwert gem. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach dem bei Verletzung einer Konkurrentenschutzklausel drohenden voraussichtlich entgehenden Gewinn. Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich bei befristeten Mietverhältnissen nach der noch bevorstehenden Vertragsdauer und bei einer Befristung nach dem für den Vermieter nächstmöglichen Kündigungstermin, in beiden Fällen begrenzt auf das 3,5-fache des Jahresmietbetrages (arg. § 9 ZPO). Für eine zusätzliche Berücksichtigung eines an der Mangelhaftigkeit der Mietsache (fehlende Konkurrenzfreiheit) orientiertes Minderungs- oder Schadens-ersatzinteresse besteht schon unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität kein Raum.4 Kündigung

2.3224 Kündigungen sind häufig Gegenstand von Feststellungsanträgen (§ 256 ZPO). Hier ist schon fraglich, ob bereits die Wirksamkeit einer Gestaltungserklärung ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO darstellt oder sich das Feststellungsbegehren vielmehr positiv oder negativ zur Gestaltungswirkung einer derartigen Erklärung verhalten muss. Nach Ansicht des BGH kommt nicht die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, sondern – ggf. nach Umdeutung eines darauf gerichteten Klageantrages – nur die Feststellung auf Fortbestand des Mietverhältnisses in Betracht.5 Zur Bewertung dahingehender Feststellungsklagen s. unter „Feststellung“, Rz. 2.3198 und allgemein unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481.

2.3225 Der Gegenstandswert einer auf Abgabe der Kündigungserklärung eines Mietverhältnisses gerichteten anwaltlichen Tätigkeit ist nach dem Wert der Räumungsklage, mithin nach § 41 Abs. 2 GKG zu bemessen, da beide auf den Rückerhalt der Mietsache gerichtet sind (und damit den gleichen Gegenstand betreffen).6 1 AG Menden, Urt. v. 7.3.2007 – 4 C 407/06, WuM 2007, 190: hier 2,5 %. 2 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355; BGH, Beschl. v. 2.10.2007 – III ZB 47/07, WuM 2007, 639; BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, WuM 2005, 350; BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – III ZR 206/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 8. 3 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355. 4 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202, AGS 2006, 559; KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/93, JurBüro 1994, 243; a.A. zur ergänzenden Berücksichtigung der Mietminderung und des Schadensersatzes aufgrund der Konkurrenz: OLG Düsseldorf, Beschl. 18.7.2005 – 24 W 33/05, ZMR 2006, 275. 5 BGH, Urt. v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rz. 3. 6 Zutr. BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, MDR 2007, 982 = NJW 2007, 2050; Peter, NJW 2007, 2298, 2301.

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2. Teil

Bei der Wertberechnung derartiger Fälle bleibt aber zu beachten, dass der Streit über die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Parteien zugleich über die Wirksamkeit der damit regelmäßig zugleich erklärten ordentlichen Kündigung streiten. Diesem Umstand ist in der im Einzelfall notwendigen Bestimmung der „streitigen Zeit“ Rechnung zu tragen. Deshalb ist in einem solchen Fall lediglich der Differenzbetrag zwischen diesen Kündigungszeiträumen anzusetzen, sofern er unterhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 1 GKG liegt (s. Rz. 2.2991 ff. und 2.3048 ff.).

2.3226

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Mietstreitigkeiten

Stützt der Vermieter seine Räumungsklage auf mehrere Kündigungen, bleibt in der Regel der Jah- 2.3227 resbetrag (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GKG) wertbestimmend. Zwar handelt es sich, wenn den Kündigungserklärungen im Wesentlichen verschiedene Sachverhalte zugrunde liegen, um eine objektive Klagehäufung.1 Da beide Streitgegenstände jedoch auf den Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet sind, steht einer Wertaddition die wirtschaftliche Identität der prozessualen Ansprüche entgegen.2 Das schließt es jedoch nicht aus, für eine gerechte Kostengrundentscheidung einen sog. fiktiven Streitwert zu bilden und die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens nach diesem Streitwert zu verteilen. So etwa, wenn dem Mieter zunächst wegen einer (in der Beweisaufnahme nicht nachweisbaren) schwerwiegenden Störung des Hausfriedens und nachfolgend wegen erheblichen Mietzinsrückstandes gekündigt worden ist. Ist die Wirksamkeit einer Kündigung nur als Vorfrage für die Entscheidung eines Räumungsbegehrens von Bedeutung, bestimmt sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Jahresentgelt, wenn nicht die „streitige Zeit“ geringer ist.

2.3228

Fehlt es demgegenüber an einem Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung, unabhängig davon, ob sie ordentlich oder außerordentlich erklärt worden ist, räumt der Beklagte aber dennoch nicht, dann ist gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG der Jahresbetrag anzusetzen. Denn für das Räumungsverlangen ist der Jahresbetrag auch dann maßgebend, wenn über die Beendigung des Nutzungsverhältnisses selbst kein Streit besteht.

2.3229

Klagt ein Mitmieter gegen einen anderen auf Zustimmung zur gemeinsamen Kündigung des Mietverhältnisses, bestimmt sich der Streitwert der auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Klage nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das klägerische Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Ist es auf den alleinigen Erhalt der Wohnung gerichtet, dürfte eine Jahresmiete anzusetzen sein.3

2.3230

Kündigungsmöglichkeit Bei einer Klage auf Feststellung, ob der bei einem Vertrag von unbestimmter Dauer vereinbarte Kündigungsverzicht wirksam ist oder ein Mietvertrag von bestimmter Dauer bereits vor seinem Ablauf ordentlich gekündigt werden kann, ist § 41 Abs. 1 GKG und nicht § 3 ZPO einschlägig.4 In beiden Fällen steht zwar der Bestand des Mietvertrages außer Streit, nicht jedoch seine zeitliche Bindungswirkung, mithin die Dauer des Mietverhältnisses.5

2.3231

Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Kündigung bereits ausgesprochen worden ist, da dies auf den materiell-rechtlichen Kern des Streits keinen Einfluss hat. Angesichts der sozialen Schutz-

2.3232

1 OLG Brandenburg, Urt. v. 24.2.2010 – 3 U 112/09; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.7.1993 – VIII ZB 22/93, NJW-RR 1994, 61: Klageänderung bei Wechsel von einer Kündigung zur anderen. 2 KG, Beschl. v. 12.1.2012 – 8 W 31/11, MDR 2012, 455; insoweit zutr. OLG Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – 3 U 64/07, ZMR 2008, 361; OLG München, Beschl. v. 9.7.2001 – 5 W 1857/01, NZM 2001, 749; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303. 3 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323; ebenso für § 42 Abs. 1 FamGKG OLG Bremen, Beschl. v. 16.11.2020 – 4 WF 67/20, JurBüro 2021, 42. 4 OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1984 – 8 W 15/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 36 m. zust. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, MDR 1967, 313; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 88. 5 Ebenso für den Streit über eine Verlängerungsoption: OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 4 W 63/93, WuM 1994, 553.

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Mietstreitigkeiten

funktion des § 41 GKG ist auch nicht erkennbar, warum es wertmäßig einen Unterschied machen soll, ob der Mieter eine drohende Kündigung erst abwartet oder bereits vorab eine gerichtliche Klärung sucht. Daher müsste selbst bei Anwendung des § 3 ZPO die Wertvorgabe des § 41 Abs. 1 GKG mittelbar berücksichtigt werden.1 Künftige Mietzahlung

2.3233 Ist die Klage auf Zahlung von Miet- oder Pachtzins gerichtet, bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert, im letztgenannten Fall über § 48 Abs. 1 GKG, gem. § 6 ZPO nach dem bezifferten Klagebetrag, unabhängig davon, ob es sich hierbei um rückständiges oder künftiges Nutzungsentgelt handelt,2 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG. Dies gilt auch dann, wenn (allein) der Bestand des den Zahlungsanspruch begründenden Mietverhältnisses im Streit steht.3

2.3234 Nach § 9 ZPO (für den Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG) ist zu bewerten, wenn die Zahlungsklage auf einem Streit über die Berechtigung zur Mietminderung oder Mieterhöhung beruht. Für eine Beschränkung des Streitwerts auf den Jahresbetrag gem. § 41 Abs. 5 GKG ist bereits nach dessen Wortlaut kein Raum.4 Denn der Anspruch „auf“ (Zustimmung zur) Erhöhung der Miete ist mit dem Anspruch „aus“ der Mieterhöhung nicht identisch. § 41 Abs. 5 GKG privilegiert gebührenrechtlich allein den Streit um die Mieterhöhung und nicht über die sich daraus ergebenden wiederkehrenden Verpflichtungen.

2.3235 Angesichts der bei § 259 ZPO erforderlichen Bezifferung der Einzelleistung, d.h. der monatlichen Bruttomiete, ist eine Unterscheidung zwischen Nettogrundentgelt und Nebenkosten (§ 41 Abs. 1 Satz 2 GKG) entbehrlich. Die Nebenkosten stellen auch keine Kosten i.S.v. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG dar, mit denen nur Aufwendungen anlässlich der Geltendmachung der Hauptforderungen gemeint sind.

2.3236 Wird ohne Bezifferung des Gesamtbetrages auf Zahlung künftiger Miete oder Pacht geklagt, sind § 8 ZPO und § 41 GKG nicht anwendbar. Vielmehr ist zu unterscheiden: – Handelt es sich um ein Nutzungsverhältnis von bestimmter Dauer, ist der Wert (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag und nach der Höhe der insgesamt noch fällig werdenden Miet- oder Pachtzahlungen begrenzt, wenn dieser Betrag niedriger ist. Hinzuzurechnen sind immer die bei Klageerhebung bereits aufgelaufenen Rückstände.5 – Ist die Dauer des Nutzungsverhältnisses unbestimmt, bemisst sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (zumindest seit Neufassung in 1993) nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag zzgl. bei Klageerhebung bereits aufgelaufener Rückstände.6

1 Vgl. E. Schneider, Anm. zu KostRsp. GKG § 16 Nr. 36. 2 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824; BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 m. Anm. Schneider; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 3 W 3/97, WuM 1997, 278. 3 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736; OLG München, Beschl. v. 3.3.1997 – 15 W 2857/96, OLGR 1997, 107; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 4; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 315 – künftige Nutzungsentschädigung analog § 41 Abs. 5 GKG; ähnlich LG Berlin, Beschl. v. 7.8.2009 – 63 T 138/09, Grundeigentum 2009, 1317 – Bewertung nach § 3 ZPO, jedoch in „einfach gelagerten Fällen“ Begrenzung auf Jahresbetrag. 4 LG Berlin, Beschl. v. 1.10.2002 – 65 T 73/02, AGS 2003, 463; a.A. LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 = AGS 1999, 74. 5 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101 = NJW-RR 2005, 938; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 13 W 3/97, WuM 1997, 278. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437; a.A. Vorauflage: nur bei Verträgen auf Lebenszeit; LG Hamburg, Beschl. v. 4.8.1975 – 11 T 17/75, ZMR 1977, 63: Schätzung nach § 3 ZPO.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

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– Ist die Zahlungsverpflichtung hingegen unstreitig und geht es dem Kläger wirtschaftlich allein darum, drohenden Zinsverlusten durch zögerliche Zahlungen vorzubeugen und der lästigen Überweisungskontrolle enthoben zu werden, dann ist eine geringere Bewertung vertretbar.1 Künftige Nutzungsentschädigung Klagt der Vermieter nach unstreitiger Kündigung des Mietverhältnisses auf Zahlung von Nutzungs- 2.3237 entschädigung bis zur Herausgabe, bemisst sich der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO.2 Für eine Anwendung von § 9 ZPO fehlt es aufgrund des beendeten Mietverhältnisses an einem Stammrecht. Für die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist nicht nur die übliche, damit in der Regel die ursprünglich vereinbarte Netto-Kaltmiete zugrunde zu legen, sondern auch die Nebenkosten.3 In einfach gelagerten Fällen kann der zu erwartende Zeitraum zwischen klageweiser Geltendmachung der Nutzungsentschädigung und voraussichtlicher Räumung auf 12 Monate geschätzt werden.4 Eine vorzeitige Räumung hat auf den Streitwert keinen Einfluss, § 4 ZPO.5

2.3238

Ebenso ist nach § 3 ZPO zu bewerten, wenn entgangener Gewinn als Schadensersatz wegen Nicht- 2.3239 erfüllung geltend gemacht wird. Auch hier fehlt es für § 9 ZPO an einem Stammrecht, das auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen gerichtet ist. Vielmehr handelt es sich um einen Anspruch auf Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens, dessen Höhe lediglich noch nicht feststeht.6 Mängelbeseitigung

2.3240

Siehe unter „Instandsetzung“, Rz. 2.3210. Medien (Rundfunk, Fernsehen, Telefon)

2.3241

Siehe unter „Duldung“, Rz. 2.3187 und „Parabolantenne“, Rz. 2.3286. Mietausfall Klagt der Vermieter auf Ersatz künftigen Mietausfalls, bestimmt sich der Wert gem. § 3 ZPO nach der Höhe des nach der Vertragslaufzeit entgangenen Gewinns. Einer Bewertung nach § 41 Abs. 1 1 AG Kerpen, Urt. v. 5.4.1991 – 22 C 32/91, KostRsp. GKG § 16 Nr. 73 m. Anm. E. Schneider = WuM 1991, 439 m. Anm. N. Schneider: 1/5 des Jahresmietzinses. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 23.11.2018 – 6 W 22/18; KG, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 158/10, MDR 2011, 513; OLG Celle, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 32/14, MDR 2014, 568: OLG Dresden, Beschl. v. 2.8.2012 – 5 W 745/12, NJW-RR 2012, 1214; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.4.2016 – 8 W 62/15, NZM 2017, 475; OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2019 – 30 W 5/19, AGS 2019, 270; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.5.2011 – 1 W 14/11, MietRB 2012, 71; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 158/10, MDR 2011, 513; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008 – 33 W 18/07, AGS 2008, 358: § 9 ZPO für Nutzungsentschädigung aufgrund Nießbrauch:; LG Berlin, Beschl. v. 8.11.2016 – 67 S 285/16, AGS 2017, 126: § 9 ZPO. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 158/10, MDR 2011, 513; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.1.2013 – 1 T 22/13, AGS 2013, 142. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 23.11.2018 – 6 W 22/18, BeckRS 2018, 33651; KG, Beschl. v. 19.9.2011 – 8 W 57/11, Grundeigentum 2011, 1616; OLG Celle, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 32/14, MDR 2014, 568 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2011 – 10 W 79/10, AGS 2012, 144; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 158/10, MDR 2011, 513; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 24.1.2005 – 62 T 12/05, Grundeigentum 2005, 237; KG, Beschl. v. 22.5.2000 – 20 W 3878/00, KGReport Berlin 2000, 234 – jeweils Halbjahresbetrag; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.5.2011 – 1 W 14/11, MietRB 2012, 71: 3 Monate. 5 KG, Beschl. v. 19.9.2011 – 8 W 57/11, Grundeigentum 2011, 1616; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2011 – 10 W 79/10, AGS 2012, 144. 6 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824.

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

GKG analog steht entgegen, dass der Bestand des Mietverhältnisses, etwa weil sich der Beklagte auf eine Kündigung beruft, nicht Gegenstand des prozessualen Anspruchs ist. Für eine Anwendung von § 9 ZPO fehlt es an der Geltendmachung eines Rechts, das auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist, denn mit der Klage beansprucht der Kläger Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens, dessen Höhe lediglich noch nicht feststeht.1 Miete

2.3243 Ist die Klage auf Zahlung rückständiger Miete gerichtet, bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (über § 48 Abs. 1 GKG), gem. § 6 Satz 1 ZPO nach dem bezifferten Klagebetrag2 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG. Dies gilt auch dann, wenn (allein) der Bestand des den Zahlungsanspruch begründenden Mietverhältnisses im Streit steht.3

2.3244 Den Wert einer Klage des Mieters auf Auskunft über die Zusammensetzung einer Kostenmiete nach § 29 NMVO hat das AG Köln gem. § 3 ZPO auf 500 t beziffert.4

2.3245 Klagt der Mieter auf Feststellung der Mietpreisüberhöhung, handelt es sich um eine negative Feststellungsklage, da über den Bestand des Anspruchs auf künftige Mietzahlung entschieden wird. Der Streitwert entspricht daher dem Wert des Zahlungsanspruchs und bemisst sich gem. § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag der streitigen Mietdifferenz, wenn nicht aufgrund der bestimmten Dauer des Nutzungsverhältnisses der Gesamtbetrag der künftigen Differenzbezüge niedriger ist.5

2.3246 Das gilt – hinsichtlich Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer – in gleicher Weise für eine auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage.6 Der Gebührenstreitwert bestimmt sich nach § 41 Abs. 5 GKG.

2.3247 Der Streitwert einer Klage auf Festsetzung der ortsüblichen Miete aus einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen der geforderten und der nach dem Gestaltungsurteil vom Mieter zu zahlenden Miete, berechnet auf die gesamte restliche Vertragsdauer.7

2.3248 Bei der negativen Feststellungsklage verbleibt es beim vollen Streitwert nach § 41 Abs. 5 GKG.8 Dies gilt auch, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Mieterhöhung gerichtet ist. Zu beachten bleibt, dass § 41 Abs. 5 GKG nur die Mieterhöhung für Wohnräume regelt. Für Streitigkeiten über die Mietzinshöhe für Gewerberäume verbleibt es bei der Anwendung von § 9 ZPO.9

2.3249 Hingegen ist bei positiven Feststellungsklagen betreffend eine (künftig) erhöhte Mietzinsverpflichtung ein Abschlag von 20 % der Erhöhungsdifferenz geboten.10

1 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824. 2 BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 m. Anm. Schneider; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 13 W 3/97, WuM 1997, 278. 3 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736; OLG München, Beschl. v. 3.3.1997 – 15 W 2857/96, OLGR 1997, 107; Meyer, § 41 Rz. 8; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 4. 4 AG Köln, Urt. v. 10.5.1979 – 151 C 3027/79, WuM 1981, 283. 5 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944. 6 LG Mainz, Urt. v. 17.7.2012 – 6 S 31/12, WuM 2012, 507. 7 OLG München, AnwBl. 1960, 205. 8 LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435; nur insoweit zutr. LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 m. Anm. Enders. 9 OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, NJW-RR 1996, 844. 10 BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.3250

Ist das Klagebegehren auf Unterlassung gerichtet, die Miete künftig im Lastschriftverfahren einzuziehen, soll sich der Gebührenstreitwert nach Auffassung des LG Berlin2 gem. § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG auf das 3,5-fache Jahresnutzungsentgelt belaufen.

2.3251

ZPO

Geht der Kläger im Laufe eines Rechtsstreits hinsichtlich der bereits fällig gewordenen Mietbeträge von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so erhöht sich der Streitwert nur um den Differenzbetrag zwischen dem Feststellungswert und dem Leistungswert, also in der Regel um 20 %.1

Mietbürgschaft

2.3252

Siehe unter „Mietsicherheit“, Rz. 2.3255. Mieterschutzregelung Beruft sich der Beklagte gegenüber Kündigung und Räumungsklage auf Schutzvorschriften, die das Kündigungsrecht beschränken und ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung begründen, so dauert die „streitige Zeit“ bis zu dem Zeitpunkt an, den derjenige, der sich auf das Nutzungsrecht beruft, als den für ihn günstigsten Zeitpunkt in Anspruch nimmt.3

2.3253

Ist die Beendigung des Nutzungsverhältnisses danach ungewiss, bestimmt sich der Wert in entsprechender Anwendung nach § 9 ZPO auf den 42-fachen monatlichen Miet- oder Pachtzins.4

2.3254

Mietsicherheit (Bürgschaft, Kaution) Gemäß § 551 BGB kann der Vermieter die Stellung einer Mietsicherheit von höchstens drei Nettogrundmieten beanspruchen, die bei Veräußerung der Mietsache nach § 566a BGB an den Erwerber zu übergeben ist.

2.3255

Klagt der Mieter auf Auskunft über die (ordnungsgemäße) Anlage der Mietsicherheit, ist gem. § 3 ZPO dessen Interesse an der Sicherung des Kautionsbetrages wertbestimmend. Dieses wird im Regelfall mit höchstens 1/4 des anzulegenden Betrags zu beziffern sein.5.

2.3256

Ebenso ist nach § 3 ZPO für die Wertfestsetzung das Sicherungs- und nicht das Leistungsinteresse maßgebend, bei einer Klage des Mieters auf Auskunft über den Verbleib einer an den vorherigen Vermieter geleisteten Mietsicherheit.6

2.3257

Auch für eine Klage auf ordnungsgemäße Anlage der Mietsicherheit auf einem vom Vermögen des Vermieters getrennten Konto ist das Interesse des Mieters an der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs entscheidend. Soweit das LG Essen7 dieses unabhängig vom Insolvenzrisiko auf den Nominalbetrag beziffert, ist dem nicht zu folgen. Denn das Sicherungsinteresse entspricht nur dann dem Leistungsinteresse, wenn der Forderungsbestand durch einen drohenden Zugriff von Drittgläubigern unmittelbar gefährdet ist. Anderenfalls ist eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen, die im Regelfall bei 1/10 der Mietsicherheit liegt.

2.3258

Klagt der Mieter auf Auszahlung der Mietsicherheit oder Herausgabe des Kautionssparbuchs, ist gem. § 6 Satz 1 ZPO der Kautionsbetrag einschließlich der bis zur Klageeinreichung (§ 4 ZPO, § 42

2.3259

1 2 3 4

LG Hildesheim, Nds.Rpfl. 1965, 137. LG Berlin, Beschl. v. 30.10.1995 – 67 T 108/95, GE 1995, 1553. BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913. BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757. 5 OLG Köln, Beschl. v. 12.8.2009 – 16 W 26/09, MDR 2010, 96; AG Neumünster, Beschl. v. 9.5.1996 – 8 C 271/96, WuM 1996, 632; AG Oranienburg, Urt. v. 28.9.2006 – 21 C 300/03. 6 AG Pinneberg, Beschl. v. 11.9.1989 – 65 C 185/98, WuM 1999, 337: ohne weitere Begründung 600 t. 7 LG Essen, Beschl. v. 18.7.2003 – 10 T 75/03, MDR 2004, 207.

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GKG) aufgelaufenen Zinsen wertbestimmend.1 Da die Kautionszinsen mit ihrem Anfall zugleich die Sicherheit erhöhen (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB), handelt es sich nicht um Nebenforderungen i.S.v. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.2

2.3260 Der Streitwert bei Inanspruchnahme aus einer Mietbürgschaft bestimmt sich gem. § 3 ZPO nach dem Leistungsantrag und nicht nach dem Jahresbetrag gem. § 41 Abs. 1 GKG. Eine andere Bewertung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Parteien über den Bestand des Mietverhältnisses und damit die Hauptschuld streiten und hierüber inzidenter mitentschieden wird.3 Denn bei Zahlungsklagen gelangen § 8 ZPO und § 41 Abs. 1 GKG auch dann nicht zur Anwendung, wenn allein der Bestand des Mietverhältnisses streitig ist.4

2.3261 Begehrt der Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung dem Vermieter zu untersagen, eine ihm gestellte Mietbürgschaft in Anspruch zu nehmen, dann bestimmt sich der Streitwert nach Ansicht des LG Bonn5 nach einem Bruchteil des für den Mieter zu erwartenden Zinsschadens. Mietzins

2.3262 Siehe unter „Miete“, Rz. 2.3243. Minderung

2.3263 Gemäß § 536 BGB mindert sich der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der vereinbarten Miete kraft Gesetzes, wenn die Mietsache mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich beeinträchtigt. Ohne Einfluss auf die Wertfestsetzung bleibt die Erhebung der rechtsvernichtenden Einwendung, wenn sie auf Zahlung des ungeminderten Mietzinses erhoben wird. Denn bei bezifferten Zahlungsklagen bemisst sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 6 Satz 1 ZPO nur nach dem Klagebetrag.6

2.3264 Dies gilt auch, wenn gegenüber einer Räumungsklage der Einwand erhoben wird, dass es aufgrund der Minderung an einem zur (außerordentlichen) Kündigung berechtigenden Mietrückstand fehlen würde. Auch hier bestimmt sich der Wert allein nach dem auf Räumung gerichteten Klagebegehren, mithin nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 2 GKG.

2.3265 Klagt der Vermieter auf Feststellung, dass der Mieter zu einer Mietminderung nicht berechtigt ist, ist gem. § 3 ZPO der Gesamtbetrag der streitigen Kürzung wertbestimmend. Da es sich um eine positive Feststellungsklage handelt – die Miete mindert sich gem. § 536 BGB von Gesetzes wegen –, ist der übliche 20%ige Abschlag vorzunehmen. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke und entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG ist kein Raum.7

1 LG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1997 – 316 T 108/96, NJWE-MietR 1997, 199; LG Köln, Urt. v. 8.6.1995 – 1 S 266/94, WuM 1995, 719. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 5/14. 3 So aber OLG Hamburg, OLGE 15, 53; KG, OLGE 13, 71. 4 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736; Meyer, § 41 Rz. 8; Zöller/Herget, § 8 ZPO Rz. 4. 5 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.2008 – 6 T 27/08, NZM 2008, 317: 1/2 des Hauptsachewerts. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = JurBüro 2004, 377; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = NJW 2000, 3142. 7 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437: Schätzung nach § 3 ZPO mit 20%igem Abschlag und wegen § 9 ZPO begrenzt auf den 42-fachen Mietminderungsbetrag; a.A. KG, Beschl. v. 4.8.2011 – 8 W 48/11, AGS 2011, 558; KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 1135: gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 4 W 12/09, NJOZ 2010, 492; LG München, Beschl. v. 2.11.2011 – 13 T 21286/11.

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2. Teil

2.3266

Erhebt der Mieter als Kläger oder Widerkläger Klage auf Feststellung, dass er für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum wegen vorhandener Mängel zur Mietminderung berechtigt ist, ist der für positive Feststellungsklagen übliche 20%ige Abschlag nicht vorzunehmen. Zwar lautet der Urteilstenor im vorbeschriebenen Fall auf positive Feststellung, in der Sache handelt es sich jedoch um eine Verneinung des dem Vermieter (vertraglich) zustehenden Mietzahlungsanspruchs, mithin um eine negative Feststellungsklage.3

2.3267

ZPO

Zu beachten ist jedoch, dass der Wert der Feststellungsklage nicht über dem Wert einer auf künftige Leistung (Mietzahlung) gerichteten Klage liegen kann. Daher kann der Streitwert des vorbezeichneten Feststellungsbegehrens wegen § 9 ZPO nicht über dem 3,5-fachen Jahresbetrag der streitigen Mietdifferenz zzgl. vor Klageerhebung aufgelaufener Rückstände liegen.1 Die zum Teil unter entsprechender Anwendung von § 41 GKG befürwortete Beschränkung auf den Jahresbetrag der möglichen Mietminderung2 überzeugt nicht. Da nach zutreffender Ansicht Zahlungsklagen weder von § 41 Abs. 1 GKG noch von § 41 Abs. 5 GKG erfasst werden, besteht auch kein Anlass, Klagen nach deren Maßstab zu bewerten, die auf Feststellung der (fehlenden) Zahlungsverpflichtung gerichtet sind.

Wird neben der Feststellung der Berechtigung zur Minderung auf Mängelbeseitigung geklagt, dann 2.3268 findet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nur statt, wenn unterschiedliche Zeiträume betroffen sind. Anderenfalls betreffen beide Ansprüche wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand, nämlich das Interesse an einer mangelfreien Gebrauchsgewährung.4 Modernisierung Bei der Klage aus § 555d BGB auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen für Wohnraum bestimmen sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an der Durchführung der Modernisierung. Dieses ist wertmäßig nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung zu bemessen. Für den Gebührenstreitwert ist nach § 41 Abs. 5 GKG aus sozialen Gründen der Jahresbetrag der möglichen Mieterhöhung maßgeblich. Zu den Einzelheiten s. vorstehend Rz. 2.3093 ff.

2.3269

Musterprozess Für die Beschwer ist das Interesse am konkreten Rechtsstreit entscheidend. Dass der Vermieter einen Musterprozess führen will, ist unbeachtlich.5

2.3270

Nebenkosten (Betriebskosten) Nebenkosten sind alle Leistungen des Mieters, die neben dem Entgelt für die Gebrauchsüberlassung, der Grundmiete, geschuldet werden.6 Da gem. § 535 BGB mit der Miete zugleich alle mit der Gebrauchsgewährung anfallenden Nebenkosten abgegolten sind, bedarf es für deren Umlage auf den Mieter einer gesonderten Vereinbarung. Zu den Nebenkosten zählen neben den Sonder- und Nebenleistungen die Betriebskosten gem. § 556 Abs. 1 BGB.

1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = JurBüro 2004, 377; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 – Beschwer; LG Hamburg, Beschl. v. 11.9.1995 – 311 O 183/95, WuM 1996, 287; a.A. LG Hamburg, Beschl. v. 28.2.1989 – 16 T 19/89, WuM 1989, 430: 36-facher Minderungsbetrag – 20%iger Abschlag. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, AGS 2003, 408 = SchlHA 2004, 31. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1866. 4 Ungenau daher AG München, Urt. v. 2.6.2014 – 282 C 4912/14, WuM 2014, 437. 5 LG Bonn, Beschl. v. 11.1.1993 – 6 S 416/92, WuM 1993, 468; LG München I, Beschl. v. 5.6.1991 – 20 S 10394/91, WuM 1992, 495; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Klageantrag“ Rz. 3. 6 Palandt/Weidenkaff, § 535 Rz. 87.

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2.3272 Lässt der Mieter die ihm gestellte Nebenkostenabrechnung durch einen Rechtsanwalt (außergerichtlich) prüfen, bestimmt sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach der Höhe der von dem Vermieter berechneten Nachforderung.1

2.3273 Klagt der Vermieter auf Feststellung, dass neben der Miete bestimmte Nebenkosten geschuldet werden, bestimmt sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 9 ZPO und entspricht daher dem 3,5-fachen Jahresbetrag, wenn nicht aufgrund der bestimmten Dauer des Mietverhältnisses der Gesamtbetrag niedriger ist. Da es sich bei den Vorauszahlungen um abrechnungspflichtige Zahlungen handelt, ist das Interesse nicht immer mit dem Jahresvorauszahlungsbetrag identisch. Dieser mag jedoch einen Anhalt für die tatsächlich zu erwartenden Kosten geben.

2.3274 Da § 41 Abs. 5 GKG auch Ansprüche auf Erhöhung der Betriebskostenpauschale gem. § 560 BGB erfasst, ist für den Gebührenstreitwert auf den Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Vorauszahlung abzustellen.2 Beim Zuständigkeitsstreitwert verbleibt es bei der Bemessung nach § 9 ZPO, d.h. bei dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Differenz.

2.3275 Der Wert einer Klage auf Abrechnung geleisteter Vorauszahlungen kann, wenn die (wirksame) Umlage der Nebenkosten unstreitig ist, nicht dem Vorauszahlungsbetrag entsprechen, da der Anfall von Nebenkosten (in unbekannter Höhe) nicht infrage steht. Ausgangspunkt der Wertfestsetzung ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse an der Rückzahlung eines sich nach ordnungsgemäßer Abrechnung ergebenden Überschusses.3 Da das Abrechnungsverlangen insoweit einem Auskunftsverlangen gleichsteht, kommt nur eine Bruchteilsbewertung in Betracht.4

2.3276 Klagt der Mieter nach Abrechnung auf Einsichtnahme in die Nebenkostenbelege, sind Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ebenfalls nach § 3 ZPO zu bestimmen. Maßgeblich ist das klägerische Interesse an der Rückzahlung möglicher Überzahlungen. Aus der Vergleichbarkeit mit einem Auskunftsanspruch ist auch hier eine Bruchteilsbewertung geboten. Diese sollte jedoch niedriger als bei einer auf Abrechnung gerichteten Klage liegen, da die Einsicht regelmäßig nur der Überprüfung einer bereits erfolgten Abrechnung dient. Angemessen ist 1/10 bis 1/5.5

2.3277 Dies muss entgegen LG Kiel6 auch dann gelten, wenn der Streit zum Gegenstand hat, ob der Mieter Einsicht in die Belege nur am (Wohn-)Sitz des Vermieters oder (ggf. nach Übersendung) am Mietobjekt erhält. Zwar besteht die Differenz nur in der Tragung des zur Einsicht erforderlichen Aufwandes, jedoch dient die Einsicht auch hier der Überprüfung der vom Vermieter erstellten Abrechnung des darin ausgeworfenen Saldos.

2.3278 Demgegenüber bestimmt sich die Beschwer für den zur Abrechnung oder Gewährung von Belegeinsicht verurteilten Vermieter nicht nach der Höhe des erwarteten Rückzahlungsbetrages, sondern nach dem mit der Abrechnung verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwand.7 Auch diese Bewertung

1 AG Düsseldorf, JurBüro 2009, 256; AG Hamburg AGS 2008, 565. 2 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.1989 – 6 T 14/89, WuM 1989, 435; LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435. 3 BGH, Beschl. v. 10.1.2017 – VIII ZR 98/16, MDR 2017, 725 – Beschwer; OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165. 4 BGH, Beschl. v. 10.1.2017 – VIII ZR 98/16, MDR 2017, 725 – Beschwer: 1/2 wäre großzügig; AG Witten, Urt. v. 14.2.2002 – 2 C 427/01, NZM 2003, 851: 1/3; LG Bonn, Beschl. v. 31.10.1991 – 6 T 246/91, JurBüro 1992, 117: 1/4; LG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2000 – 2-17 T 12/00, NZM 2000, 759: 1/3; LG Stuttgart, Beschl. v. 20.4.1988 – 2 T 238/88, WuM 1989, 434: 1/4-1/5; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 22.7.1991 – 2 T 48/91, WuM 1991, 504: Höhe des erfahrungsgemäß zu erwartenden Rückzahlungsanspruchs. 5 LG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 12 T 20/97, MDR 1997, 894 = AGS 1997, 118 m. Anm. N. Schneider. 6 LG Kiel, Beschl. v. 22.12.1987 – 1 S 89/87, WuM 1988, 223. 7 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 43.

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entspricht der Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch. Siehe hierzu unter dem Stichwörter „Stufenklage“, Rz. 2.4598. Nebenleistungen Bei mietrechtlichen Streitigkeiten ist eine Streitwertfestsetzung häufig ohne Bezifferung des „einjährigen Entgelts“ (§ 8 ZPO und § 41 GKG) bzw. der „einjährigen Zinsen“ nicht möglich. Bislang war in diesem Zusammenhang streitig, ob zum Entgelt bzw. Zins i.S.d. § 8 ZPO und § 16 GKG a.F. neben der Grundmiete (Nettokaltmiete) nur Gegenleistungen für die eigentliche Raumüberlassung einschließlich nicht verbrauchsabhängiger Nebenkosten zählen, wie Grundsteuer, Hausversicherungen etc., oder ob weiter auch die Abgeltung zusätzlicher Leistungen des Vermieters außerhalb der Raumüberlassung dazugehören, wie die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Warmwasser etc. Zum Streitstand s. Rz. 2.2998 ff. und 2.3033 ff.

2.3279

Mit der Aufnahme einer Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 GKG ist dieser Streit weitgehend überholt. 2.3280 Hiernach sind Nebenkosten, mithin sämtliche neben der Grundmiete zu erbringenden Nebenleistungen, nur noch zu berücksichtigen, wenn sie pauschal und ohne Abrechnungspflicht vereinbart worden sind. Damit wird der Entgeltbegriff für das Gebührenrecht nicht mehr materiell-rechtlich, sondern abrechnungstechnisch definiert. Dies ist im Hinblick auf eine für die Beteiligten nunmehr voraussehbare und erleichterte Streitwertfestsetzung zu begrüßen. Diese gesetzgeberische Intervention sollte nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei pauschal und nicht abrechnungspflichtigen Nebenkosten weiterhin zwischen objektbezogenen und verbrauchsabhängigen Betriebskosten unterschieden wird. Bei der Entgeltermittlung scheiden daher allein solche Nebenleistungen aus, die nur anlässlich der Vermietung bzw. Verpachtung vereinbart worden sind und mit der Nutzung der Miet- oder Pachtsache in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Hierzu gehört beispielsweise die (monatliche) Rückzahlung eines vom Vermieter dem Mieter zum Zwecke der Wohnungsmodernisierung gewährten Darlehens.

2.3281

Nichtigkeit Auf Räumungsklagen, denen ein Streit über ein Miet- oder Pachtverhältnis zugrunde liegt, ist § 41 Abs. 1 GKG ohne Rücksicht auf die Klagebegründung anzuwenden, also auch dann, wenn der Räumungsanspruch auf Nichtigkeit des Miet- oder Pachtvertrages gestützt wird.1 Soweit die Gegenansicht nach § 6 ZPO bewertet, wenn sich die die Nichtigkeit begründenden Umstände (z.B. Täuschungshandlung) und die Anfechtungserklärung aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben, überzeugt das nicht. Hier werden die materiell-rechtliche Entscheidung des Rechtsstreits und seine streitwertrechtliche Beurteilung miteinander vermengt. Denn dass sich der Beklagte nach Ansicht des Gerichts zu Unrecht auf ein Nutzungsverhältnis beruft, vermag am „Streit“ über dessen Bestand nichts zu ändern.

2.3282

Nutzungsentgelt

2.3283

Siehe unter „Miete“, Rz. 2.3243 und „Künftige Nutzungsentschädigung“, Rz. 2.3237. Nutzungswert Wird Räumung oder Herausgabe „auch aus einem anderen Rechtsgrund“ (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG) verlangt, etwa weil lediglich der Beklagte das Bestehen eines Mietverhältnisses einwendet, dann ist der Nutzungswert einer Wohnung oder eines Hauses danach zu berechnen, welcher Mietzins (Nutzungsentgelt) bei vertraglicher Überlassung objektiv erzielbar wäre.2 Im Regelfall kann das Nutzungsentgelt

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.4.1981 – 4 W 93/80, JurBüro 1981, 1047; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 25; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1955, 230. 2 OLG Celle, JurBüro 1968, 251; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1424; Meyer, § 41 Rz. 20.

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Mietstreitigkeiten

mit dem (nach dem Vortrag des Klägers) vereinbarten Nutzungsentgelt gleichgesetzt werden.1 Anderenfalls muss – etwa unter Zuhilfenahme eines Mietspiegels – geschätzt oder durch Sachverständigenbeweis ermittelt werden. Ob der Nutzende das Gebäude verbessert hat, ist dabei unerheblich. Das objektiv zu erzielende Nutzungsentgelt ist nach dem Zustand im Zeitpunkt der Klageerhebung zu beurteilen. Option

2.3285 Streiten die Parteien über die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund einer Verlängerungsoption, bestimmt sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG, da es sich um einen Streit über die Dauer des Mietverhältnisses handelt. Maßgeblich ist der Jahresbetrag, soweit nicht eine Fortsetzung von kürzerer Dauer beabsichtigt ist.2 Parabolantenne (Medien)

2.3286 Aus § 535 BGB folgt die Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter die Mietsache so zur Verfügung zu stellen, dass dieser die Sache im üblichen oder vertraglich vereinbarten Umfang nutzen kann. Im Gegenzug hat der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch, insbesondere eine Veränderung der Mietsache, ohne Zustimmung des Vermieters zu unterlassen, § 541 BGB. So obliegt es grundsätzlich dem Vermieter von Wohnraum, den Anschluss von Telefon (ISDN) sowie den Empfang von Rundfunk und Fernsehen zu ermöglichen, während der Mieter in der Regel nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Vermieters die hierfür notwendigen technischen Veränderungen der Mietsache vorzunehmen. Der Streit über die daraus im Einzelfall folgenden Pflichten der Vertragsparteien ist ein Streit über den Inhalt des Mietvertrages. Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bemisst sich daher (über § 48 Abs. 1 GKG) gem. § 3 ZPO jeweils nach dem klägerischen Interesse.3 Hierbei ist zu unterscheiden: – Klagt der Mieter auf Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Parabolantenne, ist dessen Informations- oder Unterhaltungsinteresse maßgebend.4 – Klagt der Vermieter auf Beseitigung einer Parabolantenne, entspricht das klägerische Interesse dem Interesse an einem Zustand ohne Rechtsbeeinträchtigung und damit nur mittelbar den dafür erforderlichen Maßnahmen. Daher kommt, wie auch sonst bei Beseitigungsansprüchen, dem Aufwand zur Beseitigung keine wertbestimmende Bedeutung zu.5 Maßgebend ist allein das in der Regel auf optischen bzw. ästhetischen Gründen beruhende Interesse an einer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. dem bis dahin bestehenden Minderwert.6 Die (materielle) Beschwer des zur Beseitigung verurteilten Mieters bestimmt sich demgegenüber nach den mit der – ihm auferlegten – Beseitigung verbundenen Aufwendungen. Im Einzelfall kann auch ein etwaiges Inte-

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 403 = NJW-RR 1988, 395; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 4 W 63/93, WuM 1994, 553. 3 Schmittmann, JurBüro 1995, 509. 4 LG Arnsberg, Beschl. v. 25.7.2001 – 6 T 382/01, WuM 2001, 577: 1.000 t; LG Erfurt, Urt. v. 17.8.2001 – 2 S 46/01, Grundeigentum 2001, 1467: 2.500 t – Beschwer; LG Köln, Urt. v. 14.2.2001 – 10 S 314/00, WuM 2001, 235: 750 t – Beschwer. 5 So aber LG Kiel, Beschl. v. 18.3.1994 – 1 S 319/93, WuM 1996, 632; LG München I, Beschl. v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, – 20 S 16565/93, WuM 1993, 745. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450 = MDR 2006, 1374; LG Bonn, Beschl. v. 11.1.1993 – 6 S 416/92, WuM 1993, 468: 600 t; LG Bremen, Urt. v. 30.3.1999 – 6 S 34/99, WuM 2000, 364; LG Hamburg, Urt. v. 3.9.1990 – 311 T 74/90, WuM 1991, 359; den Beseitigungsaufwand beim Streitwert zusätzlich berücksichtigend: LG Frankfurt, JurBüro 2002, 531; LG München, Beschl. v. 1.2.2016 – 31 S 21423/15, AGS 2016, 288: i.d.R. nicht über 600 t.

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2. Teil

Der gegenteiligen Ansicht, die entweder allein2 oder werterhöhend auf Beseitigungskosten abstellt, ist nicht zu folgen.3 Die Begründung, mit der Verurteilung zur Beseitigung bezwecke der Vermieter zugleich, nicht auf den Kosten der Beseitigung „sitzen zu bleiben“,4 setzt das Klageinteresse unzulässigerweise mit dem Vollstreckungsaufwand gleich. Zudem wird übersehen, dass der Vermieter im Zwangsvollstreckungsverfahren die „Verurteilung“ des Schuldners zur Vorschusszahlung herbeiführen und vollstrecken kann. Erst hier sind die Beseitigungskosten als Vorschussbetrag streitwertbestimmend.5

2.3287

Räumung Wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Räumung einer Wohnung nach § 940a ZPO verlangt, steht eine Vorwegnahme der Hauptsache im Vordergrund. Daher ist der Streitwert mindestens mit einer halben Jahresmiete zu bestimmen.6

2.3288

Räumungsfrist Gemäß §§ 721, 794a Abs. 2 ZPO ist auf Antrag oder von Amts wegen über die Gewährung und auf 2.3289 Antrag über die Verkürzung oder Verlängerung einer bereits gewährten Räumungsfrist zu entscheiden. Für den Wert des eigenständigen Beschluss- oder des Beschwerdeverfahrens ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Vollstreckungsschuldners am Räumungsaufschub bzw. des Vollstreckungsgläubigers am vorzeitigen Rückerhalt des Nutzungsobjekts maßgebend. Ist der Antrag auf Einräumung eines (weiteren) Aufschubs oder einer Verkürzung mit bestimmter Dauer gestellt, bestimmt sich der Wert nach dem für diesen Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelt.7 Zu beachten bleibt, dass gem. § 721 Abs. 5, § 794a Abs. 3 ZPO die Räumungsfrist insgesamt ein Jahr nicht überschreiten darf. Wird der Antrag im Hauptsacheverfahren (hilfsweise) neben dem auf Verurteilung zur Räumung bzw. auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag gestellt, dann scheidet eine Werterhöhung aufgrund wirtschaftlicher Identität aus.8 Daher fehlt es auch an einem Mehrwert, wenn sich Parteien eines Räumungsprozesses unter Verzicht auf Räumungsschutz (§§ 721, 74a Abs. 2 ZPO) in gesetzlich zulässigem Umfang einigen.9

2.3290

Für eine Bruchteilsbewertung oder unabhängig von § 721 Abs. 5, § 794a Abs. 3 ZPO zeitbezogene Beschränkung besteht kein Anlass, auch deshalb nicht, weil mit der Räumungsfrist die (fortdauern-

2.3291

1 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 13747, jedoch offenlassend bzgl. des Informations- bzw. Unterhaltungsinteresses; vgl. hierzu LG Erfurt, Urt. v. 17.8.2001 – 2 S 46/01, Grundeigentum 2001, 1467; LG München, Beschl. v. 1.2.2016 – 31 S 21423/15, AGS 2016, 288. 2 LG Heidelberg, Beschl. v. 2.7.1993 – 5 S 27/93, WuM 1993, 734; LG München I, Beschl. v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, WuM 1993, 745. 3 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.2002, JurBüro 2002, 531; LG Kiel, Beschl. v. 18.3.1994 – 1 S 319/93, WuM 1996, 632; Schmittmann, JurBüro 1995, 509. 4 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.2002 – 2-11 T 22/02, JurBüro 2002, 531. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.70. 6 AG Bonn, Beschl. v. 4.11.2014 – 204 C 66/14. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, AGS 2006, 563; LG Bamberg, Beschl. v. 15.4.2020 – 3 T 38/20, AGS 2020, 484; LG Kempten, AnwBl. 1968, 58; LG München, Beschl. v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 41. 8 LG Baden-Baden, Beschl. v. 19.1.2012 – 4 T 26/11, AGS 2013, 418. 9 Zutr. AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16, AGS 2016, 523; a.A. ohne Erörterung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, ZMR 2010, 177; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303.

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resse des Mieters am Empfang zusätzlicher Fernsehprogramme werterhöhend berücksichtigt werden.1

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2. Teil

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Mietstreitigkeiten

de) Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verbunden ist.1 Wie auch sonst für die Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG ist es unerheblich, dass mit dem festzustellenden Bestand des Mietverhältnisses zugleich Zahlungsverpflichtungen verbunden sind. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile findet bei der Ermittlung des klägerischen Interesses (in der Regel) nicht statt.

2.3292 Siehe für das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO auch unter „Vollstreckungsschutz“, Rz. 2.5634 ff. Rückständige Miete

2.3293 Wird rückständige Miete eingeklagt, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Forderungsbetrag2 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG. Siehe im Übrigen unter „Miete“, Rz. 2.3243. Schlüssel

2.3294 Klagt der Mieter auf Herausgabe von Schlüsseln zur Wohnungs- bzw. Hauseingangstüre, ist die Klage auf Besitzverschaffung gerichtet. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich nach § 8 ZPO, der als Sondernorm für miet- und pachtrechtliche Streitigkeiten dem § 6 ZPO vorgeht3 – s. „Besitz“, Rz. 2.3166. Der Gebührenstreitwert ist nach § 41 GKG mit dem Jahresbetrag festzusetzen, falls nicht die streitige Zeit geringer ist.4

2.3295 Der Antrag auf vorläufige Besitzverschaffung an einer Wohnung oder einem Geschäftsraum (Übergabe eines Schlüssels) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu bewerten. Ist der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB) Streitgegenstand, richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem Nutzungsinteresse des Besitzers. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen. Denn die Besitzverschaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert speziellere Norm erfasst.5 Trotz Leistungsverfügung ist wegen des nur vorläufigen Rechtsschutzes ein – wenngleich höherer – Bruchteil des Hauptsachewertes, in der Regel 2/3 der Jahresmiete/ -pacht anzusetzen.

2.3296 Klagt der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses auf Rückgabe der Wohnungsschüssel, dann bemisst sich der Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 GKG. Wertbestimmend sind die Kosten eines Ersatzschlüssels. Die Kosten einer etwaig notwendigen Erneuerung der zugehörigen Schließanlage bleiben als bloße mittelbare wirtschaftliche Folge unberücksichtigt. Das gilt auch für die Beschwer des unterliegenden Vermieters.6 Schönheitsreparaturen

2.3297 Klagt der Vermieter auf Vornahme vereinbarter Schönheitsreparaturen, ist, da es sich um einen Streit über die sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten handelt, der Zuständigkeits- und Gebüh1 A.A. Begründung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, ZMR 2010, 177: 1/5; LG Stuttgart, Rpfleger 1968, 62: 3-fache Monatsmiete bzw. Nutzungsentschädigung; AG Saarbrücken, Beschl. v. 24.11.2015 – 37 C 151/15, AGS 2016, 9: 1/5 der Jahresmiete. 2 BGH, JurBüro 1966, 309; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 13 W 3/97, WuM 1997, 278; Meyer, § 41 Rz. 7 f. 3 Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 5. 4 LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1994, 208. 5 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225: 1/3; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189: voller Wert; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004. 6 BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, MDR 2018, 109; a.A. OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 1993, 79.

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2. Teil

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renstreitwert gem. § 3 ZPO nach dem Werterhaltungsinteresse des Vermieters zu bemessen. § 41 Abs. 5 GKG erfasst nach seinem Wortlaut allein Instandsetzungsansprüche des Mieters und ist auch nicht entsprechend anwendbar. Nichts anderes gilt, wenn die Wirksamkeit der Umlage von Schönheitsreparaturen Gegenstand einer Feststellungsklage ist. Es bleibt jedoch im Falle der positiven Feststellungsklage der 20%ige Abschlag zu beachten. Denn das Werterhaltungsinteresse findet weder in dem durch die Minderung erfassten Gebrauchsinteresse des Mieters noch in dem durch die Mieterhöhung erfassten Verwertungsinteresse des Vermieters seine Entsprechung. Vielmehr sollte auf den Instandhaltungsaufwand abgestellt werden, da sich der – bei einer Veräußerung realisierbare – Wert des Nutzungsobjekts regelmäßig um diesen Aufwand reduziert. Etwaige Besonderheiten des Einzelfalls, beispielsweise eine außergewöhnliche Nachfrage nach Nutzungsobjekten dieses Typs etc., können durch eine Bruchteilsbewertung angemessen erfasst werden.

2.3298

Klagt der Vermieter (bereits) auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen, ist bei bezifferter Leistungsklage allein der Zahlungsbetrag maßgebend, arg. § 6 ZPO.

2.3299

Für die nach § 8 ZPO und § 41 GKG erforderliche Entgeltermittlung bleiben die auf den Mieter vereinbarungsgemäß umgelegten Schönheitsreparaturen schon aufgrund der fehlenden pauschalen Erfassung außer Betracht.1

2.3300

Selbständiges Beweisverfahren Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens ist in miet- oder pachtrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig der Zustand des Nutzungsobjekts im Hinblick auf erforderliche (und zur Minderung berechtigende) Instandsetzungsmaßnahmen des Vermieters oder Schadensersatzverpflichtungen des Mieters. Weitgehende Einigkeit besteht, dass sich der Gegenstandswert des Beweisverfahrens nach dem eines möglichen Hauptsacheverfahrens richtet. Die Bewertung des Anspruchs in der Hauptsache richtet sich nach hierfür maßgeblichen Bewertungsvorschriften. Streitig ist hingegen, ob eine Bruchteilsbewertung geboten ist oder nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503 verwiesen.

2.3301

Geht es um die Beweissicherung des Mieters wegen bestehender Mängel, ist der Gegenstandswert auf 2.3302 Grundlage des Instandsetzungsanspruchs und damit gem. § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung zu bestimmen.2 Eine kürzere restliche Vertragsdauer ist entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 2 GKG wertmäßig zu berücksichtigen.3 Daneben geltend gemachte Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrechte oder bereits aufgelaufene Mietrückstände bleiben aufgrund wirtschaftlicher Identität mit dem Instandhaltungsanspruch wertmäßig unberücksichtigt.4 Beruft sich der Antragsteller dagegen auf einen ihm zustehenden Vorschuss-/Erstattungsanspruch, bestimmt sich der Gegenstandswert nach den angenommenen Kosten der Ersatzvornahme, d.h. der Mängelbeseitigung.5

1 So schon zum alten Recht: LG Hannover, MDR 1970, 594; Nds.Rpfl. 1974, 252. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pacht; zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJWRR 1997, 652 – gem. § 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pachtverhältnis; LG Stade, Beschl. v. 6.7.2012 – 7 T 116/12, AGS 2014, 74; LG Bonn, Beschl. v. 18.2.2006 – 6 T 396/07. 4 KG, Beschl. v. 4.8.2011 – 8 W 48711; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 4 W 12/09, OLGR 2009, 707; LG Hamburg, Beschl. v. 8.4.2013 – 334 T 8/13, AGS 2014, 73; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 3.1.2012 – 1 T 264/11; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 27.5.2014 – 63 T 55/14, Grundeigentum 2014, 937; LG Berlin, Beschl. v. 2.4.2012 – 63 T 47/12, WuM 2012, 286. 5 LG Stade, Beschl. v. 6.7.2012 – 7 T 116/12, AGS 2014, 74; LG Bonn, Beschl. v. 18.2.2008 – 6 T 396/07, AGS 2009, 82.

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Mietstreitigkeiten

2.3303 Dient das Verfahren der Beweissicherung des Vermieters wegen einer vertragswidrigen Nutzung, ist

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der Gegenstandswert auf Grundlage möglicher Schadensersatzansprüche zu ermitteln. Siedler

2.3304 Klagt der Siedlungsträger nach Kündigung des Nutzungsverhältnisses gegen den Siedler auf Räumung des Siedlungsgrundstückes, dann bemisst sich der Streitwert nach § 41 GKG.1 Sozialwohnung

2.3305 Bei einer Klage auf Räumung einer öffentlich geförderten Sozialwohnung ist der Streitwert unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt des Urteilserlasses geschuldeten Kostenmiete zu berechnen. Weder der vom Vermieter unzulässigerweise geforderte darüber hinausgehende Mietzins noch ein von der Bewilligungsstelle zugelassener, aber nicht rechtswirksam geltend gemachter Erhöhungsbetrag dürfen bei der Streitwertberechnung berücksichtigt werden.2 Tauschvertrag

2.3306 Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Wohnung aufgrund eines Tauschvertrages wird gem. § 6 ZPO durch den Wert der Sache bestimmt, wenn deren Besitz Gegenstand des Rechtsstreits ist.3 Teilaufhebung

2.3307 Der Streitwert bei einer Teilaufhebungsklage im Mietrecht kann sich nur nach der Miete des Teiles berechnen.4 Teilkündigung (Gemeinschafts- und Teilflächen)

2.3308 Ist aufgrund einer Kündigung nur die fortdauernde Nutzung einer Teilfläche im Streit, bemisst sich der Wert nach dem dafür gesondert vereinbarten Entgelt oder in Ermangelung dessen nach einem dem Anteil der Fläche an der Gesamtfläche zu ermittelnden Teilbetrag.5

2.3309 Klagt daher der Vermieter nach Kündigung eines Garagenmietverhältnisses auf Räumung der Garage, so bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert (und die Beschwer) bei einem Streit über die Einheitlichkeit von Garagen- und Wohnungsmietverhältnis nach § 8 ZPO. Ist die „streitige Zeit“ bei einem auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Mietverhältnis und bestehenden Mieterschutzregelungen ungewiss, ist der Wert entsprechend § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresnutzungsentgelt zu bemessen.6 Tierhaltung

2.3310 Ob und in welchem Umfang die Haltung von Tieren, insbesondere in Wohnräumen, zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört oder als Sondernutzung einer Zustimmung des Vermieters bedarf, ist streitig. Darüber hinaus sind unterschiedlichste formularvertragliche Regelungen zur Zulässigkeit der Tierhaltung anzutreffen.7 Infolgedessen ist die Tierhaltung häufig Gegenstand von Duldungs-, Unterlassungs- und auf Beseitigung gerichteten Klagen. In allen Fallkonstellationen handelt es sich um einen Streit über die sich aus dem Vertragsinhalt ergebenden Rechte und Pflichten, so dass § 8 ZPO und § 41 1 2 3 4 5 6

OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 627. LG Mannheim, Rpfleger 1969, 218. LG Flensburg, JurBüro 1950, 126. KG, HuW 1956, 129. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 12; Hillach/Rohs, § 30 III, S. 162. BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931; LG Wiesbaden – 9 S 8/00, WuM 2000, 617; a.A. AG Hamburg, Urt. v. 9.3.1994 – 40b C 2079/93, WuM 1994, 433: gem. § 3 ZPO anteilige Jahresbruttomiete. 7 Bub/Treier/Fischer, III.A 1038 ff. m.w.N.

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2. Teil

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GKG nicht unmittelbar anwendbar sind. Für die streitwertrechtliche Beurteilung, die nicht notwendigerweise zu einem Gleichlauf von Streitwert und Beschwer führt,1 ist zu unterscheiden: – Klagt der Mieter auf Erteilung einer Erlaubnis zur Tierhaltung oder deren Duldung, ist gem. § 3 ZPO sein ideelles Interesse an Haltung des streitgegenständlichen Tieres maßgebend. Hierbei ist streitig, ob das Interesse jeweils pauschal bewertet werden kann2 oder die konkreten Umstände des Einzelfalls, namentlich die psychische Bedeutung (Vermeidung von Depressionen) oder affektives Interesse (Kinderersatz), berücksichtigt werden müssen.3 Mit dem BGH4 ist auf die Bedeutung der Tierhaltung für die Lebensführung des Mieters im Einzelfall abzustellen, denn das wirtschaftliche Interesse des Mieters besteht auch an der Nutzung des Wohnraums nach Maßgabe seiner im Rahmen des vertragsgemäßen Mietgebrauchs bestehenden Nutzungswünsche. Dieses Interesse lässt sich nicht ausschließlich oder vorrangig nach objektiven Kriterien bemessen, sondern bestimmt sich auch nach den persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen des Mieters. Damit scheidet eine schematische Bewertung ebenso aus wie eine auf die (Jahres)Miete bezogene Bruchteilsbewertung. Der Wert des Tieres ist in keinem Fall maßgeblich.5 – Verlangt der Vermieter Unterlassung oder Beseitigung der Tierhaltung in den Räumlichkeiten des Mietobjekts, ist sein Interesse am Werterhalt der Mietsache wertbestimmend. Neben dem fiktiven Wert der zusätzlichen Abnutzung kann auch ein etwaiges Interesse an der Vermeidung möglicher Belästigungen (und Mietminderungen) anderer Mieter werterhöhend berücksichtigt werden. Das Affektionsinteresse des Mieters und generalpräventive Erwägungen sind grundsätzlich unerheblich.6 Der von Sternel7 vertretenen wertmäßigen Gleichsetzung des Unterlassungsanspruchs des Vermieters gegen die Tierhaltung mit dem Interesse des Mieters an der Fortsetzung der Tierhaltung widerspricht bereits, dass das ideelle Interesse des Mieters nicht deckungsgleich ist mit dem rein vermögensrechtlichen Abwehrinteresse des Vermieters. – Klagt ein Mieter auf Unterlassung oder Beseitigung der Tierhaltung eines anderen Mieters, ist sein auf Abwehr von Besitzstörungen gerichtetes Interesse maßgeblich. Dieses findet seine wertmäßige Entsprechung in der möglichen Minderung des Mietzinses, wobei bei einer Tierhaltung von unbestimmter Dauer (entsprechend § 9 ZPO) der 3,5-fache Jahresbetrag anzusetzen ist. Die in der Rechtsprechung vorzufindenden Wertfestsetzungen bewegen sich für Katzen- und Hundehaltung – unabhängig von der vorstehenden Unterscheidung – häufig zwischen 500 t und 1.000 t.8 Umgestaltung Ist zwischen den Parteien das Zustandekommen eines Vertrages streitig, wonach sich der Beklagte zur baulichen Umgestaltung von Räumlichkeiten und nachfolgender Gebrauchsgewährung zu ei1 BGH, Urt. v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 – unter Hinweis auf die unterschiedlichen Interessen des auf Zustimmung klagenden Mieters gegenüber dem zur Duldung verurteilten Vermieters. 2 LG Berlin, Beschl. v. 16.4.2015 – 67 S 92/15, ZMR 2016, 834: Beschwer für keine Partei mehr als 600 t; LG Berlin, Beschl. v. 13.7.2000 – 61 S 129/00, NZM 2001, 41: 1 Hund oder 2 Katzen = 800 DM; LG Berlin, Beschl. v. 31.3.2000 – 63 S 17/00: Hund = 600 DM. 3 LG Berlin GE 2016, 1444; LG Braunschweig, Urt. v. 1.11.1995 – 12 S 86/95, WuM 1996, 291; LG Kassel, Beschl. v. 21.4.1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296: 2000 DM; LG Wiesbaden, Beschl. v. 21.7.1994 – 1 T 46/94, WuM 1994, 486. 4 BGH, Beschl. v. 30.1.2018 – VIII ZB 57/16, MDR 2018, 462. 5 Zutr. LG Braunschweig, Urt. v. 1.11.1995 – 12 S 86/95, WuM 1996, 291; a.A. LG Hannover, WuM 1985, 127. 6 LG München, Beschl. v. 28.6.2002 – 23 T 10223/02, NZM 2002, 820; a.A. LG Wiesbaden, Beschl. v. 21.7.1994 – 1 T 46/94, WuM 1994, 486. 7 Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, V Rz. 88. 8 500 t: LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1990 – 316 T 46/90, MDR 1993, 90; LG Hamburg v. 27.7.1992 – 316 T 116/91, ZMR 1992, 506; LG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 30 S 145/99, WuM 2000, 94 (420 t); LG München I, Beschl. v. 5.6.1991 – 20 S 10394/91, WuM 1992, 495; 1.000 t: LG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; LG Kassel, Beschl. v. 21.4.1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296.

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2. Teil

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nem monatlichen Entgelt verpflichtet haben soll, und ist die Klage auf Umgestaltung und entgeltliche Überlassung gerichtet, liegt eine Anspruchshäufung (objektive Klagehäufung) vor.1

2.3312 Der Wert des auf Überlassung gerichteten Klageantrages bemisst sich nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG, da hier der Bestand eines Miet- oder Pachtverhältnisses im Streit steht. Dabei ist eine Antragsstattgabe weder mit dem (weiteren) Vertragsinhalt verbunden, d.h. die Verpflichtung zur baulichen Umgestaltung, noch ermöglicht sie eine dahingehende Zwangsvollstreckung. Die Situation entspricht konstruktiv vielmehr einer auf Räumung und Beseitigung von unbeweglichen Einrichtungen gerichteten Klage (s. unter „Abbruchkosten“, Rz. 2.3128).

2.3313 Der auf Vornahme der Ausbauarbeiten gerichtete Klageantrag ist daher eigenständig und als Streitigkeit über den Vertragsinhalt für den Zuständigkeitsstreitwert nach § 3 ZPO und den Gebührenstreitwert nach § 41 Abs. 5 GKG zu bewerten, da die Arbeiten auf Herstellung eines vertraglich geschuldeten Zustands der Miet- oder Pachtsache gerichtet sind und damit Instandsetzungsarbeiten gleichstehen. Unterlassung

2.3314 Nutzt der Mieter die Mietsache vertragswidrig (§ 541 BGB) oder wird sein Besitz an der Mietsache durch Dritte oder den Vermieter rechtswidrig gestört (§§ 862, 1004 BGB), kann die Beendigung fortdauernder und Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen beansprucht werden. Darauf gerichtete Unterlassungsklagen fallen nicht unter § 41 GKG, sondern sind gem. § 3 ZPO nach dem Abwehrinteresse des Mieters bzw. dem Werterhaltungsinteresse des Vermieters zu bewerten.

2.3315 Hierbei wird für die Auseinandersetzung zwischen den Mietvertragsparteien der Jahresbetrag des § 41 GKG als obere Wertgrenze angesehen, da der Streit wegen der Beeinträchtigung mietvertraglicher Rechte wertmäßig nicht das Interesse am Bestand des Mietverhältnisses übersteigen könne. Die Einzelheiten sind den einschlägigen Stichworten zu entnehmen. Untermieter

2.3316 Gemäß § 540 BGB darf der Mieter die Mietsache einem Dritten nur mit Erlaubnis des Vermieters überlassen. Der Anspruch auf Rückerhalt der Mietsache wird durch § 546 Abs. 2 BGB dahingehend abgesichert, dass der Vermieter nach Beendigung des (Haupt-)Mietverhältnisses die Mietsache auch von dem Dritten zurückfordern kann. Hierbei besteht Einigkeit, dass für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert der Räumungs- und Herausgabeklage die § 8 ZPO und § 41 GKG entsprechend anwendbar sind.2 Es finden sich im Wesentlichen folgende Fallgestaltungen: – Klagt der Vermieter gegen den Untermieter auf Räumung, bestimmt sich der Wert nach dem zwischen ihm und dem Hauptmieter vereinbarten und nicht nach dem vom Untermieter zu zahlenden Nutzungsentgelt.3 Richtet sich die Klage gegen mehrere Untermieter findet wegen wirtschaftlicher Identität keine Streitwertaddition statt.4 – Wird vom Vermieter allein gegen den Hauptmieter auf Räumung geklagt, ist das nach § 41 Abs. 2 GKG maßgebliche Jahresnutzungsentgelt im Fall der Untervermietung nach dem im Hauptmietver-

1 Zutreffend daher LG Nürnberg-Fürth, MDR 1972, 430. 2 BGH, Beschl. v. 18.5.2017 – III ZR 525/16, MDR 2017, 971 – Feststellungsklage des Untermieters; KG, Beschl. v. 18.2.2013 – 8 W 10/13, MDR 2013, 560; OLG Celle, Beschl. v. 12.10.2012 – 2 W 269/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 – Räumungsklage gegen Untermieter; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 345; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.10.2011 – 2 W 61/11, ZMR 2012, 204. 3 KG, Beschl. v. 18.2.2013 – 8 W 10/13, MDR 2013, 560; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 345; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.1997 – 24 W 89/97, MDR 1998, 126. 4 LG Berlin, Beschl. v. 26.9.2016 – 65 T 149/16, WuM 2016, 692.

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trag vereinbarten Entgelt zzgl. eines Zuschlages für den höheren Verwaltungsaufwand und die höhere Abnutzung zu bemessen.1 – Bei einer vom Vermieter gegen Hauptmieter und Untermieter gerichteten Räumungsklage ist der Streitwert einheitlich nach dem Nutzungsentgelt für den Hauptmieter festzusetzen. Dieses repräsentiert gem. § 8 ZPO, § 41 GKG wertmäßig das Durchsetzungsinteresse des Vermieters. Die subjektive Klagehäufung rechtfertigt jedoch keine Werterhöhung gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG. Denn das gegen den Hauptmieter gerichtete Räumungsbegehren ist, da auf Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet, mit dem gegen den Untermieter (teilweise) wirtschaftlich identisch.2 Hauptund Untermieter haften dem Vermieter im Umfang der dem Untermieter eingeräumten Nutzung als Gesamtschuldner. Dem Umfang der Gesamtschuld folgt auch die Verpflichtung des Untermieters zur Kostentragung, 2.3317 arg. § 100 Abs. 2 u. 4 ZPO. Ist die Mietsache nur teilweise an einen Dritten untervermietet worden, haftet dieser für die Kosten des Rechtsstreits daher nur im Verhältnis der von ihm genutzten Fläche zur Gesamtfläche des Mietobjekts. Einer etwaig unterschiedlichen Höhe der vereinbarten Nutzungsentgelte kommt demgegenüber keine Bedeutung zu, da die Räumungsverpflichtung flächenbezogen ist.3 Wird die zunächst gegen den Hauptmieter erhobene Räumungsklage vom Vermieter nachfolgend auf den Untermieter erweitert, ist damit aufgrund der bereits beschriebenen wirtschaftlichen Identität der Klagebegehren keine Werterhöhung verbunden. Maßgeblich bleibt das mit dem Hauptmieter vereinbarte Jahresgrundentgelt.4

2.3318

Klagt der Vermieter auf Feststellung der Verpflichtung des Hauptmieters gegenüber dem Untermieter Räumungsklage zu erheben, ist der Streitwert nicht nach § 41 GKG, sondern nach § 3 ZPO zu bestimmen. Hierbei ist der Wert geringer als derjenige der unmittelbaren Klage des Mieters gegen den Untermieter.5

2.3319

Für die Bewertung der Räumungsklage des Hauptmieters gegen den Untermieter ist, da es nunmehr um das Durchsetzungsinteresse des Hauptmieters geht, der jährlich gezahlte Untermietzins maßgebend, nicht etwa der nach der Zimmergröße im Verhältnis zur Größe der gesamten Wohnung zu ermittelnde entsprechende Teil der Wohnungsmiete.6

2.3320

Siehe auch unter dem hier nachfolgenden Stichwort „Untervermietung“, Rz. 2.3322.

2.3321

Untervermietung Gemäß § 540 BGB darf der Mieter die Mietsache einem Dritten nur mit Erlaubnis des Vermieters überlassen. Deren Erteilung steht wegen § 553 BGB nur bei Vermietung beweglicher Sachen und nicht zu Wohnzwecken überlassener Grundstücks(teil)flächen im freien Ermessen des Vermieters. Der Vermieter kann die Erlaubnis von einer angemessenen Mieterhöhung (Untermieterzuschlag) abhängig machen, wenn ihm nur dann die Überlassung an einen Dritten zuzumuten ist, § 553 Abs. 2 BGB.

2.3322

Klagt der Hauptmieter auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung, dann handelt es sich um einen Streit über den Vertragsinhalt und die sich daraus ergebenden Pflichten. Die Wertfestsetzung hat daher (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 3 ZPO zu erfolgen. Für eine analoge Anwendung von § 41

2.3323

1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 345. A.A. 12. Aufl.; LG Frankfurt, BlGBW 1954, 238 mit abl. Anm. Zöll. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, NZM 2005, 240. LG Hagen, MDR 1962, 742. LG Hamburg, MDR 1959, 764.

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Abs. 1 GKG ist schon mangels Regelungslücke kein Raum.1 Maßgeblich für die Bewertung ist das Interesse des Hauptmieters an der Kompensation der eigenen Mietschuld durch Erzielung eines eigenen Mietertrages.2 Der Streitwert entspricht folglich dem voraussichtlich zu erzielenden Untermietzins, bei unbestimmter Dauer des Untermietverhältnisses in Anlehnung an § 9 ZPO dem 3,5-fachen Jahresbetrag.3 Gleiches gilt für die Klage auf Feststellung, dass der Wiederruf einer im Mietvertrag erteilten Erlaubnis zur Untervermietung unwirksam ist.4 Verfehlt ist es, hier auf die Höhe eines angemessenen Untermietzuschlages abzustellen,5 da dieser allein das Werterhaltungsinteresse des Vermieters repräsentiert.

2.3324 Die Klage des Vermieters gegen den Hauptmieter auf Beendigung der Untervermietung bemisst sich regelmäßig nach dem klägerischen Interesse an der Vermeidung einer übermäßigen Abnutzung (Werterhaltungsinteresse). Dessen Höhe entspricht dem Umfang eines nach § 553 Abs. 2 BGB angemessenen Untermietzuschlages, der sich bei preisgebundenem Wohnraum nach § 26 Abs. 3 NMVO 1970 bestimmt.

2.3325 Der Antrag auf Vorlage des Untermietvertrages bemisst sich entsprechend einer Auskunftsklage gem. § 3 ZPO nach einem Bruchteil des dahinter stehenden Hauptanspruchs, angemessen erscheint .

1/10 6

Verbandsklage (Allgemeine Geschäftsbedingungen)

2.3326 Ist Gegenstand eines Verbandsklageverfahrens der Inhalt von Formularmietverträgen, dann bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Siehe unter „Allgemeine Geschäftsbedingungen“, Rz. 2.3142. Vertragsabschluss

2.3327 Wird auf die Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages aufgrund eines Vorvertrages geklagt, dann fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung noch an einem bestehenden Miet- oder Pachtverhältnis. Für die Streitwertfestsetzung kommt deshalb nicht § 41 GKG, sondern nur § 3 ZPO in Betracht. Da die aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche selbst nicht den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, sind nicht sie, sondern ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem angestrebten Vertragsschluss zu bewerten.7

2.3328 Dies gilt auch, wenn neben dem auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages gerichteten Klagebegehren ein Hilfsantrag auf Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages mit gleichem Inhalt gestellt wird. Hier ist bei Bescheidung beider Anträge gem. § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG für die 1 Zutr. KG, Beschl. v. 25.10.2016 – 8 W 48/16, MDR 2017, 204; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.6.2017 – 8 W 41/17, MDR 2017, 1271 – Gewerberaummiete. 2 OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, NZM 2000, 190; LG Berlin, Urt. v. 18.12.2003 – 67 S 277/03, MM 2004, 46; LG Berlin, Beschl. v. 19.7.1996 – 63 T 55/96, WuM 1998, 690; LG Kiel, Beschl. v. 13.1.1995 – 1 T 1/95, WuM 1995, 320; a.A. LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 20.5.1988 – 2 T 48/88, WuM 1989, 433: Interesse des Hauptmieters an intensiverer Nutzung. 3 Zustimmend KG, Beschl. v. 25.10.2016 – 8 W 48/16, MDR 2017, 204; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.6.2017 – 8 W 41/17, MDR 2017, 1271 – Gewerberaummiete; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, NZM 2000, 190; OLG Saarbrücken v. 23.7.2007 – 8 W 169/07-31, OLGR Saarbrücken 2008, 43 – beide Jahresbetrag. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 19.6.2017 – 8 W 41/17, MDR 2017, 1271. 5 So aber LG Kiel, Beschl. v. 13.1.1995 – 1 T 1/95, WuM 1995, 320: 3-facher Jahresbetrag. 6 So BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20; BGH, Beschl. v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – 24 U 57/09, MDR 2010, 715; OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; OLG Saarbrücken, Beschl. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195.

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Für die Bewertung ist jeweils auf das Interesse des Klägers am Vertragsabschluss abzustellen.2 Dessen Wert bestimmt sich nach der beabsichtigten Laufzeit, wird jedoch entsprechend § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbruttobetrag ohne Nebenkostenvorauszahlungen begrenzt, ebenso bei einem angestrebten Vertrag von unbestimmter Dauer.3 Der einfache Jahresbetrag4 repräsentiert in Zeiten der Wohnungsknappheit ohnehin nicht das Erlangungsinteresse des Mieters. Zudem greift die privilegierende, den wirklichen Wert des Interesses aus sozialen Gründen ignorierende Bewertung des § 41 Abs. 2 GKG nicht.

2.3329

Vertragsinhalt Wird bei unstreitigem Bestehen und Dauer eines Nutzungsverhältnisses lediglich darüber gestritten, was die Parteien genau vereinbart haben, welchen Inhalt also der Mietvertrag habe, dann ist § 41 Abs. 1 GKG tatbestandsmäßig nicht anwendbar. Der Streitwert ist daher in der Regel nach § 3 ZPO zu schätzen.5

2.3330

Dies gilt jedoch nicht für die Bewertung einer Klage auf Feststellung, dass die Kündigung eines Miet- 2.3331 verhältnisses erst ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wirksam erklärt werden könne, soweit darin ein Streit über den Vertragsinhalt gesehen wird. Da hier zugleich über die Dauer des Mietverhältnisses gestritten wird, ist § 41 Abs. 1 GKG als Sondernorm einschlägig. Siehe hierzu im Einzelnen unter „Kündigungsmöglichkeit“. Vorauszahlung Der Anspruch auf Leistung einer Mietvorauszahlung ist unter Berücksichtigung des Zinsvorteils des Vermieters nach §§ 3, 6 ZPO zu schätzen.6

2.3332

Vorkaufsrecht Bei einem Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts zu schätzen.7

2.3333

Für die Bewertung der negativen Feststellungsklage dahin, dass dem Mieter ein Vorkaufsrecht an dem gemieteten Grundstück nicht zusteht, ist nur ein geringer Bruchteil des Grundstückswertes anzusetzen, wenn die Möglichkeit eines Vorkaufsfalles z.Zt. völlig fern liegt und damit eine Feststellung nur beiläufig begehrt wird.8 Im Übrigen ist stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, wobei

2.3334

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; Meyer, § 41 Rz. 22. 2 KG, JW 1937, 2216 Nr. 30; OLG Bremen, Beschl. v. 29.1.1993 – 2 W 116/92; OLG Hamm, Rpfleger 1949, 570 Nr. 138; OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; OLG Koblenz, ZMR 1978, 64. 3 BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20; OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195; abw. OLG Bremen, Beschl. v. 29.1.1993 – 2 W 116/92: 50 % der anfallenden Gesamtmiete. 4 So LG Dortmund, Beschl. v. 28.11.1990 – 21 T 78/90, WuM 1991, 358. 5 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, MDR 2006, 384, NZM 2005, 944; BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101, NZM 2005, 519; OLG Koblenz, JurBüro 1977, 1132 = ZMR 1978, 64. 6 LG Bamberg, JurBüro 1973, 1196. 7 BGH, LM § 3 ZPO Nr. 13; OLG Celle, JurBüro 1967, 598 Nr. 15. 8 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31; OLG Celle, JurBüro 1967, 508 Nr. 157: 1/10; OLG München, JurBüro 1951, 101.

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Streitwertbemessung der (ggf.) höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend.1 Siehe auch bei dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227.

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Maßstab für die Bewertung jeweils die Wahrscheinlichkeit des Vorkaufsfalles ist.1 Siehe auch das Stichwort „Vorkaufsrecht“, Rz. 2.5713. Vorvertrag

2.3335 Siehe unter „Vertragsabschluss“, Rz. 2.3327. Wegnahme von Einrichtungen

2.3336 Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem in der Regel verminderten Wert dieser Sachen, die sie nach der Trennung von den Mieträumen haben werden. Die Kosten des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bleiben unberücksichtigt.2 § 6 ZPO gelangt zur Anwendung, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos.

2.3337 Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen, wenn darüber entschieden wird, § 45 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.3 Widerklage

2.3338 Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses, dann unterbleibt eine Werterhöhung. Dies folgt bereits aus § 41 Abs. 3 GKG, da es für dessen Ausschluss der Zusammenrechnung nicht darauf ankommt, in welcher prozessualen Form Räumung und Fortsetzungsverlangen geltend gemacht werden. Zutreffend ist aber auch, dass Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen und auch aus diesem Grunde eine Wertaddition ausscheidet.4

2.3339 Erhebt der Mieter hingegen Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert des beschiedenen Hilfsantrages dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen.5 Es besteht keine Identität der Streitgegenstände; § 41 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht anwendbar (s. auch das Stichwort „Hilfswiderklage“, Rz. 2.2256 ff.). Winterdienst

2.3340 Die Klage eines Mieters auf Befreiung vom Winterdienst hat das AG Bonn6 mit 250 t bewertet. Wohnrecht

2.3341 Die Bewertung von Streitigkeiten über den Bestand eines Dauerwohnrechts richtet sich danach, ob die Gebrauchsgewährung entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt worden ist. Handelt es sich aufgrund entgeltlicher Einräumung um ein dem Mietverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis, sind § 8 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG einschlägig; ansonsten ist (über § 48 GKG) nach § 3 ZPO zu bewerten. 1 BGH, JurBüro 1957, 224. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 196 = WuM 1991, 562 – Beschwer; KG, JurBüro 1971, 460. 3 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35. 4 OLG München, Beschl. v. 22.7.1988 – 21 W 3002/88, JurBüro 1989, 852. 5 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35. 6 AG Bonn, Urt. v. 11.4.1989 – 6 C 619/88, WuM 1989, 498.

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Mietstreitigkeiten

2. Teil

2.3342

Demgegenüber sind Auseinandersetzungen über den Bestand eines unentgeltlichen dinglichen Wohnrechts und/oder dessen Eintragung in das Grundbuch nach § 3 ZPO und nicht nach § 41 GKG zu bewerten. Die konkrete Bewertung muss dabei angesichts der Unentgeltlichkeit deutlich über dem ortsüblichen Jahresmietzins liegen. Stehen Einräumung und Eintragung im Streit, orientiert sich das OLG Köln2 an dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 24 KostO (entspricht teilweise § 52 GNotKG) und ermittelt den Streitwert unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten. Das OLG Frankfurt3 setzt demgegenüber je nach Interesse des Klägers zwischen einjährigem und fünfjährigem Jahresmietbetrag, bei bloßer Eintragung den zweifachen Jahresbetrag an. In einer neueren Entscheidung bemisst es den Streitwert für eine Klage auf Zustimmung zur Löschung in Anlehnung an § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Wert des Jahresnutzungswerts.4 Bei existenzieller Bedeutung des unentgeltlichen Wohnrechts, etwa des der Eltern im Haus des Kindes, befürwortet das OLG Schleswig5 eine Bewertung nach dem Grundgedanken des § 41 GKG.

2.3343

Wird mit der Klage auf Feststellung des Nichtbestehens zugleich die Bewilligung zur Löschung der Grundbucheintragung verlangt, sind die Anträge wirtschaftlich identisch. Eine Wertaddition gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG scheidet aus, denn zwischen den Parteien ist nur der (Fort-)Bestand des Wohnrechts streitig.6 Als nachbereitendem Zusatzantrag liegt dem Löschungsbegehren kein vom Feststellungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde (s. für die Anspruchshäufung auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921).

2.3344

Anders liegt es, wenn neben der Löschungsbewilligung zugleich Herausgabe und Räumung des Nutzungsobjekts beansprucht werden. Hier sind die Klagebegehren wirtschaftlich betrachtet nicht identisch, da die Löschung auf Berichtigung des Grundbuchs und Beseitigung von Verfügungsbeschränkungen, die Räumung hingegen auf tatsächliche Sachherrschaft gerichtet ist. Zudem ist das Räumungsurteil ohne Bindungswirkung für spätere Löschungsklage. Das OLG Schleswig7 bewertet das Löschungsbegehren nach § 41 Abs. 1 GKG und das Räumungsverlangen nach § 41 Abs. 2 GKG jeweils mit dem Jahresbetrag und addiert sodann.

2.3345

Die demgegenüber vertretene Bewertung des Löschungsbegehrens nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 24 Abs. 2 KostO8 (entspricht teilweise § 52 GNotKG) überzeugt schon deshalb nicht, weil die sehr hohen Werte dieser Vorschrift ihre Entsprechung in den niedrigeren Gebühren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden.9

2.3346

1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173: dingliches Wohnrecht (§ 1093 BGB) unklar ob entgeltlich; OLG Stuttgart, ZMR 1963, 32. 2 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477; OLG Köln, Beschl. v. 28.8.2003 – 2 W 129/02. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1993, 132. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 23.12.2011 – 5 W 58/11, SchlHA 2012, 104; ebenso schon OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2003 – 11 W 408/03. 6 OLG Frankfurt, MDR 1963, 937 Nr. 71; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 106; OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550 Nr. 160. 7 OLG Schleswig, Beschl. v. 23.12.2011 – 5 W 58/11, SchlHA 2012, 104; ebenso schon OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231. 8 LG Heidelberg, Beschl. v. 13.3.1984 – 5 T 19/84, AnwBl. 1984, 373; LG Lübeck, JurBüro 1959, 430 Nr. 143. 9 Siehe Lappe, Anm. zu KostRsp. GKG § 16 Nr. 34.

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So bemisst sich bei einem mietähnlichen Wohnrecht der Streitwert für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Wohnrechts oder der Nichtigkeit des Vertrages über ein mietähnliches Dauerwohnrecht gem. § 41 Abs. 1 GKG nach dem einjährigen Nutzungsentgelt.1

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2. Teil

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2.3347 Streiten die Parteien nur darüber, ob ein bestehendes Wohnrecht durch Eintragung in das Grundbuch dinglich gesichert werden muss, dann ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen.1 Wohnungseigentum

2.3348 Unter § 41 GKG fällt nicht die Räumungs- und Herausgabeklage des Wohnungseigentumsverkäufers gegen den Käufer, weil die Überlassung des Objekts für eine Übergangszeit nicht als ein Nutzungsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG angesehen wird.2 Wohnungstausch

2.3349 Der Klage auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung auf Grundlage eines zwischen den Parteien vereinbarten Wohnungstausches liegt keine mietrechtliche Streitigkeit zugrunde. Zuständigkeitsund Gebührenstreitwert bestimmen sich daher nach §§ 3, 6 ZPO.3 Zins

2.3350 Siehe bei „Miete“, Rz. 2.3243. Zwangsversteigerung

2.3351 Nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 BGB beendet der Zuschlag ein zu diesem Zeitpunkt das Versteigerungsobjekt betreffendes Miet- oder Pachtverhältnis nicht, sondern der Ersteher tritt in diesen Vertrag mit dem Recht zur Sonderkündigung (§§ 57a bis d ZVG) ein.

2.3352 Da diese Regelung dem sozialen Schutz von Mietern und Pächtern dient, ist auch die entsprechende Gebührenprivilegierung des § 41 GKG anwendbar, mit der Folge, dass eine Drittwiderspruchsklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zwangsversteigerungs-Zuschlagsbeschluss nach § 41 GKG und nicht nach § 6 ZPO zu bewerten ist, wenn der Drittwiderspruchskläger sich auf einen Pachtvertrag als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“ beruft.4

2.3353 Nur wenn kein Recht zur Nutzung eingewandt wird und es allein um den Besitz am Grundstück geht, sind Räumungsklage (§ 985 BGB), Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) und Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen.5 Zwangsvollstreckung

2.3354 Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bei einer auf Herausgabe oder Räumung gerichteten Zwangsvollstreckung nach dem Wert der herauszugebenden Sache, höchstens jedoch nach dem Streitwert der für die Gerichtskosten maßgeblichen Vorschriften für die Bewertung des Herausgabe- oder Räumungsanspruchs.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1993, 132: 2-facher Jahresbetrag; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 177. 2 BGH, Beschl. v. 26.6.1967, NJW 1967, 2463; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1888; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1983 – 17 W 6/82, AnwBl. 1984, 203. 3 Vgl. auch LG Berlin, Beschl. v. 17.12.1991 – 64 T 180/91, MM 1992, 101. 4 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2002 – 19 W 35/02; OLG Celle, Beschl. v. 12.5.1987 – 7 W 16/87; a.A. LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403 – unzutreffend auf die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss abstellend. 5 Siehe LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.3.1992 – 25 T 174/92; LG Kassel, Beschl. v. 9.3.1987 – 2 T 106/87, Rpfleger 1987, 425.

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Mindeststreitwert

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2. Teil

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Minderung (ohne Miete) A. Zuständigkeitsstreitwert Wird Zahlung eines bezifferten Minderungsbetrages verlangt (§ 441 Abs. 4 BGB, § 638 Abs. 4 BGB), ist gem. § 6 Satz 1 ZPO für den Streitwert die geforderte Summe maßgebend.

2.3355

Wenn sich der Beklagte mit der Minderung gegen Werklohn- oder Kaufpreisansprüche verteidigt, ist das für den Zuständigkeitsstreitwert unerheblich. Streitgegenstand ist der klageweise geltend gemachte Anspruch, der sich durch die vom Gegner erklärte Minderung nicht ändert, sondern allenfalls in der Sache (teilweise) unbegründet wird. Ob die Klageforderung begründet ist, spielt aber für den Streitwert keine Rolle. Wenn mit einem Anspruch aus § 441 Abs. 4, § 638 Abs. 4 BGB die Aufrechnung erklärt wird, beeinflusst das den Zuständigkeitsstreitwert nicht. Die Gegenforderung wird durch die Aufrechnung nicht rechtshängig.

2.3356

B. Gebührenstreitwert Wird Zahlung eines bezifferten Minderungsbetrages verlangt (§ 441 Abs. 4 BGB, § 638 Abs. 4 BGB), ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 6 Satz 1 ZPO für den Streitwert die geforderte Summe maßgebend.

2.3357

Verteidigt sich der Beklagte mit einer Minderungserklärung gegen die Klageforderung, ist das auch gebührenrechtlich grundsätzlich nicht streitwertrelevant. Eine Ausnahme bestimmt § 45 GKG für die Aufrechnung. Danach ist eine rechtskraftfähig beschiedene Hilfsaufrechnung über eine bestrittene Gegenforderung (§ 45 Abs. 3 GKG) dem Streitwert hinzuzurechnen. Das bloße Berufen auf eine Minderung ist aber grundsätzlich keine Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB.

2.3358

Siehe näher dazu die Stichwörter „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff. und „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1065 ff.

2.3359

C. Rechtsmittel und Beschwer Für den Rechtsmittelstreitwert kommt es auf die geltend gemachte Beschwer (Angriff gegen das Zu- 2.3360 erkennen der Klageforderung, gegen das Aberkennen der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung oder gegen beides = die materielle Beschwer) an.

Mindeststreitwert Mindeststreitwerte sind für zivilgerichtliche Verfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – im Gegensatz zu familiengerichtlichen und finanzgerichtlichen Verfahren – nicht vorgesehen.

2.3361

Lediglich das RVG kennt Mindestwerte, und zwar im Insolvenzverfahren für die Vertretung des Schuldners im Eröffnungsverfahren nach § 28 Abs. 1 Satz 2 RVG einen Mindestwert von 4.000 t und nach § 31 Abs. 1 Satz 4 RVG für Spruchstellenverfahren i.H.v. 5.000 t.

2.3362

Seggewiße und Schneider

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2. Teil

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Mitbenutzungsrecht

ZPO

Mitbenutzungsrecht 2.3363 Mitbenutzungsrechte treten in unterschiedlichen Formen auf. Streitwertrechtlich von Bedeutung sind sie nur als selbständiger Gegenstand des Klagebegehrens. Daher bleiben sie unberücksichtigt, wenn etwa im Fall der Räumungsklage neben dem Besitz des Beklagten an den von ihm genutzten Räumlichkeiten auch sein Recht zur Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen und -anlagen betroffen ist. Die gilt auch bei Streitigkeiten betreffend die Einräumung eines lebenslänglichen Wohn- und Mitbenutzungsrechtes. Zu einer abweichenden Bewertung besteht nur Anlass, wenn sich der Streit auf die Einräumung oder Ausübung einzelner Mitbenutzungsrechte beschränkt.

2.3364 So liegt es beispielsweise, wenn Miteigentümer (Ehegatten) eines ehemals gemeinsam genutzten Wohnanwesens, hinsichtlich dessen beiden ein Mitbenutzungsrecht nach § 743 Abs. 2 BGB zusteht, darüber streiten, ob der Kläger von dem in dem Objekt verbliebenen Beklagten die Gestattung der jederzeitigen Besichtigung des Objekts verlangen kann.1 Hier ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Zutrittsinteresse zu bemessen, wobei zu beachten ist, dass jeder der Beteiligten (im Zweifel hälftig: § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) berechtigt ist und ein Anteilsrecht immer streitwertmindernd berücksichtigt werden muss.2

2.3365 Hat der Kläger in einem Rechtsstreit ein unentgeltlich eingeräumtes Mitbenutzungsrecht an Werkstatträumen und den dort befindlichen Maschinen und Werkzeugen geltend gemacht, dann richtet sich die Streitwertfestsetzung auch hier nach § 3 ZPO. Dabei ist der Anspruch auf Mitbenutzung der Werkstatt samt Einrichtung geringer zu bewerten als ein etwaiges Recht zum Mitbesitz. Denn der Mitbesitz geht weiter als das Recht auf bloße Mitbenutzung.3

2.3366 Der Wert einer Klage auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit gem. § 116 Abs. 1 SachRBerG wegen fehlender Begründung eines Mitbenutzungsrechts nach §§ 312, 322 ZGB (DDR) bemisst sich gem. § 7 ZPO nach dem Wert der Grunddienstbarkeit.4 Die daneben hilfsweise verlangte Duldung eines Notwegerechts ist damit nicht wirtschaftlich identisch und daher – im Falle der Bescheidung – gesondert zu bewerten.5

2.3367 Beruft sich der Nutzungsberechtigte nach vorausgegangener Kündigung eines Mietvertrages auf ein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht, dann bemisst sich die Beschwer nach § 9 ZPO, d.h. nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag des Nutzungsentgelts.6 Das gilt auch für den Wert (der Beschwer) einer Vollstreckungsabwehrklage, die auf Abwehr eines mietvertraglich begründeten streitigen Anspruchs auf Mitbenutzung eines Trockenbodens gerichtet ist.7 Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen Vorenthaltens eines dinglichen Wohnrechts bemisst sich dagegen nach § 3 ZPO.8

2.3368 Streitigkeiten über ein im Zuge einer Grundstücksübertragung eingeräumtes Wohn- und Mitbenutzungsrecht sind (über § 48 GKG) nach § 3 ZPO zu bewerten, denn für eine unmittelbare Anwendung von § 9 ZPO bzw. § 41 GKG fehlt es an der periodischen Struktur des Nutzungsrechts und einem

1 2 3 4 5 6 7 8

LG Saarbrücken, Urt. v. 1.4.2004 – 2 S 227/03, FamRZ 2004, 1580: 1.200 t. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.1.1980 – 10 W 60/79, Justiz 1980, 148. OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rz. 21 unter „Mitbenutzungsrecht“. OLG Naumburg, Urt. v. 30.5.2000 – 11 U 243/99, NZM 2001, 1050; OLG Rostock, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 339/98, NZM 2000, 837; LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 12.7.2013 – 2 O 748/12, ZOV 2013, 171. OLG Rostock, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 339/98, NZM 2000, 837; LG Stendal, Urt. v. 10.5.2001 – 22 S 18/01, NZM 2002, 46. BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – V ZR 63/06, WuM 2006, 583. BGH, Beschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, WuM 2008, 296. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.10.2018 – 5 W 71/18 – mit Rückgriff auf § 41 GKG.

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Miterbe

2. Teil

ZPO

(laufenden) Entgelt. Anstelle der vom BGH1 vertretenen Anlehnung an § 24 KostO (§ 52 GNotKG) kommt – je nach den Umständen des Einzelfalles – eine entsprechende Anwendung von § 41 GKG2 oder von § 9 ZPO3 in Betracht. Siehe auch die Stichwörter „Besitz“, Rz. 2.2712 ff. und „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2926 ff.

Miterbe A. Die Bewertungsproblematik Die Bewertung des Streitwerts bei Miterbenstreitigkeiten erfolgt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gem. § 3 ZPO, wobei ein Miteigentumsanteil des klagenden Erben außer Ansatz bleibt. Das gilt auch für Streitigkeiten der Miterben untereinander, soweit Herausgabeansprüche (§ 6 ZPO) geltend gemacht werden. Sofern jedoch Ansprüche von oder gegen Dritte geltend gemacht werden, die außerhalb der Erbengemeinschaft stehen, ist voll zu bewerten.4

2.3369

Die Rechtsvorgänge zwischen Miterben oder an denen ein Miterbe beteiligt ist, sind mannigfacher Art. Allgemeine Bewertungsregeln können nicht vorangestellt werden, da es an einer eigenen Bemessungsvorschrift für Erbschaftssachen fehlt.

2.3370

Die einzige Bewertungsproblematik, die sich dann allerdings durch sämtliche Einzelfälle hindurchzieht, an denen Miterben beteiligt sind, ist die, ob eine wirtschaftliche oder eine formelle Betrachtungsweise vorzuziehen ist.

2.3371

Im Ergebnis läuft das weitgehend auf die sich immer wieder stellende Frage hinaus, ob und wie der Anteil des klagenden oder beklagten Miterben bei der Streitwertbemessung anzusetzen ist.

2.3372

Deshalb ist es zweckdienlich, von vornherein die Erläuterungen auf die für die Bewertungspraxis wichtigen Fallgestaltungen auszurichten und diese in alphabetischer Ordnung zu erläutern.

2.3373

B. Streitwert-ABC Stichwortübersicht Aufhebung der Erbengemeinschaft, Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . Auflassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgleichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bankguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbauseinandersetzung, Erbteilung . . . . . . Erbfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3374 2.3383 2.3399 2.3401 2.3408 2.3409 2.3410 2.3413 2.3415 2.3418 2.3419

Feststellungsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbuchberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachlassverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuregelungsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pachtvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3421 2.3423 2.3425 2.3427 2.3428 2.3431 2.3432 2.3447 2.3449 2.3450 2.3455 2.3456

1 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05; OLG München, Beschl. v. 18.11.2014 – 20 W 2267/14 – für Gegenstandswert der Pfändung eines Wohn- und Mitbenutzungsrechts. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2003 – 11 W 408/03. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06. 4 BGH, Beschl. v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, LM Nr. 31 zu § 3 ZPO.

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ZPO

2. Teil

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Miterbe

Rücktritt vom Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 2.3457 Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 2.3458 Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3463 Vorerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3464

Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugang Benutzerkonto . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3473 2.3475 2.3476 2.3478

Aufhebung der Erbengemeinschaft, Auseinandersetzung

2.3374 Da der Miterbe, der auf Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan klagt, mit seiner Auseinandersetzungsklage das Rechtsschutzziel verfolgt, den auf ihn entfallenden Teil des Überschusses nach der Verwertung des Nachlasses zu erhalten, ist der maßgebliche wirtschaftliche Wert des Streitgegenstandes nur der Erbanteil des Klägers, bei dessen Bewertung sekundär entscheidend ist, was der Beklagte nach Auffassung des Klägers diesem zu Unrecht vorenthält.

2.3375 Als Streitwert kann folglich, da nicht die Erbbeteiligung, sondern die Erlangung der Verfügungsbefugnis über bestimmte, dem Erbanteil wertmäßig entsprechende Nachlassgegenstände im Streit ist, nur ein Betrag in Frage kommen, der sich unter dem Wert der Erbteile der klagenden Miterben hält.1

2.3376 Eine andere Beurteilung ist ausnahmsweise dann geboten, wenn es dem Kläger wirtschaftlich betrachtet darum geht, das gesamte Erbe auf sich zu vereinigen; dann ist für den Streitwert ausnahmsweise der von dem Beklagten gehaltene Erbteil maßgebend.2

2.3377 Werden wechselseitige Klagen erhoben, gilt § 45 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Miterbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die Punkte zu beschränken, die zwischen den Parteien streitig sind, auch wenn wechselseitig mit Klage und Widerklage die Zustimmung der jeweiligen Gegenseite zu einem Verteilungsplan verlangt wird und Gegenstand dieser Verteilungspläne auch die Übertragung eines Grundstücks von der Miterbengemeinschaft auf einen Miterben ist, sofern diese Übertragung als solche und der zugrunde zu legende Wert des Grundstücks nicht im Streit sind.3

2.3378 Wird der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet, in dem die Miterbengemeinschaft das zum Nachlass gehörige Grundstück auf einen Miterben zu dessen Alleineigentum überträgt, so ist ein übersteigender Vergleichswert in Höhe des Bruchteils des Grundstückswerts vorhanden, der (wirtschaftlich) übertragen wird.4

2.3379 Das Interesse an der Vermeidung der Versteigerung zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist auf 10 % des (um das Affektionsinteresse erhöhten) Wertes des der Versteigerung unterworfenen Gegenstands anzusetzen.5

2.3380 Verlangt ein Miterbe von anderen Miterben die Übertragung eines Erbschaftsgegenstands, so sollen nach OLG Köln deren Anteile abzuziehen sein.6

2.3381 Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Teilungsplanes des Testamentsvollstreckers und umfasst der Teilungsplan zwar den überwiegenden Teil des Nachlasses (u.a. mehrere Grundstücke), nicht aber den gesamten Nachlass, so bestimmt sich der Streitwert bezogen auf den Gesamtwert des Teilungsplanes nach der Hälfte der Miterbenquote des klagenden Erben.7 1 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; BGH, MDR 1973, 125 = NJW 1972, 909. 2 OLG Celle OLGR Celle 2001, 142. 3 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, OLGR 2004, 134 = RVG-B 2004, 126. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, OLGR 2004, 134 = RVG-B 2004, 126. 5 BGH, Beschl. v. 24.1.1996 – IV ZR 276/95, BGHR ZPO § 3 Versteigerung 1. 6 OLG Köln, Beschl. v. 17.5.1995 – 11 W 32/95. 7 OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR München 1995, 142.

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Miterbe

2. Teil

Hat das Berufungsgericht in einem Verfahren auf Auseinandersetzung einer ungeteilten Miterben- 2.3382 gemeinschaft in Abweichung von der Teilungsanordnung des Erblassers im Teilungsplan dem Beklagten das Alleineigentum an einer Eigentumswohnung zugesprochen und ansonsten den Parteien die Erträge und Kosten von anderen Eigentumswohnungen hälftig zugewiesen, so bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des von ihm geltend gemachten Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung sowie dem 3 1/2-fachen Wert des einjährigen Bezugs der Nutzungen aus den anderen Eigentumswohnungen. Demgegenüber ist der Nutzungsvorteil des Beklagten, der eine Eigentumswohnung trotz eines nur anteiligen Gebrauchsrechts allein nutzt, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn der Kläger sein eigenes Mitgebrauchsrecht nicht geltend gemacht hat. Auflassung Verlangt ein Miterbe die Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks nur von einzelnen Miterben, so kommt als Streitwert lediglich der dem Anteil aller verklagten Miterben am Nachlass entsprechende Teil des Grundstückswertes in Betracht.1

2.3383

Bei Klagen zweier Miterben gegen den dritten Miterben auf Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf einen der Kläger, ist dementsprechend der Anteil des beklagten Miterben als Streitwert anzusetzen.2 Auch dann kommt es nur auf den Anteil des beklagten Miterben an, wenn der Kläger (= Miterbe) im Einverständnis mit einem dritten Miterben auf Übertragung an sich klagt.

2.3384

Zum rechnerisch gleichen Ergebnis kommt das OLG Celle:3 Verlangt ein Miterbe von einem anderen 2.3385 Miterben aufgrund einer Anordnung des Erblassers die Auflassung des Nachlassgrundstücks, so richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach dem Verkehrswert des Grundstücks. Von diesem Wert ist jedoch der bisherige gesamthänderische Anteil des klagenden Miterben abzusetzen. Klagt der Miterbe gegen einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks an sich selbst (als Vermächtnis), so beläuft sich der Streitwert nur auf den Wert des Grundstücks abzüglich des Erbanteils des Klägers.4

2.3386

Allerdings bestimmt sich der Streitwert eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks durch Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des Grundstücks5 im Zeitpunkt der Klageerhebung.6

2.3387

Dies gilt insbesondere auch dann, wenn im Rahmen einer Erbauseinandersetzung ein Miterbe (der nur in Höhe seines Erbteils an dem in den Nachlass fallenden Grundstück beteiligt ist) auf Auflassung und Übereignung dieses Nachlassgrundstücks verklagt wird, sei es bei der Klage eines Miterben7 oder eines Nachlassgläubigers wie etwa eines Vermächtnisnehmers, vgl. § 1967 Abs. 2 BGB. Soweit die vorzitierte Rechtsprechung für die Erbauseinandersetzungsklage zwischen Miterben angezweifelt wird,8 beruht dies auf dem Umstand, dass der Erbteil des klagenden Miterben außer Betracht bleiben soll.

2.3388

Bei der Streitwertbemessung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Erbengemeinschaft um eine Gesamthandsgemeinschaft handelt (§ 2040 Abs. 1 BGB), bei der die Miterben über Nachlassgrundstücke nur gemeinsam verfügen können. Erhebt deshalb ein Nachlassgläubiger gegen einen oder einzelne sich weigernde Miterben Klage auf Mitwirkung bei der Auflassung von Nachlassgrundstücken

2.3389

1 KG, Rpfleger 1962, 156. 2 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; BGH, MDR 1973, 125 = NJW 1972, 909. 3 OLG Celle, Beschl. v. 23.3.2001 – 22 W 21/01, OLGR 2001, 142. 4 OLG Naumburg, Beschl. v. 20.7.2017 – 12 Wx 12/17. 5 OLG Celle, Beschl. v. 7.9.1998 – 16 W 58/98, OLGR 1999, 200. 6 OLG Köln, Urt. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 7 BGH, Beschl. v. 20.4.1956 – V ZR 3/55, NJW 1956, 1071. 8 Vgl. BGH, Urt. v. 20.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415.

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2. Teil

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Miterbe

an einen Dritten, so bestimmt sich der Streitwert nicht nach dem Teil der Grundstückswerte, der dem Erbteil des oder der mehreren Miterben entspricht, sondern nach dem vollen Wert der Grundstücke. Dem erhöhten Schutz der verklagten Miterben, der in der Notwendigkeit ihrer Mitwirkung bei Verfügungen der Erbengemeinschaft besteht, entspricht eine erhöhte Verantwortlichkeit.1 Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Streitwert auf die Erbquoten der verklagten Miterben zu beschränken. Mit der Klage wird von den Beklagten die Mitwirkung bei der Übertragung des gesamten Grundstücks (nicht nur eines Teils desselben) verlangt. Die Beklagten sind gar nicht in der Lage, ihre Mitwirkung bei der Übertragung des Grundstücks auf einen Dritten, beispielsweise auf einen Vermächtnisnehmer, etwa nur auf einen ihren Erbteilen entsprechenden Anteil an dem Grundstück zu beschränken. Die Mitwirkung der Beklagten ist nicht auf einen Anteil an dem Grundstück gerichtet, sie betrifft vielmehr das ganze (zu übertragende) Grundstück. Auch bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist daher in derartigen Fällen der Wert des zu übertragenden Grundstücks der Streitwert (§ 6 ZPO).2

2.3390 Hat der Kläger das Grundstück schon auf seine Kosten bebaut, so ist der Bauwert voll abzuziehen.3 2.3391 Von der Bewertung des Auflassungsanspruchs unter Miterben ist der Fall zu unterscheiden, dass ein Dritter in den Streit hineingezogen wird.

2.3392 Dementsprechend hat das KG4 ausgeführt, der Streitwert der Klage auf Auflassung eines Grundstücks zwecks Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sei jedenfalls dann gleich dem vollen Verkehrswert, wenn es sich dabei nicht um die Regelung der Eigentumsverhältnisse nur unter den Miterben handele. Verklagt also beispielsweise ein Miterbe einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines Nachlassgrundstücks an einen Dritten, so liegt es nahe, den vollen Wert des Grundstücks als Streitwert anzusehen.

2.3393 Zwar können Miterben nur gemeinsam über ein Grundstück verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB). Diese Zustimmung soll durch die Klage erzwungen werden. Wo Miterben jedoch einzeln zur Verfügung bereit sind, entsteht kein gerichtlicher Streit. Das gilt immer für den klagenden Miterben.

2.3394 Daraus folgt, dass der Streitwert – jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – nur nach den Anteilen derjenigen Miterben bemessen werden darf, die durch Klage zur Auflassung an einen Dritten gezwungen werden sollen.

2.3395 Das gilt auch dann, wenn in einem Streit unter Miterben Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten zum Zwecke der Auseinandersetzung (Versteigerung) verlangt wird. Der Streitwert bemisst sich also nicht nach dem ganzen herauszugebenden Nachlass, sondern – wie bei der Klage auf Aufhebung der Erbengemeinschaft (Rz. 2.289 ff.) – nach der vom Kläger erwarteten Quote am Erlös.

2.3396 Der Streitwert der Klage eines Nachlassgläubigers gegen einen einzigen (Voll-)Erben auf Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks ist gleich dem Wert des Grundstücks.

2.3397 Nicht zu verwechseln damit sind die Leistungsklagen auf Geldzahlung. Insoweit haftet der einzelne Miterbe voll, so dass auch entsprechend zu bewerten ist (s. Rz. 2.289 ff.).

2.3398 Ebenso liegt es, wenn ein Miterbe und ein Nicht-Miterbe als Vermächtnisnehmer gegen die Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf Übereignung eines Grundstücks klagen, selbst wenn die Übereignung nur an der fehlenden Einwilligung einzelner Miterben scheitert.5 Grund: Der Miterbenanteil 1 BGH, Beschl. v. 20.4.1956 – V ZR 3/55, NJW 1956, 1071. 2 Zutreffend OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12, AGS 2012, 307 = MDR 2012, 978; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2000 – 14 W 54/00, AGS 2002, 13. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1973, 768. 4 KG, Rpfleger 1962, 155. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 15.10.1987 – 3 W 110/87, JurBüro 1988, 517.

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Miterbe

2. Teil

ZPO

des klagenden Erben kann nicht zugunsten des klagenden Nicht-Miterben abgezogen werden; maßgebend ist nur der Klageantrag auf Übereignung an den Erben und den Nicht-Miterben als Miteigentümer.1 Ausgleichungspflicht Bei einer Klage auf Feststellung der Ausgleichungspflicht gem. § 2050 BGB ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat.2 Es ist also § 3 ZPO und nicht § 6 ZPO anzuwenden.3

2.3399

Die Festsetzung des Wertes nach freiem Ermessen rechtfertigt sich daraus, dass die Verurteilung für die Beklagten nicht dieselben Folgen hat wie eine Verurteilung zur Leistung nach § 2039 BGB.

2.3400

Auskunft Die Bewertung hat nach § 3 ZPO zu erfolgen. Der Anspruch auf Auskunftserteilung gewährt im Falle der Verurteilung keine volle Befriedigung, sondern bereitet die Zahlungsklage nur vor. Infolgedessen stellt sich sein Wert auch nur als Bruchteil des Anspruchs dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.

2.3401

Auszugehen ist vom Wert des Nachlasses, sodann ist die Miterbenquote zu bestimmen; von dem sich 2.3402 hieraus ergebenden Betrag ist der Streitwert für die Auskunftserteilung wiederum mit einem Bruchteil zu bemessen.4 Die Bewertung des Auskunftsanspruchs erfolgt im Rahmen des § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft zu Beginn der Instanz. Zu schätzen ist nach objektiven Kriterien, wobei auf die realistischen, also nicht die übertriebenen Erwartungen des Klägers abzustellen ist. Spätere Erkenntnisse oder eine Bezifferung verringern den Streitwert nicht.5 In der Regel beträgt der Streitwert 1/10 bis 1/4 vom Auskunftsgegenstand, je nach Abhängigkeit des Klägers von der Auskunft.6

2.3403

Nur in Ausnahmefällen, wenn die Verhältnisse weitgehend bekannt sind, kommt ein Ansatz von ledig- 2.3404 lich 1/10 für die Streitwertbemessung in Betracht.7 Ist der Kläger von der begehrten Auskunft völlig abhängig, kann der Wert dieses Gegenstandes sogar erreicht werden, ihn aber nicht überschreiten.8 Auch wenn eine Stufenklage nach rechtskräftiger Entscheidung durch Teilurteil in der Auskunftsstufe mangels weiterem Betreiben der Sache nach Aktenordnung weggelegt wird (Fall der sog. „steckengebliebenen Stufenklage“), ist für die Höhe des Streitwertes nicht allein auf die Auskunftsstufe abzustellen, sondern gem. § 44 GKG auf den höheren der verbundenen Ansprüche, in der Regel also auf den Anspruch aus der Leistungsstufe. Für diesen Wert ist die Vorstellung des Klägers in der Klag-

1 2 3 4 5

Siehe E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 912. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2018 – 7 U 34/17. BGH, Rpfleger 1957, 247. OLG Schleswig, JurBüro 1960, 263; JurBüro 1959, 169. OLG Düsseldorf, JurBüro 1987, 736; OLG Köln v. 9.5.2005 – 14 WF 21/05, FamRZ 2005, 1847; OLG München v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134; BGH, Urt. v. 9.3.2006 – V ZB 164/05, MDR 2006, 1134. 6 BGH v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060; BGH v. 10.2.2011 – II ZR 338/09, NJW 2011, 926 u. 2975; OLG Frankfurt v. 9.7.2004 – 13 W 48/04, MDR 2005, 164; BGH, Urt. v. 13.9.2004 – II ZR 137/02, MDR 2005, 164. 7 BGH v. 28.12.2011 – 19 W 73/11, NJW-RR 2012, 762; OLG Hamm v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06, FamRZ 2007, 163; OLG Saarbrücken v. 26.1.2009 – 9 WF 13/09, OLGR Saarbrücken 2009, 381. 8 OLG Köln v. 29.6.1984 – 4 UF 33/84, FamRZ 1984, 1029; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1306; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.1.1987 – 4 WF 152/86, MDR 1987, 508; a.A. OLG Koblenz, JurBüro 2005, 39: generell unter der Hälfte.

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begründung maßgeblich, was nur dann anders sein kann, wenn sie ausnahmsweise schon aus sich heraus erkennbar ohne Realitätsgehalt erscheint1.

2.3406 Zwar wird für den vorliegenden Fall der „steckengebliebenen Stufenklage“ teilweise vertreten, es sei für die Wertberechnung allein auf die Hilfsstufen abzustellen.2 Zur Begründung wird einerseits der Wortlaut des § 44 GKG angeführt, der nämlich die Möglichkeit eines höheren Wertes des Auskunftsanspruchs nicht ausschließe, und andererseits der Sinn und Zweck der Stufenklage, dem Kläger kostenreduzierend die Rechtshängigkeit eines noch unbestimmten Leistungsanspruchs kombiniert mit den Hilfsansprüchen zu ermöglichen.

2.3407 Diese Ansicht überzeugt nicht. Auf den Wortlaut von § 44 GKG kann nicht abgestellt werden, weil § 40 GKG greift. Danach ist der sich bei Klagerhebung unter Berücksichtigung der Klägervorstellung ergebende Wert der rechtshängig gemachten Leistungsstufe der höhere.3 Bankguthaben

2.3408 Der Streitwert der Feststellungsklage einer Miterbin gegen einen anderen Miterben, dass ein Bankguthaben zum Nachlass gehört, bestimmt sich nach dem Betrag des Guthabens abzüglich des Miterbenanteils des Beklagten. Davon ist ein Abschlag von etwa 20 % vorzunehmen.4 (Siehe auch Rz. 2.289 ff.). Befreiung

2.3409 Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstücks berechtigt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von der Verpflichtung aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.5 Berichtigung

2.3410 Der Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass anstelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, bemisst sich nach dem Wert des Grundstücks abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils.6

2.3411 Anders liegt der Fall, wenn der Miterbe gegen einen am Nachlass nicht beteiligten Dritten dahingehend auf Berichtigung des Grundbuchs klagt, statt des eingetragenen Dritten sei die Erbengemeinschaft einzutragen.

2.3412 Der Klageantrag muss nach § 2039 Satz 1 BGB dahin lauten, dass der Dritte die Leistung an alle Erben gemeinsam zu erbringen hat. Eine verurteilende Erkenntnis kommt also allen Miterben zugute. Das gesamte Grundstück ist streitbefangen. Der Streitwert deckt sich daher mit dem Verkehrswert des Grundstücks.7

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 26.8.2014 – 3 W 72/14, MDR 2014, 1345. 2 OLG Stuttgart v. 29.3.2005 – 16 WF 3/05, FamRZ 2005, 1765 f.; OLG Dresden v. 21.2.1997 – 7 W 0107/97, MDR 1997, 691. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 26.8.2014 – 3 W 72/14, MDR 2014, 1345; OLG Stuttgart v. 6.11.2007 – 8 W 444/07, FamRZ 2008, 533 f. und 534 f.; OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 40; KG v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, FamRZ 2007, 69 f.; OLG Saarbrücken, AGS 2011, 91 ff. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433. 5 BGH, JurBüro 1954, 231. 6 BGH, MDR 1958, 676; RGZ 156, 263. 7 Siehe RGZ 149, 193; E. Schneider, JurBüro 1977, 440 Nr. 5.

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Streitigkeiten wegen Erbauseinandersetzungen sind in der Bewertung zweifelhaft, wenn es um die Übernahme eines Grundstücks oder mehrerer Grundstücke geht. Die Rechtsprechung war lange Zeit unübersichtlich und sehr kontrovers. Das hing damit zusammen, dass ursprünglich eine rein formale Bewertung nach § 6 ZPO befürwortet wurde.1 Der BGH hat sich von dieser Rechtsprechung langsam gelöst und ist endgültig zur wirtschaftlichen Bewertung übergegangen.2 Er stellt jetzt nicht mehr auf den Nachlasswert als solchen ab, sondern berücksichtigt den Erbanteil des klagenden Miterben, der bei der Bemessung des Streitwerts abzuziehen ist (s. Rz. 2.289 ff.).

2.3413

Der Streitwert einer Erbteilungsklage richtet sich nicht nach dem vollen Wert des Nachlasses,3 sondern nach dem Interesse des Klägers an dem Auseinandersetzungsplan.4 Hat z.B. ein Miterbe im Einverständnis mit einem zweiten Miterben den dritten Miterben auf Übertragung eines Nachlassteils auf sich verklagt, bemisst sich der Streitwert nur nach dem Anteil des verklagten Miterben,5 den der Kläger begehrt.

2.3414

Erbfeststellung Maßgeblich für die Bemessung des Streitwerts einer Erbfeststellungsklage ist der von den Klägern für sich in Anspruch genommene Erbteil. Für den Wert des Klageantrags kommt es weder darauf an, dass der Beklagte behauptet, selbst nur mit einem unter dem Erbanteil der Klägers liegenden Erbanteil Miterbe auf Grund gesetzlicher Erbfolge zu sein, noch darauf, dass die Kläger ihre Klagen gegen andere Beklagte, die ebenfalls als gesetzliche Miterben in Betracht kommen, zurückgenommen haben.6

2.3415

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmten Erbquote bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des unterlegenen Beklagten. Zielt dessen Klageabweisungsantrag darauf ab, die Beteiligung des Klägers am Nachlass zu beseitigen, so ist maßgeblich für den Streitwert der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Anteil an dem (um die Verbindlichkeiten) geminderten Nachlass, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %. Dieser Wert ist nicht deshalb um einen weiteren Abschlag zu mindern, weil der Beklage selbst nur geltend macht, mit einem bestimmten Anteil am Nachlass als gesetzlicher Erbe beteiligt zu sein.7

2.3416

Begehrt der Beklagte neben der Klageabweisung mit einer Widerklage die Feststellung, dass er gesetzlicher Miterbe zu einer bestimmten Erbquote geworden sei, so hat die Widerklage einen Streitwert in Höhe der in Anspruch genommenen Erbquote abzüglich eines 20%igen Feststellungsabschlags. Der Streitwert von Klage und Widerklage ist nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen, weil die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen.8 Maßgebend ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.9 Eine wirtschaftliche Identität von Klage und Widerklage liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten „Identitätsformel“ dann vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht. Zielt die Klage auf Feststellung, dass die Kläger testamentarische Erben der Erblasserin geworden sind, hat dies notwendigerweise die Abweisung der Widerklage zur Folge, mit der die Be-

2.3417

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH, JurBüro 1962, 278. BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741. So noch BGH, JurBüro 1962, 278. BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92; BGH, Beschl. v. 3.2.1993 – IV ZR 246/92; OLG Schleswig, SchlHA 1993, 155 = JurBüro 1994, 26. OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364. BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2012, 159; BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, AGS 2012, 30. BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30. BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30. BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506.

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Erbauseinandersetzung, Erbteilung

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klagte die Feststellung begehrt, dass sie gesetzliche Erbin geworden ist. Entsprechend müsste die Klage abgewiesen werden, wenn der Widerklage stattgegeben würde. Anzusetzen ist mithin gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der höhere Wert der Klage.1 Erbschein

2.3418 Bei einer Klage auf Herausgabe eines Erbscheins ist gem. § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung drohender Nachteile2 oder am Beweisvorteil maßgeblich. Erbunwürdigkeit

2.3419 Ein einzelner Miterbe kann den Erbfall eines anderen Miterben anfechten und Anfechtungsklage mit dem Antrag erheben, diesen für erbunwürdig zu erklären (§§ 2341, 2342 BGB). Hat er Erfolg, dann erhöht sich nicht nur seine Beteiligung am Nachlass, sondern auch die der anderen Miterben, da das stattgebende Gestaltungsurteil für diese Rechtskraft wirkt (vgl. § 2344 Abs. 1 BGB). Der Sache nach ist also die gesamte Beteiligung des Beklagten am Nachlass in Streit, so dass diese auch die Höhe des Streitwertes bestimmen muss.3

2.3420 Bei dieser Gestaltungsklage bemisst sich der Streitwert allein nach dem Interesse des Klägers an der sich für ihn aus der Erbunwürdigkeit des Beklagten ergebenden Besserstellung. Die Tatsache der Rückwirkung der Erbunwürdigkeitsklage führt nicht dazu, dass der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich wäre, § 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO4. Feststellungsabschlag

2.3421 Bei der Bewertung von Feststellungsklagen von oder gegen Miterben ist bei der positiven Feststellungsklage ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.5 Bei der Erbfeststellungsklage eines Vorerben ist ein noch höherer Feststellungsabschlag vorzunehmen.6 Anders bei der negativen Feststellungsklage. Da mit ihr jegliche erbrechtlichen Ansprüche des Miterben vollumfänglich ausgeschlossen werden sollen, kommt ein Abschlag von dessen quotenmäßiger Beteiligung am Nachlass nicht in Betracht.7

2.3422 Klagt ein Verwandter gegen die durch Erbschein als Alleinerbin ausgewiesene Beklagte auf Feststellung, dass die Klägerin kraft Gesetzes zu einem Bruchteil Miterbin sei, dann steht bei Erfolg der Klage fest, dass die Klägerin Inhaberin des umstrittenen Erbteils ist. Diese, die Beklagte notwendig ausschließende Feststellung, ist mit der negativen Feststellungsklage vergleichbar und steht einem Feststellungsabschlag entgegen.8 Genehmigung

2.3423 Der volle Grundstückswert soll nach OLG Bamberg9 dann maßgebend sein, wenn ein Miterbe gegen einen anderen Miterben auf Genehmigung eines notariellen Vertrages klagt, durch den ein Nachlassgrundstück zur Erfüllung eines Vermächtnisses übertragen wird.

2.3424 Diese Entscheidung ist jedoch mit der gerade in Miterbenstreitigkeiten vom BGH praktizierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s. Rz. 2.289 ff.) unvereinbar. Als Streitwert ist die höchste Quote 1 BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30. 2 BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – III ZR 191/66. 3 BGH, Urt. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, JurBüro 1969, 1168 = MDR 1970, 124; BGH, Beschl. v. 27.2.2008 – IV ZR 138/07, ZEV 2008, 193. 4 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.65. 5 St. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 = AGS 2012, 30. 6 BGH, Beschl. v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108: 25 %. 7 OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1994, 66. 8 BGH, Beschl. v. 16.6.1987 – IVa ZR 24/87. 9 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 120 mit krit. Anm. Mümmler.

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der Nachlassbeteiligung anzunehmen, die sich bei einem Vergleich des Anteils des klagenden Miterben und des die Genehmigung verweigernden beklagten Miterben ergibt.1 Gesetzliche Erbfolge Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, bestimmt sich der Wert 2.3425 des Streitgegenstands nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.2 Zum Feststellungsabschlag s. Rz. 2.3421. Bei der Festsetzung des Streitwertes einer Klage, mit der der Kläger gegen den testamentarisch eingesetzten Erben die Feststellung begehrt, aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erbe geworden zu sein, ist der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers von dem Wert des Nachlassvermögens abzuziehen.3

2.3426

Grundbuchberichtigung Den Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass anstelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, bildet der Wert des Grundstücks; der Anteil des beklagten Miterben ist vom Grundstückswert abzuziehen.4

2.3427

Herausgabe Über die Bewertung bei Streit unter Miterben wegen der Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten s. Rz. 2.2193.

2.3428

Werden Miterben von einem Erben verklagt, ihren Anteil am Nachlass an die Erbengemeinschaft herauszugeben, bestimmt sich der Streitwert anhand des Nachlasses abzüglich der Anteile der Beklagten. Dagegen wird der Anteil eines weiteren, am Rechtsstreit nicht beteiligten Erben, nicht abgesetzt.5

2.3429

Der Streitwert für Klagen unter Miterben mit dem Ziel, den Beklagten als erbunwürdig aus der Erbengemeinschaft auszuschließen und das Nachlassgrundstück herauszugeben, bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Anteil des Beklagten (s. Rz. 2.3369 ff.).

2.3430

Hinterlegung Der Streitwert für eine Klage, mit der ein Miterbe nach § 2039 BGB gegenüber einem anderen Miterben eine Nachlassforderung auf Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme zugunsten des Nachlasses geltend macht, bemisst sich nach dem Betrag der eingeklagten Forderung abzüglich eines dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechenden Betrags.6

2.3431

Leistungsklage Klagt ein Miterbe aufgrund des § 2039 BGB gegen einen Nachlassschuldner auf Leistung an die noch ungeteilte Erbengemeinschaft, dann ist die volle Leistung im Streit und gem. § 6 ZPO zu bewerten.7

1 2 3 4

Siehe ausführlich dazu E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 6 Nr. 90. OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 1367. BGH, NJW 1975, 539 = JurBüro 1975, 1197. BGH, JurBüro 1958, 387; RGZ 156, 263; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66 zu ZPO § 6, b; KG, Rpfleger 1962, 155 zu ZPO § 6, 1. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, JurBüro 1992, 418 = Rpfleger 1992, 254. 6 BGH, MDR 1967, 202; vgl. auch E. Schneider, JurBüro 1977, 438 zu Ziff. 3. 7 RGZ 149, 193; OLG Düsseldorf, MDR 1962, 912; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274; OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30; beiläufig OLG Schleswig, JurBüro 1994, 26.

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2.3433 Der Anteil des klagenden Miterben ist also wertmäßig unbeachtlich. Dasselbe gilt, wenn der klagende Miterbe auf Leistung an sich allein klagt, weil er von den übrigen Miterben zur Einziehung der Forderung oder des Anspruches ermächtigt worden ist.1

2.3434 Bei der Zahlungsklage eines Miterben gegen die anderen Miterben auf Zahlung einer Geldsumme an die lediglich aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft ist jedoch der auf den Anteil des beklagten Miterben entfallende Geldbetrag streitwertmäßig grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.2

2.3435 Ist dagegen der beklagte Nachlassschuldner nämlich zugleich Miterbe, dann ist zu beachten, dass dem beklagten Miterben u.U. ein seinem Erbteil entsprechender Anteil an der geforderten Leistung zukommt und verbleibt. Dieser Anteil muss als außer Streit befindlich angesehen und daher von dem an sich maßgebenden Wert der gesamten Leistung abgesetzt werden.3

2.3436 Diese Betrachtungsweise darf jedoch nicht schematisiert und unreflektiert übernommen werden, weil dem beklagten Miterben vor der Auseinandersetzung gar kein fester Anteil an der Forderung zusteht und im Übrigen gar nicht feststeht, ob der Beklagte an der beigetriebenen Forderung partizipiert.

2.3437 Beispiel: Der Kläger (zu 1/4 erbberechtigt) klagt gegen den Beklagten (ebenfalls zu 1/4 erbberechtigt) auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 100.000 t an die Erbengemeinschaft. Nach Zahlung der Forderung ergibt sich ein Nachlassbestand von 0 t.

In diesem Fall muss es bei den vollen 100.000 t verbleiben. Es wäre nicht sachgerecht, den Streitwert in diesem Fall auf lediglich 75.000 t zu reduzieren. Wäre die Forderung gegen den Beklagten unbegründet gewesen und der Nachlass damit überschuldet, hätte er das Erbe ausschlagen, zumindest die Dürftigkeitseinrede erheben können, so dass er durch den Eingang der 100.000 t bei der Erbengemeinschaft überhaupt keinen Nutzen hat. Daher darf in einem solchen Fall nichts abgezogen werden. Es ist daher immer zu fragen, welcher Vorteil auf den Beklagten wieder zurückfällt oder besser, aus Sicht des Klägers ausgedrückt, welcher Anteil ihm wieder verloren geht und daher für ihn wirtschaftlich von keinem Interesse ist.

2.3438 Steht der Erbteil des Miterben nicht fest, so muss dieser geschätzt werden. Dabei dürfte es ausschließlich auf die Sicht des Klägers ankommen.

2.3439 Behauptet der Kläger, der in Anspruch genommene Miterbe sei erbunwürdig, dürfte ein Abzug nicht gerechtfertigt sein, da aus Sicht des Klägers dem Beklagten kein Vorteil zukommen kann. Gegebenenfalls ist auch hier nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.3440 Bei der Streitwertfestsetzung in erbrechtlichen Angelegenheiten unter Miterben ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt. Wenn ein Miterbe eine Nachlassforderung gegen die anderen Miterben einklagt, sind deren Anteile abzuziehen. Gleiches gilt, wenn ein Miterbe die Übertragung eines Nachlassgegenstandes verlangt.4

2.3441 Im umgekehrten Fall, wenn also der klagende Miterbe zugleich Gläubiger der Erbengemeinschaft ist und gegen einen Miterben seine private Forderung verfolgt, muss entsprechend der Anteil des klagenden Gläubiger-Miterben an der den Nachlass belastenden Schuld außer Ansatz bleiben. Es ist also zu berücksichtigen, dass die von dem Gläubiger-Miterben geltend gemachte Forderung ihn selbst als Miterben in Höhe seines Anteils belastet. Dieser Teil der Forderung, den der klagende Miterbe in jedem Fall selbst zu tragen hat, ist wiederum außer Betracht zu lassen.5 1 2 3 4 5

Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.65. OLG Köln, JurBüro 1969, 344; OLG Köln, Beschl. v. 17.5.1995 – 11 W 32/95, OLGR 1995, 246. RG, JW 1937, 228 Nr. 11; RGZ 156, 264. OLG Köln, Beschl. v. 17.5.1995 – 11 W 32/95. RGZ 156, 265.

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2. Teil

2.3442

Auch bei der Klage gegen einen Miterben auf Löschung einer Hypothek bestimmt sich der Streitwert nach dem eingetragenen Betrag ohne Rücksicht darauf, dass der Miterbe nur zu einem Teil berechtigt ist.1

2.3443

Soweit jedoch nur die Zustimmung anderer Miterben notwendig (oder freiwillig erteilt) ist, ist dies streitwertermäßigend zu berücksichtigen. Denn dann kann die Klage lediglich gegen einen Miterben nicht den vom Kläger bezweckten rechtlichen Erfolg herbeiführen.

2.3444

Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Nacherbenvermerks hat neben dem Begehren der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Nachlassgrundstücks keinen eigenen Wert.

2.3445

Die Klage eines Erben gegen einen Miterben auf Erteilung der Löschungsbewilligung für eine zugunsten der Erbengemeinschaft eingetragene Sicherungshypothek wurde früher mit dem vollen Betrag der Hypothek bewertet. Entsprechend der neueren Judikatur, die den Anteil des klagenden Erben bei der Streitwertbemessung aus wirtschaftlichen Erwägungen unberücksichtigt lässt,2 hat das OLG Frankfurt3 zutreffend lediglich den Hälfteanteil des die Löschung verweigernden Miterben angesetzt.

2.3446

ZPO

Ist dagegen der klagende Nachlassgläubiger nicht an der Erbengemeinschaft beteiligt, dann gelten die allgemeinen Vorschriften; der Wert der Klageforderung ist uneingeschränkt anzusetzen (s. aber zu der Besonderheit der Auflassungsklage gegen einen einzelnen Miteigentümer (vgl. Rz. 2.293 ff.).

Nachlassverzeichnis Die Klage auf Vorlegung eines Nachlassverzeichnisses und Auskunftserteilung über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers daran, Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Bestandes der Erbschaft zu vermeiden, die ohne die verlangte Auskunft auftreten würden.4

2.3447

Wesentlicher Anhalt für die wirtschaftliche Einschätzung dieses Interesses ist der Wert der Gegenstände, die in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind, da es dem Kläger letztlich um die vermögensrechtliche Zuordnung dieser Sachen geht.5

2.3448

Neuregelungsverlangen Ein hinreichendes Neuregelungsverlangen liegt vor, wenn die Miterben deutlich machen, dass die al- 2.3449 leinige Nutzung zukünftig nicht mehr hingenommen wird. Dies kann in der Aufforderung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung liegen. Der Streitwert ergibt sich in diesem Fall aus der Gesamtforderung abzüglich des Erbanteils des Beklagten.6 Nichtigkeit Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstücks berechtigt, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.7

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OLG Naumburg, JW 1936, 2169; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2. Siehe Rz. 2.2821 ff. und E. Schneider, JurBüro 1977, 433. OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 757. KG, JurBüro 1973, 151; OLG Köln, MDR 1959, 223 Nr. 93; OLG Schleswig, JurBüro 1959, 169 Nr. 53. KG, JurBüro 1973, 151. AG Mönchengladbach, Urt. v. 18.12.2019 – 35 C 97/19. BGH, JurBüro 1954, 231; s. dazu aber E. Schneider, JurBüro 1977, 440 zu Ziff. 6.

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2.3451 Klagen Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbengemeinschaft mit einem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrags, dann ist ebenfalls nicht auf die Höhe des Pachtzinses abzustellen, sondern auf das Interesse des Klägers.1

2.3452 Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Testaments oder einer sich aus einer behaupteten Testamentsauslegung ergebenden Rechtsfolge ist der Streitwert ebenfalls nicht nach dem Wert des ganzen Nachlasses, sondern nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu treffen.2 Das Interesse richtet sich nach der für den Kläger bei einer Testamentsnichtigkeit gegebenen Besserstellung.3 Es entspricht nach OLG Saarbrücken4 dem Erbteil des klagenden Miterben.

2.3453 Für die Wertberechnung einer auf Feststellung der Rechtsgültigkeit eines Testaments gerichteten Klage ist § 3 ZPO maßgebend. Hierbei ist – ausgehend vom Nettowert des Nachlasses – streitwertmindernd der Anteil eines Erben wie auch der Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen.5

2.3454 Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pachtvertrags, der zwischen der Erbengemeinschaft und einem anderen abgeschlossen worden ist, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten.6 Hier ließe sich jedoch mit Rücksicht auf die faktische Wirkung einer erfolgreichen negativen Feststellungsklage sehr wohl auch die Auffassung vertreten, dass das Erhaltungsinteresse des Beklagten am ganzen Vertrag wertbestimmend ist.7 Pachtvertrag

2.3455 Klagen Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit für einen Dritten abgeschlossenen Pachtvertrags, dann bestimmt sich der Streitwert nicht nach der Höhe des Pachtzinses, sondern nach dem gem. § 3 ZPO zu bemessenden Interesse der Kläger.8 Pflichtteil

2.3456 Ist der Pflichtteilsanspruch einer bestimmten Person unstreitig, die Beteiligung als Miterben am Nachlass aber streitig und wird auf Feststellung der Erbberechtigung geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben Erbteils;9 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen. Rücktritt vom Erbvertrag

2.3457 Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag bemisst sich nach OLG Celle10 auf 1/4 des derzeitigen reinen Vermögens des Erblassers. Diese Bewertung ist kaum nachvollziehbar und hat schwerlich grundsätzliche Bedeutung. Testamentsvollstreckung

2.3458 Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet ist, dann kommt als 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH, ZMR 1956, 55. BGH, NJW 1956, 1877. KG, Rpfleger 1962, 154 zu ZPO § 3, r. OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30. OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 146 – zu ZPO §§ 3, 6, a. BGH, Rpfleger 1955, 101. Siehe dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 440 zu Ziff. 6. BGH, Beschl. v. 21.10.1955 – V ZR 160/54, ZMR 1956, 55 = LM Nr. 10 zu § 10 GKG a.F. BGH, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389 = Rpfleger 1975, 127. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 57.

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Miterbe

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2. Teil

Ein Rechtsstreit um Bestehen und Fortdauer des Testamentsvollstreckeramtes ist vermögensrechtlicher Art, wenn der Nachlass aus einer Stiftung besteht, die auch erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt, und der Testamentsvollstrecker auf die rechtliche und wirtschaftliche Organisation der Stiftung Einfluss nehmen will.

2.3459

Für die Wertfestsetzung nach § 3 ZPO ist in diesem Fall das objektive Amtsinteresse bestimmend, das 2.3460 dem Testamentsvollstrecker nach dem Testament und kraft Gesetzes obliegt. Dafür ist der wirtschaftliche Wert der den Erben auferlegten Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkungen bzw. die Wertminderung, die der Nachlass durch die Testamentsvollstreckung erfährt, maßgebend. Dieser Wert übersteigt in der Regel nicht die Hälfte des Nachlasses.2

2.3461

Klagt ein Erbe gegen den Testamentsvollstrecker auf Feststellung, dass dessen Teilungsplan unwirk- 2.3462 sam sei, dann ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgebend. Das OLG München3 hat berücksichtigt, dass der Streit nicht um die Erbbeteiligung ging, sondern um die Verfügungsbefugnis über bestimmte Nachlassgegenstände, und dass der Testamentsvollstrecker mit der Klage nicht zu einer bestimmten Art der Teilung gezwungen werden konnte; den Wert hat das Gericht dann auf 50 % der Miterbenquote des Klägers festgesetzt. Unterlassung Klagt ein Miterbe gegen einen anderen auf Unterlassung der Eigentumsumschreibung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf den anderen Miterben, dann bemisst sich der Streitwert nur nach der quotenmäßigen Beteiligung des Miterben an der Erbengemeinschaft.4

2.3463

Vorerbe Klagt der nicht befreite Vorerbe gegen den Nacherben auf Zustimmung zum Verkauf eines aus dem Nachlass durch den Erbfall erworbenen Grundstücks und zur Auflassung an den Käufer, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.5

2.3464

Maßgebend ist das Interesse des Klägers, das auf jeden Fall durch den Verkehrswert des Grundstücks begrenzt ist.

2.3465

Zugunsten des Vorerben eingetragene Belastungen des Grundstücks sind abzusetzen, wenn sie vom 2.3466 Eintritt der Nacherbfolge unberührt bleiben. Die vom Vorerben angebotenen Gegenleistungen für die begehrte Zustimmung zur Grundstücksveräußerung müssen dagegen unberücksichtigt bleiben.

2.3467

Bei der Bewertung ist die materielle Rechtslage zu berücksichtigen; der Vorerbe kann auch ohne Zu- 2.3468 stimmung verkaufen; diese nimmt aber dem Veräußerungsvorgang die Rechtswirkungen auf die Nacherbschaft.

1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90. OLG Schleswig, JurBüro 1966, 152 Nr. 44. OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR 1995, 142. OLG Köln, JurBüro 1975, 939. BGH v. 19.7.2018 – V ZR 229/17, MDR 2018, 1178 = NJW-RR 2018, 1358 (20 % des Verkaufspreises bei Wohnungseigentum).

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ZPO

Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern ein erheblich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht.1

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2. Teil

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Miterbe

ZPO

2.3469 Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks hat nach OLG Schleswig neben der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Grundstücks keinen eigenen Streitwert.1

2.3470 Zur Widerspruchsklage des Nacherben nach § 773 ZPO s. “, Rz. 2.279. 2.3471 Zur Löschung eines Nacherbenvermerks s. das Stichwort „Nacherbenvermerk“, Rz. 2.3518 ff. 2.3472 Die Stellung eines Vorerben ist erheblich schwächer als die eines Vollerben. Das ist bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen und führt bei der positiven Feststellungsklage zu einem höheren Abschlag als den üblichen 20 %.2 Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet sei, so kommt als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern ein erheblich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.3 Vorkaufsrecht

2.3473 Macht ein Miterbe mit der Klage in erster Linie sein Vorkaufsrecht (§§ 2034, 2035 BGB) geltend und klagt er hilfsweise auf Zustimmung zur Erbauseinandersetzung, dann ist streitig, ob bei vergleichsweiser Beendigung dieses Rechtsstreits der Wert beider Ansprüche zu addieren oder nur der primäre Anspruch oder nur der höhere Anspruch zu bewerten ist (s. § 19 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 4 GKG). Richtig erscheint es, wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu addieren, aber vom höheren Streitwert des Hilfsantrages auszugehen.4

2.3474 Siehe dazu auch das Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227 ff. Zugang Benutzerkonto

2.3475 Der Streitwert der Klage eines Miterben gegen einen anderen Miterben, der Erbengemeinschaft Zugang zu einem Benutzerkonto des Erblassers sowie den darin enthaltenen Inhalten zu gewähren, beurteilt sich nach § 3 ZPO. Ein Streitwert von 10.000 t ist angesichts der regelmäßigen Bedeutung der Inhalte nicht zu beanstanden.5 Zurückbehaltungsrecht

2.3476 Auch im Miterbenstreit kann es vorkommen, dass der Beklagte (sei er Erbe oder außenstehender Dritter) eine Abweisung der Klage lediglich unter Berufung auf eine ihm gebührende Gegenleistung beantragt. Erkennt er seine Leistungspflicht als solche an, dann fordert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, dass der Streitwert nur an der Gegenleistung bemessen wird.6

2.3477 Die herrschende Auffassung lässt allerdings die Gegenleistung vollständig außer Acht, also auch dann, wenn die Hauptleistung gar nicht im Streit ist. Ausführlich dazu das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff.

1 OLG Schleswig, Rpfleger 1968, 325 = JurBüro 1968, 735. 2 BGH, Beschl. v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 975 m. Anm. E. Schneider = FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108: 25 %. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90. 4 So LG Bayreuth, Beschl. v. 1.12.1978 – 2 U 69/74, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 492 m. zust. Anm. E. Schneider = JurBüro 1980, 1248 mit abl. Anm. Mümmler. 5 Vgl. LG Münster, Urt. v. 16.4.2019 – 14 O 565/18, MDR 2019, 1067. 6 Siehe dazu speziell für Miterbenstreitigkeiten E. Schneider, JurBüro 1977, 435 zu Ziff. 1.

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Musterfeststellungsklage

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2. Teil

Bei einer Klage auf Feststellung der erbrechtlichen Ausgleichspflicht i.S.d. § 2050 BGB ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat.1

2.3478

Mitverschulden Für den Streitwert einer Schadensersatzklage ist unbeachtlich, ob sich der Beklagte mit dem Mitverschuldenseinwand verteidigt. Maßgeblich ist das Klagebegehren, nicht die Verteidigung des Beklagten oder der spätere Ausgang des Verfahrens.

2.3479

Lässt sich der Kläger ein anteiliges Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen und beansprucht 2.3480 deshalb nur einen Teilbetrag seines Schadens und erhebt der Beklagte eine negative Feststellungswiderklage, dass der Anspruch insgesamt nicht bestehe, ist der Mitverschuldensanteil bei der Berechnung des Streitwertes der Feststellungswiderklage zu berücksichtigen.2 Auf die Höhe des Gegenstandswertes von Vergleichen über Ansprüche aus einem Unfallereignis hat es keinen Einfluss, ob ein Mitverschulden des Geschädigten eine Rolle gespielt hat.3 Entscheidend ist nicht die – ggf. unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote ermittelte – Summe, auf die sich die Parteien einigen, sondern die Summe, über die sie sich einigen (s. hierzu auch das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5073 ff.).

2.3481

Musterfeststellungsklage A. Allgemeines Die mit Wirkung zum 1.11.2018 eingeführte Musterfeststellungsklage (§§ 606 ff. ZPO) ist eine Ausprägung der verbraucherschützenden Verbandsklage nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG und dient als erste Stufe der Durchsetzung von individuellen Ansprüchen, die Verbraucher gemäß § 608 ZPO angemeldet haben.4 Sie ermöglicht es qualifizierten Einrichtungen (Verbraucherverbänden) tatsächliche oder rechtliche Voraussetzungen für das Bestehen von Rechtsverhältnissen oder Ansprüchen einer Mehrzahl von Verbrauchern gegenüber einem Unternehmer (sog. Feststellungsziele) zum Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung zu machen und damit für nachfolgende Individualrechtstreitigkeiten dieser Verbraucher bindend (§ 613 Abs. 1 ZPO) festzustellen. Die Musterfeststellungsklage eröffnet eine (vorbereitende) Rechtsverfolgung neben der Geltendmachung von Ansprüchen aus §§ 1 bis 3 UKlaG sowie §§ 8 und 10 UWG. Das Verhältnis zum Kapitalanleger-Musterverfahren (§ 1 KapMuG) ist umstritten.5

2.3482

B. Zuständigkeitsstreitwert Die sachliche Zuständigkeit ist gemäß § 119 Abs. 3 GVG streitwertunabhängig ausgestaltet. Danach ist das Verfahren erstinstanzlich vor dem OLG zu führen, wobei dem Landesgesetzgeber eine Zuständigkeitskonzentration vorbehalten bleibt. 1 2 3 4 5

BGH, Rpfleger 1957, 247. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. AG Wiesbaden, Urt. v. 25.1.1971 – 96 C 1002/70, VersR 1971, 728. Vgl. Zöller/G. Vollkommer, § 606 ZPO Rz. 1. Zöller/G. Vollkommer, § 606 ZPO Rz. 2.

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2.3483

ZPO

Zuwendungen

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2. Teil

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Nacherbenvermerk

ZPO

C. Gebührenstreitwert 2.3484 Der für die gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren maßgebliche Streitwert bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum Streitwert in Streitsachen nach dem UKlaG1 das Interesse der Allgemeinheit an den Feststellungszielen, allerdings ohne die dort übliche Regelbewertung von 2.500 t.2

2.3485 Geht es um die Wirksamkeit von Vertragsklauseln oder Belehrungen über Verbraucherrechte ist eine klauselbezogene Bewertung sinnvoll. Diese hat neben dem Interesse der Allgemeinheit an einer Bindungswirkung für die mit den beteiligten Verbrauchern in der Vergangenheit geschlossene Verträge und Unterlassung der weiteren Klauselverwendung auch die (wirtschaftlichen) Auswirkungen der angestrebten Feststellungen auf die betroffene Branche zu berücksichtigen.3

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.3486 Gemäß § 614 ZPO ist gegen Musterfeststellungsurteile unabhängig vom Umfang der Beschwer die Revision eröffnet, da eine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO unterstellt wird.4

E. Vergleich 2.3487 Auch das Musterfeststellungsverfahren ist einem Prozessvergleich mit Wirkung für und gegen die am Verfahren beteiligten Verbraucher zugänglich. Dieser bedarf jedoch der Genehmigung des Gerichts, § 611 ZPO. Für dessen Bewertung ist – wie auch sonst (siehe ausführlich das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051) – nicht darauf abzustellen worauf, sondern worüber sich die Parteien geeinigt haben.

2.3488 Umfasst der Vergleich (zugleich) eine Regelung der Individualansprüche der angemeldeten Verbraucher, dann liegt darin ein für die gerichtlichen (Nr. 1900 KV GKG) und anwaltlichen (Nr. 1000 VV RVG) Gebühren zu beachtender Mehrwert des Vergleichs. Denn das Leistungsinteresse der beteiligten Verbraucher ist mit dem Interesse der Allgemeinheit an einer gerichtlichen Klärung der Feststellungsziele nicht wirtschaftlich identisch.5

2.3489–2.3509 Einstweilen frei.

Nacherbenvermerk 2.3518 Für die Bemessung des Streitwerts ist nach § 3 ZPO stets das Interesse des Grundstückseigentümers als Vorerbe maßgeblich. Abzustellen ist auf die Beeinträchtigung der Eigentümerrechte, die durch die Eintragung verursacht wird und die den Gegenstand des Löschungsverlangens darstellt. So kann es z.B. darum gehen, über das Grundstück anderweitig frei testieren zu können oder aber darum, es lastenfrei zu veräußern. Regelmäßig wird ein Bruchteil des Grundstückswertes (1/10 bis 1/3) anzusetzen sein.6 1 Vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2018 – VIII ZR 247/17, MDR 2018, 818. 2 OLG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2019 – 6 MK 1/18, MDR 2019, 632; G. Vollkommer, MDR 2019, 725. 3 OLG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2019 – 6 MK 1/18, MDR 2019, 632 zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehensverträgen; s. auch OLG München, Urt. v. 21.7.2020 – MK 2/19, MDR 2020, 1340, das auch die Anzahl der im Klageregister angemeldeten Verbraucher abstellt. 4 Koch, MDR 2018, 1409. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.76; Zöller/G. Vollkommer, § 611 ZPO Rz. 12. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.1.2012 – 1 W 58/11, JurBüro 2012, 249.

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2. Teil

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Nacherbenvermerk

ZPO

C. Gebührenstreitwert 2.3484 Der für die gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren maßgebliche Streitwert bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum Streitwert in Streitsachen nach dem UKlaG1 das Interesse der Allgemeinheit an den Feststellungszielen, allerdings ohne die dort übliche Regelbewertung von 2.500 t.2

2.3485 Geht es um die Wirksamkeit von Vertragsklauseln oder Belehrungen über Verbraucherrechte ist eine klauselbezogene Bewertung sinnvoll. Diese hat neben dem Interesse der Allgemeinheit an einer Bindungswirkung für die mit den beteiligten Verbrauchern in der Vergangenheit geschlossene Verträge und Unterlassung der weiteren Klauselverwendung auch die (wirtschaftlichen) Auswirkungen der angestrebten Feststellungen auf die betroffene Branche zu berücksichtigen.3

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.3486 Gemäß § 614 ZPO ist gegen Musterfeststellungsurteile unabhängig vom Umfang der Beschwer die Revision eröffnet, da eine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO unterstellt wird.4

E. Vergleich 2.3487 Auch das Musterfeststellungsverfahren ist einem Prozessvergleich mit Wirkung für und gegen die am Verfahren beteiligten Verbraucher zugänglich. Dieser bedarf jedoch der Genehmigung des Gerichts, § 611 ZPO. Für dessen Bewertung ist – wie auch sonst (siehe ausführlich das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051) – nicht darauf abzustellen worauf, sondern worüber sich die Parteien geeinigt haben.

2.3488 Umfasst der Vergleich (zugleich) eine Regelung der Individualansprüche der angemeldeten Verbraucher, dann liegt darin ein für die gerichtlichen (Nr. 1900 KV GKG) und anwaltlichen (Nr. 1000 VV RVG) Gebühren zu beachtender Mehrwert des Vergleichs. Denn das Leistungsinteresse der beteiligten Verbraucher ist mit dem Interesse der Allgemeinheit an einer gerichtlichen Klärung der Feststellungsziele nicht wirtschaftlich identisch.5

2.3489–2.3509 Einstweilen frei.

Nacherbenvermerk 2.3518 Für die Bemessung des Streitwerts ist nach § 3 ZPO stets das Interesse des Grundstückseigentümers als Vorerbe maßgeblich. Abzustellen ist auf die Beeinträchtigung der Eigentümerrechte, die durch die Eintragung verursacht wird und die den Gegenstand des Löschungsverlangens darstellt. So kann es z.B. darum gehen, über das Grundstück anderweitig frei testieren zu können oder aber darum, es lastenfrei zu veräußern. Regelmäßig wird ein Bruchteil des Grundstückswertes (1/10 bis 1/3) anzusetzen sein.6 1 Vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2018 – VIII ZR 247/17, MDR 2018, 818. 2 OLG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2019 – 6 MK 1/18, MDR 2019, 632; G. Vollkommer, MDR 2019, 725. 3 OLG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2019 – 6 MK 1/18, MDR 2019, 632 zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehensverträgen; s. auch OLG München, Urt. v. 21.7.2020 – MK 2/19, MDR 2020, 1340, das auch die Anzahl der im Klageregister angemeldeten Verbraucher abstellt. 4 Koch, MDR 2018, 1409. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.76; Zöller/G. Vollkommer, § 611 ZPO Rz. 12. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.1.2012 – 1 W 58/11, JurBüro 2012, 249.

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Namensrecht

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2. Teil

2.3519

Bei einem Nacherbenvermerk wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob eine befreite oder eine unbefreite Nacherbenschaft eingetragen ist. Im Falle einer befreiten Nacherbenschaft wird sich die Beeinträchtigung geringer darstellen als bei einer unbefreiten Nacherbschaft.

2.3520

ZPO

Will der Vorerbe das Grundstück lastenfrei veräußern, und beauftragt er deshalb einen Rechtsanwalt damit, die Löschung des eingetragenen Nacherbenvermerks zu erreichen, indem die zu Recht eingetragenen Nacherben zur Verzichtserklärung bewegt werden, dann ist der Grundstückswert (Kaufpreis) der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren.1 Dem OLG Celle wird man dann folgen können, wenn das Grundstück, solange und weil der Nacherbenvermerk eingetragen war, unverkäuflich war.

Nachforderungsklage Die im Wortlaut des § 324 ZPO genannten bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen gewähren dem Gläubiger neben dem Leistungsanspruch einen Anspruch auf dessen Sicherung. Die Nachforderungsklage ermöglicht prozessual, diese Sicherheitsleistung nachträglich zu verlangen, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners erheblich verschlechtern.

2.3521

Der Streitwert bemisst sich nach § 6 ZPO, weil Gegenstand der Klage die Sicherung der bereits titulierten Forderung ist. Maßgebend ist damit der Wert der zu besichernden Forderung. Die Forderung ist nach § 9 ZPO zu bewerten, soweit es sich um eine Geldrente handelt. Da die nachträgliche Sicherheitsleistung auf die Zukunft gerichtet ist, sind allein die künftig fällig werdenden Ansprüche ohne Berücksichtigung bestehender Rückstände maßgebend.2

2.3522

Ist der Wert der verlangten Sicherheit geringer als die zu besichernde Forderung, ist gem. § 6 Satz 2 ZPO der Wert der zu leistenden Sicherheit maßgebend.

2.3523

Zur Nachforderung einer Sicherheitsleistung bei Unterhaltstiteln s. im FamR-Teil das Stichwort „Nachforderungsverfahren“, Rz. 3.1571 ff.

Nachlassverzeichnis 2.3524

Siehe das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.

Nachverfahren 2.3525

Siehe das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“, Rz. 2.4925 ff.

Namensrecht Bei den Ansprüchen auf Beseitigung bzw. Unterlassung aus § 12 BGB handelt es sich um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, die hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu 1 OLG Celle, Urt. v. 5.10.1994 – 3 U 84/94, OLGR 1995, 109. 2 Musielak/Voit, § 324 ZPO Rz. 4.

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2.3525a

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2. Teil

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Nebenforderungen

ZPO

bewerten sind. Der Wert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen und darf 1 Million Euro nicht überschreiten.

2.3525b Anders ist es bei der Firma, die nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmannes ist. Wird der ungestörte Gebrauch der Firma behindert oder beeinträchtigt, so richtet sich das gegen den Gewerbebetrieb. Die daraus hergeleiteten Abwehransprüche sind deshalb vermögensrechtlicher Art.1 Das Interesse des Klägers an einem Widerruf bzw. an der Unterlassung ist in diesen Fällen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dabei bildet der Vorwurf der Verletzung des Namensrechts gegenüber der unlauteren Wettbewerbsbehinderung auch wertmäßig einen eigenständigen Streitgegenstand.2

2.3525c In gleicher Weise zu schätzen ist in den Fällen, in denen der Name einer Person wirtschaftlich verwertet wird, beispielsweise als Marke oder geschäftliche Bezeichnung, da hier der Schutz der Individualsphäre hinter den vermögensrechtlichen Interessen zurücktritt.

2.3525d Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bei den nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten um das Namensrecht wird nach § 3 ZPO bestimmt. Dabei kann auf die oben dargestellten Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zurückgegriffen werden.

Nebenforderungen A. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3526

II. Anhängigkeit des Hauptanspruchs . . . 2.3550

B. Bewertungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . 2.3530

III. Abhängigkeitsverhältnis . . . . . . . . . . . 2.3557

I. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . . 2.3533

IV. Fortbestand der Abhängigkeit . . . . . . . 2.3563

II. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . 2.3537

V. Form der Antragstellung . . . . . . . . . . . 2.3571

C. Einordnung „als Nebenforderung“

D. Streitwert-ABC . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3575

I. Begriff der Haupt- und Nebenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3548

A. Begriffe 2.3526 Für Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, enthalten § 4 Abs. 1 ZPO und § 43 Abs. 1 GKG besondere Bewertungsregeln. Was Früchte und Nutzungen sind, ergibt sich aus den §§ 99, 100 BGB.

2.3527 Zinsen sind das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital.3 Für die Streitwertberechnung macht es keinen Unterschied, ob es sich um gesetzliche oder um vertragliche Zinsen handelt, um Fälligkeits-, Verzugs- oder Prozesszinsen.

2.3528 Zu den Kosten wiederum zählen Aufwendungen in Bezug auf die Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs oder Rechtes. Für die Streitwertfestsetzung sind nur die außerhalb des Rechtsstreits angefallenen Kosten von Bedeutung. Hiervon zu unterscheiden sind die Kosten des Rechtsstreits selbst. Sie haben für den Zuständigkeitsstreitwert keine Bedeutung, wohl aber für die Beschwer bei Anfechtung von Kostenentscheidungen (§ 567 Abs. 2 ZPO), Streitwertbeschwerden (§ 68 GKG, § 33

1 RG, JW 1931, 1919. 2 OLG Frankfurt, Urt. v. 24.9.2015 – 6 U 181/14, ZIP 2016, 637: Domainname. 3 BGH, Beschl. v. 25.3.1998 – VIII ZR 298/97, MDR 1998, 857.

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Nebenforderungen

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2. Teil

Ob Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem Wechselgesetz (WG) und dem Scheckgesetz (ScheckG) Nebenforderungen darstellen, kann dahinstehen, da sie nach § 4 Abs. 2 ZPO jedenfalls als solche anzusehen sind.2

2.3529

B. Bewertungsregeln Ob Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, ob sie im Rechtsstreit als Hauptforderung oder als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

2.3530

Werden sie als Hauptforderung geltend gemacht, wird also nur auf Zahlung von Früchten, Nutzungen, Zinsen oder Kosten geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsregeln, nicht § 4 ZPO oder § 43 GKG. Auch die Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG greift in diesem Falle nicht; der Gebührenstreitwert kann daher auch den Wert der nicht anhängigen Hauptforderung überschreiten.

2.3531

Beispiel: Aus einer Forderung über 1.000 t werden Kosten und Zinsen i.H.v. 1.500 t isoliert eingeklagt.

2.3532

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beträgt 1.500 t.

I. Zuständigkeitsstreitwert Werden Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten „als Nebenforderungen“ geltend gemacht, dann bleiben sie bei der Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem WG und dem ScheckG (§ 4 Abs. 2 ZPO).

2.3533

Die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts bereitet weniger Probleme. Hier kommt es nur auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage, Klageerweiterung oder Widerklage an (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO). Ein späterer Wegfall der Hauptforderung durch Hauptsacherücknahme, -verzicht, -erledigung oder Anerkenntnis ist unerheblich. So bleibt das LG zuständig, wenn eine Klage i.H.v. 6.000 t nebst Zinsen hinsichtlich der Hauptsumme zurückgenommen und nur noch der Zinsantrag weiterverfolgt wird.

2.3534

Werden vor dem AG zunächst nur Nebenforderungen eingeklagt und wird später im Wege der Klageerweiterung auch die Hauptforderung anhängig gemacht, so ist ab Klageerweiterung nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO zu rechnen. Erhöht sich der Gegenstandswert, kann dies zur Verweisung nach § 506 Abs. 1 ZPO führen.

2.3535

Eine zu beachtende Ermäßigung kann sich allerdings nach einem Mahnverfahren ergeben. Ist über Haupt- und Nebenforderung ein Mahnbescheid beantragt worden und wird nur gegen die Nebenforderung Widerspruch oder Einspruch eingelegt, dann ist für die Zuständigkeit nicht die ursprüngliche Hauptforderung maßgebend, sondern nur noch die im streitigen Verfahren weiterverfolgte Nebenforderung, die jetzt zur Hauptforderung geworden ist.

2.3536

1 Siehe das Stichwort „Kosten des Rechtsstreits“, Rz. 2.631 ff. 2 Siehe ausführlich auch das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“, Rz. 2.4925.

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ZPO

RVG) oder Beschwerden gegen die Kostenfestsetzung (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO); für den Gebührenstreitwert gilt § 43 Abs. 3 GKG.1

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2. Teil

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Nebenforderungen

ZPO

II. Gebührenstreitwert 2.3537 Für den Gebührenstreitwert ist eine differenziertere Betrachtung geboten, da es hier zu Teil- oder Stufenstreitwerten kommen kann. Siehe die Stichwörter „Teil des Hauptanspruchs“, Rz. 2.4731 und „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

2.3538 Im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert bleiben beim Gebührenstreitwert die Nebenforderungen nicht außer Ansatz. Das GKG kennt kein Bewertungsverbot, sondern nur ein Additionsverbot (§ 43 Abs. 1 GKG).

2.3539 Als Grundsatz gilt gem. § 43 Abs. 1 GKG daher, dass Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen den Streitwert nicht erhöhen. Sie bleiben also bei der Berechnung der Gebühren ohne Ansatz, solange die gebührenauslösende Handlung die Hauptforderung betrifft.

2.3540 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz schafft § 43 Abs. 2 GKG. Danach ist bei Handlungen, die zwar Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betreffen, aber nicht auch den Hauptanspruch, der Wert der Nebenforderungen maßgebend. Dieser Wert darf aber wiederum den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigen.

2.3541 Beispiel: Über die Hauptforderung (4.000 t) ergeht sofort ein Versäumnisurteil, über den Zinsantrag (500 t) wird jedoch erörtert.

Für die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RGV gilt der Wert der Hauptsache; für die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RGV, die nur die Zinsen als Nebenforderung ohne den Hauptanspruch betraf, ist dagegen der Wert der Zinsen maßgebend.1 Insgesamt darf allerdings gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr verlangt werden als eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert. Der Gesamtwert beträgt aber wiederum nur 4.000 t, da insoweit § 43 Abs. 1 GKG greift. Zinsen und Hauptforderung werden nicht zusammengerechnet. Zu rechnen ist wie folgt: 1. 2. 3. 4. 5.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000 t) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 500 t) 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV (Wert: 10.000 t) die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 10.000 t (736,80 t) ist nicht erreicht Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV Gesamt

798,20 t 58,50 t 307,00 t

1.183,70 t

20,00 t 224,90 t 1.408,60 v

2.3542 Das Gleiche gilt, soweit sich die Gerichtsgebühren nach unterschiedlichen Streitwerten richten, wie etwa bei einem Kostenwiderspruch im Mahnverfahren.

2.3543 Beispiel: Über 4.000 t nebst Zinsen ergeht ein Mahnbescheid. Der Antragsgegner legt nur hinsichtlich der Zinsen Widerspruch ein. Hierüber wird das streitige Verfahren durchgeführt. Für die 0,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1110 KV GKG gilt der Wert i.H.v. 4.000 t. Für die 3,0-Gebühr (abzüglich der anzurechnenden 0,5-Gebühr) gilt dagegen nur noch der Wert des Zinsantrags (§ 43 Abs. 2 GKG).

2.3544 Weitere Ausnahmen schafft § 25 Abs. 1 RVG, der allerdings nur für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren gilt.

2.3545 Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG sind für die Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung Nebenforderungen, also insbesondere Zinsen, Zustellungskosten, Auslagen für Meldeamts- oder Registeranfra-

1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224.

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Nebenforderungen

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2. Teil

Auch in der Zwangsversteigerung sind Nebenforderungen für die Anwaltsgebühren zu berücksichtigen.

2.3546

Im Verfahren über den Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO gilt § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nicht, da es sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt. Daher ordnet § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG an, dass auch hier Nebenforderungen, die aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet werden, bei der Berechnung des Gegenstandswerts mitzuberücksichtigen sind. Hier gilt allerdings ein Betrag i.H.v. 2.000 t als Höchstgrenze.

2.3547

C. Einordnung „als Nebenforderung“ I. Begriff der Haupt- und Nebenforderung Nebenforderungen sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten dann, wenn sie zu dem gleichzeitig eingeklagten Hauptanspruch in einem objektiven Abhängigkeitsverhältnis stehen. Das wird auch so ausgedrückt, dass das Bestehen der Nebenforderung durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt sein muss.1

2.3548

Der „Hauptanspruch“ wiederum ist grundsätzlich der zu Beginn des Verfahrens oder durch Klageer- 2.3549 weiterung oder Widerklage geltend gemachte Anspruch, nicht der bei Verfahrensbeendigung noch bestehende.2

II. Anhängigkeit des Hauptanspruchs Der Hauptanspruch muss eingeklagt sein. Wird die Nebenforderung ohne die Hauptforderung eingeklagt, dann fehlt es für diesen Prozess an dem Bedingungsverhältnis; die Nebenforderung wird damit selbst zur Hauptforderung und bestimmt allein den Streitwert. Es gelten dann die allgemeinen Bewertungsregeln (s. Rz. 2.3530 f.).

2.3550

Das Gleiche gilt, wenn Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten mit einer anderen Hauptforderung zusammen eingeklagt werden, die bedingende Hauptforderung also außer Streit ist.3 Auch dann werden die Nebenforderungen mitgerechnet.

2.3551

Gleiches gilt, wenn Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten aus einem anderen Teil der Hauptforde- 2.3552 rung stammen, als der Teil, der eingeklagt wird. Auch dann werden die Nebenforderungen mitgerechnet. Beispiel: Der Beklagte schuldete dem Kläger eine Kaufpreisforderung i.H.v. 12.000 t, mit der er seit dem 1.2. in Verzug war. Im Dezember zahlte der Beklagte schließlich 7.000 t ausdrücklich auf die Hauptforderung, da er nach seiner Auffassung nicht verpflichtet war, Zinsen zu zahlen. Wegen des Restbetrages von 5.000 t sowie der gesamten Zinsen seit dem 1.2. wird nunmehr Klage eingereicht. Soweit die Zinsen aus den eingeklagten 5.000 t resultieren, sind sie Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO und damit nicht werterhöhend. Soweit sich die Zinsen dagegen aus den gezahlten 7.000 t berechnen, sind sie Hauptforderung, da sie nicht vom Bestand der eingeklagten Hauptforderung abhängig sind. Der Streitwert beträgt auf jeden Fall mehr als 5.000 t, so dass das LG zuständig ist.

1 Vgl. RGZ 55, 82; RG, JW 1909, 691 Nr. 21; RG, Warneyer 1909 Nr. 163. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1972, 163. 3 RG, Warneyer 1909 Nr. 163.

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2.3553

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gen, Kosten vorheriger erfolgloser Vollstreckungsversuche, u.U. Kosten einer Klage gegen einen Drittschuldner u.Ä. bei der Berechnung des Gegenstandswerts mitzuberücksichtigen.

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Nebenforderungen

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2.3554 Beispiel: Der Anwalt kündigt für den Vermieter wegen Zahlungsverzugs (monatliche Kaltmiete 500 t) und mahnt vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen (monatlich insgesamt 600 t) an. Der Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit berechnet sich einerseits nach dem Wert der Kündigung (6.000 t)1 sowie nach dem Wert der rückständigen Mieten (2.400 t). Beide Werte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Der Anwalt rechnet daher vorgerichtlich ausgehend von der Mittelgebühr wie folgt ab: 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RGV (Wert: 8.400 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RGV Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RGV Gesamt

857,00 t

837,00 t 20,00 t 162,83 t 1.019,83 v

Der Mieter zieht aus, zahlt aber die Mieten nicht, so dass daraufhin Klage auf Zahlung der vier Mieten erhoben wird sowie auf Ersatz der gesamten Anwaltskosten. Der Streitwert des Zahlungsantrags hinsichtlich der restlichen Mieten beläuft sich auf 2.400 t. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs darf jetzt nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, da er nicht in vollem Umfang in Abhängigkeit zur Klageforderung steht. Er ist damit zum Teil selbst Hauptforderung, so dass insoweit das Bewertungsverbot des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht greift. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs kann andererseits aber auch nicht in voller Höhe hinzugerechnet werden, da die Kosten auf jeden Fall zum Teil in Abhängigkeit zur Hauptforderung stehen und damit Nebenforderung sind. Zur Berechnung s. das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653 ff.

2.3555 Der BGH2 sieht Zinsen auch dann nicht als Nebenforderungen an, wenn von Streitgenossen einer die Hauptforderung, der andere den Zinsanspruch einklagt. Ebenso verhält es sich, wenn von mehreren beklagten Streitgenossen der eine auf die Hauptforderung, der andere auf die Zinsen verklagt wird.

2.3556 Beispiel: Der Kläger verklagt von zwei Gesamtschuldnern den einen auf Zahlung einer Kaufpreisforderung i.H.v. 5.000 t, den anderen auf Zahlung von Zinsen und Kosten (Wert 200 t).

Sowohl der Gebührenstreitwert als auch der Zuständigkeitsstreitwert liegen nach Ansicht des BGH bei 5.200 t (§ 5 ZPO); zuständig wäre also das LG. Ablehnend Lappe,3 der auf das Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität abstellt.

III. Abhängigkeitsverhältnis 2.3557 Zur Hauptforderung muss ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen. 2.3558 Das Abhängigkeitsverhältnis fehlt, wenn die Nebenforderung – meist in Form eines Zinsbegehrens – nur einen Berechnungsmaßstab bei der Bildung einer einheitlichen Geldforderung darstellt.4

2.3559 So ist es beispielsweise bei Enteignungsentschädigungen üblich, den Nutzungsentgang in Form einer Verzinsung des Substanzwertes zu gewähren (s. das Stichwort „Enteignungsentschädigung“, Rz. 2.1251 ff.) oder bei der Bemessung des Bereicherungsanspruchs (s. das Stichwort „Bereicherungsansprüche“, Rz. 2.686 ff.).

2.3560 An einer Abhängigkeit fehlt es auch bei einer Klage auf Herausgabe einer Mietkaution; auch hier erhöhen zwischenzeitlich aufgelaufene Zinsen den Streitwert (s. Rz. 2.3608). Weitere Fälle fehlender Abhängigkeit: Hinterlegungszinsen, s. Rz. 2.3590 und Befreiungsanspruch, s. Rz. 2.3576. 1 Zum Wert der Kündigung s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962. 2 BGH, Beschl. v. 14.5.1992 – II ZR 275/91. 3 Anm. Lappe zu KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72; s. auch FS Madert/N. Schneider, Weniger ist mehr – Zwei Kuriosa aus dem Streitwertrecht, 2006. 4 RG, HRR 1931 Nr. 252; JW 1909, 691.

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Nebenforderungen

2. Teil

Ebenso liegt es, wenn die Nebenforderungen nur Berechnungsposten eines selbständigen Schadensersatzanspruchs sind (s. „Schadensersatz“, Rz. 2.3612).

2.3561

Auch dann, wenn Befreiung von einer Forderung nebst dazugehöriger Nebenforderungen, insbeson- 2.3562 dere Zinsen oder vorgerichtliche Kosten, verlangt wird, sind die Nebenforderungen zu der zu befreienden Hauptforderung im Rahmen des Befreiungsanspruchs mitzuberechnen. Siehe das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

IV. Fortbestand der Abhängigkeit Die Abhängigkeit muss fortbestehen. Das Bedingungsverhältnis kann im Laufe des Rechtsstreits wegfallen, z.B. dadurch, dass sich die Hauptforderung durch Teilurteil, Klagerücknahme, Verzicht oder Anerkenntnis erledigt. Dann wird die Nebenforderung streitwertmäßig selbständig.1

2.3563

Für den Zuständigkeitsstreitwert ist dies unerheblich, da es auf den Zeitpunkt der Einleitung der Instanz ankommt (§ 4 Abs. 1 ZPO) und nach § 506 ZPO nur eine Klageerweiterung relevant ist, nicht aber eine Teilerledigung oder -rücknahme. Siehe aber auch Rz. 2.3536.

2.3564

Für den Gebührenstreitwert ist die Veränderung jedoch beachtlich. Es gilt dann § 43 Abs. 2 GKG (s. Rz. 2.3540). Der Gebührenstreitwert wird fortan durch den Wert der Nebenforderungen bestimmt, begrenzt jedoch auf den Wert der Hauptsache. Siehe hierzu Rz. 2.3537 ff. Allerdings sind die Auswirkungen gering, da nach dem GKG kaum noch Stufenstreitwerte vorgesehen sind. Auch bei den Anwaltsgebühren sind die Auswirkungen gering. Für die Verfahrensgebühr spielt die spätere Reduzierung keine Rolle, allenfalls für eine Termins- oder Einigungsgebühr:

2.3565

Beispiel: Nachdem die eingeklagte Hauptforderung (4.000 t) bezahlt worden ist, wird die Klage insoweit zurückgenommen und nur noch der Zinsantrag weiterverfolgt.

2.3566

Für die Gerichtskosten bleibt es beim Wert von 4.000 t. Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RGV) richtet sich ebenfalls nach 4.000 t. Eine eventuelle Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RGV) und eine eventuelle Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RGV) richten sich dagegen nur nach dem Wert des Zinsantrags (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG).

Das Bedingungsverhältnis kann bei einer Hauptforderung auch teilweise wegfallen.

2.3567

Zinsen aus einem nicht oder nicht mehr in Streit stehenden Hauptanspruch sind nach § 43 Abs. 2 GKG zu behandeln, auch wenn ein anderer Teil des Hauptanspruchs in derselben Instanz noch anhängig ist.2

2.3568

Die Abhängigkeit kann auch in höherer Instanz fortfallen, wenn der verurteilte Beklagte Berufung nur wegen seiner Verurteilung hinsichtlich der Nebenforderungen einlegt oder der Kläger nur wegen deren Abweisung. Die erstinstanzlichen Nebenforderungen werden dann im Berufungsverfahren zur Hauptforderung.3 Zu beachten ist allerdings § 47 Abs. 2 GKG.

2.3569

Dagegen bleibt die Abhängigkeit bestehen, wenn der abgewiesene Kläger oder der verurteilte Beklagte die Entscheidung hinsichtlich der Nebenforderung nur mit einer Anschlussberufung angreift. Wird eine Berufung wegen einer Nebenforderung mit der wegen der Hauptforderung verbunden, dann wird die Abhängigkeit wiederhergestellt. Es gilt dann zwar § 45 Abs. 1 GKG, so dass die Werte

2.3570

1 RGZ 60, 114; JW 1927, 2129 u. 2803; KG, OLGE 23, 68. 2 BGHZ 26, 174 – unter Aufgabe der bisherigen Rspr.; bestätigt BGH, Urt. v. 24.3.1994 – VII ZR 146/93, MDR 1994, 720. 3 BGH, Beschl. v. 11.1.2011 – VIII ZB 62/10, AGS 2011, 140.

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Nebenforderungen

ZPO

zusammenzurechnen sind: jedoch ist das Additionsverbot des § 43 Abs. 1 GKG auch hier zu berücksichtigen. Siehe hierzu auch das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

V. Form der Antragstellung 2.3571 Unerheblich ist, in welcher rechtlichen Form die Nebenforderungen geltend gemacht werden.1 2.3572 So macht es insbesondere bei Zinsen keinen Unterschied, ob eine Verzinsung der Hauptforderung beantragt wird oder ob die Zinsen ausgerechnet und als Kapitalbetrag der Hauptforderung zugeschlagen werden.2

2.3573 Darauf hinzuweisen besteht deshalb Anlass, weil selbst von Anwaltsseite zuweilen der falsche Rat erteilt wird, die Nichtberücksichtigung von Zinsen durch Einberechnung in den Hauptanspruch zu verschleiern.3

2.3574 Die Kapitalisierung von Nebenforderungen ist aber zu unterscheiden von denjenigen Fällen, in denen die Zinsen, Kosten u.Ä. nur eine Berechnungsposition einer einheitlichen Hauptforderung sind. Siehe Rz. 2.3557.

D. Streitwert-ABC Stichwortübersicht Abgabe der Vermögensauskunft . . . . . . . . . . 2.3575 Ausländisches Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3576 Befreiungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3577 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3576 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3583 Deckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3586 Duldungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3587 Enteignungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3588 Finanzierungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3589 Hinterlegungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3590 Inkassogebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3594 Inzidentantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3595 Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3596 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3597 Lastenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3605 Mahnkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3606 Mehrwertsteuer s Umsatzsteuer Mietkaution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3608 Milchgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3609 Prozesszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3610 Sachverständigenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3611

Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scheck und Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren, Kosten . . . . Steuersäumniszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich (Einigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . Verrechnung s Teilzahlung Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viehmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsklausel-Klage . . . . . . . . . . . . Vorgerichtliche Kosten s. Kosten Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckungsabwehrklage . . . . . . .

2.3612 2.3618 2.3621 2.3624 2.3626 2.3628 2.3629 2.3631 2.3633 2.3638 2.3646 2.3647 2.3649 2.3650 2.3653 2.3654 2.3655 2.3657

1 Siehe aber auch das Stichwort „Kreditgebühren“, Rz. 2.2754. 2 Einhellige Meinung: BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706; BGH, Beschl. v. 19.3.1956 – II ZR 63/56, LM Nr. 5 zu § 4 ZPO; OLG Köln, KostRsp. GKG § 22 Nr. 5, 8. 3 Siehe Strohm/Herrmann, BRAK-Mitteilungen 1983, 21.

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Nebenforderungen

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2. Teil

Im Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO sind die bis zur Antragstellung aufgelaufenen Zinsen und Kosten dem Gegenstandswert der Hauptforderung hinzuzurechnen (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Diese Vorschrift geht der des § 43 Abs. 1 GKG vor.

2.3575

Ausländisches Urteil Die Kosten, die in einem ausländischen Urteil zuerkannt sind, bleiben bei der Festsetzung des Streitwerts dann unberücksichtigt, wenn sie im ausländischen Urteil nicht ziffernmäßig genannt sind, sei es allein oder neben der Hauptforderung.1

2.3576

Befreiungsanspruch Bei einer Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit sind die Zinsen des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, keine Nebenforderungen des Befreiungsanspruchs und daher anzusetzen.2 Siehe das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

2.3577

A.A. ist der BGH,3 der die Zinsen als Nebenforderungen bei dessen Wertfestsetzung grundsätzlich unberücksichtigt lassen will. Ausnahmsweise sollen sie aber dann zu berücksichtigen sein, wenn bereits eine rechtskräftige Verurteilung des zu befreienden Schuldners erfolgt ist und dabei Zinsen und Kosten einbezogen sind. In diesem Fall sei die Befreiungsklage auf einen (neuen und einheitlichen) Schadensersatzanspruch ausgerichtet:4 Ein rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilter Versicherungsnehmer hatte gegen seinen Haftpflichtversicherer auf Befreiung von der Urteilssumme und den zugunsten des Geschädigten festgesetzten Kosten geklagt. Der BGH hat die festgesetzten Kosten des Vorprozesses dem Streitwert hinzugerechnet. Gleicher Ansicht ist Weisbrod,5 der darauf abstellt, dass einmal die Nebenforderung auch gegenüber dem Befreiungsschuldner selbst in Abhängigkeit vom Hauptanspruch entstehe, im anderen Fall die Zinsen ihre Abhängigkeit durch Tilgung oder Titulierung verlören und damit Teil eines einzigen Gesamtanspruchs würde.

2.3578

Die Ansicht des BGH6 ist unzutreffend. Nach der vom BGH selbst gegebenen Definition sind Zinsen „das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital“. Hieran fehlt es aber im Verhältnis zwischen Befreiungsschuldner und -gläubiger. Dem Befreiungsgläubiger kann nie ein eigener Zinsanspruch zustehen. Ein Zinsanspruch steht nur dem Forderungsgläubiger zu. Dessen Zinsanspruch ist daher nur eine Berechnungsposition eines einheitlichen Befreiungsanspruchs. Ein eigener Zinsanspruch des Befreiungsschuldners kann erst entstehen, wenn er gezahlt hat. Dann geht aber der Befreiungsanspruch unter und verwandelt sich in einen gewöhnlichen Zahlungsanspruch.

2.3579

Auch Kosten des Forderungsgläubigers sind Teil des einheitlichen Befreiungsanspruchs. Lediglich dann, wenn für den Befreiungsgläubiger selbst Kosten anfallen, etwa durch eine anwaltliche Mahnung zur Freistellung, sind Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1, 2 GKG gegeben.

2.3580

Siehe ausführlich m.w.N. zur Rspr. bei dem Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

2.3581

Beschwer

2.3582

Siehe dazu das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 8.10.1956 – II ZR 305/55, LM Nr. 7 zu § 4 ZPO = WM 1956, 1506. RG, DR 1940, 2009. BGH, JurBüro 1961, 91. BGH, Warneyer 1976 Nr. 14. Weisbrod, JurBüro 1995, 115. BGH, JurBüro 1961, 91.

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Abgabe der Vermögensauskunft

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2. Teil

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Nebenforderungen

ZPO

Bürgschaft

2.3583 Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen richtet sich nach dem Wert der Hauptschuld. Die daneben zu entrichtenden Zinsen bleiben bei der Wertberechnung außer Ansatz, da es sich auch im Verhältnis zum Bürgen um Nebenforderungen handelt, auf die er unmittelbar haftet.1

2.3584 Der Streitwert geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hat.2

2.3585 Für den Befreiungsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner sind die Zinsen dagegen mitzurechnen (s. Rz. 2.3557). Deckungsschutz

2.3586 Der Deckungsschutzprozess des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer hat einen Befreiungsanspruch zum Gegenstand (s. Rz. 2.3557). Daher sind Zins- und Kostenansprüche des freizustellenden Geschädigten zu berücksichtigen.3 Duldungsklage

2.3587 Wenn der Eigentümer eines Grundstücks aus einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wegen der Grundschuld verklagt wird (dingliche Klage), bleiben die Kosten der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung bei der Festsetzung des Streitwerts außer Betracht.4 Enteignungszinsen

2.3588 Siehe das Stichwort „Enteignungsentschädigung“, Rz. 2.1251 ff. Finanzierungskosten

2.3589 Für die Schätzung des Verkehrswerts einer finanzierten Kaufsache sind die Finanzierungskosten außer Betracht zu lassen.5 Hinterlegungszinsen

2.3590 Bei der Klage auf Zustimmung in die Auszahlung eines beim Notar hinterlegten Betrages ist die Summe maßgebend, die das Hinterlegungskonto zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG) ausweist.6 Es geht um diesen Endbetrag.

2.3591 Die Hinterlegungsmasse darf nicht in einen Hauptanspruch und einen Nebenanspruch zerlegt werden. Es fehlt nämlich an dem in § 43 Abs. 1 GKG vorausgesetzten objektiven Abhängigkeitsverhältnis, da nicht der Beklagte Zinsschuldner ist, sondern die Hinterlegungsstelle.

2.3592 Deshalb sind auch die Hinterlegungszinsen, die den Hinterlegungsbetrag erhöhen, zu berücksichtigen.7 1 BGH, JurBüro 1958, 390. 2 BGH, WM 1956, 889. 3 BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, NJW-RR 2006, 791; a.A. Vorauflage; OLG Nürnberg, VersR 1978, 854. 4 BGH, 30.11.1954 – V ZR 149/54, WM 1955, 192 = LM Nr. 6 zu § 3 ZPO. 5 OLG Köln, JurBüro 1971, 86; s. auch OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46. 6 OLG Köln, JurBüro 1980, 281. 7 BGH, Warneyer 1967 Nr. 7; RG, HRR 1931 Nr. 252.

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2. Teil

Streiten zwei Parteien um die Berechtigung des Zahlungsanspruchs gegen einen Dritten und klagt einer von ihnen gegen den anderen auf Einwilligung in die Auszahlung einer hinterlegten oder vom Drittschuldner bis zur gerichtlichen Ermittlung des Berechtigten zurückgehaltenen Streitsumme, so sind die von jenem Dritten mit der Hauptsumme geschuldeten Zinsen keine Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO.1 Hier geht es nur um einen verzinslichen Hauptanspruch, nicht um einen Festbetrag, in dem Zinsen enthalten sind.

2.3593

ZPO

Nebenforderungen

Inkassogebühren Inkassogebühren sind vorgerichtliche Kosten und bleiben als Nebenforderungen daher außer Ansatz.2

2.3594

Inzidentantrag Bei der Widerklage gem. § 717 Abs. 2 oder 3 ZPO auf Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung der Beträge, die der Kläger aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil beigetrieben oder die der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung geleistet hat, bleiben beigetriebene Zinsen und Kosten bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht.3

2.3595

Kontokorrent Zinsen verlieren ihre Eigenschaft als Nebenforderung beim Kontokorrent nur dann, wenn sie jeweils bei Periodenschluss dem Saldo (§ 355 HGB) hinzugerechnet und zusammen mit diesem in die neue Rechnungsperiode übernommen werden; es liegt dann eine Novation vor.4

2.3596

Kosten Unter Kosten ist die Summe aller gerichtlichen, außergerichtlichen und vorgerichtlichen Kosten zu verstehen, die bis zur Vornahme der gebührenrechtlich erheblichen Handlung angefallen sind sowie die durch die Handlung selbst entstehenden Kosten.5

2.3597

Vorgerichtliche Kosten sind z.B. Kosten eines Privatgutachtens, eines früheren Prozesses oder einer Zwangsvollstreckung,6 ferner etwa Bearbeitungsgebühren, die anlässlich einer Unfallfinanzierung angefallen sind.7

2.3598

Kosten bleiben auch dann bei der Streitwertberechnung als Nebenforderungen unberücksichtigt, wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt in einem Verfahren gegen einen zunächst allein in Anspruch genommenen Mitschuldner entstanden sind.8

2.3599

Nur dann, wenn Kosten allein eingeklagt werden, bestimmen sie den Streitgegenstand, weil es dann an einer bedingenden Hauptforderung in diesem Verfahren fehlt.9

2.3600

Kreditgebühren, die im Rahmen eines Teilzahlungskredits vereinbart werden, sind Zinsen und damit Nebenforderungen.10

2.3601

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Zweibrücken, JurBüro 1965, 1007. OLG Köln, JurBüro 1974, 1594. BGHZ 43, 33; LG Kiel, MDR 1960, 324. OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32. RGZ 118, 149; OLG Celle, JW 1930, 657; OLG Braunschweig, OLGE 33, 174; OLG Dresden, OLGE 43, 122. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274 zu ZPO § 4, c. OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46. LG Mönchengladbach, JurBüro 1963, 608. Sog. materieller Kostenerstattungsanspruch; s. dazu Zöller/Herget, vor § 91 ZPO Rz. 11. OLG Düsseldorf, MDR 1976, 663.

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2. Teil

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ZPO

2.3602 Umstritten ist, ob beim Ratenzahlungskredit die Zusammenfassung des Darlehens und der Kreditgebühren in einem Betrag daran etwas ändert und ob auch in diesem Fall die Kreditgebühren als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung außer Ansatz zu bleiben haben.

2.3603 Das OLG Bamberg1 lässt auch dann die Kreditgebühren unberücksichtigt, während das OLG München2 die Zinsen dem Streitwert hinzurechnet.

2.3604 Zuzustimmen ist dem OLG München, dessen Auffassung allein der Forderung gerecht wird, die Streitwertermittlung einfach und übersichtlich zu halten. Es wäre damit unvereinbar, die oft schwierige Frage, wie sich die Restschuld aus einem Finanzierungsdarlehen zusammensetzt und welcher Zinsanteil darin steckt, ausgerechnet bei der Streitwertfestsetzung zu prüfen und zu lösen. Dem OLG München hat sich das OLG Düsseldorf angeschlossen.3 Lastenausgleich

2.3605 Zinsen eines rechtskräftig zuerkannten LAG-Anspruchs müssen bei der Streitwertfestsetzung mit ihrem vollen Betrag berücksichtigt werden.4 Mahnkosten

2.3606 Vorgerichtliche Mahnkosten zur eingeklagten Forderung, die mit in den Klageantrag genommen werden, erhöhen den Streitwert nicht.5 Mehrwertsteuer

2.3607 Siehe unten „Umsatzsteuer“, Rz. 2.3631. Mietkaution

2.3608 Zinsen aus einer Mietkaution erhöhen die Sicherheit (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB) und werden daher Teil des Kautionsguthabens. Sie sind folglich keine Nebenforderungen, sondern in voller Höhe zu bewerten. Siehe das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. Milchgeld

2.3609 Entgangenes Milchgeld, das neben dem Anspruch auf Ersatz des Schadens für den Verlust von Kühen verlangt wird, ist keine Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO.6 Prozesszinsen

2.3610 Prozesszinsen als Nebenforderungen bleiben bei der Bewertung außer Ansatz. Siehe ausführlich das Stichwort „Prozesszinsen“, Rz. 2.4058. Sachverständigenkosten

2.3611 Sachverständigenkosten, die als Schadensersatz – etwa bei einem Verkehrsunfallprozess oder anderweitig auf Deliktsrecht gestützt – miteingeklagt werden, sind keine Nebenforderungen, sondern eine

1 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 343. 2 OLG München, JurBüro 1976, 237. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1989 – 24 W 105/89; s. auch das Stichwort „Kreditgebühren“, Rz. 2.2754. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1966, 241. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589. 6 OLG Schleswig, SchlHA 1951, 46.

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2. Teil

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von mehreren gleichwertigen und gleichrangigen Schadenspositionen.1 Siehe ausführlich das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175. Schadensersatz Ein auf § 992 BGB gestützter Schadensersatzanspruch, der in Abhängigkeit vom Hauptanspruch auf Herausgabe der Sache erhoben wird, bleibt bei der Wertberechnung unberücksichtigt, auch wenn er den sich aus § 987 BGB ergebenden Nutzungsanspruch übersteigt.2 Zweifelhaft! Siehe das Stichwort „Herausgabe“, Rz. 2.2117 ff.

2.3612

Wird Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung in Form von Zinsen verlangt, so bleiben diese nach BGH3 nicht außer Betracht, weil es sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG handelt.

2.3613

Die bloße Zusammenfassung von Zinsen und Kapital macht die Zinsen jedoch nicht zur Hauptforderung, selbst wenn der Kläger sie als Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geltend macht.4

2.3614

Dementsprechend bleibt die Zinsforderung auf eine Schadensersatzzahlung Nebenforderung, selbst wenn eine höhere als die gesetzliche Verzinsung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangt wird.

2.3615

Dabei ist es gleichgültig, ob der geforderte Zinssatz mit einem entgangenen Gewinn durch günstige Anlage oder durch das Entstehen von Zinsverpflichtungen des Schadensersatzklägers gerechtfertigt wird.5

2.3616

Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) geltend gemacht wird, stellt eine Nebenforderung i.S.v. von § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung dar und erhöht den Streitwert nicht.6

2.3617

Scheck und Wechsel Werden in die Scheck- oder Wechselforderung Zinsen und Kosten aus dem Grundgeschäft aufgenommen, so werden sie bei der Bewertung der Wechselforderung mitberechnet, da diese eine neue selbständige Forderung und damit auch einen anderen Streitgegenstand schafft als die Forderung aus dem Grundgeschäft.

2.3618

Dagegen bleiben Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem WG oder ScheckG gem. § 4 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt.

2.3619

Ausführlich, auch zum Übergang der Klage aus dem Grundverhältnis in den Urkundenprozess bei dem Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“, Rz. 2.4925 ff.

2.3620

1 2 3 4

OLG München v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484. OLG Karlsruhe, ZZP 1955 (68), 463. BGH, Beschl. v. 29.4.1971 – III ZR 142/70; BGH, Beschl. v. 28.9.1992 – II ZR 277/90. BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706; WPM 1981, 1092; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1549; OLG Köln, Beschl. v. 19.6.1979 – 2 U 29/79, JurBüro 1980, 578. 5 BGH, VersR 1957, 244. 6 OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.11.2016 – 3 W 21/16, AGS 2017, 131.

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2. Teil

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Schiedsspruch

2.3621 Im Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung von Schiedssprüchen bleiben die Nebenforderungen und Kosten bei der Berechnung des Streitwerts außer Ansatz.1

2.3622 Demgegenüber will das OLG Hamburg2 Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung berücksichtigen.

2.3623 Wird auf Aufhebung eines Schiedsspruches geklagt, so sind die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und die im Schiedsspruch zuerkannten Zinsen Nebenforderungen.3 Schuldanerkenntnis

2.3624 Wird die Klageforderung auf ein schriftliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis gestützt, in dem Hauptforderung und Zinsrückstand in eine Summe aufaddiert worden sind, bleiben die Zinsen Nebenforderung.4

2.3625 Anders nur dann, wenn die Zinsforderung zusammen mit der Hauptforderung durch Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnisses (§§ 780, 781 BGB) oder durch Kontokorrentsaldierung noviert wird. Dann entsteht eine neue einheitliche Forderung, so auch bei einem Scheck oder Wechsel (s. Rz. 2.3613). Selbständiges Beweisverfahren, Kosten

2.3626 Bei den Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens handelt es sich im Rahmen des nachfolgenden Hauptsacheprozesses in der Regel um Kosten des Verfahrens, die nicht gesondert geltend zu machen sind,5 so dass ihr Wert beim Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleibt und beim Gebührenstreitwert nur im Fall des § 43 Abs. 3 GKG eine Rolle spielt.

2.3627 Werden die Kosten dagegen isoliert eingeklagt, etwa, weil es nicht mehr zur Hauptsache kommt, dann sind sie Hauptforderung, so dass ihr Wert maßgebend ist. Werden die Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens ausnahmsweise neben der Hauptforderung eingeklagt, dann handelt es sich um eine Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, selbst wenn sie in den bezifferten Hauptantrag eingerechnet wurden.6 Steuersäumniszuschlag

2.3628 Werden Steuersäumniszuschläge im ordentlichen Rechtsweg zugleich mit der Steuerhauptforderung als Nebenforderung eingeklagt, so bleiben sie bei der Wertberechnung außer Ansatz.7 Teilzahlung

2.3629 Wird Kapital nebst Zinsen eingeklagt, der Antrag aber eingeschränkt durch den Zusatz: „abzüglich bereits gezahlter … Euro“, dann ist die Zahlung, wenn der Schuldner keine andere Anrechnung bestimmt hat (§ 367 Abs. 2 BGB), nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die Kosten und dann auf die Zinsen zu verrechnen. Der Streit1 RG, JW 1925, 2005; KG, JW 1936, 3330; LG Frankfurt, JurBüro 1952, 90; OLG Köln, JurBüro 1969, 558. 2 OLG Hamburg, Rpfleger 1956, 169 mit abl. Anm. Lappe. 3 BGH, MDR 1957, 95. 4 OLG Köln, JurBüro 1980, 578. 5 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – VII ZB 59/05, MDR 2006, 1075. 6 OLG Jena, Beschl. v. 20.11.2003 – 5 W 288/03, n.v. 7 BGH, NJW 1956, 1562.

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Nebenforderungen

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2. Teil

Wird auf eine titulierte Forderung ein Teilbetrag bezahlt, so ist dieser dementsprechend wiederum zunächst auf die Kosten und Zinsen anzurechnen.3

2.3630

Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer ist keine Nebenforderung, sondern Teil der Hauptforderung; s. das Stichwort „Umsatzsteuer“, Rz. 2.4843 ff.

2.3631

Entgegen früherer Ansicht4 entfällt auf Verzugs- oder Fälligkeitszinsen keine Umsatzsteuer,5 so dass sich damit auch die Frage nach der Einordnung als Nebenforderung erledigt hat.6

2.3632

Vergleich (Einigung) Nach Nr. 1000 VV RGV erhält der Rechtsanwalt für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs eine Einigungsgebühr. Gerichtskosten fallen für den Abschluss eines Vergleichs nur an, soweit nicht anhängige Gegenstände in den Vergleich miteinbezogen werden (Nr. 1900 KV GKG). Man spricht hier vom „Mehrwert“ des Vergleichs.

2.3633

Kosten und Zinsen bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn ein gerichtlicher Vergleich über Hauptsache und Kosten abgeschlossen wird.7

2.3634

Vergleichen sich die Parteien nicht nur über den streitig gebliebenen und in der Berufungsinstanz allein angefallenen Teil des Zinsanspruches, sondern auch über den unangefochten gebliebenen Haupt- und Zinsanspruch mit der Maßgabe, dass der Kläger dem Beklagten sowohl für den bereits zuerkannten als auch für den streitig gebliebenen Betrag Ratenzahlung gewährt, so erhöht sich der Wert des Vergleichs um den nach § 3 ZPO zu schätzenden Wert der Ratenzahlung bezüglich der nicht angefochtenen Haupt- und Zinsanspruch-Verurteilung.8 Insoweit dürfte jetzt auf die Wertung des § 31b RVG (20 % des Anspruchs) zurückzugreifen sein.9

2.3635

Für die Revisionsinstanz gelten diese Grundsätze ebenfalls.10

2.3636

Verrechnung

2.3637

Siehe „Teilzahlung“, Rz. 2.3629. Verzugszinsen

2.3638

Verzugszinsen fallen als Nebenforderungen immer unter § 4 ZPO, § 43 GKG.

1 2 3 4 5 6 7

RG, DR 1939, 1182; OLG Kiel, HRR 1939 Nr. 435; OLG Hamm, JurBüro 1969, 765. Siehe E. Schneider, DRiZ 1979, 310. Siehe E. Schneider, DRiZ 1979, 310. BGH, JurBüro 1976, 1629 = NJW 1977, 583 = Warneyer 1976 Nr. 190. EuGH v. 1.7.1982 – 222/81, NJW 1983, 505. Siehe E. Schneider, DGVZ 1983, 113. OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1984 – 5 WF 317/83, JurBüro 1984, 1865. 8 OLG Celle, JurBüro 1971, 237. 9 Siehe dazu auch OLG München, Beschl. v. 21.3.2014 – 11 W 457/14, AGS 2014, 411. 10 RGZ 60, 114.

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wert vermindert sich also erst dann, wenn die Zahlung auch (teilweise) das Kapital getilgt hat.1 Das kann auch für die Rechtsmittelfähigkeit einer Sache ausschlaggebend sein.2

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2. Teil

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ZPO

2.3639 Sie sind bei Geltendmachung ohne den Hauptanspruch (§ 43 Abs. 2 GKG) – im Gegensatz zu Hypothekenzinsen – nicht gem. § 9 ZPO zu bewerten, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berechnen.1

2.3640 Werden neben einer Hauptforderung Verzugszinsen geltend gemacht, so sind diese bei der Berechnung des Streitwerts nicht besonders zu berücksichtigen.2 Das gilt auch dann, wenn die Verzugszinsen im Klageantrag ausgerechnet sind und mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst werden.3 Siehe Rz. 2.3571.

2.3641 In der Praxis wird manchmal versucht, diese Rechtsfolge zu umgehen, um die Gebühren zu erhöhen.4

2.3642 Eine Zinsforderung, die in Abhängigkeit von der Hauptforderung erhoben wird, bleibt für die Wertberechnung auch dann außer Ansatz, wenn der Zinsfuß den gesetzlichen Rahmen (§ 288 Abs. 1 BGB, § 362 HGB usw.) wegen eines weiter gehenden Verzugsschadens überschreitet.5 Dem kann auch nicht dadurch ausgewichen werden, dass über den Zinsbetrag ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben wird.6

2.3643 Anders ist es, wenn die Endsumme aus Hauptforderung und Zinsen durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen (§§ 780, 781 BGB) in eine neue einheitliche Schuld verwandelt wird. Denn darin liegt eine schuldverändernde Novation, durch die die Zinsen ihre Eigenschaft als Nebenforderung verlieren, so dass sich der Streitwert fortan nach dem abstrakt anerkannten Schuldgesamtbetrag richtet.

2.3644 Hauptforderung sind Zinsen dagegen dann, wenn sie aus einer anderen Hauptforderung resultieren oder aus einem anderen Teil der Hauptforderung. Siehe dazu das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff.

2.3645 Zur Bewertung des Zinsantrages als Hauptforderung s. das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff. Viehmängelhaftung

2.3646 Bei Rechtsstreitigkeiten wegen Viehmängelhaftung zählen Frachtkosten, Futterkosten und Tierarztkosten nicht als Nebenforderungen, sondern sind gem. § 5 ZPO dem Hauptanspruch hinzuzurechnen.7 Vollstreckungsklausel-Klage

2.3647 Bei einer Klage aus § 768 ZPO gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel, deren Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen ist, bleiben Zinsen und Kosten außer Ansatz, selbst wenn sie durch einen Festsetzungsbeschluss bereits tituliert worden sind.8

1 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229. 2 OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364 – Zinsen als Schaden aus Verzug mit der Abgabe einer Willenserklärung. 3 BGH, Beschl. v. 19.3.1956 – II ZR 63/56, LM Nr. 5 zu § 4 ZPO; BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61; BGH v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706; RG, JW 1934, 2771. 4 Vgl. Strohm/Herrmann, BRAK 1983, 21 und dazu E. Schneider, MDR 1984, 265. 5 RGZ 158, 350; OLG Nürnberg, BayJMBl. 1952, 267; OLG Neustadt, Rpfleger 1956, 238 Nr. 2; RG, JW 1934, 2771. 6 OLG Köln, Beschl. v. 30.1.1980 – 2 W 6/80. 7 KG, JVBl. 1933, 250; LG Lübeck, JurBüro 1951, 301. 8 OLG Köln v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852.

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Nebenforderungen

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2. Teil

2.3648

Siehe ausführlich Kosten, Rz. 2.3597 f. Wechsel

2.3649

Siehe das Stichwort „Scheck und Wechsel“, Rz. 2.4925. Widerklage Klagt der Kläger auf Feststellung, dass dem Beklagten eine bestimmte Forderung nicht zustehe, und erhebt der Beklagte seinerseits Widerklage auf Zahlung von Zinsen aus dieser Forderung, so soll § 4 Abs. 1 ZPO nicht anzuwenden sein; die Widerklage gehe über eine selbständige Hauptforderung, deren Wert gem. § 5 ZPO dem Streitwert der Klage zuzurechnen ist, hinaus, da die Zinsen dort wegen § 4 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt würden.1

2.3650

Dies dürfte unzutreffend sein. Sicherlich hat die Widerklage einen eigenen Wert, nämlich den des Zinsanspruchs. Eine Addition der Werte hat wegen wirtschaftlicher Identität bzw. wegen des Additionsverbotes der § 4 Abs. 1, § 43 Abs. 1 GKG jedoch zu unterbleiben.

2.3651

Zum Anerkenntnis der Klage und streitiger Verhandlung über die Widerklage s. Rz. 2.3534.

2.3652

Wiederaufnahmeverfahren Bei der Berechnung des Streitwerts der Wiederaufnahmeklage sind die Kosten des Vorprozesses und die inzwischen aufgelaufenen Zinsen nicht hinzuzurechnen.2

2.3653

Zwangsversteigerung In der Zwangsversteigerung werden die Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung hinzugesetzt (§ 26 RVG).

2.3654

Zwangsvollstreckung In der Zwangsvollstreckung werden die Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung hinzugerechnet (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG); s. Rz. 2.3544.

2.3655

Bei der Vollstreckung nach § 866 Abs. 3 Satz 1 ZPO kommt es dafür, ob Zinsen Nebenforderungen sind, nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung, sondern auf den Titel an.3

2.3656

Zwangsvollstreckungsabwehrklage Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage wird nur nach der titulierten Hauptforderung berechnet, also ohne Berücksichtigung der Kosten; diese sind Nebenforderungen i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO.4 Das gilt auch dann, wenn sie im Klageantrag ausgerechnet sind und mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst werden.5

1 2 3 4

KG, JW 1937, 2779. OLG Hamburg, MDR 1969, 228. OLG Schleswig, JurBüro 1982, 913. BGH, Beschl. v. 3.12.1955 – VI ZR 64/55, LM Nr. 4 zu § 4 ZPO; OLG Nürnberg, Rpfleger 1966, 323 zu ZPO §§ 4, 767; OLG Koblenz, Beschl. v. 20.11.1953 – 2 W 477/53, Rpfleger 1956, 147 zu ZPO § 4 Abs. 1; KG, Rpfleger 1962, 155 zu ZPO § 4, c; OLG Köln, JurBüro 1992, 251. 5 BGH, Beschl. v. 3.12.1955 – VI ZR 64/55, LM Nr. 4 zu § 4 ZPO.

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Vorgerichtliche Kosten

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2. Teil

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Nebenintervention

ZPO

2.3658 Die aufgrund des streitigen Urteils festgesetzten Zinsen und Kosten, wegen derer der Kläger ebenfalls die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung erstrebt, gelten auch für die Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO als Nebenforderungen und sind deshalb bei der Wertberechnung nicht anzusetzen.1

2.3659 Das LG Köln2 ist der herrschenden Auffassung entgegengetreten und will § 4 ZPO auf die Vollstreckungsabwehrklage nicht anwenden; diese Auffassung hat sich nicht durchgesetzt.

2.3660 Behauptet der Vollstreckungsschuldner, der Gläubiger habe zugesagt, er werde von einem Vollstreckungstitel keinen Gebrauch machen, und begehrt er eine gerichtliche Entscheidung darüber, dass aus diesem Grunde eine Vollstreckung des Titels und der aufgrund des Titels festgesetzten Kosten nicht erfolgen darf, so sind die Kosten Nebenforderung und daher dem Streitwert nicht zuzurechnen.3 Zum Streitwert einer auf § 826 BGB gestützten Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung s. bei dem Stichwort „Unterlassung“, Rz. 2.4881 ff.

2.3661 Hat der Schuldner Teilzahlungen geleistet, dann sind die Zahlungen zunächst gem. § 367 BGB zu verrechnen (s. Rz. 2.3629).

2.3662 Bei der Bemessung des Streitwerts der sodann erhobenen Zwangsvollstreckungsabwehrklage ist nur der die Kosten und Zinsen übersteigende Betrag des Tilgungsbetrages von dem Forderungsbetrag abzusetzen.4

2.3663 Werden im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten, die nicht zur Abwehr der Zwangsvollstreckung, sondern zur Durchsetzung gegenläufiger Ansprüche aus dem Vollstreckungstitel (Prozessvergleich) entstanden sind, geltend gemacht, so handelt es sich nicht um eine Nebenforderung zur Vollstreckungsabwehrklage, sondern eine den Streitwert erhöhende selbstständige Hauptforderung.5

Nebenintervention Literatur: Freund, Zur Streitverkündung: Zulässigkeit, Zwischenstreit und Gegenstandswert, NZBau 2010, 83; Schneider, JurBüro 1974, 273 ff.; Schneider, MDR 1977, 268; Hülsmann, Streitwert der Nebenintervention, JurBüro 2003, 84.

A. Einleitung 2.3664 Die einfache Nebenintervention (auch Streithilfe) ist der Beitritt eines Dritten zur Unterstützung einer Partei in einem bereits anhängigen Prozess. Die Zulässigkeit des Beitritts, der durch Einreichung eines den Erfordernissen des § 70 ZPO entsprechenden Schriftsatzes erfolgt, setzt insbesondere ein „rechtliches Interesse“ des Beitretenden am Obsiegen der Hauptpartei voraus, § 66 Abs. 1 ZPO. Davon ist auszugehen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits sich mittelbar oder unmittelbar auf die privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Beitretenden rechtlich günstig oder ungünstig

1 KG, Rpfleger 1962, 155; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 9; OLG Hamburg, MDR 1957, 754; LG Mannheim, WM 1965, 174. 2 LG Köln, NJW 1964, 2165. 3 BGH, ZZP 1956 (69), 176. 4 OLG Nürnberg, MDR 1967, 410. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2018 – 12 W 37/17, MDR 2018, 363 = AGS 2018, 79 = NJW-RR 2018, 255.

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2. Teil

Mit dem Betritt erlangt der Streithelfer die Stellung eines kraft eigenes Rechts handelnden Gehilfen der Partei,2 dessen Erklärungen und Prozesshandlungen jedoch nicht in Widerspruch zu denen der Hauptpartei stehen dürfen, § 67 ZPO. Dabei ist ein Beitritt nicht nur unteilbar zu allen im Prozess anhängigen, sondern auch zu einzelnen Streitgegenständen möglich.3 Da der Beitritt zu einem laufenden Verfahren erstrebt wird bzw. erfolgt, hat er auf die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts und den Streitwert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss.4

2.3665

B. Gebührenstreitwert I. Zulassung der Nebenintervention Auf Antrag einer Partei oder eines bereits beigetretenen Streithelfers (und bei Fehlen der Prozesshandlungsvoraussetzung auf Seiten des Nebenintervenienten auch von Amts wegen) ist gem. § 71 ZPO nach mündlicher Verhandlung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu entscheiden.

2.3666

Der Streitwert des Zwischenverfahrens bestimmt sich nach § 3 ZPO, wobei wohl einhellig auf das 2.3667 Interesse des Streithelfers an seiner Zulassung abgestellt wird.5 Dass der Wert des Zwischenverfahrens geringer als der Hauptsachewert sein kann, folgt schon aus seinem Verfahrensgegenstand. Denn Gegenstand ist nicht die Stellung des Beitretenden zum Klagebegehren, sondern die Zulässigkeit seiner Nebenintervention. Das Zwischenurteil entscheidet allein darüber, ob der Streithelfer sein rechtliches Interesse am Obsiegen der Hauptpartei glaubhaft gemacht hat (§ 71 Abs. 1 ZPO). Wertbestimmend ist daher das Interesse des Beitretenden an der Einwirkung auf den Prozess und seine Entscheidung. Wirtschaftlich kann dies, muss aber nicht mit dem Hauptsachewert übereinstimmen. Unzutreffend dürfte daher die Annahme sein, dass sich der Streitwert des Zwischenstreits über die Zulässigkeit der Nebenintervention nur ganz ausnahmsweise mit dem Wert der Hauptsache decke.6 Vielmehr wird der Streitwert des Zwischenverfahrens dem Hauptsachewert entsprechen, wenn sich 2.3668 die Entscheidung in der Hauptsache in einem Umfang auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Beitretenden auswirkt, der mit dem Wert der Hauptsache übereinstimmt. Zwar ist es zutreffend, dass mit der Entscheidung des Zwischenstreits noch keine Entscheidung über die Hauptsache und damit möglicherweise verbundene vermögensrechtliche Auswirkungen getroffen wird.7 Da jedoch abschließend über die Möglichkeit des Beitretenden entschieden wird, auf den Verlauf des Rechtsstreits in der Hauptsache einzuwirken, entsprechen die Interessen an der Zulassung und der Einwirkung wertmäßig einander.8 Dies ist für die gleichartige Situation des Zwischenstreits über die Zuständigkeit des Gerichts oder Zulässigkeit eines Rechtsmittels anerkannt (s. hierzu unter dem Stichwort „Zwischenstreit und -urteil“, Rz. 2.6425).

1 OLG Düsseldorf, MDR 1966, 852; Zöller/Althammer § 66 ZPO Rz. 8. 2 Zöller/Althammer, § 67 ZPO Rz. 1. 3 BGH, Beschl. v. 3.7.2018 – II ZB 28/16, MDR 2018, 1266; BGH, Beschl. v. 30.10.1959 – V ZR 204/57, BGHZ 31, 144. 4 OLG Rostock, Beschl. v. 22.9.2014 – 7 W 36/13, BauR 2015, 313. 5 RGZ 111, 410; BGH, BGHZ 31, 144; JurBüro 1953, 305; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG München, AnwBl. 1985, 646. 6 So aber OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 516. 7 Schneider, Anmerkung zu OLG Hamburg, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 744. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 27.2.1985 – 6 W 20/85, MDR 1985, 588 = AnwBl. 1985, 263 m. Anm. E. Schneider.

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auswirkt. Hierbei ist ausreichend, dass sich das Interesse des Streithelfers auf einen Teil der Hauptsache beschränkt.1

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II. Durchführung der Nebenintervention 2.3669 Uneinigkeit besteht hingegen darüber, wie der Gebührenstreitwert im Falle der Beteiligung des Streithelfers zu bestimmen ist. 1. Antragstellung

2.3670 Nach einer Auffassung deckt sich der Wert der Nebenintervention mit der Hauptsache, wenn der Nebenintervenient – wie meist – zur Hauptsache denselben Antrag wie die von ihm unterstützte Partei stellt.1 Entscheidend sei die verfahrensrechtliche Stellung des Streithelfers, der am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei, wie die Partei, der er zur Seite getreten sei. Sein prozessuales Verhalten richte sich auf denselben Streitgegenstand und seine Angriffs- und Verteidigungsmittel bezweckten das Obsiegen der von ihm unterstützten Partei.2 Dies gelte, soweit der Streithelfer sein Angriffs- oder Verteidigungsverhalten nicht erkennbar auf Teile des Streitgegenstandes beschränkt habe, auch bei fehlender Antragstellung.3

2.3671 Diese Ansicht führt jedoch streitwertrechtlich zu gänzlich unbefriedigenden Ergebnissen, wenn der Wert der Hauptsache und die mit der Hauptsacheentscheidung verbundene Einwirkung auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten erheblich voneinander abweichen. So müsste ein Streithelfer, der bei einer Klage über 50.000 t mit einem Regress von 1.000 t zu rechnen hat und sich deshalb dem Klageabweisungsantrag des Beklagten anschließt, einem Streitwert von 50.000 t unterworfen werden. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren darf nicht geprüft werden, ob die vom Nebenintervenienten gestellten Anträge voll gerechtfertigt waren.4 2. Interventionsinteresse

2.3672 Richtiger und ganz überwiegender Auffassung nach ist deshalb auch bei durchgeführter Nebenintervention nicht auf die Anträge des Streithelfers, sondern auf sein nach § 3 ZPO zu schätzendes Interesse abzustellen.5 1 BGH, Beschl. v. 11.12.2012 – II ZR 233/09, JurBüro 2013, 477; BGH, Beschl. v. 30.10.1959 – V ZR 204/57, MDR 1960, 41; KG, Beschl. v. 26.7.2004 – 2 W 18/04, MDR 2004, 1445; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2011 – 10 W 116/11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – 24 W 64/05, MDR 2006, 1017; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.2.1985 – 6 W 20/85, MDR 1985, 588 = AnwBl. 1985, 263; OLG Hamm, Beschl. v. 4.5.2011 – 20 W 4/11; OLG München, Beschl. v. 25.7.2017 – 9 W 1040/17; OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 240 m. abl. Anm. Tschischgale; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.9.2012 – 1 W 43/12; weitergehend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.10.2002 – 9 W 38/02, MDR 2003, 357: Hauptsachewert unabhängig von Antragstellung; Hülsmann, JurBüro 2003, 84. 2 BGH, Beschl. v. 30.10.1959 – V ZR 204/97, MDR 1960, 41; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.9.2012 – 1 W 43/12. 3 BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – X ZR 109/12, MDR 2016, 831 ohne Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.1.2013 – 8 W 4/13, NJW-RR 2013, 533; OLG München, Beschl. v. 24.4.2007 – 28 W 1334/07, JurBüro 2007, 426; insoweit a.A. OLG München, Beschl. v. 19.9.2016 – 9 W 1577/16: dann Interesse maßgeblich; zum kartellrechtlichen Schadensersatzverlangen OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2021 – 2 W 7/20. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; JurBüro 1978, 442. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 17.6.1998 – 3 W 73/98, OLGR 1999, 100; OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.12.2012 – 4 W 48/12; KG, Beschl. v. 23.8.2002 – 4 W 219/01, MDR 2002, 1453; OLG Celle, Beschl. v. 3.3.2011 – 13 W 129/10; OLG Dresden, Beschl. v. 19.2.2018 – 10 W 30/18, MDR 2018, 893; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2011 – 10 W 116/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.2003 – 3 W 653/03, OLGR 2004, 200; OLG Köln, Beschl. v. 30.3.2012 – 16 W 30/11; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025; OLG München, Beschl. v. 31.1.2011 – 28 W 2759/10; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.6.2009 – 9 U 31/09, AGS 2009, 499; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318; OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.8.1999 – 2 W 102/99, AGS 1999, 171 m. Anm.

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So dürfte bei sach- und interessengemäßer Auslegung des Sachantrags des Nebenintervenienten, auch 2.3673 wenn er unbeschränkt gefasst ist, dahingehend auszulegen sein, dass er die Partei nur soweit unterstützt, als sein eigenes Interesse betroffen ist.1 Zumal der auf Beklagtenseite beitretende Streithelfer, den nur ein Teil des Streitgegenstandes betrifft, nicht nur eine Teilabweisung der Klage beantragen kann.2 Zudem bestimmt sich die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten weniger durch den von ihm gestellten Sachantrag, als durch sein – auch für die Zulässigkeit der Streithilfe maßgebliches – Interesse am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei. Nur aus diesem Grunde (§ 66 ZPO) wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, zusätzliche Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen. Demgegenüber bringt seine Antragstellung zur Hauptsache nur die Unterstützung der Hauptpartei zum Ausdruck und wirkt sich nicht auf den Streitgegenstand aus.3 Dass sich die für seine Rechtsmitteleinlegung notwendige Beschwer nach der der unterlegenen Hauptpartei richtet, zwingt zu keiner abweichenden Bewertung,4 da das Rechtsmittel nicht die Überprüfung ihm etwaig drohender Regressansprüche, sondern der Hauptsacheentscheidung eröffnet. Das Interesse des Nebenintervenienten entspricht wertmäßig der (drohenden) Einwirkung der Hauptsacheentscheidung auf seine vermögensrechtlichen Verhältnisse. Abzustellen ist daher auf die nach dem Sachvortrag des Nebenintervenienten möglichen Wirkungen der Hauptsacheentscheidung zu seinen Lasten.5 Lässt sich das wirtschaftliche Interesse des Streithelfers nicht eindeutig feststellen und quantifizieren, dann ist davon auszugehen, dass sein Wert mit dem Streitwert der Hauptsache übereinstimmt.6

2.3674

3. Beispiele Dient die Nebenintervention der Abwehr von Regressansprüchen, die der unterstützten Partei im 2.3675 Falle des Prozessverlustes gegen den Streithelfer zustehen, dann ist für die Wertbestimmung regelmäßig auf deren – nach dem Vortrag der Hauptpartei zu erwartenden – Höhe abzustellen.7 Aufgrund der beschränkten Wirkung der Nebenintervention ist auch zu berücksichtigten, in welchem Umfang die Möglichkeiten des Streithelfers zur Rechtsverteidigung im Folgeprozess präkludiert wären.8

1 2 3 4 5

6

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Madert; OLG Rostock, Beschl. v. 22.9.2014 – 7 W 36/13; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.3.2012 – 4 W 32/12, PAK 2012, 150; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.8.2008 – 14 W 51/08, MDR 2009, 56, OLGR 2008, 878; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2002 – 20 U 94/99, BB 2002, 2085; Schneider, JurBüro 1974, 273 ff. OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025. Hierauf weist OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318 mit Recht hin. OLG Schleswig, Beschl. v. 28.8.2008 – 14 W 51/08, MDR 2009, 56, OLGR 2008, 878; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2002 – 20 U 94/99, BB 2002, 2085. So aber OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607. Zutr. Musielak/Voit/Heinrich, § 3 Rz. 32 Stichwort „Nebenintervention“; wohl auch OLG München, Beschl. v. 11.6.2019 – 9 W 635/19, BauR 2019, 1659: Beschränkung durch Bezifferung der sein Gewerk betreffenden Mängelbeseitigungsaufwendungen; a.A. OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318, das die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei sieht, die ein geringeres Interesse behauptet; offenlassend BGH, Beschl. v. 11.12.2012 –II ZR 233/09, MDR 2010, 1077 = JurBüro 2013, 477 = AGS 2013, 238. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.1.2013 – 8 W 4/13, NJW-RR 2013, 533; OLG München, Beschl. v. 25.7.2018 – 9 U 1513/16; letztlich auch OLG München, Beschl. v. 23.12.2016 – 28 W 2118/16, das darauf abstellt, ob bei unbeschränkter Streitverkündung und Antragstellung von dem Nebenintervenienten „sonst wie“ zum Ausdruck gebracht wird, dass sich sein „Vorbringen auf das eigene Interesse (Regressrisiko)“ beschränkt. OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.6.2016 – 3 W 31/16, MDR 2016, 1052; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.3.2013 – 10 W 12/13, BauR 2014, 1351; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004. OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 W 37/89, MDR 1990, 251.

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2. Teil

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2.3676 Hierbei kann der Wert der Nebenintervention nicht höher sein als der Wert der Hauptsache.1 Dies gilt auch, wenn der Hauptsachewert durch privilegierende Vorschriften gesperrt und der drohende Regress den verbleibenden Wert deutlich übersteigt. Die Berücksichtigung dieser Sperrwirkung entspricht wohl allgemeiner Meinung, wie sie insbesondere bei Feststellungsklagen praktiziert wird, wenn die entsprechende Leistungsklage nach den §§ 41 oder 42 GKG privilegiert ist.

2.3677 Trotz der beschränkten Interventionswirkung (§ 68 ZPO) ist für eine prozentuale Reduzierung des Streitwerts entsprechend den Bemessungsgrundsätzen zur Feststellungsklage kein Raum.2 Zwar hat das Haupturteil zu seinen Lasten nur feststellende Wirkung, das steht der Berücksichtigung des vollen Hauptsachewertes jedoch nicht entgegen. Denn maßgeblich für den Gebührenstreitwert ist nicht die Beschwer des Streithelfers im Fall des Unterliegens der Hauptpartei, sondern sein Interesse an deren „Obsiegen“ (§ 68 ZPO) und damit an der (mittelbaren) negativen Feststellung bezüglich der Grundlage eines gegen ihn gerichteten Regressanspruchs.

2.3678 Unterstützt der Beitretende beispielsweise den Beklagten bei dessen Antrag auf Klageabweisung, dann ist sein Interesse auf die mit der Klageabweisung inhaltlich verbundene (negative) Feststellung gerichtet, dass für einen Regress seitens der unterstützten Partei kein Anlass besteht. Unterstützt der Beitretende den Kläger bei dessen Leistungsantrag, so zielt er auf die mit der Verurteilung verbundene Befriedigung des Klägers, die seine eigene ersatzweise Inanspruchnahme ausschließt. Die Nebenintervention zielt in beiden Fällen auf eine abschließende, wenngleich mittelbare Klärung etwaiger Regressansprüche. Für einen regelmäßigen prozentualen Wertabschlag besteht, wie auch bei der negativen Feststellungsklage – entgegen den Ausführungen in der 12. Aufl. – kein Anlass.

2.3679 Beschränkt der Streithelfer seine Nebenintervention auf einen Teil der Streitgegenstände des Rechtsstreits, dann ist für den Wert der Streithilfe nur dessen Wert anzusetzen,3 ein entsprechendes Abwehrinteresse des Nebenintervenienten vorausgesetzt.

2.3680 Unterstützt er dagegen die Hauptpartei auch in Bezug auf eine von ihr erhobene oder gegen sie gerichtete Widerklage, so ist auch für die Kosten der Streithilfe die Summe der Werte von Klage und Widerklage maßgebend.4

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Zwischenstreit 2.3681 Gegen das Zwischenurteil, das über die Zulässigkeit der Nebenintervention entscheidet, ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 71 Abs. 2 ZPO. Für den im Zwischenstreit unterlegenen Nebenintervenienten folgt der Wert der Beschwer seinem Interesse an einem Beitritt zum Rechtsstreit und damit dem Gebührenstreitwert. War nach Klagerücknahme abschließend über die Zulassung der Neben-

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 13.7.1977 – 10 W 17/77, MDR 1977, 1026; OLG München, Beschl. v. 27.3.1997 – 28 U 2631/96, NJW-RR 1998, 420. 2 So auch OLG Bamberg, Beschl. v. 17.6.1998 – 3 W 73/98, OLGR 1999, 100; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.10.1980 – 10 U 140/80, JurBüro 1981, 273; OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2009 – 3 W 50/08; a.A. OLG München, Beschl. v. 12.9.1985 – 11 W 2147/85, JurBüro 1985, 1854; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004 – 7 Ta 3/04; E. Schneider, MDR 1982, 270; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.120; weitergehend OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 W 37/89, MDR 1990, 251. 3 KG, Beschl. v. 23.8.2002 – 4 W 219/01, MDR 2002, 1453; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.10.2002 – 9 W 38/02, MDR 2003, 357; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004 – 7 Ta 3/04; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 4 OLG München, JurBüro 1973, 1085.

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2. Teil

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intervention und Auferlegung der hierdurch veranlassten außergerichtlichen Kosten zu entscheiden, dann bemisst sich der Wert des Beschwerdeverfahrens nach der Höhe eben dieser Kosten.1

II. Hauptsacheverfahren Zur Rechtsmitteleinlegung allein in eigenem Namen ist der Streithelfer nur berechtigt, soweit sich die gerichtliche Entscheidung, etwa hinsichtlich der Kostentragung, gegen ihn selbst richtet.2 Danach bestimmt sich dann auch seine Beschwer.

2.3682

Für die Zulässigkeit des vom Nebenintervenienten für die Hauptpartei eingelegten Rechtsmittels 2.3683 (§ 66 Abs. 2 ZPO) kommt es hingegen auf die Beschwer der unterstützten Partei an.3 Deren Bewertung folgt daher ebenso wie die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts den allgemeinen Regeln. Bei streitgenössischer Nebenintervention soll wegen § 69 ZPO, wonach der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei gilt, nach überwiegender Ansicht die Beschwer des Nebenintervenienten unabhängig von derjenigen der Hauptpartei bestimmt werden.4 Eine Zusammenrechnung der Beschwer von Hauptpartei und Nebenintervenient scheidet in jedem Fall aus, da § 69 ZPO nur auf eine prozessrechtliche Gleichstellung abzielt und selbst bei einer weitergehenden gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von Hauptpartei und Nebenintervenient aufgrund wirtschaftlicher Identität nicht addiert werden könnte.5 Insoweit kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff. verwiesen werden.

D. Vergleich Werden in einem Prozessvergleich über die Klageforderung zugleich Ansprüche des Streithelfers mitverglichen, so erhöht sich der Vergleichswert entsprechend.6

2.3684

Im Übrigen erwächst dem Prozessbevollmächtigten des Streithelfers eine Vergleichsgebühr nur dann, 2.3685 wenn der Vergleich zugleich Rechtsbeziehungen des Streithelfers zu den Parteien regelt. Hiervon ist bereits dann auszugehen, wenn dem Streithelfer in der Kostenregelung des Vergleichs ein Erstattungsanspruch gegen die von ihm unterstützte Partei eingeräumt wird. Der Gegenstandswert der Vergleichsgebühr für den Prozessbevollmächtigten des Streithelfers bestimmt sich in diesem Fall nach den dem Streithelfer bis dahin entstandenen Kosten.7 Werden mit dem Vergleich der Parteien zugleich streitige Regressansprüche einer Partei gegen einen 2.3686 Streithelfer erledigt, so hat der Vergleich für diesen keinen Mehrwert, wenn der Regressanspruch sich allein auf die Hauptforderung bezieht.8

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.7.2009 – 12 W 1050/09, MDR 2009, 1401. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.7.1994 – 8 W 51/94, NJW-RR 1995, 829. 3 BGH, Urt. v. 16.1.1997 – I ZR 208/94, MDR 1997, 956 = NJW 1997, 2385; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – 24 W 64/05, MDR 2006, 1017; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025. 4 MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, § 511 Rz. 33; Stein/Jonas/Bork, § 69 Rz. 10 m.w.N.; offenlassend BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 5 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97, JurBüro 1999, 196; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.120. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.8.2008 – 10 W 53/08, JurBüro 2009, 26 – bei Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO auch die Terminsgebühr; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.11.1995 – 11 W 185/95, NJW-RR 1996, 447. 8 Insoweit zutr. OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.6.2016 – 3 W 31/16, MDR 2016, 1052.

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2. Teil

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Negative Feststellungsklage

ZPO

Negative Feststellungsklage 2.3687 Siehe das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1494–2.1501.

Nicht rechtshängig gewordene Anträge A. Zuständigkeitsstreitwert 2.3688 Anträge, die nicht anhängig geworden sind, können für den Zuständigkeitsstreitwert naturgemäß keine Rolle spielen. Für den Zuständigkeitsstreitwert kommt es nur auf die anhängig gewordenen Gegenstände an.

2.3689 Soweit Ansprüche zwar anhängig, aber nicht rechtshängig geworden sind, spielen sie auch keine Rolle für den Zuständigkeitsstreitwert. Zwar kommt es für den Zeitpunkt der Wertberechnung auf die Einreichung der Klage an (§ 4 Abs. 1, Halbs. 1 ZPO); das darf aber nicht dazu verleiten, auch auf den Wert bei Einreichung abzustellen. Nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO führt (erst) die Rechtshängigkeit dazu, dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Veränderungen vor Rechtshängigkeit die Zuständigkeit berühren können. Dass nur scheinbar ein Widerspruch zwischen § 4 Abs. 1, Halbs. 1 ZPO einerseits und § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO andererseits besteht, lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen:

2.3690 Beispiel: Der Kläger klagt auf Übertragung von 100 Aktien. Vor Zustellung der Klage nimmt er die Klage teilweise zurück und verlangt nur noch 60 Aktien. Rechtshängig geworden ist nur der Antrag auf Übertragung von 60 Aktien, so dass auch nur deren Wert maßgebend ist. Es gilt allerdings gem. § 4 Abs. 1, Halbs. 1 ZPO der Kurswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung. Nachträgliche Kursschwankungen zwischen Einreichung der Klage und ihre Zustellung bleiben außer Betracht.

B. Gerichtsgebühren I. Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen 2.3691 Für die Gerichtsgebühren können anhängige, aber nicht rechtshängig gewordene Anträge dagegen Bedeutung haben, da hier schon die bloße Anhängigkeit ausreicht. Die Gerichtsgebühren für das Verfahren im Allgemeinen fallen nämlich grundsätzlich mit Einreichung des Antrags an (§ 6 Abs. 1 GKG). Eine Rücknahme vor Rechtshängigkeit kann nur zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühr führen (Nr. 1211 Nr. 1 KV GKG), nicht aber zum Wegfall der Gebühr.

2.3692 Zu der Frage, inwieweit eine Klageerweiterung, die anhängig, aber mangels Zustellung nicht rechtshängig geworden ist, daher den Streitwert für die Gerichtsgebühren erhöht, differenziert die Rechtsprechung wie folgt: – Wird die Klageerweiterung vor Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingereicht, aber nicht mehr zugestellt, ist sie für den Gebührenstreitwert dennoch heranzuziehen.1 – Dagegen hat eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung keine Auswirkungen auf den Streitwert, wenn das Gericht von einer Wiedereröffnung der mündlichen 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127 = OLGR 2009, 338.

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Nicht rechtshängig gewordene Anträge

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2. Teil

ZPO

Verhandlung absieht.1 Das gilt auch dann, wenn das Gericht im Urteilstenor die Klageerweiterung als unzulässig zurückgewiesen hat.2

II. Vergleichsgebühr Für die Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) kommt es nur auf nicht anhängige Gegenstände an. Gegenstände, die anhängig sind – und sei es auch in einem anderen Verfahren – dürfen hier nicht herangezogen werden. Zu Einzelheiten s. „Vergleich“ (Rz. 2.5051 ff.).

2.3693

C. Anwaltsgebühren Bei den Anwaltsgebühren verhält es sich anders. Der Anwalt kann seine Gebühren im gerichtlichen Verfahren auch aus nicht anhängigen Gegenständen erhalten, da es für ihn weder auf den Streitgegenstand ankommt noch auf die Anhängigkeit, sondern auf den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit.

2.3694

Soweit der Gegenstand anhängig, aber nicht rechtshängig geworden ist, gilt über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gleiche wie für die Gerichtsgebühren.

2.3694a

Soweit der Gegenstand nicht anhängig geworden ist, können dennoch Anwaltsgebühren ausgelöst werden. So entsteht die Verfahrensgebühr auch dann, wenn der Anwalt einen Auftrag zur Klage erhält, diese aber nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang einreicht. Es entsteht dann allerdings insoweit nur die ermäßigte Verfahrensgebühr der Nr. 3101 Nr. 1 RUG – VV.

2.3695

Wird lediglich über nicht anhängige Gegenstände verhandelt, so entsteht die Verfahrensdifferenzgebühr der Nr. 3101 Nr. 2 RUG – VV und auch die Terminsgebühr nach Nr. 3104 RUG – VV.3 Der Wert ist dann ggf. im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.

2.3696

Soweit die Parteien einen Vergleich auch über nicht anhängige Gegenstände schließen, entsteht aus 2.3697 dem Mehrwert sowohl die Verfahrensdifferenzgebühr der Nr. 3101 Nr. 1 RUG – VV als auch die Terminsgebühr der Nr. 3104 RUG – VV sowie die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RUG – VV. Hier ergibt sich der Wert i.d.R. aus der gerichtlichen Wertfestsetzung für den Vergleichsmehrwert. Anderenfalls ist der Gegenstandswert nach § 33 RVG auf Antrag festzusetzen.

D. Rechtsmittelstreitwert Auch für den Rechtsmittelstreitwert sind nicht anhängige Anträge irrelevant. Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands bleibt daher eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Klageerweiterung grundsätzlich außer Ansatz.4

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579 mit abl. Anm. E. Schneider; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579 mit abl. Anm. E. Schneider. 3 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361. 4 BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 152/08, AGS 2009, 295 = MDR 2009, 824.

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Nichtigkeit eines Vertrages

ZPO

Nichtigkeit eines Vertrages A. Allgemeines 2.3698a Auch bei Streitigkeiten über die (Un-)Wirksamkeit eines von den Parteien geschlossenen Vertrages kommt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert maßgeblich auf das klägerische Interesse an. Grundsätzlich ist das gleichbedeutend mit dem Wunsch, vom Vertrag loszukommen.1 Bei der Bewertung ist jedoch nicht abstrakt auf die Motivlage des Klägers, sondern auf seinen Klageantrag abzustellen. Hier ist wie folgt zu unterscheiden:

B. Freistellung von einer vertraglich vereinbarten Leistung 2.3698b Verlangt der Kläger von dem Vertragspartner, ihn von der Erbringung einer vertraglich vereinbarten Leistung, beispielsweise der Kaufpreiszahlung oder Lieferung der Kaufsache freizustellen, handelt es sich konstruktiv um eine negative Feststellungsklage. Dem Kläger ist – hier – nicht an der Erfüllung der ihn treffenden Verpflichtung durch einen Dritten interessiert, sondern sein Klageantrag zielt auf die Feststellung, nicht zur Vertragserfüllung verpflichtet zu sein. Der Wert der negativen Feststellungsklage bestimmt sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG ohne Abschlag nach dem Betrag der Hauptforderung, auf die der Kläger in Anspruch genommen wird.2

C. Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen 2.3698c Wird auf Rückzahlung einer bereits geleisteten Vergütung oder Herausgabe (und Rückübereignung) eines schon gelieferten Gegenstandes geklagt, bestimmt sich der Streitwert gem. §§ 3, 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem Zahlbetrag bzw. dem Wert der Sache. Streitgegenstand und Streitwert sind identisch.3 Ein zugleich gestellter Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages ist – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel gerichtet und wertmäßig nicht gesondert zu berücksichtigen.

D. Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages 2.3698d Ist die Klage auf Feststellung gerichtet, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag unwirksam bzw. nichtig sei, besteht über die Bewertung Uneinigkeit. Während einerseits auf den „Wert des Vertragsverhältnisses“4 abgestellt wird, soll nach anderer Auffassung der Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages5 bzw. der Saldo der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile maßgeblich sein.6

1 Siehe dazu den Fall des OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, JurBüro 1990, 1659. 2 BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196; WM 1990, 616; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57; OLG Hamm, JurBüro 2003, 537; OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769. 3 OLG Celle, Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397; OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101. 4 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Feststellung der Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit. 5 OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162; OLG Düsseldorf, JurBüro 1967, 161; aufgegeben durch Beschl. v. 11.3.1981 – 9 W 34/81. 6 So RG, Gruchot Bd. 49, 1005; OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.11.1982 – 2 W 113/83, JurBüro 1983, 434; OLG München, OLGE 29, 222.

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2. Teil

Beide Ansätze überzeugen nicht. Ein objektiver „Wert des Vertragsverhältnisses“ existiert schon deswegen nicht, weil Leistung und Gegenleistung sich wertmäßig nicht notwendigerweise entsprechen.1 So beispielsweise, wenn eine nach Irrtumsanfechtung erhobene Klage auf Feststellungsklage der Vertragsnichtigkeit darauf zielt, eine Kaufsache nicht übereignen zu müssen, deren Wert deutlich über dem vereinbarten Kaufpreis liegt.2 Auch eine Saldierung der vermögensrechtlichen Folgen bei Durchführung und Abstandnahme von der Vertragserfüllung bzw. der Vor- und Nachteile bei Vertragserfüllung repräsentiert nicht das klägerische Interesse. Denn es ist wenig nachvollziehbar, warum – abweichend zur Leistungsklage (s. hierzu unter dem Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677) – die mit der Vertragsdurchführung verbundene Gegenleistung einen Einfluss auf die Bewertung haben soll. Abgesehen davon, dass bei diesem Ansatz ein kostenrechtlich unbrauchbarer Nullwert nicht ausgeschlossen werden kann.

2.3698e

ZPO

Nichtigkeit eines Vertrages

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Entscheidend ist vielmehr auch hier der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Unwirksamkeit 2.3698f des Vertrages freigestellt werden will3 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.4 Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch der BGH angeschlossen.5 Bei der Bewertung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Beschränkt sich die Auseinandersetzung um die Wirksamkeit des Vertrages auf einen Teilbetrag der dem Kläger obliegenden Leistung, dann ist nur dieser maßgebend. So liegt es etwa bei einem Streit über die Nichtigkeit eines notariellen Grundstückskaufvertrages wegen Vereinbarung eines Schwarzpreises. Der Streit und damit dessen Wert beschränkt sich (wirtschaftlich) auf die Differenz von beurkundetem zu angeblich vereinbartem Kaufpreis.6 Ebenso erscheint es sachgerecht, bei einem Streit über die Nichtigkeit eines Ratenkreditvertrages (§ 138 BGB) für die Bewertung allein auf die Summe der Kreditzinsen abzustellen.7

2.3698g

Da mit der Klage zugleich eine (negative) Entscheidung über den Bestand etwaiger vertraglicher Verpflichtungen angestrebt wird, kommt der bei der positiven Feststellungsklage übliche prozentuale Abschlag nicht in Betracht.8

2.3698h

Will der Kläger den mit der Feststellungsklage gegenüber konkreten Rückabwicklungsanträgen regel- 2.3698i mäßig höheren Streitwert vermeiden, muss er einen anderen Klageantrag stellen. Er kann beispielsweise lediglich Ersatz der unnütz gezahlten Grunderwerbsteuer oder der Beurkundungskosten verlangen. Dann ist der Streitwert gleich der Bezifferung, obschon die Frage der Vertragsnichtigkeit inzidenter voll überprüft wird. Diese Lösung wird auch den Interessen des Beklagten gerecht, der dann die Möglichkeit hat, durch Feststellungswiderklage nach § 256 Abs. 2 ZPO das Gesamtinteresse zur Entscheidung zu stellen.9 1 Vgl. etwa OLG Celle, Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397. 2 Unzutreffend daher OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101, das zur Vereinfachung auf den Kaufpreis abstellt. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, JurBüro 1990, 1659; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, Nds.Rpfl. 1984, 14; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 494; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; OLG Oldenburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1218; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.9.1978 – 1 W 20/78, JurBüro 1978, 1718. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703; OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, JurBüro 1979, 1705; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448; OLG München, JurBüro 1984, 1235. 5 BGH, Urt. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 7 OLG Hamburg, JurBüro 1988, 1060; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – 24 U 57/09, MDR 2010, 715 – Zinsdifferenz für Streit über Abschluss eines Darlehensvertrages. 8 BGH, Beschl. v. 12.3.2020 – V ZR 160/19, MDR 2020, 749; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448; Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597; a.A. noch 11. Aufl. 9 Siehe E. Schneider in Anm. zu OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450.

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2. Teil

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Nichtigkeitsklage

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2.3698j Wird die Wirksamkeit eines Vertrages von einem nicht am Vertrag beteiligten Dritten angegriffen, bemisst sich der Streitwert (über § 48 GKG) nach § 3 ZPO, insbesondere ist für eine Anwendung von § 8 ZPO kein Raum.1

E. Mehrere Ansprüche 2.3698k Begehrt der Kläger neben dem Rückerhalt der von ihm bereits erbrachten Vertragsleistung die Feststellung, dass der Vertrag unwirksam ist, sind beide Anträge – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel gerichtet und der Feststellungsantrag wertmäßig nicht gesondert zu berücksichtigen.

2.3698l Ebenso rechtfertigt der neben der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages gestellte Antrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung keine Zusammenrechnung. Die Verpflichtung zur Erteilung der Löschungsbewilligung ist eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit.2 Dass die Löschungsbewilligung eine zusätzliche Willenserklärung erfordert und diese nicht durch die Nichtigkeitsverurteilung ersetzt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr handelt es sich um einen gegenüber der Verpflichtung zur Rückabwicklung nachbereitenden und damit wirtschaftlich identischen Zusatzantrag.

Nichtigkeitsklage 2.3699 Mit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage und der Nichtigkeitsklage wird die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen geltend gemacht.3 Nach der h.M. ist die Anfechtungsklage Gestaltungsklage, die Nichtigkeitsklage Feststellungsklage.4 Die Nichtigkeitsklage kann nach § 249 AktG von einem Aktionär, dem Vorstand sowie einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats erhoben werden. Die Klage ist gegen die Aktiengesellschaft zu richten (§ 249 Abs. 1 Satz 1, § 246 Abs. 2 AktG).

2.3700 Der Streitwert der Nichtigkeitsklage ist nach § 247 Abs. 1 AktG bzw. § 3 ZPO unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls und des wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Interesses des Gesellschafters an der Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses nach billigem Ermessen zu bestimmen.5 Entsprechend gilt dies für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer GmbH6 sowie die Klage eines Kommanditisten einer Publikums-KG hinsichtlich eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung (Abgrenzung zu zweigliedrigen Gesellschaften).7

2.3701 Abweichend von der üblichen Bestimmung des Streitwertes nach dem Interesse des Klägers bzw. Antragstellers ist nach § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG die Bedeutung der Sache für die Parteien, also auch für den Antragsgegner, zu berücksichtigen.

2.3702 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130.

1 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.3.2012 – 1 (Z) Sa 2/12, Jagdrechtliche Entscheidungen IV Nr. 131 – Jagdpachtvertrag. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 3 Vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2002 – II ZR 286/01, MDR 2003, 38. 4 Hüffer/Koch, AktG, § 249 AktG Rz. 10; a.A. K. Schmidt, JZ 1988, 729. 5 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, NJW-RR 1995, 225. 6 BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NJW-RR 1999, 1485; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.10.2013 – 17 W 34/13, 17 W 37/13. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 5.1.2011 – 2 W 125/10, MDR 2011, 628 = NZG 2011, 312; zu zweigliedrigen Gesellschaften und Vereinen vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

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2. Teil

ZPO

Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Literatur: Schack, Die nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, MDR 1984, 456.

A. Einleitung I. Allgemeines Die einer Streitwertbestimmung im Bereich des § 48 Abs. 2 GKG stets vorgelagerte Frage betrifft die Abgrenzung der nichtvermögensrechtlichen von der vermögensrechtlichen Streitigkeit. Ausschlaggebend für die Abgrenzung und damit auch für die Wertbestimmung ist die Rechtsnatur des Anspruchs, den der Kläger geltend macht.1

2.3703

– Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten sind solche, die nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind und nicht aus vermögensrechtlichen Verhältnissen entspringen.2

2.3704

– Vermögensrechtliche Streitigkeiten sind solche, bei denen die Ansprüche auf Geld oder eine geldwerte Leistung gerichtet sind, gleichgültig, ob sie einem vermögensrechtlichen oder nichtvermögensrechtlichen Grundverhältnis entspringen. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche sind Angelegenheiten in (FG-)Familiensachen sowie auf Unterlassung gerichtete Ansprüche. Als nichtvermögensrechtlich sind beispielsweise angesehen worden: – die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen,3 – die Umbettung einer Leiche,4 – die Beisetzung in einer bestimmten Grabstätte,5 – der Ausschluss aus einem Verein,6 – die Erteilung eines Hausverbots gegen den Vorstand einer rechtsextremistischen Partei,7 – die Sperre eines Nutzers in einem sozialen Netzwerk,8 – ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz,9 – die Herausgabe eines Tagebuchs,10

1 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.10.2010 – 4 U 106/10, GRUR-RR 2011, 56; auch BGH, Beschl. v. 19.5.1982 – IVb ZB 80/82, MDR 1982, 1004 = NJW 1982, 1651. 2 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.10.2010 – 4 U 106/10, GRUR-RR 2011, 56; LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85; RGZ 144, 159. 3 BayObLG, Beschl. v. 8.9.1998 – 1Z BR 16/98, NJW-RR 1999, 1375. 4 RGZ 108, 219. 5 RG, HHR 1931, 138; RG, JR 1926 Nr. 792. 6 OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1989 – 5 W 374/89, JurBüro 1990, 1034. 7 LG Frankfurt/O., Urt. v. 22.6.2010 – 12 O 17/10. 8 OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.9.2020 – 1 W 3/20, MDR 2021, 187; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.11.2018 – 1 W 519/18, MMR 2019, 625: 5.000 t; OLG München, Beschl. v. 17.9.2018 – 18 W 1383/18, NJW 2018, 319; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.9.2018 – 16 W 28/18. 9 LG Verden, Beschl. v. 8.1.2008 – 1 T 449/07, AGS 2008, 253. 10 KG, v. 14.10.1969 – 1 W 4069/69, JurBüro 1969, 1190.

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2. Teil

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

ZPO

– die Unterlassung ehrkränkender Behauptungen sowie die Veröffentlichung/Verbreitung von Bildern (Recht am eigenen Bild),1 – die Unterlassung belästigender Telefonanrufe,2 – die Einsichtnahme in Personalakten, die bei einer privatrechtlich organisierten Begabtenförderungsstelle für einen Stipendiaten geführt werden,3 – die Einsichtnahme in Akten eines Zivilrechtsstreits,4 – die Auflösung des Landesverbandes einer politischen Partei oder die Anfechtung einer parteiinternen Delegiertenwahl,5 – die Rücknahme einer Landeswahlliste einer politischen Partei für die Bundestagswahl,6 – der Zwischenstreit wegen Zeugnisverweigerung,7 – die Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen (streitig).8

2.3706 Bei der Abgrenzung kann jedoch nicht nur auf die Art des betroffenen Rechtsverhältnisses abgestellt werden. Vielmehr kommt es auch darauf an, welcher Klageantrag (z.B. Zahlung von Geld oder einer geldwerten Leistung) im Einzelfall verfolgt wird.9

II. Ehrschutz 2.3707 Gerade im Bereich der Ehrverletzungen ist bei der Frage der Abgrenzung von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten zu differenzieren:

2.3708 Vorbeugende Unterlassungsklagen aus Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen, sind grundsätzlich nichtvermögensrechtlicher Natur, sofern sich nicht aus der Klage ergibt oder offenkundig ist, dass in wesentlicher Weise wirtschaftliche Belange gesichert werden sollen.10

1 BGH, Urt. v. 26.10.1999 – VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = NJW 2000, 656 (Wortberichterstattung); BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 (Bild). 2 BGH, Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 79/83, MDR 1985, 397 = VersR 1985, 185. 3 OLG Köln, JurBüro 1980, 578 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 30 m. Anm. Schneider. Vermögensrechtlich soll dagegen der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sein, vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 5.7.1984 – 8 Ta 115/84, MDR 1984, 877. 4 BayObLG, Beschl. v. 27.1.2021 – 101 VA 168/20. 5 KG, JurBüro 1970, 309; KG, Beschl. v. 24.9.1984 – 13 W 4000/84. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.11.2017 – 2 W 18/17, NVwZ-RR 2018, 455. 7 BayObLG, Beschl. v. 21.8.1986 – BReg. 1 Z 34/86, FamRZ 1986, 1237. 8 Vgl. zum Streitstand: BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03, AGS 2004, 159; BGH, Beschl. v. 17.1.1968 – IV ZB 3/68, NJW 1968, 796; OLG München, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 W 1403/10, MDR 2010, 1012, AGS 2010, 403; OLG Nürnberg v. 6.4.1983 – 8 W 2480/80, MDR 1983, 846 = AnwBl. 1983, 516; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2003 – 5 W 48/03, MDR 2004, 1083, AGS 2004, 392 m. Anm. Madert; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.1.2000 – 8 W 79/99, BauR 2000, 773; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.12.1997 – 4 W 617/97, NJW-RR 198, 1222; OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1986 – 12 W 54/86, KostRsp. GKG § 12 Nr. 115 m. Anm. Schneider; ausführlich hierzu unter dem Stichwort „Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen“ Rz. 2.31. 9 LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85. 10 BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43; OLG Stuttgart, Urt. v. 6.10.2010 – 4 U 106/10, GRUR-RR 2011, 56.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

2. Teil

Beispiel: Der Kläger sieht sich durch einzelne Textstellen in einem Buch in seiner Ehre verletzt, ohne dass ihm Vermögensnachteile drohen. Dies wurde als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit eingestuft.1

2.3709

Andererseits ist ein Widerrufsanspruch im Hinblick auf ehrverletzende Behauptungen vermögensrechtlicher Natur, wenn er allein oder auch aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt.2 Ein Rechtsstreit kann nach dem Inhalt des Klageanspruchs auch dann vermögensrechtlicher Natur sein, wenn es dem Kläger nach dem Klagevortrag nicht nur um die Verteidigung seiner Ehre geht;3 bloße vermögensrechtliche Reflexwirkungen (der angegriffenen Behauptung) haben aber außer Betracht zu bleiben.4

2.3710

Vermögensrechtlich ist auch der Anspruch auf Unterlassung von kreditgefährdenden Behauptungen, da er die Abwehr eines drohenden Vermögensschadens bezweckt.5 Andererseits ist ein Unterlassungsanspruch, der den sozialen Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit schützen soll, nicht schon deshalb vermögensrechtlicher Natur, weil es um die Berufsehre eines Journalisten geht, der mit öffentlichkeitswirksamer Arbeit Geld verdient.6

2.3711

Wenn in der Auseinandersetzung zweier konkurrierender Gewerkschaften die eine von der anderen 2.3712 die Unterlassung bestimmter Äußerungen begehrt, handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Streit, soweit die Untersagung nur nach §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB begehrt wird. Ist daneben aber eine Verletzung des § 824 BGB schlüssig behauptet, so wird neben dem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch i.S.d. § 48 Abs. 3 GKG geltend gemacht.7

III. Vereins-/Arbeitsrecht Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt auch vor, wenn gegen einen Idealverein auf Feststel- 2.3713 lung geklagt wird, dass sein Vorstand nicht rechtmäßig gewählt worden sei.8 Dagegen ist der Streit über eine Satzungsänderung einer Stiftung bezüglich des Verfahrens der Benennung von Kuratoriumsmitgliedern vermögensrechtlicher Natur.9 Auch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wird die Unterscheidung häufig praktisch. Als nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten sind in diesem Bereich beispielsweise angesehen worden: – der Anspruch des Betriebsrats auf Untersagung des Einsatzes von Arbeitnehmern aus Fremdfirmen,10

1 BGH, Urt. v. 19.4.1983 – VI ZR 239/82, VersR 1983, 832; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43; BGH, Beschl. v. 29.5.1990 – VI ZR 298/89, MDR 1991, 39 = VersR 1991, 202; BGH, Beschl. v. 6.11.1990 – VI ZR 117/90, MDR 1991, 427 = VersR 1991, 792; LAG Hamm, AnwBl. 1984, 156. 2 BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 3 BGH, Beschl. v. 16.12.1980 – VI ZR 308/79, MDR 1981, 486 – das Verfahren betraf den Anspruch auf Unterlassung u.a. der Behauptung, das Buch „Das Tagebuch der Anne Frank“ sei eine Fälschung. Der Senat hat im Hinblick auf die Einordnung als vermögensrechtliche Streitigkeit gewürdigt, dass nicht nur die Ehre des Klägers, sondern auch sein Interesse an der wirtschaftlichen Auswertung des Buchs betroffen sei. 4 BGH, Urt. v. 26.10.1999 – VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = NJW 2000, 656. 5 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 5. 6 BGH, NJW-RR 1990, 1276. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 538 zu § 12 GKG a.F. 8 KG, JurBüro 1969, 1193. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.1993 – 8 W 48/92, ZIP 1993, 1384. 10 LAG Bremen, KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 76.

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2.3714

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2. Teil

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

ZPO

– der Anspruch auf Untersagung der Behauptung, dass der Arbeitnehmer für Inventurverluste verantwortlich sei,1 – der Streit über die Verkürzung der Arbeitszeit.2

2.3715 Um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt es sich dagegen bei dem Streit darüber, ob der Arbeitnehmer berechtigt ist, bestimmte ihm zugewiesene Arbeiten zu verweigern3 und bei dem Streit um den Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung.4

2.3716 Begehrt ein Verfügungskläger die künftige Unterlassung bestimmter Äußerungen, durch die er nicht nur seine Ehre und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, sondern durch die er auch seinen Arbeitsplatz zu verlieren fürchtet, macht er damit einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) sowie einen vermögensrechtlichen Anspruch (Bestand des Arbeitsverhältnisses) geltend. Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes kommt in einem solchen Fall neben § 48 Abs. 2 GKG für den nichtvermögensrechtlichen Teil nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO für den vermögensrechtlichen Teil ein eigener Wert in Betracht, wobei nach § 48 Abs. 3 GKG nur der höhere Anspruch maßgebend ist.5

B. Gebührenstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften 2.3717 Die Bestimmung des Gebührenstreitwerts für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten ist in § 48 Abs. 2 GKG geregelt. Der Wert ist danach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über eine Million Euro angenommen werden.

2.3718 Einen Regelstreitwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten wie früher in § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. gibt es heute nicht mehr. Das LAG Hamm6 hat sich in einer früheren Entscheidung für eine Anlehnung an den in § 12 Abs. 2 Satz 3 GKG a.F. bzw. § 8 Abs. 2 BRAGO genannten Wert von 4.000 t ausgesprochen, der im Regelfall nicht unterschritten werden sollte. Da sich aber der Gesetzgeber in § 48 Abs. 2 GKG eben nicht auf einen bestimmten Regelwert festgelegt hat, erscheint die umgekehrte Vorgehensweise vorzugswürdig: Zunächst sind die Umstände des Einzelfalls i.S.v. § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Nur in den Fällen, in denen jeder Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt, kann man sich an den Werten von § 52 Abs. 2 GKG bzw. § 23 Abs. 3 RVG (5.000 t) orientieren.

2.3719 In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten ist der Streitwert für eine einstweilige Verfügung nach § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG zu schätzen.7 Es gelten die üblichen Bewertungsgrundsätze (Bruchteil des Hauptsacheverfahrens bzw. in Ausnahmefällen voller Hauptsachewert).

1 LAG Hamm, AnwBl. 1984, 156. 2 LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85 – das LAG hat die Festsetzung des Streitwerts auf einen Monatslohn nicht beanstandet, auch wenn es diese Bewertung wohl selbst so nicht vorgenommen hätte. 3 BAG, Beschl. v. 28.9.1989 – 5 AZR 8/89. 4 LAG Hamm v. 27.12.1979 – 8 Ta 627/79, MDR 1980, 347. 5 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.9.2007 – 1 Ta 209/07. 6 LAG Hamm, Beschl. v. 28.3.1980 – 8 Ta 27/80, MDR 1980, 613 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 31 mit zust. Anm. Schneider; ebenso: LG Bochum, Beschl. v. 6.6.2007 – 10 T 28/07. 7 OLG Frankfurt v. 22.11.1982 – 22 W 36/82, AnwBl. 1983, 89; KG, JurBüro 1967, 806.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

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2. Teil

2.3720

Die Fälle der Anspruchshäufung sind wie folgt zu bewerten:

ZPO

– Macht der Kläger mehrere nichtvermögensrechtliche Ansprüche geltend, sind die einzelnen Werte zu bestimmen und dann gem. § 5 ZPO zu addieren. – Gleiches gilt, wenn der Kläger neben einem vermögensrechtlichen Anspruch einen davon unabhängigen nichtvermögensrechtlichen Anspruch geltend macht, z.B. bei einer Klage auf Übertragung der Personensorge, in der auch ein Anspruch auf Unterhaltszahlung geltend gemacht wird.1 – Wird dagegen ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch mit einem aus ihm abgeleiteten vermögensrechtlichen (Folge-)Anspruch geltend gemacht, so greift § 48 Abs. 3 GKG ein. In diesem Fall – beispielsweise einer Klage auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen und Anspruch auf Schmerzensgeld2 – ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

II. Bewertungsumstände Gemäß § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen.

2.3721

1. Umfang der Sache Da es im Rahmen von § 48 Abs. 2 GKG primär um die Bestimmung der Gerichtsgebühren geht, ist der Umfang der Sache aus Sicht des Gerichts zu bewerten.3 Hier können Umstände wie Umfang der Akten und ggf. Beiakten, Zahl und Umfang der erforderlichen Termine sowie der Schwierigkeitsgrad der Sache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht4 eine Rolle spielen.

2.3722

Entscheidend für die Beurteilung, ob der Umfang und die Bedeutung der Sache eine Herabsetzung des Streitwerts rechtfertigen kann, soll nach dem OLG Schleswig5 der Zeitpunkt der Klageerhebung sein. Das erscheint jedoch problematisch, da sich zumindest der Umfang der Sache erst später erkennen lässt. Da gerade im Bereich der nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten mangels Wertangabe im Regelfall mit einer vorläufigen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG gearbeitet werden muss, können die im Laufe des Verfahrens festgestellten Umstände zum Umfang der Sache dann bei der endgültigen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG berücksichtigt werden.

2.3723

Bei der Klagerücknahme ist darauf abzustellen, welchen Umfang die Sache im Falle ihrer Durchführung nach dem im Zeitpunkt der Rücknahme gegebenen Sach- und Streitgegenstand angenommen hätte.6

2.3724

2. Bedeutung der Sache Die Streitwertbemessung hat bei der Frage der Bedeutung der Sache nur an die Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung anzuknüpfen. Denn nur dies entspricht dem im Klageantrag zum Ausdruck gekommenen Interesse. Die Frage, ob sich aus der gerichtlichen Entscheidung Folgewirkun1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.1.1975 – 1 W 1/75, NJW 1975, 1791; OLG Schleswig, JurBüro 1977, 836. 2 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71 = VersR 1976, 740; OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1590; OLG Celle, JurBüro 1976, 797; OLG Düsseldorf v. 7.10.1985 – 10 WF 177/85, AnwBl. 1986, 250. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.1992 – 29 W 109/92, JurBüro 1994, 364; OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 899; OLG Koblenz, JurBüro 1975, 1092. 5 OLG Schleswig, NJW 1958, 1733. 6 KG, JurBüro 1973, 53.

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2. Teil

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

ZPO

gen – etwa in wirtschaftlicher Hinsicht – ergeben, kann allenfalls insofern noch beachtlich sein, als sie Erkenntniswert für die Bedeutung der Entscheidung hat.

2.3726 Ob das Verfahren dagegen allgemeines Interesse erregt oder für andere Streitigkeiten vorgreiflich ist, spielt bei der Bestimmung des Streitwerts keine Rolle. Keine Partei kann verpflichtet werden, über eine Streitwerterhöhung mit ihrem Geld die Befriedigung des Allgemeininteresses oder die Entbehrlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen anderer Streitigkeiten zu finanzieren.

2.3727 Der Begriff „Bedeutung der Sache“ ist also dahingehend auszulegen, dass er diejenige Bedeutung umfasst, die der Rechtsstreit ausweislich des Klageantrags für den Kläger hat. Das Interesse des Beklagten oder der Allgemeinheit ist nicht wertbestimmend.1 3. Vermögens- und Einkommensverhältnisse

2.3728 Bei Bewertung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, die vom Gericht im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens herangezogen werden können, ist problematisch, inwiefern das Gericht eigene Ermittlungen anstellen muss.

2.3729 Das OLG München2 hat auf die Streitwertfestsetzung das Beweislastprinzip angewandt mit der Folge, dass das Gericht an die Parteiangaben zu den Vermögensverhältnissen grundsätzlich gebunden ist und keine eigenen Recherchen anzustellen hat. Noch weiter ist das OLG Köln3 gegangen, das die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien lediglich für Streitigkeiten in Familiensachen als Bewertungsumstand akzeptiert hat, nicht jedoch für sonstige nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Dem kann in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zugestimmt werden: Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 2 GKG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien ausdrücklich als einen Umstand aufgeführt, der bei der Wertbestimmung berücksichtigt werden soll. Es mag zutreffen, dass dieses Kriterium bei bestimmten nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ungeeignet ist, um das Interesse der Parteien sachgerecht zu erfassen – beispielsweise spielen bei einem Streit um die Umbettung einer Leiche oder die Beisetzung in einer bestimmten Grabstätte die Vermögensverhältnisse von Kläger und Beklagten sicherlich keine Rolle. Dies sollte jedoch immer eine Frage des Einzelfalls bleiben.

2.3730 Der Streitwert kann bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten nur für beide Parteien einheitlich festgesetzt und deshalb nicht durch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich einer Partei beeinflusst werden.4 4. Einzelfälle

2.3731 Den Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, ein Anwalt habe Mandantengelder i.H.v. (umgerechnet) 6.000 t veruntreut, hat das OLG Schleswig5 mit (umgerechnet) 10.000 t bemessen.

2.3732 Das LG Oldenburg bewertet eine ehrenschutzrechtliche Unterlassungsklage im Regelfall mit (umgerechnet) 3.000 t und eine Klage auf Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung mit (umgerechnet) 4.500 t.6

1 2 3 4 5 6

OLG Köln, JurBüro 1980, 577. OLG München, JurBüro 1979, 1543. OLG Köln, JurBüro 1980, 577. OVG NW, DÖV 1957, 483. OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316. LG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.1995 – 5 T 1310/94, JurBüro 1995, 369.

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Nießbrauch

2. Teil

Das OLG Köln1 hat in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung den erstinstanzlich 2.3733 mit (umgerechnet) 50.000 t angesetzten Streit über eine verbale Auseinandersetzung in einer Kneipe auf (umgerechnet) 1.500 t herabgesetzt. Den Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses aus einem Verein hat das OLG Köln2 mit (umge- 2.3734 rechnet) 500 t, das OLG Koblenz3 mit (umgerechnet) 2.000 t bewertet.4 Die immer wieder zu beobachtenden hohen Wertansätze bei belanglosen Vereinsstreitigkeiten mögen sich teilweise dadurch erklären, dass die Gerichte auf diese Weise die Kostenlast vergrößern, um die Betroffenen davon abzuhalten, ihre Querelen in einem Zivilprozess auszutragen. Bei einer Klage wegen Anfechtung einer Delegiertenwahl hat das KG5 den vom LG angenommenen Streitwert i.H.v. (umgerechnet) 10.000 t im Beschwerdeverfahren auf (umgerechnet) 2.000 t herabgesetzt.

2.3735

C. Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert Die Streitwerte zur Bestimmung der Zuständigkeit (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) und zur Zulässigkeit der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) werden bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten gem. § 3 ZPO bestimmt. Bei dieser Schätzung kann auf die oben dargestellten Grundsätze zurückgegriffen werden.

2.3736

Nichtzulassungsbeschwerde Nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Revision nur statt, wenn sie durch das Berufungsgericht im Berufungsurteil zugelassen wurde. Unterbleibt eine solche Zulassung, kann der Zugang zum Revisionsverfahren bei einer Beschwer von mehr als 20.000 t durch die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, § 544 ZPO) erwirkt werden. Für deren Berechnung ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abzustellen.6

2.3737

Der Gebührenstreitwert der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gem. § 47 Abs. 3 Alt. 2 GKG nach dem Streitwert, der für das Rechtsmittelverfahren maßgeblich ist. Hinsichtlich der Einzelheiten kann daher auf das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff. verwiesen werden.

2.3738

Nießbrauch A. Einleitung Nach § 1030 Abs. 1 BGB kann eine Sache – bzw. nach § 1068 BGB ein Recht – in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache (des Rechts) zu ziehen. Ein solches Nutzungsrecht bezeichnet man als Nießbrauch. 1 2 3 4 5 6

OLG Köln, KostRsp. GKG a.F. § 14C Nr. 69. OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153 – Eilverfahren. OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 12 Nr. 139 – Idealverein. Vgl. dazu bei dem Stichwort „Ausschließung“, Rz. 2.530. KG, KostRsp. GKG § 12 Nr. 88 m. Anm. Schneider. BGH, Beschl. v. 30.4.2020 – VII ZR 151/19; BGH, Beschl. v. 8.2.2000 – VI ZR 283/99, MDR 2000, 599; BGH, Beschl. 6.10.1977 – II ZR 4/77, MDR 1978, 210.

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2. Teil

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Nießbrauch

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B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Einräumung (Bestellung) 2.3740 Beim Nießbrauch handelt es sich um ein Recht auf fortdauernde und ununterbrochene Nutzung einer Sache oder eines Rechts, nicht um einen Anspruch auf wiederkehrende Nutzungen oder um eine Grunddienstbarkeit, so dass § 7 ZPO oder § 9 ZPO1 auf die Bestimmung des Streitwerts keine Anwendung finden können. Vielmehr ist die Klage auf Einräumung eines Nießbrauchs nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.2

2.3741 Dabei stellt sich die Frage, anhand welcher Umstände das Schätzungsermessen auszuüben ist. Auszugehen ist vom jährlichen Rohertrag. Davon sind die öffentlichen Lasten und die Erhaltungskosten abzuziehen.3 Hypotheken- und Grundschuldzinsen hingegen bleiben unberücksichtigt.4 Der verbleibende Reinertrag ist in Anlehnung an § 52 Abs. 4 GNotKG zu vervielfachen.5

2.3742 Wird auf einem Grundstück, das mit einem Nießbrauch belastet werden soll, ein Gewerbe betrieben und soll nach der Sachdarstellung des Klägers mit der Einräumung des Nießbrauchs das Fortbestehen des Gewerbebetriebes gesichert werden, so wird sein wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung maßgeblich von dem Unternehmensertrag bestimmt, den er in Zukunft zu erwirtschaften erhofft. Für die Beurteilung des künftigen Ertrags aus einem Gewerbebetrieb bietet das in der Vergangenheit erzielte Ergebnis einen wichtigen Anhaltspunkt, denn derjenige, der durch die Einräumung eines Nießbrauchs die Grundlage für den Fortbestand seines Unternehmens schaffen möchte, wird das vernünftigerweise nur tun, wenn er begründete Hoffnung hat, das Unternehmen auf der bisherigen Ertragslage zu halten. Für die Streitwertbemessung kann im Einzelfall eine durchschnittliche Jahresentnahme für einen gewissen Zeitraum im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers zugrunde zu legen sein.6

2.3743 Ebenso sind § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf die Bewertung eines Sicherungsnießbrauchs anzuwenden.7 Bei ihm darf jedoch als Richtlinie nicht die Vorschrift des § 52 Abs. 4 GNotKG herangezogen werden.8

II. Erfüllung 2.3744 Der Streitwert für die Klage auf Erfüllung der dem Nießbraucher zustehenden Ansprüche bestimmt sich nach dem Klageantrag. Es sind ebenfalls § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden, sofern nicht eine konkrete Leistung begehrt wird (Herausgabe, Forderung), die unter § 6 ZPO fällt. Dann aber ist der Streitwert nach dem Reinertrag abzüglich der Unkosten für die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs maßgeblich.

1 So aber OLG Schleswig, SchlHA 1961, 329; Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 852. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 403; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 649; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265; OLG Celle OLGR Celle 1999, 330. 3 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413. 4 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; a.A. Hillach/Rohs, § 45 A, S. 217 u.a. unter Berufung auf OLG Frankfurt, MDR 1962, 742. 5 OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265. 6 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 403. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 1236 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 702 m. Anm. Schneider. 8 Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 702 (noch zu § 24 Abs. 2 KostO a.F.).

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2. Teil

Ist an einem Grundstück ein Nießbrauch bestellt (vgl. § 1031 BGB), so bemisst sich der Streitwert für die Klage auf Herausgabe dieses Grundstücks an den Nießbraucher (vgl. § 1035 BGB) nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG. Er entspricht dem objektiven Verkehrswert des Grundstücks.1 Belastungen sind nicht in Abzug zu bringen, es sei denn, sie beeinträchtigen die wirtschaftliche Benutzung des Grundstücks und beeinflussen damit den Wert des Grundstücks selbst.2 Wird die Herausgabe eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks verlangt, ist der Nießbrauch (deswegen) nicht als Belastung abzuziehen.3

2.3745

Ist der Nießbrauch als ein einem Miet- oder Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis ausgestaltet und verlangt der Eigentümer das Grundstück nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses wieder heraus, so kann für den Gebührenstreitwert § 41 Abs. 2 GKG anwendbar sein.4

2.3746

IV. Löschung Der Wert des Antrags auf Löschung eines Nießbrauchrechts ist gleich dem Wert dieses Nießbrauch- 2.3747 rechts. Dieser ist wiederum nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.5 Dabei kann man von dem Reinertrag des Nießbrauchs abzüglich der im Laufe der voraussichtlichen Dauer anfallenden Unkosten ausgehen. Mangels anderer Anhaltspunkte bestehen keine Bedenken, die Höhe des Wertes in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO6 oder auch des § 52 Abs. 4 GNotKG zu ermitteln.

2.3748

Der Streitwert einer Klage auf Löschung eines nicht mehr existenten Nießbrauchrechts bemisst sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an einem obsiegenden Urteil. Es besteht bei der Löschung eines bloßen Buchrechtes, dem keinerlei materielle Rechtswirkung mehr zukommt, ausschließlich in der Herstellung des Übereinstimmens von Grundbuch und wahrer Rechtslage.7

2.3749

Notanwalt A. Allgemeines Findet eine Partei für ein gerichtliches Verfahren, für das Anwaltszwang besteht, keinen zur Vertre- 2.3750 tung bereiten Anwalt, kann sie nach § 78b ZPO die Bestellung eines sog. Notanwalts beantragen. Diese kommt zudem in Betracht, wenn eine zunächst anwaltlich vertretene Partei ihren Anwalt ohne

1 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406. 2 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518. 3 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518. 4 OLG Köln, Beschl. v. 11.4.1981 – 2 W 27/81, MDR 1981, 767 = WuM 1985, 125; a.A. OLG Schleswig, SchlHA 1986, 46, das auch in diesen Fällen § 3 ZPO anwendet. 5 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 422; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Nießbrauch“ Rz. 2 m.w.N.; a.A. Toussaint/Elzer, KostR, § 3 ZPO Stichwort „Nießbrauch“: § 6 ZPO ist anzuwenden. 6 OLG Frankfurt, MDR 1962, 742. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 360: Es wurden (umgerechnet) 600 t angenommen.

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ZPO

III. Herausgabe

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ZPO

2. Teil

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Notanwalt

eigenes Verschulden infolge einer Mandatsniederlegung verliert1 Unterbleibt die Beiordnung, steht der Partei hiergegen die Beschwerde nach § 78b Abs. 2 ZPO offen. Für das Verfahren besteht kein Anwaltszwang. Wird ein Anwalt vom Gericht als Notanwalt beigeordnet (§ 78b Abs. 1 ZPO), können sowohl die Partei als auch der beigeordnete Anwalt dagegen sofortige Beschwerde einlegen (§ 78c Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Anwalt kann darüber hinaus sofortige Beschwerde einlegen, wenn sein Aufhebungsantrag (§ 48 Abs. 2 BRAO) abgelehnt wird (§ 78c Abs. 3 Satz 2 ZPO).

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.3751 Zuständig für das Beiordnungsverfahren ist das Prozessgericht, also das Gericht, bei dem Rechtsstreit anhängig ist oder anhängig werden soll.2 Maßgeblich ist im letztgenannten Fall der Streitwert der beabsichtigten Rechtsverfolgung und damit in der Regel der gem. §§ 3 ff. ZPO zu ermittelnde Wert der Hauptsache. Für die Beiordnung eines Anwalts zur Einlegung einer Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision ist das Rechtsmittelgericht zuständig.

C. Gebührenstreitwert 2.3752 Wertabhängige Gerichtsgebühren fallen – auch in einem Beschwerdeverfahren – nicht an, so dass eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht in Betracht kommt, dennoch aber immer wieder fehlerhafterweise vorgenommen wird.3

2.3753 Lediglich für die Berechnung der Anwaltsgebühren ist der Gegenstandswert von Bedeutung, da sich die Gebühren eines Anwalts, der in solchen Verfahren beteiligt ist, nach dem Gegenstandswert berechnen (§ 2 Abs. 1 RVG). Allerdings wird eine anwaltliche Vertretung im Verfahren auf Bestellung eines Notanwalts oder im Beschwerdeverfahren kaum vorkommen. Wenn die Partei einen Anwalt gefunden hat, der ihr den Antrag stellt bzw. die Beschwerde führt, dann hat sie in der Regel auch einen Anwalt gefunden, der die Hauptsache führt. Naheliegend ist jedoch eine Antragstellung durch den zweitinstanzlichen Bevollmächtigten auf Bestellung eines Notanwalts für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision.4

2.3754 Sofern ein Gegenstandswert festzusetzen ist, ist die ältere Rechtsprechung davon ausgegangen, es gelte der volle Wert der Hauptsache, da die Partei ohne Anwalt anderenfalls nicht in der Lage sei, ihr Begehren durchzusetzen; es sei daher entsprechend den Grundsätzen über die Ablehnung von Richtern der Wert der Hauptsache anzusetzen.5 Das OLG München6 hat demgegenüber nur ein Drittel des Hauptsachewerts angenommen und dies damit begründet, dass es im Verfahren auf Bestellung des Notanwalts nicht um die Hauptsache gehe und mit der Bestellung eines Notanwalts in der Hauptsache noch nichts erreicht sei. Die Bestellung eines Anwalts sei nur Vorstufe, um die Rechte überhaupt geltend machen zu können. Hierbei wird übersehen, dass in Verfahren, in denen Anwaltszwang besteht, mit der Bestellung oder Ablehnung eines Notanwalts das Verfahren „steht und fällt“. Wird kein Notanwalt beigeordnet, dann kann die Partei das Verfahren nicht führen und ihre vermeintlichen Rechte nicht durchsetzen.

1 BGH, Beschl. v. 16.9.2015 – V ZR 81/15, MDR 2016, 47; BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – III ZR 122/13, MDR 2014, 613 = WM 2014, 425. 2 BVerwG v. 20.11.2012 – 4 AV 2/12, NJW 2013, 711. 3 So zuletzt OLG München, Beschl. v. 20.8.2001 – 1 W 2066/01, MDR 2002, 724 m. Anm. N. Schneider. 4 Siehe beispielsweise BGH, Beschl. v. 2.2.2017 – IX ZR 113/16, ZInsO 2017, 968. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 18.11.1976 – 5 W 15/76, JurBüro 1977, 91; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.4.1977 – 12 W 164/77, JurBüro 1977, 1001. 6 OLG München, Beschl. v. 20.8.2001 – 1 W 2066/01, MDR 2002, 724 m. Anm. N. Schneider.

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2. Teil

Vor dem Hintergrund des zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG eingeführten § 23a RVG wird man zumindest heute wohl den vollen Hauptsachewert annehmen müssen. Wenn schon in Verfahren auf Beiordnung eines Anwalts im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe der volle Wert der Hauptsache gilt – und das auch, wenn in der Hauptsache kein Anwaltszwang besteht1 – dann muss erst Recht in Verfahren, in denen die Beiordnung eines Anwalts erforderlich ist, der volle Hauptsachewert gelten.

2.3755

ZPO

Notwegrecht

D. Rechtsmittel Wertabhängige Gerichtsgebühren fallen im Beschwerdeverfahren nicht.

2.3756

Für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist zu unterscheiden. Wendet sich Antragsteller gegen die Ablehnung der Beiordnung, dann bleibt es beim Hauptsachewert, arg. § 23a Abs. 1 RVG.2

2.3757

Anders dürfte es im Falle der Beschwerde des beigeordneten Anwalt liegen, etwa bei einer Beiord- 2.3758 nung gegen den Wunsch einer Partei3 oder wenn Hinderungsgründe nach § 45 BRAO vorliegen, sowie – in entsprechender Anwendung von § 78c Abs. 3 Satz 2 ZPO – bei einer Aufhebung ohne Antrag und gegen den Willen des Anwaltes.4 Hier ist für den Gegenstandswert auf das Kosteninteresse des Anwalts abzustellen, der Höhe nach begrenzt durch den Wert der Hauptsache.5

Notwegrecht A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Einräumung eines Notwegrechts Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert für den Anspruch auf Einräumung eines Notwegrechts (= Duldung der Schaffung eines Notwegs) gem. § 917 Abs. 1 BGB ist entsprechend § 7 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG festzusetzen.6 Für das Interesse des Klägers ist die Wertsteigerung seines Grundstücks durch die Gewährung des Notwegrechts maßgebend.7 Die Wertminderung des Grundstücks des Beklagten durch das Notwegrecht ist gem. § 7 Fall 2 ZPO maßgeblich, wenn sie größer ist als die Wertsteigerung des klägerischen Grundstücks.8

2.3759

Die Wertsteigerung ist nicht nach den Kosten für Herstellung und Unterhaltung des Notwegs zzgl. 2.3760 der dreieinhalbfachen Notwegrente zu bestimmen; denn weder an dem einen noch an dem anderen hat der Kläger ein Interesse.9 Hat ein Sachverständiger eine Ersatzlösung geprüft und deren voraus1 So schon vor Einführung des § 23a RVG der BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 = AGS 2010, 549 = FamRB 2011, 9. 2 BGH, FGPrax 2010, 321 – PKH. 3 RGZ 35, 369. 4 OLG Hamm, NJW 1949, 517; OLG Naumburg v. 6.4.2005 – 8 WF 19/05, OLGR Naumburg 2005, 644. 5 Vgl. BGH, FGPrax 2010, 321. 6 BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZR 21/17; BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461. 7 BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZR 21/17; BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.3.2019 – 5 U 75/18. 8 OLG Jena, Beschl. v. 20.10.1998 – 3 W 626/98, JurBüro 1999, 196; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.6.1988 – S 98/87, JurBüro 1988, 52. 9 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2013 – 3 W 25/12; OLG Köln, Beschl. v. 23.8.2010 – 2 W 58/10, JurBüro 2011, 262 f.; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2009 – 5 W 666/09, JurBüro 2010, 199 f.; OLG Dresden, Beschl. v. 24.4.2002 – 11 W 149/02.

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2. Teil

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Novation

ZPO

sichtliche Kosten berechnet, so liegt das Interesse des Klägers wohl nicht unter diesen Kosten, weil er bei Verneinung eines Notwegrechts zumindest die Ausgaben für diese Ersatzlösung aufzuwenden hat.1

II. Zahlung einer Notwegrente 2.3761 Die Notwegrente ist nach § 917 Abs. 2 Satz 2, § 913 Abs. 2 BGB jährlich im Voraus zu entrichten und der Dauer nach unbegrenzt. Der Streitwert einer Klage auf Zahlung einer Notwegrente ist daher gem. § 9 Satz 1 ZPO mit deren dreieinhalbfachem Jahresbetrag zu bemessen.2

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.3762 Die Beschwer des mit der Klage auf Schaffung eines Notwegs unterlegenen Klägers bemisst sich nach dem Wert, den das begehrte Notwegrecht für sein Grundstück hat und nicht nach den Herstellungskosten oder der zu zahlenden Notwegrente.3

2.3763 Die Beschwer des zur Duldung eines Notwegs verurteilten Beklagten wiederum richtet sich nach der Wertminderung, die sein Grundstück durch das Notwegrecht erleidet.4 Die Notwegrente bleibt dabei außer Betracht.5

Novation 2.3764 Nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG werden Zinsen, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bei der Berechnung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes nicht berücksichtigt. Eine Ausnahme gilt nach § 43 Abs. 2 GKG, wenn die Zinsen ohne den Hauptanspruch betroffen sind,6 oder wenn sie durch Novation (Schuldumschaffung) Teil der Hauptforderung werden.

2.3765 So liegt es, wenn Hauptsumme und Zinsen durch abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB noviert und als Gesamtsumme ausgewiesen werden.7 Ein bloß deklaratorisches Schuldanerkenntnis nimmt dem Zinsanspruch indessen nicht die Eigenschaft als Nebenforderung.

2.3766 Zinsen verlieren beim Kontokorrent ihre Eigenschaft als Nebenforderung, wenn sie jeweils im anerkannten Rechnungsabschluss dem Saldo hinzugerechnet und mit diesem in die neue Rechnungsperiode übernommen werden.8 Durch die Anerkennung des Saldos gehen die darin enthaltenen Einzelforderungen unter und werden durch den Anspruch auf den Saldo ersetzt.9 Die ab dem Tag des Rechnungsabschlusses neu entstehenden Zinsen sind dann wieder Nebenforderungen.10

1 RG, Urt. v. 24.3.1906 – V 409/05, RGZ 63, 100; offengelassen BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – V ZR 14/16. 2 Zöller/Herget, § 9 ZPO Rz. 4; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 ZPO Rz. 102. 3 BGH, Beschl. v. 7.7.2016 – V ZR 11/16, NJW-RR 2017, 209. 4 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; BGH, Beschl. v. 30.6.2016 – V ZR 260/15. 5 BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZR 52/13, MDR 2014, 461; BGH, Beschl. v. 30.6.2016 – V ZR 260/15. 6 Vgl. hierzu die Stichwörter „Zinsen“, Rz. 2.6309 sowie „Darlehen“, Rz. 2.854. 7 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97, JurBüro 1999, 197. 8 OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32. 9 BGH, Urt. v. 28.6.1968 – I ZR 156/66, BGHZ 50, 277. 10 RG, Urt. v. 3.11.1893 – II 160/93, RGZ 32, 377.

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Nutzungen

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2. Teil

ZPO

Nutzungen A. Zuständigkeitsstreitwert Nutzungen (§ 100 BGB), die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO wertmäßig außer Ansatz. Nebenforderungen sind sie dann, wenn sie zu dem gleichzeitig eingeklagten Hauptanspruch in einem objektiven Abhängigkeitsverhältnis stehen. Das Bestehen der Nebenforderung muss durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt sein.1

2.3767

Werden Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht, wird also nur auf Zahlung von 2.3768 Nutzungen geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsregeln. Werden laufende Nutzungen als wiederkehrende Leistung nach §§ 258 ff. ZPO geltend gemacht, gilt § 9 ZPO. Maßgebend ist der Betrag der zukünftigen Nutzungen, höchstens jedoch der 3 1/2-fache Jahresbetrag.

2.3769

Keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB bei weiterer Benutzung einer Mietwohnung nach Kündigung.

2.3770

Ebenso keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach Beschädigung oder Zerstörung eines Kraftfahrzeugs (s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175).

2.3771

Siehe zu weiteren Einzelheiten das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

2.3772

B. Gebührenstreitwert Soweit Nutzungen als Nebenforderungen geltend gemacht werden, wird ihr Wert gem. § 43 Abs. 1 GKG dem Wert der Hauptsache nicht hinzugerechnet.

2.3773

Werden Nutzungen neben der Hauptforderung geltend gemacht, entstehen aber aus den Nutzungen gesonderte Gebühren, was wohl nur bei den Anwaltsgebühren vorkommen dürfte, dann ist insoweit der Wert der Nutzungen nach § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen, wobei ihr Wert den Wert der Hauptsache nicht übersteigen darf.

2.3774

Soweit Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht werden, ist ihr Wert nach allgemeinen Grundsätzen festzusetzen. Die Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG greift in diesem Falle nicht; der Gebührenstreitwert kann daher auch den Wert der nicht anhängigen Hauptforderung überschreiten.

2.3775

Siehe zu weiteren Einzelheiten auch hier das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526.

2.3776

C. Beschwer Der Wert der Beschwer folgt den gleichen Grundsätzen, die für den Zuständigkeitsstreitwert gelten. Als Nebenforderung bleiben sie außer Ansatz; ansonsten sind sie wertbestimmend.

1 Vgl. RGZ 55, 82; RG, JW 1909, 691 Nr. 21; RG, Warneyer 1909 Nr. 163.

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2. Teil

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Öffentliche Zustellung

ZPO

Öffentliche Zustellung 2.3778 Ist der Aufenthaltsort einer Person unbekannt, eine Zustellung an einen Vertreter nicht möglich oder eine Zustellung im Ausland nicht erfolgversprechend, kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, § 185 ZPO. Gegen die Ablehnung einer dahingehenden prozessleitenden Beschlussfassung ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

2.3779 Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich gem. § 3 ZPO mit einem – zwischen 1/10 und 1/5 liegenden – Bruchteil des Hauptsachewertes.1 Denn die Versagung der öffentlichen Zustellung hindert den Antragsteller nicht dauerhaft daran, zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen, sondern macht die Zustellung nur von weiteren Voraussetzungen, regelmäßig weiteren Nachforschungen über den Verbleib des Zustellungsadressaten abhängig.2 Gleiches gilt im Falle der Ablehnung, einen auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel gerichteten Antrag sowie den umgeschriebenen Vollstreckungstitels öffentlich zuzustellen.3

2.3780 Die Rechtslage entspricht daher den Fällen, in denen es um die vorbereitenden prozessualen Maßnahmen zur Titelschaffung geht, etwa der Auskunftsstufe bei der Stufenklage oder der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung bei der Vollstreckungsklage (s. hierzu die Stichwörter „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 und „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100).

Örtliche Zuständigkeit 2.3781 Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1078.

Ordnungsmittel Literatur: N. Schneider, Streitwert in Zwangs- und Ordnungsgeldverfahren, NJW 2019, 24. A. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.3782

II. Zwangsgeld (§ 888 ZPO) . . . . . . . . . . . 2.3794

B. Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . 2.3783

D. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . 2.3797

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3784

II. Beschwerden des Gläubigers . . . . . . . . 2.3801

I. 1. 2. 3.

Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3785 Vertretung des Gläubigers . . . . . . . . . . 2.3787 Vertretung des Schuldners . . . . . . . . . . 2.3793

I. Beschwerden des Schuldners . . . . . . . . 2.3798 III. Beschwerden des Sachverständigen . . . 2.3802 IV. Beschwerden des Zeugen . . . . . . . . . . . 2.3804

1 LAG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – 1 Ta 606/10: 1/10; OLG Braunschweig, Beschl. 11.1.2008 – 3 W 73/07, NJW-RR 2008, 1523: 1/10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.1999 – 5 W 4/99, MDR 1999, 1402; OLG Naumburg, Beschl. v. 15.5.2001 – 14 W 58/01: 1/5; a.A. LG Leipzig, Beschl. v. 3.1.2007 – 16 T 1119/06, JurBüro 2007, 268: 1/2. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.1999 – 5 W 4/99, MDR 1999, 1402; OLG Naumburg, Beschl. v. 15.5.2001 – 14 W 58/01; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Öffentliche Zustellung“. 3 Vgl. LG Leipzig, Beschl. v. 30.4.2015 – 8 T 208/15, JurBüro 2016, 274: 500 t.

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Ordnungsmittel

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2. Teil

Für Anträge auf Zwangs- und Ordnungsgeld oder -haft gegen einen Schuldner nach §§ 888, 890 2.3782 ZPO braucht man keine Zuständigkeitsstreitwerte zu bestimmen. Dienen diese Mittel dazu, eine Eidesstattliche Versicherung nach bürgerlichem Recht zu erzwingen, ist nach § 889 ZPO das AG ausschließlich zuständig. Ansonsten ist gem. § 888 Abs. 1 Satz 1, § 890 Abs. 1 Satz 1, § 802 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs ausschließlich zuständig.

B. Gebührenstreitwert Von Amts wegen darf kein Streitwert festgesetzt werden, da die Gerichtsgebühren streitwertunabhängige Festgebühren sind.1 Im ersten Rechtszug fällt eine Festgebühr nach Nr. 2111 KV GKG an. Für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren werden Festgebühren nach Nr. 2121 KV GKG und Nr. 2124 KV GKG erhoben. Die Kosten der Zwangshaft erfasst Nr. 9010 KV GKG.

2.3783

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren (Nr. 3309 VV RVG) wird nach § 25 RVG bestimmt. Dabei sind die verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen zu unterscheiden:

2.3784

I. Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) 1. Allgemeines Jede Verurteilung zu einem Ordnungsgeld gem. § 890 Abs. 1 ZPO ist eine besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 14 RVG. Mehrere Anträge auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen denselben Schuldner sind in einem einheitlichen Beschluss zu bescheiden, so dass auch nur ein einheitlicher Gegenstandswert festzusetzen ist.2 Auch bei fortgesetzten Zuwiderhandlungen, für die nur ein einziges Ordnungsmittel verhängt wurde, findet keine Zusammenrechnung statt, weil nur eine Verurteilung vorliegt.3 Verhängt das Gericht dagegen in verschiedenen Verfahren Ordnungsmittel wegen mehrfacher Verstöße, entstehen so viele Gebühren, wie es Verfahren gegeben hat.

2.3785

Keine besondere Angelegenheit ist dagegen die vorausgehende Androhung (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 RVG), die sowohl für den mit dem Erkenntnisverfahren als auch für den mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Anwalt bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG bzw. Nr. 3309 VV RVG abgegolten ist.4 Anderes gilt nur, wenn ein Anwalt ausschließlich beauftragt wird, eine (isolierte) Androhung zu erwirken.5 Das dürfte aber praktisch nur selten vorkommen.

2.3786

2. Vertretung des Gläubigers Nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwir- 2.3787 kende Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Wie man diesen Wert bestimmt, ist streitig.

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, MDR 2019, 61. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 11.5.1979 – 4 W 35/79, JurBüro 1979, 1166. 3 OLG München, Beschl. v. 30.7.1969 – 11 W 571/69, NJW 1970, 60; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.9.1981 – 20 W 646/81, JurBüro 1982, 245; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.1992 – 8 W 175/92, JurBüro 1993, 96. 4 OLG München, Beschl. v. 3.6.2015 – 29 W 885/15. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 8.5.2014 – 4 W 81/13.

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ZPO

A. Zuständigkeitsstreitwert

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2. Teil

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Ordnungsmittel

ZPO

2.3788 – Nach einer Meinung entspricht das Gläubigerinteresse in der Regel dem Erfüllungsinteresse und damit dem vollen Wert der Hauptsache1 oder, bei Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, dem vollen Wert des Verfügungsverfahrens.2

2.3789 – Nach anderer Auffassung ist das Interesse nur mit einem Bruchteil des Streitwertes in der Hauptsache zu bewerten.3 Zumeist wird 1/3 angesetzt.4

2.3790 – Eine dritte Ansicht5 will das Interesse des Gläubigers entsprechend den Umständen des Einzelfalls wie folgt bestimmen: Zunächst sei von der im Antrag enthaltenen Bezifferung des Ordnungsgeldes6 auszugehen, falls sich dessen Höhe durch die Angaben des Gläubigers zu den befürchteten eigenen Nachteilen aus den Verstößen gegen den Unterlassungstitel rechtfertige. Teilweise wird wiederum das beantragte Ordnungsgeld als Mindestbetrag des Gegenstandswertes angesehen.7

2.3791 Zutreffend ist die erste Auffassung. Welchen Wert die zu erwirkende Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, ist bereits im Erkenntnisverfahren als Streitwert des entsprechenden Duldungsoder Unterlassungsantrages ermittelt worden. Es gibt keinen Grund, das Interesse im Vollstreckungsverfahren plötzlich anders zu bewerten als vorher im Erkenntnisverfahren, zumal § 25 Abs. 1 RVG dem Gericht – anders als § 25 Abs. 2 RVG – bei der Wertfestsetzung kein Ermessen einräumt.8 § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG beschreibt daher nichts anderes als den Wert der Hauptsache oder – bei der Vollziehung einstweiliger Verfügungen – den Streitwert des vorangegangenen Verfügungsverfahrens.9 Den geringeren Aufwand im Vollstreckungsverfahren hat der Gesetzgeber bereits durch niedrigere anwaltliche Gebührensätze berücksichtigt, so dass es auch in der Sache keiner zusätzlichen Verringerung der Gegenstandswerte bedarf.10

2.3792 Auch der Gegenstandswert der Androhung ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG mit dem Wert der Hauptsache zu beziffern.11 3. Vertretung des Schuldners

2.3793 In Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert nach § 25 Abs. 2 RVG zu bestimmen. Maßgeblich ist das Interesse des Schuldners, das sich aus dem konkreten Antrag und dem damit verfolgten Rechtsschutzziel unter Anwendung billigen Ermessens festlegen lässt. Abstrakte Gegenstandswerte lassen sich daher nicht angeben.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 23.6.2015 – 4 W 15/15; OLG Hamm, Beschl. v. 8.5.2014 – 4 W 81/13; OLG München, Beschl. v. 3.6.2015 – 29 W 885/15; LG Landau, Beschl. v. 17.9.2019 – 4 O 389/17. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2017 – 4 W 34/16, 4 W 35/16, MDR 2017, 809; N. Schneider, NJW 2019, 24, 26. 3 OLG München, Beschl. v. 10.3.2011 – 33 WF 430/11; OLG Celle, Beschl. v. 23.4.2009 – 13 W 33/09, JurBüro 2009, 441; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.8.2009 – 5 W 181/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2013 – 20 W 137/12. 4 OLG Celle, Beschl. v. 23.4.2009 – 13 W 33/09, JurBüro 2009, 441; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.8.2009 – 5 W 181/09. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 25 W 54/03; OLG Dresden, Beschl. v. 25.6.1999 – 14 W 1190/98, WRP 1999, 1204; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.10.1997 – 3 W 122/97. 6 OLG Celle, Beschl. v. 4.4.2014 – 4 W 55/14, MDR 2014, 1170. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2018 – 6 W 88/18, GRUR 2019, 216. 8 N. Schneider, NJW 2019, 24, 25. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2017 – 4 W 34/16, 4 W 35/16, MDR 2017, 809. 10 N. Schneider, NJW 2019, 24, 25. 11 OLG München, Beschl. v. 3.6.2015 – 29 W 885/15; OLG Hamm, Beschl. v. 8.5.2014 – 4 W 81/13.

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Ordnungsmittel

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2. Teil

Ein Verfahren zur Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen durch Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO ist anwaltsgebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 13 RVG.

2.3794

Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung für die Gläubiger hat. Umstritten ist auch hier, ob das Gläubigerinteresse an der Durchsetzung der Leistung regelmäßig dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen ist,1 oder ob nur ein Bruchteil des Hauptsachewerts2 oder die Höhe des beantragten Zwangsgeldes anzusetzen ist.3

2.3795

Auch hier ist die erste Auffassung zutreffend. Der Wert der zu erwirkenden Handlung für den Gläubi- 2.3796 ger wurde bereits bei der Feststellung des Streitwerts für seinen Klageantrag ermittelt. Es gibt keinen Grund, warum der Wert im Vollstreckungsverfahren anders angesetzt werden sollte als im Erkenntnisverfahren. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG beschreibt daher nichts anderes als den Wert der Hauptsache oder – bei der Vollziehung einstweiliger Verfügungen – den Streitwert des vorangegangenen Verfügungsverfahrens.4

D. Beschwerdeverfahren Vertritt der Anwalt den Gläubiger oder den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Androhung oder die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels, so bestimmt sich der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 2 RVG.5 Danach ist der Wert unter Berücksichtigung der Interessen des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2.3797

I. Beschwerden des Schuldners Wendet sich der Schuldner mit seiner Beschwerde gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes, so kann gem. § 23 Abs. 2, § 25 Abs. 2 RVG ein Bruchteil des im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes veranschlagt werden.6 Es werden dabei Werte zwischen 1/5 und 1/2 des drohenden Ordnungsgeldes angesetzt, weil es nur eine vorbereitende Maßnahme ist.7

2.3798

Die Beschwer des Schuldners durch die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsgeldes bestimmt die (wohl) herrschende Auffassung nach der Höhe des Ordnungs-/Zwangsgeldes, wenn der Schuldner sich gegen die Verhängung dem Grunde nach wendet.8 Nach anderer Auffassung entspricht der Gegen-

2.3799

1 OLG München, Beschl. v. 7.2.2018 – 13 W 101/18; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.10.2015 – 14 W 85/15; OLG Rostock, Beschl. v. 26.9.2008 – 1 W 82/08, AGS 2009, 187; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.1998 – 9 W 92/98, MDR 1999, 506; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262 m. Anm. Mock; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189. 2 KG, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 168/04, AGS 2005, 304; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.6.2001 – 16 WF 248/01; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.11.1992 – 5 WF 188/92, JurBüro 1993, 554; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.125. 3 OLG Celle, Beschl. v. 4.4.2014 – 4 W 55/14, MDR 2014, 1170. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2017 – 4 W 34/16, 4 W 35/16, MDR 2017, 809. 5 BT-Drucks. 15/1971, 195. 6 LAG Bremen, Beschl. v. 12.4.1989 – 4 Ta 16/89, MDR 1989, 672. 7 LAG Bremen, Beschl. v. 12.4.1989 – 4 Ta 16/89, MDR 1989, 672 (1/2); OLG München, Beschl. v. 18.6.1980 – 25 W 1260/80, MDR 1980, 1029 = ZSW 1981, 68 (1/5 bei der Androhung gegen den gerichtlichen Sachverständigen). 8 OLG Celle, Beschl. v. 4.4.2014 – 4 W 55/14, MDR 2014, 1170; OLG Celle Beschl. v. 1.4.2003 – 6 W 25/03; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.1.1977 – 2 W 85/76, MDR 1977, 676.

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II. Zwangsgeld (§ 888 ZPO)

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2. Teil

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Organe, Organmitglieder

standswert dem Interesse des Schuldners, die Handlung nicht ausführen zu müssen.1 Wendet sich der Schuldner allerdings nur gegen die Höhe des Ordnungs- oder Zwangsgeldes, entspricht sein Interesse dem Betrag, um die er das Zwangs-/Ordnungsgeld vermindert sehen möchte, weil sein Rechtsmittel darauf gerichtet ist, diese Differenz nicht zahlen zu müssen.2

2.3800 Wendet sich der Schuldner gegen eine Haftanordnung, ist vorrangig sein Interesse an der Aufhebung der Haft maßgebend.3

II. Beschwerden des Gläubigers 2.3801 Für Beschwerden des Gläubigers gegen die Ablehnung der beantragten Maßnahme ist gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG weiterhin dessen Interesse an der zu erzwingenden Handlung wertbestimmend.

III. Beschwerden des Sachverständigen 2.3802 Beschwert sich ein gerichtlich bestellter Sachverständiger gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO, kann als Gegenstandswert nach § 23 Abs. 2 RVG 1/5 des Höchstbetrages für Ordnungsgelder (jetzt 3.000 t gem. § 411 Abs. 2 Satz 4 ZPO) angesetzt werden, da es sich nur um eine vorbereitende Maßnahme handelt.4 Das OLG München hat sich dabei an die Quotierung des OLG Köln5 bei Beschwerden wegen einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 767, 769 ZPO gehalten.

2.3803 Der Wert einer Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes (§ 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO) bestimmt sich nach dessen Höhe, da der Sachverständige die Aufhebung dieser Beeinträchtigung anstrebt.

IV. Beschwerden des Zeugen 2.3804 Beschwert sich ein nicht erschienener Zeuge gegen das gegen ihn festgesetzte Ordnungsgeld, ist der Gegenstandswert für seinen Anwalt nach § 23 Abs. 2, § 25 Abs. 2 RVG mit dem Nennbetrag des festgesetzten Ordnungsmittels anzusetzen.

Organe, Organmitglieder A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3805 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vergütungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3806

II. Klagen wegen Abberufung/Kündigung 2.3808 1. Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3809 2. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3815 III. Klagen wegen Entlastung und Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3817

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.1996 – 5 W 18/96; OLG München, Beschl. v. 17.8.1983 – 25 W 1621/83, MDR 1983, 1029; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.1977 – 1 W 11/77, JurBüro 1977, 1148. 2 OLG Celle, Beschl. v. 1.4.2003 – 6 W 25/03; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.7.2003 – 3 W 111/03. 3 OLG Rostock, Beschl. v. 12.10.2005 – 6 W 53/05; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.8.2011 – 5 W 197/11. 4 OLG München, Beschl. v. 18.6.1980 – 25 W 1260/80, MDR 1980, 1029 = ZSW 1981, 68 (damals betrug der Höchstsatz 1.000 DM). 5 OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1975 – 2 W 137/75, VersR 1976, 975.

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Organe, Organmitglieder

2. Teil

3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3820

ZPO

1. Bezifferte Ersatzansprüche . . . . . . . . . . 2.3818 2. Unbezifferte Ersatzansprüche . . . . . . . 2.3819

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A. Allgemeines Juristische Personen handeln durch Organe, z.B. Geschäftsführer, Gesellschafter oder den Aufsichtsrat. Die Organe können aus einer Person (z.B. Alleingeschäftsführer) oder aus mehreren Personen (Aufsichtsratsmitglieder) bestehen. Zu unterscheiden ist bei der Streitwertbestimmung das Organverhältnis und das Anstellungsverhältnis.

2.3805

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vergütungsklagen Bei Vergütungsklagen der Organmitglieder (Ansprüche auf Gehalt oder Versorgungsbezüge aus dem Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag mit der juristischen Person) richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 9 ZPO. Danach ist der 3,5-fache Wert des einjährigen Bezuges zugrunde zu legen (§ 9 Satz 1 ZPO). Ist der Gesamtbetrag während der Dauer des Bezugsrechts geringer, ist auf diesen abzustellen (§ 9 Satz 2 ZPO).

2.3806

Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes für solche Klagen richtet sich dagegen nach § 3 ZPO, 2.3807 § 42 Abs. 1 GKG. Hierüber besteht mittlerweile, nachdem der BGH seine zuvor an § 9 ZPO orientierte Bewertung1 aufgegeben hat,2 besteht kein Streit mehr.3 Maßgebend ist demnach die dreifache Jahresvergütung soweit nicht der Gesamtbetrag der eingeklagten Vergütung geringer ist. Für die unmittelbare Anwendung der sozialpolitisch motivierten Bewertungsvorschrift spricht, dass der Geschäftsführer einer GmbH aus den wiederkehrenden Leistungen regelmäßig seinen Lebensunterhalt erzielt. Zudem erwächst seine Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht aus seiner Organstellung, die lediglich das Außenverhältnis betrifft, sondern beruht auf dem Anstellungsvertrag und damit dem Innenverhältnis.

II. Klagen wegen Abberufung/Kündigung Bei Klagen im Zusammenhang mit der Beendigung der Organstellung ist danach zu unterscheiden, 2.3808 worauf die Beendigung beruht.4 Das Erlöschen der körperschaftlichen Organstellung führt nicht ohne weiteres zur Beendigung des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags. Deshalb muss bei der Bestimmung des Streitwerts unterschieden werden zwischen der Klage auf Abwehr der Abberufung als Geschäftsführer und der Klage auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis nicht beendet worden ist, die einen voneinander abweichenden Wert haben. Werden beide Klagen miteinander verbunden, beispielsweise weil der Widerruf der Bestellung gleichzeitig oder in kurzer zeitlicher Folge von der Kündi-

1 BGH, Beschl. v. 17.8.2000 – II ZR 302/99; BGH, Beschl. v. 15.6.1978 – II ZR 120/77, BGHZ 12, 1. 2 BGH, Beschl. v. 4.11.2014 – II ZB 15/13, MDR 2015, 411 = ZIP 2015, 424; BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376. 3 Ebenso OLG Bamberg, JurBüro 1988, 227 – zu § 42 Abs. 3 GKG a.F.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2011 – 24 W 27/11; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.12.2013 – 20 U 5/13; OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13; zu § 41 Abs. 3 GKG a.F. noch nach „arbeitnehmerähnlicher Stellung“ differenzierend OLG Koblenz, Beschl. v. 17.9.1979 – 6 U 637/78, MDR 1980, 319; OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480. 4 Siehe dazu BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123.

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2. Teil

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Organe, Organmitglieder

ZPO

gung des Anstellungsvertrages begleitet wird,1 dann ist – da wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand (die Tätigkeit als Organ) betreffend – allein auf den höheren Wert abzustellen.2 1. Abberufung

2.3809 Bei Klagen gegen die Abberufung als Geschäftsführer erfolgt die Streitwertbestimmung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei die Interessen beider Parteien zu berücksichtigten sind.3 Während es dem Kläger um den (Rück)Erhalt seiner mit der Organstellung verbundenen Lenkungs- und Leitungsmacht des beklagten Unternehmens geht, ist auch das gegenteilige Interesse des Beklagten, den Kläger von der Geschäftsführung fern zu halten, in Ansatz zu bringen.4 Ist der Kläger zugleich Gesellschafter des Unternehmens, dann stellt der wirtschaftliche Wert seines Geschäftsanteils die Obergrenze für die Wertbemessung dar, da seine Abberufung als Geschäftsführer nicht schwerer wiegt als seine Ausschließung.5

2.3810 Dies ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Streitwertbemessung das Interesse des Beklagten am Prozessausgang nicht zu berücksichtigen ist. Die Ausnahme ist in Anlehnung an den Grundgedanken des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG zu rechtfertigen, wonach der Streitwert im Anfechtungsprozess unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für beide Parteien festzusetzen ist.

2.3811 Die Ermäßigungsregelung in § 247 Abs. 2 AktG ist auf einen Gesellschafterbeschluss, durch den ein Geschäftsführer abberufen wird, jedoch nicht anwendbar.6

2.3812 Das Gehaltsinteresse des Abberufenen und etwaige Ansprüche der Gesellschaft aus der Abberufung sind als bloß mittelbare Folge dagegen unbeachtlich. Sie betreffen nicht die organschaftliche Stellung, sondern den Dienstvertrag aus dem Innenverhältnis. Anderenfalls würde es bei einer gesonderten gerichtlichen Geltendmachung dieser Gehaltsansprüche insoweit auch zu einer unangebrachten Verdopplung des Streitwertes kommen.7

2.3813 Die aufgezeigten Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn der Streit darum geht, ob das abberufene Organmitglied überhaupt wirksam bestellt worden ist.8

2.3814 Die Vorschrift des § 42 Abs. 2 GKG ist im Verfahren vor den allgemeinen Zivilgerichten auch dann nicht anwendbar, wenn das Verfahren von einem Arbeitsgericht verwiesen wurde.9 2. Kündigung

2.3815 Nur dann, wenn auch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses (Kündigung des Dienstvertrags) und damit der Verlust der daraus abgeleiteten Gehaltsansprüche angegriffen wird, ist § 9 ZPO 1 BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, MDR 1990, 28 = WM 1989, 1246. 2 Im Ergebnis auch BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZR 297/15; BGH, Beschl. v. 21.5.2013 – II ZR 110/12. 3 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502; BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123. 4 BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II ZR 127/10, NZG 2011, 911; BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, MDR 2009, 815, AGS 2009, 346; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502; zustimmend OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.8.2012 – 14 W 8/12. 5 BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II ZR 127/10, NZG 2011, 911; BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, MDR 2009, 815; zustimmend OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.8.2012 – 14 W 8/12, JurBüro 2013, 307. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 829 = NJW 1968, 2112. 7 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123. 8 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 9 KG, Beschl. v. 21.6.1996 – 5 W 2444/96, NJW-RR 1997, 543; KG, Beschl. v. 13.2.1986 – IX ZR 114/85, NJW-RR 1986, 676; OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13; BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376.

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Organe, Organmitglieder

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2. Teil

Bei einer auf Feststellung des Fortbestehens oder der Unwirksamkeit der Kündigung des Dienstver- 2.3816 hältnisses eines Vorstandsmitglieds gerichteten Klage, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO, denn § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG erfasst, von der Klage auf Feststellung der Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung abgesehen,3 nur die Leistungsklage. Regelmäßig kommt eine mittelbare Anwendung in Betracht.4 Ist dem anderen Vertragsteil dagegen bereits vor Ablauf von 3 Jahren eine ordentliche Kündigung möglich, ist auf den bis dahin verbleibenden Zeitraum abzustellen. Im Einzelfall, insbesondere bei geringer Vergütung, kann die sozialpolitisch motivierte Streitwertbegrenzung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG zu beachten sein.5 Die Beschwer bemisst sich dagegen nach § 9 ZPO.

III. Klagen wegen Entlastung und Pflichtverletzungen Der Wert für Streitigkeiten betreffend die Entlastung von Organen und Organmitgliedern einer Gesell- 2.3817 schaft ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Bemessung des Streitwerts einer negativen Feststellungsklage gelten. Nach überwiegender Auffassung ist die Klage auf Entlastungserteilung keine Leistungs-, sondern eine negative Feststellungsklage, da die Entlastung wie ein Verzicht auf Ersatzansprüche oder wie das Anerkenntnis des Nichtbestehens derartiger Ansprüche gegen das Organ bzw. Organmitglied wirkt. 1. Bezifferte Ersatzansprüche Macht die Gesellschaft bereits konkrete Ansprüche geltend, kommt als Streitwert des Anspruchs auf Entlastungserteilung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG derjenige Wert in Betracht, der dem Interesse des Klägers an der Feststellung entspricht, dass er aus Anlass seiner Tätigkeit nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Maßgebend ist deshalb der bezifferte Betrag der drohenden Inanspruchnahme.6

2.3818

2. Unbezifferte Ersatzansprüche Werden von der Gesellschaft unbezifferte Ersatzansprüche gegen das Organ oder Organmitglied geltend gemacht, dann ist auf deren voraussichtliche Höhe abzustellen, also auf die Berühmung. Notfalls ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, welche Ansprüche sich auf der Grundlage des Vorbringens der Gesellschaft, das der Kläger der negativen Feststellungsklage darzulegen hat, ergeben können.7 Insoweit entspricht die Bewertungssituation derjenigen der Bestimmung des Leistungsantrages in der Auskunftsstufe der Stufenklage.8 1 BGH, Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, GmbHR 1994, 244 – Beschwer richtet sich nach dem Vergütungsinteresse. 2 BGH v. 4.11.2014 – II ZB 15/13, MDR 2015, 411 = ZIP 2015, 424; BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376. 3 BGH, Beschl. v. 10.5.2016 – II ZR 82/15; OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13, NZG 2014, 586. 4 BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2011 – 24 W 27/11; OLG Rostock, Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13, NZG 2014, 586; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.12.2013 – 20 U 5/13. 5 OLG Rostock, Beschl. v. 11.12.2003 – 6 U 210/02, OLG-NL 2005, 90; offenlassend in Beschl. v. 7.2.2014 – 1 W 88/13. 6 KG, JurBüro 1962, 281. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.8.2012 – 14 W 8/12, JurBüro 2013, 307. 8 Vgl. dazu das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598.

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für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bzw. die Beschwer anwendbar1 und § 42 Abs. 1 GKG für die Gebührenberechnung.2

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2. Teil

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Pacht

ZPO

3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses

2.3820 Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Vorstands angefochten, ist der Streitwert nach § 247 Abs. 1 AktG zu bestimmen. Es sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.1

Pacht A. Anzuwendende Vorschriften 2.3821 Ebenso wie im BGB der Pachtvertrag in Anlehnung an den Mietvertrag geregelt ist (§ 581 Abs. 2 BGB), verhält es sich im Streitwertrecht. Die Sondervorschrift des § 41 GKG behandelt die Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnisse gemeinsam. Einer Unterscheidung zwischen Miet- und Pachtverhältnissen bedarf es im Einzelfall nur, als sich daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

2.3822 Dies ist für den Zuständigkeitsstreitwert und die Rechtsmittelbeschwer nicht der Fall.2 Beide berechnen sich nach Maßgabe der §§ 3 ff. ZPO, insbesondere der §§ 8 und 9 ZPO.3 Dieser Gleichlauf besteht – mit Ausnahme der allein die Wohnraummiete betreffenden Regelungen – auch beim Gebührenstreitwert, der sich vorrangig nach § 41 GKG richtet.

2.3823 Daher wird für die Bewertung pachtrechtlicher Streitigkeiten zunächst auf die Ausführungen zum Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 verwiesen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung einzelner spezifisch pachtrechtlicher Fragestellungen.

B. Rechtsprechungs-ABC Stichwortübersicht Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3824 Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3825 Erhöhung des Pachtzinses . . . . . . . . . . . . . . 2.3828 Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3832 Kiesausbeutevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3833

Kleingärten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pachtzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3834 2.3835 2.3441 2.3448

Betriebspflicht

2.3824 Die Streitwert einer Klage des Verpächters auf Aufrechterhaltung des Pachtbetriebes bemisst sich nach dessen Interesse an der Einhaltung der Betriebspflicht und entspricht regelmäßig dem Interesse des Verpächters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Räumlichkeiten des Gewerbe-

1 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620; vgl. auch das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130. 2 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064. 3 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 – landwirtschaftliches Grundstück; BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91 – Jagdpachtvertrag; BGH, Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, NJW-RR 1992, 190; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (lW) 117/06 – Beschwer bei Räumungsklage gegen Pächter.

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2. Teil

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Pacht

ZPO

3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses

2.3820 Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Vorstands angefochten, ist der Streitwert nach § 247 Abs. 1 AktG zu bestimmen. Es sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.1

Pacht A. Anzuwendende Vorschriften 2.3821 Ebenso wie im BGB der Pachtvertrag in Anlehnung an den Mietvertrag geregelt ist (§ 581 Abs. 2 BGB), verhält es sich im Streitwertrecht. Die Sondervorschrift des § 41 GKG behandelt die Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnisse gemeinsam. Einer Unterscheidung zwischen Miet- und Pachtverhältnissen bedarf es im Einzelfall nur, als sich daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

2.3822 Dies ist für den Zuständigkeitsstreitwert und die Rechtsmittelbeschwer nicht der Fall.2 Beide berechnen sich nach Maßgabe der §§ 3 ff. ZPO, insbesondere der §§ 8 und 9 ZPO.3 Dieser Gleichlauf besteht – mit Ausnahme der allein die Wohnraummiete betreffenden Regelungen – auch beim Gebührenstreitwert, der sich vorrangig nach § 41 GKG richtet.

2.3823 Daher wird für die Bewertung pachtrechtlicher Streitigkeiten zunächst auf die Ausführungen zum Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 verwiesen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung einzelner spezifisch pachtrechtlicher Fragestellungen.

B. Rechtsprechungs-ABC Stichwortübersicht Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3824 Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3825 Erhöhung des Pachtzinses . . . . . . . . . . . . . . 2.3828 Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3832 Kiesausbeutevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3833

Kleingärten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pachtzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3834 2.3835 2.3441 2.3448

Betriebspflicht

2.3824 Die Streitwert einer Klage des Verpächters auf Aufrechterhaltung des Pachtbetriebes bemisst sich nach dessen Interesse an der Einhaltung der Betriebspflicht und entspricht regelmäßig dem Interesse des Verpächters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Räumlichkeiten des Gewerbe-

1 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620; vgl. auch das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130. 2 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064. 3 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 – landwirtschaftliches Grundstück; BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91 – Jagdpachtvertrag; BGH, Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, NJW-RR 1992, 190; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (lW) 117/06 – Beschwer bei Räumungsklage gegen Pächter.

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2. Teil

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objekts. Für dessen Bewertung kann regelmäßig auf die Jahresbetrag der mit dem Beklagten vereinbarten Pacht abgestellt werden.1 Dritter Sind am Rechtsstreit allein die Parteien des Pachtverhältnisses beteiligt, gelten für den Streitwert je nach Streitgegenstand die §§ 3 ff. ZPO, § 41 GKG. Problematischer ist die Wertbestimmung, wenn Dritte beteiligt sind, etwa weil sich die Klage einer Pachtvertragspartei gegen einen Dritten richtet, die Pächter bzw. Verpächter von einem Dritten verklagt werden oder der Bestand des Pachtverhältnisses Gegenstand eines Rechtsstreits einer Vertragspartei mit einem Dritten ist. Im Grundsatz gilt bei einer Drittbeteiligung, dass weder § 8 ZPO noch § 41 GKG unmittelbar zur Anwendung gelangen. Denn beide Vorschriften setzen einen Streit zwischen den am Pachtverhältnis beteiligten Parteien voraus, da auf die Klage eines Dritten diesen gegenüber nicht rechtskräftig über den Bestand oder die (Fort-)Dauer des Pachtverhältnisses entschieden werden kann.

2.3825

Daher bestimmen sich bei der Klage eines Dritten gegen den Verpächter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pachtvertrages Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer nicht nach § 8 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse dieses Dritten an der Unwirksamkeit des Vertrages.2 Dies gilt auch für den Gebührenstreitwert, da hier § 41 GKG aus den gleichen Gründen nicht anwendbar ist.3

2.3826

Klagt der Pächter gegen einen Dritten auf Unterlassung von Besitzstörungen oder ein Dritter gegen einen Mieter auf Feststellung, dass ein Miet- oder Pachtverhältnis nicht bestehe, ist jeweils gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse maßgebend.4 Ebenso liegt es, wenn Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit mit einem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrages klagen.5

2.3827

Erhöhung des Pachtzinses Ist das Klagebegehren des Verpächters auf Zustimmung zur Pachtzinserhöhung gerichtet, gelangt 2.3828 § 41 Abs. 5 GKG nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift nur für die Wohnraummiete gilt. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. § 9 ZPO, § 48 GKG nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Erhöhungsdifferenz, soweit die verbleibende Dauer des Pachtverhältnisses nicht geringer ist.6 Der Gesetzgeber hat die Neufassung des GKG durch das KostRMoG 2004 nicht zum Anlass genommen, die in § 16 Abs. 5 GKG a.F. (jetzt § 41 Abs. 5 GKG) enthaltene Beschränkung auf Wohnraummietverhältnisse aufzuheben. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Lücke.7 Dass dessen sozialer Schutzzweck auch eine Erstreckung auf kleine Gewerbetreibende und Unternehmen rechtfertigen könnte, vermag über den klaren Wortlaut nicht hinweg zu helfen.

1 KG, Beschl. v. 7.3.2006 –8 W 2/06, KGReport Berlin 2006, 459 = ZMR 2006, 611 – Shopping- und Bürocenter. 2 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99; Rpfleger 1955, 101; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.3.2012 – 4 U 182/11, RdL 2012, 287. 3 BGH, Beschl. v. 21.10.1995 – V ZR 160/54, LM Nr. 10 GKG § 10 GKG. 4 BGH, Beschl. v. 10.2.1983 – III ZR 64/82. 5 BGH, Beschl. v. 21.10.1995 – V ZR 160/54, LM Nr. 10 zu § 10 GKG – Beschwer. 6 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.8.1982 – 4 W 14/82, AnwBl. 1982, 486; ebenso für die Klage auf Erhöhung der Gewerbemiete: OLG Bamberg, Beschl. v. 8.12.1983 – 3 W 110/83, JurBüro 1984, 254 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697 = JurBüro 1994, 117; KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.6.1995 – 4 W 26/95, WuM 1995, 595; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.1983 – 11 W 2/83, AnwBl. 1983, 174. 7 KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354 – Miete.

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2.3829 Einer Bemessung nach § 3 ZPO steht entgegen, dass § 9 ZPO als speziellere Norm vorgeht.1 Denn mit dem Streit über die Zustimmung zur Erhöhung der Miete sind wiederkehrende Leistungen aus einem in seinem Umfang streitigen Stammrecht betroffen. Dass mit § 9 ZPO nicht die Rechtslage bei Mieterhöhungsklagen geregelt sein sollte und dieser zudem nur über § 48 Abs. 1 GKG zur Anwendung gelangt, rechtfertigt (spätestens) seit dem KostRMoG 2004 keine abweichende Beurteilung mehr. Die gegen eine Anwendung des § 9 ZPO im Hinblick auf die erhebliche Wertdifferenz zu § 41 GKG erhobenen Bedenken sind bereits mit der Neufassung und Beschränkung auf den 3,5-fachen Jahresbetrag durch das RPflEntlG 1993 überholt.2

2.3830 Bei einer Gestaltungsklage, z.B. auf Neufestsetzung des Pachtzinses, ist die Wertbemessung derjenigen bei der positiven Feststellungsklage anzupassen. Daher ist der Streitwert grundsätzlich niedriger als bei einer entsprechenden Leistungsklage.3 Fortsetzungsverlangen

2.3831 Streitigkeiten über die Fortsetzung des Pachtvertrages (§ 595 BGB) sind nach § 41 Abs. 1 GKG zu bewerten. Das gilt entsprechend für Anträge auf gerichtliche Anordnung der Verlängerung eines Landpachtverhältnisses.4 Inventar

2.3832 Für den Anspruch des Verpächters, der Pächter habe die Entfernung von Inventar zu unterlassen, ist das Interesse des Verpächters am Verbleib der Inventarstücke auf dem Pachtgrundstück maßgebend. Für eine Bewertung nach § 6 ZPO ist kein Raum, weil der Streit nicht um den Besitz oder das Eigentum, sondern nur um den Verbleib der Sache geht. Es muss deshalb nach §§ 3 ff. ZPO geschätzt werden, wobei von dem Schaden auszugehen ist, der dem Verpächter droht, wenn das Inventar entfernt wird. Kiesausbeutevertrag

2.3833 Ein Vertrag, durch den einer Partei das Recht eingeräumt worden ist, das Sand- und Kiesvorkommen auf einem Grundstück auszubeuten, ist rechtlich ein Pachtvertrag. Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Rechtswirksamkeit eines solchen Vertrages ist gem. § 41 Abs. 1 GKG festzusetzen. Der Pachtzins besteht aus dem für jeden abbauwürdigen Kubikmeter an den Verpächter zu zahlenden Entgelt. Ein Abzug dafür, dass es sich um eine positive Feststellungsklage handelt, ist nicht zu machen.5 Kleingärten

2.3834 Auf Verträge, die (in der DDR) zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung geschlossen worden sind, finden gem. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG bzw. § 4 Abs. 1 BKleingG die Bestimmungen des BGB über die Miete oder Pacht bzw. der Pacht Anwendung, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht etwas Abweichendes bestimmt. Ist der Bestand oder die Dauer des Nutzungsvertrages streitig, richten sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer nach § 8 ZPO. Beruft sich der Nutzungsberechtigte darauf, dass der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei, gelangt (für die Bestimmung der streitigen Zeit) § 9 ZPO zur Anwendung.6

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rz. 35. 3 LG Lübeck, SchlHA 1956, 266. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.7.2019 – 101 W 4/1. 5 OLG Stuttgart, Justiz 1972, 204. 6 BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15, MDR 2016, 122; BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355; BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, ZMR 2005, 933.

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2. Teil

Der für die Wertberechnung zugrunde zu legende Pachtzins errechnet sich nach dem Geldwert der vom Nutzungsberechtigten für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Maßgebend ist das vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Betrag, der nach Auffassung einer Partei angemessen wäre oder ortsüblich ist.1 Hierbei ist die Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG auch für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts heranzuziehen. Danach umfasst das Entgelt neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten nur noch dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden. Bei Entgelten in wechselnder Höhe ist der höchste Jahresbetrag maßgebend.2

2.3835

Zum Nettogrundentgelt zählen neben dem in Geld oder Naturalien zu erbringenden Pacht- oder Mietzins alle weiteren vertraglich vereinbarten Neben- oder Sonderleistungen des Pächters, es sei denn, diese werden im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen oder vom Pächter selbst abgerechnet.3 Hierzu gehören etwa Zahlungen für die Errichtung (Baukostenzuschüsse), Unterhaltung oder Instandsetzung der Pachtsache4 sowie die halben Landwirtschaftskammerbeiträge, aber nicht die Berufsgenossenschaftsbeiträge.5 Ferner ist eine vertraglich vereinbarte Waldwildschadenspauschale zu berücksichtigen.6

2.3836

Ein laufend zu entrichtender Betrag, der als Abgeltung für die Gestattung der Errichtung einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu bezahlen ist und sich nach einem Prozentsatz des steuerlichen Reingewinns errechnet, gilt für den Streitwert ebenfalls als Pachtzins,7 desgleichen eine Entschädigung für die Nutzung des Inventars,8 beispielsweise für das nach Benutzungsstunden berechnete Nutzungsentgelt einer Kegelbahn, die der Pächter von seinen Gästen erhebt.9

2.3837

Ist der Wert der Neben- oder Sonderleistungen im Pachtvertrag nicht beziffert, sondern nur mittelbar über einen deshalb reduzierten Pachtzins berücksichtigt, bedarf es der Schätzung.10

2.3838

Nicht ansatzfähig bleiben weiterhin diejenigen Nebenleistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden, etwa Zahlungen aufgrund vom Verpächter erworbener Einrichtungsgegenstände. Auch Leistungen, die vom Pächter gegenüber einem Dritten abgerechnet werden, sind nicht hinzuzurechnen.11

2.3839

1 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204; BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198. 2 OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2020 – 4 U 66/19. 3 BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, NJW-RR 1999, 1385. 4 BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204; BGHZ 18, 168; OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512; krit. OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, MDR 1996, 859. 5 OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172; a.A. BGH, NJW 1962, 446. 7 LG Wuppertal, MDR 1953, 499 Nr. 377. 8 OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.11.1990 – 1 W 120/90, ZMR 1991, 142. 9 LG Essen, JurBüro 1972, 897. 10 BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204 – zur Miete. 11 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, NJW-RR 1999, 1385 – Beschwer; BGH, Beschl. v. 14.7.1955 – V ZR 38/55, BGHZ 18, 168.

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Pachtzins

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2. Teil

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ZPO

2.3840 Für die Bemessung der Beschwer bleiben die mit der Räumung verbundenen Kosten des Herausgabeschuldners, von ihm nutzlos aufgewandte Investitionen1 und Kosten der Anpachtung einer Ersatzsache2 bereits nach dem Wortlaut von § 8 ZPO bei der Wertfestsetzung außer Betracht. Räumung

2.3841 Der Streitwert einer Räumungsklage gegen den Pächter oder gegen den Unterpächter ist unter Zugrundelegung des einjährigen Nutzungsentgeltes und nicht nach dem Verkehrswert des Grundstückes zu berechnen.3 Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer nach Beendigung des Pachtverhältnisses unmittelbar gegen den Unterpächter auf Räumung klagt.4 Die neben der Räumung begehrte Entfernung von Einrichtungen (Zaun, Möbel etc.) bleibt als bloß mittelbare Belastung, die zudem keines besonderen Vollstreckungstitels bedarf, unberücksichtigt.5 Selbständiges Beweisverfahren

2.3842 Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens ist in pachtrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig der Zustand des Nutzungsobjekts im Hinblick auf erforderliche (und zur Minderung berechtigende) Instandsetzungsmaßnahmen des Verpächters oder Schadensersatzverpflichtungen des Pächters. Weitgehende Einigkeit besteht, dass sich der Gegenstandswert des Beweisverfahrens nach dem eines möglichen Hauptsacheverfahrens richtet. Streitig ist hingegen, ob eine Bruchteilsbewertung geboten ist oder nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503 verwiesen.

2.3843 Geht es um die Beweissicherung des Pächters wegen bestehender Mängel, ist der Gegenstandswert auf Grundlage des Instandsetzungsanspruchs und damit gem. § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung zu bestimmen.6 Eine kürzere restliche Vertragsdauer ist entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 2 GKG wertmäßig zu berücksichtigen.7 Daneben geltend gemachte Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrechte oder bereits aufgelaufene Pachtrückstände bleiben aufgrund wirtschaftlicher Identität mit dem Instandhaltungsanspruch wertmäßig unberücksichtigt.8 Beruft sich der Antragsteller dagegen auf einen ihm zustehenden Vorschuss- bzw. Erstattungsanspruch, bestimmt sich der Gegenstandswert nach den angenommenen Kosten der Ersatzvornahme, d.h. der Mängelbeseitigung.9 Vergleich

2.3844 Die Vorschrift des § 41 GKG ist auch auf die vergleichsweise Auflösung eines Pachtverhältnisses anwendbar und schließt für die Gebührenberechnung den § 8 ZPO aus.10 Die Streitwertvergünstigung des § 41 GKG gilt jedoch nur im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien.

1 BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757; BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739. 2 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739 = NZM 2000, 1227. 3 LG Mannheim, MDR 1964, 1016. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (Lw) 117/06; KG, Rpfleger 1962, 118. 5 BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15, MDR 2016, 122; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.2011 – 4 U 101/11 Lw. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pacht; zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJW-RR 1997, 652 – gem. § 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 – Pachtverhältnis. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 4 W 12/09, OLGR 2009, 707. 9 Vgl. LG Bonn, Beschl. v. 1.2.2008 – 6 T 396/07, AGS 2009, 82. 10 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 1213.

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Patent

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2. Teil

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Patent Literatur: Rojahn/Lunze, Die Streitwertfestsetzung im Patentrecht – ein Mysterium?, MittdtschPatAnw 2011, 533.

A. Zuständigkeitsstreitwert Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu bestimmen. Die LG sind nach § 143 Abs. 1 PatG für Streitsachen sachlich ausschließlich zuständig. Nach § 81 Abs. 4 PatG ist das BPatG für Nichtigkeitsklagen ausschließlich zuständig.

2.3845

B. Gebührenstreitwert Der Gebührenstreitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen bestimmt. Inhaltlich entspricht die Vorschrift in der Sache § 3 ZPO.1 Das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt den Wert.2

2.3846

Dessen Wertangaben bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) binden das Gericht nicht,3 indizieren aber den Wert des wirklich im Streit stehenden Interesses.4 Das gilt erst recht bei übereinstimmenden Wertangaben der Parteien.5 Dennoch darf das Gericht diese Werte nicht unbesehen übernehmen, sondern muss sie selbständig prüfen. Maßstab sind dabei die objektiven Gegebenheiten, die Erfahrung des Gerichts und die Wertfestsetzung in gleichartigen oder ähnlichen Fällen.6 Insbesondere wenn Parteien übereinstimmend ihre Wertangaben bewusst niedrig halten und (vorsätzlich) die Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, muss das Gericht einen höheren Wert festsetzen.7

2.3847

1. Auskunft Klagen auf Auskunft nach § 140b PatG und Besichtigung nach § 140c PatG dienen dazu, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen vorzubereiten. Ihr Streitwert ist daher mit einem Bruchteil von 1/5 bis 1/4 des Wertes des vorbereiteten Anspruchs zu bemessen.8

2.3848

Wenn für eine Auskunftsklage Verkehrsdaten i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG erlangt werden müssen, bedarf es einer vorherigen gerichtlichen Anordnung. Für dieses Vorschaltverfahren ist nach § 140b Abs. 9 Satz 2 PatG streitwertunabhängig das LG zuständig. Für die Gerichtskosten wird eine Festgebühr nach

2.3849

1 2 3 4

5 6 7 8

BT-Drucks. 13/9971, 44; BT-Drucks. 15/1971, 154. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.8.1987 – 3 W 91/87, JurBüro 1987, 1831. BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; BGH, Urt. v. 24.4.1985 – I ZR 130/84, GRUR 1986, 93; OLG Celle, Urt. v. 2.8.2012 – 13 U 4/12, WRP 2012, 1427; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1980 – 6 W 127/80, WRP 1981, 221. BGH, Beschl. v. 8.10.2012 – X ZR 110/11, MDR 2012, 1429; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2014 – 2 U 27/13; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.11.1954 – 6 W 510/54, GRUR 1955, 450.

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2. Teil

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Patent

Nr. 15213 KV GNotKG erhoben. Ein Gegenstandswert ist daher nur für die Anwaltsgebühren zu bestimmen. Es ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Bruchwert des Wertes der Ansprüche anzusetzen, deren Geltendmachung vorbereitet wird. Wenn keine besonderen tatsächlichen Umstände Anhalt für eine höhere oder niedrigere Festsetzung geben, liegt dem Vorschaltverfahren der Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG von 5.000 t zugrunde.1 2. Unterlassung

2.3850 Bei Unterlassungsklagen gibt es keine Regelstreitwerte.2 Das Interesse des Klägers an der Unterlassung bewertet man anhand seiner Nachteile, wenn der Beklagte das Patent weiterhin verletzt. Diesen Wert des Unterlassungsanspruchs kann man regelmäßig nur pauschalierend prognostizieren.3 In die Prognose bezieht man die Bedeutung des patentgeschützten Gegenstands, die verbleibende Schutzdauer und die Einschätzung ein, wieweit der Verletzer den Wert des Patents in Zukunft gefährdet.4 Welche Verletzungen zukünftig zu erwarten sind, ist anhand des Umfangs der bereits begangenen Verletzungen, Art und Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit, vorhandenen betriebliche Einrichtungen und Handelsbeziehungen, personeller Ausstattung und Finanzkraft sowohl des Schutzrechtsinhabers als auch des Verletzers zu schätzen.5 Subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers, wie etwa sein Verschuldensgrad, können ebenfalls Rückschlüsse auf die ihm ausgehende Gefahr zulassen.6 Insbesondere bei Streitigkeiten über die Berechtigung zur Herstellung eines Automodells, welche regelmäßig hohe Entwicklungs- und Investitionskosten bedingt, ist der Umsatz Ausgangspunkt der Bewertung.7 Das OLG Düsseldorf sieht als Untergrenze des Streitwertes den Wert der Lizenzgebühren an, die dem Kläger mutmaßlich zustünden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Klagepatents fortgesetzt werden.8 Diese Auffassung trifft zu. § 139 Abs. 3 Satz 2 PatG sieht das als zulässige Methode zur Berechnung des Schadens vor.

2.3851 Es beeinflusst den Streitwert nicht, wenn das Patent während eines Unterlassungsprozesses wegen des Ablaufs der gesetzlichen Schutzdauer wirkungslos wird, weil sich der Unterlassungsanspruch mit dem Ablauf in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, für dessen Bemessung der gesamte Zeitraum bis zum Ablauf des Patents berücksichtigt werden muss.9

2.3852 Bei Unterlassungsklagen wegen Patentverletzungen kann man die zu berücksichtigende Zeit, in der in Zukunft ohne die Klageerhebung mit weiteren Patentverletzungen zu rechnen wäre, nicht stets mit der Dauer des Patentschutzes gleichsetzen. Ist auf dem technischen Gebiet, für das das Patent erteilt ist, mit neuen Erfindungen zu rechnen, infolge derer der Beklagte die Patentverletzung nach kürzerer oder längerer Zeit von selbst einstellt, kann nach freier Schätzung je nach den Umständen des Falles von (nur) 2 bis 5 Jahren ausgegangen werden.10

1 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16; OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159; OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10 (jeweils zum Vorschaltverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG). 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 (zum Markenrecht). 3 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.1950 – 2 W 74/50, GRUR 1950, 2 W 74/50; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184 (zum Gebrauchsmuster und Design). 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.1950 – 2 W 74/50, GRUR 1950, 2 W 74/50; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184 (zum Gebrauchsmuster und Design). 6 BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184. 7 OLG München, Beschl. 4.12.1956 – 6 W 1721/56, GRUR 1957, 148. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 W 15/11, CR 2012, 98. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08; Kühnen, GRUR 2009, 288, 293. 10 OLG Frankfurt, JurBüro 1954, 373.

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Patent

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2. Teil

Bei Klagen auf Übertragung eines Patents ist maßgeblich, in welchem geographischen Ausmaß der Kläger das Patent auswerten will, insbesondere, ob dies auch im Ausland geschehen soll.1

2.3853

Bei einem Streit um die Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents ist wertmindernd zu berücksichtigen, wenn die Patenterteilung als solche ungewiss ist. Es handelt sich dann nur um eine Erwartung, der ausschließlich im Falle der Erteilung des nachgesuchten Patents ein effektiver Wert zukommen kann. Dessen Höhe hängt wiederum von der zu erwartenden wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Patents ab. Nahezu wertlos ist der Anspruch, wenn die Erteilung des Patents bereits vorläufig abgelehnt worden ist.2

2.3854

4. Nichtigkeit Der Streitwert in Patentnichtigkeitsverfahren (§ 81 PatG) ist gem. § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG nach § 51 Abs. 1 GKG zu bewerten und richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents.3 Es entspricht in der Regel dem gemeinen Wert des Patents bei Erhebung der Klage oder – in der Berufungsinstanz – bei Einlegung der Berufung zzgl. des Betrages der bis dahin entstandenen Schadensersatzansprüche.4 Anhaltspunkt für den gemeinen Wert sind die erzielbaren Lizenzgebühren für die Restlaufzeit des Patents.5 Dennoch ist der Streitwert des Berufungsverfahren nicht allein deswegen niedriger als der der ersten Instanz, weil seither Zeit verstrichen und die Schutzdauer daher kürzer geworden ist.6

2.3855

Die Klagesumme einer zugleich anhängigen bezifferten Patentverletzungsschadensersatzklage ist bei Bestimmung des Wertes des Patentnichtigkeitsverfahrens regelmäßig in voller Höhe zu berücksichtigen zzgl. eines Aufschlages von 25 % für den Wert der Eigennutzung.7 Zwar sind die Schadensersatzansprüche nicht Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens. Die bezifferte Schadensersatzforderung ist aber der einzige substantielle Anhaltspunkt für die Wertbestimmung. Die Schadensersatzforderung ist der Mindestbetrag des Klägerinteresses im Nichtigkeitsverfahren, weil ihr mit der erstrebten Vernichtung des Streitpatents die Grundlage entzogen wäre.8

2.3856

Wird nach teilweiser Nichtigerklärung des Patents in erster Instanz lediglich Berufung mit dem Ziel einer weitergehenden Nichterklärung geführt, geht nur das durch die Berufungsanträge umschriebene Klageziel (also die vollständige statt der teilweisen Nichtigerklärung) in den Berufungsstreitwert mit ein.9

2.3857

Im patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren fallen Festgebühren an. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen nach den für die Wertbestimmung in Patentnichtigkeitssachen maßgeblichen Grundsätzen zu bestimmen, wenn

2.3858

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217. OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 127. BGH, Beschl. v. 11.10.1956 – I ZR 28/55, NJW 1957, 144; BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00. BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, MDR 2009, 1363; BGH, Beschl. v. 7.11.2006 – X ZR 138/04, GRUR 2007, 175; BGH, Beschl. v. 17.12.1963 – I ZR 146/59, Mitt. 1963, 60. BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00 (EU). BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – X ZR 89/14. BGH, Beschl. v. 16.2.2016 – X ZR 110/13; BGH, Beschl. v. 12.4.2011 – X ZR 28/09, GRUR 2011, 757; BPatG, Beschl. v. 22.3.2017 – 4 Ni 45/17 (EP). BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, MDR 2009, 1363. BGH, Beschl. v. 12.7.2005 – X ZR 56/04, WRP 2005, 1182.

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3. Übertragung

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2. Teil

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Persönliche Dienstbarkeit, beschränkte

genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des gemeinen Werts des Patents vorliegen.1 Andernfalls ist der Wert in Verfahren der Anmelderbeschwerde regelmäßig mit 50.000 t zu bemessen; im Einspruchsverfahren ist das höhere Allgemeininteresse in der Regel durch einen Aufschlag in Höhe 25.000 t pro Einsprechendem zu berücksichtigen.2

2.3859 Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Patenterteilungs-Beschwerdeverfahren erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie in Patentnichtigkeitsverfahren, so dass der gemeine Wert des erstrebten Patents maßgeblich ist.3 5. Streitwertbegünstigung

2.3860 Gemäß § 51 Abs. 5 GKG, § 144 PatG kann eine Streitwertbegünstigung gewährt werden. Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1858 ff. nach.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.3861 Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Patentverletzers entspricht regelmäßig dem korrespondierenden Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche, weil deren wirtschaftliche Bedeutung den wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.4

Persönliche Dienstbarkeit, beschränkte 2.3862 Siehe das Stichwort „Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB)“, Rz. 2.915 ff.

Pfändung A. Streitigkeiten um Pfandrechte im Erkenntnisverfahren I. Allgemeines 2.3863 Grundregel für den Zuständigkeitsstreitwert bei Streitigkeiten um ein Pfandrecht ist § 6 ZPO, wonach der Betrag der gesicherten Forderung oder der Wert des Pfandgegenstands maßgebend ist, wenn er geringer ist. Ob das streitgegenständliche Pfandrecht auf Vertrag, Gesetz oder Pfändung beruht, ist unerheblich.

2.3864 Der Gebührenstreitwert dieser Verfahren stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein. Er gilt gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG zudem für die Anwaltsgebühren. Die Sonderregel des § 25 RVG ist im Erkenntnisverfahren nicht anwendbar, sondern nur, wenn der Anwalt im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig wird.

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 27.3.2018 – X ZB 3/15, MDR 2018, 828. BGH, Beschl. v. 27.3.2018 – X ZB 3/15, MDR 2018, 828. BPatG, Beschl. v. 16.6.1964 – 17 W 56/63, NJW 1964, 2371. BGH, Urt. v. 13.11.2013 – X ZR 171/12, MDR 2014, 184.

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Pfändung

2. Teil

2.3865

Nach § 6 ZPO werden bewertet: Pfands,1

ZPO

– Klagen auf Herausgabe eines

– Streitigkeiten, ob ein Pfandrecht besteht, erloschen ist oder aufgehoben werden muss2 und – Klagen des Eigentümers auf Feststellung der Pfandrechtsfreiheit.3 Wird das Pfandrecht einredeweise – beispielsweise gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers – geltend gemacht, dann entsteht dadurch ein Streit um das Pfandrecht, und es ist § 6 ZPO anzuwenden.4

2.3866

§ 6 ZPO ist auch anwendbar, wenn noch kein Pfandrecht besteht, sondern erst bestellt werden soll. Dann ist jedoch nur die zu sichernde Forderung wertbestimmend und § 6 Satz 2 ZPO unanwendbar. Auch Klagen auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO5 oder auf Freistellung von einer Verpfändung6 sind nach § 6 ZPO zu bewerten.

2.3867

Analog anwendbar ist § 6 ZPO auf die Geltendmachung der Rechte auf Aussonderung und abgesonderte Befriedigung nach §§ 47 ff. InsO.7

2.3868

Der Streitwert der Insolvenzanfechtung8 und der Gläubigeranfechtung nach dem AnfG9 bestimmt sich zwar grundsätzlich nach § 3 ZPO, ist aber entsprechend § 6 Satz 2 ZPO auf den Wert des Gegenstandes begrenzt, in den vollstreckt werden soll. Maßgebend ist daher grundsätzlich der Betrag der Forderung, wegen der angefochten wird, begrenzt auf den Wert des Vollstreckungsgegenstandes.10

2.3869

Streitigkeiten um den Rang eingetragener Grundpfandrechte sind dagegen nach § 3 ZPO zu bewer- 2.3870 ten. Ihr Gegenstand ist nicht das Pfandrecht i.S.v. § 6 ZPO, sondern nur dessen Werterhöhung. Im Rahmen des Ermessens nach § 3 ZPO ist entsprechend § 45 Abs. 1 GNotKG der Wert des vortretenden Rechts, begrenzt auf den Wert des zurücktretenden Rechts maßgeblich, weil die Werterhöhung durch die Rangverbesserung nicht größer sein kann.11

II. Klagehäufung Wird die Pfandrechtsklage mit der persönlichen Klage verbunden, ist gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Betrag der Forderung wertbestimmend.12 Das gilt auch dann, wenn im Verlaufe des Rechtsstreits Sicherheit geleistet und fortan um die Rückgabe dieser Sicherheit gestritten wird.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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Vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – X ZB 30/07; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.2.2016 – 25 U 53/15. Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 310. Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 6 ZPO Rz. 310. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356; OLG Celle, Beschl. v. 5.6.1957 – 3 W 47/57, NJW 1957, 1640. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.202. BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196. OLG Bremen, Beschl. v. 20.11.1953 – 2 W 303-304/53, Rpfleger 1957, 274; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.98; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 ZPO Rz. 89; vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 11.2.2010 – 16 U 176/09, ZIP 2010, 437. RG, Beschl. v. 26.6.1936 – VII 157/36, RGZ 151, 319; BGH, Beschl. v. 28.2.2008 – IX ZR 126/06, JurBüro 2008, 368. BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – IX ZR 275/17, NZI 2018, 821. BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – IX ZR 275/17, NZI 2018, 821. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.1981 – 22 U 85/81, MDR 1982, 411; OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.1997 – 1 U 925/96. RG, Urt. v. 18.4.1893 – I 27/93, RGZ 31, 387; OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2003 – 6 W 2019/03, MDR 2003, 1382; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322 (bei Klage auf Werklohnzahlung und Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek). OLG Karlsruhe, v. 16.12.1929 – 2 BR 321/28, HRR 1930 Nr. 252.

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2. Teil

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Pfändung

ZPO

B. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss I. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.3872 Geldforderungen werden gem. § 829 ZPO vollstreckungsrechtlich gepfändet, indem das Gericht dem Drittschuldner verbietet, an den Schuldner zu zahlen, und zugleich dem Schuldner verbietet, über die Forderung zu verfügen. Für Anträge auf Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sind keine Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerte festzusetzen. Gemäß §§ 828, 802 ZPO ist das AG als Vollstreckungsgericht sachlich ausschließlich zuständig. Die Gerichtsgebühren sind streitwertunabhängige Festgebühren nach Nr. 2111 KV GKG.

II. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 1. Allgemeines

2.3873 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG: Entscheidend ist zunächst der Betrag der zu vollstreckenden Forderung – die geringer sein kann als die titulierte Forderung – einschließlich der Nebenforderungen, also Zinsen und bisherige Kosten (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 RVG). Zu den Kosten zählen insbesondere die bisherigen Anwaltskosten und auch die Kosten vergangener Vollstreckungsversuche.

2.3874 Bezieht sich die Pfändung auf einen konkreten Pfandgegenstand, welcher einen geringeren Wert hat, dann ist dieser maßgebend (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 RVG). Bei einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist folglich der Wert der zu pfändenden Forderung bei Antragstellung maßgebend, wenn er niedriger ist als der Wert der Gläubigerforderung, deretwegen gepfändet wird. Werden in einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mehrere Forderungen des Schuldners gepfändet, sind deren Werte zusammenzurechnen bis zur Höchstgrenze des Betrages der Gläubigerforderung.1

2.3875 In Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert nach dessen Interesse unter Anwendung billigen Ermessens zu bestimmen (§ 25 Abs. 2 RVG).2 2. Gehaltsforderungen

2.3876 Wird wegen einer hohen Geldforderung künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen nach § 832 ZPO gepfändet, entspricht der Gegenstandswert nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 RVG dem Betrag der zu vollstreckenden Forderung einschließlich Zinsen und Kosten.

2.3877 Der Gegenstandswert ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Satzteil 3 RVG nur dann auf den dreieinhalbfachen Jahresbetrag nach § 9 ZPO oder den einfachen Jahresbetrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG begrenzt, wenn das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen nach § 850d Abs. 3 ZPO für künftig fällig werdenden Unterhalt oder künftig fällig werdende Schadensersatzrenten gepfändet wird (Vorratspfändung).

2.3878 Man kann die Begrenzung des Gegenstandswertes nicht auf die Gehaltspfändung nach § 832 ZPO ausdehnen.3 § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nennt ausdrücklich nur Pfändungen nach § 850d Abs. 3 ZPO und erwähnt § 832 ZPO nicht. Die Herabsetzung des Gegenstandswerts auf den dreifachen Jahresbetrag in

1 BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – VII ZB 3/10, MDR 2011, 696. 2 Das LG Koblenz, Beschl. v. 8.8.1990 – 4 T 508/90, JurBüro 1991, 109 spricht sich für einen gestaffelten Wertansatz je nach den Zielen des Rechtsmittelführers (einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Beschränkung der Vollstreckungsmaßnahme, Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme) aus. 3 Gerold/Schmidt/Müller-Raabe, RVG, § 25 Rz. 30.

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Pfändung

2. Teil

ZPO

Anlehnung an § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG1 oder einen im Einzelfall „realistischen Betrag“2 ist daher als unzulässige Rechtsfortbildung abzulehnen. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG räumt dem Gericht gerade kein Ermessen bei der Ermittlung des Gegenstandswertes ein.3 3. Kontenpfändung Wird bei einem laufenden Konto nicht nur der gegenwärtige Saldo, sondern auch der Anspruch auf die Gutschriften künftig eingehender Beträge gepfändet, ist der Wert der Forderung maßgeblich, wegen der vollstreckt wird.4

2.3879

4. Wirtschaftlich wertlose und nicht bestehende Forderungen Umstritten ist die Bestimmung des Gegenstandswerts, wenn sich herausstellt, dass die gepfändete Forderung wirtschaftlich wertlos ist oder nicht existiert:

2.3880

– Nach einer Ansicht ist der geringste Gegenstandswert (bis 500 t) festzusetzen.5 Jedenfalls sei die Mindestgebühr von 15 t nach § 13 Abs. 2 RVG anzusetzen.6 – Eine zweite Meinung spricht sich dafür aus, auf den Wert des Pfandgegenstandes abzustellen, wie er sich nach der Behauptung des Gläubigers zu Beginn der Vollstreckung darstellte.7 – Eine dritte Ansicht stellt auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung ab.8 Die dritte Meinung ist zutreffend, wenn die Pfändung einer in Wahrheit nicht existenten Forderung versucht worden ist. Dann gibt es nämlich keinen „bestimmten Gegenstand“ i.S.v. § 25 Abs. 1 Nr. 1 Satzteil 2 RVG. Bereits deswegen ist daher keine Ausnahme von der Grundsatzbewertung nach dem Betrag der Vollstreckungsforderung gerechtfertigt.

2.3881

Ist die gepfändete Forderung dagegen nur wirtschaftlich wertlos, ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Satzteil 2 RVG auf deren Wert abzustellen. „Wert“ der gepfändeten Forderung ist aber stets ihr Nennwert ohne Abschlag. Das deutsche Verfahrensrecht bemisst Geldforderungen stets nach dem Nennwert ohne Rücksicht auf die Bonität. § 35 FamGKG ordnet das ausdrücklich an, ist aber keine Sonderregel im Familienrecht, sondern sollte dort nur den allgemein geltenden Grundsatz klarstellen.9 § 253 Abs. 3 ZPO und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG belegen dieses Verständnis des Gesetzgebers, da Streitwertangaben und vorläufige Streitwertfestsetzungen unnötig sind, wenn eine bezifferte Geldsumme Streitgegenstand ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, der Gesetzgeber habe im Anwaltsgebührenrecht ein anderes Verständnis vertreten. Das wird überdies noch dadurch gestützt, dass sogar beim Forderungskauf grundsätzlich nur die mangelnde Verität, aber nicht mangelnde Bonität ein Mangel i.S.v. §§ 453, 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist.10

2.3882

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

AG Freyung, Beschl. v. 21.6.1985 – M 190/85, MDR 1985, 858. LG Hannover, Beschl. v. 17.7.1995 – 11 T 304/94, MDR 1995, 1075. Vgl. N. Schneider, NJW 2019, 24, 25. BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – VII ZB 22/16, MDR 2017, 727. OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.7.2016 – 7 W 45/16, MDR 2016, 1474; LG Stuttgart, Beschl. v. 10.6.2013 – 2 T 196/13, MDR 2013, 1312; LG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2009 – 332 T 109/08, ZMR 2009, 697; LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.2000 – 314 T 43/00, JurBüro 2001, 110; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.126. OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2000 – 17 W 278/99, Rpfleger 2001, 149. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.9.2010 – 17 W 18/10, NJW-RR 2011, 501; LG Kiel, Beschl. v. 21.3.1991 – 3 T 130/90, JurBüro 1991, 1198; ähnlich Fölsch, MDR 2017, 72. OLG Naumburg, Beschl. v. 3.4.2014 – 2 W 26/14, MDR 2014, 1351; LG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.2005 – 19 T 154/05, AGS 2006, 86; LG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2006 – 322 T 10/06, AnwBl. 2006, 499; Hansens, RVGreport 2014, 442. BT-Drucks. 16/6308, 304. BGH, Urt. v. 26.9.2018 – VIII ZR 187/17, MDR 2018, 1483.

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2. Teil

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Pfändung

ZPO

5. Unpfändbare Forderungen

2.3883 Ob eine Forderung unpfändbar ist, spielt dagegen nach zutreffender Auffassung keine Rolle.1 Die Unpfändbarkeit eines Gegenstandes sagt nichts über deren Wert aus. Folglich ist der Nennwert der gepfändeten Forderung maßgeblich.

C. Einziehungsklage gegen den Drittschuldner 2.3884 Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist kein Titel gegen den Drittschuldner. Wenn die gepfändete und überwiesene Forderung nicht tituliert ist und der Drittschuldner nicht freiwillig zahlt, muss der Gläubiger die Forderung klageweise durchsetzen (Einziehungsklage). Dasselbe gilt bei Pfändungs- und Überweisungsverfügungen des Finanzamts nach §§ 309, 314 AO.

2.3885 Die Einziehungsklage ist ein gewöhnlicher Rechtsstreit. Ihr Gegenstand ist nicht das vollstreckungsrechtliche Pfandrecht, sondern die gepfändete und überwiesene Forderung.2 Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ändert die Rechtsnatur des Anspruchs nicht, sondern verleiht dem Kläger nur ein Einziehungsrecht.3

2.3886 Streitwertprivilegierungen, die für den Rechtsstreit zwischen dem Schuldner und dem Dritten gelten, sind also zu berücksichtigen. Streitwertprivilegierungen, die nur für die titulierte Forderung gelten, bleiben dagegen außer Betracht.

2.3887 Wird mit einer Einziehungsklage die (höhere) Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner nur bis zur Höhe der dem klagenden Gläubiger zustehenden (Vollstreckungs-)Forderung geltend gemacht, erhöhen die in der Vollstreckungsforderung miterfassten Zinsen und Kosten den Streitwert.4 Denn nicht diese ist Gegenstand der Einziehungsklage, sondern die gepfändete Forderung. Nur die Einziehungsbefugnis des Gläubigers ist auf die Höhe der Vollstreckungsforderung begrenzt, die Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gewesen ist,5 wenngleich die Pfändung auch den übersteigenden Betrag erfasst.6 Das erläutert das nachstehende Beispiel:

2.3888 Beispiel: Die dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugrunde liegende titulierte Forderung des Gläubigers beträgt 10.000 t nebst 500 t Zinsen und 1.000 t Kosten. Die gepfändete Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner beläuft sich auf 50.000 t nebst Zinsen und Kosten.

Der Gläubiger ist nicht berechtigt, vom Drittschuldner Zahlung i.H.v. 50.000 t an sich zu verlangen, sondern nur i.H.v. 11.500 t einziehungsbefugt. Er muss daher seinen Klageantrag entsprechend beschränken; anderenfalls würde er teilweise mangels Einziehungsbefugnis abgewiesen. Die titulierten Zinsen und Kosten werden aber durch die Hauptforderung des Schuldners gegen den Drittschuldner bereits abgedeckt. Da diese Forderung den Streitgegenstand und damit auch den Streitwert der Einziehungsklage bestimmt, ist damit die gesamte Klageforderung i.H.v. 11.500 t Hauptforderung.

2.3889 Die Summe von der Vollstreckungsforderung des Gläubigers einschließlich darauf entfallender Zinsen und Kosten bestimmt damit solange den Streitwert der Einziehungsklage, wie sie von der gepfändeten Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner ohne die darauf entfallenden Zinsen und Kosten gedeckt wird. Das sei anhand des weiteren Beispiels nochmals näher erläutert: 1 LG Detmold, Beschl. v. 1.4.1992 – 2 T 334/90, Rpfleger 1992, 538; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 25 Rz. 17; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2000 – 17 W 278/99 Rpfleger 2001, 149. 2 OLG Köln, Beschl. v. 27.3.1991 – 2 W 46/91, MDR 1991, 899; LAG Hamm, Beschl. v. 21.10.1982 – 8 Ta 264/82, MDR 1983, 170. 3 OLG Köln, Beschl. v. 27.3.1991 – 2 W 46/91, MDR 1991, 899. 4 OLG Köln, Beschl. v. 27.3.1991 – 2 W 46/91, MDR 1991, 899. 5 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Berndtsen, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 835 ZPO Rz. 11; Zöller/Herget, § 836 ZPO Rz. 3. 6 BGH, Urt. v. 5.4.2001 – IX ZR 441/99, MDR 2001, 1075.

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2. Teil

Beispiel: Die dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugrunde liegende titulierte Forderung des Gläubigers beträgt 10.000 t nebst 500 t Zinsen und 1.000 t Kosten. Die gepfändete Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner beläuft sich auf 10.000 t nebst 800 t Zinsen und 700 t Kosten.

2.3890

ZPO

Pflichtteilsanspruch

Damit erfasst die Einziehungsbefugnis des Gläubigers die gepfändete Forderung insgesamt. Die titulierten Zinsen und Kosten werden durch die Hauptforderung des Schuldners gegen den Drittschuldner nicht abgedeckt, sondern nur durch die Nebenforderungen. Da diese Forderung den Streitgegenstand und damit auch den Streitwert der Einziehungsklage bestimmt, ist der Streitwert mit 10.000 t anzusetzen, weil die gepfändeten Zinsen von 800 t und Kosten von 700 t Nebenforderungen i.S.v. § 4 ZPO sind.

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 2.3891

Siehe das Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3872 ff.

Pfandrecht 2.3892

Siehe das Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3863 ff.

Pflegekosten Werden Pflegekosten als Schadensersatz geltend gemacht, ist auf den verlangten Betrag abzustellen. 2.3893 Werden wiederkehrende Leistungen verlangt, ist für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der 3 1/2fache Betrag der jährlichen Aufwendungen für die Pflege anzusetzen. Hinzuzurechnen sind gem. § 42 Abs. 3 GKG die bei Klageeinreichung fälligen Beträge. Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Rente“, Rz. 2.4333 ff.

Pflichtteilsanspruch A. Zuständigkeitsstreitwert/Gebührenstreitwert I. Leistungsklage Da der Pflichtteilsanspruch stets auf Geldzahlung gerichtet ist, gelten für eine bezifferte Leistungsklage keine Besonderheiten. Der Streitwert entspricht also der bezifferten Summe (§ 3 ZPO).

2.3894

II. Feststellungsklage Wird lediglich beantragt, ein Pflichtteilsrecht festzustellen, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben gesetzlichen Erbteils abzüglich eventueller Vorausempfänger oder anderweitig anzurechnender oder auszugleichender Zuwendungen. Hiervon ist dann je nach den Umständen des Einzelfalls noch ein Feststellungsabschlag von in der Regel 20 % vorzunehmen; s. dazu das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.

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2. Teil

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Pflichtteilsanspruch

ZPO

2.3896 Ist der Pflichtteilsanspruch als solcher unstreitig, die Beteiligung als Miterbe am Nachlass aber streitig und wird auf Feststellung der Erbberechtigung geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben Erbteils;1 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen.

III. Isolierte Auskunftsklage 2.3897 Wird Auskunft oder die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 2314 BGB oder die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt, so ist zu berücksichtigen, dass diese Ansprüche die Zahlungsklage nur vorbereiten und ihr nicht gleichgesetzt werden können, da sie im Falle der Verurteilung nicht volle Befriedigung sichern. Ihr Wert stellt deshalb nur einen Bruchteil des Anspruchs dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.2 Die Streitwertbemessung hat nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Nachlasswertes gem. § 3 ZPO zu erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits auf gerichtliche Beurteilung hin in der ersten Stufe eine Auskunft des Beklagten vorliegt und daher das Interesse des Klägers nur darauf gerichtet sein kann, durch den Druck zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und der damit verbundenen Strafandrohung den Beklagten zur Offenbarung weiterer Vermögenswerte zu veranlassen.3 Als Schätzgrundlage ist dabei der Mehrbetrag heranzuziehen, den der Kläger durch den sanktionierten Zwang zur wahrheitsgemäßen Auskunft zu erlangen hofft; von diesem Betrag ist dann ein dem Auskunftsverlangen auf der ersten Stufe entsprechender Bruchteil zu bilden.4 Siehe dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff.

2.3898 Der Auskunftsanspruch ist in der Regel mit 10 %-20 % des (ggf. nach § 3 ZPO zu schätzenden) Leistungsinteresses zu bewerten.5

2.3899 Der Wert eines Auskunftsanspruchs (Stufenklage) bei einem der Höhe nach unbekannten Nachlass kann im Regelfall auf 1/4 bis 1/8 des geschätzten Wertes festgesetzt werden.6

IV. Stufenklage auf Auskunft und Zahlung 2.3900 Werden der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB und der Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB im Wege der Stufenklage geltend gemacht, – so gilt für den Zuständigkeitsstreitwert § 5 ZPO. Auskunfts- und Zahlungsantrag sind zu addieren (str., s. das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.) und – so ist für den Gebührenstreitwert jeder Anspruch zunächst gesondert zu bewerten. Soweit die Gebühren nach Auskunft und Zahlung entstehen, gilt § 44 GKG, wonach nur der höchste der verbundenen Ansprüche, regelmäßig also der Zahlungsanspruch, maßgebend ist.

2.3901 In beiden Fällen ist der Leistungsanspruch zunächst auf der Grundlage des Vorbringens des Anspruchstellers gem. § 3 ZPO zu schätzen. Dabei kommt es zunächst auf den Wert des Auskunftsinteresses des

1 BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389 = Warneyer, 1975, Nr. 7. 2 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2018 – 7 U 9/17; LG Wiesbaden, Urt. v. 3.7.2014 – 9 O 44/14. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.1991 – III ZB 16/91; OLG Bremen, Urt. v. 17.2.2000 – 2 U 101/99; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95; OLG Köln, Beschl. v. 12.5.1976 – 2 U 63/76. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.1991 – III ZB 16/91; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95; OLG Rostock, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 U 109/12. 5 LG Wiesbaden, Urt. v. 3.7.2014 – 9 O 44/14; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.1996 – 5 W 659/96, AGS 1997, 132.

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Pflichtteilsanspruch

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2. Teil

Kann bereits ein Teilleistungsanspruch beziffert werden, ist dieser der Streitwertbemessung zugrunde zu legen und zusätzlich der Wert des Auskunftsinteresses nach § 3 ZPO zu schätzen. Wenn der Zahlungsanspruch endgültig feststeht, bildet dieser nach § 18 GKG die Grundlage der Streitwertfestsetzung.2

2.3902

Stellt sich nach Auskunftserteilung heraus, dass der Leistungsanspruch geringer ist, oder besteht er 2.3903 gar nicht, gilt bis zur Einreichung des spezifizierten Leistungsantrags der Wert des anfänglich Erwarteten. Der Wert ist nachträglich zu erhöhen, wenn sich nach Erteilung der Auskunft herausstellt, dass der Kläger weit höhere Ansprüche hat. In diesem Fall gilt nach § 44 GKG wieder nur der höhere Wert. Unzutreffend ist die Auffassung, die Gerichtsgebühr und die Verfahrensgebühr des Anwalts für eine sog. „stecken gebliebene Stufenklage“ bestimme sich nicht nach dem Wert des erwarteten – unbezifferten – Leistungsanspruchs, sondern nach demjenigen der Auskunft.3 Bei der Stufenklage wird mit Erhebung der Klage nicht nur der geltend gemachte Auskunftsanspruch (1. Stufe), sondern sogleich die Klage zu allen Stufen rechtshängig. Damit ist sie bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und Streitgegenstand i.S.d. § 3 GKG. Sie ist auch Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 RVG. Folglich ist nach § 44 GKG der höhere Wert anzusetzen. Der Streitwert wird nicht geringer, wenn bereits mit der Entscheidung zur Auskunftsstufe die weitergehende Klage abgewiesen wird.4

2.3904

Da die Gerichtsgebühren und die Verfahrensgebühr des Anwalts durch jede Handlung ausgelöst wer- 2.3905 den, also bereits schon durch Einreichung des unbezifferten Klageantrags, sind beide Gebühren damit nach dem hohen Wert angefallen. Etwas anderes kann lediglich für sonstige Gebühren gelten, etwa für die Terminsgebühr. Bei einer „ste- 2.3906 cken gebliebenen Stufenklage“ wird sich die Terminsgebühr in aller Regel nur nach dem Wert der Auskunft richten, da in der Regel über die zweite Stufe nicht verhandelt oder erörtert worden ist. Gleiches gilt, wenn nur über die erste Stufe, die Auskunft, eine Einigung erzielt worden ist und dann später die zweite Stufe nicht weiterverfolgt wird. Dann entsteht die Einigungsgebühr nur aus dem geringeren Wert.

2.3907

Wird innerhalb einer Pflichtteilsstufenklage eine Zwischenfeststellungsklage erhoben, führt dies nicht 2.3908 zu einer Erhöhung des Streitwerts. Eine Streitwertaddition der Zwischenfeststellungsklage und der Stufenklage gem. § 39 GKG findet nicht statt. § 39 GKG ist – ebenso wie § 5 ZPO – teleologisch zu reduzieren, wenn (Teil-)Identität bzw. wirtschaftliche Identität bei mehreren Anträgen besteht. Bezieht sich also der Feststellungsantrag auf ein präjudizielles Rechtsverhältnis, dessen Bestehen bzw. Nichtbestehen im Rahmen der Leistungsklage ohnehin geprüft werden muss, hat er neben dem Hauptantrag

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 8.8.2013 – 15 WF 269/13. 2 Vgl. KG, Beschl. v. 25.4.2019 – 2 AR 12/19, MDR 2019, 957 m. Anm. Kurpat MDR 2019, 1300. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 107/97, OLG Dresden v. 21.2.1997 – 7 W 0107/97, MDR 1997, 691 (Anschluss OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1995 – 13 WF 164/94, MDR 1995, 642); OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.3.2005 – 16 WF 3/05, FamRZ 2005, 1765. 4 KG, Beschl. v. 21.6.2007 – 12 W 44/07 MDR 2008, 45; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.11.2007 – 8 W 444/07, FamRZ 2008, 533; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.1.2006 – 10 WF 313/05, FamRZ 2007, 71; OLG Köln, AGS 2005, 451; OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.7.2003 – 9 WF 2251/03, FamRZ 2004, 962; OLG Celle, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 WF 15/96, FamRZ 1997, 99; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.7.2012 – 12 W 32/11; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12-27, 5 W 52/12, ZErb 2012, 213 = FamRZ 2013, 320; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2018 – 2 W 464/18.

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Klägers bei Einreichung des Verfahrens an. Das gilt auch dann, wenn der Anspruch später nur geringer beziffert wird.1

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2. Teil

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Pflichtteilsergänzungsanspruch

ZPO

keine selbständige Bedeutung. Die Zwischenfeststellungsklage verfolgt dann dasselbe Interesse wie die Stufenklage, und dient dieser als Voraussetzung.1

B. Rechtsmittelstreitwert 2.3909 Legt der Beklagte Berufung gegen seine Verurteilung ein, dem pflichtteilsergänzungsberechtigten Kläger Auskunft über den Wert von Grundbesitz durch Vorlage des Wertgutachtens eines vereidigten Sachverständigen zu erteilen, dann kann sein Abwehrinteresse betragsmäßig nicht geringer sein als die voraussichtlichen Kosten des Wertgutachtens.2

2.3910 Ist der Beklagte verurteilt worden, den Wert des dem Kläger zustehenden Auseinandersetzungsguthabens durch einen Wirtschaftsprüfer ermitteln zu lassen, dann ist der Streitwert des Abwehrinteresses seiner Berufung gleich dem voraussichtlichen Vergütungsanspruch des Wirtschaftsprüfers.

2.3911 Wird gegen eine Verurteilung zur Auskunft bzw. Rechnungslegung Rechtsmittel eingelegt, so bemisst sich der Wert des Beschwerdegegenstandes grundsätzlich allein nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.3

2.3912 Bei der Beschwer können auch die Kosten eines zur Auskunftserteilung hinzuzuziehenden Anwalts zu berücksichtigen sein. Wer zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt ist, ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und ggf. zu ergänzen und zu berichtigen. Dabei kann dem verurteilten Beklagten die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht verwehrt werden, wenn der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt genug ist, so dass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt. Ist nach diesen Grundsätzen die Einschaltung eines Anwalts geboten, so sind die dafür aufzuwendenden Kosten bei der Bemessung der Berufungsbeschwer des Verurteilten jedenfalls zu berücksichtigen.4

2.3913 Für die Berufungsinstanz betreffend die zweite Stufe einer Auskunftsklage, gerichtet auf Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskünfte, ist als Schätzgrundlage der Mehrbetrag, den der Kläger durch den sanktionierten Zwang zur wahrheitsgemäßen Auskunft zu erlangen hofft, maßgebend, von dem dann ein dem Auskunftsverlangen auf der ersten Stufe entsprechender Bruchteil zu bilden ist.5

Pflichtteilsergänzungsanspruch 2.3914 Wird nicht nur ein Anspruch auf den „ordentlichen Pflichtteil“, sondern auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB geltend gemacht, gelten dieselben Grundsätze wie beim Pflichtteilsanspruch (s. das Stichwort „Pflichtteilsanspruch“, Rz. 2.3894 ff.).

2.3915 Werden beide Ansprüche (ordentlicher Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung) verfolgt, sind die Werte beider Ansprüche sowohl beim Zuständigkeitsstreitwert (§ 5 ZPO) als auch beim Gebührenstreitwert (§ 39 Abs. 1 GKG, § 22 Abs. 1 RVG) zu addieren.

1 LG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2014 – 7 O 132/13, ZErb 2014, 199. 2 BGH, Beschl. v. 10.6.1991 – II ZR 66/91; BGH, Beschl. v. 1.4.1987 – IVa ZB 4/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 866 m. Anm. E. Schneider. 3 OLG Köln, Beschl. v. 16.1.1997 – 1 U 63/96, JurBüro 1998, 261. 4 BGH, Beschl. v. 29.11.1995 – IV ZB 19/95, WM 1996, 466 = ZEV 1996, 194. 5 OLG Rostock, Beschl. v. 3.4.2013 – 3 U 109/12; vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.1991 – III ZB 16/91.

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Postentgeltpauschale

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2. Teil

Ist ein pflichtteilsberechtiger Miterbe vom Erblasser nicht „ausreichend“ bedacht worden, steht ihm nach § 2305 BGB ein Pflichtteilsrestanspruch (auch „Zusatzpflichtteil“ genannt) zu. Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich um einen echten, in begrenzter Höhe bestehenden Pflichtteilsanspruch, der Teil des ordentlichen Pflichtteils i.S.v. § 2303 BGB ist und sich auf Zahlung der Differenz zwischen dem zugewendeten Erbteil und dem vollen Pflichtteil (Hälfte des gesetzlichen Erbteils) richtet. Es gelten dieselben Grundsätze wie beim Pflichtteilsanspruch (s. das Stichwort „Pflichtteilsanspruch“, Rz. 2.3894 ff.).

2.3916

Wird neben dem Pflichtteilsrestanspruch auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht, sind die Werte beider Ansprüche sowohl beim Zuständigkeitsstreitwert (§ 5 ZPO) als auch beim Gebührenstreitwert (§ 39 Abs. 1 GKG, § 22 Abs. 1 RVG) zu addieren.

2.3917

Positive Beschlussfeststellungsklage Mit der Anfechtungsklage und der Nichtigkeitsklage kann der angestrebte rechtmäßige Beschluss der 2.3918 Gesellschafter nicht erzwungen werden. Gegen einen ablehnenden Beschluss ist daher im Verhältnis zur Gesellschaft zusätzlich zur Anfechtungsklage eine sog. positive Beschlussfeststellungsklage erforderlich. Das Gericht ersetzt bei Obsiegen dann den ablehnenden Beschluss durch den rechtmäßigen. Der Streitwert wird in diesem Fall analog § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls,1 insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien berechnet, nach zweifelhafter herrschender Ansicht jedoch ohne Anwendung der Streitbegrenzung des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG.2 Siehe hierzu auch das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130 ff.

2.3919

Postentgeltpauschale A. Überblick Nach Nr. 7002 VV RVG kann der Anwalt die im Rahmen eines Mandats anfallenden Kosten für Postund Telekommunikationsentgelte nach Nr. 7002 VV RVG pauschal abrechnen. Voraussetzung ist, dass zumindest 1 Cent an Post- und Telekommunikationsentgelten angefallen ist.

2.3920

Bei dieser Pauschale handelt es sich zwar um einen Auslagentatbestand. Dieser ist jedoch wertabhängig. Maßgebend ist der Wert der gesetzlichen Nettogebühren. Davon beträgt die Pauschale 20 %, höchstens jedoch 20 t.

2.3921

Beispiel: Der Anwalt legt gegen einen Mahnbescheid über 2.000 t Widerspruch ein. Da die Gebühr unter 100 t liegt, sind die vollen 20 % abzurechnen.

2.3922

1 BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NZG 1999, 999; BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438 (jeweils zur Anfechtungsklage); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.9.1994 – 15 W 30/94, GmbHR 1995, 302. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.9.1994 – 15 W 30/94, GmbHR 1995, 302; a.A. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rz. 153 m.w.N.; offenlassend BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NZG 1999, 999 m.w.N.

Monschau und Schneider

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Pflichtteilsrestanspruch

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2. Teil

ZPO

1. 2. 3.

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Postentgeltpauschale

0,5-Mahnverfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG (Wert: 2.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

99,60 t

83,00 t 16,60 t 18,92 t 118,52 v

2.3923 Beispiel: Der Anwalt wird nach einem Wert von 3.000 t außergerichtlich tätig und rechnet eine 1,3-Geschäftsgebühr ab. Da die Gebühr über 100 t liegt, greift die Begrenzung auf 20 t.

I. 1. 2. 3.

Außergerichtliche Vertretung 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

308,60 t

288,60 t 20,00 t 53,45 t 367,23 v

B. Anrechnungsfälle 2.3924 In Anrechnungsfällen richtet sich das für die Berechnung der Postentgeltpauschale maßgebliche Gebührenaufkommen nach den gesetzlichen Gebühren vor Anrechnung und nicht nach einem nach Anrechnung verbleibenden rechnerischen Differenzbetrag, selbst wenn nach Anrechnung keine Gebühren verbleiben.1 Diese Rechtslage ist nach Einführung des § 15a RVG zwischenzeitlich eindeutig, da die Gebühren unbeschadet einer Anrechnung selbständig sind.

2.3925 Beispiel: Der Anwalt ist außergerichtlich beauftragt, eine Forderung i.H.v. 1.500 t abzuwehren. Angemessen ist eine 1,0-Geschäftsgebühr. Anschließend ergeht ein Mahnbescheid, gegen den der Anwalt Widerspruch einlegt. Die 0,5-Gebühr im Mahnverfahren beträgt 127 t. Zwar geht sie infolge der Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG letztlich unter; dennoch bleibt ihr Wert maßgebend für die Berechnung der Postentgeltpauschale. I. 1. 2.

Außergerichtliche Vertretung 1,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 1.500 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 274,00 t 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme II. Mahnverfahren 1. 0,5-Mahnverfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG (Wert: 1.500 t) 2. anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, 0,5 aus 1.500 t 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG (Wert: 100,50 t) Zwischensumme 20,00 t 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

254,00 t 20,00 t 52,06 t 326,06 v 127,00 t –127,00 t 20,00 t 3,80 t 23,80 v

C. Prozesskostenhilfe 2.3926 Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind für die Bemessung der Postentgeltpauschale nicht mehr die gesetzlichen Gebührenbeträge des § 13 RVG heranzuziehen,2 sondern seit dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG die aus der Staatskasse zu zahlenden Beträge (Anm. Abs. 2 zu Nr. 7000 VV RVG), die ab einem Gegenstandswert von über 4.000 t unter den gesetzlichen Gebühren liegen (§ 49 RVG). 1 AG Kassel, Beschl. v. 26.7.2006 – 451 C 4969/05, AGS 2007, 133; AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 7001– 7002 Rz. 40 ff. 2 So noch die frühere Rspr. des OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.10.2009 – 6 W 377/09, AGS 2010, 137.

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Schneider

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Provision

S. 839 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Auch in der Beratungshilfe ist auf die aus der Landeskasse zu zahlenden Beratungshilfegebühren ab- 2.3927 zustellen, und nicht auf die fiktiven gesetzlichen Gebühren (Anm. Abs. 2 zu Nr. 7002 VV RVG). Die frühere Streitfrage hat sich auch hier mit dem 2. KostRMoG erledigt.1

Prätendentenstreit Im Falle eines Prätendentenstreits streiten zwei Anspruchsteller (Prätendenten) wegen derselben Sache, wobei einer der Prätendenten den Schuldner verklagt und in dem Rechtsstreit zugleich dem anderen Prätendenten der Streit verkündet wird.

2.3928

Bei Streit zwischen Abtretungsgläubiger und Pfändungsgläubiger über den vom Drittschuldner hinterlegten pfändbaren Teil der Lohnforderung des Schuldners, bestimmt sich der Streitwert nach der geringerwertigen Forderung.2

2.3929

Streiten die Parteien darüber, wem der von einem Dritten geschuldete Betrag nebst Zinsen zusteht, so bilden Hauptsumme und Zinsbetrag den Streitwert.3

2.3930

Siehe auch das Stichwort „Hinterlegung“, Rz. 2.2228.

Provision Eine ausdrückliche Regelung zur Berücksichtigung von Provisionsansprüchen in der Streitwertberechnung findet sich für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert in § 4 Abs. 2 ZPO. Danach ist bei Ansprüchen aus Wechseln, die außerhalb der Wechselsumme geforderte Provision als Nebenforderung anzusehen. Sie findet daher bei der Streitwertberechnung keine Berücksichtigung.

2.3931

Dies gilt in analoger Anwendung auch für sonstige Ansprüche auf Provisionszahlung, die neben der Hauptforderung und in Abhängigkeit von dieser gefordert werden:

2.3932

– So bleibt beispielsweise beim Selbsthilfeverkauf die eigene Provision des Verkäufers streitwertmäßig unberücksichtigt.4 – Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hatte.5

1 OLG Celle, Beschl. v. 9.12.2008 – 2 W 266/08, AGS 2009, 189 = NJW-Spezial 2009, 285; KG, RVGreport 2008, 433; OLG Hamm, Beschl. v. 11.9.2008 – 23 W 72/08, FamRZ 2009, 721; OLG Dresden, Beschl. v. 11.9.2008 – 3 W 932/08, AGS 2008, 559 = MDR 2009, 414; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.8.2007 – 4 W 74/07, JurBüro 2007, 645. 2 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 107. 3 OLG Zweibrücken, Urt. v. 22.5.2015 – 2 U 3/31/14 – Freigabe eines hinterlegten Betrages; JurBüro 1965, 1007. 4 RGZ 33, 408. 5 BGH, WM 1956, 889; BGH, MDR 1958, 765.

Schneider und Kurpat

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ZPO

D. Beratungshilfe

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2. Teil

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Prozesskostenhilfe

ZPO

Prozesskostenhilfe A. Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3933 B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3939 C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3941 II. Verfahren nach § 118 ZPO auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe 1. Grundsatz: Hauptsachewert . . . . . . . 2. Mehrere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 3. Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs in der Hauptsache . . 5. Mehrwertvergleich im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren . . . . . .

2.3953 2.3960 2.3964 2.3965 2.3968

III. Bloßer Antrag auf Beiordnung . . . . 2.3970 IV. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3973 V. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO . . . . . . . . . . . 2.3980 VI. Abänderungsverfahren nach § 120a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3989 VII. Beschwerdeverfahren 1. Beschwerde gegen Versagung der Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . 2.3992

2. Beschwerde gegen unterbliebene Beiordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschwerde gegen eingeschränkte Beiordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschwerde gegen Anordnung einer Ratenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschwerde gegen die Höhe der Ratenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abänderungsinteresse . . . . . . . . . b) Fälligkeitsinteresse . . . . . . . . . . . . c) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . 6. Beschwerde gegen die Abänderung der Ratenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 2 bis 4 ZPO . . . . . . . . . . . . 9. Beschwerde im Verfahren der Rechtswegverweisung . . . . . . . . . . . .

2.4000 2.4001 2.4005 2.4010 2.4011 2.4013 2.4017 2.4019 2.4021 2.4022 2.4025

VIII. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . 2.4026 IX. Vergütungsfestsetzung . . . . . . . . . . . 2.4027 D. Die Wertfestsetzung . . . . . . . . . . . . 2.4028 E. Nachfolgendes Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4033

A. Gerichtskosten 2.3933 In den Verfahren über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung der Prozesskostenhilfe entstehen keine Gerichtsgebühren.

2.3934 Das gilt auch dann, wenn in diesen Verfahren ein Vergleich mit Mehrwert geschlossen wird. Die Vergleichsgebühren der Nr. 1900 KV GKG und Nr. 17005 KV GNotKG sind in diesem Fall ausdrücklich nach Anm. zu Nr. 1900 KV GKG, Anm. zu Nr. 17005 KV GNotKG ausgeschlossen.

2.3935 In Beschwerdeverfahren wird eine Gerichtsgebühr erhoben; diese richtet sich jedoch nicht nach dem Wert. Es entsteht vielmehr nach Nr. 1812 KV GKG, Nr. 19116 KV GNotKG bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr i.H.v. 60 t, die bei nur teilweiser Verwerfung oder Zurückweisung auf die Hälfte reduziert werden oder völlig entfallen kann (Anm. zu Nr. 1812 KV GKG, Anm. zu Nr. 19116 KV GNotKG).

2.3936 Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde wird nach Nr. 1826 KV GKG, Nr. 19128 KV GNotKG bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 120 t erhoben, die bei nur teilweiser Verwerfung oder Zurückweisung auf 60 t reduziert werden oder völlig entfallen kann (Anm. zu Nr. 1826 KV GKG; Anm. zu Nr. 19128 KV GNotKG). Im Falle einer Rücknahme ist die Gebühr auf 60 t zu ermäßigen (Nr. 1827 KV GKG, Nr. 19129 KV GNotKG).

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Prozesskostenhilfe

2. Teil

Auch in Verfahren auf Festsetzung der Prozesskostenhilfe-Vergütung (§ 55 RVG) werden keine Gerichtsgebühren erhoben.

2.3937

Eine Wertfestsetzung von Amts wegen für die Gerichtsgebühren kommt daher in keinem Fall in Be- 2.3938 tracht.1 Wird dennoch ein Wert von Amts wegen festgesetzt, so ist dieser nicht bindend und auf Gegenvorstellung oder Beschwerde hin aufzuheben (s. Rz. 1.129).

B. Beschwer Beschwerden und Rechtsbeschwerden in Verfahren über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung von Prozesskostenhilfe sind unabhängig von der Höhe der Beschwer zulässig, so dass es auch nicht der Festsetzung eines Beschwerdewertes bedarf. Das Erreichen eines bestimmten Wertes ist nur insoweit von Bedeutung, als ggf. die Hauptsache rechtsmittelfähig sein muss.

2.3939

Lediglich im Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestsetzung ist eine Beschwer von mehr als 200 t erforderlich (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG), sofern die Beschwerde nicht zugelassen worden ist, so dass hier ggf. eine Wertfestsetzung zur Zulässigkeit des Rechtsmittels in Betracht kommt.

2.3940

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren I. Überblick Im Gegensatz zu den Gerichtsgebühren kann die anwaltliche Tätigkeit in Verfahren auf Bewilligung, Aufhebung und Abänderung der Prozesskostenhilfe Gebühren auslösen, nämlich dann, wenn

2.3941

– der Anwalt ausschließlich in diesen Verfahren über die Prozesskostenhilfe beauftragt wird, – in diesen Verfahren gesonderte Gebühren anfallen, die im Hauptsacheverfahren nicht ausgelöst werden oder – seit Abschluss der Hauptsache mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG), s. Rz. 2.3988. Die Vergütung ergibt sich dann aus den Nrn. 3335, 3337 sowie aus Vorbem. 3.3.6 Satz 2 VV RVG i.V.m. der für die Hauptsache geltenden Terminsgebühr. Hinzukommen kann noch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Diese Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG).

2.3942

Wird der Anwalt von Vornherein mit der Hauptsache beauftragt, entstehen gem. § 16 Nr. 2 RVG nur die Gebühren der Hauptsache.

2.3943

Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn nach Erledigung des Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn nach mehr als zwei Kalenderjahren seit Abschluss des Verfahrens gem. § 120a ZPO eine Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse stattfindet. Der Anwalt kann dann nach zutreffender Auffassung eine gesonderte Vergütung nach Nr. 3335 VV RVG verlangen.2 Diese Vergütung kann allerdings nur vom Auftraggeber verlangt werden, nicht aus der Landeskasse, da sich eine in der Hauptsache bewilligte Prozess-

2.3944

1 OLG Celle, Beschl. v. 12.7.1955 – 3 W 94/55, JurBüro 1955, 406. 2 AG Weilburg, Beschl. v. 4.8.2014 – 20 F 170/10, AGS 2015, 25; AG Trier, Beschl. v. 1.2.2014 – 37 F 177/10, AGS 2015, 24; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.2.2020 – L 10 SF 3437/19 E-B, AGS 2020, 218; OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 10 WF 973/18, AGS 2018, 447 = RVGreport 2018, 475.

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2. Teil

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Prozesskostenhilfe

ZPO

kostenhilfe nicht auch auf das Bewilligungs- und Überprüfungsverfahren erstreckt. Für solche Verfahren kann – ausgenommen – in der Rechtsbeschwerde keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.1

2.3945 Ist der Anwalt zunächst im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren tätig und kommt es später zur Hauptsache, gilt wiederum § 16 Nr. 2 RVG. Die Gebühren des Prozesskostenhilfeverfahrens gehen in den höheren Gebühren der Hauptsache auf.2

2.3946 Wird nur teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt, greift § 16 Nr. 2 RVG nur hinsichtlich des bewilligten Teils. Im Übrigen bleibt dem Anwalt die Vergütung aus dem überschießenden Wert des Prozesskostenhilfeverfahrens erhalten, so dass es eines Gegenstandswertes bedarf.

2.3947 Beispiel: Der Anwalt beantragt für seinen Mandanten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Herausgabe verschiedener Gegenstände. Das Gericht bewilligt die Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Gegenstände. Nur insoweit wird das Klageverfahren auch durchgeführt. Soweit das Klageverfahren durchgeführt wird, gilt der dort festzusetzende Wert auch für die Gebühren des Anwalts (§ 32 Abs. 1 RVG). Soweit die Prozesskostenhilfe abgewiesen worden ist, bedarf es einer gesonderten Wertfestsetzung nach § 33 RVG für die Gebühren aus Nr. 3335 VV RVG.

2.3948 Auch in einem Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt wertabhängige Gebühren und zwar nach den Nrn. 3500, 3513 VV RVG.

2.3949 Im Verfahren über eine Rechtsbeschwerde entstehen ebenfalls wertabhängige Gebühren, nämlich nach den Nrn. 3502, 3516 VV RVG.

2.3950 Folgende Verfahren kommen hier in Betracht: – das Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO; – die Verfahren auf Aufhebung der Bewilligung, wenn – die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat (§ 124 Nr. 1 ZPO); – die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht abgegeben hat (§ 124 Nr. 2 ZPO); – die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben und seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens noch nicht vier Jahre vergangen sind (§ 124 Nr. 3 ZPO); – die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrags im Rückstand ist (§ 124 Nr. 4 ZPO). – das Abänderungsverfahren nach § 120a ZPO, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

2.3951 Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren im erstinstanzlichen Bewilligungs-, Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren bemisst sich nach § 23a RVG3 (vormals Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG). Danach bestimmt sich der Wert

1 BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03, MDR 2004, 1312 = NJW 2004, 2595 = AGS 2004, 292; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.4.2014 – 13 WF 264/14. 2 Im Ergebnis ebenso, allerdings davon ausgehend, dass die Gebühren wegfallen: BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – I ZR 142/06, AGS 2008, 435 = FamRZ 2008, 982. 3 Eingefügt durch das 2. KostRMoG.

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Prozesskostenhilfe

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2. Teil

ZPO

– im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe oder die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (§ 23a Abs. 1 Halbs. 1 RVG); – im Übrigen ist der Gegenstandswert nach dem Kosteninteresse gemäß billigem Ermessen zu bestimmen (§ 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG). Im Beschwerdeverfahren ergibt sich der Gegenstandswert aus § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG, wobei hier auf § 23a RVG zurückgegriffen werden kann. Einzelheiten sind hier strittig.

2.3952

II. Verfahren nach § 118 ZPO auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe 1. Grundsatz: Hauptsachewert Im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe richtet sich der Gegenstandswert nach dem 2.3953 für die Hauptsache maßgebenden Wert (§ 23a Abs. 1 Halbs. 1 RVG).1 Insoweit kann die Rechtsprechung zur früheren Regelung des § 51 Abs. 2 BRAGO übernommen werden. Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 t. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt und dem Anwalt auch kein Hauptsacheauftrag erteilt.

2.3954

Der Gegenstandswert bestimmt sich im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren gem. § 23a RVG nach dem Wert der Hauptsache und beträgt 5.000 t. Der Rechtsanwalt kann vom Mandanten für seine Tätigkeit eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen. Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Zwangsvollstreckung aus einem Urteil über 5.000 t nebst Zinsen. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.

2.3955

Der Gegenstandswert bestimmt sich wiederum gem. § 23a RVG nach dem Wert der Hauptsache. Dieser Wert richtet sich jetzt nach § 25 Nr. 1 RVG und beläuft sich auf den Wert der Hauptsache zzgl. aufgelaufener Zinsen. Der Rechtsanwalt kann eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen.

Das Interesse an der Befreiung von Prozesskosten ist unerheblich. Daher kommt es insbesondere 2.3956 nicht darauf an, ob die Prozesskosten geringer sind als die Hauptsache. Ebenso wenig spielt es für den Gegenstandswert eine Rolle, ob die Prozesskosten höher sind als die Hauptsache. Der Wert der Hauptsache bleibt auch dann maßgebend, wenn die Kosten höher liegen.

2.3957

Auch dann, wenn lediglich Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung beantragt ist oder mit der Maßga- 2.3958 be, dass die Partei einen Teil ihres Vermögens einzusetzen hat oder aus einem durch den Rechtsstreit erzielten Erlös die Prozesskosten später zurückzahlen soll, bleibt es beim Wert der Hauptsache.2

2.3959

Auch die Höhe der Raten ist unerheblich. 2. Mehrere Verfahren Mehrere Verfahren auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe betreffend dieselbe Hauptsache zählen nach § 16 Nr. 3 RVG als eine Angelegenheit. Daher ist in diesen Verfahren gem. § 22 Abs. 1 RVG nur ein (Gesamt-)Wert festzusetzen.

2.3960

Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von drei Mieten zu jeweils 1.500 t. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt. Später wird ein neuer Antrag über dieselben Mieten eingereicht. Die Prozesskostenhilfe wird erneut abgelehnt.

2.3961

1 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2014 – 19 E 612/14. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.1962 – 4 W 14/62, JurBüro 1962, 345.

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ZPO

2. Teil

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Prozesskostenhilfe

Es liegt nur eine Angelegenheit vor. Der Gegenstandswert beläuft sich zwar für jeden Antrag auf 1.500 t (§ 23a RVG). Insgesamt ist jedoch wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu addieren. Der Gesamtwert nach § 22 Abs. 1 RVG beträgt 1.500 t. Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch bezieht sich der zweite Antrag auf die ursprünglichen drei Mieten und zwei weitere Mieten. Auch jetzt liegt nach § 16 Nr. 3 RVG nur eine Angelegenheit vor. Der Gegenstandswert beläuft sich gem. § 23a RVG i.V.m. § 22 Abs. 1 RVG auf insgesamt 2.500 t.

2.3962 Mehrere Verfahren betreffend verschiedene Gegenstände bzw. Hauptsacheverfahren sind dagegen eigene Angelegenheiten und daher gesondert zu bewerten.

2.3963 Beispiel: Der Anwalt beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückzahlung nicht verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen, die zurückgewiesen wird. Später beantragt er Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage. Jetzt liegen zwei Angelegenheiten vor. Die Regelung des § 16 Nr. 3 RVG greift nicht. Der Anwalt erhält die Gebühren gesondert. Daher sind auch zwei Werte festzusetzen.

3. Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache

2.3964 Mit dem „Wert der Hauptsache“ gemeint ist die Hauptsache, soweit sich der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe darauf bezieht. Wird die Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache beantragt (etwa nur für die Widerklage, nicht auch für die Klageabwehr, weil insoweit Rechtsschutz besteht), so ist auch nur dieser Teilwert maßgebend. Beispiel: In einem Verkehrsunfallprozess wird der Anwalt vom Haftpflichtversicherer beauftragt, diesen, den Halter sowie den Fahrer zu vertreten. Der bedürftige Fahrer möchte Widerklage auf Schmerzensgeld erheben und beauftragt den Anwalt, dafür Prozesskostenhilfe zu beantragen, die jedoch abgelehnt wird. Der Gegenstandswert des Prozesskostenhilfeverfahrens berechnet sich nur nach dem Wert der angestrebten Widerklage.

4. Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs in der Hauptsache

2.3965 Wird der Anwalt beauftragt, für den Mehrwert eines (beabsichtigten) Vergleichs Prozesskostenhilfe zu beantragen, und wird die Prozesskostenhilfe auch für den Abschluss des Vergleichs bewilligt, gilt wiederum § 16 Nr. 2 RVG, so dass keine Gebühren im Bewilligungsverfahren anfallen.

2.3966 Wird die Prozesskostenhilfe dagegen abgelehnt, entsteht insoweit die Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG und, wenn der Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt wird, auch die Terminsgebühr nach Vorbem. 3.3.6 Satz 2 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Wert der Hauptsache, also nach dem Wert der Ansprüche, auf die sich der (beabsichtigte) Vergleich erstreckt.

2.3967 Beispiel: Der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten im Wege der Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 t beigeordnet worden. Die Parteien wollen sodann einen schriftlichen Vergleich über die 5.000 t sowie weitere nicht anhängige 3.000 t schließen und beantragen dafür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die jedoch abgelehnt wird, so dass der Vergleich auch nicht geschlossen wird. Es wird sodann über die 5.000 t verhandelt und entschieden.

Aus dem Mehrwert entsteht jetzt eine 1,0-Verfahrensgebühr. Der Gegenstandswert für das Bewilligungsverfahren beläuft sich auf 3.000 t. Bei der Abrechnung ist allerdings § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Zu rechnen ist wie folgt: 1. 2.

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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000 t) 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3335 VV RVG (Wert: 3.000 t) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 8.000 t = 652,60 t, ist nicht überschritten)

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434,30 t 222,00 t

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2. Teil

Prozesskostenhilfe

4.

abzgl. 1,3-Verfahrensgebühr aus 5.000 t, da insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt (§ 122 Nr. 3 ZPO) Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

– 434,20 t 222,00 t

ZPO

3.

42,18 t 264,18 v

5. Mehrwertvergleich im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren Wird im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ein Vergleich über weitergehende Gegenstände geschlossen, für deren Durchsetzung keine Prozesskostenhilfe beantragt war, erhöht sich der Wert des Gegenstands. Soweit aus dem Mehrwert nur die ermäßigte Verfahrensgebühr der Nr. 3337 VV RVG oder die Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV RVG anfällt, muss dieser Mehrwert gesondert ermittelt werden.

2.3968

Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 t. Die Parteien schließen sodann im Prozesskostenhilfeverfahren einen schriftlichen Vergleich über die 5.000 t sowie über weitere nicht anhängige 3.000 t. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.

2.3969

Der Gegenstandswert beläuft sich auf 8.000 t, wobei sich 5.000 t auf den Gegenstand des Antrags beziehen und 3.000 t auf den Mehrwert. Abzurechnen ist wie folgt:1 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3335 VV RVG (Wert: 5.000 t) 0,5-Verfahrensgebühr, Nrn. 3335, 3337 VV RVG (Wert: 3.000 t) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,0 aus 8.000 t = 456 t, ist nicht überschritten) 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 5.000 t) 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 3.000 t) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,5 aus 8.000 t = 684 t, ist nicht überschritten) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

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334,00 t 111,00 t 334,00 t 333,00 t

1.132,00 t

20,00 t 215,08 t 1.347,08 v

III. Bloßer Antrag auf Beiordnung Ist die Prozesskostenhilfe bereits bewilligt und beantragt der Anwalt für den Auftraggeber lediglich seine Beiordnung, ist fraglich, ob der volle Hauptsachewert anzusetzen ist. Dagegen spricht, dass es sich nicht um ein Bewilligungsverfahren im eigentlichen Sinne handelt; es werden hier nämlich weder die Erfolgsaussicht noch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geprüft. Daher könnte man gem. § 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG auf das Kosteninteresse abstellen, also auf die Höhe der voraussichtlichen Wahlanwaltsvergütung, von der der Antragsteller nach § 122 Nr. 3 ZPO befreit werden will. Von den Gerichtskosten ist er bereits befreit (§ 122 Nr. 1 ZPO). Der BGH2 hat dagegen in einem Beschwerdeverfahren (s. Rz. 2.2400) den vollen Wert der Hauptsache angenommen. Er hat dies damit begründet, dass der Antragsteller mit dem Antrag auf Beiordnung geltend mache, ohne die Beiordnung eines Anwalts nicht in der Lage zu sein, seine Rechte wahrzunehmen. Daher gehe es ihm also mit dem Beiordnungsantrag nicht (nur) um die Kosten, sondern um die Durchsetzung seiner Rechte.

1 Eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG fällt nicht an, da im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorschrieben ist. A.A. KG, Beschl. v. 3.8.2007 – 1 W 261/07, AGS 2008, 68 = KGReport Berlin 2007, 1019. 2 BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 = AGS 2010, 549 = FamRB 2011, 9.

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Prozesskostenhilfe

ZPO

2.3971 Bedeutung hat diese Fallgruppe zum einen in dem selteneren Fall, dass die Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt hat und dann später einen Anwalt beauftragen will, der zunächst seine Beiordnung beantragen soll. Größere Bedeutung hat sie bei dem Antrag auf Beiordnung eines anderen Anwalts, also bei einem Anwaltswechsel.

2.3972 Beispiel: Dem Kläger ist für seine Klage über 5.000 t Prozesskostenhilfe bewilligt. Er ist mit seiner bisherigen Anwältin nicht zufrieden und möchte nunmehr einen anderen Anwalt beiordnen lassen. Dieser stellt den Antrag auf seine Beiordnung anstelle der bisher beigeordneten Anwältin. Der Antrag wird jedoch abgelehnt. Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG nach dem voraussichtlichen Wert der Anwaltsgebühren dieser Instanz.

IV. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 1 ZPO 2.3973 Im Verfahren über Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO richtet sich der Gegenstandswert ebenfalls nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (§ 23a Abs. 1 Halbs. 1 RVG). Auch insoweit kann die Rspr. zur früheren Regelung des § 51 Abs. 2 BRAGO übernommen werden.

2.3974 Beispiel: Das Gericht hatte dem Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 t bewilligt. Später stellt sich heraus, dass die Partei unwahre Angaben zum Sachverhalt gemacht hat. Das Gericht hebt daraufhin die Prozesskostenhilfebewilligung gem. § 124 Nr. 1 ZPO auf. Der Gegenstandswert des Aufhebungsverfahrens bestimmt sich wiederum nach der Hauptsacheforderung und beträgt 5.000 t.

2.3975 Da in diesen Fällen der Anwalt in der Regel bereits in der Hauptsache tätig gewesen ist und damit gem. § 16 Nr. 2 RVG neben den Gebühren der Hauptsache keine weiteren Gebühren ausgelöst werden, kommt eine Wertfestsetzung in diesen Verfahren kaum in Betracht.

2.3976 Ausreichend ist, dass (auch) § 124 Nr. 1 ZPO zu prüfen ist. Der Hauptsachewert greift also auch dann, wenn der Aufhebungsgrund des § 124 Nr. 1 ZPO neben denen des § 124 Nr. 2–4 ZPO in Betracht kommt.1

2.3977 Dass hier auf den Hauptsachewert abzustellen ist, hat seinen Grund darin, dass in diesen Verfahren stets die Erfolgsaussichten der Hauptsache mitgeprüft werden müssen. In allen Fällen, in denen eine solche Prüfung erforderlich ist, ist auf den Hauptsachewert abzustellen.

2.3978 Soweit nur die Aufhebung für einen Teil der Hauptsache erfolgen soll, ist auch nur dieser Teilwert maßgebend.

2.3979 Unerheblich ist auch hier, ob ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war oder Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung. Auch die Höhe der Raten ist unerheblich.

V. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO 2.3980 In sonstigen Verfahren, die nicht auf Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung gerichtet sind, also in den Verfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO, ergibt sich der Gegenstandswert aus dem Kosteninteresse und ist nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG). Grund hierfür ist, dass in den Fällen des § 124 Nr. 2–4 ZPO die Erfolgsaussicht der Hauptsache keine Rolle spielt. Hier geht es um die Aufhebung der Prozesskostenhilfe aus anderen Gründen.

1 Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anhang Gegenstandswert Rz. 268.

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Prozesskostenhilfe

2. Teil

2.3981

Hinsichtlich der Anwaltsgebühren ist dabei auf die Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da bei Aufhebung die Partei ihrem Anwalt nicht nur die PKH-Vergütung schuldet, sondern die vollen Wahlanwaltsgebühren.

2.3982

Soweit bislang ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war, sind die gesamten Kosten anzusetzen.

2.3983

Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten für eine Klage auf Zahlung von 10.000 t Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts bewilligt worden. Die Klage wurde abgewiesen. Die von der Staatskasse gezahlten Anwaltskosten belaufen sich auf 1.032,33 t, die Gerichtskosten auf 798,00 t. Später wird ein Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 ZPO eingeleitet, weil sich herausgestellt hat, dass die Partei unwahre Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat.

2.3984

ZPO

Da es in den Verfahren nach §§ 124 Nr. 2 bis 4 ZPO um die gänzliche Aufhebung der zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe geht, sind sämtliche angefallenen und voraussichtlich noch anfallenden Kosten nach § 122 ZPO zu berücksichtigen, also Gerichtsgebühren, sonstige Gerichtskosten, wie etwa Auslagen für Zeugen und Sachverständige, und Anwaltskosten.

Das Kosteninteresse beläuft sich auf (1.032,33 t + 798,00 t =) 1.830,33 t, da die bedürftige Partei von diesem Betrag nach wie vor freigestellt bleiben will.

Soweit Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung, Einmalzahlung oder Rückzahlung aus dem Prozesserlös angeordnet war, ist auf die Mehrbeträge abzustellen, die sich jetzt ergeben. Gegebenenfalls ist auch das Interesse mitzuberücksichtigen, die Kosten jetzt auf einmal zahlen zu müssen.

2.3985

Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung i.H.v. 45 t bewilligt worden. Die voraussichtlichen Anwaltskosten belaufen sich auf 1.000 t und die voraussichtlichen Gerichtskosten auf 2.000 t.

2.3986

Es wird ein Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO eingeleitet, weil die Partei keine Raten mehr zahlt. Jetzt hätte der Mandant ohnehin (48 × 45 t =) 2.160 t selbst aufbringen müssen. Der Gegenstandswert beläuft sich also auf (3.000 t – 2.160 t =) 840 t. Dieser Wert ist ggf. zu erhöhen, da die 2.160 t jetzt nicht mehr in Raten getilgt werden können, sondern auf einmal zu zahlen sind. Zusätzlich wird man also auf das Zins- und Finanzierungsinteresse abstellen müssen. Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung i.H.v. 150 t bewilligt worden.

2.3987

Jetzt hätte der Mandant ohnehin die gesamten Kosten letztlich selbst aufbringen müssen. Der Gegenstandswert beläuft sich also lediglich auf das Interesse, den Betrag nicht auf einmal, sondern in Raten tilgen zu dürfen. Hier wird man nur auf das Zins- und Finanzierungsinteresse abstellen dürfen.

Eine Wertfestsetzung gem. § 33 RVG wird in diesen Fällen allerdings kaum Bedeutung haben, da 2.3988 der Anwalt in der Regel bereits in der Hauptsache tätig war und damit nachträgliche Aufhebungsverfahren nach § 16 Nr. 2 u. 3 RVG durch die Gebühren in der Hauptsache abgegolten sind. Selbständige Bedeutung gewinnt der Gegenstandswert daher nur, wenn ein anderer Anwalt im Aufhebungsverfahren beauftragt wird oder wenn seit Beendigung des Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG).1

1 AG Weilburg, Beschl. v. 4.8.2014 – 20 F 170/10, AGS 2015, 25; AG Trier, Beschl. v. 1.2.2014 – 37 F 177/10, AGS 2015, 24; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.2.2020 – L 10 SF 3437/19 E-B, AGS 2020, 218; OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 10 WF 973/18, AGS 2018, 447 = RVGreport 2018, 475.

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Prozesskostenhilfe

ZPO

VI. Abänderungsverfahren nach § 120a ZPO 2.3989 Geht es nicht um die Aufhebung, sondern nur um die Anordnung von Raten oder die Abänderung der Raten oder um eine Einmalzahlung, ist der Mehr- oder Minderbetrag der noch zu zahlenden Raten oder die Höhe der Einmalzahlung zugrunde zu legen.

2.3990 Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung von 45 t be-

willigt worden. Die gesamten von der Staatskasse übernommenen Kosten belaufen sich auf 2.400 t. Aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt der Anwalt die Herabsetzung auf 15 t, nachdem bereits acht Raten gezahlt worden sind. Maßgebend ist jetzt der Differenzbetrag der noch offenen Raten. Wenn es bei 45 t bliebe, wären noch 40 × 45 t zu zahlen, also 1.800 t. Werden die Raten dagegen auf 15 t herabgesetzt, sind nur noch 40 × 15 t zu zahlen, also 600 t. Der Gegenstandswert beläuft sich damit auf (1.800 t – 600 t =) 1.200 t.

2.3991 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel, jedoch belaufen sich die von der Staatskasse übernommenen Kosten auf lediglich 1.500 t.

Da bereits 360 t gezahlt und damit nur noch 1.140 t offen sind, wären auch bei der herabgesetzten Rate die gesamten Kosten abzuzahlen. Das Interesse der bedürftigen Partei geht hier letztlich also nicht auf eine Freistellung, sondern nur auf eine Streckung der Ratenzahlung. Daher wird man hier nur das Zinsinteresse an der Streckung der Raten berücksichtigen dürfen. Dieses dürfte wohl in der untersten Wertstufe liegen.

VII. Beschwerdeverfahren 1. Beschwerde gegen Versagung der Prozesskostenhilfe

2.3992 Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe ist strittig, welcher Gegenstandswert zugrunde zu legen ist.

2.3993 Nach einer Auffassung gilt § 23 Abs. 1 Halbs. 1 (vormals Anm. zu Nr. 3335 VV RVG) auch hier, so dass auch im Beschwerdeverfahren der volle Hauptsachewert anzusetzen ist.1

2.3994 Nach anderer Auffassung soll im Beschwerdeverfahren nur das Kosteninteresse gelten.2 2.3995 Zunächst einmal ist abzustellen auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG. Dies ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift die speziellere ist.

2.3996 Im Ergebnis ist dennoch auf den Hauptsachewert abzustellen, da die Wertung des § 23a RVG auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist. Der Gegenstand und das Interesse der Partei ist dasselbe wie im erstinstanzlichen Verfahren. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG durch die Versetzung der Wertvorschrift (vormals Anm. zu Nr. 3335 VV RVG) klargestellt hat, dass die Wertvorschrift nicht nur für die erstinstanzliche Verfahrensgebühr gelten soll, sondern für alle Gebühren.

1 BGH, Beschl. v. 28.4.2011 – IX ZB 145/09, AGS 2011, 305; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.6.2009 – 7 W 25/10, AGS 2010, 454; noch zu § 51 Abs. 2 BRAGO OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.7.1980 – 14 W 15/80, JurBüro 1980, 1853 m. Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.11.1991 – 12 W 83/91, MDR 1992, 524; OLG Jena, Beschl. v. 6.5.1994 – 4 W 181/93, OLG-NL 1994, 149; OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.2.1994 – 2 W 87/93, OLGR 1994, 111; OLG Koblenz (2. Senat), Beschl. v. 27.11.1991 – 2 W 415/91, JurBüro 1992, 325; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.1.1992 – 15 WF 1342/91, JurBüro 1993, 423. 2 VGH BW, Beschl. v. 12.3.2009 – 9 S 2832/08, NJW 2009, 1692 = AGS 2009, 404; VGH Bayern, Beschl. v. 11.12.2018 – 5 C 18.1236, JurBüro 2019, 190 = AGS 2019, 234. Beschl. v. 16.7.2009 – 10 C 09.874, RVGreport 2009, 397; OLG Koblenz (14. Senat), Beschl. v. 30.3.1990 – 14 W 108/90, JurBüro 1991, 253.

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2. Teil

Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage über 6.000 t. In der mündlichen Verhandlung stellt sich heraus, dass der Mandant unwahre Angaben zum Sachverhalt gemacht hat. Das Gericht hebt daher die Prozesskostenhilfebewilligung unter Berufung auf § 124 Nr. 1 ZPO auf. Hiergegen wird Beschwerde eingelegt.

2.3997

ZPO

Prozesskostenhilfe

Der Gegenstandswert richtet sich auch im Beschwerdeverfahren nach der Hauptsacheforderung und beträgt 6.000 t. Der Rechtsanwalt kann für seine Tätigkeit eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen.

Soweit sich die Beschwerde nur gegen eine Teil-Nichtbewilligung richtet, ist auch insoweit nur der Teilwert maßgebend.

2.3998

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Gegen den Kläger wird eine Widerklage i.H.v. 3.000 t erhoben, für die ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt wird.

2.3999

Später stellt sich heraus, dass zum Sachverhalt der Widerklage unwahre Angaben gemacht worden sind. Die Prozesskostenhilfe wird daher nur zur Widerklage aufgehoben. Hiergegen wird Beschwerde eingelegt. Der Gegenstandswert richtet sich im Beschwerdeverfahren nur nach dem Wert der Widerklage und beläuft sich somit auf 3.000 t.

2. Beschwerde gegen unterbliebene Beiordnung Hat das Gericht zwar Prozesskostenhilfe bewilligt, es aber abgelehnt, einen Anwalt beizuordnen und wird dagegen Beschwerde mit dem Ziel der Beiordnung erhoben, ist ebenfalls auf den Wert der Hauptsache abzustellen.1

2.4000

3. Beschwerde gegen eingeschränkte Beiordnung Hat das Gericht zwar Prozesskostenhilfe bewilligt und einen Anwalt beigeordnet, die Beiordnung aber 2.4001 eingeschränkt und wendet sich die Partei hiergegen mit der Beschwerde, so ist nicht auf die Hauptsache, sondern auf das Interesse an einer uneingeschränkten Bewilligung der Beiordnung abzustellen. Dieses Interesse ergibt sich aus den Kosten, die die Partei selbst tragen müsste, wenn es bei der Einschränkung verbliebe. Beispiel: Der auswärtige – aber noch im Gerichtsbezirk ansässige – Anwalt wird zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet. Der Anwalt legt für die Partei Beschwerde ein und beantragt die uneingeschränkte Beiordnung, weil ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt nicht eingeschränkt beigeordnet werden darf.

2.4002

Der Beschwerdewert ist jetzt mit dem Betrag der Reisekosten anzusetzen, die die Partei bei eingeschränkter Beiordnung selbst tragen müsste. Beispiel: Der außerhalb des Gerichtsbezirks ansässige Anwalt wird zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet. Der Anwalt legt für die Partei hiergegen Beschwerde ein, da sie eine uneingeschränkte Beiordnung begehrt. Sie trägt vor, durch die uneingeschränkte Beiordnung würden Verkehrsanwaltskosten erspart, die die Landeskasse anderenfalls zu zahlen hätte.2

2.4003

Hier dürfte wiederum auf die anfallenden Reisekosten abzustellen sein, ggf. beschränkt auf die Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts.

Das Gleiche gilt, wenn die Bewilligung und Beiordnung für einen bedürftigen mehreren Streitgenossen auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG beschränkt wird. In diesem Fall richtet sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gem. § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1, 23a Abs. 1

1 BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 = AGS 2010, 549. 2 BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – XII ZB 61/04, AGS 2004, 349 = BGHReport 2004, 1371 = MDR 2004, 1373.

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2.4004

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2. Teil

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Prozesskostenhilfe

RVG. Insoweit geht der BGH zu Recht von den vollen Gebühren aus, für die die Landeskasse nach § 7 Abs. 2 RVG bei uneingeschränkter Bewilligung eintreten müsse; er übersieht aber, dass dabei nicht von den Wahlanwaltsbeträgen nach § 13 RVG auszugehen ist, sondern von den Gebührenbeträgen des § 49 RVG.1 4. Beschwerde gegen Anordnung einer Ratenzahlung

2.4005 Richtet sich die Beschwerde dagegen, dass eine Ratenzahlung angeordnet worden ist, will die bedürftige Partei also ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten, dann ist wiederum auf das Kosteninteresse abzustellen (§ 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG).

2.4006 Das Kosteninteresse ergibt sich aus der Summe der insgesamt zu zahlenden Raten, also höchstens 48 Raten, es sei denn, die (voraussichtlichen) Anwalts- und Gerichtskosten sind geringer, so dass es nicht zu 48 Raten kommen wird.

2.4007 Beispiel: Das Gericht hat eine Ratenzahlung i.H.v. 15 t angeordnet. Die voraussichtlichen Anwalts- und

Gerichtskosten belaufen sich auf 5.000 t. Die Partei legt Beschwerde ein mit dem Ziel, ratenfreie Prozesskostenhilfe zu erhalten. Da bei 48 Raten zu 15 t lediglich 720 t zu zahlen sind, ist dieser Wert maßgebend. Abwandlung: Die gesamten Anwalts- und Gerichtskosten werden sich lediglich auf 600 t belaufen. Jetzt gilt der geringere Wert von 600 t.

2.4008 Soweit Raten bereits gezahlt sind, bleibt deren Wert außer Ansatz. 2.4009 Beispiel: Im Beispiel Rz. 2.4007 und in der Abwandlung waren bereits zehn Raten gezahlt. Im Beispiel bemisst sich der Wert jetzt lediglich auf 38 Raten zu 15 t, also 570 t. In der Abwandlung bemisst sich der Wert jetzt lediglich auf 30 t, da nur noch zwei Raten zu zahlen sind.

5. Beschwerde gegen die Höhe der Ratenzahlung

2.4010 Wird mit der Beschwerde lediglich die Höhe der angeordneten Raten angegriffen, sind zwei Interessenlagen des Antragstellers zu berücksichtigen. Etwas zu kurz greift daher die Auffassung des BGH,2 der nur auf die Differenz der angeordneten zu den vom Beschwerdeführer begehrten Ratenzahlungen abstellen will. Vielmehr gilt Folgendes: a) Abänderungsinteresse

2.4011 Führt die Abänderung der Ratenzahlung dazu, dass sich der insgesamt von der bedürftigen Partei zu zahlende Betrag verringert oder erhöht, so ist dieses Interesse auf jeden Fall in vollem Umfang zu berücksichtigen.

2.4012 Beispiel: Die Gesamtkosten (Gerichtskosten und Anwaltskosten) belaufen sich auf 3.000 t. Das Gericht hat Raten i.H.v. 45 t angeordnet. Vier Raten sind bereits gezahlt.

a) Der Antragsteller beantragt eine Herabsetzung der Raten auf 30 t. b) Die bedürftige Partei wehrt sich gegen eine Heraufsetzung der Raten auf 60 t.

1 BGH, Beschl. v. 30.1.2020 – II ZB 13/18, AGS 2020, 239. 2 BGH, Beschl. v. 12.9.2012 – XII ZB 658/11, AGS 2012, 32 m. Anm. N. Schneider.

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2. Teil

Prozesskostenhilfe

Ausgehend von den Gesamtkosten i.H.v. 3.000 t und bereits gezahlter vier Raten zu 45 t (= 180 t) verbleiben noch die offenstehen. Bei noch zu zahlenden 44 Raten wären danach zu zahlen. Der Restbetrag i.H.v. wäre zu erlassen. Würde entsprechend dem Antrag der bedürftigen Partei die Ratenzahlung auf 30 t herabgesetzt, so wären lediglich noch 44 × 30 t, also zu zahlen. Die bedürftige Partei würde somit nach Zahlung der 48 Monatsraten von weiteren freigestellt werden.

ZPO

Fall a): 2.820 t 1.980 t 840 t 1.320 t 660 t

Fall b): Im Fall b) würden sich weitere Raten i.H.v. 60 t ergeben. Insgesamt wären dann noch 44 × 60 t = zu zahlen.

2.640 t

Mit dieser Ratenzahlung würden somit die Gesamtkosten erreicht, so dass die Partei gegenüber der derzeitigen Ratenzahlung (45 t) noch weitere 660 t an die Landeskasse zurückzahlen müsste. In beiden Fällen ist demnach dieses Interesse von 660 t zu berücksichtigen.

b) Fälligkeitsinteresse Bislang nicht berücksichtigt ist, dass die Abänderung der Raten auch zu einer früheren bzw. späteren 2.4013 Fälligkeit führt, die ebenfalls wirtschaftliche Bedeutung hat. Beispiel: Die Gesamtkosten (Gerichts- und Anwaltskosten) belaufen sich auf 1.000 t. Das Gericht hat eine Ratenzahlung von 45 angeordnet, vier Raten sind bereits gezahlt.

2.4014

a) Die bedürftige Partei beantragt eine Herabsetzung der Raten auf 30 t. b) Die bedürftige Partei wehrt sich gegen eine Heraufsetzung der Raten auf 60 t. Unabhängig davon, ob die Raten herauf- oder herabgesetzt werden, erreichen die restlichen 44 Monatsraten immer den noch offenen Gesamtbetrag, so dass die bedürftige Partei auf jeden Fall die Gesamtkosten an die Landeskasse zurückzahlen muss.

Gleichwohl kann das Interesse der bedürftigen Partei jetzt nicht gleich „Null“ sein, denn auch die Fra- 2.4015 ge, ob ein Betrag in höheren oder in geringen Raten aufzubringen ist, hat wirtschaftliche Bedeutung. Dieser wirtschaftliche Wert ist nach billigem Ermessen zu schätzen. Hier könnte man jetzt zum einen 2.4016 auf das Zinsinteresse abstellen. Dies wäre m.E. allerdings zu kurz gedacht. Muss die bedürftige Partei höhere Raten zahlen, kommt sie angesichts ihrer angespannten Vermögensverhältnisse in Liquiditätsschwierigkeiten, was für sie zu gravierenderen Folgen führen kann als der Zinsschaden. M.E. wäre hier ein sachgerechter Anknüpfungspunkt der Gegenstandswert einer Zahlungsvereinbarung. Hierfür sieht der Gesetzgeber künftig in dem neuen § 31b RVG 20 % des Anspruchs vor. Dies ergäbe hier in beiden Fällen einen Gegenstandswert i.H.v. weiteren 132 t. c) Gesamtbetrachtung Führt die Abänderung der Ratenzahlung nur zu einer Verkürzung bzw. Verlängerung der Raten, müssen also auf jeden Fall die Gesamtkosten an die Landeskasse zurückgeführt werden, dürfte analog § 31b RVG nur auf das Interesse einer längerfristigen Ratenzahlung abzustellen sein, das m.E. mit 20 % der noch offenen Restforderung anzusetzen ist. Führt die Abänderung der Raten dagegen auch dazu, dass sich die zu zahlende Gesamtsumme verändert, dann ist auch noch die Differenz der Gesamtkosten hinzuzurechnen. In diesem Fall sind beide Interessenlagen zu berücksichtigen. Eine

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2.4017

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2. Teil

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ZPO

Veränderung der Raten führt nämlich nicht nur dazu, dass sich die insgesamt zu zahlende Summe ändert, sondern auch zu einer Veränderung der Liquidität der bedürftigen Partei.

2.4018 Es erscheint nicht sachgerecht, das Liquiditätsinteresse nur dann zu berücksichtigen, wenn sich die Höhe der Ratenzahlung auf das Gesamtergebnis nicht auswirkt. Das Liquiditätsinteresse spielt immer eine Rolle. 6. Beschwerde gegen die Abänderung der Ratenzahlung

2.4019 Hat das Gericht die Ratenzahlung nach § 120a ZPO abgeändert, also die Raten wegen Veränderung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse heraufgesetzt, und wird hiergegen Beschwerde erhoben, so ist nach den gleichen Grundsätzen zu bewerten wie bei einer Beschwerde gegen die Ratenzahlungsanordnung selbst.

2.4020 Zu berücksichtigen ist aber, dass bereits gezahlte Raten insoweit außer Ansatz bleiben, da sich die Abänderung nach § 120a ZPO nur auf zukünftige Raten bezieht. 7. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 1 ZPO

2.4021 Hier ist nach zutreffender Ansicht ebenso zu bewerten wie bei einer Beschwerde gegen die Versagung der PKH-Bewilligung (s. Rz. 2.3992). 8. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 2 bis 4 ZPO

2.4022 Hier ergeben sich keine Probleme, da es sowohl nach § 23a Abs. 1 Halbs. 2 RVG als auch nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG auf das Interesse des Beschwerdeführers, also auf das Kosteninteresse ankommt.

2.4023 Legt der Anwalt also beispielsweise Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss ein, der sich auf die Gründe des § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO stützt, bestimmt sich der Wert nach dem Kosteninteresse.

2.4024 Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage über 6000 t. Hierbei versichert der Mandant an Eides statt, dass er über kein Vermögen verfügt. In der mündlichen Verhandlung stellt sich heraus, dass der Mandant ein erhebliches Sparvermögen nicht angegeben hat. Das Gericht hebt die Prozesskostenhilfe-Bewilligung daher unter Berufung auf § 124 Nr. 1 ZPO auf. Der Rechtsanwalt legt hiergegen Beschwerde ein. Der Gegenstandswert richtet sich auch im Beschwerdeverfahren nach den Wahlanwaltskosten, die die Partei jetzt selbst zahlen muss.

9. Beschwerde im Verfahren der Rechtswegverweisung

2.4025 Ist Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens allein die Frage, ob eine Rechtswegverweisung für das Prozesskostenhilfeverfahren möglich ist, so ist lediglich ein Bruchteil des Hauptsachestreitwerts anzusetzen, den der BGH mit einem Viertel bewertet.1

VIII. Rechtsbeschwerde 2.4026 Im Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die gleichen Bewertungen wie im Beschwerdeverfahren. Abzustellen ist auch hier auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG.

1 Beschl. v. 21.3.2016 – IX ZB 61/15, RVGreport 2016, 233.

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Prozesskostenhilfe

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2. Teil

Im Verfahren auf Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung (§ 55 RVG) entstehen keine Gebühren, da der Anwalt diese Tätigkeit nicht für den Mandanten erbringt, sondern im eigenen Interesse. Solche Tätigkeiten sind zudem durch die jeweiligen Gebühren mitabgegolten (§ 16 Nr. 10 RVG).

2.4027

D. Die Wertfestsetzung In allen diesen Fällen, in denen Gebühren nur im Verfahren über die Bewilligung, Aufhebung oder 2.4028 Abänderung der Prozesskostenhilfe anfallen, muss das Gericht auf Antrag eines Beteiligten den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit festsetzen.1 Die Festsetzung erfolgt nur auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG. Eine Festsetzung von Amts wegen ist unzulässig, obwohl sie regelmäßig – selbst beim BGH2 – vorkommt. Solche Wertfestsetzungen sind gegenstandslos und auf Beschwerde oder Gegenvorstellung hin aufzuheben.3 Die Festsetzung darf nur auf Antrag vorgenommen werden.

2.4029

Antragsberechtigt sind immer der Anwalt und sein Auftraggeber.

2.4030

Ein Gegner kann nicht antragsberechtigt sein, da eine Kostenerstattung in diesen Verfahren ausgeschlossen ist.

2.4031

Ausnahmsweise kann auch die Landeskasse antragsberechtigt sein, wenn für das Prozesskostenhilfeverfahren seinerseits – zumindest für einen dort geschlossenen Vergleich – Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

2.4032

E. Nachfolgendes Hauptsacheverfahren Kommt es nachfolgend zum Hauptsacheverfahren, gehen die im Prozesskostenhilfeverfahren ver- 2.4033 dienten Gebühren in den Gebühren der Hauptsache auf. Unzutreffend insoweit der BGH,4 der von einer Anrechnung ausgeht. Obwohl hier verschiedene Gegenstände zugrunde liegen (einerseits Bewilligung der Verfahrenskos- 2.4034 tenhilfe – andererseits Hauptsache), werden die Werte von Bewilligungsverfahren und Hauptsacheverfahren nicht zusammengerechnet. Nach § 23a Abs. 2 RVG entstehen insgesamt nur die Gebühren aus der Hauptsache.5

1 BGH, Beschl. v. 30.1.2020 – II ZB 13/18, AGS 2020, 239. Siehe dazu auch „Teil 1 – Verfahrensrecht“, Rz. 1.813 ff. 2 So z.B. im Beschl. v. 10.12.2019 – XI ZR 180/19, und das sogar noch in einem Fall, in dem die Partei selbst ohne Hinzuziehung eines Anwalts die Prozesskostenhilfe selbst beantragt hatte. 3 Siehe dazu Rz. 1.129 ff. 4 BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – I ZR 142/06, AGS 2008, 435 = FamRZ 2008, 982. 5 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2014 – 19 E 612/14.

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IX. Vergütungsfestsetzung

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2. Teil

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Prozesstrennung

ZPO

Prozesstrennung A. Allgemeines 2.4035 Gemäß § 145 ZPO können auf Anordnung des Gerichts mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden. Ziel der Verfahrenstrennung ist es, den Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten, wenn dies durch eine Anspruchshäufung erschwert wird, ferner einer Prozessverschleppung wegen des Streits nur in einzelnen Punkten entgegenzuwirken.1 Die Möglichkeit zum Erlass eines Teilurteils kann der Abtrennung entgegenstehen.2 Eine Notwendigkeit zur Prozesstrennung und anschließenden Verweisung (§ 281 ZPO) kann sich auch aus der fehlenden Zuständigkeit des Prozessgerichts für einen der erhobenen Ansprüche ergeben.3

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.4036 Auf eine einmal begründete Zuständigkeit (§ 5 ZPO) hat die Prozesstrennung naturgemäß keinen Einfluss, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

2.4037 Im Fall der Prozesstrennung bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die erhobenen Ansprüche bis zur Trennung einheitlich, im Anschluss daran sind die getrennten Verfahren selbständig zu bewerten.4 Besondere Streitwertvorschriften sind dabei nicht zu beachten.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4038 Gegen die Anordnung oder Ablehnung der Prozesstrennung ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet. Hingegen kann das Rechtmittel gegen das Urteil darauf gestützt werden, dass § 145 ZPO verfahrensfehlerhaft angewandt worden ist,5 was wiederum eine Aufhebung und Zurückverweisung (§ 538 ZPO) rechtfertigt.6

2.4039 Eine unzulässige Prozesstrennung hat auf die Rechtsmittelfähigkeit der danach ergehenden mehreren Urteile keinen Einfluss; für die Beschwer sind sie – anders als bei einer zulässigen Trennung – als Einheit zu behandeln.7 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sämtliche durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangen.8

1 BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269. 2 BGH, Urt. v. 30.10.1956 – I ZR 82/55, NJW 1957, 183; offenlassend in BGH, Beschl. v. 4.4.2019 – V ZB 108/18, MDR 2019, 757 – Abtrennung einer Widerklage. 3 Zum Gebührenanfall und Verrechnung des Gerichtskostenvorschusses: OLG München, Beschl. v. 1.3.1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 4 BGH, NJW 2000, 217; OLG München, Beschl. v. 1.3.1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 5 BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269; OLG Naumburg, Urt. v. 28.2.2002 – 3 U 51/01, OLGR 2002, 526; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rz. 6a. 6 OLG Naumburg, Urt. v. 28.2.2002 – 3 U 51/01, OLGR 2002, 526. 7 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217; BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269; VGH Bay., Entsch. v. 22.9.2000 – Vf. 102-VI-99, NJW 2001, 2962. 8 BGH, Beschl. v. 4.4.2019 – V ZB 108/18, MDR 2019, 757; BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269.

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Prozess- und Sachleitung

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2. Teil

Anträge und Verhandlungen, welche die Prozessleitung betreffen, lösen keine wertabhängigen Gerichtsgebühren aus, im Beschwerdeverfahren entsteht eine Festgebühr (Nr. 1812 KV GKG); es fallen lediglich Anwaltsgebühren an. Deren Gegenstandswert entspricht nicht dem Streitwert des Hauptverfahrens. Maßgeblich ist vielmehr das Interesse der antragstellenden Partei an der prozessleitenden Entscheidung,1 welches sich in der Regel nicht mit dem Interesse des Antragstellers deckt, im Rechtsstreit zu obsiegen.2 Gegen eine Heranziehung des Streitwerts der Hauptsache spricht bereits, dass mit der Anfechtung prozessleitender Anordnungen (§ 567 Abs. 1 ZPO) keine inhaltliche Ausgestaltung der Sachentscheidung, sondern nur deren prozessordnungsgemäße Herbeiführung begehrt wird. Folglich ist eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 3 ZPO geboten.3

2.4040

Für einen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung hat das OLG Düsseldorf 4 den Ge- 2.4041 genstandswert nach § 3 ZPO mit 1/3 des Hauptsachewertes, das OLG Köln5 unter Hinweis auf die Bewertung der Aussetzung mit 1/5 und das OLG Nürnberg6 mit 1/10 geschätzt. Verfehlt ist es dagegen, auf den vollen Wert der Hauptsache abzustellen, wenn wegen „unzureichender Vorbereitung“ eines Prozessbevollmächtigten eine Beilegung des Rechtsstreits ausbleibt und vertagt werden muss.7 Denn der Streitwert kann nicht in Abhängigkeit zur Qualität anwaltlicher Leistung gestellt werden. Möglicherweise kommt die Verhängung einer Verzögerungsgebühr gem. § 38 GKG in Betracht. Ebenso ist nach § 3 ZPO zu bewerten, wenn Streit darüber besteht, ob eine Aussetzung des Rechts- 2.4042 streits geboten oder eine dahingehende Anordnung rechtmäßig ist.8 Hier entspricht der Gegenstandswert regelmäßig 1/5 des Hauptsachewertes, wenn nicht besondere Umstände auf ein besonderes Interesse des Antragstellers schließen lassen.9 Siehe hierzu auch unter dem Stichwort „Aussetzung“, Rz. 2.522. Eine Bruchteilsbewertung des Hauptsachewerts ist ferner angemessen, wenn – während des laufenden Verfahrens – über einen Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 ZPO zu entscheiden ist.10 Siehe hierzu ausführlich unter dem Stichwort „Zuständigkeit“ Rz. 2.6363.

2.4043

Geht es um die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen eine Partei (§ 141 Abs. 3 ZPO), einen Zeugen (§ 380 Abs. 1 u. 2 ZPO), einen Sachverständigen (§ 409 Abs. 1, § 411 Abs. 2 ZPO) oder das Sitzungspublikum (§ 178 GVG) ist danach zu unterscheiden, ob bereits dessen Androhung oder erst dessen Verhängung angegriffen wird. Wendet sich der Betroffene bereits gegen die Androhung des Ordnungsmittels, ist eine Bruchteilsbewertung von in der Regel 1/5 des Ordnungsgeld-Höchstbetrages

2.4044

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2013 – 8 W 771/13, NJW-Spezial 2013, 571; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.42. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2013 – 8 W 771/13, NJW-Spezial 2013, 571; a.A. OLG München, OLGE 25, 85; OLG Düsseldorf, JMBl.NW 1956, 187; OLG Hamm, Beschl. v. 19.8.1971 – 15b W 73/71, NJW 1971, 2317 – alle zur Aussetzung. 3 BGH, Beschl. v. 29.11.1956 – III ZR 4/56, NJW 1957, 242 – Aussetzung. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.2.1990 – 10 W 11/90, MDR 1990, 561; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1959 – 10 W 316/58, JurBüro 1959, 214. 5 OLG Köln, Beschl. v. 8.3.2017 – 19 W 12/17. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2013 – 8 W 771/13, NJW-Spezial 2013, 571; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.3.2011 – 18 WF 18/11; KG, AGS 2003, 81. 7 So aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1993 – 17 W 37/93, JurBüro 1994, 158. 8 BGH, Beschl. v. 29.11.1956 – III ZR 4/56, BGHZ 22, 283 = NJW 1957, 242. 9 BGH, Beschl. v. 25.7.2019 – I ZB 82/18, MDR 2019, 1524; OLG Braunschweig, Beschl. v. 18.1.2019 – 3 W 5/18, MDR 2019, 441; OLG Köln, Beschl. v. 8.3.2017 – 19 W 12/17; OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.7.2019 – 14 W 26/19, NJW-RR 2019, 1408. 10 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR 9/07, MDR 2008, 473; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2006 – 4 SmA 21/06, NZG 2006, 902; OLG Köln, AGS 2003, 205.

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Prozess- und Sachleitung

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2. Teil

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Prozess- und Sachleitung

ZPO

geboten.1 Begehrt der Betroffene dagegen die Aufhebung des Ordnungsmittel-Beschlusses, bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des verhängten Betrages.2

2.4045 Eine die Verhängung ablehnende Entscheidung kann von den Parteien mangels Beschwer nicht angegriffen werden. Anders liegt es jedoch bezüglich der Entscheidung des Gerichts, dem Zeugen oder Sachverständigen nicht die durch ihr Fernbleiben verursachten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.3 Hier bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der insoweit angefallenen Kosten. Siehe im Übrigen auch unter dem Stichwort „Ordnungsmittel“, Rz. 2.3782.

2.4046 Ordnet das Gericht die Trennung in einer Klage erhobener prozessualer Ansprüche an (§ 145 ZPO), so bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die erhobenen Ansprüche bis zur Trennung einheitlich, im Anschluss daran sind die getrennten Verfahren selbständig zu bewerten.4 Auf eine einmal begründete Zuständigkeit (§ 5 ZPO) hat die Prozesstrennung keinen Einfluss, arg. § 261 ZPO. Die Beschwer der nachfolgenden Entscheidungen wird, wenn die Trennung nicht ohne jeden sachlichen Grund erfolgte, im jeweiligen Verfahren ermittelt.5 Siehe ferner unter dem Stichwort „Prozesstrennung“, Rz. 2.4035.

2.4047 Letzteres gilt auch bei gerichtlicher Anordnungen der Verbindung bei ihm anhängiger Prozesse (§ 147 ZPO), d.h. die sachliche Zuständigkeit des anordnenden Gerichts bleibt erhalten.6 Davon abweichend sind die Werte der verbundenen Verfahren ausnahmsweise zu addieren (§ 5 ZPO), wenn sich der Kläger durch eine willkürliche Aufspaltung seines Gesamtanspruchs in mehrere Prozesse, die Zuständigkeit des AG (§ 23 Nr. 1, § 71 GVG) erschleichen wollte.7 Siehe auch unter dem Stichwort „Prozessverbindung“, Rz. 2.4049.

2.4048 Wendet sich eine Partei mit der gesetzlich nicht geregelten Untätigkeitsbeschwerde gegen eine unzureichende Förderung des Verfahrens durch das Gericht, dann bestimmt sich der Beschwerdewert nach dem Interesse des Beschwerdeführers an einer zeitnahen Entscheidung des Rechtsstreits, § 3 ZPO. Da es um den Zeitpunkt und nicht den Inhalt der Entscheidung geht, ist eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen. Soweit nicht Besonderheiten des Einzelfalles, wie beispielsweise die drohende Insolvenz des Beklagten, eine abweichende Bewertung rechtfertigen, dürfte der Ansatz von 1/5 des Hauptsachewertes angemessen sein.8 Neben der mittlerweile eingeführten Verzögerungsrüge gem. § 198 GVG dürfte für eine Untätigkeitsbeschwerde ohnehin kein Raum mehr sein.9

1 OLG München, Beschl. v. 18.6.1980 – 25 W 1260/80, MDR 1980, 1029, ZSW 1981, 68. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZB 4/07, MDR 2007, 1090 ohne Begründung; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Ordnungsgeld“ Rz. 1; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.125. 3 Zöller/Greger, § 380 ZPO Rz. 9. 4 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217; OLG München, Beschl. v. 1.3.1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 5 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217. 6 RGZ 6, 417; Zöller/Greger, § 147 ZPO Rz. 8; Prütting/Gehrlein/Dörr, § 147 ZPO Rz. 6; Thomas/Putzo/ Reichold, § 147 ZPO Rz. 10. 7 KG, Beschl. v. 5.1.2017 – 2 AR 61/16, MDR 2017, 846; OLG Hamm, Beschl. v. 13.9.2013 – 32 SA 65/13, MDR 2013, 1307. 8 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2008 – 5 W 46/08, BauR 2009, 1933 mit einem nicht näher begründeten Ansatz von 1/5 der Klageforderung; OLG Rostock, Beschl. v. 4.9.2009 – 3 W 74/09, OLGR 2009, 959: 1.000 t. 9 OLG Celle, Beschl. v. 16.11.2016 – 23 SchH 7/16, MDR 2017, 233.

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Prozessverbindung

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2. Teil

ZPO

Prozessverbindung A. Allgemeines Gemäß § 147 ZPO können mehrere selbständige Prozesse miteinander zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden (§ 147 ZPO). Ziel der Prozessverbindung ist eine prozessökonomische Bearbeitung des ohne sachlichen Grund in mehrere Verfahren zerlegten Streitstoffes.1

2.4049

B. Zuständigkeitsstreitwert Auf den Zuständigkeitsstreitwert hat die Prozessverbindung keinen Einfluss, die bisherige Zuständig- 2.4050 keit des AG bleibt unberührt, § 261 Abs. 3 Nr. 2, § 506 Abs. 1 ZPO.2 Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Kläger durch eine willkürliche Aufspaltung seines Gesamtanspruchs in mehrere Prozesse die sachliche Zuständigkeit (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) erschleichen wollte.3

C. Gebührenstreitwert Die Anordnung der Verbindung ist auf die bereits entstandenen Gebühren sowie auf die Streitwerte beider Prozesse bzw. Rechtsmittel vor der Verbindung ohne Einfluss.4 Deshalb sind bis zur Verbindung auch getrennte Streitwerte festzusetzen, da zumindest die Verfahrensgebühren nach unterschiedlichen Werten angefallen sind.5 Das gilt auch dann, wenn das Gesetz – wie in § 246 Abs. 3 AktG – die Verbindung mehrerer Prozesse zwingend vorschreibt.6

2.4051

Ab Verbindung bestimmen sich die Gebühren nach dem neuen Streitwert, der – soweit kein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt – durch Addition der Einzelwerte der verbundenen Sachen ermittelt wird. Das soll auch bei prozessrechtlich unzulässiger Verbindung gelten.7 Allerdings kann der Streitwert nach Verbindung nicht höher sein, als bei einer ursprünglichen Klagehäufung.8

2.4052

Werden verschiedene Prozesse hingegen nach Anordnung nur gemeinsam verhandelt, nicht aber auch gemeinsam entschieden,9 fehlt es an einer streitwerterheblichen Verbindung i.S.d. § 147 ZPO. In einem derartigen Fall muss eine Wertaddition unterbleiben und es ist nach Einzelstreitwerten abzurechnen.10

2.4053

1 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rz. 1. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2014 – 32 SA 32/14, MDR 2014, 1106; RGZ 6, 417; Zöller/Greger, § 147 ZPO Rz. 8. 3 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rz. 8. 4 BGH, Beschl. v. 10.5.2010 – II ZB 14/09, MDR 2010, 959 = NJW-RR 2010, 1697; OLG München, Beschl. v. 8.4.1999 – 11 W 1231/99, MDR 1999, 829; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251. 5 OLG Köln, VersR 1992, 518. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2009 – 10 W 59/09, JurBüro 2009, 542. 7 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.6.2020 – 4 T 28/20 betr. Verbindung von Hauptsache- und einstweiligem Rechtsschutzverfahren. 8 BGH, Beschl. v. 16.7.2015 – IX ZR 136/14; OLG Celle, JurBüro 1987, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.2.2009 – 17 W 08/09, AG 2009, 666; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251. 9 Siehe dazu Schneider, MDR 1974, 7 ff. 10 OLG München, Beschl. v. 28.11.1989 – 11 W 2823/89, MDR 1990, 345 Nr. 72; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.130.

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2. Teil

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Prozesszinsen

ZPO

2.4054 Ohne Verbindungsbeschluss treten gebührenerhöhende Rechtsfolgen nicht ein, auch dann nicht, wenn mehrere Sachen im selben Termin verhandelt und die eine im Prozessvergleich über die andere miterledigt wird.1 Wohl kann ein Verbindungsbeschluss mündlich oder sogar stillschweigend erlassen werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Verbindungsbeschluss schriftlich fixiert, etwa ins Protokoll aufgenommen wird.2 Jedoch muss sich ein Verbindungswille des Gerichts aus erkennbaren Umständen ergeben.

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 2.4055 Bei der Verbindung einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Mietverhältnisses mit einer Leistungsklage auf rückständigen Mietzins, ist für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes der nach § 41 Abs. 1 GKG ermittelte Wert der Feststellungsklage nicht mit dem Wert der Leistungsklage zusammenzurechnen, wenn lediglich das Mietverhältnis streitig ist, nicht aber die Höhe des Mietzinses.3

2.4056 Erheben mehrere Aktionäre in verschiedenen Prozessen Anfechtungsklage gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss, soll sich nach einer Verbindung der Klagen, die Kläger sind notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO), der Gesamtstreitwert nach dem höchsten Einzelstreitwert bestimmen.4

2.4056a Siehe unter dem Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, Rz. 2.130 ff. 2.4057 Werden nach erfolgter Hauptintervention (§ 64 ZPO) der Interventionsprozess und der Hauptprozess gem. § 147 ZPO miteinander verbunden, sind die Einzelwerte mangels Gleichlaufs der wirtschaftlichen Interessen zu addieren.5

Prozesszinsen A. Begriff 2.4058 Prozesszinsen sind in § 291 Satz 1 BGB geregelt. Danach hat der Schuldner einer Geldschuld diese von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Da der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bei Einreichung der Klage noch ungewiss ist, kann Verzinsung ab Rechtshängigkeit beantragt werden. Das Gericht muss im späteren Tenor dann das Datum einsetzen. Der Zinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Klageverfahren 2.4059 Für den Zuständigkeitsstreitwert eines Klageverfahrens spielen Prozesszinsen keine Rolle, da sie als Nebenforderung außer Ansatz bleiben (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). 1 2 3 4

VGH BW, Beschl. v. 9.8.1995 – 8 S 1458/95, n.v.; LAG Baden-Württemberg, BB 1983, 2188. OLG Celle, JW 1933, 550. OLG Karlsruhe, Justiz 1980, 272. BGH, Beschl. v. 10.5.2010 – II ZB 14/09, MDR 2010, 959 = ZIP 2010, 1413; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251. 5 BGH, Beschl. v. 16.7.2015 – IX ZR 136/14.

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Prozesszinsen

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2. Teil

Wird nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid das streitige Verfahren durchgeführt und wird 2.4060 nur noch ein Teil der geltend gemachten Ansprüche weiter verfolgt, aber die Zinsen aus dem vollen Betrag, auch soweit dieser nicht mehr im streitigen Verfahren geltend gemacht wird, handelt es sich nicht um Prozesszinsen. An der für Prozesszinsen vorausgesetzten Rechtshängigkeit des Hauptsacheanspruchs fehlt es, wenn nur ein Teil im streitigen Verfahren geltend gemacht wird. Zwar fingiert § 696 Abs. 3 ZPO den Eintritt der Rechtshängigkeit bereits mit Zustellung des Mahnbescheids, aber nur, soweit die Ansprüche tatsächlich auch rechtshängig und damit zur „Streitsache“ i.S.d. § 696 Abs. 3 ZPO geworden sind. Das werden sie aber nur, soweit sie auch begründet werden (§ 697 Abs. 2 ZPO). Fehlt es daran, können nur vertragliche Zinsen, Fälligkeits- und Verzugszinsen geltend gemacht werden. Zu deren Bewertung s. das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff. Beispiel: Der Antragsteller macht per Mahnbescheid 20.000 t nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids gegen den Antragsgegner geltend. Dieser legt Widerspruch ein und zahlt 15.000 t. Daraufhin beantragt der Antragsteller die Abgabe an das Streitgericht und die Durchführung des streitigen Verfahrens wegen der dann noch offenen 5.000 t sowie sämtlicher Zinsen.

2.4061

Die Zinsen aus den 5.000 t bleiben als Prozesszinsen gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt. Bei den Zinsen aus den weiteren 15.000 t handelt es sich nicht um Prozesszinsen, da die 15 000 t mangels Anspruchsbegründung nie anhängig geworden sind. Der Antragsteller kann diese lediglich als vertragliche Zinsen, Fälligkeits- und Verzugszinsen verlangen. Insoweit sind sie allerdings keine Nebenforderung, sondern zusätzlich zu bewerten, so dass das LG zuständig wäre. Siehe das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff.

Anders verhält es sich nach einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid. Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid führt bereits zum Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 700 Abs. 2 ZPO), mit der Maßgabe, dass die Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids zurückfingiert wird. Wird hinsichtlich der Hauptsache nur eingeschränkt Einspruch eingelegt, aber hinsichtlich der Zinsen in vollem Umfang, dann handelt es sich um Prozesszinsen, die insoweit zu berücksichtigen sind, als sie aus den erledigten Ansprüchen resultieren.

2.4062

Beispiel: Der Antragsteller hatte per Mahnbescheid 20.000 t nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids geltend gemacht. Da der Antragsgegner keinen Widerspruch eingelegt hat, ist ein Vollstreckungsbescheid über die 20.000 t nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids ergangen. Gegen den Vollstreckungsbescheid legt der Antragsgegner nunmehr Einspruch ein, beschränkt diesen jedoch auf einen Teilbetrag von 5.000 t sowie auf die Zinsen aus den gesamten 20.000 t. Daraufhin wird die Sache an das AG abgegeben.

2.4063

Die Zinsen aus den mit dem Einspruch nicht angegriffenen 15.000 t sind zwar Prozesszinsen. Sie bleiben jetzt jedoch nicht gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt, da sie nicht (mehr) vom Bestand der Hauptforderung abhängen und somit keine Nebenforderung mehr sind. Der Streitwert liegt daher auf jeden Fall über 5.000 t, so dass nicht das AG, sondern das LG zuständig ist.

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Grundsatz Für den Gebührenstreitwert gilt § 43 Abs. 1 GKG. Prozesszinsen haben zwar ihren Wert (s. das Stich- 2.4064 wort „Zinsen“, Rz. 2.6307). Sie werden jedoch als Nebenforderung nicht zur Hauptsache hinzugerechnet, soweit Gerichtsgebühren aus dem Wert der zugehörigen Hauptsache anfallen. 2. Erstinstanzliches Verfahren Für das erstinstanzliche Verfahren können Prozesszinsen grundsätzlich keine Rolle spielen, da Pro- 2.4065 zesszinsen begrifflich schon voraussetzen, dass die Hauptsache, aus der sie sich ergeben, rechtshänSchneider

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II. Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren

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2. Teil

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Prozesszinsen

gig war. Da im erstinstanzlichen Verfahren die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen aber nur einmal erhoben wird, und die Gebühr logischerweise bereits aus dem Wert der Hauptsache angefallen sein muss, kann der Wert der Zinsen hier wegen § 43 Abs. 1 GKG keine Rolle spielen. Eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG hat daher insoweit zu unterbleiben. 3. Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren

2.4066 Kommt es nach einem Mahnverfahren auf Widerspruch oder Einspruch hin zur Durchführung des streitigen Verfahrens, können sich Stufenstreitwerte ergeben. Hinsichtlich der Bewertung gilt das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert (s. Rz. 2.4059 ff.). Daher können sich hier die Gebühren aus unterschiedlichen Werten ergeben. Das Gericht muss dann für das Mahnverfahren und das streitige Verfahren gesonderte Werte festsetzen.

2.4067 Beispiel: Wie Beispiel Rz. 2.4063. Das Gericht setzt den Wert für das Mahnverfahren auf 20.000 t fest und den Wert für das streitige Verfahren auf 6.000 t (5.000 t restliche Hauptforderung + 1.000 t Zinsen).

Angefallen ist im Mahnverfahren eine 0,5-Gebühr (Nr. 1110 KV GKG) aus 20.000 t und im streitigen Verfahren eine 3,0-Gebühr aus 6.000 t (Nr. 1210 KV GKG), wobei 0,5 aus 6.000 t anzurechnen sind (Anm. zu Nr. 1210 KV GKG). Zu rechnen ist also wie folgt: 0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert 20.000 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert 6.000 t) gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5-Gebühr aus 6.000 t Gesamt

191,00 t 546,00 t – 91,00 t 646,00 v1

4. Rechtsmittelverfahren a) Rechtsmittel gegen Hauptsache und Zinsen

2.4068 Soweit sich das Rechtsmittel auch gegen die Hauptsache richtet, aus der sich die Prozesszinsen berechnen, bleiben die Prozesszinsen gem. § 43 Abs. 1 GKG wiederum außer Ansatz. b) Rechtsmittel nur gegen Zinsen

2.4069 Soweit sich das Rechtsmittel nur gegen die Prozesszinsen richtet, sind diese nach § 43 Abs. 2 GKG mit ihrem Wert zu berücksichtigen. Maßgebend ist der Wert der bis zur Einlegung des Rechtsmittels angefallenen Prozesszinsen zzgl. der zukünftigen Zinsen (§ 40 GKG). Ihr Wert darf den der Hauptsache jedoch nicht übersteigen (§ 43 Abs. 1, § 47 Abs. 2 GKG). c) Rechtsmittel nur gegen einen Teil der Hauptsache und Zinsen aus nicht angegriffenem Teil der Hauptsache

2.4070 Soweit sich das Rechtsmittel gegen einen Teil der Hauptsache richtet und darüber hinaus gegen Prozesszinsen aus einem nicht angegriffenen Teil der Hauptsache, bleiben die Zinsen, die auf die angefochtene Hauptsache entfallen, gem. § 43 Abs. 1 GKG wiederum außer Ansatz. Die Prozesszinsen aus dem erledigten Teil sind dagegen jetzt nach § 43 Abs. 2 GKG zu bewerten und mit der Hauptforderung nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen.

2.4071 Beispiel: Eingeklagt waren 20.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Der Beklagte wird verurteilt, 20.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Er legt Berufung ein, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 5.000 t zu zahlen, sowie wegen der gesamten Zinsen.

1 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 20 000 t (= 1146 t), ist nicht erreicht.

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Prozesszinsen

2. Teil

Beispiel: Eingeklagt waren 20.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 15.000 t gezahlt. Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache wird der Beklagte verurteilt, 5.000 t zu zahlen, nebst Prozesszinsen aus 20.000 t bis zur Zahlung der 15.000 t und ab dann aus den restlichen 5.000 t. Gegen das Urteil legt der Beklagte im vollem Umfang Berufung ein.

ZPO

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beläuft sich auf 5.000 t zzgl. der Prozesszinsen aus den nicht angefochtenen 15.000 t. Die Zinsen aus den 5.000 t bleiben dagegen wiederum als Nebenforderung außer Ansatz.

2.4072

Der Streitwert des Berufungsverfahrens berechnet sich auf 5000 t zzgl. der Prozesszinsen aus den gezahlten 15.000 t. Die Zinsen aus den 5.000 t werden dagegen nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG).

d) Wechselseitige Rechtsmittel einerseits gegen Zinsen, andererseits gegen Hauptsache Im Falle wechselseitiger Rechtsmittel kann § 43 Abs. 1 GKG greifen. Legt der Kläger Rechtsmittel gegen 2.4073 die Abweisung seines Zinsantrags ein und der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Hauptsache, so werden die Werte der Rechtsmittel insoweit nicht addiert, soweit die angefochtenen Zinsen aus der angefochtenen Hauptsache resultieren.1 Soweit sich die angefochtenen Zinsen dagegen aus einem nicht angefochtenen Teil der Hauptsache berechnen, ist deren Wert nach § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen.

II. Anwaltsgebühren Für den Anwalt gilt über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gleiche wie für die Gerichtsgebühren. Hier kann 2.4074 es allerdings für die einzelnen Gebühren auch zu unterschiedlichen Werten kommen (Stufenstreitwerte). Beispiel: Eingeklagt waren 20.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 15.000 t gezahlt. Nach schriftsätzlich übereinstimmend erklärter Erledigung der Hauptsache wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und dort über die restlichen 5.000 t sowie die gesamten Zinsen verhandelt.

2.4075

Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) beläuft sich auf 20.000 t. Die Prozesszinsen werden gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet. Der Gegenstandswert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) beläuft sich auf 5.000 t zzgl. der bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung angefallen Zinsen aus den erledigten 15.000 t. Beispiele: Eingeklagt waren 20.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens erkennt der Beklagte die Hauptforderung an. Über die Zinsen schließen die Parteien einen Vergleich.

2.4076

Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) beläuft sich auf 20.000 t. Die Prozesszinsen werden gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet. Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) beläuft sich auf den Wert der Zinsen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG).

D. Rechtsmittelstreitwert Für den Rechtsmittelstreitwert können Prozesszinsen eine Rolle spielen. Hier ist zu differenzieren: Soweit sich das Rechtsmittel auch gegen die Hauptsache richtet, aus der die Zinsen hergeleitet werden, bleiben die Prozesszinsen als Nebenforderung wiederum gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO außer Ansatz. 1 OLG Koblenz, Urt. v. 10.8.2006 – 7 UF 850/05, AGS 2007, 260 = FamRB 2006, 326.

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2. Teil

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Prozesszinsen

2.4078 Beispiel: Der Beklagte ist zur Zahlung von 2.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit verurteilt worden. Da-

ZPO

gegen legt er Berufung ein, und zwar a) in vollem Umfang b) gegen seine Verurteilung, soweit sie 1.400 t nebst Zinsen daraus übersteigt. Im Fall a) beträgt der Rechtsmittelstreitwert 2.000 t und im Fall b) 600 t. Die darauf entfallenen Zinsen bleiben jeweils nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO außer Ansatz.

2.4079 Soweit sich das Rechtsmittel nur gegen die Prozesszinsen richtet, werden diese im Rechtsmittelverfahren zur Hauptsache und sind zu bewerten.

2.4080 Soweit sich das Rechtsmittel gegen einen Teil der Hauptsache richtet und darüber hinaus gegen Prozesszinsen aus einem nicht angegriffenen Teil der Hauptsache, bleiben die Zinsen, die auf die angefochtene Hauptsache entfallen gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO außer Ansatz. Die Prozesszinsen aus dem nicht angegriffenen Teil sind dagegen jetzt als Hauptforderung hinzuzurechnen.

2.4081 Beispiele: Eingeklagt waren 2.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 1.400 t gezahlt. Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache wird der Beklagte verurteilt, 600 t zu zahlen nebst Prozesszinsen aus 2.000 t bis zur Zahlung der 1.400 t und ab dann aus den restlichen 600 t. Gegen das Urteil legt der Beklagte im vollem Umfang Berufung ein.

Der Rechtsmittelstreitwert berechnet sich auf 600 t zzgl. der Prozesszinsen aus den gezahlten 1.400 t. Die Zinsen aus den 600 t bleiben dagegen außer Ansatz. Der Beklagte wird verurteilt, 2.000 t nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Er legt Berufung ein, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 1.400 t zu zahlen, sowie wegen der gesamten Zinsen. Der Rechtsmittelstreitwert berechnet sich wiederum auf 600 t zzgl. der Prozesszinsen aus den nicht angefochtenen 1.400 t. Die Zinsen aus den 600 t bleiben dagegen wiederum als Nebenforderung außer Ansatz.

E. Die Bewertung I. Maßgebende Wertvorschrift 2.4082 Prozesszinsen sind – im Gegensatz zu Hypothekenzinsen – nicht gem. § 9 ZPO zu bewerten, da sie keine wiederkehrenden Leistungen oder Rechte sind. Abzustellen ist auf § 3 ZPO.1 Das gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

II. Maßgebender Zeitpunkt 1. Zuständigkeitsstreitwert

2.4083 Soweit Zinsen für den Zuständigkeitsstreitwert zu berücksichtigen sind (s. Rz. 2.4059 ff.), ist nach § 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen. Das entspricht nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids. 2. Rechtsmittelstreitwert

2.4084 Im Rechtsmittelverfahren kommt es auf den Zeitpunkt der Einreichung des Rechtsmittelantrags an (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO).

1 BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, MDR 1962, 285; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/92, JurBüro 1993, 166.

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2. Teil

Nach OLG Celle soll es für die Beschwer auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommen.1 Das ist jedoch unzutreffend, weil es dem eindeutigen Wortlaut des § 4 ZPO widerspricht.

2.4085

ZPO

Prozesszinsen

3. Gebührenstreitwert Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung der Zinsen für den Gebührenstreitwert ist gem. § 40 GKG der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet.

2.4086

Im Klageverfahren ist daher auf die Einreichung der Klage bzw. der Klageerweiterung oder der Widerklage abzustellen.

2.4087

Bei vorangegangenem Mahnverfahren ist der Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids maßgebend.

2.4088

Im Rechtsmittelverfahren kommt es auf die Einreichung des Rechtsmittelantrags an.

2.4089

III. Die Berechnung Da es sich bei den geforderten Prozesszinsen um eine Forderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt handelt, ist der Streitwert nach § 3 ZPO frei zu schätzen.2 Bei gewöhnlichen Zinsen geht der BGH3 von Rückständen und dem auf ein Jahr geschätzten Zinsschaden aus. Da es bei den Prozesszinsen im erstinstanzlichen Verfahren begrifflich keine Rückstände geben kann, wäre insoweit vom Jahreswert auszugehen. Im Rechtsmittelverfahren können dagegen auch Rückstände zu berücksichtigen sein.

2.4090

Der Jahreswert dürfte in vielen Fällen jedoch zu gering bemessen sein. Abzustellen ist auf den Zeit- 2.4091 punkt, zu dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einer Zahlung der Zinsen zu rechnen ist. Dabei ist insbesondere die voraussichtliche Verfahrensdauer zugrunde zu legen. Diese kann je nach Verfahren (und Gericht) unterschiedlich zu schätzen sein. Handelt es sich z.B. um ein Verfahren nach § 495a ZPO, kann je nach Gericht mit einer Verfahrensdauer von unter einem Jahr zu rechnen sein, so dass ein geringerer Wert zugrunde zu legen ist. Handelt es sich dagegen um ein aufwendiges Verfahren, in dem mehrere Beweiserhebungen zu erwarten sind, dürfte von einem höheren Wert auszugehen sein. In entsprechender Anwendung des § 9 ZPO dürfte ein höher Wert als der 3 1/2-fache Jahreswert nicht überschritten werden. Eine Begrenzung des Wertes der Zinsen auf den Wert der Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden, ist für den Rechtsmittelstreitwert nicht vorgesehen. Der Wert der Zinsen kann daher auch höher liegen.

2.4092

Soweit es um den Wert für die Gerichts- oder Anwaltsgebühren geht, ist allerdings § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen. Der Wert der Zinsen darf nicht höher angesetzt werden als die Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden. Das gilt erst recht im Rechtsmittelverfahren (§ 47 Abs. 2 GKG).

2.4093

2.4094–2.4114

Einstweilen frei.

1 OLG Celle, Beschl. v. 12.4.1965 – 3 U 195/64, Nds.Rpfl. 1965, 229. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/92, JurBüro 1993, 166. 3 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36 = Rpfleger 1981, 396 = NJW 1981, 2360.

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2. Teil

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Quittung

ZPO

Quittung 2.4115 Nach § 368 Satz 1 BGB kann der Gläubiger gegen Empfang der Leistung ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) verlangen. Nach § 368 Satz 2 BGB kann er der Quittung auch in anderer Form verlangen. Wird die Quittung nicht bei Empfang der Leistung ausgehändigt, kann der vormalige Schuldner auch im Nachhinein noch eine Quittung verlangen. Hat der Schuldner die Leistung nur teilweise bewirkt, kann er eine entsprechende Quittung über den geleisteten Teil verlangen, soweit der Gläubiger Teilleistungen angenommen hat.

2.4116 Der Wert eines solchen Anspruchs auf Erteilung einer Quittung bestimmt sich mangels spezieller Regelungen nach § 3 ZPO. Dies gilt nicht nur für den Zuständigkeitsstreitwert, sondern auch für den Gebührenstreitwert des Gerichts (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch für den Gebührenstreitwert der Anwälte (§ 23 Abs. 1 RVG).

2.4117 Aufgrund der Umstände im Einzelfall ist das Interesse des Schuldners an der Erteilung der Quittung zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Quittung ein Beweiswert dahingehend zukommt, dass die Forderung erloschen ist, also auf das Nichtbestehen der Forderung gerichtet ist. Ausgangspunkt muss daher wie bei einer negativen Feststellungsklage stets die Hauptforderung sein. Ausgehend hiervon ist dann das Interesse zu schätzen. Je wichtiger die Quittung für den vormaligen Schuldner ist, desto höher ist sein Interesse zu bewerten.

2.4118 Hat der vormalige Schuldner nur ein formales Interesse, etwa weil er die Leistung ohne weiteres anderweitig nachweisen kann, etwa durch Überweisungsbelege, dürfte der Wert gering anzusetzen sein (schätzungsweise 10 %). Hat der Schuldner dagegen kaum andere Möglichkeiten, den Nachweis zu erbringen, ist der Wert entsprechend hoch anzusetzen und kann gegebenenfalls mit dem vollen Wert der Forderung zu bewerten sein.

2.4119 Der volle Wert der Quittung kann auch dann anzusetzen sein, wenn der Schuldner unter Vorlage der Quittung seinerseits bei einem Dritten Regress nehmen kann, was ihm ohne Erteilung einer Quittung nicht möglich ist.

Räumungsfristverfahren 2.4120 Gemäß §§ 721, 794a ZPO ist auf Antrag oder von Amts wegen über die Gewährung einer Räumungsfrist und auf Antrag über deren Verkürzung oder Verlängerung zu entscheiden. Wird der Antrag im Hauptsacheverfahren (hilfsweise) neben dem auf Verurteilung zur Räumung bzw. auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag gestellt, dann scheidet eine Werterhöhung aufgrund wirtschaftlicher Identität aus.1 Deshalb vermag auch der Verzicht auf Räumungsschutz in einem Vergleich keinen Mehrwert zu begründen.2

2.4121 Für den Wert des eigenständigen Beschluss- oder des Beschwerdeverfahrens ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Vollstreckungsschuldners am Räumungsaufschub bzw. des Vollstreckungsgläubigers am vorzeitigen Rückerhalt des Nutzungsobjekts maßgebend. Ist der Antrag auf Einräumung eines (weiteren) Aufschubs oder einer Verkürzung mit bestimmter Dauer gestellt, bestimmt sich der 1 AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16, AGS 2016, 523; LG Baden-Baden, Beschl. v. 19.1.2012 – 4 T 26/11, AGS 2013, 418 – für Widerklage auf Einräumung einer Räumungsfrist. 2 Zutreffend AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16, AGS 2016, 523; a.A. ohne Erörterung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, ZMR 2010, 177; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303.

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2. Teil

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Quittung

ZPO

Quittung 2.4115 Nach § 368 Satz 1 BGB kann der Gläubiger gegen Empfang der Leistung ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) verlangen. Nach § 368 Satz 2 BGB kann er der Quittung auch in anderer Form verlangen. Wird die Quittung nicht bei Empfang der Leistung ausgehändigt, kann der vormalige Schuldner auch im Nachhinein noch eine Quittung verlangen. Hat der Schuldner die Leistung nur teilweise bewirkt, kann er eine entsprechende Quittung über den geleisteten Teil verlangen, soweit der Gläubiger Teilleistungen angenommen hat.

2.4116 Der Wert eines solchen Anspruchs auf Erteilung einer Quittung bestimmt sich mangels spezieller Regelungen nach § 3 ZPO. Dies gilt nicht nur für den Zuständigkeitsstreitwert, sondern auch für den Gebührenstreitwert des Gerichts (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch für den Gebührenstreitwert der Anwälte (§ 23 Abs. 1 RVG).

2.4117 Aufgrund der Umstände im Einzelfall ist das Interesse des Schuldners an der Erteilung der Quittung zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Quittung ein Beweiswert dahingehend zukommt, dass die Forderung erloschen ist, also auf das Nichtbestehen der Forderung gerichtet ist. Ausgangspunkt muss daher wie bei einer negativen Feststellungsklage stets die Hauptforderung sein. Ausgehend hiervon ist dann das Interesse zu schätzen. Je wichtiger die Quittung für den vormaligen Schuldner ist, desto höher ist sein Interesse zu bewerten.

2.4118 Hat der vormalige Schuldner nur ein formales Interesse, etwa weil er die Leistung ohne weiteres anderweitig nachweisen kann, etwa durch Überweisungsbelege, dürfte der Wert gering anzusetzen sein (schätzungsweise 10 %). Hat der Schuldner dagegen kaum andere Möglichkeiten, den Nachweis zu erbringen, ist der Wert entsprechend hoch anzusetzen und kann gegebenenfalls mit dem vollen Wert der Forderung zu bewerten sein.

2.4119 Der volle Wert der Quittung kann auch dann anzusetzen sein, wenn der Schuldner unter Vorlage der Quittung seinerseits bei einem Dritten Regress nehmen kann, was ihm ohne Erteilung einer Quittung nicht möglich ist.

Räumungsfristverfahren 2.4120 Gemäß §§ 721, 794a ZPO ist auf Antrag oder von Amts wegen über die Gewährung einer Räumungsfrist und auf Antrag über deren Verkürzung oder Verlängerung zu entscheiden. Wird der Antrag im Hauptsacheverfahren (hilfsweise) neben dem auf Verurteilung zur Räumung bzw. auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag gestellt, dann scheidet eine Werterhöhung aufgrund wirtschaftlicher Identität aus.1 Deshalb vermag auch der Verzicht auf Räumungsschutz in einem Vergleich keinen Mehrwert zu begründen.2

2.4121 Für den Wert des eigenständigen Beschluss- oder des Beschwerdeverfahrens ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Vollstreckungsschuldners am Räumungsaufschub bzw. des Vollstreckungsgläubigers am vorzeitigen Rückerhalt des Nutzungsobjekts maßgebend. Ist der Antrag auf Einräumung eines (weiteren) Aufschubs oder einer Verkürzung mit bestimmter Dauer gestellt, bestimmt sich der 1 AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16, AGS 2016, 523; LG Baden-Baden, Beschl. v. 19.1.2012 – 4 T 26/11, AGS 2013, 418 – für Widerklage auf Einräumung einer Räumungsfrist. 2 Zutreffend AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16, AGS 2016, 523; a.A. ohne Erörterung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, ZMR 2010, 177; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2012, 303.

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Rangverbesserung

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2. Teil

Für eine Bruchteilsbewertung oder unabhängig von § 721 Abs. 5, § 794a Abs. 3 ZPO zeitbezogene Beschränkung besteht kein Anlass, auch nicht, weil mit der Räumungsfrist die (fortdauernde) Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verbunden ist.3 Wie auch sonst für die Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG ist es unerheblich, dass mit dem festzustellenden Bestand des Mietverhältnisses zugleich Zahlungsverpflichtungen verbunden sind. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile findet bei der Ermittlung des klägerischen Interesses (in der Regel) nicht statt.

2.4122

Siehe für das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO auch unter dem Stichwort „Vollstre- 2.4123 ckungsschutz“, Rz. 2.5634 ff.

Rangverbesserung Vorrangstreitigkeiten hinsichtlich im Grundbuch eingetragener Rechte sind nach § 3 ZPO zu bemessen, da es nicht um die Begründung eines Pfandrechts, sondern nur um dessen Werterhöhung geht.

2.4124

Bei der Bewertung eines Anspruchs auf Vorrangseinräumung für ein Grundpfandrecht ist der Wert des vortretenden Rechts, höchstens jedoch der Wert des zurücktretenden Rechts maßgebend, da insoweit § 9 ZPO vorrangig ist.4

2.4125

Die Sperrklausel des § 6 Satz 2 ZPO ist immer zu berücksichtigen. Der Wert kann also nicht höher als die Gefährdung des Gläubigers sein, der den Vorrang anstrebt.

2.4126

Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimm- 2.4127 ter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits auf den anderen Grundstücken eingetragenen Hypothek, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon allein durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek mit Sicherheit erreicht würde.5 Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht gem. § 3 ZPO nur der geringere 2.4128 Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.6

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, NJW-RR 2007, 15; LG Bamberg, Beschl. v. 15.4.2020 – 3 T 38/20, AGS 2020, 484; LG München, Beschl. v. 7.10.2014 – 14 T 17971/14, ZMR 2014, 991; LG Kempten, AnwBl. 1968, 58; LG München, Beschl. v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371. 2 Daher zutreffend Toussaint/Elzer, KostR, § 3 ZPO Rz. 23 unter „Räumungsfrist“: Wert höchstens Jahresbetrag. 3 So LG Bad Kreuznach, JVBl. 1965, 214; LG Stuttgart, Rpfleger 1968, 62: in der Regel 3-fache Monatsmiete bzw. Nutzungsentschädigung. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.1981 – 22 U 85/81, MDR 1982, 411 = AnwBl. 1982, 111. 5 OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. 6 OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318.

Kurpat und Monschau

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ZPO

Wert nach dem für diesen Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelt.1 Zu beachten bleibt, dass gem. § 721 Abs. 5, § 794a Abs. 3 ZPO die Räumungsfrist insgesamt ein Jahr nicht überschreiten darf.2

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2. Teil

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Ratenzahlung

ZPO

Ratenzahlung A. Ratenzahlung nach Klageerhebung 2.4129 Wird im Rechtsstreit hinsichtlich der Klageforderung eine Ratenzahlung vereinbart, hat das auf die Höhe des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts grundsätzlich keinen Einfluss, da es auf den geltend gemachten Anspruch ankommt und nicht auf das Ergebnis. Daher ist immer der Wert der Klageforderung zugrunde zu legen. Dies gilt nicht nur für den Zuständigkeitsstreitwert, sondern auch für den Gebührenstreitwert des Gerichts (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch für den Gebührenstreitwert der Anwälte (§ 23 Abs. 1 RVG).

2.4130 Wird die Erfüllung einer Forderung in Raten verlangt, ist der Gesamtbetrag der Raten maßgebend. Die Vorschrift des § 9 ZPO ist insoweit nicht anwendbar, weil es sich nicht um wiederkehrende Leistungen handelt, sondern um Teilzahlungen.

B. Gesonderte Zahlungsvereinbarung 2.4131 Lediglich für die Anwaltsgebühren kann der Gegenstandswert einer Zahlungsvereinbarung bei unstreitiger oder titulierter Forderung von Bedeutung sein. Siehe hierzu „Zahlungsvereinbarung“ Rz. 2.6298b ff.

C. Streit nur über Ratenzahlung 2.4132 Eine geringere Bewertung der Streitigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die Forderung als solche zwischen den Parteien unstreitig bzw. bereits rechtskräftig beschieden ist, der Streit also nur darüber geht, ob der Anspruch des Klägers sofort in voller Höhe oder in Raten zu begleichen ist.1 Hier ist der Wert der nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.4133 Beispiel: Der Kläger begehrt die Feststellung, dass berechtigt ist, die unstreitige Forderung i.H.v. 20.000 t in zwanzig monatlichen Raten zu 1.000 t zu begleichen.

Streitgegenstand ist nicht die Forderung als solche, sondern nur deren Fälligkeit. Daher ist nach § 3 ZPO auf das Interesse an der Ratenzahlung abzustellen, das mit einem Bruchteil der Forderung zu bemessen sein dürfte. Anhaltspunkt könnte insoweit § 31b RVG ein, wonach bei bloßen Zahlungsvereinbarungen 20 % der Forderung anzusetzen sind.

2.4134 Beispiel: Tituliert sind 10.000 t. Der Schuldner zahlt 1.000 t, worauf der Gläubiger wegen der restlichen 9.000 t vollstreckt. Der Schuldner erhebt daraufhin eine Vollstreckungsabwehrklage, mit der er geltend macht, ihm sei nachträglich eine Ratenzahlung von 1.000 t monatlich eingeräumt worden, so dass die weiteren 9.000 t derzeit noch nicht fällig seien.

Da sich der Schuldner auch hier nicht gegen die Forderung als solche wendet, sondern nur gegen deren Fälligkeit, ist auch hier nach § 3 ZPO auf das Interesse an der Ratenzahlung abzustellen, das mit einem Bruchteil der Forderung zu bemessen sein dürfte. Auch hier könnte § 31b RVG Anhaltspunkt sein.

D. Mehrwertvergleich über Ratenzahlung unstreitiger oder bereits anderweitig titulierter Ansprüche 2.4135 Werden unstreitige oder anderweitig bereits titulierte Ansprüche in einen Vergleich miteinbezogen und wird insoweit eine Ratenzahlung vereinbart, ist ein Wert für den Vergleich festzusetzen (Ver1 Vgl. dazu das Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470.

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Schneider

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Reallast

2. Teil

ZPO

gleichsmehrwert). Dieser Wert ist nicht mit dem Wert der Forderung anzusetzen, sondern dem Interesse der Parteien an der Aufnahme dieses Anspruchs in den Vergleich. Zu dieser nach § 3 ZPO vorzunehmenden Schätzung werden unterschiedliche Ansichten vertreten: – Das KG1 geht von einem Mehrwert in Höhe des mit 10 % in Ansatz zu bringenden Titulierungsinteresses aus. – Das OLG Celle2 hat dagegen einen Wert i.H.v. 1/3 der Forderung angenommen. – Das OLG Karlsruhe3 wiederum spricht sich für eine Wertfestsetzung i.H.v. 1/6 bis 1/5 der Forderung aus. Auch hier wiederum könnte als Anhaltspunkt § 31b RVG heranzuziehen sein, wonach bei bloßen Zahlungsvereinbarungen 20 % der Forderung anzusetzen sind.

Reallast Zum Begriff der Reallast gehört die Entrichtung wiederkehrender Leistungen (§ 1105 BGB). Deshalb ist § 9 ZPO die maßgebende Bewertungsvorschrift.4 Die für Grunddienstbarkeiten geltende Regel des § 7 ZPO ist auf Reallasten nicht anwendbar.

2.4136

Die Klage auf Zahlung einer Rente und auf Eintragung einer Reallast im Grundbuch zur Sicherung dieser Rente ist wirtschaftlich auf denselben Erfolg gerichtet. Eine Zusammenrechnung der beiden Werte findet deshalb nicht statt.5

2.4137

Ebenso ist zu bewerten, wenn auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses6 und die Eintragung einer 2.4138 entsprechend erhöhten Reallast im Grundbuch geklagt wird.7 Der gleichzeitig mit dem Antrag auf Erhöhung des Erbbauzinses gestellte Antrag auf Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast verfolgt allerdings dasselbe wirtschaftliche Interesse; ihm kommt kein gesonderter Wert zu.8 Eine Analogie zur Bemessung des Wertes für die Festlegung von Gegenstandswerten im Rahmen anderer Klagen, die Grundbucheintragungen betreffen, ist nicht veranlasst. Ohnehin dient die dingliche Eintragung des erhöhten Erbbauzinses nur der erleichterten Zwangsvollstreckung, die im Rahmen der Streitwertbemessung gem. § 9 ZPO beinhaltet ist. Bei Klagen auf Löschung einer Reallast bemisst sich der Streitwert ebenfalls nach § 9 ZPO, da es auch insoweit um die Erbringung wiederkehrender Leistungen gem. § 1105 BGB geht.9 Sofern nach dem Inhalt der streitgegenständlichen Reallast das Bezugsrecht von bestimmter Dauer ist – die Reallast also beispielsweise der Sicherung der zur Tilgung eines Grundstückskaufpreises vereinbarten monatlichen Raten diente – ist gem. § 9 Satz 2 Alt. 2 ZPO der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, sofern er niedriger ist als der 25-fache Betrag des einjährigen Bezugs.

2.4139

Bestand im Zeitpunkt der Klageerhebung das Bezugsrecht nicht mehr, bestimmt sich der Streitwert nur noch nach dem Interesse des Käufers an der Löschung der Belastung und damit der Herstellung

2.4140

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 446. OLG Celle, Beschl. v. 28.1.1971 – 14 U 166/70, JurBüro 1971, 237. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.1961 – 1 W 35/61. OLG Frankfurt v. 19.11.1992 – 2 W 40/92, OLGR Frankfurt 1993, 47. OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. BGH, NZM 2012, 473; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1983, 159 = KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 m. Anm. E. Schneider. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1983, 159 = KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 m. Anm. E. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. 9 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92.

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ZPO

2. Teil

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Rechnungserteilung

der Übereinstimmung des Grundbuchs mit der wahren Rechtslage, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist.1 Der Streitwert ist für den Regelfall mit 20 % des Werts der ursprünglich gesicherten Forderung anzusetzen.2

Rechnungserteilung 2.4141 In vielen Fällen hat ein Schuldner einen Anspruch darauf, dass ihm eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt wird. Insoweit ist zu differenzieren:

2.4142 Wird der Anspruch auf Abrechnung geltend gemacht, so handelt es sich letztlich um einen Hilfsanspruch, der mit einem Bruchteil des Betrags anzusetzen ist, der sich aus der Abrechnung ergibt. Siehe z.B. Nebenkostenabrechnung (Rz. 2.3271).

2.4143 Wird die Erteilung einer formellen Rechnung verlangt, richtet sich der Wert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das Interesse des Rechnungsempfängers.

2.4144 Ein lediglich formales Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechnung dürfte gering zu bewerten sein (schätzungsweise 10 % des Rechnungsbetrags).

2.4145 Wird die Rechnung dagegen benötigt, um den Vorsteuerabzug geltend zu machen, dürfte das Interesse mit dem in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag anzusetzen sein.

2.4146 Wird die Rechnung benötigt, um den Rechnungsbetrag an Dritte weiterberechnen zu können, dürfte der volle Wert des Rechnungsbetrags anzusetzen sein, da ohne ordnungsgemäße Rechnung die Weiterleitung nicht möglich ist.

2.4147 Beispiel: Ein Vermieter hat für das Mietobjekt Gärtnerarbeiten in Auftrag gegeben und bezahlt. Für seine Betriebskostenabrechnung benötigt er eine ordnungsgemäße Rechnung, die einer Prüfung der Mieter standhält. Da der Vermieter ohne eine solche Rechnung die Kosten der Gartenarbeiten nicht auf seine Mieter wird umlegen können, erscheint es hier angemessen, den vollen Rechnungsbetrag anzusetzen.

Rechnungslegung 2.4148 Der Streitwert einer Klage auf Rechnungslegung bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse, das der Kläger hat, mit einem solchen Anspruch die Begründung des Leistungsanspruchs zu erleichtern, wobei er sich zugleich Mühe und Kosten der eigenen Aufklärung erspart.3

2.4149 Das Interesse des Klägers an der Rechnungslegung ist stets geringer als der Wert des Hauptanspruchs, dem die Rechnungslegung dienen soll. Beschränkt sich das Interesse ausnahmsweise auf die Rechnungslegung, ist also keine Zahlungsklage beabsichtigt, dann ist der Streitwert nach dem Zeit- und Sachaufwand für die Rechnungserteilung zu bemessen.4

1 2 3 4

OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.2008 – 1 W 35/08. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.2008 – 1 W 35/08. BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – IV ZB 21/15, ErbR 2016, 230; BGH, Rpfleger 1959, 110. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.1.1995 – 22 W 65/94, OLGR 1995, 192.

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Monschau und Kurpat

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Rechnungslegung

2. Teil

Der künftige Leistungsanspruch, der durch die Klage auf Rechnungslegung vorbereitet werden soll, bildet nur eine Schätzungsgrundlage,1 die keinesfalls überschritten werden darf.2

2.4150

Ausgangspunkt der Bewertung ist die Leistungserwartung des Klägers zum Zeitpunkt der Klageeinreichung auf Grundlage seines Sachvortrages. Bloße Wunschvorstellungen oder willkürliche Zahlenangaben sind folglich ebenso unerheblich wie der letztlich durchsetzbare Leistungsanspruch. Wertangaben der Parteien und wirklicher Wert der Gegenstände, über die Auskunft verlangt wird, haben nur die Bedeutung von Indizien.3

2.4151

Unzutreffend ist es daher auch, auf den Betrag abzustellen, der sich aus der Rechnungslegung ergibt.4

2.4152

Da das Verlangen nach Rechnungslegung nur der Vorbereitung des Leistungsbegehrens dient, kommt regelmäßig nur eine am Leistungsanspruch orientierte Bruchteilsbewertung in Betracht.5 Dabei bemisst sich der Bruchteil danach, inwieweit der Kläger auf die Rechnungslegung angewiesen ist.6 Da es stets auf den Einzelfall ankommt, ist eine gleichbleibende Quotierung ausgeschlossen.7

2.4153

Vielmehr wird die Bruchteilsbewertung regelmäßig zwischen 1/10 und 1/4 liegen.8 Vielfach wird allerdings auch 1/4,9 1/1010 oder 1/511 als Regelbruchteil angesetzt.

2.4154

Einstweilen frei.

2.4155

Kann der Kläger ohne Abrechnung seinen Leistungsanspruch nicht verfolgen, etwa weil ansonsten eine Bezifferung oder Bestimmung (Herausgabe) nicht möglich ist, dann kommt eine Annäherung an den Wert des (vermuteten) Leistungsanspruch in Betracht.12 Entsprechend verhält es sich, wenn mit der Rechnungslegung zugleich eine Feststellungswirkung erzielt wird.13

2.4156

Mit dem BGH14 kann zwischen folgenden Konstellationen unterschieden werden:

2.4157

– Die Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs hängt von der Rechnungslegung ab: hohe Bewertung, ggf. wie der Zahlungsanspruch selbst. – Die Durchsetzbarkeit wird durch Rechnungslegung erleichtert: Streitwert etwa die Hälfte des Wertes des Zahlungsanspruchs. – Der Leistungsanspruch ist im Wesentlichen auch ohne Rechnungslegung durchzusetzen: geringer Wertansatz, etwa 1/4 des Zahlungsbegehrens. – Der Kläger ist bereits im Besitz der Unterlagen, so dass ihm die Mithilfe des Beklagten nur noch der Kontrolle dient: geringster Wertansatz, etwa 1/10 des Streitwerts des Zahlungsanspruchs.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

OLG Köln, DB 1955, 724. BGH, NJW 1960, 1252. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221. So aber OLG Bremen, Rpfleger 1957, 273. LG Freiburg, WuM 1991, 504. BGH, Beschl. v. 7.2.2017 – II ZR 47/16 zur Beschwer. BGH, NJW 1960, 1252. Ebenso BGH, Beschl. v. 7.2.2017 – II ZR 47/16 zur Beschwer. Siehe z.B. KG, Rpfleger 1972, 153; OLG Köln, VersR 1976, 1154; LG Bonn, Beschl. v. 31.10.1991 – 6 T 246/91, JurBüro 1992, 117. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1960, 177; OLG Nürnberg, MDR 1960, 570. BGH, JurBüro 1960, 796. BGH, MDR 1962, 564; LG Freiburg, WuM 1991, 504. BGH, NJW 1960, 1252. BGH, JurBüro 1983, 1182.

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2. Teil

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Recht am eigenen Bild

ZPO

2.4158 Eine Zusammenrechnung des Anspruchs auf Rechnungslegung mit dem Anspruch auf Zahlung scheidet wegen der bloß vorbereitenden Zweckbestimmung des Rechnungslegungsanspruchs aus. Siehe auch § 44 GKG.

2.4159 Das gilt auch dann, wenn von vornherein ein bereits bezifferter Leistungsantrag als Teilforderung gestellt wird, sofern die Rechnungslegung auch der Ermittlung dieses Teilbetrages dient.

2.4160 Ist dies nicht der Fall, wird also über den durch Rechnungslegung vorzubereitenden erhofften Leistungsbetrag hinaus ein zusätzlicher Betrag verlangt, dann fällt die Anspruchsüberlagerung weg.

2.4161 Die Streitwerte eines Anspruchs auf Rechnungslegung und eines davon unabhängigen Anspruchs auf Leistung müssen, soweit die Selbständigkeit des Leistungsanspruchs reicht, nach § 5 ZPO addiert werden.1

2.4162 Hat umgekehrt der Rechnungslegungsanspruch nur den Zweck, einen neben der Hauptforderung verfolgten Zinsanspruch zu klären, ist er streitwertmäßig bedeutungslos.2

2.4163 Auf das Interesse des Beklagten kommt es dann an, wenn über seinen Sachantrag zu entscheiden ist, also bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Rechnungslegung. Maßgebend ist dann der Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.3 Siehe näher dazu bei den Stichwörtern „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.498 ff. und „Stufenklage“, Rz. 2.4670 ff. sowie „Rechtsmittel“, Rz. 2.4210 ff.

2.4164 Zu beachten ist Folgendes: – Das Interesse des Beklagten an der Abwehr eines ausgeurteilten Rechnungslegungsanspruchs des Klägers ist maßgebend, auch soweit es auf schutzwürdige Geheimhaltung bestimmter Tatsachen gerichtet ist, also beispielsweise nicht beim Unterhaltsanspruch über das Einkommen. – Unmaßgeblich ist aber das bloße Interesse, durch Verschweigen die Rechtsverfolgung des Gegners zu vereiteln oder zu erschweren.4 – Das Interesse des Beklagten ist entsprechend geringer zu bewerten, wenn der Beklagte bereits weitgehend durch von ihm gemachte Angaben die Unklarheit über die Höhe des Hauptanspruchs beseitigt hatte. Das Interesse des Beklagten ist schutzwürdig, wenn es ihm darum geht, den mit der Rechnungslegung voraussichtlich verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten zu vermeiden.5

Recht am eigenen Bild 2.4165 Das Recht am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG) ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Bei einer Verletzung stehen dem Abgebildeten gem. § 823 Abs. 1 und 2, § 1004 Abs. 1 BGB, § 22 Satz 1 KUrhG Unterlassungs-, Beseitigungs-, Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche zu.

2.4166 Die (vorbeugende) Unterlassungsklage wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist daher eine hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewertende nichtvermögensrecht-

1 OLG Naumburg, JVBl. 1939, 169; KG, JW 1927, 1388. 2 RGZ 29, 395. 3 BGH, Beschl. v. 30.1.1991 – XII ZB 156/90, MDR 1991, 679; BGH v. 27.3.1991 – XIII ZB 25/91, NJW-RR 1991, 956; jetzt der Große Zivilsenat des BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, ZIP 1995, 506 = FamRZ 1995, 349. 4 BGH, JurBüro 1983, 1182; BGH, JurBüro 1978, 357. 5 BGH, NJW 1970, 1083; JurBüro 1983, 1181.

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Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung

2. Teil

ZPO

liche Streitigkeit.1 Der Wert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf nicht über 1 Million Euro angenommen werden. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO frei zu schätzen. Gleiches gilt für den Anspruch auf Beseitigung fortdauernder Beeinträchtigungen.2 Für die streitwertrechtliche Bewertung ist maßgeblich auf die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht abzustellen. Erfolgt beispielsweise die Veröffentlichung von Lichtbildern des Angeklagten im laufenden Strafverfahren, dann sind die damit verbundenen Folgen nachfolgend nur noch schwer zu beseitigen. Andererseits ist zu berücksichtigen, ob der Lichtbildveröffentlichung bereits anderweitige Veröffentlichungen vorausgegangen sind.3

2.4167

Neben der Unterlassung kann der Betroffene für seine immateriellen Schäden eine Entschädigung in Geld beanspruchen. Deren Höhe bemisst sich nach Art und Schwere des Eingriffs und den Auswirkungen auf das sein Persönlichkeitsrecht und die Persönlichkeitsentwicklung. Ist danach eine Geldentschädigung zur Kompensation geboten, dann soll diese eine Mindestuntergrenze von 2.500 t nicht unterschreiten.4

2.4168

Ein (zulässigerweise) unbezifferter Antrag ist – ausgehend vom Sachvortrag des Klägers – nach dem danach angemessenen Betrag zu bewerten (vgl. auch die Ausführungen zum Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867).

2.4169

Wird der Unterlassungsanspruch mit einem aus der Verletzung des Rechts am eigenen Bild hergeleiteten oder Schadensersatzanspruch verbunden, so ist nach § 48 Abs. 3 GKG nur der höhere der beiden Ansprüche maßgebend.5

2.4170

Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung I. Allgemeines Nach Nr. 1000 VV RVG erhält der Anwalt eine Einigungsgebühr, wenn er in einem gerichtlichen Verfahren an einer Einigung mitwirkt. Die Berechnung des Gegenstandswerts vollzieht sich für den Anwalt häufig anders, als der Streitwert für die Gerichtsgebühren, so dass die gerichtliche Wertfestsetzung für den Anwalt mitunter nicht bindend ist.

2.4171

Selbst wenn sie bindend ist, bestehen häufig Schwierigkeiten, aus den gerichtlich festgesetzten Einzel- 2.4172 werten den Gegenstandswert der Einigungsgebühr für den Anwalt zu ermitteln. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

II. Einigung nur über dort anhängige Forderungen Wird in einem gerichtlichen Verfahren eine Einigung nur über die dort anhängigen Forderungen geschlossen, darf das Gericht keinen Vergleichswert festsetzen, obwohl dies häufig dennoch geschieht (s. Rz. 2.4186). Der Vergleich über anhängige Gegenstände wird nämlich durch die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen mit abgegolten. Ein Gericht hat einen Wert für den Vergleich nur dann fest1 2 3 4 5

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.4.2011 – 5 W 70/11, AfP 2011, 582; KG, JurBüro 1969, 1190. OLG Saarbücken, Urt. v. 13.9.2006 – 1 U 624/05, NJW-RR 2007, 112: zum Gegenstandswert. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.4.2011 – 5 W 70/11, AfP 2011, 582. OLG Dresden, Urt. v. 13.2.2018 – 4 U 1234/17, ZUM 2018, 537: Bildveröffentlichung im Internet. OLG Dresden, Urt. v. 13.2.2018 – 4 U 1234/17, ZUM 2018, 537; OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07.

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2. Teil

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Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung

ZPO

zusetzen, wenn im Verfahren nicht anhängige Gegenstände mitverglichen werden, weil nur dann nach Nr. 1900 KV GKG eine gesonderte Gerichtsgebühr erhoben wird.

2.4174 In Fall eines Vergleichs über die im Verfahren anhängigen Gegenstände bedarf es auch für den Wert der anwaltlichen Tätigkeit grundsätzlich auch keiner gesonderten Festsetzung, weil der Wert des Verfahrens dann auch für seine Einigungsgebühr maßgebend ist. Selbst eine Festsetzung nach § 33 RVG kommt dann nicht in Betracht.

2.4175 Lediglich dann, wenn der Wert des Vergleichs hinter dem Wert des Verfahrens zurückbleibt, kann eine Festsetzung nach § 33 RVG erforderlich sein.

2.4176 Beispiel: Der Kläger macht gegen den Beklagten mehrere Unterlassungsansprüche geltend. Hinsichtlich eines Anspruchs nimmt der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurück. Anschließend wird ein Vergleich über die verbliebene Klageforderung geschlossen. Das Gericht setzt den Streitwert des Verfahrens auf 20.000,00 t fest. Der Streitwert ist für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) maßgebend. Für die Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) ist aber ein geringerer Wert anzusetzen, da über den zurückgenommenen Anspruch kein Vergleich geschlossen worden ist. Der Wert der Einigung ist daher auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG gesondert festzusetzen.

III. Einigung über nicht anhängige Gegenstände 1. Überblick

2.4177 Wird eine Einigung (auch) über Gegenstände geschlossen, die in diesem Verfahren nicht anhängig sind, ist zu differenzieren, ob es sich um einen vor Gericht geschlossenen Vergleich oder um einen zwischen den Parteien ohne Beteiligung des Gerichts geschlossenen Vergleich handelt. 2. Gerichtlicher Vergleich

2.4178 Wird ein Vergleich vor Gericht1 (auch) über gerichtlich nicht anhängige Gegenstände geschlossen, so hat das Gericht einen Wert für den Vergleich festzusetzen, da insoweit eine Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG zu erheben ist. In der Regel wird dieser Wert als „Mehrwert des Vergleichs“ bezeichnet.

2.4179 Diese Mehrwertfestsetzung ist für den Anwalt nach § 32 Abs. 1 RVG bindend. Er erhält dann seine Einigungsgebühr aus dem Gesamtwert von Verfahren (bzw. aus dem Teilwert des Verfahrens, über den der Vergleich geschlossen wird, s. Rz. 2.2186) und Einigung.

2.4180 Beispiel: Eingeklagt sind 5.000 t. Die Parteien einigen sich über die Klageforderung und über weitere nicht anhängige 3.000 t.

Die Wertfestsetzung muss lauten: „Streitwert des Verfahrens 5.000 t; der Vergleich hat einen Mehrwert von 3.000 t.“ Aus dem Streitwert des Verfahrens wird die Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen erhoben (Nr. 1210, 1211 Nr. 3 KV GKG) und aus dem Mehrwert des Vergleichs die 0,25-Gebühr der Nr. 1900 KV GKG. Der Anwalt erhält aus dem Streitwert des Verfahrens die 1,0-Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) und unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus dem Mehrwert des Vergleichs.

2.4181 Eine Ausnahme gilt, wenn der Vergleich im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren geschlossen wird, da dort ein gerichtlicher Vergleich keine Gerichtsgebühr auslöst. Aber auch in diesem Fall hat eine gericht1 Die Feststellung eines zwischen den Parteien zustande gekommenen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO reicht aus.

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Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung

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2. Teil

ZPO

liche Wertfestsetzung zu unterbleiben. Der Mehrwert des Vergleichs ist für den Anwalt vielmehr im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen. 3. Außergerichtlicher Vergleich Wird ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen, löst dies keine Gerichtsgebühr aus, da die Nr. 1900 2.4182 KV GKG ausdrücklich einen gerichtlichen Vergleich voraussetzt. Das Gericht darf dann also auch keinen Mehrwert festsetzen. Anders verhält es sich jedoch für den Anwalt. Für ihn fällt die Einigungsgebühr an. Außergerichtliche Vergleichsverhandlungen und damit auch außergerichtliche Vergleiche zählen für ihn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG mit zum Rechtszug. Daher lösen solche außergerichtlichen Vergleiche für ihn im gerichtlichen Verfahren die Einigungsgebühr aus.

2.4183

Da es in diesem Fall an einer gerichtlichen Wertfestsetzung fehlt, kann der Anwalt nach § 33 Abs. 1 RVG eine gesonderte Wertfestsetzung für den Mehrwert des Vergleichs beantragen. Ob das Gericht verpflichtet ist, in diesen Fällen eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorzunehmen, ist umstritten (s. Rz. 2.5230). Jedenfalls dann, wenn eine unmittelbare Nähe zum Verfahren besteht, nimmt die Rechtsprechung eine Verpflichtung des Gerichts an, eine Wertfestsetzung vorzunehmen, zumal dies der prozessökonomischere Wert ist.

2.4184

Beispiel: Eingeklagt sind 5.000 t. Die Parteien einigen sich außergerichtlich über die Klageforderung und weitere nicht anhängige 3.000 t. Im Hinblick auf den Vergleich wird das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

2.4185

Die gerichtliche Wertfestsetzung darf sich jetzt nur über den Streitwert des Verfahrens verhalten. Ein Vergleichsmehrwert darf nicht festgesetzt werden, da keine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG anfällt. Für den Anwalt hat der Vergleich dagegen einen Mehrwert. Dieser kann aber nur auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG festgesetzt werden.

IV. Anderweitig anhängige Gegenstände Werden in einem gerichtlichen Verfahren anderweitig anhängige Gegenstände mitverglichen, so darf das Gericht keinen Vergleichswert festsetzen. Nach Nr. 1900 KV GKG entsteht die gerichtliche Vergleichsgebühr nur bei Gegenständen, die nicht anhängig sind. Das bedeutet, die Gegenstände dürfen weder in diesem Verfahren noch in einem anderen Verfahren anhängig sein.1 In diesem Fall hat also eine Festsetzung des Vergleichsmehrwerts zu unterbleiben.

2.4186

Eine solche Wertfestsetzung ist auch nicht erforderlich, da in dem mitverglichenen Verfahren eine Wertfestsetzung vorzunehmen ist, die wiederum für den Anwalt nach § 32 Abs. 1 RVG bindend ist.

2.4187

Häufig wird allerdings hier fehlerhaft ein Vergleichsmehrwert festgesetzt. Dies kann zu Problemen führen, nämlich dann, wenn die Werte unterschiedlich festgesetzt werden.

2.4188

Beispiel: Vor dem LG München wird ein Vergleich geschlossen unter Einbeziehung weiterer Gegenstände, die in einem Verfahren vor dem LG Nürnberg anhängig sind.

2.4189

In diesem Fall darf im Verfahren vor dem LG München (sog. Einbeziehungsverfahren) für den Vergleich kein Mehrwert festgesetzt werden. Diese Festsetzung ist vielmehr dem Verfahren vor dem LG Nürnberg (sog. einbezogenes Verfahren) vorbehalten. Würde das LG München einen Vergleichsmehrwert festsetzen, bestünde die Gefahr, dass das LG Nürnberg einen anderen Wert für dieselben Gegenstände festsetzt als das OLG München. Es würden dann zur selben Sache zwei divergierende Wertfestsetzungen vorliegen. Daher 1 LG Mannheim, Beschl. v. 30.7.2013 – 7 O 149/12, AGS 2014, 25 = NJW-Spezial 2014, 59; LG Freiburg, Beschl. v. 2.5.2019 – 3 S 10/18, AGS 2019, 336 = NJW-Spezial 2019, 509 = MietRB 2019, 355.

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Rechtsbeschwerde

ZPO

darf nur das Gericht, bei dem die einbezogenen Gegenstände anhängig sind, den Wert festsetzen. An diese Wertfestsetzung sind dann auch die Festsetzungsorgane im Einbeziehungsverfahren gebunden.

2.4190 Ist der Anwalt mit der Wertfestsetzung des Gerichts im einbezogenen Verfahren nicht einverstanden, muss er dort Beschwerde einlegen und nicht im Einbeziehungsverfahren. Die daraufhin ergehende Entscheidung ist dann im Einbeziehungsverfahren wiederum maßgebend.

2.4191 Fortsetzung des Beispiels Rz. 2.4189: Das LG München setzt den Streitwert auf 40.000 t und das LG Nürnberg auf 20.000 t.

Eine Vergleichsgebühr bei Gericht fällt nicht an. Der Anwalt erhält eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG aus dem Gesamtwert von 60.000 t.

Rechtsbeschwerde 2.4192 Ein Zuständigkeitsstreitwert muss für die Rechtsbeschwerde nicht festgesetzt werden, da sich die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des BGH bereits aus § 133 GVG ergibt.

2.4193 Für die Gerichtsgebühren ist eine Wertfestsetzung überwiegend nicht erforderlich, weil Festgebühren anfallen (vgl. Nr. 1823 ff. KV GKG). Wertgebühren fallen hingegen bei der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen wurde (Nr. 1820 KV GKG), bei Rechtsbeschwerden gem. § 20 KapMuG (vgl. Nr. 1821 KV GKG), im Verteilungsverfahren (vgl. Nr. 2122 KV GKG), gegen die Beschwerdeentscheidung im Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. Nr. 2362 KV GKG) sowie bei Rechtsbeschwerden nach § 74 GWB, § 86 EnWG, § 35 KSpG und § 24 VSchDG (vgl. Nr. 1230 KV GKG) an. Der Gebührenstreitwert ist nach § 47 GKG – ggf. i.V.m. Sondervorschriften, z.B. § 51a Abs. 2 GKG für KapMuG Verfahren1 – zu bestimmen. Maßgeblich ist in erster Linie der Antrag des Beschwerdeführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Wird die Rechtsbeschwerde nicht bzw. nicht fristgerecht begründet, richtet sich der Streitwert nach der Beschwer.

2.4194 Der Anwalt erhält die Wertgebühren nach Nr. 3502 VV RVG (Verfahrensgebühr) und – soweit ein Termin stattfindet – nach Nr. 3516 VV RVG (Terminsgebühr). Der Gegenstandswert ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 47 GKG – ggf. i.V.m. Sondervorschriften, z.B. § 23b RVG für KapMuG Verfahren – zu bestimmen.

2.4195 Vgl. im Übrigen hinsichtlich der Einzelheiten das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

Rechtshängigkeit 2.4196 Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1077.

Rechtsmittel Literatur: Ewers, FamRZ 2001, 1050; Otto, JurBüro 1997, 286; Jauernig, NJW 2001, 3027; Schulte, MDR 2000, 807; N. Schneider, AGS 2004, 89; Baumgärtel/Klingmüller, VersR 1980, 420 (fiktive Anträge in Verbindung mit Rechtsmittelrücknahme).

1 BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – II ZB 6/09, MDR 2012, 178 = NJW-RR 2012, 491.

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Rechtsmittel

2. Teil

3. Rücknahme des Rechtsmittels . . . . . 2.4262

B. Beschwer

III. Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4265

I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . 2.4198

IV. Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4270

II. Ermittlung der Beschwer . . . . . . . . . 2.4204 1. Beschwer des Klägers . . . . . . . . . . . . 2.4206 2. Beschwer des Beklagten . . . . . . . . . . 2.4209

VI. Grundurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4278

C. Rechtsmittelstreitwert und Beschwerdegegenstand . . . . . . . . . . 2.4211

V. Erledigung der Hauptsache . . . . . . . 2.4273 VII. Haupt- und Hilfsantrag . . . . . . . . . . 2.4280 VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4284

II. Rechtsmittelantrag (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4224

IX. Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4288 1. Rechtsmittel gegen mehrere Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4289 2. Rechtsmittel durch mehrere Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4290

III. Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . 2.4231

X. Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4295

D. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4217

IV. Rücknahme des Rechtsmittels (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG) . . . . . . . . . 2.4236 V. Wertbegrenzung (§ 47 Abs. 2 GKG) . 2.4237 VI. Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . 2.4239 VII. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4242

ZPO

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4197

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XI. Verlustigerklärung . . . . . . . . . . . . . . 2.4298 XII. Versehentliche Rechtsmitteleinlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4299 XIII. Verurteilung Zug-um-Zug 1. Rechtsmittel des Klägers . . . . . . . . . . 2.4300 2. Rechtsmittel des Beklagten . . . . . . . . 2.4304 XIV. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4308

E. Einzelfälle I. Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4252

XV. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4313

II. Aufrechnung 1. Bescheidung des Rechtsmittels . . . . . 2.4253 2. Verwerfung des Rechtsmittels . . . . . 2.4259

XVI. Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . 2.4318 XVII. Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4320

A. Allgemeines Zulässigkeit und Ablauf des Rechtsmittelverfahrens werden durch eine Vielzahl von Wertbegriffen geprägt. So erfordert die Zulässigkeit des Rechtsmittels eine mit der gerichtlichen Entscheidung verbundene Beschwer, deren Wert den Rechtsmittelstreitwert erreichen und wenigstens in diesem Umfang Gegenstand des Rechtsmittels (Wert des Beschwerdegegenstandes) sein muss. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens berechnen sich nach dem regelmäßig auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren maßgebenden Gebührenstreitwert.

2.4197

Dabei entsprechen Gebührenstreitwert und Beschwer sich – angesichts der Verweisung in § 48 GKG 2.4197a auf die §§ 3 ff. ZPO – häufig, aber nicht notwendigerweise. Schließlich sind die Rechtsmittel der Beschwerde, Berufung und Revision wertmäßig von der Anhörungsrüge und der gesetzlich nicht geregelten Gegenvorstellung abzugrenzen. Wegen letzteren wird auf Ausführungen in den Stichwörtern „Gehörsrüge“, Rz. 2.1693 und „Gegenvorstellung“, Rz. 2.1689 verwiesen.

B. Beschwer I. Begriffsbestimmung Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, also einen mit der Entscheidung einhergehenden Nachteil, der nicht ausschließlich in der Kostenentscheidung liegen darf (arg. § 99 ZPO) und den mit dem Rechtsmittel zu beseitigen, Absicht des Rechtsmittelklägers ist. Das gilt auch für die Zulässigkeit der ansonsten von der Zulassung (§ 543 Abs. 1 ZPO) abhängigen Kurpat

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Revision1 und der bei fehlender Revisionszulassung nur ab einer Beschwer2 von mehr als 20.000 t zulässigen Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO).

2.4199 Daher muss das in der vorhergehenden Instanz verfolgte Begehren wenigstens teilweise abschlägig beschieden und mit dem Rechtsmittel weiterverfolgt werden. Davon ausgenommen sind für den Kläger diejenigen Fälle, in denen zwischen den Instanzen eingetretene Umstände eine Antragsumstellung nach § 264 Nr. 3 ZPO erfordern.3

2.4200 Bezugspunkt der Prüfung ist allein der rechtskraftfähige Inhalt der vorinstanzlichen Entscheidung zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung (§ 4 ZPO). Eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Beschwer muss bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichts fortbestehen.4 Zur Auslegung des rechtskraftfähigen Inhalts können die Entscheidungsgründe herangezogen werden, etwa hinsichtlich des Umfangs der Abweisung (nur) als derzeit unbegründet.

2.4201 Mit vom eigenen Sachvortrag abweichenden tatsächlichen Feststellungen im Urteil ist keine Beschwer verbunden. Das Gleiche gilt für eine dem Rechtsmittelkläger in der Sache günstige, aber in der rechtlichen Begründung abweichende Entscheidung.5 Ebenso ist eine Beschwer nicht darin zu erkennen, dass dem Rechtschutzbegehren prozessordnungswidrig durch echtes statt unechtes Versäumnisurteil stattgegeben worden ist.6

2.4202 Auch muss die Beschwer aus der angegriffenen Entscheidung selbst erwachsen7 und kann nicht (erst) durch eine mit dem Rechtsmittel erklärte Klageerweiterung,8 Änderung des Streitgegenstandes (Wechsel des Lebenssachverhalts)9 oder Widerklage herbeigeführt werden. Diese setzen vielmehr ein zunächst zulässig eingelegtes Rechtsmittel voraus.10

2.4203 Daher wird ein Rechtsmittel gegen ein Urteil, dessen Beschwer unterhalb dem Rechtsmittelstreitwert liegt, nicht dadurch zulässig, dass der Rechtsmittelkläger in der höheren Instanz seinen abgewiesenen Antrag erhöht oder nicht mehr den Hauptanspruch verfolgt, sondern nur den selbständig gewordenen höheren Zinsanspruch.11

II. Ermittlung der Beschwer 2.4204 Der Umfang der Beschwer beurteilt sich danach, welche nachteiligen Auswirkungen das erstinstanzliche Urteil für den Rechtsmittelführer hat. Deren Bezifferung erfolgt gem. § 2 ZPO nach Maßgabe der §§ 3 bis 9 ZPO. Hinsichtlich der Einzelheiten zu besonderen Verfahrenskonstellationen vgl. die Ausführungen unter Ziffer E.

2.4205 Bei der Ermittlung ist zwischen dem Unterliegen des Klägers und dem des Beklagten zu unterscheiden. Während bei Zahlungs- und Herausgabeanträgen deren Beschwer betragsmäßig einander noch 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zöller/Heßler, § 543 ZPO Rz. 6. Vgl. hierzu Zöller/Heßler, § 26 EGZPO Rz. 14. BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03, ProzRB 2005, 182; NJW-RR 1992, 1033; MDR 1991, 42. BGH, Beschl. v. 29.6.2004 – X ZB 11/04, NJW-RR 2004, 1365. OLG Celle v. 31.10.2000 – 9 U 65/00, MDR 2001, 449 – Beschwer des Beklagten. OLG Bamberg v. 24.11.1993 – 2 U 5/93, NJW-RR 1994, 459. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.6.2005 – 4 U 105/05, MDR 2006, 169. LG Bonn, Beschl. v. 30.8.1994 – 8 S 215/94, NJW-RR 1995, 959. Siehe dazu näher Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rz. 10a; RGZ 90, 85; RGZ 139, 221; LG Bonn, Beschl. v. 30.8.1994 – 8 S 215/94, NJW-RR 1995, 959. 10 BGH, Beschl. v. 30.11.2005 – XII ZR 112/03, MDR 2006, 828; BGH, NJW 2003, 2172; BGH v. 17.1.2002 – 16 UF 139/01, NJW-RR 2002, 1085; BAG, Beschl. v. 4.6.2008 – 3 AZB 37/08, NJW 2009, 171. 11 BGH, Beschl. v. 27.11.1991 – IV ZR 74/91; vgl. zur Berechnung OLG Köln v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215.

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2. Teil

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entspricht, fallen sie schon bei dem Verlangen nach Auskunft, Beseitigung und Unterlassung regelmäßig auseinander. 1. Beschwer des Klägers Der mit der Entscheidung einhergehende Nachteil für den Kläger ist formell zu bestimmen. Die for- 2.4206 melle Beschwer besteht in der Differenz zwischen dem, was der Kläger in der vorhergehenden Instanz begehrt hat, und dem, was ihm mit dem Urteil zuerkannt worden ist.1 Eine Differenz besteht daher auch dann, wenn das Gericht im Tenor eine Teilabweisung ausspricht, weil es unzutreffend von einem Teilunterliegen ausgeht.2 Sie entspricht bei vollständigem Unterliegen dem nach §§ 3 ff. ZPO ermittelten Wert des Klageantrages und bei teilweisem Unterliegen dem eines entsprechenden Bruchteils. Die mit der (Teil)Abweisung verbundene Kostenlast bleibt unberücksichtigt, § 4 ZPO.

2.4207

Eine Beschwer ist ferner zu bejahen, wenn das Urteil trotz Klagestattgabe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist3 oder dem Kläger unter Missachtung von § 308 ZPO über mehr, weniger oder anderes zuerkennt, als von ihm beantragt war.4

2.4208

2. Beschwer des Beklagten Demgegenüber ist bei dem Beklagten auf dessen materielle Beschwer abzustellen, denn die Entscheidung verhält sich allein zum Sachantrag des Klägers. Seine Beschwer entspricht derjenigen Leistung, zu der er verurteilt worden ist. Sie bemisst sich nach den mit der Erfüllung des Urteils (unmittelbar) einhergehenden Nachteilen,5 wie etwa dem Aufwand der ihm auferlegten Beseitigung, und ist unabhängig davon, ob der Beklagte dem Klageantrag entgegen getreten ist oder diesen anerkennt hat.6 Die Beschwer folgt – von Sonderfällen abgesehen (z.B. §§ 91a, 93 ZPO) – nicht allein aus der Kostenlast und fehlt damit bei vorbehaltsloser Erfüllung des Klagebegehrens vor Einlegung des Rechtsmittels, das nur (deshalb) nur noch der Abwendung der aus Sicht des Rechtsmittelklägers unberechtigten Kostenlast dient.7

2.4209

Auch können diese Nachteile, die vom Kläger mit der Verurteilung erstrebten und für die erstinstanzliche Wertfestsetzung maßgeblichen Vorteile ohne weiteres übersteigen.8 So ist das Interesse des Beseitigung verlangenden Klägers nach der mit der Fortdauer des Zustandes verbundenen Beeinträchtigung zu bemessen, die aus einer entsprechenden Verurteilung resultierende Beschwer des Beklagten dagegen nach dem mit der Erfüllung einhergehenden Beseitigungsaufwandes. Umgekehrt entspricht die mit der Verurteilung zur Auskunft verbundene Beschwer dem mit der Erfüllung einhergehenden Aufwand und liegt damit regelmäßig unter dem vom Kläger mit der Klage verbundenen Interesse an einer Durchsetzung des vorzubereitenden Leistungsanspruchs.

2.4210

1 BGH, Beschl. v. 11.3.2015 – XII ZB 553/14, MDR 2015, 853. 2 OLG Frankfurt, Urt. v. 24.5.2011 – 9 U 110/10: 1.000 t für eine vom Antrag abweichender Unterlassungstenor ohne inhaltliche Beschränkung; mangels tatsächlicher Beschwer dürfte allerdings nur ein Ansatz von bis 300 t (niedrigste Gebührenstufe) zutreffend sein. 3 Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rz. 13. 4 BGH, MDR 1991, 329. 5 BGH, Beschl. v. 11.3.2015 – XII ZB 553/14, MDR 2015, 853; BGH, Urt. v. 5.1.1955 – IV ZR 283/54, NJW 1955, 545. 6 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.12.1981 – 16 UF 185/81, MDR 1982, 417; OLG Koblenz v. 11.12.1992 – 2 U 911/92, NJW-RR 1993, 462; OLG Rostock, Beschl. v. 19.4.2004 – 7 U 206/03, OLGR 2005, 17; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2008 – 24 U 80/08, MDR 2008, 1244. 7 BGH, Beschl. v. 15.12.2020 – VII ZR 341/19, WuM 2021, 122 – Räumung nach zwischenzeitlich eigener Kündigung; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 – VI ZB 87/09, MDR 2011, 384 – Zahlung. 8 BGH, Beschl. v. 26.6.1997 – IX ZR 59/97, WM 1997, 2049.

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C. Rechtsmittelstreitwert und Beschwerdegegenstand 2.4211 Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels muss die mit der gerichtlichen Entscheidung verbundene Beschwer den Rechtsmittelstreitwert erreichen und wenigstens in diesem Umfang zum Gegenstand des Rechtsmittelantrages (Beschwerdegegenstand) gemacht werden.

2.4212 Maßgeblich ist das Interesse des Rechtsmittelführers, die erstinstanzliche Entscheidung im angegriffenen Umfang zu beseitigen. Dabei richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem konkreten Antrag des Rechtsmittelführers. Dieser kann mit der Beschwer übereinstimmen, aber auch hinter ihr zurückbleiben, wenn beispielsweise das Urteil mit dem Rechtsmittel nur teilweise angegriffen und im Übrigen hingenommen wird. Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann nicht größer sein als die Beschwer.1

2.4213 Für die Beurteilung, ob der Rechtsmittelstreitwert erreicht wird, ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend, arg. § 4 ZPO. Spätere Beschränkungen der Antragstellung und damit des Beschwerdegegenstandes bleiben außer Betracht.2

2.4214 Dabei erfordert die Beschwerde in Kostensachen, dass die Beschwer der angegriffenen Entscheidung 200 t übersteigt und mindestens in diesem Umfang Gegenstand der Beschwerde ist, § 567 Abs. 2 ZPO.

2.4215 Die Berufung ist – ohne Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht – nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn Beschwer und Wert des Beschwerdegegenstandes 600 t übersteigen.

2.4216 Für die revisionsrechtliche Nichtzulassungsbeschwerde gilt nach § 544 ZPO abweichend, dass die

Berufungsentscheidung für den Beschwerdeführer mit einer 20.000 t übersteigenden Beschwer verbunden sein muss, deren Beseitigung er in zumindest diesem Umfang beabsichtigt. Dabei ist der Revisionskläger nach der Zulassung nicht gehindert, einen unterhalb von 20.000 t liegenden Revisionsantrag zu stellen,3 wie auch das Berufungsgericht seine Zulassung auf Gesichtspunkte beschränken kann, deren abweichende Beurteilung keinen über 20.000 t liegenden Beschwerdegegenstand rechtfertigen würden.

D. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 2.4217 Der Gebührenstreitwert richtet sich nach § 47 GKG und damit in erster Linie nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden diese, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist nicht eingereicht, so ist dagegen die Beschwer des Rechtsmittelklägers maßgebend (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG). Weitere Wertvorschriften für die Gebühren in der Rechtsmittelinstanz finden sich in § 41 Abs. 4 GKG (Rechtsmittel bei Ansprüchen aus §§ 574 bis 574b BGB), § 45 Abs. 2 GKG (wechselseitig eingelegte Rechtsmittel) und § 62 GKG (Bindung an den Rechtsmittelstreitwert). Die Wertvorschriften gelten für sämtliche Rechtsmittel.

2.4218 Wird der Rechtsmittelführer (entgegen seiner Auffassung) durch das angefochtene Urteil nicht beschwert, dann ist der Gebührenstreitwert auf den Wert der niedrigsten Gebührenstufe nach § 34 S. 1

1 Vgl. auch die Ausführungen von Jauernig, NJW 2001, 3027. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZR 126/07, MDR 2008, 1360; Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rz. 10a. 3 Vgl. Zöller/Heßler, § 26 EGZPO Rz. 14.

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GKG, mithin auf (derzeit) bis 500 t festzusetzen.1 Wertbestimmend ist die objektiv erlittene (formale oder materielle) Beschwer und nicht das Interesse des Rechtsmittelklägers an einer Überprüfung der angefochtenen Entscheidung.2 Anderenfalls liefe § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO leer. Da somit eine nur angenommene Beschwer nicht ausreicht, andererseits ein Nullwert beim Gebührenstreitwert ausscheidet, verbleibt nur eine Festsetzung innerhalb der Eingangsstufe. Gleiches gilt, wenn das Rechtsmittel fristwahrend eingelegt wird, weil die Parteien über das Ergebnis eines Verkündungstermins nicht in Kenntnis gesetzt werden und die Verlegung des Termins auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erst nach Rechtsmitteleinlegung mitgeteilt wird, es also an einer anfechtbaren Entscheidung fehlt.3

2.4219

Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig gem. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO hat denselben Streitwert wie die Berufung,4 da mit ihr die Durchführung des Berufungsverfahrens angestrebt wird. Hat der Beschwerdeführer vor Einlegung der Rechtsbeschwerde keinen (fristgerechten) Berufungsantrag gestellt, dann ist auf die Höhe seiner Beschwer abzustellen. Erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens angekündigte Berufungsanträge sind gem. § 40 GKG unerheblich.5

2.4220

Für die Nichtzulassungsbeschwerde sowie für das Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels bestimmt sich der Streitwert nach § 47 Abs. 3 GKG und damit nach dem für das jeweilige Rechtsmittelverfahren maßgeblichen Wert. Werden im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Anträge nicht gestellt, bestimmt sich der Gebührenstreitwert gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nach der Beschwer des Rechtsmittelführers.6

2.4221

Der für den Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 40 GKG) ermittelte Gebührenstreitwert bleibt auch dann maßgebend, wenn durch spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdegegners das Interesse des Beschwerdeführers an der Eröffnung der Revision auf die mögliche Befriedigungsquote der geltend gemachten Forderung abgesunken ist.7

2.4222

Der nach § 47 GKG festgesetzte Gebührenstreitwert ist gem. § 32 Abs. 1 RVG grundsätzlich auch für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren maßgeblich. Auf Antrag ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach §§ 32, 33 RVG gesondert festzusetzen, insbesondere wenn der Gegenstand der gerichtlichen mit der anwaltlichen nicht identisch ist. Davon ist auszugehen, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß zunächst fristwahrenden Rechtsmittel einlegt, sodann dessen Erfolgsaussichten prüft und im Anschluss nur einen eingeschränkten Rechtsmittelantrag stellt. Obwohl infolge der Rechtsmittelbeschränkung ein Teil des (erstinstanzlich) titulierten Anspruchs nicht anhängig ist, fehlt es auch insoweit nicht an einer (nach Nr. 3508, 3506 VV RVG abzurechnenden) Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren. Wertbestimmend für die Verfahrensgebühr ist die mit dem Urteil für den Auftraggeber verbundene Beschwer.8

2.4223

1 BGH, Beschl. v. 18.6.2016 – III ZR 325/15, MDR 2016, 1162; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2009 – 24 W 13/09, MDR 2009, 1187 – zutr. auch in der Abgrenzung zum Scheinurteil; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1983 – 5 U 57/83, MDR 1984, 237; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.2.2020 – 10 U 19/19 betr. Teilurteil; Lappe, NJW 2005, 26, 265. 2 So aber OLG Celle, Beschl. v. 28.11.2003 – 14 U 199/03, OLGR Celle 2004, 160; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.1.1984 – 17 U 226/83, MDR 1984, 502. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2009 – 24 W 13/09, MDR 2009, 1187. 4 BGH, Beschl. v. 29.6.2011 – II ZB 113/11; BGH, Beschl. v. 17.11.1997 – II ZB 10/97, NJW-RR 1998, 354. 5 BGH, Beschl. v. 29.6.2011 – II ZB 113/11. 6 BGH, Beschl. v. 11.4.2019 – I ZR 205/18, NJW 2019, 2175; BGH, Beschl. v. 22.12.2010 – IV ZR 221/10, AGS 2011, 139. 7 BGH, Beschl. v. 22.2.2008 – IX ZR 234/04 – betr. Nachlassinsolvenz. 8 BGH, Beschl. v. 6.11.2019 – VIII ZR 325/18; BGH, Beschl. v. 30.10.2019 – V ZR 299/14, MDR 2018, 927; BGH, Urt. v. 14.12.2017 – IX ZR 243/16, MDR 2018, 724; a.A. noch BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 204/11, MDR 2013, 1376.

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II. Rechtsmittelantrag (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) 2.4224 Der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren bestimmt sich gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in erster Linie nach dem Antrag des Rechtsmittelführers.1 Wie jede Prozesshandlung ist auch die Antragstellung der Auslegung zugänglich, jedoch bleiben nicht erkennbare Willensmängel (auch nach Aufklärung) unbeachtlich.2 Ein über die Antragstellung hinausgehendes Affektionsinteresse oder dahinter stehendes Interesse des Rechtsmittelführers an der Durchführung des Verfahrens bleibt bei der Wertbestimmung ebenso außer Betracht.3

2.4225 Es ist auf die tatsächlich gestellten Anträge abzustellen, unabhängig davon, ob diese Anträge prozessual zulässig oder sachlich angemessen sind. Auf den (möglichen) Erfolg des Rechtsmittels kommt es im Rahmen der Wertbestimmung nicht an.4 Beachtlich ist damit grundsätzlich auch eine unter der Beschwer oder dem Rechtsmittelstreitwert liegende Antragstellung, soweit kein Rechtsmissbrauch gegeben ist.5 In gleicher Weise zu berücksichtigen und den Wert erhöhend ist eine prozessual unzulässige Klageerweiterung.6

2.4226 Wird die vorinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang angegriffen, dann ist der deren Gebührenstreitwert auch für das Rechtsmittelverfahren maßgeblich. Das gilt bei einem uneingeschränkten Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils selbst dann, wenn in der Rechtsmittelbegründung erwähnt ist, dass die Verurteilungssumme vom Rechtsmittelbeklagten zwischenzeitlich im Wesentlichen bezahlt wurde7 oder das Urteil zum Teil auf einem Anerkenntnis beruht.8

2.4227 Wird das Rechtsmittel dagegen nur hinsichtlich eines Teilbetrags aus der ersten Instanz eingelegt, dann ist der Streitwert in der Regel nach diesem Teilbetrag zu bemessen.9 Vorab ist jedoch zu prüfen, ob die Entscheidung sich zu einem teilbaren oder unteilbaren Streitgegenstand verhält, denn unzulässige Anträge bei unteilbarem Streitgegenstand mit dem bloßen Ziel der Streitwertminderung verringern die Beschwer nicht.10 Derartige „unechte Anträge“ bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt,11 weil das anderenfalls auf ein fiktives Beschwerderecht hinausliefe.

2.4228 Demgegenüber begegnen Antragsbeschränkungen bei teilbarem Streitgegenstand vor Rechtsmittelrücknahme nach überwiegender Ansicht keinen Bedenken, da die Ausübung von vorteilhaften Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, keinen Missbrauch darstelle.12 Das entspricht zugleich den Grundsät-

1 Vgl. auch BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 m. Anm. Schneider; BVerwG, Beschl. v. 9.11.1988 – 4 B 185/88, JurBüro 1989, 528; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2000 – 20 U 14/00, JurBüro 2001, 642; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.9.2000 – 3 U 268/99, MDR 2001, 113. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.3.1975 – 6 U 74/74, NJW 75, 1933. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 m. Anm. Schneider. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.3.1975 – 6 U 74/74, NJW 1975, 1933; KG, Rpfleger 1962, 154; BFH, BStBl. II 1975, 304. 5 BGH, Beschl. v. 15.5.1974 – V ZR 178/72, NJW 1974, 1286; OLG München, Beschl. v. 22.2.1974 – 19 U 4391/73, MDR 1974, 590. 6 BGH, AnwBl. 1979, 113. 7 OLG Köln, Beschl. v. 2.5.1972 – 2 U 15/72, MDR 1972, 791. 8 KG, 23.3.2011 – 12 U 8/11, MDR 2011, 880. 9 BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 204/11, MDR 2013, 1376; OLG Köln, Beschl. v. 7.1.2011 – 19 U 104/10; OLG Celle, JurBüro 1961, 89. 10 OLG Celle, Beschl. v. 12.2.1975 – 9 U 89/74, MDR 1975, 767; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352. 11 Siehe OLG Hamm, JurBüro 1977, 704 im Anschluss an BGH, Beschl. v. 20.12.1972 – VIII ZR 70/72, MDR 1973, 311. 12 BGH, JurBüro 1974, 1125 = MDR 1974, 832; OLG Köln, Beschl. v. 20.8.2007 – 17 W 88/07 betr. Widerklage.

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Die Beschränkung des Rechtsmittels und damit des Streitwertes erfordert keine ausdrückliche Antragstellung2 und kann, wenn das Rechtsmittelverfahren ohne Einreichung eines Antrages endet, auch in der innerhalb der Begründungsfrist abgegebenen Erklärung liegen, dass beabsichtigt sei, das Rechtsmittel auf einen bestimmten Teil der abgewiesenen Klageansprüche zu beschränken.

2.4229

Eine Nachholung der Beschränkung ist dagegen nicht möglich.3 Ist beispielsweise die Berufung ohne Antrag eingelegt und später zurückgenommen worden, dann können die Rechtsfolgen des § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht durch eine nachträgliche „Klarstellung“ beseitigt werden, wonach die Berufung sich nur gegen einen Teil des angefochtenen Urteils habe richten sollen.4

2.4230

III. Bewertungszeitpunkt Bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, § 40 GKG. Maßgeblich sind die in der Rechtsmittelfrist angekündigten Anträge.5

2.4231

Selbst bei gleichbleibendem Streitobjekt kann das Interesse des Berufungsklägers höher oder niedriger zu bewerten sein als das des Klägers in erster Instanz, beispielsweise wenn sich die Dringlichkeit oder das Schadensrisiko während des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wesentlich verändert hat.6 Abzustellen ist auch dann aber auf das Interesse im Zeitpunkt der Instanzeinleitung.

2.4232

Antragsbeschränkungen nach Einlegung und Begründung des Rechtsmittels bleiben auf den Gebührenstreitwert ohne Einfluss, § 40 GKG.7 Erhöht sich dagegen im Verlaufe der Rechtsmittelinstanz der Streitwert, so ist dies nach § 47 Abs. 2 S. 2 GKG bei der Bestimmung des Gebührenstreitwertes zu berücksichtigen, wenn es sich um eine Erweiterung des Streitgegenstandes handelt. So kann das Berufungsverfahren beispielsweise durch Klageerweiterung in zweiter Instanz einen höheren Gebührenstreitwert haben als das erstinstanzliche Verfahren.

2.4233

Dagegen sind reine Wertänderungen (z.B. Kursschwankungen bei Wertpapieren, volatile Wechselkurse bei ausländischen Währungen etc.) ohne Änderung des Streitgegenstandes für den Gebührenstreitwert unbeachtlich.

2.4234

Zu beachten ist, dass gem. § 47 Abs. 2 GKG der Rechtsmittelstreitwert bei unverändertem Streitgegenstand durch den Wert des Streitgegenstandes in erster Instanz begrenzt wird.8 So bleiben Kurssteigerungen nach Klageeinreichung daher auch für die Rechtsmittelinstanz streitwertrechtlich ohne Bedeutung. Die gegenteilige Auffassung des BGH,9 wonach Fälle, in denen der Wert des unverändert gebliebenen Streitgegenstandes sich während des Rechtsmittelverfahrens über den Wert des Streit-

2.4235

1 OLG Köln, JMBl.NW 1967, 132; OLG Celle, NJW 1964, 359; OLG Hamburg, MDR 1964, 514; OLG Hamm, MDR 1964, 931; OLG Schleswig, JurBüro 1956, 424; JurBüro 1960, 399; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 482; LG Stade, JurBüro 1960, 80. 2 OLG München, NJW 1967, 59 Nr. 27. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.2012 – 12 UF 64/12, MDR 2012, 1379. 4 OLG Köln, Beschl. v. 25.4.1984 – 2 U 13/84, MDR 1984, 766. 5 OLG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1963, 150. 6 Vgl. OLG Köln, JurBüro 1980, 244; OLG Köln, BB 1974, 1184. 7 BGH, Beschl. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98, JurBüro 1999, 195 mit Anm. Herget; OLG Hamm, JurBüro 1955, 441. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.1981 – 6 U 85/80, JurBüro 1981, 1546. 9 BGH, Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, MDR 1999, 689; BGH, Beschl. v. 5.10.1981 – II ZR 49/81, MDR 1982, 299 – hier noch auf zwischenzeitlich aufgehobenen § 14 Abs. 2 Satz 3 GKG i.d.F. bis zum 30.6.1994 abstellend.

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zen des Kostenrechts, welches klare und einfache Richtlinien verlangt und damit den gestellten Antrag als wertbestimmend anzusehen hat.1

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gegenstandes der ersten Instanz erhöht hat, von § 47 Abs. 2 GKG nicht erfasst würden, ist mit dem Wortlaut nicht in Einklang zu bringen.1

IV. Rücknahme des Rechtsmittels (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG) 2.4236 Die Einlegung der Berufung, Revision oder Rechtsbeschwerde zwingt noch nicht zur Antragstellung. Diese ist vielmehr notwendiger Bestandteil erst der fristgebundenen Rechtsmittelbegründung, § 520 Abs. 3 Nr. 1, § 551 Abs. 3 Nr. 1, § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Stellt der Rechtsmittelführer den erforderlichen Antrag nicht innerhalb der Frist, oder wird das Rechtsmittel noch vor Fristablauf und Antragstellung zurückgenommen, dann bestimmt sich der Gebührenstreitwert mangels Antrages gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nach der Beschwer. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Bestimmung der Beschwer kann auf die Ausführungen unter Ziffer B. verwiesen werden.

V. Wertbegrenzung (§ 47 Abs. 2 GKG) 2.4237 Ungeachtet einer etwaig weitergehenden Beschwer stellt der Gebührenstreitwert des erstinstanzlichen Verfahrens – soweit der Streitgegenstand unverändert bleibt – gem. § 47 Abs. 2 GKG die Wertobergrenze dar.2 Nach Ansicht des BGH betrifft diese nicht die Fälle, in denen sich der Wert des unverändert gebliebenen Streitgegenstands der ersten Instanz erhöht hat, etwa durch den Wandel der Zins- und Rechtsverfolgungskosten zu einer Hauptforderung.3

2.4238 Ein späterer Wechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer Streitwertfrage gibt keinen Anlass, in davon unabhängigen Verfahren die frühere Streitwertfestsetzung abzuändern.4 Andererseits kann der Rechtsmittelführer keinen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf eine einmal erfolgte Streitwertfestsetzung geltend machen, da das Erstgericht und das Rechtsmittelgericht nach § 63 Abs. 3 GKG diese von Amts wegen abändern können.5

VI. Rechtsmissbrauch 2.4239 § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, wonach sich der Gebührenstreitwert bei fristgerechter Antragstellung nach dem Umfang der damit angestrebten Abänderung bestimmt, findet in Fällen des Rechtsmissbrauchs keine Anwendung. So bleibt die Beschränkung des Rechtsmittelantrages außer Betracht, wenn offenkundig ist, dass der Antrag nicht auf eine Durchführung des Rechtsmittelverfahrens und eine Sachentscheidung zielt, sondern allein eine Reduzierung der damit verbundenen Kosten bezweckt.6 Das fehlende Interesse an einer Sachentscheidung muss durch objektive Umstände zum Ausdruck kommen.7 1 Ebenso Toussaint/Elzer, KostR, § 47 GKG Rz. 19. 2 BGH, Beschl. v. 26.3.2003 – IV ZR 232/02, FamRZ 2003, 1274; BVerwG, Beschl. v. 10.12.1992 – 6 B 42.92, JurBüro 1993, 738; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.2011 – 10 W 33/11. 3 BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022. 4 OLG Köln, JurBüro 1971, 1060; OLG Hamm, Beschl. v. 27.9.1972 – 22 U 4/72, MDR 1973, 147 mit Anm. Schneider, S. 418; OLG Hamm, MDR 1979, 599. 5 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.12.1992 – 6 B 42/92, JurBüro 1993, 738. 6 BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, JurBüro 1998, 262; BGHZ 70, 365; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2000 – 20 U 14/00, JurBüro 2001, 642; OLG Hamm, Beschl. v. 7.8.1993 – 19 U 76/93, OLGR 1993, 252; OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 162/97, OLGR 1998, 130; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.2004 – 5 U 1332/04, AGS 2005, 162; OLG Köln, Beschl. v. 16.4.2012 – 16 W 28/11, AGS 2012, 531; OLG Schleswig, Beschl. v. 25.11.2003 – 4 U 72/03, JurBüro 2004, 133. 7 BGH, GSZ, Beschl. v. 14.2.1978 – GSZ 1/77.

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Die bei einem teilbaren Streitgegenstand oder einer Mehrheit von Streitgegenständen prozessual mögliche Beschränkung des Rechtsmittels allein trägt die Annahme eines Missbrauchs noch nicht.1 Das gilt insbesondere dann, wenn die Beschränkung im Hinblick auf eine zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung(sänderung) des BGH erfolgt.2

2.4240

Derartige Umstände könne bejaht werden, wenn der Rechtsmittelkläger – ein Antrag unterhalb der Erwachsenheitssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

stellt,3

– wenn der eingeschränkte Rechtsmittelantrag in dem Schriftsatz enthalten ist, mit dem gleichzeitig die Rücknahme des Rechtsmittels erklärt wird,4 – seine Berufung auf einen rechtsmittelfähigen Kleinstbetrag (0,01 % der Beschwer) beschränkt und diese 10 Tage später zurücknimmt,5 – seine Berufung unter Missachtung von § 99 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO auf eine Anfechtung der Kostenentscheidung beschränkt und einen Tag später zurücknimmt,6 – seine Berufung trotz der im Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen (Aktivlegitimation, Verjährung etc.), die nur eine vollständige Klagestattgabe oder -abweisung erlaubten („Alles oder Nichts“), seine Berufung einen geringfügigen Betrag beschränkt und sodann zurücknimmt,7 – seine Berufung auf eine willkürlich herausgegriffene Einzelposition beschränkt, die im Vergleich zu den ebenfalls aberkannten Positionen in wirtschaftlicher Hinsicht als völlig unbedeutend anzusehen ist, und einen Tag später zurücknimmt,8 Fehlt es nach dieser Maßgabe an einem beachtlichen Rechtsmittelantrag, dann ist auf die Beschwer abzustellen, § 47 Abs. 1 S. 2 GKG.9 Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, in welchem Umfang der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel in etwaig zulässigerweise hätte beschränken können. Hypothetische Anträge scheiden für die Berechnung der Beschwer aus.10

2.4241

VII. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel Die Bestimmung des Gebührenstreitwerts bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln richtet sich 2.4242 nach § 45 Abs. 2 GKG. Danach sind – soweit die Rechtsmittel nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden – die Regelungen in § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG anzuwenden. Die Werte der einzelnen Rechtsmittel sind zusammenzurechnen, es sei denn, sie betreffen – wirtschaftlich betrachtet – denselben Gegenstand. Zu den Einzelheiten und verschiedenen Fallgestaltungen des Verbots der Addition

1 OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2017 – 4 U 44/17, AGS 2018, 133: 350 t; OLG Köln, Beschl. v. 7.1.2011 – 19 U 104/10 betr. Teilaufrechterhaltung eines Vollstreckungsbescheids. 2 BGH, Urt. v. 2.2.2021 – VI ZR 449/20, MDR 2021, 376. 3 OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 1621/97, OLGR 1998, 130 – allerdings wurde nicht die volle Beschwer als Gebührenstreitwert angesetzt, weil aus anderen Erklärungen des Rechtsmittelführers deutlich war, inwieweit er das Urteil tatsächlich angreifen wollte. 4 OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 162/97, OLGR 1998, 130. 5 BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, JurBüro 1998, 262. 6 OLG Köln, Beschl. v. 16.4.2012 – 16 W 28/11, AGS 2012, 531. 7 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2011 – 7 U 85/11 betr. Anwaltshaftung. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352; OLG Köln, Beschl. v. 7.1.2011 – 19 U 186/10; OLG München, Beschl. v. 4.7.1990 – 28 U 3209/90, JurBüro 1992, 252. 9 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.2004 – 5 U 1332/04, AGS 2005, 163 mit Anm. Schneider; der BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, JurBüro 1998, 262 hat dieses Ergebnis im Rahmen einer außerordentlichen Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eines OLG jedenfalls gebilligt. 10 So auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.9.1990 – 5 U 181/90, JurBüro 1991, 107.

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wirtschaftlich identischer Ansprüche s. unter den Stichwörtern „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511, Mehrere Ansprüche“, Rz. 2.2921 und „Wirtschaftliche Identität“, Rz. 2.5980.

2.4243 Eine Zusammenrechnung der Ansprüche nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG unterbleibt allerdings in den Fällen, in denen die Addition gesetzlich ausgeschlossen ist, wie bei der Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung nach der Hauptforderung und Anschlussberufung des Klägers wegen des abgewiesenen (weitergehenden) Zinsanspruchs.1 Denn da der Zinsanspruch nach § 43 Abs. 1 GKG streitwertneutral ist, darf er auch bei einem Anschlussrechtsmittel nicht berücksichtigt werden.

2.4244 Die Regelung in § 45 Abs. 2 GKG bezieht sich auf wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, d.h. um Rechtsmittel, die von beiden Parteien gegen dasselbe Urteil eingelegt sind. Davon zu unterscheiden ist der Fall zweier Berufungen derselben Partei gegen verschiedene Urteile,2 beispielsweise wenn dieselbe Partei erst gegen das Grundurteil und später in demselben Prozess gegen das Betragsurteil Berufung einlegt. Hier erfolgt jeweils eine gesonderte Wertfestsetzung für jedes Berufungsverfahren.

2.4245 Ist im Zwei-Parteien-Streit oder auch im Streitgenossenprozess zwischen Kläger und einem Streitgenossen die Klage teils abgewiesen, teils zugesprochen worden, dann sind – wenn Berufung und Anschlussberufung eingelegt werden – die Werte der Rechtsmittel zusammenzurechnen. Die Streitgegenstände sind nicht identisch.3

2.4246 Wenn von mehreren als Gesamtschuldner in Anspruch Genommenen der eine verurteilt und die Klage gegen den anderen durch dasselbe Urteil abgewiesen wird und der Verurteilte wegen seiner Verurteilung, der Kläger wegen Abweisung seiner Klage gegen den anderen Beklagten Rechtsmittel einlegen, so betreffen die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel jedoch denselben Gegenstand. Die Streitwerte der beiden Rechtsmittel sind nicht zusammenzurechnen,4 weil bei Gesamtschuldverhältnissen eine Verschiedenheit der Streitgegenstände nicht in Betracht kommt.

2.4247 Soweit Berufung und Anschlussberufung, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, denselben Streitgegenstand betreffen, sind die Gebühren nach dem einfachen Wert dieses Gegenstandes zu berechnen (§ 45 Abs. 2 GKG).5 Das Kriterium gemeinsamer Behandlung mehrerer Berufungen in einem Prozess (§ 45 Abs. 2 GKG) ist schon durch den Angriff auf dasselbe Urteil gegeben und solange zu bejahen, wie nicht ein Verfahren abgetrennt wird.6

2.4248 Der Streitwert erhöht sich nicht dadurch, dass bei wechselseitigen Berufungen gegen ein Urteil eine der Berufungen ganz oder teilweise zurückgenommen und wegen desselben Streitgegenstandes anschließend eine unselbständige Anschlussberufung eingelegt wird.7

2.4249 Schließt der Berufungsbeklagte sich an eine von Anfang an wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässige Berufung an, erhöht dies nicht den Streitwert.8

2.4250 Die Bewertung der Anschlussrevision richtet sich nach § 45 Abs. 2 GKG: Wird sie mit der Revision in demselben Prozess verhandelt, so werden die Werte addiert, soweit es sich um verschiedene Gegenstände handelt. Ansonsten ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgeblich.

2.4251 Wird eine Anschlussrevision kostenpflichtig als unzulässig verworfen, bevor über die Revision entschieden ist, dann werden die beiden Streitwerte nicht nach § 45 Abs. 2 GKG zusammengerechnet, 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Koblenz, Beschl. v. 10.8.2006 – 7 UF 850/05, AGS 2007, 260; OLG Hamm, JurBüro 1988, 1550. OLG Hamm, JurBüro 1955, 441. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.39. BGHZ 7, 152; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271. OLG Köln, Urt. v. 3.8.2011 – 11 U 99/10. OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013 – 1 W 67/13, AGS 2014, 337; OLG Celle, MDR 1961, 67. KG, JurBüro 1971, 79. Siehe dazu ausführlich Schneider, MDR 1988, 462 m.w.N.; OLG Köln, JurBüro 1971, 717.

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sondern getrennt festgesetzt. Gemeinsam verhandelt werden kann nämlich nur, wenn ein zulässiges Rechtsmittel zu einem noch anhängigen zulässigen Rechtsmittel hinzutritt, nicht jedoch, wenn sich der Kläger mit einer unzulässigen Revision an eine zulässige Revision des Beklagten anschließt.1

E. Einzelfälle I. Anerkenntnis Auch das Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO) unterliegt der Anfechtung, da es den Beklagten im Um- 2.4252 fang der Verurteilung (materiell) beschwert. Wert des Beschwerdegegenstandes und Gebührenstreitwert folgen der begehrten Abänderung. Beruht das Urteil nur zum Teil auf einem Anerkenntnis, dann ist auch bei ausbleibender Antragstellung (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG) auf die volle Beschwer abzustellen.2 Der Gegenansicht, wonach der auf das Teilanerkenntnis entfallenden Betrag bei der Wertfestsetzung in Abzug zu bringen sei,3 ist nicht zuzustimmen. Ob der anerkannte Teilbetrag zweitinstanzlich „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ keiner Überprüfung mehr unterzogen wird, ist – wie bei offenkundig unzulässigen oder aussichtlosen Berufungen – für die Wertfestsetzung unerheblich. Daher rechtfertigt auch der bei derartigen Konstellationen geringe Arbeitsaufwand, keine abweichende Beurteilung. Es ist vielmehr Aufgabe des Beklagten, durch eine rechtzeitige (und eindeutige) Antragstellung oder anderweitige Erklärungen klarzustellen, in welchem Umfang die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt wird. Siehe ausführlich hierzu unter dem Stichwort „Anerkenntnis“ Rz. 2.120 ff.

II. Aufrechnung 1. Bescheidung des Rechtsmittels Die Beschwer im Falle der Aufrechnung bestimmt sich maßgeblich danach, welche Partei das Rechtsmittel einlegt. Bei der Ermittlung der Beschwer einer für den (aufrechnenden) Beklagten nachteiligen Entscheidung ist wiederum eine zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung differenzierende Betrachtung geboten.

2.4253

Für den Kläger ist dessen sog. formelle Beschwer maßgebend, mithin die Differenz zwischen Klageantrag und Urteilssumme. Ob die Klageabweisung auf fehlende Schlüssigkeit, den Erfolg einer Hauptaufrechnung oder erst auf eine hilfsweise erklärte Aufrechnung zurückgeht, ist ohne Bedeutung. Er ist in allen Fällen nur in Höhe der Klageforderung beschwert.4

2.4254

Für den aufrechnenden Beklagten ist auf dessen materielle Beschwer abzustellen, so dass für deren Be- 2.4255 rechnung im Ergebnis § 45 Abs. 3 GKG zur Anwendung gelangt.5 Da der Beklagte wegen § 322 Abs. 1 ZPO zur Hilfsaufrechnung keinen Sachantrag stellen muss, fehlt für ihn als Rechtsmittelführer zwangsläufig ein Klageantrag als Bewertungsobjekt. Es kann folglich nur darauf abgestellt werden, welchen nachteiligen rechtskraftfähigen Inhalt die angefochtene Entscheidung für den Beklagten hat.

1 BAG, MDR 1960, 616. 2 KG, 23.3.2011 – 12 U 8/11, MDR 2011, 880; OLG Karlsruhe, KostRsp. GKG § 14 Nr. 19 mit Anm. Schneider; OLG Rostock, Beschl. v. 19.4.2004 – 7 U 206/03, OLGR 2005, 17. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2008 – 24 U 80/08, MDR 2008, 1244; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.39. 4 BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79. 5 Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 23.

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2.4256 Hat er sich allein mit einer Hauptaufrechnung verteidigt, entspricht seine Beschwer bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung dem Verurteilungsbetrag.1 Demgegenüber erhöht sich seine Beschwer, wenn das Gericht der Klage trotz einer Hilfsaufrechnung stattgibt oder die Klage nur aufgrund der Hilfsaufrechnung abweist. Hier ist der Beklagte, der den Bestand der Klageforderung bestritten hat, einmal um den Wert der Klageforderung und um den Verlust seiner Gegenforderung beschwert.2

2.4257 Der Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens bestimmt sich richtigerweise zunächst nach der formellen Beschwer des Rechtsmittelführers und erst im Falle einer sachlichen Bescheidung der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung auch unter Berücksichtigung von deren Wert, soweit in einer der Rechtskraft fähigen Weise (§ 322 Abs. 2 ZPO) entschieden worden ist. Daran fehlt es, wenn die Geltendmachung der Hilfsaufrechnung als unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB gewertet und deshalb als unzulässig angesehen worden ist.3 Ebenfalls unberücksichtigt bleibt der Wert der vorinstanzlich sachlich beschiedenen Hilfsaufrechnung, wenn diese im Rechtsmittelverfahren zurückgenommen wird.4

2.4258 Soweit das Rechtsmittel des Beklagten sich allein dagegen richtet, dass ihm seine Aufrechnungsforderung aberkannt worden ist, bestimmt sich der Beschwerdegegenstand5 nur nach der Gegenforderung. Dementsprechend ist auch der Gebührenwert danach zu bemessen.6 Wird erstmals in der Rechtsmittelinstanz über die Hilfsaufrechnung entschieden, findet eine Streitwerterhöhung um den Wert der zur Aufrechnung gestellten Forderung statt. Zwar begrenzt § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG den Wert der Rechtsmittelinstanz durch den Wert der ersten Instanz. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Streitgegenstand erweitert wird, § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG. 2. Verwerfung des Rechtsmittels

2.4259 Damit scheidet eine Erhöhung des zweitinstanzlichen Gebührenstreitwerts nach § 45 Abs. 3 GKG immer dann aus, wenn das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 1, § 552 Abs. 1 ZPO verworfen wird.7 Hier wird nur über die Zulässigkeit des Rechtsmittels, nicht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung („sie“) entschieden. Es geht allein darum, ob die Rechtsmitteleinlegung Anlass zu einer erneuten Sachprüfung gibt.

2.4260 Die mit der hilfsweisen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 45 Abs. 1 und 3 GKG verbundene Werterhöhung setzt jedoch eine materiell-rechtliche und damit der Rechtskraft zugängliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über Hilfsanspruch und Gegenforderung voraus.8 Demgegenüber erfasst die aus der Verwerfung resultierende Rechtskraft nur die – erstinstanzliche – Entscheidung über die Gegenforderung.9 Bei abweichender Betrachtung müsste eine Werterhöhung selbst dann bejaht werden, wenn die Möglichkeit eines Rechtsmittels unzweifelhaft nicht eröffnet ist. 1 BGH, Beschl. v. 30.6.2004 – XII ZB 21/03, FamRZ 2004, 1714; BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 173; unklar Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rz. 3. 2 BGH, Beschl. v. 25.9.1996 – VI ZR 102/96, MDR 1997, 643, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15: zusätzlich zur Klageforderung jeweils in gleicher Höhe beschwert; BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, BGHZ 59, 17. 3 BGH, Beschl. v. 22.12.2010 – IV ZR 221/10, AGS 2011, 139. 4 BGH, Beschl. v. 25.3.2020 – XII ZR 20/19, MDR 2020, 749. 5 Vgl. zum Verhältnis von Beschwer und Beschwerdegegenstand Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 13. 6 BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79. 7 KG, Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; Toussaint/Elzer, KostR, § 45 GKG Rz. 36; Lappe, Komm. zum GKG, § 19 Anm. 13; Madert, FS für H. Schmidt, S. 77; a.A. Schneider, Anm. zu KostRsp. GKG § 19 Nr. 16; Zöller/ Herget, § 3 ZPO Rz. 16.26. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236. 9 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; KG, Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236.

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Ebenso rechtfertigt der Umstand keine Addition, dass der Berufungsanwalt sich in der Berufungsbegründung mit der aberkannten Gegenforderung befasst hat und hat befassen müssen, um dem gesetzlichen Begründungszwang des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu genügen. Konstruktiv entspricht die Rechtsmittelverwerfung der vom Gericht erkannten Unzulässigkeit einer Klageänderung, mit welcher der Kläger einen Hilfsantrag in den Prozess einführen will. Auch hier wird nicht i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG über die Forderung, genauer den Hilfsanspruch („ihn“), entschieden. Eine Werterhöhung scheidet aus.

2.4261

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Rechtsmittel

3. Rücknahme des Rechtsmittels Nach Ansicht des BGH1 bestimmt sich der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittel des Beklagten, dessen Hilfsaufrechnung vorinstanzlich in der Sache abschlägig beschieden worden ist, bei einer Rücknahme des Rechtsmittels noch vor Antragstellung nach der Addition von Klage- und Gegenforderung, ohne dass es hierfür einer zweitinstanzlichen Entscheidung über die Gegenforderung bedürfe. § 45 Abs. 3 GKG sei „im Lichte“ von § 47 GKG zu „interpretieren“,2 da dem Beklagten abweichend zur ersten Instanz von Beginn an nicht nur an einem Erfolg seiner primären Einwendungen, sondern auch an der Wiederherstellung seiner erstinstanzlich aberkannten Hilfsaufrechnungsforderung gelegen sei.

2.4262

Dem ist nicht zuzustimmen. Vielmehr bleibt der Wert der Gegenforderung, so auch die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nahezu einhellig vertretene Auffassung, bei der Rechtsmittelrücknahme unberücksichtigt. Für eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG fehlt es an einer Bescheidung der Gegenforderung durch das Rechtsmittelgericht.3 Denn wegen des „Grundsatzes der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“4 müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wertvorschrift innerhalb der Instanz erfüllt werden.5

2.4263

Siehe zu weitergehenden Ausführungen unter dem Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.327 ff.

2.4264

III. Auskunft Die Beschwer des Klägers ist nach seinem Auskunftsinteresse zu bemessen. Dessen Wert bestimmt sich gem. § 3 ZPO danach, in welchem Umfang die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs von der Auskunft abhängt.6 Die demnach gebotene Bruchteilsbewertung bewegt sich nach der Rechtsprechung

1 BGH, Beschl. v. 28.9.1978 – VII ZR 52/78, MDR 1979, 133; BGH, Beschl. v. 30.6.1978 – I ZR 72/77, JurBüro 1979, 358; zustimmend OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121; OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013 – 1 W 67/13, AGS 2014, 337. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121. 3 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2006 – 13 U 135/05; OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 9 U 154/84, JurBüro 1987, 1053 m. Anm. Mümmler; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2012 – 19 W 48712; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, JurBüro 1995, 485; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507; a.A. Diehl, NJW 1970, 1092. 4 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117. 5 OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, OLGR 1995, 176; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934. 6 BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – IV ZB 21/15, ErbR 2016, 230; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01; BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107; BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 67/92, FamRZ 1993, 1189 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, GmbHR 1995, 301.

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zwischen 1/10 und 1/4 und hängt im Einzelfall von der Kenntnis des Klägers über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Umstände ab.1

2.4266 Die Beschwer des Beklagten ist nach nahezu einhelliger Auffassung dem Interesse zu bemessen, das er daran hat, keine Auskunft erteilen oder Rechnung legen zu müssen.2 Es bemisst sich nach dem Aufwand des Beklagten an Arbeitszeit und Kosten, die mit der Erteilung einer sorgfältig erteilten Auskunft verbunden ist.3 Dabei kann der (eigene) Zeitaufwand in Anlehnung an den Höchststundensatz gem. § 22 JVEG berechnet werden.4 Neben dem persönlichen Einsatz kann auch der Aufwand für Leistungen Dritter in Ansatz gebracht werden, insbesondere von Hilfskräften, Steuerberatern und Rechtsanwälten, soweit deren Hinzuziehung aus sachlichen Gründen erforderlich ist.5

2.4267 Ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten ist nur zu berücksichtigen, wenn der Beklagte die mit der Auskunft unmittelbar verbundenen Nachteile konkret darlegt.6 Dagegen bleibt das Bestreben des Beklagten, die Rechtsverfolgung des Klägers zu erschweren, unberücksichtigt.7 Nach oben begrenzt wird die Beschwer des Beklagten durch das Interesse des Klägers an der Auskunft.8

2.4268 Verurteilt das Berufungsgericht den Beklagten auf eine Stufenklage hin zur Auskunft und verweist es die Sache wegen der weiteren Stufen an das erstinstanzliche Gericht zurück, richtet sich der Streitwert einer gegen dieses Urteil gerichteten Revision lediglich nach der Beschwer des Beklagten durch die Ver-

1 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, BGHR 2002, 951; BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85; OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; a.A. OLG Köln, MDR 1963, 144. 2 Vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – XII ZB 564/18, MDR 2019, 824; BGH, (GrZS), Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, GmbHR 1995, 301; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 – Vollstreckungsabwehrklage; a.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.9.2000 – 3 U 268/99, MDR 2001, 112 ohne Unterscheidung zwischen formeller und materieller Beschwer. 3 BGH, Beschl. v. 18.7.2018 – XII ZB 637717, FamRZ 2018, 1762; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 19.12.2019 – III ZB 28/19, MDR 2020, 505 = NJW-RR 2020, 189; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – III ZB 55/11, ZEV 2012, 270; BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZB 23/10, FamRZ 2012, 216; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267 – Gesellschafterliste; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.12.2012 – 24 U 162/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2012 – 14 U 71/11; OLG Köln, Beschl. v. 29.9.2015 – 21 U 3/11; BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 – Vollstreckungsabwehrklage; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 4 BGH, Beschl. v. 17.11.2014 – I ZB 31/14, MDR 2015, 612; BGH, Urt. v. 27.2.2013 – IV ZR 42/11, AGS 2013, 178; offenlassend in: BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267; OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.2013 – 7 U 31713, RVG prof. 2013, 146; s. auch OLG Köln, Beschl. v. 29.9.2015 – 21 U 3/11 mit Berechnung nach dem durchschnittlichen Monatsgehalt eines Bürokaufmanns. 5 BGH, Beschl. v. 17.11.2014 – I ZB 31/14, MDR 2015, 612 – Mehraufwand infolge Erkrankung des Schuldners; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – II ZR 4/12, K&R 2013, 493 – Überwachung durch Rechtsanwälte; BGH, Beschl. v. 22.4.2009 – XII ZB 49/07, BGHR 2009, 885 = MDR 2009, 929 – Auskunft bzgl. Gesellschaftsbeteiligungen; BGH, Beschl. v. 24.7.2002 – XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597; BGH, Beschl. v. 31.10.2001 – XII ZB 161/01, FuR 2002, 161. 6 BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZB 23710, FamRZ 2012, 216; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – III ZB 55/11, ZEV 2012, 270; BGH, Beschl. v. 24.7.2012 – II ZB 18/11; BGH, Beschl. v. 4.7.2001 – IV ZB 7/01, BGHR 2001, 809 in Abgrenzung zu BGH, NJW 1999, 3049; BGH, Beschl. v. 10.6.1999 – VII ZB 17/98, MDR 1999, 1082. 7 BGH, Beschl. v. 19.12.2019 – III ZB 28/19, MDR 2020, 505 = NJW-RR 2020, 189; BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 82/18, MDR 2018, 1073; BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766 = NJW-RR 2010, 786; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2001 – 7 U 167/01, OLGR 2002, 419; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 8 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165.

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2. Teil

2.4269

Siehe auch die weitergehenden Ausführungen in dem Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598.

IV. Beschwerden Für die Wertberechnung ist § 40 GKG zu beachten, der für alle vom GKG erfassten Verfahren gilt.2 Die 2.4270 Bewertung des Beschwerdegegenstandes wird nicht davon beeinflusst, ob die Beschwerde zulässig ist oder nicht. Insbesondere ist es nicht angebracht, bei offensichtlicher Unzulässigkeit den Beschwerdewert auf die unterste Gebührenstufe zu schätzen, selbst wenn die sofortige Beschwerde formularmäßig nach § 572 Abs. 2 ZPO verworfen wird.3 Hat das Beschwerdegericht die Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung als unzulässig verworfen, weil unter Zugrundelegung des von ihm angenommenen Streitwerts der ersten Instanz die Beschwerdesumme nicht erreicht war, so darf der Streitwert nicht nachträglich auf einen Betrag festgesetzt werden, bei dem die Beschwerde zulässig gewesen wäre.4

2.4271

Bei Anfechtung mehrerer in derselben Sache ergangener Kostenfestsetzungsbeschlüsse richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach dem jeweils angegriffenen Beschluss, so dass die Beschwer nicht durch Zusammenrechnung ermittelt werden darf.5

2.4272

V. Erledigung der Hauptsache Erklären die Parteien erstinstanzlich den Rechtsstreit in der Hauptsache in vollem Umfang übereinstimmend für erledigt, ist nach § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss zu entscheiden. Hiergegen ist gem. § 91a Abs. 2 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet, wenn der Streitwert der Hauptsache die Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: 600 t) und der Wert des Beschwerdegegenstands 200 t übersteigen, § 91a Abs. 2 Satz 2, § 567 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Bei übereinstimmender (Teil-)Erledigungserklärung im Berufungs- und Beschwerdeverfahren ist gegen den Kostenbeschluss bzw. die Kostenmischentscheidung nur die (zugelassene) Rechtsbeschwerde eröffnet, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

2.4273

Bei vollumfänglicher übereinstimmender Erledigung bemisst sich die mit der Kostenentscheidung verbundene Beschwer immer nach dem Umfang der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten des Rechtsstreits. Im Falle der Teilerledigung ist für die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung über den von der Erledigung nicht erfassten Teil, d.h. der Hauptsache i.S.v. § 511 ZPO, allein der Wert des noch im Streit befindlichen Klageanspruchs maßgeblich. Die Kosten des erledigten Teils bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt.6 Demgegenüber erhöhen sich Beschwer und Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens um den Wert der auferlegten Kosten (Kosteninteresse), wenn mit der Berufung in der Hauptsache auch eine Überprüfung der Kostenentscheidung des erledigten Teils eröffnet wird.7 Abwei-

2.4274

1 BGH, Beschl. v. 3.7.2002 – IV ZR 191/01, MDR 2002, 1390. 2 Toussaint/Elzer, KostR, § 40 GKG Rz. 1. 3 So aber Schneider, MDR 1976, 181; Mümmler, JurBüro 1979, 1864; vgl. ferner das Stichwort „Zwangsversteigerung“, Rz. 2.6370. 4 LG Münster, JMBl.NW 1951, 174. 5 OLG Stuttgart, JurBüro 1979, 609 gegen OLG Nürnberg, JurBüro 1975, 191. 6 BGH, Beschl. v. 21.2.2014 – VI ZB 43/13, NJW 2014, 3249; BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJWRR 1991, 1211; BGH, Beschl. v. 20.9.1962 – VII ZB 2/62, NJW 1962, 2252; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267. 7 OLG Hamm, OLGZ 87, 375; KG v. 20.5.1985 – 12 U 19/84, MDR 1986, 241; OLG München, NJW 1970, 761; OLG Rostock, Urt. v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, OLGR 2003, 388; E. Schneider, MDR 1997, 705.

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urteilung zur Auskunft. Dies gilt auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht ursprünglich die Stufenklage insgesamt abgewiesen hat.1

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chend davon bleibt für Revisionsbeschwer und -streitwert die Kostenlast unberücksichtigt, da diesbezüglich eine Überprüfung der Kostenmischentscheidung des Berufungsurteils nicht mehr stattfindet.1

2.4275 Hat das Gericht im Falle der einseitigen Erledigungserklärung streitig über den Antrag auf Feststellung der Erledigung durch Urteil entschieden, folgt dessen Kostenentscheidung und Anfechtbarkeit den allgemeinen Regeln.2 Im Falle der vollumfänglichen Stattgabe oder Abweisung beschränkt sich die Beschwer regelmäßig auf die mit der Entscheidung verbundene Kostenlast, d.h. Beschwer und Gebührenstreitwert bestehen in der Summe der Kosten der Vorinstanzen, soweit nicht der Hauptsachewert geringer ist.3 Eine darüber hinausgehende Beschwer kommt bei einem im Einzelfall weiter gehenden Feststellungsinteresse des Klägers in Betracht.4 Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache nur teilweise für erledigt und bleibt im Übrigen bei seinem bisherigen Klageantrag, ist die Beschwer unter Anwendung der allgemeinen Regeln zu ermitteln. Uneinigkeit besteht nur dahingehend, ob die auf den Feststellungsantrag entfallenden und dem Wert des verbleibenden Hauptsacheantrags zuzuschlagenden Kosten verhältnismäßig oder nach den Mehrkosten zu ermitteln sind.

2.4276 Erfolgt die Erledigungserklärung erst mit der Berufungseinlegung, dann ist nach Auffassung des BGH die Beschwer nach der Quotenmethode zu ermitteln, weil ohne Erledigungserklärung (und die allein zu diesem Zweck eingelegte Berufung) nach der verhältnismäßigen Kostenverteilung dem Kläger erstinstanzlich auferlegte Kostenquote rechtskräftig werde.5

2.4277 Zum Streitstand vgl. die Ausführungen bei dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303.

VI. Grundurteil 2.4278 Die mit Erlass eines Grundurteils verbundene Beschwer richtet sich für beide Parteien nach dem Umfang der negativen Bindungswirkung für die Entscheidung im Betragsverfahren.6 Es beschwert den Beklagten in Höhe der Klageforderung oder eines Bruchteils derselben, zu dem der Klage dem Grunde nach stattgegeben wurde, den Kläger in Höhe des abgewiesenen Bruchteils und insoweit, als es für ihn negative Bindungswirkung hat.7 Die Beschwer entspricht damit bei vollumfänglicher Stattgabe oder Abweisung dem Grunde nach dem Wert der bezifferten Klage.8 Dies gilt auch für den Streitwert des Rechtsmittelverfahrens. Wird Rechtsmittel gegen das Grundurteil nur hinsichtlich einer Quote eingelegt, dann bestimmt diese Quote den Wert für das Rechtsmittelverfahren.

2.4279 Ergeht nach Einlegung der Berufung gegen das Grundurteil in der ersten Instanz ein Schlussurteil und greift der Kläger auch dieses Schlussurteil an, dann beeinflusst diese Berufung u.U. den Streitwert der Berufung gegen das Grundurteil.9 Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Grundurteil“, Rz. 2.2025.

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BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526. Zöller/Althammer, § 91a ZPO Rz. 49. Siehe BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225. BGH, WM 1978, 736: Erledigung durch Aufrechnung des Klägers. BGH, Beschl. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301. BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, MDR 2006, 768. BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 116/09, NJW 2010, 681. BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, MDR 2006, 768 = WM 2006, 429; BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, MDR 1998, 179 für das Teil-Grundurteil; BGH, Beschl. v. 26.9.1991 – VII ZR 125/91, MDR 1992, 73; OLG Braunschweig, Urt. v. 21.4.1995 – 4 U 11/94, OLGR 1995, 207; OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 U 4336/06; OLG Rostock, Urt. v. 23.2.2007 – 8 U 40/06, MDR 2007, 1129; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.6.2002 – 2 U 209/01, BauR 2003, 1062. 9 OLG Schleswig, JurBüro 1957, 273.

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2. Teil

Hilfsanträge, die wegen fehlenden Bedingungseintritts unentschieden bleiben oder deren Gegen- 2.4280 stand mit dem des Hauptantrages identisch ist, bleiben bei der Bestimmung des Gebührenstreitwert (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) und der Beschwer des Klägers unberücksichtigt.1 Das gilt auch dann, wenn der Berufungsbeklagte sich an eine von Anfang an wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässige Hauptberufung anschließt.2 Legt der Beklagte aber gegen seine Verurteilung nach dem Hauptantrag Berufung ein, so ist allein dadurch auch der nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers Gegenstand des Berufungsverfahrens.3 Ist ein abgewiesener Hauptantrag mangels ausreichender Beschwer nicht berufungsfähig, wohl aber der (ebenfalls abgewiesene) Hilfsantrag, so ist das Rechtsmittel insgesamt zulässig, da es nicht auf die Reihenfolge der Anträge ankommt.4 Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG werden die Ansprüche, wenn sie nicht denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG), zusammengerechnet. Der Gebührenstreitwert und – im Falle der Abweisung beider Anträge – die Beschwer des Klägers ergeben sich dann aus der Summe der Werte.

2.4281

Hinsichtlich Beschwer und Beschwerdegegenstand sind die Werte von Hauptantrag und mehreren Hilfsanträgen zusammenzurechnen, wenn der Kläger, der mehrere voneinander unabhängige Forderungen aus selbständigen Rechtsverhältnissen in einem mehrfach gestaffelten Hilfsverhältnis geltend gemacht hat, mit seiner Klage abgewiesen worden ist und sein Begehren im höheren Rechtszug uneingeschränkt weiter verfolgt.5

2.4282

Die Werte von Klage und Hilfswiderklage sind zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG), wenn der Eventualfall für die Widerklage eingetreten ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Hilfswiderklage als unzulässig oder unbegründet abgewiesen wird,6 da § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG – anders als § 45 Abs. 3 GKG – nicht darauf abstellt, ob über die Widerklage eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht. Tritt die Bedingung, von der die Stellung des Widerklageantrages abhängig gemacht worden ist, nicht ein, dann erhöht sich der Streitwert nicht, und zwar auch dann nicht, wenn das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über die Hilfswiderklage entscheidet.7 Bei der Ermittlung der Beschwer sind dagegen beide Werte zu berücksichtigen und ggf. zu addieren.8

2.4283

VIII. Kosten Kosten des laufenden Prozesses sind bei der Berechnung der Berufungssumme nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist.9 Auch außergerichtliche Kosten, z.B. Inkassogebühren, erhöhen den Streitwert nicht.10 Folglich kann durch Einbeziehung solcher Positio-

1 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270; BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157. 2 OLG Köln, JurBüro 1971, 717. 3 BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 264/02, MDR 2005, 162 = ProzRB 2005, 37. 4 KG, Urt. v. 30.6.1978 – 17 U 1300/78, OLGZ 1979, 348. 5 BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270; BGH, Beschl. v. 15.1.2001 – XI ZR 324/00; BGH, Beschl. v. 10.10.1983 – III ZR 87/83, MDR 1984, 208 = NJW 1984, 371. 6 OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 1374 betr. Abweisung mangels Zulassung gem. § 533 ZPO; Schneider, MDR 1982, 266. 7 BGH, Beschl. v. 27.9.1973 – VII ZR 10/72, MDR 1974, 36 = NJW 1973, 2206. 8 BGH, Beschl. v. 11.4.2019 – I ZR 205/18. 9 BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706. 10 OLG Köln, Beschl. v. 15.10.1974 – 2 U 87/74, BB 1974, 1414.

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VII. Haupt- und Hilfsantrag

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2. Teil

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nen ein an sich nicht erreichter Berufungsstreitwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht geschaffen werden. Der Berufungsantrag ist zurückzurechnen und das Rechtsmittel ggf. zu verwerfen.1

2.4285 Wird nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils in dem Schlussurteil über die restliche Hauptsache und die Kosten des Rechtsstreits entschieden, dann kann die den anerkannten Teil der Hauptsache betreffende Kostenentscheidung des Schlussurteils mit der sofortigen Beschwerde (§ 99 Abs. 2 ZPO) angefochten werden. Die Zulässigkeit der Berufung gegen das die restliche Hauptsache betreffenden Schlussurteils richtet sich allein nach deren Wert. Bei der für den Rechtsmittelstreitwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) notwendigen Beschwer bleibt die Kostenlast unberücksichtigt, § 4 ZPO.2 Gleiches gilt nach § 43 Abs. 1 GKG für den Gebührenstreitwert.

2.4286 Ist nur noch der Zinsanspruch Gegenstand der Berufung, so bleibt dieser nach seiner Erledigung für den Streitwert bestimmend, selbst wenn die nach Erledigung gem. § 43 Abs. 3 GKG wertbestimmenden Kosten sich auf einen höheren Betrag als die Zinsen belaufen.3 Das folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 43 Abs. 1 GKG. Diese ist geboten, weil anderenfalls die den Rechtsstreit im Entscheidungsgegenstand beschränkende Hauptsacheerledigung des Zinsbegehrens den Streitwert erhöhen würde, was nach dem Grundgedanken des § 43 Abs. 1 GKG nicht der Fall sein soll.

2.4287 Werden die Berufungen gegen das Teilanerkenntnisurteil und allein die Kosten betreffende Schlussurteil zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, berechnet sich der Gebührenstreitwert nur nach dem Anspruch, über den in dem Teilurteil entschieden worden ist.4 Da das Schlussurteil nur die Bedeutung einer ergänzenden Entscheidung hat, dürfen die Kosten, über die im Schlussurteil erkannt ist, nicht bei der Berechnung des Streitwertes für die Berufungsinstanz besonders berücksichtigt werden.5

IX. Streitgenossen 2.4288 Probleme bei der Gebührenstreitwertbestimmung stellen sich im Zusammenhang mit Streitgenossen dann, wenn diese in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren auftreten. Wenn dagegen der Kläger nur einen der erstinstanzlichen streitgenössischen Beklagten mit einem Rechtsmittel angreift oder nur einer der verurteilten Streitgenossen ein solches einlegt, gelten die üblichen Berechnungsvorschriften. Das Kriterium gemeinsamer Behandlung mehrerer Berufungen in einem Prozess ist schon durch den Angriff auf dasselbe Urteil gegeben und solange zu bejahen, wie nicht ein Verfahren abgetrennt wird.6 1. Rechtsmittel gegen mehrere Streitgenossen

2.4289 Die gegen mehrere Streitgenossen gerichtete Berufung schafft einen einheitlichen Beschwerdegegenstand. Es ist somit unschädlich, dass die gegen den einen Streitgenossen geltend gemachte Forderung die Berufungssumme nicht erreicht.7 Soweit die Einzelbeschwer eines Streitgenossen sich nicht mit derjenigen eines anderen Streitgenossen deckt, ist die Gesamtbeschwer durch Addition der einzelnen Beschwerungen zu ermitteln.8 Die Vorschrift des § 5 ZPO ist nämlich auch dann anwendbar, wenn mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sich gegen mehrere als Beklagte in Anspruch genommene Personen richten oder wenn mehrere Gläubiger in demselben Rechtsstreit ihre selbständi1 2 3 4 5

OLG Saarbrücken, JurBüro 1977, 1276. BGHZ 29, 126; a.A. OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 512. OLG Schleswig, JurBüro 1956, 424. BGH, MDR 1964, 231 = JurBüro 1964, 110 – für die Revision. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1956, 128; OLG Köln, ZZP 1956, 382 = MDR 1957, 173; OLG Köln, ZZP 1957, 134. 6 OLG Celle, MDR 1961, 67. 7 OLG Celle, JurBüro 1969, 280. 8 BGHZ 23, 333 = MDR 1957, 662 mit Anm. Pohle = JZ 1957, 457 mit Anm. Beitzke.

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2. Teil

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gen Ansprüche gegen denselben Beklagten verfolgen. Lediglich Doppelberechnungen sind unzulässig.1 Die Berufung ist dann aber nur solange zulässig, wie sie auch gegen beide Beklagte durchgeführt wird. 2. Rechtsmittel durch mehrere Streitgenossen Werden Streitgenossen, gegen die je selbständige Ansprüche im Wege der Klagenhäufung verfolgt 2.4290 werden, antragsgemäß verurteilt, dann berechnet sich der Streitwert ihrer Berufung durch Addition der je einzelnen Beschwer, selbst wenn Berufungen durch gesonderte Schriftsätze eingelegt werden.2 Das geht auf den Grundsatz zurück, dass sich der Streitwert auch bei Mehrheit unterschiedlich beteiligter Beklagter immer nur nach dem im Klageantrag zum Ausdruck gelangten Interesse des Klägers bemisst.3 Die unterschiedliche Beteiligung auf der Passivseite muss bei einheitlichem Streitwert in der Kostenquotelung nach § 92, § 100 Abs. 2 ZPO berücksichtigt werden. Ergehen Teilurteile gegen einzelne Streitgenossen, die als Gesamtschuldner in Anspruch genommen 2.4291 worden sind, dann ist für jede dagegen eingelegte Berufung der volle Streitwert anzusetzen,4 der allerdings wegen wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände auch dann unverändert bleibt, wenn die Berufungen gemeinsam verhandelt und entschieden werden.5 Ebenso unterbleibt eine Addition der Einzelwerte, wenn von mehreren als Gesamtschuldner in Anspruch Genommenen durch dasselbe Urteil der eine verurteilt und die Klage gegen den anderen abgewiesen wird und der Verurteilte wegen seiner Verurteilung, der Kläger wegen Abweisung seiner Klage gegen den anderen Beklagten Rechtsmittel einlegen. Die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel betreffen denselben Gegenstand, § 45 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GKG.6 Zum Rechtsmittel bei Gesamtschuldnerschaft s. auch das Stichwort „Gesamtschuldner“, Rz. 2.1736 ff. Derselbe Streitgegenstand kann bei einer Klage gegen Streitgenossen mit unterschiedlichem Obsie- 2.4292 gen und Unterliegen jedoch nur insoweit angenommen werden, als gegen die verschiedenen Beklagten auch dieselben Ansprüche als Gesamtschuldner erhoben worden sind. Soweit Einzelansprüche nur gegen einen Streitgenossen geltend gemacht werden, erhöht sich der Streitwert für das diesen Beklagten betreffende Rechtsmittel um den Wert des allein ihm gegenüber erhobenen Anspruchs.7 Das gilt auch für die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer.8 Legt der Streithelfer (Nebenintervenient) das Rechtsmittel ein, was er nach § 67 ZPO kann, ist für die Wertberechnung allein die Beschwer der unterstützten Partei maßgeblich.9 Auch bei eigenständiger Einlegung des Rechtsmittels durch Hauptpartei und Streithelfer handelt es sich nur um ein einheitliches Rechtsmittel.10

2.4293

Bei der streitgenössischen Nebenintervention (§ 69 ZPO), in deren Rahmen der Streithelfer unabhängig und selbst in Widerspruch zur Hauptpartei Rechtsmittel einlegen kann, handelt es sich dagegen um ein eigenständiges Rechtsmittel, dessen Streitwert nach der Beschwer des Nebenintervenien-

2.4294

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

So schon früher z.B. RGZ 116, 308; RGZ 164, 90. BAG, Urt. v. 31.1.1984 – 1 AZR 174/81, NZA 1984, 167. LG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.1979 – 4 O 281/76. OLG Celle, JurBüro 1959, 175. KG, JW 1938, 397. BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, MDR 2004, 406, RVG-Berater 2004, 104 (zur Beschwer); BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; BGH, Beschl. v. 22.9.1952 – III ZR 367/51, BGHZ 7, 152; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271. BGH, Beschl. v. 22.9.1952 – III ZR 367/51, BGHZ 7, 154. BGH, Beschl. v. 23.10.1990 – VI ZR 135/90, MDR 1991, 427 = ZAP Fach 24 S. 85 m. Anm. Lappe. BGH, NJW 1986, 257. BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006.

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ten zu bestimmen ist.1 Eine Addition der Beschwerdewerte von Nebenintervenient und Hauptpartei nach § 5 ZPO kommt nach Ansicht des BGH2 wegen wirtschaftlicher Identität nicht in Betracht, da nur ein einheitlicher Streitgegenstand vorliege, dessen Auswirkungen sich bei den Beteiligten wirtschaftlich decke.

X. Teilurteil 2.4295 Erlässt das Erstgericht ein streitiges Teilurteil zugunsten des Klägers, weist dann jedoch das Berufungsgericht auf die Berufung des Beklagten die Klage nicht nur in Höhe des durch das Teilurteil erfassten Betrages, sondern in voller Höhe ab, so berechnet sich der Streitwert für die gegen das Berufungsurteil uneingeschränkt eingelegte Revision nach dem Wert der gesamten Klageforderung.3

2.4296 Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses und zugleich auf Leistung eines Teils geklagt, so sind in erster Instanz die Werte beider Ansprüche nicht zusammenzurechnen. Wird über den Feststellungsantrag sodann durch Teilurteil entschieden und dieses angefochten, so ist dem Streitwert in den Rechtsmittelinstanzen der Wert des gesamten vom Feststellungsbegehren erfassten Rechtsverhältnisses zugrunde zu legen.4

2.4297 Hat das erstinstanzliche Gericht in der Sache selbst durch Teilurteil und über die Kosten durch Schlussurteil entschieden hat, dann ist als Streitwert für die gegen diese beiden Urteile eingelegten Berufungen ab Verbindung nur der Wert der Berufung gegen die Sachentscheidung anzusetzen. Eine besondere Wertberechnung für die auf den Kostenpunkt beschränkte Berufung gegen das Schlussurteil kommt nicht in Betracht.5 Das ist die Konsequenz aus § 99 Abs. 1 ZPO, wonach die Kostenentscheidung nicht isoliert anfechtbar ist, die isolierte Anfechtung in diesem Sonderfall aber deshalb zugelassen wird, weil Teil- und Schlussurteil als Einheit betrachtet werden.6

XI. Verlustigerklärung 2.4298 Nach Rücknahme eines Rechtsmittels ergeht von Amts wegen ein Beschluss, in dem der Rechtsmittelführer des Rechtsmittels für verlustig erklärt wird und ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt werden (§ 516 Abs. 3, § 565 ZPO). Gerichtsgebühren fallen hierfür nicht an. Die Frage, welcher Gegenstandswert für die Verlustigerklärung im Hinblick auf die Anwaltsgebühren festzusetzen ist, ist umstritten, der Streit jedoch in der Praxis meist ohne Belang. Für den Prozessbevollmächtigten des vorhergehenden Rechtszugs gehört die Tätigkeit im Rahmen des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO noch zum Rechtszug gehört (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG) und wird mit der Verfahrensgebühr abgegolten.7 Das Gleiche gilt für den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens. Damit verbleibt der Anwalt, für den die Entgegennahme der Rücknahmeerklärung und des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO eine Einzeltätigkeit darstellt. Zur Berechnung des Gegenstandswertes in diesem Fall s. unter dem Stichwort „Berufungsrücknahme“, Rz. 2.703.

1 BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006; BGH, Beschl. v. 4.10.1993 – II ZB 9/93, MDR 1994, 304 = DtZ 1994, 29. 2 BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 3 BAG, NJW 1968, 271. 4 BGH, Beschl. v. 25.6.1969 – IV ZR 787/68, JurBüro 1969, 833 = LM Nr. 8 zu § 5 ZPO. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 1732; OLG Köln, JurBüro 1982, 912; ZZP 1956 (69), 382 = MDR 1957, 173; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1956, 128; Schneider, MDR 1982, 265 zu Ziff. I 4. 6 BGHZ 19, 174/175; OLG Hamm, Urt. v. 31.5.2000 – 12 U 41/00, MDR 2000, 1397; s. näher Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 24; Zöller/Herget, § 99 ZPO Rz. 10 f. 7 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2003 – 8 W 152/03, MDR 2003, 1261.

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2. Teil

Nur der wirkliche Wert ist anzusetzen, wenn der Rechtsmittelführer meint, ein zulässiges Rechtsmittel einzulegen, später aber durch die gerichtliche Wertfestsetzung erfährt, dass die Erwachsenheitssumme nicht erreicht ist.1 Fehlt es (vom Rechtsmittelführer unerkannt) an einer Beschwer, dann ist der Gebührenstreitwert nach der untersten Gebührenstufe (500 t) festzusetzen.2

2.4299

XIII. Verurteilung Zug-um-Zug 1. Rechtsmittel des Klägers Bei uneingeschränktem Antrag wird der Kläger durch eine Verurteilung Zug-um-Zug beschwert, so 2.4300 dass für seine Beschwer und den Gebührenstreitwert seines Rechtsmittels auf sein Interesse an der Beseitigung der damit verbundenen Vollstreckungseinschränkung abzustellen ist. Dessen Bemessung hat nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgten und richtet sich unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteilen, die für den Kläger mit der Erfüllung des Gegenrechts verbunden sind.3 Begrenzt wird die Beschwer durch den Wert der Klageforderung,4 weil der Beklagte aus dem Urteil nicht vollstrecken kann und damit über die Nichtdurchsetzung der Klageforderung hinausgehende Nachteile nicht entstehen können. Die Beschwer des Klägers fehlt nicht schon deshalb, weil in der Zwangsvollstreckung der Tatbestand des Urteils als Nachweis für einen Annahmeverzug des Schuldners i.S.v. § 756 ZPO dienen kann.5

2.4301

Wird der bezifferte Klageanspruch im Berufungsverfahren teilweise abgewiesen und im Übrigen nur gegen eine Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung zuerkannt, dann sind für die Beschwer zusammenzurechnen: a) der Wert der Teilabweisung und b) der Wert der Gegenleistung, die Zug-umZug zu erbringen ist, diese allerdings nach oben begrenzt durch den Wert des – zuerkannten – Klageanspruchs.6

2.4302

Der Wert der Klageforderung ist für Beschwer und Gebührenstreitwert in voller Höhe anzusetzen, wenn die zu erbringende Gegenleistung nicht eindeutig bestimmt ist und deshalb der Kläger aus dem stattgebenden Urteil nicht vollstrecken kann.7

2.4303

2. Rechtsmittel des Beklagten Bestreitet der Beklagte die Klageforderung und beruft sich nur hilfsweise auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages, dann berechnen sich Beschwer nach dem Verurteilungsbetrag.8 Dies gilt unabhängig davon, ob der Klage uneingeschränkt oder nur Zug-um-Zug gegen Erbringung der Gegenleistung stattgegeben wird, weil die negative Entscheidung über das Bestehen der Einrede nicht in Rechtskraft

1 Siehe OLG Bamberg, Beschl. v. 27.12.1985 – 5 U 196/85 Bau, JurBüro 1986, 1220. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.2.2020 – 10 U 19/19. 3 BGH, Beschl. V. 6.7.2010 – XI ZB 40/90, MDR 2010, 1087 betr. Zeit- und Kostenaufwand für die geschuldete Übertragung von Fondsanteilen; BGH, Beschl. v. 16.12.1998 – XII ZB 105/97, MDR 1999, 295 = NJW 1999, 723. 4 BGH, Urt. v. 9.12.1981 – VIII ZR 280/80, MDR 1982, 488. 5 BGH, Urt. v. 9.12.1981 – VIII ZR 280/80, MDR 1982, 488. 6 BGH, Beschl. v. 21.2.1985 – IX ZR 99/84, MDR 1985, 1022, allerdings unklar hinsichtlich Umfang. 7 BGH, Beschl. v. 29.9.1993 – VIII ZB 97/93, MDR 1994, 510. 8 BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – V ZR 247/10, GuT 2013, 231.

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XII. Versehentliche Rechtsmitteleinlegung

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erwächst.1 Bleibt dem Beklagten aber eine erneute gerichtliche Geltendmachung möglich, kann sein unmittelbarer wirtschaftlicher Nachteil über den Wert der Klageforderung nicht hinausreichen.2

2.4305 Wird der Beklagte – bei unstreitiger Klageforderung – trotz der von ihm einredeweise geltend gemachten Gegenleistung uneingeschränkt verurteilt, bestimmen sich Beschwer und Gebührenstreitwert nach dem wirtschaftlich zu bemessenden Wert der Gegenleistung. Allein das von ihm geltend gemachte Gegenrecht steht in der Rechtsmittelinstanz noch im Streit.3 Der Wert der Beschwer wird jedoch begrenzt durch den Wert der Klageforderung, weil die in der uneingeschränkten Verurteilung liegende Zurückweisung der Gegenforderung nicht in Rechtskraft erwächst.4 Führt die Entscheidung damit nicht zu einem Verlust des Anspruchs auf Gegenleistung, kann die Beschwer des Beklagten auch hier die mit der Erfüllung der Klageforderung verbundenen Nachteile nicht überschreiten.

2.4306 Hat das Instanzgericht den Wert der Gegenleistung abweichend vom Beklagten beziffert, folglich nur gegenüber einem Teil der Klageforderung eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochen und der Klage im Übrigen uneingeschränkt stattgegeben, dann bemisst sich seine Beschwer nach der Differenz zu dem vom Beklagten angenommen höheren Wert, begrenzt durch den Wert des – nicht zuerkannten – Klageanspruchs.

2.4307 Gleiches gilt für den Gebührenstreitwert seines Rechtsmittels, soweit es auf die Abänderung des Urteils hin zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung gerichtet ist. Dies ungeachtet des Umstandes, dass der Gebührenstreitwert gem. § 47 Abs. 2 GKG ohnehin auf den Wert der Klageforderung begrenzt ist.

XIV. Widerklage 2.4308 Die Beschwer der gerichtlichen Entscheidung ist für jede Partei getrennt und entsprechend ihrer Parteistellung formal bzw. materiell zu bestimmen. Soweit der Beklagte selbst Kläger ist, nämlich Widerkläger, kommt es für den Gebührenstreitwert seines Rechtsmittels auf seine formelle Beschwer an. Werden Klage und Widerklage zuerkannt oder abgewiesen, ist jede Partei nur einfach beschwert. So bemisst sich etwa bei Abweisung von Klage und Widerklage die formelle Beschwer des Klägers nur nach dem Wert des abgewiesenen Klageantrages, diejenige des Beklagten (= Widerklägers) nur nach dem Wert des abgewiesenen Widerklageantrages.

2.4309 Wird hingegen der Klage unter Abweisung der Widerklage stattgegeben oder die Klage unter Stattgabe der Widerklage abgewiesen, sind – verschiedene Gegenstände der Klagebegehren vorausgesetzt – deren Werte zusammenzurechnen, da die Parteien durch die Verurteilung auf die Klage bzw. Widerklage materiell und durch die Abweisung ihrer Klage bzw. der Widerklage formell beschwert sind.

2.4310 § 5 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, da er nach allgemeiner Meinung auf die Berechnung der Beschwer keine Anwendung findet. Vielmehr will § 5 Halbs. 2 ZPO verhindern, dass der Beklagte mit der Erhebung der Widerklage die Zuständigkeit eines anderen Gerichts erzwingen kann, während die Beschwer sich nach dem Umfang des Unterliegens bemisst und daher an den Ausgang von Klage und Widerklage anknüpfen muss.5 1 BGH, Beschl. V. 6.7.2010 – XI ZB 40/90, MDR 2010, 1087; BGH, Urt. v. 10.3.1993 – VIII ZR 85/92, MDR 1993, 511 = WM 1993, 845. 2 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345. 3 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16, Grundeigentum 2017, 830; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829. NJW-RR 2004, 714; BGH, Beschl. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; OLG Celle OLGR Celle 1995, 227 – „kein Druckzuschlag“ auf den Wert der im Wege der Einrede geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten; OLG Nürnberg, MDR 1969, 1020. 4 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16, Grundeigentum 2017, 830; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – XI ZB 40/90, MDR 2010, 1087; BGH, Urt. v. 10.3.1993 – VIII ZR 85/92, MDR 1993, 511 = WM 1993, 845. 5 BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198; BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2 Klage und Widerklage Nr. 1; RGZ 7, 383; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.1992 – 6 U 134/92, NJW-RR 1993, 827; An-

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Rechtsmittel

2. Teil

2.4311

Klagt der Kläger aus einer angeblichen Forderung einen Teilbetrag ein und begehrt der Beklagte widerklagend die Feststellung, dass dem Kläger auch keine über den Teilbetrag hinausgehende Vergütung zustehe, dann beläuft sich der Rechtsmittelstreitwert bei vollem Obsiegen des Beklagten, gegen das sich der Kläger mit einem Rechtsmittel wehrt, auf den vollen Wert der angeblichen Forderung.2

2.4312

ZPO

Das Additionsgebot ergibt sich aus und nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.). Danach sind die Werte von Klage und Widerklage zusammenzurechnen, soweit sie nicht denselben Gegenstand betreffen. Obwohl diese Vorschrift formal nur für den Gebührenwert gilt, handelt es sich doch tatsächlich um die Grundregel für die Ermittlung der materiellen Beschwer. Gebührenstreitwert und Beschwer unterliegen hier denselben Bewertungsgrundsätzen.1

XV. Zinsen Zinsen sind als Entgelt oder Bestandteil eines Schadens abhängig vom Bestand einer Hauptforderung 2.4313 und – wenn diese ebenfalls anhängig ist – als Nebenforderung bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen, § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG. Dringt ein Kläger in der ersten Instanz mit der Hauptforderung in vollem Umfang, mit dem als Ne- 2.4314 benforderung geltend gemachten Zinsanspruch jedoch nur teilweise durch, so kann er wegen des abgewiesenen Zinsanspruchs Berufung einlegen, wenn seine Beschwer und der Wert des Beschwerdegegenstandes die Berufungssumme übersteigen.3 Der Zinsanspruch ist zur Hauptsache geworden.4 Für den Gebührenstreitwert sind dann die Zinsen maßgeblich, die auf der Grundlage der Behauptungen des Rechtsmittelführers anfallen (werden).5 Wertbestimmend ist die Summe der Zinsen bei Abschluss der zweiten Instanz.6 Der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Zinsforderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt und damit ungewisser Laufzeit ist nach § 3 ZPO zu schätzen.7 Legen beide Parteien Rechtsmittel ein, der Beklagte hinsichtlich der Stattgabe der Hauptforderung 2.4315 und der Kläger gegen die Abweisung seines Zinsanspruchs, ist zu unterscheiden: Die Beschwer des hinsichtlich der Nebenforderung unterlegenen Klägers gerät nicht dadurch in Wegfall, dass sich auch der Beklagte zur Anfechtung der Entscheidung entschließt und damit die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens wird. Der Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens bemisst sich dagegen allein nach der Hauptforderung. Denn die bei wechselseitigen Rechtsmittel grundsätzlich vorgesehene Addition nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG unterbleibt in den Fällen, in denen die Zusammenrechnung gesetzlich ausgeschlossen ist, wie bei der Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung nach der Hauptforderung und Anschlussberufung des Klägers wegen des abgewiesenen (weitergehenden) Zinsanspruchs.8 Denn da der Zinsanspruch nach § 43 Abs. 1 GKG streitwertneutral ist, darf er auch bei einem Anschlussrechtsmittel nicht berücksichtigt werden.

1 2 3 4 5 6

7 8

ders/Gehle/Kunze, Stichwort „Widerklage“ Rz. 4; E. Schneider, NJW 1992, 2680; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 2; a.A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.5.1992 – 11 U 81/91, MDR 1993, 143 = NJW 1992, 3246 – zu Unrecht allein auf den Wortlaut von § 2 ZPO abstellend. Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 22. BGH, JurBüro 1982, 222. OLG Stuttgart, BB 1962, 1178. OLG Brandenburg, Urt. v. 17.1.2001 – 7 U 151/00, MDR 2001, 588; OLG Köln, Urt. v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215. OLG Köln, JurBüro 1972, 244; OLG Celle, JurBüro 1971, 237. OLG Köln, JurBüro 1972, 244; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229; OLG Celle, JurBüro 1971, 237; a.A. Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 4 Nr. 28, der gem. § 3 ZPO den Wert in diesem Fall nach freiem Ermessen schätzen will. Grundsätzlich kommt es wegen § 40 GKG, § 4 ZPO auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung an, das OLG Köln, Urt. v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215 will aber den (künftigen) Zinsverlust berücksichtigen. BGH, JurBüro 1981, 1490; OLG Köln, Urt. v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215. OLG Koblenz, Beschl. v. 10.8.2006 – 7 UF 850/05, AGS 2007, 260; OLG Hamm, JurBüro 1988, 1550.

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2. Teil

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Rechtswegverweisung

ZPO

2.4316 Will der unbedingt verurteilte Beklagte mit seinem Rechtsmittel aufgrund eines Gegenrechts eine Zugum-Zug-Verurteilung erreichen, sind bei der Wertberechnung dieses Gegenrechts Zinsen nicht zu berücksichtigen, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden, auch wenn sie dabei mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Zahlungsbetrag zusammengefasst werden.1

2.4317 Wird nach einem Teilurteil zur Hauptforderung mit dem Schlussurteil über Zinsen und Kosten des Rechtsstreits entschieden, dann sind die Zinsen für die Beschwer des gegen das Schlussurteil vorgehenden Rechtsmittelklägers und den Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahren als Hauptforderung. Denn mit Erlass des Teilurteils über die Hauptforderung, mag dieses auch Gegenstand eines weiteren Rechtsmittels sein, hat sich die Zinsforderung verselbständigt.2 Hier kommt erst nach einer Verbindung der Berufungsverfahren eine Streitwertbegrenzung auf die Hauptforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO in Betracht.3

XVI. Zurückbehaltungsrecht 2.4318 Bei Klagen auf Herausgabe von Sachen ist gem. § 6 ZPO als Streitwert der Verkehrswert der herausverlangten Sache maßgebend. Das gilt nach herrschender Meinung auch dann, wenn nicht der geltend gemachte Herausgabeanspruch, sondern nur ein vom Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht streitig ist und die Höhe der Forderung, für die das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, geringer ist als der Verkehrswert der Sache.4

2.4319 Zu Bewertungsproblemen im Zusammenhang mit der Zug-um-Zug-Verurteilung s. Rz. 2.4300.

XVII. Zwischenurteil 2.4320 Aufgrund der unterschiedlichen Prozesskonstellationen lässt sich eine einheitliche Regel für die Bemessung von Gebührenstreitwert und Beschwer nicht aufstellen. Für die Bewertung ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob mit der angestrebten Entscheidung im Zwischenstreit zugleich der Ausgang der Hauptsache vorbestimmt wird oder es ein vom Obsiegen bzw. Unterliegen in der Hauptsache verschiedenes Interesse maßgebend ist

2.4321 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Zwischenstreit und -urteil“, Rz. 2.6425 ff.

Rechtswegverweisung Literatur: N. Schneider, Gesonderte Gebühren im Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts, NJW 2003, 2436.

2.4322 Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, hat das Gericht dies von Amts wegen auszusprechen, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Ist der Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht eröffnet, steht eine dahingehende Entscheidung gem. § 17a Abs. 3 GVG im Ermessen des Gerichts, soweit nicht eine der Parteien die Zulässigkeit rügt. Gegen die jeweilige Entscheidung, die nach Anhörung durch Beschluss ergeht, ist gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde eröffnet.

1 2 3 4

BGH, Urt. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706. Unzutreffend daher OLG Köln ZZP 1957 (70), 134. Siehe Schneider, MDR 1982, 265 zu Ziff. I 4. Vgl. das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.177 ff.

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Rechtswegverweisung

2. Teil

2.4323

Die Rechtsprechung zur Höhe des Beschwerdewerts ist uneinheitlich: Hauptsachewert;1

ZPO

– voller

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– 1/2 des Hauptsachewertes;2 – 1/3 des Hauptsachewertes;3 – 1/4 des Hauptsachewertes;4 – 1/5 des Hauptsachewertes.5 Der BGH6 billigt eine Bandbreite von 1/5 bis 1/3 des Hauptsachewerts. Richtet sich die Beschwerde gegen einen Beschluss, durch den das Verfahren an das Arbeitsgericht 2.4324 verwiesen wird, orientiert sich das OLG Karlsruhe7 an den geschätzten Anwaltskosten des Beschwerdeführers im Hauptsacheverfahren; das OLG Braunschweig8 stellt auf das Kosteninteresse des Klägers ab. Alle Bewertungen haben ihren Nachteil. Die Kostenschätzung trägt Unsicherheit in sich, da nicht abzusehen ist, welche Gebühren im Einzelnen im Hauptsacheverfahren erwachsen werden. Hauptsacheund Bruchteilsbewertung vermögen nicht überzeugend zu erklären, warum sich das Interesse, das Verfahren in einem bestimmten Rechtszug durchzuführen, jeweils mit dem Hauptsachewert ändert, in Abhängigkeit von ihm mal hoch, mal niedrig zu bewerten ist. Es bietet sich daher an, die Werte für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten heranzuziehen.9

2.4325

Allerdings bewertet die Rechtsprechung, wenn es um die sachliche Zuständigkeit geht, nach der 2.4326 Hauptsache (s. das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1065 ff.). Diese hohe Bewertung hat ihren Grund aber darin, dass bei Durchgreifen der Einrede der gesamte Anspruch durch Endurteil abzuweisen ist, während eine solche Folge im Anwendungsbereich des § 17a GVG gerade nicht droht. Nach einer Verweisung an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat die für das gesamte Verfahren maßgebende Wertfestsetzung in gleicher Weise zu erfolgen, wie wenn das Verfahren von Beginn an bei dem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängig gewesen wäre. Es gibt also keine Wertfestsetzung nach Verfahrensabschnitten vor der einen und der anderen Gerichtsbarkeit, arg. § 4 1 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742; OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1992 – 2 W 160/92, OLGR 1993, 140. 2 OLG Köln, Beschl. v. 24.4.1997 – 6 W 5/97, OLGR 1997, 228; OVG NW, Beschl. v. 25.5.2004 – 21 E 62/04, NVwZ-RR 2004, 776 = BauR 2004, 1759. 3 BGH, Beschl. v. 9.2.2021 – VIII ZB 20/20, NVwZ 2021, 660; KG, Beschl. v. 8.6.2016 – 2 W 2/15 Kart; OLG Celle, Beschl. v. 14.8.1996 – 14 W 30/96, OLGR 1997, 43; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.4.1994 – 5 W 6/94, OLGR 1994, 119; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.9.2019 – 9 W 32/19; OLG Köln, Beschl. v. 23.5.2016 – 19 W 7/16; OLG Jena, Beschl. v. 12.12.1996 – 1 W 556/96, OLG-NL 1997, 96; OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1992 – 2 W 160/92, NJW-RR 1993, 639. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2011 – 10 W 149/11, FamRZ 2012, 475. 5 OLG Dresden, Beschl. v. 21.8.2008 – 5 W 597/08, ZfZ 2008, 328; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2000 – 10 W 25/00, WuM 2000, 427; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.6.1997 – 6 W 50/97, OLGR 1997, 356: da Verweisung von Amts wegen möglich; OLG Rostock, Beschl. v. 15.6.2005 – 1 W 64/03, OLGR 2005, 720; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.8.2009 – 12 W 39/09, OLGR 2009, 910; ebenso BSG, Beschl. v. 25.3.2021 – B 1 SF 1/20 R. 6 BGH, Beschl. v. 18.9.2008 – V ZB 40/08, MDR 2008, 1412 = NJW 2008, 3572; BGH, Beschl. v. 27.10.2005 – III ZB 66/05, MDR 2006, 530 = NJW-RR 2006, 286; BGH, Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386; BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZB 33/99, MDR 2000, 598 = NJW 2000, 1343; abweichend mit vollem Hauptsachewert: BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.10.1993 – 3 W 41/93, MDR 1994, 415 = Justiz 1994, 243. 8 OLG Braunschweig v. 10.2.1993 – 4 W 13/93, DAR 1993, 390. 9 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.135.

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ZPO

2. Teil

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Regelwert

GKG.1 Eine Klagebeschränkung vor Verweisung hat folglich auf den Streitwert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss, denn Anhängigkeit i.S.v. § 40 GKG lag bereits mit der Einreichung bei dem unzuständigen Gericht vor.2

Regelwert 2.4328 Siehe das Stichwort „Auffangwert“, Rz. 2.260 ff.

Regressansprüche der Sozialleistungsträger 2.4329 Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Schadensersatzanspruch auf einen Versicherungsträger oder auf den Sozialhilfeträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.

2.4330 Ansprüche aus Sozialversicherungen bestimmen sich nach § 42 Abs. 1 GKG, auch wenn sie auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind.3

2.4331 Dieselbe Bewertung gilt, wenn Ansprüche nach § 110 SGB VII originär auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind und dieser Rückgriff nimmt.4

2.4332 Beim Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage sind die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Rückstände der nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüche, die besonders geltend gemacht werden, dem Streitwert der Hauptklage hinzuzurechnen.5

Rente Literatur: N. Schneider, Die Abrechnung bei der Durchsetzung von Schadensersatzrenten, DAR 2013, 778.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zahlungsklagen 2.4333 Als Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 9 Satz 1 ZPO der 3 1/2fache Jahresbetrag der Rente anzusetzen, wenn nicht der gesamte Bezugszeitraum kürzer ist (§ 9 Satz 2 ZPO). Er gilt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.10.2017 – 8 W 31/17, MDR 2018, 302 – Verweisung von der Arbeitsgerichtsbarkeit. 2 Unzutreffend daher OLG München, Beschl. v. 14.8.2008 – 7 W 2922/07. 3 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1966, 354; OLG München, Rpfleger 1968, 364; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 778. 4 BGH, NJW 1972, 1760 = MDR 1972, 859; DB 1972, 1626 = Rpfleger 1972, 364. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1971, 778.

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Kurpat und Seggewiße

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Rente

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2. Teil

Werden für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedliche Rentenbeträge verlangt, so ist nicht von 2.4334 einem Durchschnittsbetrag auszugehen, sondern es sind die höchsten Jahresleistungen in dem nach § 9 ZPO erfassten Zeitraum zugrunde zu legen.3 Bei Klageeinreichung fällige Beträge werden nach § 42 Abs. 3 GKG hinzugerechnet. Dabei ist zu beachten, dass Leibrenten, die Geldrenten sind, nach § 760 Abs. 2 Halbs. 1 BGB und Schadensersatzrenten nach § 844 Abs. 2, § 843 Abs. 2, § 760 Abs. 2 Halbs. 1 BGB für drei Monate im Voraus zu zahlen sind.4

2.4335

Beispiel: Die Parteien haben eine Leibrente von 2.000 t monatlich auf Lebenszeit vereinbart, zahlbar ab Januar 2020. Die Zahlungen bleiben aus. Im Mai 2020 erhebt der Gläubiger Klage auf Zahlung. Der Streitwert beträgt 96.000 t. Er setzt sich zusammen aus dem dreieinhalbfachen Jahreswert von 84.000 t zzgl. die im Mai fälligen 6 Monatsrenten, von 12.000 t. Im Mai sind nämlich bereits die Renten für Januar bis Juni und nicht nur die für Januar bis Mai fällig.

2.4336

II. Feststellungsklagen Soweit nicht die Umstände eines Einzelfalls Anlass zu einer anderen Feststellung des Streitwertes geben, kann bei einem Feststellungsantrag, der eine Zahlungspflicht für eine Berufsunfähigkeitsrente5 oder eine auf einem Unfall beruhende Jahresrente6 zum Gegenstand hat, in der Regel der dreieinhalbfache Jahresbetrag abzüglich 20 % Feststellungsabschlag zugrunde gelegt werden.

2.4337

Der Streitwert einer leugnenden Feststellungsklage ist ohne Abschlag auf den vollen Betrag festzusetzen, auch wenn die Berühmung in Form einer Schadensersatzforderung erfolgt.7

2.4338

Werden in einem Rechtsstreit über die Feststellung einer Verpflichtung zur Zahlung einer Rente die im Rechtsstreit bereits fällig gewordenen Renten neben dem Feststellungsantrag durch einen Leistungsantrag geltend gemacht, so ist der Streitwert für den Leistungsantrag dem Streitwert für den Feststellungsantrag hinzuzurechnen.8

2.4339

Hat der Kläger auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz geklagt und geht er alsdann im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage auf Entrichtung von Rente über, so sind die bis zu dem Übergang zur Leistungsklage fällig gewordenen Rentenbeträge bei der Streitwertfestsetzung hinzuzurechnen,9 und zwar auch dann, wenn die Feststellungsklage daneben weitergeführt wird.10

2.4340

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 13.4.2016 – 5 W 177/16; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343. 2 OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 15 m. Anm. Lappe. 3 RG, Beschl. v. 11.3.1939 – VI 6/39, RGZ 160, 83; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 – II ZR 169/16, MDR 2017, 965. 4 N. Schneider, DAR 2013, 778. 5 LG Kleve, Urt. v. 14.6.2018 – 6 O 90/14, VersR 2019, 279. 6 Vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.1951 – III ZR 151/50, BGHZ 1, 43; RG, Urt. v. 28.1.1941 – VI 92/40, RGZ 166, 74. 7 OLG München, Beschl. v. 22.11.1961 – 1 W 1263/61, MDR 1962, 223; OLG Bamberg, Beschl. v. 1.4.1971 – 4 U 7/68, JurBüro 1971, 536. 8 BGH, Beschl. v. 26.4.1951 – III ZR 208/50, BGHZ 2, 74. 9 RG, Urt. v. 2.10.1911 – VI 476/10, RGZ 77, 324. 10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.1957 – 4 W 90/57, MDR 1957, 686.

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GKG auch für den Gebührenstreitwert.1 Durch den Tod des Rentenberechtigten wird der Streitwert hinsichtlich bereits entstandener Gebühren nicht beeinflusst.2

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2. Teil

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Rente

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III. Klagehäufung 2.4341 Begehrt der Kläger zugleich Zahlung einer Rente und deren Sicherung durch Eintragung einer Reallast im Grundbuch, sind seine Anträge wirtschaftlich identisch. Die beiden Werte werden darum nicht zusammengerechnet.1 Das Gleiche gilt für die Klage auf Zahlung einer Rente und auf deren insolvenzfeste Sicherung.2

2.4342 Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Rentenerhöhung hat neben einem Antrag auf Rentenzahlung einen eigenen, nach § 3 ZPO zu schätzenden Streitwert gegenüber dem nach § 9 ZPO.3 Er kann grundsätzlich mit 1/104 bis 1/55 des Wertes aus § 9 ZPO angenommen werden.

B. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren 2.4343 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bei gerichtlicher Geltendmachung von Renten entspricht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG dem Streitwert der Gerichtsgebühren. Werden Rentenansprüche außergerichtlich verfolgt, ist der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren mangels gerichtlicher Streitwertfestsetzung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG zu ermitteln.

2.4344 Beispiel: Der Anwalt wird im Januar beauftragt, eine Schadensersatzrente i.H.v. monatlich 1.000 t außer-

gerichtlich geltend zu machen. Er schreibt den Gegner im Februar an. Dieser ist lediglich bereit, 500 t zu zahlen. Im Mai vergleichen sich die Parteien, dass 800 t monatlich gezahlt werden. Der Gegenstandswert beträgt 48.000 t (1.000 t × 3 1/2 + 6 × 1.000 t).

2.4345 Für den Gegenstandswert anwaltlicher Tätigkeit ist vom Auftrag und nicht vom erreichten Ergebnis auszugehen. Auf den „Erledigungswert“ kommt es nicht an; dieser ist allenfalls für das Erstattungsverhältnis von Bedeutung.6 Auszugehen ist für die Berechnung daher von dem Rentenbetrag, den der Anwalt geltend machen sollte. Dies sind im Beispiel 1.000 t, so dass sich insoweit ein Dreieinhalbjahreswert i.H.v. 42.000 t ergibt.

2.4346 Der Dreieinhalbjahreswert ist nach § 9 ZPO nur der Gegenstandswert für die laufenden Renten, so dass damit die fälligen Rentenbeträge noch nicht erfasst sind. Wie die fälligen Renten bei außergerichtlicher Tätigkeit zu bewerten sind, ist allerdings streitig: – Zum Teil wird vertreten, analog § 42 Abs. 3 GKG sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem außergerichtlich erstmals Rente geltend gemacht werde.7 Hiernach wäre lediglich der Wert von drei Monaten hinzuzurechnen, da bei Aufforderung zur Zahlung im Februar nur die Renten für die Monate Januar bis März (§ 760 Abs. 2 Halbs. 1 BGB) bereits fällig waren. – Diese Auffassung ist mit der zutreffenden Gegenansicht abzulehnen.8 Der Wortlaut der Vorschrift des § 42 Abs. 3 GKG ist eindeutig. Sämtliche bis zur Klageeinreichung fälligen Rentenbeträge werden dem Wert der laufenden Rente hinzuaddiert. Kommt es nicht zu einer Klageerhebung, so sind sämtliche bis zur Erledigung, also in der Regel bis zum Vergleichsabschluss, fälligen Rentenbeträge der laufenden Rente hinzuzuaddieren.9 Danach wären im Beispiel der laufenden Rente (42.000 t)

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684. BGH, Beschl. v. 23.5.2017 – II ZR 169/16, MDR 2017, 965. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.2.1968 – 6 W 450/67, JurBüro 1968, 634. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.2.1968 – 6 W 450/67, JurBüro 1968, 634. OLG Köln, JurBüro 1961, 562. Dazu BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351. LG Stuttgart, Urt. v. 22.2.1978 – 13 S 60/77, AnwBl. 1978, 234. OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.1.2002 – 3 U 319/01, AGS 2002, 232; N. Schneider, AGS 2004, 58. OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.1.2002 – 3 U 319/01, AGS 2002, 232.

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die im Mai fällige Beträgen für den Zeitraum von Januar bis Juni (6 × 1.000 t = 6.000 t) hinzuzurechnen, so dass sich ein Gesamtwert von 48.000 t ergibt. Dass allein diese Berechnung zutreffend ist, zeigt sich an folgender Abwandlung:

2.4347

Beispiel (Abwandlung): Es kommt im Mai nicht zu einer Einigung. Vielmehr wird im Mai Klage erhoben.

2.4348

Der Gegenstandswert für den Rechtsstreit beliefe sich nunmehr wie folgt: 42.000 t 6.000 t 48.000 v

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG ist dieser Wert auch für die außergerichtliche Tätigkeit maßgebend.

Es gibt keinen Grund, einen geringeren Gegenstandswert anzunehmen, wenn es dem Anwalt gelingt, die Parteien zu einer Einigung zu bewegen. Folgte man der Gegenauffassung, hätte die außergerichtliche Tätigkeit einen weitaus geringeren Gegenstandswert als der Rechtsstreit, obwohl derselbe Anspruch Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist.

2.4349

C. ABC der Einzelfälle Abänderung

2.4350

Siehe das gesonderte Stichwort „Abänderung“, Rz. 2.9 ff. Haushaltsführungsschaden Wird ein Haushaltsführungsschaden als Schadensersatzrente geltend gemacht, ist gem. § 9 ZPO der 3 1/2fache Jahresbetrag anzusetzen.1 Das gilt auch dann, wenn der Kläger den Zahlungsantrag auf die Zeit bis zum 75. Lebensjahr begrenzt hat und für die nachfolgende Zeit nur die Feststellung der Ersatzpflicht begehrt.2

2.4351

Schmerzensgeldrente Klagen auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente sind gem. § 9 Satz 1 ZPO zu bewerten, zzgl. der bis zur 2.4352 Anhängigkeit der Klage fällig gewordenen Beträge.3 Beim Übergang vom unbezifferten Schmerzensgeld zur Schmerzensgeldrente ist der Betrag zwischen Klageeinreichung und Antragsänderung kein „Rückstand“ i.S.v. § 42 Abs. 3 GKG.4 Sicherung Die Klage auf insolvenzfeste Sicherung einer Rente aus einer Pensionszusage hat gem. § 6 Satz 1, § 9 Satz 1 ZPO einen Streitwert von dreieinhalb Jahresbeträgen der Rente.5

2.4353

Sittenwidrige Schädigung Wird nach § 826 BGB Zahlung einer Rente mit der Behauptung verlangt, der Beklagte habe ein den Kläger benachteiligendes Scheidungsurteil erschlichen oder er nutze ein unrichtiges Scheidungsurteil in sittenwidriger Weise aus, so ist der Streitwert nach § 9 ZPO festzusetzen.6 1 2 3 4 5 6

OLG Köln, Urt. v. 12.12.2014 – 19 U 39/14, DAR 2016, 704. OLG München, Beschl. v. 30.1.2019 – 24 U 3213/17. BGH, Beschl. v. 13.8.2015 – III ZR 142/14. OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 1550. BGH, Beschl. v. 23.5.2017 – II ZR 169/16, MDR 2017, 965. BGH, Beschl. v. 8.6.1960 – IV ZR 105/59, MDR 1960, 749.

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2.4354

ZPO

2. Teil

Rente

laufende Leistungen, § 9 ZPO fällige Beträge, § 42 Abs. 3 GKG Gesamt

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2. Teil

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Restitutionsklage

ZPO

Vergleich

2.4355 Vergleichen sich die Parteien bei einem Rentenanspruch durch Zahlung eines Kapitalbetrags, so wird der Streitwert durch den Wert des Rechtsverhältnisses, über das die Parteien sich verglichen haben, nicht aber durch den Kapitalbetrag bestimmt (s. das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5073 ff.). Soweit in einen Prozessvergleich unstreitige Ansprüche einbezogen und mittituliert werden, kann das Titulierungsinteresse werterhöhend zu berücksichtigen sein.1 Versicherung

2.4356 Klagt der Versicherungsnehmer künftige Berufsunfähigkeitsrenten ein, handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die nach § 9 ZPO zu bewerten sind.2 Werden sowohl fällige als auch künftige Renten geltend gemacht, rechnet man gem. § 5 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG die bis zur Anhängigkeit der Klage angefallenen fälligen Leistungen den künftigen Leistungen hinzu.3

Restitutionsklage 2.4357 Mit der Restitutionsklage nach § 580 ZPO und der Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO sollen die Aufhebung und Neuverhandlung eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Rechtsstreits erreicht werden. Zuständig ist das Gericht des Vorprozesses.

2.4358 Der Gebührenstreitwert bestimmt sich nach § 3 ZPO. Das demnach maßgebliche Klägerinteresse deckt sich daher mit dem Verurteilungsbetrag des abgeschlossenen Verfahrens.4

2.4359 Wird die Beseitigung einer in vollem Umfang stattgebenden Entscheidung erstrebt, dann ist der volle erstinstanzliche Wert maßgebend.5 Der Streitwert für die Restitutionsklage oder die Nichtigkeitsklage kann jedoch nie höher sein als der Wert des Hauptprozesses, in dem das zu beseitigende Urteil ergangen ist.6

2.4360 Für den Streitwert des abgeschlossenen Verfahrens gelten die allgemeinen Bewertungsvorschriften, so dass insbesondere zuerkannte Zinsen und vorgerichtliche Kosten den Streitwert nicht erhöhen (§ 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG). Das Gleiche gilt für die Kosten des abgeschlossenen Verfahrens. Bei einer Neuverhandlung der Hauptsache wird hierüber zusammen mit denen des Wiederaufnahmeverfahrens einheitlich entschieden.7

2.4361 Zum Streitwert einer auf § 826 BGB gestützten Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel des abgeschlossenen Verfahrens vgl. das Stichwort „Unterlassung“, Rz. 2.4881 ff.

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1978 – 6 WF 48/77, MDR 1978, 496. 2 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2016 – 20 U 216/15, NJW-RR 2017, 154. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.4.2019 – 11 U 137/17. 4 BGH, Beschl. v. 4.4.1978 – VI ZB 11/77, AnwBl. 1978, 260; OLG Bamberg, JurBüro 1990, 1659; OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 9 W 21/93, AnwBl. 1994, 47. 5 RG, HRR 1933 Nr. 1043. 6 LG Verden, JurBüro 1956, 227. 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2019 – 2 U 41/19.

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Rückgriffsanspruch der Sozialleistungsträger

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2. Teil

2.4362

Siehe das Stichwort „Eigentumsvorbehalt“, Rz. 2.1048.

Restschuldbefreiung Im gesamten Verfahren der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) sind nur die in Nr. 2350 KV GKG abschließend genannten Entscheidungen besonders gebührenpflichtig. Soweit überhaupt eine gerichtliche Gebühr in diesem Bereich anfällt – sei es in erster Instanz oder im Beschwerdeverfahren –, ist sie als Festgebühr ausgestaltet, so dass es der Festsetzung eines Streitwerts für die Gerichtsgebühren insgesamt nicht bedarf.1

2.4363

Für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren (Nrn. 3500, 3513 VV RVG) ist der Wert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt. Maßgeblich ist dabei nicht der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligten Gläubiger verbleibenden Forderung, sondern deren wirtschaftlicher Wert, bei dem auch die Erfolgsaussichten einer künftigen Beitreibung zu berücksichtigen sind. Der BGH2 hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine greifbare Schätzungsgrundlage nicht existiert, hilfsweise ein Wert von 5.000 t (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG) herangezogen werden könne. Liege die Forderung dagegen unter 5.000 t sei ohne hinreichende Anhaltspunkte der Gegenstandswert auf 1.200 t festzusetzen.3

2.4364

Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Ankündigung der Rest- 2.4365 schuldbefreiung, so kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf 4 für die Berechnung des Gegenstandswertes weder auf den Nennbetrag der offenen Forderung des Versagungsantragstellers noch auf den Nennbetrag der Gesamtheit aller im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten abgestellt werden. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Wertes sind vielmehr auch die Erfolgsaussichten einer möglichen Beitreibung zu berücksichtigen, weil es ansonsten zu Gebührenansätzen kommen würde, die in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Verfahrens stehen. Ist völlig ungewiss, wie sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners entwickeln werden und ob bzw. in welchem Umfang er in Zukunft wieder in der Lage sein wird, Zahlungen zu leisten, kann auch hier auf den Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abgestellt werden.5

Rückgriffsanspruch der Sozialleistungsträger 2.4366

Siehe das Stichwort „Regressansprüche der Sozialleistungsträger“, Rz. 2.4329 ff.

1 AG Köln, Beschl. v. 13.2.2018 – 73 IN 113/08, ZInsO 2018, 1824; Insoweit ist die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315 zur Bestimmung des Gegenstandswerts für das einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung betreffende Verfahren hinsichtlich der Gerichtsgebühren überholt. 2 BGH, Beschl. v. 26.4.2011 – IX ZB 101/10; BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315; so auch OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32. 3 BGH, Beschl. v. 25.8.2008 – IX ZB 91/06. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2007 – 10 W 6/07, NZI 2008, 252. 5 Ebenso AG Köln, Beschl. v. 13.2.2018 – 73 IN 113/08, ZInsO 2018, 1824.

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Restkaufpreisforderung

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2. Teil

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Rückkaufsrecht

ZPO

Rückkaufsrecht 2.4367 Der Streitwert eines Rechtsstreits um ein Rückkaufsrecht an einem belasteten Grundstück bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der Wiedererlangung des Grundstücks.

2.4368 Das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse wird – in Anlehnung an § 6 ZPO – mit dem Verkehrswert des Grundstücks1 oder mit dem geringerwertigen Kaufpreis anzusetzen sein.2 Eine auf einem Rückkaufsrecht beruhende Herausgabeklage ist nach § 6 ZPO zu bewerten.

2.4369 Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen. Deshalb ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3

Rückstände 2.4370 Siehe das Stichwort „Fällige Beträge“, Rz. 2.1452 ff.

Rücktritt Literatur: Wielgoss, Beurkundung eines Rücktrittsrechts, JurBüro 2004, 187 ff.; Mümmler, Gegenstandswert der RA-Gebühren bei Vertragsrücktritt, JurBüro 1995, 631 ff.; Mümmler, Rücktritt von einem Grundstückskaufvertrag, JurBüro 1998, 182 ff.

2.4371 Zum Rücktritt kann eine Vertragspartei aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Regelung berechtigt sein. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ist seit dem 1.1.2002 die bis dahin im Kauf- und Werkvertragsrecht bestehende rechtsgeschäftliche Rückabwicklung des Vertrages (§§ 462, 634 BGB a.F.) durch die Erklärung des Rücktritts als Gestaltungsrecht (§ 437 Nr. 2, § 634 Nr. 3 BGB) abgelöst worden.

2.4372 Wird aus Rücktritt vom Vertrag geklagt, dann richtet sich der Streitwert danach, welche im Klageantrag konkretisierte Rechtsfolge (§§ 346 ff. BGB) aus dem Rücktritt hergeleitet wird. Das kann beispielsweise ein Rückzahlungsanspruch sein; dann ist der Nennbetrag der Forderung maßgebend.4 Beansprucht der Kläger infolge seines (streitigen) Rücktritts die Löschung einer den Hauptleistungsanspruch des Vertragspartners sichernden Auflassungsvormerkung, dann ist eine am Grundstückswert orientierte Bruchteilsbewertung vorzunehmen. Dabei bestimmt sich der Bruchteil nach der Beeinträchtigung der Eigentümerrechte, die durch die Eintragung verursacht wird, und liegt in der Regel zwischen 1/10 und 1/2.5 Siehe hierzu auch das Stichwort „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.306 ff.

1 2 3 4 5

OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 110. OLG Köln, Beschl. v. 26.6.1998 – 19 W 17/98, OLGR 1999, 15. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. Zust. OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2018 – 8 W 9/18, JurBüro 2018, 250. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, OLGR 2008, 321; a.A. KG, Beschl. v. 19.6.2019 – 21 U 116/18, das auf den „Wert des Vertragsgegenstandes“, dort ein Bauträgervertrag, abstellt.

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Rücktritt

2. Teil

Ist der Antrag dagegen auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts vom Vertrag gerichtet, dann 2.4373 muss der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG geschätzt werden. Dabei ist das klägerische Interesse an der Bindungsfreiheit weder mit dem „Wert des Vertragsverhältnisses“1 noch mit dem Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages2 bzw. dem Saldo der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile3 gleichzusetzen. Entscheidend ist vielmehr der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Unwirksamkeit bzw. Rückabwicklung des Vertrages freigestellt werden will4 oder die im Falle bereits erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.5 Für den bei der positiven Feststellungsklage üblichen prozentualen Abschlag (20 %) besteht nur 2.4374 Anlass, soweit der Kläger auf seine vertraglichen Verpflichtungen bereits Leistungen erbracht hat, deren Rückgewähr er anstrebt.6 Geht es ihm dagegen um die Freistellung von noch zu erbringenden Leistungen, kommt dem die Wirksamkeit des Rücktritts feststellenden Urteil eine dem negativen Feststellungsurteil entsprechende „vernichtende“ Rechtskraftwirkung zu.7 Siehe weiter bei den Stichwörtern „Vertragsauflösung“, Rz. 2.5512, „Widerruf“, Rz. 2.5907 und „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a. Der Streitwert für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts, bestimmt sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Vertrages, folglich nach dem Wert der daraus für ihn resultierenden (Hauptleistungs-)Ansprüche.8 Bezweckt der Käufer eines Grundstücks nach Ausübung eines Rücktrittsvorbehalts mit seiner Klage auf Löschung der Erwerbsvormerkung die Finanzbehörden zur Erstattung der Grunderwerbssteuer zu veranlassen, so bemisst sich der Streitwert nach dem erwarteten Erstattungsbetrag.9

2.4375

Streiten die Parteien über die Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag, bemisst sich der 2.4376 Streitwert ebenfalls nach dem Interesse des Klägers an dem Weiterbestehen des Erbvertrages. Enthält dieser die Einsetzung des Klägers als Alleinerbe, dann ist gleichwohl nicht der Wert der gesamten Erbmasse maßgebend, weil der Erblasser nicht gehindert ist, über sein Vermögen zu verfügen und die Erbmasse zu schmälern. Das OLG Celle10 hat aus diesen Erwägungen heraus die Feststellungsklage nur mit 1/4 des Wertes der Erbmasse im Zeitpunkt der Klage bewertet. Enthält der Erbvertrag eine letztwillige Verfügung, die den Kläger begünstigt, ohne ihn als Alleinerben einzusetzen, dann ist deren wirtschaftlicher Wert maßgebend. Siehe zu den Einzelheiten der Bewertung unter den Stichwörtern „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a und „Vertragsauflösung“, Rz. 2.5512.

1 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Nichtigkeit. 2 So OLG Düsseldorf, JurBüro 1967, 161; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. 3 So OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.11.1982 – 2 W 113/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 617 mit abl. Anm. E. Schneider; OLG München, OLGE 29, 222. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.6.2011 – 9 W19/11, JurBüro 2012, 252; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, JurBüro 1990, 1659; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, Nds.Rpfl. 1984, 14; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 494; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235 m. Anm. E. Schneider. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, JurBüro 1979, 1705; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448. 6 OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.9.2010 – 8 U 367/09. 7 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.142; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJWRR 2000, 587 – Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 74/07, ZUM 2008, 66 – Kündigung eines Verlagsvertrages. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.2013 – 22 W 31/13. 10 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 57 = NJW 1957, 540.

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2. Teil

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Rückübertragung

ZPO

Rückübertragung 2.4378 Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen; der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.1

2.4379 Verlangt der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums, weil die zu sichernde Forderung erfüllt sei, so richtet sich der Wert dieses Anspruchs, nach dem Wert der Sache, wenn nicht der Wert der streitigen Forderung geringer ist. Es ist § 6 ZPO entsprechend anzuwenden, weil das Sicherungseigentum dem Pfandrecht näher steht, als das Volleigentum.2

2.4380 Zur Rückübertragung eines Grundstücks s. das Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.302 ff. Der Wert bestimmt sich gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dessen Verkehrswert ohne dingliche Belastungen,3 außer die Lastenfreiheit ist allein Folge des rückabzuwickelnden Grundgeschäfts,4 und zwar im Zeitpunkt der Klageerhebung.5 Beschränkt sich der dahinter stehende Streit auf die Verpflichtung zur Restkaufpreiszahlung oder Mängelbeseitigung, kann eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sein (s. hierzu unter dem Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293 ff.).

2.4381 Ist die Rückübertragung eines Grundstücks in einem lastenfreien Zustand das Ziel unterschiedlicher Anträge, etwa auf Rückübertragung des Eigentums, Bewilligung der Löschung von Grundpfandrechten sowie Unterlassung der Eintragung weiterer, sind diese wirtschaftlich identisch und daher nicht addieren. Das gilt auch, wenn sich die Anträge gegen verschiedene Schädiger richten, die als Gesamtschuldner (§§ 826, 830, 840 BGB) die Wiederherstellung des vorherigen Zustand schulden.6

2.4382 Wird neben der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages im Vorgriff auf die Abwicklung, zugleich die Abgabe einer Rückauflassungserklärung verlangt, kann der Verkehrswert nicht zweimal in Ansatz gebracht werden. Soweit nicht bereits wegen wirtschaftlicher Identität der prozessualen Ansprüche eine Zusammenrechnung verneint wird (vgl. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.), ist das Interesse am grundbuchrechtlichen Vollzug mit 2.500 t zu bewerten.7

2.4383 Der Streitwert für die Klage des Grundstückseigentümers auf Rückübertragung des Erbbaurechts – Heimfallanspruch nach § 2 Nr. 4 ErbbauRG – ist entsprechend § 6 ZPO nach dem objektiven Verkehrswert des Erbbaurechts zu bemessen.8 Siehe auch das Stichwort „Heimfallanspruch“, Rz. 2.2103 ff.

2.4384–2.4404 Einstweilen frei.

Sachurteilsvoraussetzung 2.4405 Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1073 ff. 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. BGH, NJW 1959, 939; OLG Köln, Beschl. v. 14.6.1994 – 14 WF 89/94, OLGR 1994, 236. OLG Schleswig v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, AnwBl. 1980, 255; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1116. OLG Köln, Beschl. v. 14.6.1994 – 14 WF 89/94, OLGR 1994, 236. OLG München, JurBüro 1979, 896. BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17, GrundE 2019, 1571. OLG Schleswig, Beschl. v. 29.4.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1998, 421. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.8.1985 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705.

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2. Teil

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Rückübertragung

ZPO

Rückübertragung 2.4378 Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen; der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.1

2.4379 Verlangt der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums, weil die zu sichernde Forderung erfüllt sei, so richtet sich der Wert dieses Anspruchs, nach dem Wert der Sache, wenn nicht der Wert der streitigen Forderung geringer ist. Es ist § 6 ZPO entsprechend anzuwenden, weil das Sicherungseigentum dem Pfandrecht näher steht, als das Volleigentum.2

2.4380 Zur Rückübertragung eines Grundstücks s. das Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.302 ff. Der Wert bestimmt sich gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dessen Verkehrswert ohne dingliche Belastungen,3 außer die Lastenfreiheit ist allein Folge des rückabzuwickelnden Grundgeschäfts,4 und zwar im Zeitpunkt der Klageerhebung.5 Beschränkt sich der dahinter stehende Streit auf die Verpflichtung zur Restkaufpreiszahlung oder Mängelbeseitigung, kann eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sein (s. hierzu unter dem Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293 ff.).

2.4381 Ist die Rückübertragung eines Grundstücks in einem lastenfreien Zustand das Ziel unterschiedlicher Anträge, etwa auf Rückübertragung des Eigentums, Bewilligung der Löschung von Grundpfandrechten sowie Unterlassung der Eintragung weiterer, sind diese wirtschaftlich identisch und daher nicht addieren. Das gilt auch, wenn sich die Anträge gegen verschiedene Schädiger richten, die als Gesamtschuldner (§§ 826, 830, 840 BGB) die Wiederherstellung des vorherigen Zustand schulden.6

2.4382 Wird neben der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages im Vorgriff auf die Abwicklung, zugleich die Abgabe einer Rückauflassungserklärung verlangt, kann der Verkehrswert nicht zweimal in Ansatz gebracht werden. Soweit nicht bereits wegen wirtschaftlicher Identität der prozessualen Ansprüche eine Zusammenrechnung verneint wird (vgl. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.), ist das Interesse am grundbuchrechtlichen Vollzug mit 2.500 t zu bewerten.7

2.4383 Der Streitwert für die Klage des Grundstückseigentümers auf Rückübertragung des Erbbaurechts – Heimfallanspruch nach § 2 Nr. 4 ErbbauRG – ist entsprechend § 6 ZPO nach dem objektiven Verkehrswert des Erbbaurechts zu bemessen.8 Siehe auch das Stichwort „Heimfallanspruch“, Rz. 2.2103 ff.

2.4384–2.4404 Einstweilen frei.

Sachurteilsvoraussetzung 2.4405 Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1073 ff. 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. BGH, NJW 1959, 939; OLG Köln, Beschl. v. 14.6.1994 – 14 WF 89/94, OLGR 1994, 236. OLG Schleswig v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, AnwBl. 1980, 255; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1116. OLG Köln, Beschl. v. 14.6.1994 – 14 WF 89/94, OLGR 1994, 236. OLG München, JurBüro 1979, 896. BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17, GrundE 2019, 1571. OLG Schleswig, Beschl. v. 29.4.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1998, 421. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.8.1985 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705.

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Schadensersatz

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2. Teil

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Schadensersatz Literatur: Junglas, Entgangene Anlagezinsen als Nebenforderung?, NJOZ 2013, 1641; N. Schneider, Die Abrechnung bei der Durchsetzung von Schadensersatzrenten, DAR 2013, 778.

A. Ausschließliche Zuständigkeit Bei bestimmten Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz braucht kein Zuständigkeitsstreitwert bestimmt zu werden, weil eine ausschließliche Zuständigkeit des LG besteht. Das gilt insbesondere gem. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG für Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, gem. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG für Ansprüche aus §§ 97, 98 WpHG1 und gem. § 19 Abs. 3 BNotO für Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen von Notaren.

2.4406

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Besondere Bewertungsvorschriften für den Zuständigkeitsstreitwert von Schadensersatzklagen gibt 2.4407 es dagegen nicht. Seine Bemessung hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

I. Zahlungsklagen 1. Hauptforderung Wird eine bezifferte Geldforderung als Schadensersatz eingeklagt, ist der Nennbetrag der Hauptforderung maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

2.4408

Begehrt der Kläger den Ersatz eines erst in der Zukunft fällig werdenden Schadensersatzanspruchs, ist bei einem bezifferten Antrag der Nennbetrag der Hauptforderung ohne Abschlag anzusetzen.2 Es spielt keine Rolle, dass der Kläger die Leistung nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt.

2.4409

Handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, etwa Schadensersatzrenten oder Ansprüche auf Ersatz entgangener wiederkehrender Leistungen, ist nach §§ 3, 9 ZPO deren dreieinhalbfacher Jahreswert maßgeblich.3 Bei Klageeinreichung bereits fällige Ansprüche werden nach § 42 Abs. 3 GKG hinzugerechnet.

2.4410

2. Vorteilsausgleich Eine durch den Vorteilsausgleich gebotene Zug-um-Zug-Einschränkung des Klageantrages reduziert den Streitwert nicht.4 Der Anspruch des Gläubigers ist aber nur dann im vorstehenden Sinne eingeschränkt, wenn der Zug um Zug herauszugebende Vorteil ungleichartig zu einer Geldforderung ist.5 1 BT-Drucks. 15/5091, 34. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 4.3.1958 – 2 U 98/57, Rpfleger 1964, 97; RG, Urt. v. 3.11.1927 – IV 279/27, RGZ 118, 321; Meyer, GKG/FamGKG, Anh. § 48 GKG Rz. 7. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2002 – 24 W 36/02, FamRZ 2004, 1225. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 W 14/15. 5 BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20.

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2. Teil

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Schadensersatz

ZPO

2.4412 Wenn der Kläger vom Beklagten die Zahlung bezifferten Schadensersatzes Zug um Zug gegen Zahlung des bezifferten Vorteilsausgleichs begehrt, ist der Zug um Zug angebotene Betrag dagegen von der Klageforderung abzuziehen.1 Die Zug-um-Zug-Einschränkung ist in Wahrheit eine Saldierung,2 so wie außerhalb eines einheitlichen Anspruchs die Zurückbehaltung einer fälligen Geldforderung wegen einer gleichfalls fälligen Geldforderung in Wahrheit eine Aufrechnung ist.3 Soweit der XI. Zivilsenat des BGH in einer Entscheidung vertreten hat, bei einer durch einen Zug-um-Zug-Antrag erklärten Aufrechnung sei als Streitwert die ungekürzte Klagesumme anzusetzen,4 ist dem nicht zu folgen. Der Kläger gibt durch seinen eingeschränkten Antrag eindeutig zu erkennen, dass er nur den saldierten Betrag einfordert. Klageanträge sind analog § 133 BGB nicht nach dem buchstäblich erklärten, sondern dem erkennbar gewollten auszulegen.5 „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“6

2.4413 Beispiel: Der Kläger begehrt vom beklagten Autohersteller wegen des behaupteten Einbaus einer unzulässigen Abschaltautomatik aus § 826 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 50.000 t Zug um Zug gegen Übereignung des Autos und Zug um Zug gegen Zahlung von Nutzungsersatz i.H.v. 3.000 t.

Der Streitwert beträgt 47.000 t. Der Zug um Zug angebotene Geldbetrag ist in Wahrheit eine Saldierung, so dass von vornherein nur 47.000 t gefordert werden. Die Pflicht zur Übereignung des Wagens ist hingegen einer Geldforderung ungleichartig und bleibt daher als Zug um Zug herauszugebender Vorteil bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.

3. Zinsen und entgangener Gewinn

2.4414 Auf den Schadensersatz zu leistender Zins erhöht nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG den Streitwert nicht. Das gilt auch für den Zinsanspruch aus § 849 BGB.7 Zinsen verlieren ihre Eigenschaft als Nebenforderung nicht, wenn der Kläger einen höheren Zinssatz als den gesetzlichen geltend macht.8 Streitwerterhöhend sind Zinsen jedoch, soweit sie sich auf nicht miteingeklagte Teile der Hauptforderung beziehen, etwa auf einen vorprozessual bereits gezahlten Teil.9

2.4415 Nach herrschender Meinung ist ein Schaden eine Nebenforderung i.S.v. § 4 ZPO, wenn er wie Zinsen als gleichbleibender Prozentsatz einer bestimmten Summe geltend gemacht wird, so dass nach § 252 BGB zu ersetzender entgangener Gewinn den Streitwert nicht erhöht, wenn er als gleichbleibender Prozentsatz einer bestimmten Summe beansprucht wird.10

2.4416 Zinsen dürften jedoch zu streitwerterhöhenden Teilen der Hauptforderung werden, wenn im Vorteilsausgleich wechselseitige Zins- oder Nutzungsersatzansprüche der Parteien zu saldieren sind.11 Dies entspräche der Rechtsprechung des BGH bei Bereicherungsansprüchen, die bei der Rückabwicklung 1 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.2019 – 4 W 46/19, MDR 2019, 1190; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.9.2019 – 5 W 33/19; OLG München, Beschl. v. 18.10.2019 – 21 U 3241/19, MDR 2020, 163. 2 BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20; OLG München, Beschl. v. 18.10.2019 – 21 U 3241/19, MDR 2020, 163. 3 RG, Urt. v. 30.9.1913 – III 233/13, RGZ 88, 138; RG, Urt. v. 21.4.1931 – II 241/30, RGZ 132, 305; BGH, Urt. v. 25.4.2017 – XI ZR 108/16, MDR 2017, 713. 4 BGH, Beschl. v. 8.7.2019 – XI ZR 309/18. 5 Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rz. 25. 6 2. Kor 3,6. 7 BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20. 8 RG, Beschl. v. 29.10.1938 – VI A 268/38, RGZ 158, 350. 9 BGH, Beschl. v. 23.2.2021 – VI ZR 1191/20; OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 624/19. 10 BGH, Beschl. v. 8.5.2012 – XI ZR 261/10, MDR 2012, 865; BGH, Beschl. v. 27.6.2013 – III ZR 143/12, MDR 2013, 1185; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; a.A. BGH, Beschl. v. 18.3.2009 – IX 188/08; Junglas, NJOZ 2013, 1641, 1646; wohl auch BGH, Beschl. v. 19.12.2016 – IX ZR 60/16. 11 A.A. OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2019 – 17 U 44/19.

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Schadensersatz

2. Teil

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eines Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. entstehen. Dort werden die Nutzungsersatzansprüche als Hauptforderung angesehen, weil man den Zweck des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO verfehlte, eine einfache und klare Wertermittlung zu ermöglichen, wenn man in der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Einzelnen ermittelte, in welcher Höhe der Nutzungsersatz vom Anspruch auf Rückzahlung der Prämien abhängt, der mit dem Bereicherungsanspruch der Versicherung wegen des faktisch genossenen Versicherungsschutzes und einem typischerweise bereits ausgezahlten Rückkaufwert zu saldieren ist.1 Diese Argumente gelten auch für den schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleich. Macht etwa ein 2.4417 Kläger in der sog. „Dieselaffäre“ neben der Rückzahlung seines Kaufpreises Zinsen nach § 849 BGB geltend, lässt sich aber Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen, ergeben sich letztlich dieselben Berechnungsprobleme wie bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach § 5a VVG a.F. Die Einordnung als Haupt- oder Nebenforderung ist für § 4 Abs. 1 ZPO und § 43 GKG einheitlich vorzunehmen.2 § 43 GKG stimmt nach dem Willen des Gesetzgebers mit § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO sachlich überein und soll ebenfalls zeitraubende Berechnungen ersparen.3

2.4418

4. Sachverständigenkosten Ob Kosten eines Sachverständigen den Streitwert erhöhen, richtet sich danach, ob ihre Ersatzfähigkeit vom Bestehen der Hauptforderung abhängt.

2.4419

Das Abhängigkeitsverhältnis fehlt grundsätzlich, wenn sie nur ein Teil des nach § 249 BGB zu erset- 2.4420 zenden einheitlichen Schadensersatzanspruchs sind. In diesem Fall hängt die Ersatzfähigkeit der Kosten eines vorprozessual eingeholten Gutachtens nicht davon ab, in welchem Umfang Ersatz für den eigentlichen Sachschaden zu leisten ist.4 Soweit der Ersatzanspruch auf Verzug nach §§ 286, 280 Abs. 2 BGB beruht, sind die Sachverständigenkosten hingegen eine Nebenforderung nach § 4 ZPO. Ihre Ersatzfähigkeit hängt vom Bestehen des Hauptanspruchs ab, weil der Beklagte sie erstatten muss, soweit sie erforderliche Rechtsverfolgungskosten sind. Diese sind stets nur erforderlich, wenn ein bestehendes Recht verfolgt wird.

2.4421

Der Streitwert erhöht sich nicht, wenn der Kläger beabsichtigt, nicht mit eingeklagte Kosten eines Pri- 2.4422 vatgutachtens im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen, weil sie dann in der Hauptsache bereits kein Gegenstand des Rechtsstreits sind.5 5. Anwaltskosten Anwaltskosten sind Nebenforderungen i.S.v. § 4 ZPO.6 Ihre Ersatzfähigkeit hängt davon ab, ob der verfolgte Anspruch besteht. Sie sind stets nur ersatzfähig, soweit sie erforderliche Rechtsverfolgungskosten sind. Rechtsverfolgungskosten sind nur erforderlich, soweit bestehende Ansprüche verfolgt 1 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251. Weitere Einzelheiten dazu kann man beim Stichwort „Bereicherungsansprüche“, Rz. 2.689 nachlesen. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2019 – 8 W 868/19, NJW-RR 2019, 803; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2019 – 12 W 1/19, VersR 2019, 774 unter ausdrücklicher Aufgabe der gegenteiligen Ansicht aus OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.7.2017 – 12 U 75/17, MDR 2017, 1053; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 U 275/18, NJW-RR 2019, 807. 3 BT-Drucks. 7/2016, 73; BT-Drucks. 15/1971, 155. 4 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.4.2012 – 1 W 10/12, VersR 2013, 1150. 5 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852. 6 BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – VI ZB 61/10, MDR 2011, 811.

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werden. Das gilt unabhängig davon, ob sie als Teil des ersatzfähigen Schadens erstattungsfähig sind oder als Verzugsschaden beansprucht werden können.

2.4424 Streitwerterhöhend sind Anwaltskosten daher nur, soweit sie sich auf nicht miteingeklagte Teile der Hauptforderung beziehen, etwa auf einen vorprozessual bereits gezahlten Teil.1

II. Feststellungsklagen 1. Gegenwärtiger Schaden

2.4425 Bei Feststellungsklagen auf Leistung von Schadensersatz ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen und der übliche zwanzigprozentige Abschlag gegenüber einem Leistungsantrag vorzunehmen. 2. Zukünftiger Schaden

2.4426 Erfasst der Feststellungsantrag nur Schäden, die zukünftig aus dem Schadensereignis entstehen, ist der Streitwert des Feststellungsbegehrens nach den ab Klageeinreichung entstehenden Schäden zu bemessen, die nach § 3 ZPO zu schätzen sind.2 Bei der Schätzung ist zu berücksichtigten, wie hoch der drohende Schaden und wie wahrscheinlich der Schadenseintritt ist.3 Dabei ist ein höherer Abschlag zu machen, weil in aller Regel das Gegenwartsinteresse an einer Feststellung geringer ist, die erst in der Zukunft Wirkungen auslöst.4 Bei einem zwar möglichen, aber nahezu unwahrscheinlichen Schadenseintritt kann der Streitwert so niedrig bemessen werden, dass er nur noch die Funktion eines „Erinnerungswertes“ hat.5

2.4427 Bei der Schadensschätzung ist nach dem Rechtsgedanken der § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, die bei Klageerhebung vorhanden waren. Wurde eine Möglichkeit nicht genutzt, um zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, obgleich sie bei Klageerhebung bereits bestand und erkennt man das nachträglich, kann diese Erkenntnisquelle für die Streitwertfestsetzung herangezogen werden.6 Wegen nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann der Streitwerts nicht geändert werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Instanz maßgebend.7 Erkenntnisse des Gerichts nach der letzten mündlichen Verhandlung müssen außer Betracht bleiben,8 was dem Rechtsgedanken des § 296a ZPO entspricht.

2.4428 Geht der Kläger im Laufe des Rechtsstreits mit dem zunehmenden Fälligwerden der Schadensersatzansprüche von der Feststellungs- zur Leistungsklage über, darf man die Werte des Leistungs- und des Feststellungsanspruchs nur dann in voller Höhe summieren, wenn der Kläger zu erkennen gibt, den Feststellungsantrag trotz des Leistungsantrages in der ursprünglichen Höhe für die Zukunft aufrechterhalten zu wollen, so dass der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage den Wert des

1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2019 – 1 W 82/19. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 W 318/16, NJW-RR 2017, 64. 3 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2019 – 12 W 35/19, AGS 2019, 522; OLG München, Beschl. v. 27.8.2018 – 24 W 725/18. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.1959 – 2 W 2/59, BB 1959, 460. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.1974 – 12 W 102/74, JurBüro 1975, 232. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.1997 – 5 W 336/97, JurBüro 1998, 363. 7 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.9.1954 – 7 W 170/54, Rpfleger 1962, 425. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.9.1954 – 7 W 170/54, Rpfleger 1962, 425; s. aber auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 10/10, GRUR-RR 2010, 406 zu einem Sonderfall (bewusst falsche Angaben der Parteien).

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Schadensersatz

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2. Teil

Stellt der Kläger den Feststellungsantrag in der letzten mündlichen Verhandlung dagegen nicht mehr, 2.4429 weil er durch die laufende Erhöhung des Leistungsantrages aufgezehrt worden ist, bestimmt nur der Leistungsantrag den Streitwert.1 Bei nur teilweisem Abbau der Feststellungsklage ist der verbleibende Zukunftsantrag zu berücksichtigen. Bei Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage aus § 116 SGB X sind die bis zum Übergang angefallenen Rückstände der übergegangenen Schadensersatzansprüche dem Streitwert der Hauptklage hinzuzurechnen, wenn sie zusätzlich gefordert werden.2

2.4430

III. Klagehäufung Bei beziffertem Leistungsantrag und dem zusätzlichen Antrag auf Feststellung der Haftung für weitere Schäden ist jeder Antrag gesondert zu bewerten und sodann eine Wertaddition vorzunehmen (§ 5 ZPO, § 39 GKG).3

2.4431

Ein neben einem Antrag auf Leistung Zug um Zug gestellter Feststellungsantrag, der Beklagte sei mit der Annahme des herauszugebenden Vorteils in Verzug, erhöht den Streitwert nach der zutreffenden herrschenden Meinung nicht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1509–2.1512 verwiesen.

2.4432

Ein neben dem Zahlungsantrag gestellter Antrag auf Feststellung, der Schadensersatzanspruch beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, erhöht den Streitwert nach der zutreffenden herrschenden Meinung nicht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1565–2.1569 verwiesen.

2.4433

Der Streitwert einer Klage, die einen Leistungsantrag über §§ 255, 259, 510b ZPO mit dem Antrag auf Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung innerhalb einer bestimmten Frist verbindet, bemisst man analog § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nach dem Antrag mit dem höheren Wert.4

2.4434

C. Rechtsmittel und Beschwer Für die Rechtsmittelbeschwer gelten grundsätzlich keine Besonderheiten. Sie richtet sich folglich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers. Wendet sich der Beklagte dagegen, dass die gerichtliche Feststellung seiner Pflicht, dem Kläger künftige Schäden zu ersetzen, die Schadensersatzansprüche nicht ausnimmt, die auf Dritte übergegangen sind (etwa nach § 116 SGB X), bemisst sich die Beschwer nach dem im Einzelfall nach § 3 ZPO zu bemessenden Risiko einer Inanspruchnahme.5 Die Beschwer bei einer Verurteilung zur Zahlung statt zur Freistellung kann pauschal mit 1/10 der Forderung bewertet werden.6

2.4435

Die Rechtsmittelbeschwer der Partei, die mit ihren auf Herausgabe sowie auf Schadensersatz für den 2.4436 Fall des fruchtlosen Fristablaufs gerichteten Klageanträgen (§§ 255, 259, 510b ZPO) insgesamt unterlegen ist, bemisst sich nach dem Antrag mit dem höheren Wert.7 1 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 302. OLG Bamberg, Urt. v. 8.4.1971 – 4 U 25/70, JurBüro 1971, 778 noch zu § 1542 RVO. OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2019 – 12 W 35/19. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, MDR 2018, 109. OLG Brandenburg, Urt. v. 11.4.2019 – 12 U 207/18 (im konkreten Fall wurden 1.000 t angesetzt). OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.5.2011 – 13 U 63/11, MDR 2011, 1258. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, MDR 2018, 109.

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Feststellungsinteresses nicht gemindert hat. Ob dieses Vorgehen zulässig ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein, hat aber keinen Einfluss auf die Streitwertberechnung, wenn der Kläger so vorgehen will.

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D. ABC der Einzelfälle Abschaltautomatik, unzulässige

2.4437 Nimmt der Käufer eines Autos mit unzulässiger Abschaltautomatik den Händler aus kaufrechtlicher Gewährleistung und den Hersteller aus unerlaubter Handlung in Anspruch, sind die Werte der Anträge wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzuzählen.1 Das Gleiche gilt, wenn bei einem verbundenen Vertrag gleichzeitig der Hersteller auf Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens nach § 826 BGB und die finanzierende Bank mit demselben Ziel aufgrund eines Widerrufs nach § 358 BGB in Anspruch genommen werden.2 Amtshaftung

2.4438 Wird die Amtshaftungsklage gegen ein Land wegen des Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit i.S.v. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB als derzeit unbegründet abgewiesen, ist das Land nicht in Höhe der vollen Klagesumme beschwert. Seine Beschwer bemisst man vielmehr gem. § 3 ZPO nach dem „Minderwert“ einer vorübergehenden gegenüber einer endgültigen Klageanweisung, der sich nach dem Risiko einer erneuten erfolgreichen Inanspruchnahme richtet.3 Anlageberatung

2.4439 Begehrt ein Kapitalanleger von seiner Bank in der Hauptsache Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung, weil die Bank den Erhalt von Rückvergütungen verschwiegen hat und verlangt hilfsweise die Herausgabe der erhaltenen Rückvergütungen, ist wegen wirtschaftlicher Identität von Haupt- und Hilfsanspruch keine Wertaddition vorzunehmen.4 Weitere Einzelheiten kann man beim Stichwort „Anlageberatung“, Rz. 2.174 ff. nachlesen. Anwaltsregress

2.4440 Bei einem Anwaltsregress wegen entgangenen Unterhalts ist der Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag anzusetzen, nicht analog § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG mit dem einfachen Jahresbeitrag, weil dessen sozialer Schutzzweck darin besteht, die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu erleichtern, nicht aber darin, den Regress gegen Anwälte wegen Fehlschlägen bei der Durchsetzung des Unterhalts zu verbilligen.5 Fluggastrechte

2.4441 Ansprüche nach Art. 7 FluggastrechteVO und (hilfsweise) geltend gemachte Schadensersatzansprüche wegen eines verspäteten oder gestrichenen Fluges sind nicht (wirtschaftlich) identisch, sondern nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu summieren.6 Haftungsquote

2.4442 Bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln, mit denen der Kläger eine Erhöhung und der Beklagte eine Herabsetzung der Haftungsquote angestrebt, sind die Begehren nicht wirtschaftlich identisch (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 GKG), so dass die Streitwerte zusammenzurechnen sind.7

1 2 3 4 5 6 7

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.6.2019 – 2 W 8/19. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2019 – 6 W 47/19. BGH, Beschl. v. 13.8.2015 – III ZR 133/14. BGH, Beschl. v. 5.6.2018 – XI ZR 364/17. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2002 – 24 W 36/02, FamRZ 2004, 1225. BGH, Urt. v. 8.8.2017 – X ZR 101/16, MDR 2017, 1270. OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2019 – 1 U 19/19; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 8.6.2007 – 14 U 64/07, AGS 2008, 39.

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Seggewiße

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Schadensersatz

S. 915 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Wird ein Haushaltsführungsschaden als Schadensersatzrente geltend gemacht, ist gem. § 9 ZPO der 3 1/2fache Jahresbetrag anzusetzen.1 Das gilt auch dann, wenn der Kläger den Zahlungsantrag auf die Zeit bis zum 75. Lebensjahr begrenzt hat und für die nachfolgende Zeit nur die Feststellung der Ersatzpflicht begehrt.2

2.4443

Pflegekosten Werden Pflegekosten als Schadensersatz geltend gemacht, ist auf den verlangten Betrag abzustellen. Werden wiederkehrende Leistungen verlangt, dann ist gem. § 9 ZPO der 3 1/2fache Jahresbetrag der Kosten anzusetzen.

2.4444

Schadensersatzrente Der Streitwert einer Klage auf Rentenzahlung nach §§ 843, 844 BGB wird nach § 9 ZPO ermittelt.3 Bei Klageeinreichung bereits fällige Beträge sind nach § 42 Abs. 3 GKG hinzuzurechnen. Dabei ist zu beachten, dass die Renten nach § 844 Abs. 2, § 843 Abs. 2, § 760 Abs. 2 Halbs. 1 BGB für drei Monate im Voraus zu zahlen sind.4 Daher sind bei einem Schadenseintritt im Januar und einer Klageerhebung im Februar nicht nur die Renten für Januar und Februar, sondern auch die für März nach § 42 Abs. 3 GKG werterhöhend. Siehe dazu im Übrigen das Stichwort „Rente“, Rz. 2.4333 ff.

2.4445

Schmerzensgeld Wird ein beziffertes Schmerzensgeld eingeklagt, ist der Streitwert gleich dem Nennbetrag der streit- 2.4446 gegenständlichen Schmerzensgeldforderung. Üblicherweise werden Schmerzensgelder nicht exakt beziffert eingeklagt. Siehe dazu das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff. Verbeamtung, unterlassene Den Gebührenstreitwert der Klage eines angestellten Lehrers auf Feststellung, das Land müsse ihm nach § 839 BGB den durch seine unterlassene Verbeamtung entstandenen Schaden ersetzen, ist gem. § 3 ZPO, § 42 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GKG mit dem dreifachen Jahreswert der Einkommensdifferenz zu bemessen, abzüglich eines Feststellungsabschlagen von 20 %.5 Die Beschwer ist hingegen nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Differenz abzüglich 20 % Feststellungsabschlag zu beziffern.6

2.4447

Verbundener Vertrag Verklagt der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschaltautomatik versehenen Autos dessen Her- 2.4448 steller auf Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens nach § 826 BGB und zugleich die finanzierende Bank mit demselben Ziel aufgrund eines Widerrufs nach § 358 BGB, sind die Streitwerte der Anträge wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu summieren.7 Verkehrsunfall

2.4449

Siehe dazu das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5176 ff.

1 2 3 4 5 6 7

OLG Köln, Urt. v. 12.12.2014 – 19 U 39/14, DAR 2016, 704. OLG München, Beschl. v. 30.1.2019 – 24 U 3213/17. OLG Koblenz, Beschl. v. 13.4.2016 – 5 W 177/16. N. Schneider, DAR 2013, 778. OLG Bremen, Urt. v. 23.1.2019 – 1 U 25/18. BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2019 – 6 W 47/19.

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ZPO

Haushaltsführungsschaden

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2. Teil

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Scheckprozess

ZPO

Scheckprozess 2.4450 Siehe das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“, Rz. 2.4925 ff.

Scheinurteil A. Allgemeines 2.4451 Schein- oder Nichturteile sind den Anschein eines Urteils erweckende gerichtliche Verlautbarungen. Sie sind wirkungslos, führen nicht zu einer Beendigung der Instanz und sind weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig. Davon abzugrenzen sind die infolge vorheriger oder nachfolgender Klagerücknahme wirkungslosen, aber der formellen Rechtskraft fähigen Urteilen (§ 269 Abs. 3 ZPO).1

2.4452 Praktisch relevant sind Entscheidungen durch aus dem Richterdienst ausgeschiedene Richter, die Verkündung ohne zu schriftlich vorliegenden Urteilstenor sowie die Urteilsverkündung ohne anberaumten Verkündungstermin (§ 311 Abs. 2 ZPO).2 Gleiches gilt für die Zustellung eines Urteilsentwurfs in der Annahme einer bereits erfolgten Verkündung oder einer von dem verkündeten Urteilstenor abweichenden „Urteilsausfertigung“.3

2.4453 Um den mit der erteilten Ausfertigung begründeten „äußeren Anschein eines Urteils“ zu beseitigen, kann das Schein- oder Nichturteil ohne Befristung4 bis zur Rückgabe sämtlicher Urteilsausfertigungen mit demselben Rechtsmittel angegriffen werden wie ein wirksam erlassenes und Rechtswirkungen entfaltendes Urteil.5 Die hierdurch dem Scheinbeklagten entstehenden Kosten sind ihm entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO zu erstatten.

2.4454 Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass dieses eine Beschwer erfordert, also einen mit der Entscheidung einhergehenden Nachteil, der nicht ausschließlich in der Kostenentscheidung liegen darf (arg. § 99 ZPO) und den mit dem Rechtsmittel zu beseitigen, Absicht des Rechtsmittelklägers ist. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist die Beseitigung des nach außen erzeugten Scheins einer Beschwer.6

B. Gebührenstreitwert 2.4455 Maßgeblich für die Bewertung ist das Interesse des Rechtsmittelklägers. Besteht über die Verlesung der Urteilsformel und deren Inhalt kein Streit, dann dient das Rechtsmittelverfahren nur der Beseitigung des Rechtscheins eines inhaltlich abweichenden Urteils und Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung der fehlerhaften Urteilsausfertigung. Das hierauf gerichtete Interesse entspricht regelmäßig

1 Vgl. BGH, Beschl. v. 27.1.2021 – IX ZR 270/19, WM 2021, 457. 2 Vgl. OLG München, Urt. v. 27.6.2018 – 15 U 1640/17 – fehlendes Verkündungsprotokoll; LG Osnabrück, Urt. v. 29.1.2010 – 1 S 386/19 – fehlende Verlesung der Urteilsformel. 3 BGH, Beschl. v. 24.6.2019 – AnwZ (Befg) 18/19 – Ausfertigung mit Klagestattgabe statt verkündeter Abweisung. 4 BGH, Beschl. v. 13.6.2012 – XII ZB 592/11, MDR 2012, 928; BGH v. 17.4.1996 – VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1969. 5 BGH, Beschl. v. 24.6.2019 – AnwZ (Befg) 18/19; BGH, Urt. v. 4.2.1999 – IX ZR 7/98, MDR 1999, 560 = NJW 1999, 1192. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2009 – 24 W 13/09, MDR 2009, 1187.

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Kurpat

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Schiedsgutachten

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2. Teil

Steht dagegen die Verkündung als solche und damit die Existenz einer das Verfahren beendigenden Entscheidung im Streit, dann ist das Interesse des Rechtsmittelklägers auf Fortsetzung des Verfahrens und Beseitigung der mit der Urteilsformel einhergehenden Beschwer gerichtet. Der Wert bestimmt sich damit nach dem Wert der Hauptsache.2

2.4456

Schenkung Die Bemessung des Streitwerts bei Prozessen im Zusammenhang mit Schenkungen hängt vom kon- 2.4457 kreten Klageantrag ab. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein. Der Wert einer Klage auf Vollzug der Schenkung (Übergabe und Übereignung der geschenkten Sache) bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache.

2.4458

Ebenso richtet sich gem. § 6 ZPO der Wert der Rückforderung einer geschenkten Sache nach Widerruf oder Anfechtung der Schenkung nach dem Verkehrswert der Sache.3

2.4459

Die Klage eines Schenkers gegen einen Dritten auf Mitwirkung an einer Grundbuchänderung ist dagegen gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Schenkers zu bewerten, dass die Schenkung wirksam ist.4 Dieses kann mit dem Interesse bewertet werden, keinen Ansprüchen des Beschenkten aus § 326 BGB ausgesetzt zu sein.5

2.4460

Besonderheiten können bei der Streitwertberechnung gemischter Schenkungen angebracht sein. Bei einer Rückabwicklungsklage nach Schenkungswiderruf eines durch gemischte Schenkung übertragenen landwirtschaftlichen Anwesens ist der Ertragswert des Anwesens für den Streitwert maßgeblich, wenn dieser nach materiellem Recht das Verhältnis zwischen Geschenk und Gegenleistung bestimmt.6

2.4461

Schiedsgutachten Anders als ein Schiedsrichter trifft ein Schiedsgutachter keine rechtlichen Entscheidungen anstelle 2.4462 staatlicher Gerichte. Er stellt vielmehr bestimmte Tatsachen im Verhältnis zwischen den Parteien bindend fest, etwa den Wert oder Preis von Waren, die Übereinstimmung einer Werkleistung mit den anerkannten Regeln der Technik oder die Höhe eines Schadens. Die Schiedsgutachterabrede hindert daher das Gericht an einer eigenen Beweiserhebung.7 Das Schiedsgutachten ist in entsprechen-

1 BGH, Beschl. v. 24.6.2019 – AnwZ (Befg) 18/19. 2 So auch für das Rechtsmittel gegen ein infolge vorheriger Klagerücknahme wirkungsloses Urteil, BGH, Beschl. v. 27.1.2021 – IX ZR 270/19, WM 2021, 457. 3 OLG Brandenburg, Urt. v. 9.6.2016 – 5 U 60/14. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65. 6 OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1059/84, JurBüro 1984, 1401. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 30.3.2009 – 1 W 10/09.

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nicht dem Wert der Hauptsache1 und rechtfertigt regelmäßig nur eine geringe Bruchteilsbewertung (1/10).

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2. Teil

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Schiedsrichterliches Verfahren

ZPO

der Anwendung von § 319 BGB dann nicht verbindlich, wenn es offensichtlich unrichtig ist.1 In diesen Fällen erhebt das Gericht selbst den Beweis nach den Vorschriften der ZPO.

2.4463 Führen die Parteien außergerichtlich das Schiedsgutachterverfahren durch und lassen sich dabei anwaltlich vertreten, gehört das Verfahren für die anwaltlichen Bevollmächtigten zur außergerichtlichen Vertretung ihrer Mandanten, für die sie eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG erhalten. War die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die außergerichtliche Vertretung bereits angefallen, entsteht durch das Schiedsgutachterverfahren kein zusätzlicher Verdienst. Der Gegenstandswert der Geschäftsgebühr bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG. Er entspricht folglich dem Streitwert, den ein Gerichtsverfahren hätte, das denselben Gegenstand betrifft. Steht dieser zunächst nicht eindeutig fest, etwa wenn die Parteien ein Schiedsgutachten einholen, ob ein Werk den Regeln der Technik entspricht, ist auf das Interesse an der Beweiserhebung abzustellen. Dabei kann auf die Grundsätze der Wertbemessung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgegriffen werden. Einzelheiten dazu schlage man beim Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503 ff. nach.

2.4464 Wendet eine Partei im Prozess ein, das Gericht könne selbst keinen Beweis erheben, weil die Parteien ein Schiedsgutachten vereinbart hätten, hat das auf den Streitwert keinen Einfluss. Nichts anderes gilt, wenn eine Partei vorträgt, das Schiedsgutachten sei offenbar unrichtig und analog § 319 BGB nicht bindend. Dabei handelt es sich nicht um den Streitgegenstand, sondern nur um Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen, das Mittel zum Zweck, aber nicht Selbstzweck des Rechtsstreits ist. Der Streitwert bemisst sich daher nach dem Wert des Streitgegenstands, also z.B. bei einer Zahlungsklage nach dem Wert der eingeklagten Forderung2 und bei einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung auf deren Wert.3

Schiedsrichterliches Verfahren Literatur: Enders, Die Vergütung des Anwaltes für eine Tätigkeit im schiedsrichterlichen Verfahren, JurBüro 1998, 282.

A. Einleitung 2.4465 Das schiedsrichterliche Verfahren gestattet nach §§ 1025 ff. ZPO die Ausübung privater Gerichtsbarkeit. Über die Kosten des Schiedsverfahrens (also die Kosten der Schiedsrichter sowie die Parteikosten) entscheidet nach § 1057 ZPO das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Soweit allerdings im schiedsrichterlichen Verfahren staatliche Gerichte tätig werden, fallen Gerichts- und unter Umständen weitere Anwaltsgebühren an. Staatliche Gerichte unterstützen nach § 1050 ZPO die Beweisaufnahme des Schiedsgerichts und entscheiden über Anträge bezüglich: – der Bestellung eines Schiedsrichters (§§ 1034, 1035 ZPO), – der Ablehnung eines Schiedsrichters (§§ 1036, 1037 ZPO), – der Beendigung des Schiedsrichteramtes (§ 1038 ZPO), – der Feststellung der (Un-)Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 ZPO), – der Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts (§ 1040 ZPO),

1 BGH, Urt. v. 25.6.1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335; BGH, Urt. v. 27.6.2001 – VIII ZR 235/00, MDR 2001, 1281. 2 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.9.2018 – 7 U 67/17, ErbR 2019, 252. 3 Vgl. OLG München, Urt. v. 9.1.2008 – 20 U 3478/07, ZfIR 2008, 727.

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Schiedsrichterliches Verfahren

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2. Teil

ZPO

– der Vollziehung, Aufhebung oder Änderung der Anordnung vorläufiger/sichernder Maßnahmen des Schiedsgerichts (§ 1041 ZPO), – der Aufhebung des Schiedsspruchs (§ 1059 ZPO) und – der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§ 1060 ZPO).

B. Zuständigkeitsstreitwert Für die Tätigkeiten staatlicher Gerichte im schiedsrichterlichen Verfahren braucht man keine Zuständigkeitsstreitwerte zu bestimmen. Für die Unterstützung des Schiedsgerichts bei der Beweisaufnahme nach § 1050 ZPO ist gem. § 1062 Abs. 4 ZPO das AG sachlich zuständig.1 Sachlich zuständig für die übrigen Anträge an staatliche Gerichte ist nach § 1062 Abs. 1 ZPO stets das OLG.

2.4466

C. Gebührenstreitwert Für die nach § 1062 Abs. 1 ZPO im schiedsrichterlichen Verfahren in Betracht kommenden Entschei- 2.4467 dungen der staatlichen Gerichte fallen Gerichtsgebühren nach Nr. 1620 ff. KV GKG an, deren Streitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO bestimmt wird. Maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers an der konkret beantragten Maßnahme. Die Anwaltsgebühren richten sich aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 RVG nach Teil 3 Ab- 2.4468 schnitt 1 und 2 VV RVG (Nr. 3100 ff. VV RVG), wobei der Gegenstandswert dem Streitwert der Gerichtsgebühren folgt (§ 23 Abs. 1 RVG); insoweit ist allerdings § 16 Nr. 8 RVG zu beachten.2 Danach sind das schiedsrichterliche und das gerichtliche Verfahren bei der Bestellung eines Schiedsrichters oder Ersatzschiedsrichters, über die Ablehnung eines Schiedsrichters oder die Beendigung des Schiedsrichteramts, zur Unterstützung bei der Beweisaufnahme oder bei der Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen dieselbe Angelegenheit.

I. Vorbereitung des Verfahrens Der Streitwert gerichtlicher Maßnahmen, die das Schiedsgerichtsverfahrens vorbereiten (z.B. Ernennung des Obmanns, Ablehnung von Schiedsrichtern), ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei nur das Interesse der Parteien an der Austragung ihres Streits auf diesem Wege maßgeblich ist.3

2.4469

1. Zulässigkeit des Schiedsverfahrens Nach § 3 ZPO ist zu schätzen, wenn gem. § 1032 Abs. 2 ZPO über die Zulässigkeit des Schiedsverfah- 2.4470 rens überhaupt entschieden wird. Entscheidend ist das Interesse an der Durchführung bzw. an der Vermeidung des schiedsrichterlichen Verfahrens, das in der Regel mit einem Bruchteil von 1/5 des Werts der Hauptsache angemessen bewertet ist.4 Das gleiche gilt für ein Verfahren zur Feststellung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts.5

1 Zöller/Geimer, § 1050 ZPO Rz. 4; Laumen, MDR 2015, 1276, 1279. 2 OLG München, Beschl. v. 3.8.2016 – 34 SchH 9/15, Rpfleger 2017, 184. 3 RG, Urt. v. 14.2.1898 – VI 419/97, RGZ 41, 362; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.3.1954 – 12 W 6/54, NJW 1954, 1492; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.11.1962 – 3 W 233/62, NJW 1963, 660. 4 BGH, Beschl. v. 19.9.2019 – I ZB 4/19, MDR 2020, 187; BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZB 12/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.2013 – 26 SchH 3/13; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.4.2019 – 26 SchH 4/18. 5 BGH, Beschl. v. 28.3.2019 – I ZB 51/18.

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2. Teil

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Schiedsrichterliches Verfahren

ZPO

2. Schiedsrichterernennung

2.4471 Der Streitwert des Verfahren auf Ernennung eines Schiedsrichters nach § 1035 Abs. 3 ZPO ist umstritten: – Nach einer Meinung ist der volle Hauptsachewert anzusetzen.1 Zwar sei die Schiedsrichterbestellung nur ein vorbereitender Akt. Er sei jedoch eine unerlässliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Schiedsgerichts. Dem gegenüber der Hauptsache geringeren Verfahrensaufwand für das Gericht wie für die Parteien trügen bereits die Gebührensätze des Kosten- (Nr. 1623 KV GKG) und des Vergütungsverzeichnisses (Nr. 3327 VV RVG) Rechnung.2 – Die wohl überwiegende Gegenansicht setzt den Wert für das Ernennungsverfahren nicht mit dem Streitwert für das Schiedsgerichtsverfahren an, sondern erheblich niedriger.3 Der festzusetzende Bruchteil ist wiederum umstritten: Überwiegend wird ein Bruchteil von 1/3 des Hauptsachewertes,4 teilweise aber nur von 1/8 dieses Werts5 angenommen.

2.4472 Die zweite Meinung dürfte vorzugswürdig sein. Das Interesse der Parteien an einem funktionsfähigen Schiedsgericht ist sicher groß. Dennoch spricht gegen den Ansatz des vollen Hauptsachewertes, dass mit der Bestellung der Schiedsrichter keine Sachentscheidung verbunden ist. Selbst wenn die Parteien völlig untätig bleiben, kommt das schiedsrichterliche Verfahren nicht zum Stillstand, da das Ernennungsrecht nach Fristablauf automatisch auf das staatliche Gericht übergeht (§ 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO).

II. Durchführung des Verfahrens 1. Unterstützung bei der Beweisaufnahme

2.4473 Der Streitwert für die Unterstützung bei der Beweisaufnahme (§ 1050 ZPO) ist nach dem Wert des Anspruchs zu bestimmen, auf den sich die Unterstützung oder sonstige richterliche Handlung bezieht.6 In Betracht kommen Vernehmungen nicht freiwillig erscheinender Zeugen oder Sachverständigen (notfalls mit Zwang), Abnahmen von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen, auswärtige Vernehmungen im Wege der Rechtshilfe oder auch die Erzwingung der Vorlage von Urkunden durch Dritte. 2. Befangenheitsanträge

2.4474 Der Streitwert des Verfahrens der Ablehnung von Schiedsrichtern (§ 1036 ZPO) ist umstritten: – Nach einer Meinung7 bemisst sich der Streitwert des Ablehnungsverfahrens auch dann als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG, wenn das eigentliche Schiedsverfahren wegen eines vermögensrechtlichen Anspruchs betrieben wird.

1 OLG München, Beschl. v. 26.6.2019 – 34 SchH 6/18, MDR 2019, 1405. 2 OLG München, Beschl. v. 26.4.2006 – 34 SchH 4/06, MDR 2006, 1308. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.3.1954 – 12 W 6/54, NJW 1954, 1492; OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 915; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.11.1962 – 3 W 233/62, NJW 1963, 660. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.10.2003 – 1 SchH 1/03, SchiedsVZ 2004, 168; OLG Köln, Beschl. v. 1.10.2011 – 19 SchH 7/11, SchiedsVZ 2012, 222; OLG München, Beschl. v. 14.10.2010 – 34 SchH 7/10; OLG München, Beschl. v. 21.12.2011 – 34 SchH 11/11, SchiedsVZ 2012, 111. 5 BayObLG, Beschl. v. 15.12.1999 – 4Z SchH 6/99. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.145. 7 OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1986 – 12 W 54/86, Rpfleger 1987, 166, das dann eine Festsetzung „deutlich unter dem Wert des Hauptsacheverfahrens“ befürwortet; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.4.1983 – 8 W 2480/80, MDR 1983, 846; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.3.1982 – 7 WF 4/82, MDR 1982, 589; OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.11.1994 – 2 W 113/94, OLGR 1994, 341.

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Schiedsrichterliches Verfahren

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2. Teil

Zuzustimmen ist der zweiten Auffassung. Gegen die erste Meinung spricht, dass der nichtvermögens- 2.4475 rechtliche Aspekt (das Ansehen der abgelehnten Schiedsrichter) nicht Zweck, sondern bloßer Reflex des Ablehnungsverfahrens ist. In Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung bei der Ablehnung eines staatlichen Richters sollte der Streitwert bei der Ablehnung eines Schiedsrichters mit dem Hauptsachewert gleichgesetzt werden. Die Stellung des Schiedsrichters im Schiedsgerichtsverfahren entspricht im Wesentlichen der Stellung des Richters im ordentlichen Rechtsstreit. Anders als ein Sachverständiger entscheidet der Schiedsrichter.

III. Schiedsvergleich Der Wert eines Vergleichs, der einen Rechtsstreit beendet und der lediglich vorsieht, dass an Stelle des staatlichen Gerichts ein Schiedsgericht entscheiden soll, entspricht nicht dem Wert der vor dem Schiedsgericht anhängig zu machenden Ansprüche. Maßgebend für den Wert des Vergleichs ist vielmehr das Interesse der Parteien daran, dass ein Schiedsgericht an Stelle des staatlichen Gerichts (schneller, billiger und ggf. sachverständiger) entscheidet. Sein Wert ist jedoch mindestens so hoch festzusetzen wie der Wert einer bei dem staatlichen Gericht anhängigen Teilklage, da er diesen Rechtsstreit endgültig erledigt.3

2.4476

IV. Vollstreckbarerklärung Der Streitwert im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (§ 1060 ZPO) ist regel- 2.4477 mäßig mit dem Wert des Schiedsspruchs identisch,4 und zwar ohne Zinsen und Kosten,5 es sei denn, der Antragsteller hat seinen Antrag auf einen für ihn günstigen Teil des Streitgegenstandes beschränkt.6 Dann ist der Streitwert nur in Höhe dieses Teilbetrages festzusetzen. Auch wenn der Kläger im Schiedsverfahren nur teilweise obsiegt hat, kann im Allgemeinen der Streit- 2.4478 wert nur in Höhe dieses Teilbetrages angenommen werden.7 Bei dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs oder auf Umschreibung seiner Vollstreckungsklausel ist nämlich im Zweifel davon auszugehen, dass er eine im Schiedsspruch enthaltene Klageabweisung nicht erfassen soll.8

1 BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 60/06, MDR 2007, 669; BGH, Beschl. v. 17.1.1968 – IV ZB 3/68, MDR 1968, 394; OLG Hamm, Beschl. v. 30.5.1977 – 1 W 80/76, MDR 1978, 582; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.12.1997 – 4 W 617/97, NJW-RR 1998, 1222; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.1.2006 – 4 W 33/05, MDR 2006, 1079 (Ablehnung eines Richters). 2 KG, Beschl. v. 12.2.2018 – 13 SchH 2/17, MDR 2018, 885 (1/3 der Hauptsache); OLG Dresden, Beschl. v. 12.12.2008 – 11 SchH 7/08 (1/3 der Hauptsache); OLG Koblenz, Beschl. v. 19.9.1988 – 14 W 508/88, MDR 1989, 71 = VersR 1990, 66 (1/3 der Hauptsache, bei einer Dreierbesetzung des Gerichts 10 % für jeden abgelehnten Richter); OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2019 – 26 SchH 2/18 (2/3 der Hauptsache bei der Ablehnung zweier Schiedsrichter). 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.9.1968 – 6 W 180/68, JurBüro 1968, 915. 4 BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZB 12/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2019 – 26 SchH 8/18; OLG Stuttgart, Urt. v. 22.12.1986 – 5 U 3/86, ZIP 1987, 1213. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.6.2018 – 26 SchH 9/18. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.12.1960 – 6 W 539/60, NJW 1961, 735; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.2.1975 – 5 W 7/75, Rpfleger 1975, 257. 7 OLG München, Beschl. v. 12.6.2012 – 34 Sch 7/10, SchiedsVZ 2012, 217; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.2.1975 – 5 W 7/75, Rpfleger 1975, 257. 8 OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1969 – 2 W 5/69, JurBüro 1969, 558; KG, JW 1929, 143; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.2.1975 – 5 W 7/75, Rpfleger 1975, 257.

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ZPO

– Die Gegenmeinung ordnet es als vermögensrechtliche Streitigkeit ein und schätzt seinen Wert gem. § 3 ZPO nach dem Wert der Hauptsache1 oder auf einen Bruchteil davon.2

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2. Teil

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Schiedsrichterliches Verfahren

ZPO

2.4479 Da die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nicht nur dazu dient, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, sondern den Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern soll, sind abgewiesene Schiedswiderklagen und Hilfsaufrechnungen streitwerterhöhend nach § 45 GKG.1

2.4480 Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsvergleichs bemisst sich nicht nach dem Wert des Schiedsgerichtsverfahrens, sondern nach der Höhe der zu vollstreckenden Vergleichssumme.2

2.4480a Bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche wird der Streitwert ebenfalls nach den vorstehenden Grundsätzen bemessen. Grundsätzlich ist auch bei diesen der Wert des Schiedsspruchs maßgebend.3

V. Klauselerteilung 2.4481 Bei Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruch bleiben die Zinsen und die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens als Nebenforderung außer Ansatz.4

VI. Aufhebung eines Schiedsspruchs 2.4482 Wird beantragt, einen Schiedsspruch aufzuheben (§ 1059 ZPO), sind die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und die im Schiedsspruch zuerkannten Zinsen ebenfalls Nebenforderungen und bleiben deshalb bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt.5 Maßgebend ist also nur das Interesse des Klägers am Freiwerden von den ihm durch Schiedsspruch auferlegten Hauptleistungen.6

VII. Bestandsstreit 2.4483 Wird auf Feststellung des Bestehens eines Schiedsvertrages geklagt, ist das Interesse des Klägers maßgebend, dass das Schiedsgericht und nicht das ordentliche Gericht für zuständig erklärt wird. Der Wert des Anspruchs selbst ist nicht ausschlaggebend.7 Indessen wird die nach § 3 ZPO notwendige Schätzung den eigentlichen Streitgegenstand als Bezugsgröße nehmen müssen, weil anderenfalls jeder Maßstab fehlen würde.

2.4484 Im Verfahren über einen Antrag betreffend das Erlöschen eines Schiedsvertrages ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers an dem von ihm in diesem Verfahren erstrebten Erfolg. Es ist nur mit einem Bruchteil des Wertes anzunehmen, der im schiedsrichterlichen Verfahren selbst als Streitwert anzusetzen wäre.8

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH, Beschl. v. 16.5.2019 – I ZB 46/18, MDR 2019, 1025 = SchiedsVZ 2019, 351. OLG Köln, Beschl. v. 23.6.1995 – 16 W 36/95; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 228. OLG München, Beschl. v. 20.12.2019 – 34 Sch 14/18, SchiedsVZ 2020, 145. OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1969 – 2 W 5/69, JurBüro 1969, 558; RG, Urt. v. 26.5.1925 – VI 68/25, JW 1925, 2005; KG, Beschl. v. 12.6.1936 – 22 W 2622/36, JW 1936, 3330; LG Frankfurt, JurBüro 1952, 90; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.1955 – 4 U 123/55, Rpfleger 1956, 169 m. abl. Anm. Lappe. BGH, Beschl. v. 23.11.1956 – V ZR 32/55, MDR 1957, 95. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – I ZB 115/19. OLG Hamburg, Beschl. v. 28.6.1907 – 5. Zs., OLGE 15, 49. KG, Beschl. v. 23.6.1966 – 1 W 1446/66, NJW 1967, 55.

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Seggewiße

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Schlichtungsverfahren

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2. Teil

2.4485

Siehe das Stichwort „Schiedsrichterliches Verfahren“, Rz. 2.4465 ff.

Schlichtungsverfahren Literatur: N. Schneider, Zur Berechnung des Zulässigkeitsstreitwerts nach § 15a EGZPO, MietRB 2006, 55.

A. Überblick Im Güte- und Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO kommt es je nach landesrechtlicher Vor- 2.4486 schriften zum einen auf den Zulässigkeitsstreitwert an, also den Wert, bis zu dem unter den übrigen Voraussetzungen des § 15a EGZPO i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht die Zulässigkeit der Klage von der vorherigen Durchführung des Schlichtungsverfahrens abhängt. Zum anderen ist für die Anwaltsgebühren (Nrn. 2303 Nr. 1, 1000 VV RVG) der Gebührenstreitwert zu ermitteln. Gerichtsgebühren fallen dagegen nicht an; für die Verfahren werden lediglich wertunabhängige Gebühren erhoben, die sich nach dem jeweiligen Landesrecht richten.

B. Zulässigkeitsstreitwert Nach § 15a EGZPO i.V.m. den jeweiligen Landesgesetzen1 ist vor Durchführung eines Rechtsstreits ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Unterbleibt das Schlichtungsverfahren, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen.2

2.4487

Neben einzelnen besonders aufgeführten Streitigkeiten, insbesondere Nachbarrechtsstreitigkeiten, kann das Schlichtungsverfahren nach Landesgesetz vorschreiben, dass bei einer Klage vor dem AG, die einen Wert von 750 v nicht überschreitet, zuvor ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden muss.

2.4488

Im Rahmen des § 15a EGZPO und der Landesgesetze kommt es dabei nicht auf den Gebührenstreit- 2.4489 wert des GKG an, sondern auf den Zuständigkeitsstreitwert der ZPO. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des Gesetzes, da das Schlichtungsverfahren in der Prozessordnung geregelt ist und hierfür gem. § 2 ZPO die §§ 3 ff. ZPO gelten.3 Dies kann insbesondere in Mietsachen zu abweichenden Streitwertberechnungen führen.

2.4490

Beispiel: Der Vermieter hat eine Garage auf drei Jahre vermietet (monatliche Miete: 50 t). Nach Ablauf des ersten Jahres kündigt der Vermieter wegen Zahlungsverzugs des Mieters und will auf Räumung klagen. Der Mieter bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung, da er gegen die Miete aufgerechnet habe.

2.4491

Abzustellen ist auf die §§ 3 ff. ZPO, hier also auf § 8 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach dem Wert der auf die streitige Zeit entfallenden Miete, höchstens auf den 25-fachen Jahresbetrag. Ausgehend hiervon ergibt sich im Beispiel eine streitige Zeit i.S.d. § 8 ZPO von zwei Jahren (vertragliche Restlaufzeit) und somit ein Zuständigkeitsstreitwert i.H.v. (24 × 50 t =) 1.200 t. Soweit das Landesgesetz ein entsprechendes Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO vorsieht, bedarf es eines Schlichtungsverfahrens also nicht. 1 Siehe zu den Landesgesetzen Zöller/Heßler, § 15a EGZPO Rz. 27. 2 BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, MDR 2005, 285. 3 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 15a EGZPO Rz. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 15a EGZPO Rz. 3; Lützenkirchen, Anwaltshandbuch Mietrecht Rz. M 15; Stein/Jonas/Schlosser, § 15a EGZPO Rz. 6.

Schneider

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ZPO

Schiedsvertrag

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ZPO

2. Teil

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Schlussurteil

Unberührt hiervon bleibt allerdings die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwalts- und Gerichtsgebühren (s. Rz. 2.3076 ff.). Insoweit ist § 42 Abs. 1, 2 GKG heranzuziehen. Der Gegenstandswert für die Gerichts- und Anwaltsgebühren beläuft sich auf lediglich 600 t.

C. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 2.4492 Für die Anwaltsgebühren gilt § 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG, der wiederum auf das GKG verweist. Nur soweit das GKG keine vorrangigen Regelungen enthält, sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die Wertvorschriften der ZPO maßgebend. Es kann hier also zu Abweichungen zwischen Zulässigkeitsstreitwert und Gebührenstreitwert kommen.

Schlussurteil 2.4492a Das Schlussurteil ist ein das Verfahren im Ganzen abschließendes Urteil. Ihm vorausgegangen sind Teil-, Zwischen oder Grundurteile und – im Falle eines Nachverfahrens – auch ein Vorbehaltsurteil. Maßgebend für den Rechtsmittelstreitwert, also die Anfechtbarkeit des Schlussurteils, ist dessen Streitgegenstand.1

2.4492b Wird erstinstanzlich in der Sache selbst durch Teilurteil und über die Kosten durch Schlussurteil entschieden, dann müssen beide Urteil angefochten werden, § 99 Abs. 1 ZPO, insbesondere erfasst die Berufung gegen das Teilurteil nicht (automatisch) das nachfolgend allein zu den Kosten ergangene Schlussurteil.2 Wird mit dem zur Hauptsache ergangenen Teilurteil der Rechtsmittelstreitwert nicht erreicht nicht, dann ist auch über die Kosten entscheidende Schlussurteil nicht gesondert angreifbar, § 99 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

2.4492c Der Gebührenstreitwert für die gegen diese beiden Urteile eingelegten Berufungen richtet sich nach dem Wert der Berufung gegen die Sachentscheidung; eine besondere Wertberechnung für die auf den Kostenpunkt beschränkte Berufung gegen das Schlussurteil kommt nicht in Betracht (s. das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4279).

2.4492d Die streitwertmäßige Unselbständigkeit des Angriffs gegen das Schlussurteil wirkt sich allerdings erst ab Verbindung aus.

2.4492e Wird nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils nur gegen das Schlussurteil, das über den Restanspruch und über die gesamten Kosten des Rechtsstreits entscheidet, in vollem Umfang Berufung eingelegt, so ist nur der restliche Hauptanspruch streitwertbestimmend. Der auf das Anerkenntnis entfallende Teil der Kosten bleibt unberücksichtigt (s. das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4285 ff.).

2.4492f Dementsprechend werden auch die auf einen erledigten Hauptsacheteil entfallenden Kosten streitwertmäßig nicht berücksichtigt.3

2.4492g War eine Verfahrenstrennung in der Vorinstanz nicht willkürlich, kann die Beschwer aus einem Schlussurteil auch dann nicht mit der aus einem Teilurteil zusammengerechnet werden, wenn die getrennten Verfahren in der Rechtsmittelinstanz zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden werden.4

1 2 3 4

Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.39. BGHZ 20, 253; OLG Hamm, MDR 2000, 1397. Sehr str.; s. dazu das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303 ff. BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217 = BB 1999, 2532.

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Schneider und Kurpat

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Schufa-Eintragung

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2. Teil

2.4493

Siehe das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff.

Schufa-Eintragung Der Begründung von Giro-, Kredit- und Mietverhältnissen geht regelmäßig eine Abfrage der bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung Holding AG (Schufa Holding AG) vorhandenen Informationen voraus. Mitteilung und Abfrage von kreditrelevanten Daten an die Schufa Holding AG setzt eine Einwilligung des Betroffenen, die insbesondere in der Vereinbarung einer sog. SchufaKlausel liegen kann,1 oder ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Kreditwirtschaft voraus. Denn eine nicht von den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gedeckte Übermittlung (und Vorhaltung) personenbezogener Daten, stellt eine Verletzung des als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Unrichtige, ohne Einwilligung (§ 4 Abs. 1, § 4a Abs. 1 BDSG) übermittelte oder gespeicherte Daten berechtigen den Betroffenen gem. § 12, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB deren Berichtigung, Widerruf oder Beseitigung zu verlangen.2

2.4494

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Beseitigung der kredithinderlichen Eintragungen und an dem Ausmaß etwaiger durch sie drohender Nachteile für den Abschluss von Kredit- oder sonstigen Verträgen.3

2.4495

Dabei kann, soweit die Rechtsverfolgung nicht allein der Abwendung nachteiliger Vertragsgestal- 2.4496 tungen (höherer Zins, Notwendigkeit einer Bürgschaft etc.) dient, auf die Grundsätze zur Bewertung eines auf Vertragsabschluss gerichteten Interesses zurückgegriffen werden. Siehe hierzu unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“. Beziffert der Kläger selbst sein Interesse, ist dieses – soweit für eine höhere Bewertung keine Anhalts- 2.4497 punkte bestehen – der Bewertung zugrunde zu legen.4 Fehlt es nach den Umständen des Einzelfalls an hinreichenden Anhaltspunkten, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig ein Streitwert von 10.000 t angesetzt.5 Dem ist schon angesichts der allgemeinkundigen Auswirkungen negativer Eintragungen für die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zuzustimmen. Geht es dem Kläger weniger um die Abwendung wirtschaftlicher Nachteile als um seinen sozialen Geltungsanspruch („Ehre“), dann ist ein Streitwert von bis zu 5.000 t regelmäßig angemessen.6 Die Beschwer des zum Widerruf verurteilten Kreditinstituts bemisst sich nach dem damit verbundenen Kostenaufwand. Das bloß mittelbare Interesse des Kreditinstituts an einer auf Gegenseitigkeit 1 Vgl. zu deren Reichweite: Kloepfer/Kutzschbach, Schufa und Datenschutzrecht, MMR 1998, 650, 652. 2 Vgl. BGH, Urt. v. 7.7.1983 – III ZR 159/82, MDR 1984, 205 = NJW 1984, 436; Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 84 m.w.N. 3 KG, Beschl. v. 2.11.2016 – 26 U 9/16; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls.). 4 Zutr. AG Hamm, Urt. v. 14.10.2008 – 16 C 127/08, RDV 2009, 124. 5 Vgl. OLG München, Beschl. v. 22.6.2010 – 5 U 2020/10, MMR 2011, 209; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls.); ohne nähere Begründung: OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2006 – 10 U 69/06, MDR 2007, 836; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2005 – 15 U 196/04, NJW 2005, 2401; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2020 – 11 SV 38/20: ohne konkrete Darlegung wirtschaftlicher Nachteile weniger als 5.000 t vertretbar; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.9.2001 – 1 U 62/01, DB 2002, 526: 14.000 t. 6 KG, Beschl. v. 25.5.2009 – 2 Ar 16/09, JurBüro 2009, 485.

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2.4498

ZPO

Schmerzensgeld

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2. Teil

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Schuldbefreiung

der beteiligten Unternehmen beruhenden Eintragungsanmeldung bleibt ebenso unberücksichtigt wie der mit dem Widerruf einhergehende „Verlust“, mit der Eintragung wirtschaftlichen Druck auf den Schuldner auszuüben.1 In gleicher Weise ist die Beschwer zu bestimmen, wenn die Schufa Holding AG zur Richtigstellung oder Beseitigung kredithinderlicher Daten verurteilt worden ist.

Schuldbefreiung 2.4499 Siehe das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

Schwarzarbeit 2.4500 Mit einer sog. „Ohne-Rechnung-Abrede“ geschlossene Verträge über Leistungen in Schwarzarbeit i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG sind nach § 134 BGB nichtig.2 Wird die Schwarzarbeit vom Beklagten gegen die Berechtigung der klägerischen Forderung eingewandt, ist das für den Streitwert unerheblich, weil das klägerische Begehren den Streitgegenstand bestimmt. Einzelheiten dazu sind beim Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1065 ff. nachzulesen. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages wegen Schwarzarbeit ist dagegen gem. § 3 ZPO mit dem Interesse des Klägers an der Nichtigkeit des Vertrages zu bewerten. Wie dieses im Einzelfall zu bemessen ist, schlage man beim Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a ff. nach.

Schwarzpreis 2.4501 Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines notariellen Grundstückskaufvertrages wegen Vereinbarung eines Schwarzpreises ist die Differenz zwischen dem angeblich vereinbarten und dem beurkundeten Kaufpreis.3

2.4502 Siehe zu den Problemen solcher Sachverhalte das Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a ff.

Selbständiges Beweisverfahren Literatur: E. Möller, Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens, NJW-Spezial 2009, 636.

A. Allgemeines 2.4503 Gemäß § 485 ZPO kann auf Antrag vor Einleitung oder außerhalb eines bereits anhängigen Rechtsstreits Beweis (u.a.) über den Zustand (z.B. Mangelhaftigkeit) oder den Wert einer Sache erhoben

1 BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – VI ZB 75/14, NJW-RR 2016, 1203; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2020 – 12 U 2228/19, MDR 2020, 751. 2 BGH, Urt. v. 16.3.2017 – VII ZR 197/16, MDR 2017, 564. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247.

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Selbständiges Beweisverfahren

2. Teil

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werden. Betreffen die Feststellungen entscheidungserhebliche streitige Tatsachenbehauptungen im Hauptsacheverfahren, dann sind die Ergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens dort nach den Vorschriften der Beweisaufnahme zu verwerten, § 493 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits (Haupt- 2.4504 sacheverfahren). Sie erhöhen als Nebenforderung i.S.d. § 4 ZPO dessen Streitwert auch dann nicht, wenn sie neben der Hauptforderung gesondert eingeklagt werden.1 Nach der Reform des anwaltlichen Vergütungsrechts durch das RVG bildet das selbständige Beweisverfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit, da es in § 19 RVG – im Gegensatz zu § 37 Nr. 3 BRAGO – nicht mehr aufgeführt ist. Der Anwalt kann daher in diesem Verfahren sämtliche Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses verdienen. Einer Anrechnung im nachfolgenden Streitverfahren unterliegt nur die Verfahrensgebühr (Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG).

2.4505

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Bewertungsansatz Mit seiner Entscheidung vom 16.9.20042 hat sich der BGH in dem bis dahin zwischen den OLG beste- 2.4506 henden Streit, ob für das selbständige Beweisverfahren der volle Wert des Hauptverfahrens3 anzusetzen ist oder nur ein Bruchteil,4 der ganz überwiegenden Meinung (Wert des Hauptsacheverfahrens) angeschlossen. Es komme bei der Wertfestsetzung nicht darauf an, ob das selbständige Beweisverfahren als solches auf die Schaffung eines Titels ausgerichtet sei, sondern darauf, dass es bestimmt und geeignet sei, im Hauptsacheverfahren verwendet zu werden. Die Gleichstellung mit einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht (§ 493 Abs. 1 ZPO) müsse sich auch in der Wertfestsetzung widerspiegeln. Über diese Bewertung besteht heute weitgehend Einigkeit.5 Dem vollen Wertansatz ist zuzustimmen. Das selbständige Beweisverfahren ist auf eine – einverständli- 2.4507 che oder aus Gründen der Beweissicherung – vorgezogene Beweiserhebung über die tatsächlichen Voraussetzungen eines vom Antragsteller behaupteten Anspruchs gerichtet. Damit gelten die gleichen Bewertungsregeln wie bei einer Beweisaufnahme innerhalb eines Streitverfahrens, etwa für den Gegenstandswert einer auf die Teilnahme an einer Beweisaufnahme beschränkten anwaltlichen Tätigkeit (Nrn. 3400 bis 3402 VV RVG). Auch hier bestimmt sich der Wert nach dem Gegenstand der Beweiserhebung.6

1 OLG Hamm, Beschl. v. 9.8.2016 – 32 SA 40716; Koblenz, Beschl. v. 24.10.2011 – 5 W 597/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.2020 – 17 W 15/20, BauR 2021, 596; OLG Jena v. 20.11.2003 – 5 W 288/03, OLGR Jena 2004, 223. 2 BGH, Beschl. v. 16.9.2004 – III ZB 33/04, MDR 2005, 162. 3 So etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2004 – 21 W 17/04, BauR 2005, 142; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2002 – 8 W 76/02, AGS 2003, 407. 4 So etwa; OLG Schleswig, Beschl. v. 4.6.2002 – 16 W 50/02, AGS 2003, 515; OLG Celle, Beschl. v. 5.10.1993 – 4 W 259/93, MDR 1994, 415. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.2014 – 3 W 553/14, BauR 2015, 313; OLG Köln, Beschl. v. 14.3.2013 – 16 W 6/13, JurBüro 2013, 423; OLG München, Beschl. v. 2.1.2020 – 20 W 1569/19; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.4.2015 – 12 W 85/14; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.10.2014 – 3 W 553/14; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.2.2015 – 10 W 3/15, BauR 2016, 146. 6 OLG München, JurBüro 1991, 544; OLG Düsseldorf, JurBüro 1983, 1042.

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Selbständiges Beweisverfahren

ZPO

II. Bemessungsgrundsätze 2.4508 Maßgebend ist das materielle Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung, wie es in den Beweissicherungsanträgen seinen Ausdruck findet.1 Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens bestimmt sich daher nach dem Hauptsachewert bzw. dem Teil des Hauptsachewertes, auf den sich die Beweiserhebung bezieht.2 Bei der Berechnung ist von Folgendem auszugehen: 1. Angaben des Antragstellers

2.4509 Der vom Antragsteller bei Einleitung des Verfahrens geschätzte Wert ist für die endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG weder bindend noch maßgeblich. Vielmehr setzt das Gericht nach Einholung des Sachverständigengutachtens den zutreffenden Wert („richtigen Wert“) – bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers – fest.3 Dabei werden Unter- bzw. Überbewertungen durch den Antragsteller korrigiert.4 Das Gericht kann mit seiner Festsetzung auch über die Wertangaben des Antragstellers hinausgehen.5 Ist der Antragsteller vorsteuerabzugsberechtigt, bleibt die Umsatzsteuer unberücksichtigt.6

2.4510 Die Angaben zur beabsichtigten Rechtsverfolgung bleiben auch dann maßgeblich, wenn dem Antragsteller eine Mehrheit von materiell-rechtlichen Ansprüchen zusteht, sollten sich die behaupteten Mängel bestätigen.7 Fehlt es zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung an einer Festlegung, dann ist der geringwertigste Anspruch mit einem Zuschlag zu versehen.8

2.4511 Die Orientierung an der beabsichtigten Rechtsverfolgung betrifft deren Grund und Höhe. Daher bleiben, wenn das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache auf Schadensersatz und seine Beweisanträge (allein) auf die Feststellung des Mangelbeseitigungsaufwandes gerichtet sind, mögliche (weitere) Mangelfolgekosten bei der Wertfestsetzung außer Betracht.9

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.10.2011 – 10 W 43/10, NZBau 2011, 40; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.4.2010 – 3 W 21/10, BauR 2010, 1113. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.5.2021 – 8 W 1518/21 zur Invaliditätsfeststellung im Rahmen einer Unfallversicherung; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.4.2010 – 3 W 21/10, BauR 2010, 1113 – betr. nicht von der Beweisaufnahme erfasste Mangelfolgeschäden; a.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2011 – 12 W 36/11, MDR 2011, 1198. 3 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 92/02, MDR 2005, 1194; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.12.2020 – 12 W 27/20; OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.3.2010 – 21 W 5/10, NZBau 2010, 705; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.2.2020 – 9 W 55/19, JurBüro 2020, 204; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.4.2019 – 1 W 68/19, NJOZ 2019, 1670; OLG Köln, Beschl. v. 14.3.2013 – 16 W 6/13, JurBüro 2013, 423; OLG München, Beschl. v. 2.1.2020 – 20 W 1569/19, JurBüro 2020, 145; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.8.2008 – 10 W 43/08, MDR 2009, 234; insofern ist auch unschädlich, wenn dem Antragsteller bei Antragstellung eine Angabe der voraussichtlichen Kosten nicht möglich war; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.2.2016 – 2 W 2/16. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 16.5.2002 – 8 W 18/02, BauR 2002, 1594; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.2.2004 – 21 W 17/04, BauR 2005, 142; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.2014 – 3 W 553/14, BauR 2015, 313. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 15.4.2019 – 1 W 68/19; OLG München, Beschl. v. 10.6.2003 – 13 W 1577/03, BauR 2004, 707. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.2.2015 – 10 W 3/15, BauR 2016, 146. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2011 – 4 W 246/11. 8 OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2011 – 12 W 36/11, MDR 2011, 1198. 9 Zutr. daher OLG Koblenz, Beschl. v. 15.4.2019 – 1 W 68/19; OLG Brandenburg, Beschl. 17.10.2018 – 11 W 24/18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.10.2010 – 10 W 43/10; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.1997 – 21 W 17/96.

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2. Teil

Werden erst nach Abschluss der Beweiserhebung (aber noch vor Beendigung des Verfahrens) unter Bezugnahme auf deren Ergebnis weitergehende Ansprüche behauptet, bleiben diese bei der Bewertung unberücksichtigt.1

2.4512

ZPO

Selbständiges Beweisverfahren

2. Mängel nur teilweise bestätigt Soweit sich im selbständigen Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigen, sind für die Wertfestsetzung diejenigen Kosten zu berücksichtigen, die sich ergeben hätten, wenn die Mängel festgestellt worden wären. Die fiktiven Mängelbeseitigungskosten sind nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Insoweit ist – mangels anderer objektiver Anhaltspunkte – auf die Angaben des Antragstellers zurückzugreifen,3 oder den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Antragsgegners.4

2.4513

Entscheidend ist, dass nach Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens der Wert nicht entsprechend dem „erfolgreichen“ Teil der Begutachtung festgesetzt werden darf, sondern zu berücksichtigen ist, inwieweit sich die Behauptungen des Antragstellers bestätigt haben.

2.4514

Beispiel: Will der Antragsteller Mängel an einem Fahrzeug feststellen lassen, welches er für 25.000 t gekauft hat und das aufgrund der Mängel zurückgegeben werden soll, dann ist der Streitwert auch dann auf 25.000 t festzusetzen, wenn der Sachverständige nur Mängel i.H.v. 10.000 t feststellt, denn das Hauptsacheverfahren wird sich auf die Rückgabe richten. Will dagegen der Antragsteller eine Klage auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten vorbereiten und schätzt er – aus Sicht des Laien – den Aufwand zur Beseitigung der vorhandenen Mängel auf 15.000 t, dann ist der Streitwert auf 10.000 t festzusetzen, wenn das Gutachten unter Bejahung aller behaupteten Mängel einen Aufwand von nur 10.000 t für die Beseitigung dieser Mängel feststellt.

2.4515

3. Bestimmte Form der Mängelbeseitigung Hat der Antragsteller in der Antragsschrift ausdrücklich klargestellt, dass er hinsichtlich der behaupteten Mängel, die im selbständigen Beweisverfahren überprüft werden sollen, eine bestimmte Form der Mängelbeseitigung anstrebt, dann sind deren Kosten für den Streitwert entscheidend. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten eine alternative (und preisgünstigere) Form der Mängelbeseitigung vorschlägt.5 Eine solche Fallgestaltung dürfte in der Praxis jedoch nur selten vorliegen, da es einem Antragsteller in der Regel um die Feststellung der Mängel und deren fachgerechte Beseitigung in einer vom Sachverständigen vorgeschlagenen Art und Weise geht.

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.2.2016 – 9 W 3/16, JurBüro 2016, 368. 2 BGH, Beschl. v. 16.9.2004 – III ZB 33/04, MDR 2005, 162 = NJW 2004, 3488; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.6.2018 – 4 W 36/18, BauR 2019, 298; OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2015 – 24 W 64/15; OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2004 – 25 W 1/04, BauR 2005, 142; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG München, Beschl. v. 2.1.2020 – 20 W 1569/19; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.4.2015 – 12 W 85/14; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2011 – 4 W 246/11, MDR 2012, 733; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.2.2015 – 10 W 3/15; OLG Rostock, Beschl. v. 30.4.2009 – 3 W 34/09, OLGR 2009, 799. 3 KG, Beschl. v. 9.1.2003 – 27 W 4/02, BauR 2003, 1765; OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.7.2003 – 21 W 35/03, NJW-RR 2003, 1530; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.2.2000 – 9 W 2/00, NJW-RR 2000, 827; OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2004 – 25 W 1/04, BauR 2005, 142; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2004 – 10 W 803/04, JurBüro 2005, 312; OLG Köln, Beschl. v. 3.9.2012 – 19 W 26/12; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.4.2015 – 12 W 85/14. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 28.6.2018 – 4 W 36/18, BauR 2019, 298. 5 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.8.2008 – 10 W 43/08, MDR 2009, 234.

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2. Teil

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Selbständiges Beweisverfahren

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4. Einzelfälle

2.4517 Sind sämtliche Beteiligte des selbständigen Beweisverfahrens vorsteuerabzugsberechtigt, dann ist für den Gegenstandswert der Nettobetrag der Mängelbeseitigungskosten anzusetzen.1

2.4518 Im selbständigen Beweisverfahren ist Streitverkündung möglich.2 Den Wert einer Beschwerde, mit der die Zustellung einer Streitverkündungsschrift durchgesetzt werden sollte, hat das OLG München3 mit 3/4 des Wertes des Beweisverfahrens – und damit doch recht hoch – angesetzt. Zum Streitwert der Nebenintervention s. unter dem Stichwort „Nebenintervention“, Rz. 2.3664 ff.

2.4519 Dient ein gegen den Insolvenzverwalter geführtes selbständiges Beweisverfahren dazu, die Mängelbeseitigungskosten für die vor Insolvenz von der Gemeinschuldnerin verursachten Mängel festzustellen, bemisst sich der Gegenstandswert nach der voraussichtlichen Quote.4

2.4520 Beseitigt der Beklagte (Werkunternehmer) nach Abschluss des Beweisverfahrens, aber noch vor Klageeinreichung die im Beweisverfahren festgestellten Mängel, kann der Kläger auf Feststellung klagen, dass der Beklagte wegen Mängeln des Werks zur Nacherfüllung verpflichtet war. Der Streitwert bestimmt sich hier nach dem Interesse eigene Rechtsverfolgungskosten erstattet zu bekommen und mit den Kosten des Gegners nicht belastet zu werden.5

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4521 Die Ablehnung von Beweisanträgen im selbständigen Beweisverfahren unterliegt gem. § 490 Abs. 2 ZPO der sofortigen Beschwerde.6 Der allein für die anwaltlichen Gebühren maßgebliche Beschwerdewert bemisst sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Beweisführung und damit Wert des vorzubereitenden Hauptsacheanspruchs. Für die Gerichtsgebühren gilt eine Festgebühr, Nr. 1812 KV GKG. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache. Ist die dortige Rechtsverfolgung mit dem im Beweisverfahren verfolgten Anspruch zumindest teilweise identisch, hat das Gericht darüber von Amts wegen zu entscheiden, § 308 Abs. 2 ZPO. Eine diesbezüglich ablehnende Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO analog.7 Der Beschwerdewert entspricht der Summe der dem Beschwerdeführer im Beweisverfahren entstandenen Kosten.8

2.4522 Kommt es bereits im selbständigen Beweisverfahren zu einer (isolierten) Kostenentscheidung, sei es gem. § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO wegen fehlender Klageerhebung in der Hauptsache, oder entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO wegen Rücknahme des Beweisantrages9 oder ausbleibender Beweiserhebung mangels Vorschusszahlung,10 ist diese mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Beschwerdewert ist die Summe der dem Antragsteller auferlegten Kosten. Die Verteilung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in der Kostengrundentscheidung des Hauptsacheverfahren ist nicht isoliert anfechtbar.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.6.1996 – 22 W 21/96, NJW-RR 1996, 1469. Zöller/Herget, § 487 ZPO Rz. 3 m.w.N. OLG München, OLGR München 1994, 155. OLG München, Beschl. v. 21.6.2004 – 28 W 1600/04, BauR 2004, 1819. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.5.2014 – 12 O 2881/14 – insoweit mit fehlerhaftem Ansatz von 1/3. OLG München, Beschl. v. 12.12.2019 – 20 W 1503/19 betr. Fortsetzung der Beweisaufnahme; Zöller/ Herget, § 490 ZPO Rz. 4. OLG Köln, Beschl. v. 16.4.2015 – 4 W 6/15. OLG Köln, Beschl. v. 16.4.2015 – 4 W 6/15. BGH, Beschl. v. 28.4.2015 – VI ZB 36/14, MDR 2015, 974. Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 1.12.2016 – VII ZB 29/16, MDR 2017, 285. BGH, Beschl. v. 27.5.2020 – VII ZB 33/18, MDR 2020, 1272.

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Sicherheitsleistung im Prozess

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2. Teil

Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens ist auch dann nach den vorstehenden Ausführungen zu bestimmen, wenn es nicht mehr zum Hauptverfahren kommt, etwa weil im selbständigen Beweisverfahren gem. § 492 Abs. 3 ZPO ein Vergleich abgeschlossen wird.1

2.4523

Sequesterbestellung Der Streitwert der Klage auf Bestellung eines Sequesters – Zwangsverwalter zur Sicherung der Befriedigung aus den Einnahmen eines Grundstücks – richtet sich nach dem Wert der zu sichernden Forderung des Klägers.2

2.4524

Die Sequestrierung im Eilverfahren führt nur zu einer vorläufigen Regelung. Der Streitwert ist daher nur mit einem Bruchteil der Hauptsache anzusetzen, wobei in der Regel 1/3 des Hauptsachewerts genommen wird.3

2.4525

Sicherheitsleistung im Prozess Im Hinblick auf die vor bzw. nach einem Prozess zu erbringende Sicherheitsleistung können verschiedene Verfahrenssituationen unterschieden werden, die im Hinblick auf den betreffenden Streitwert zu beurteilen sind.

2.4526

A. Urteilsergänzung nach § 716 ZPO Im Regelfall wird zusammen mit der Hauptsache über die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit der betreffenden Entscheidung und über die Höhe der Sicherheitsleistung entschieden. Ist dies unterblieben, kann die Ergänzung des Urteils im Verfahren nach § 321 ZPO beantragt werden (vgl. §§ 716, 321 ZPO). Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei und gehört für den Prozessbevollmächtigten gebührenrechtlich noch zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 RVG), so dass es einer Wertfestsetzung nicht bedarf.

2.4527

Wird der Anwalt im Rahmen einer Einzeltätigkeit (Nr. 3401 VV RVG) tätig, ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen ist auf die Gefahr des Forderungsausfalls, die dann droht, wenn ohne Sicherheitsleistung oder ohne Abwendungsbefugnis (§§ 711, 712 ZPO) vollstreckt werden kann. In der Regel wird der Wert nur einen Bruchteil der Hauptsache ausmachen.4 Der volle Hauptsachewert kann allerdings erreicht werden, wenn ohne Sicherheitsleistung wegen der Zahlungsunfähigkeit des Gegners die Gefahr besteht, dass der Gläubiger völlig leer ausgeht.5

2.4528

1 MünchKomm.ZPO/Lappe, § 3 ZPO Rz. 147; Cuypers, NJW 1994, 1985, 1990. 2 KG, Rpfleger 1962, 155. 3 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.1.2020 – 9 W 51719, MDR 2020, 629; ferner das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1107 ff. 4 OLG Celle, NJW 1966, 2414. 5 KG, JurBüro 1973, 1083.

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D. Vergleich

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2. Teil

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Sicherheitsleistung im Prozess

2.4529 Hinsichtlich der Bewertungsgrundsätze für die Vorabentscheidung in der Berufungsinstanz nach

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§ 718 Abs. 1 ZPO vgl. die Ausführungen zu dem Stichwort „Vorläufige Vollstreckbarkeit“, Rz. 2.5724 ff.

B. Beschwerde gegen die Art der Sicherheitsleistung 2.4530 Bei Beschwerden gegen die Art der Sicherheitsleistung1 ist das nach § 3 ZPO zu schätzende wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers maßgebend. Es besteht in der Zinsdifferenz zwischen Geldhinterlegung und anderer Sicherheitsform.2 Praktisch geht es fast immer um die wesentlich günstigeren Zinskonditionen (Avalkosten) bei Stellung einer Bankbürgschaft. Hier werden zumeist 5 % der Sicherheitsleistung als Wert festgesetzt.3

C. Anordnung nach § 769 ZPO 2.4531 Die Beschlüsse nach § 769 ZPO über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, mit denen auch eine Sicherheitsleistung angeordnet bzw. eine entsprechende Anordnung abgelehnt werden kann, sind analog § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht anfechtbar. Seit Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes am 1.1.2002 ist auch keine Ausnahmebeschwerde mehr statthaft,4 so dass sich die Streitwertfrage für das Beschwerdeverfahren5 erübrigt.

D. Zwischenurteil 2.4532 Der Streitwert eines Zwischenurteils auf Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten oder eines Rechtsmittels gegen ein solches Zwischenurteil richtet sich nach dem Streitwert der Klage.6 Gleiches gilt für die Revision gegen ein Urteil, das die von einem Ausländer erhobene Klage wegen Nichtleistung der Prozesskostensicherheit für zurückgenommen erklärt. Entscheidend ist nicht die Höhe der auferlegten Sicherheitsleistung, sondern der Streitwert der Hauptsache selbst.7

2.4533 Die Beschwer durch eine im Urteil angeordnete Sicherheitsleistung ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Wird gegen ein Zwischenurteil, das die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten eines klagenden Ausländers innerhalb einer bestimmten Frist anordnet, Berufung eingelegt, dann bemisst sich die Beschwer nach der Höhe der angeordneten Sicherheitsleistung.8 Die Beschwer des Klägers, der sich dagegen wendet, dass der Beklagte nur Zug-um-Zug gegen Leistung einer Sicherheit verurteilt worden ist, bestimmt sich nach den für die Sicherheitsleistung zu erwartenden Finanzierungskosten9 und kann mit 1/5 der zu erbringenden Sicherheitsleistung angesetzt werden.

1 Soweit eine solche überhaupt möglich ist, s. dazu Zöller/Herget, § 108 ZPO Rz. 16. 2 LG Berlin, Beschl. v. 10.10.1989 – 82 AR 332/89, MDR 1990, 349. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 6.10.1989 – 4 W 75/89, MDR 1990, 252; OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029. 4 BGH, NJW 2004, 2224; BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577. 5 Vgl. zur alten Rechtslage noch: OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029. 6 BGH, Beschl. v. 21.6.1990 – IX ZR 227/89, VersR 1991, 122; JurBüro 1962, 213; OLG Hamburg, MDR 1974, 53. 7 BGH, Beschl. v. 21.6.1990 – IX ZR 227/89, VersR 1991, 122. 8 OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.1986 – 10 U 8/86, MDR 1986, 593. 9 BGH, Beschl. v. 16.12.1998 – XII ZB 105/97, MDR 1999, 295.

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Siedlungsverhältnis

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2. Teil

Bei sicherungsübereigneten Sachen ist wegen der Pfandrechtsähnlichkeit des Sicherungseigentums (§ 51 Nr. 1, § 166 Abs. 1 InsO) eine streitwertmäßige Gleichstellung mit Pfandrechten analog § 6 Satz 2 ZPO geboten.1 Verlangt daher der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums, weil die zu sichernde Forderung erfüllt ist, richtet sich der Wert dieses Anspruchs nach dem Wert der streitigen Forderung, wenn dieser geringer ist als der Wert der Sache.

2.4534

Siedlungsverhältnis Nutzungsverträge von Siedlungsträgern i.S.v. § 1 RSiedlG mit Siedlern sind regelmäßig Landpachtverträge nach § 585 BGB. Zuständigkeitsstreitwerte braucht man nicht zu ermitteln, weil für Rechtsstreitigkeiten aus Landpachtverträgen nach § 2 Abs. 1, § 1 Nr. 1a LwVG stets das AG als Landwirtschaftsgericht sachlich zuständig ist. Da es gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG nach der ZPO entscheidet, bestimmen sich die Gerichtkosten wegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG nach dem GKG.2 Klagt der Siedlungsträger nach Kündigung des Nutzungsverhältnisses gegen den Siedler auf Räumung des Siedlungsgrundstücks, bemisst sich der Gebührenstreitwert gem. § 41 Abs. 2 GKG nach dem einjährigen Nettonutzungsentgelt.3 Das Nutzungsverhältnis ist auch dann ein Pachtvertrag oder zumindest pachtähnlicher Vertrag, wenn zugunsten des Siedlers ein Recht vereinbart ist, unter Bedingungen eine Eigentumsübertragung verlangen zu können.4 Der Rechtsmittelstreitwert ergibt sich aus § 8 ZPO, bei fehlender zeitlicher Befristung des Nutzungsverhältnisses aus § 9 ZPO. § 8 ZPO gilt auch bei pachtähnlichen Verträgen, wenn das vereinbarte Entgelt das Nutzungsinteresse adäquat bewertet5 und bei gemischten Verträgen, wenn das Pachtverhältnis deren Inhalt wesentlich bestimmt.6

2.4535

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage des Siedlers auf Einräumung des Eigentums ist gem. § 6 ZPO mit dem Verkehrswert des Anwesens zu beziffern,7 der Streitwert über ein Wiederkaufsrecht des Siedlungsträgers nach dem Interesse des Berechtigten.8

2.4536

Ausführungen zu den Gegenstandwerten in landwirtschaftsgerichtlichen Einwendungsverfahren gegen die Ausübung siedlungsrechtlicher Vorkaufsrechte findet man beim Stichwort „Landwirtschaftssachen“ im fG-Teil des Kommentars, Rz. 4.198.

2.4537

1 BGH, Beschl. v. 12.2.1959 – VII ZR 215/58, NJW 1959, 939; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2020 – 11 W 5/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.11.1993 – 11 W 50/93. 2 von Selle/Huth, LwVG, § 48 Rz. 11. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.1962 – 4 W 84/62, JurBüro 1962, 627. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.1962 – 4 W 84/62, JurBüro 1962, 627. 5 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204. 6 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064. 7 OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.1962 – 4 W 84/62, JurBüro 1962, 627. 8 BGH, Urt. v. 23.6.1972 – V ZR 95/70, MDR 1973, 40; BGH, Urt. v. 17.12.1972 – V ZR 137/69, BGHZ 57, 356.

Seggewiße

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Sicherungsübereignung

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2. Teil

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SMS, unerwünschte

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SMS, unerwünschte 2.4538 Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter Kurznachrichten auf dem Mobiltelefon (SMS) beschäftigen, hängt vom Inhalt der übermittelten Nachricht ab.

A. Werbung 2.4539 Soweit es sich beim Inhalt der SMS um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilung handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen.1 Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“ verwiesen werden.

B. Private Mitteilungen 2.4540 Soweit der Empfänger der SMS dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf 2 – um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.3

2.4541 Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1 Mio. t angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.4542 Man wird in Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG von einem Regelstreitwert von 5.000 t für das Hauptsacheverfahren und 1.000 t bis 2.000 t für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgehen können.4 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht.

2.4543 Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 sowie auf das Stichwort „Belästigung“, Rz. 2.668 verwiesen werden.

Sparkassenbuch 2.4544 Wird auf Herausgabe eines Sparkassenbuchs geklagt, bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG und nicht nach § 6 ZPO. Da es sich bei dem Sparkassenbuch um ein qualifiziertes Legitimationspapier (§ 808 BGB) handelt, folgt das Recht am Papier 1 KG, Beschl. v. 27.7.2006 – 9 W 50/06, JurBüro 2006, 654: 2000 t. 2 Vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 79/83, MDR 1985, 397 = VersR 1985, 185. 3 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 4 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, NJW-RR 2002, 1723; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.36.

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Spesen

2. Teil

ZPO

dem Recht aus dem Papier. Die Inhaberschaft des Buches erleichtert nur die Geltendmachung der darin aufgeführten Forderung. Wertbestimmend ist daher nicht der Wert des Papiers oder der darin verbrieften Spareinlage, sondern das Interesse des Klägers an dessen Herausgabe. In der Regel wird daher ein Bruchteil der darin bescheinigten Forderung anzusetzen sein.1 Auf den vollen Betrag der Einlageforderung ist jedoch abzustellen, wenn die Gefahr besteht, dass der Beklagte das Sparguthaben abhebt,2 der Kläger mit der Herausgabeklage zugleich eine Klärung des Streits über das Recht an der Spareinlage herbeiführen will oder durch das gleichzeitige Verlangen nach Herausgabe der zum Sparkonto gehörenden Sicherungskarte die Verfügungsgewalt beansprucht.3

2.4545

Ist die Klage auf Feststellung gerichtet, der Kläger sei Berechtigter hinsichtlich des Guthabens, dann bemisst sich der Streitwert nach dem vollen Einlagebetrag abzüglich des für positive Feststellungsklagen üblichen prozentualen Abschlages.

2.4546

Verbindet der Kläger jedoch den Feststellungsanspruch mit dem Antrag auf Herausgabe des Sparkassenbuches, liegen zwei selbständig zu bewertende Streitgegenstände vor. Höherwertig ist der umfassende Feststellungsanspruch, da der Herausgabeantrag nur das Ziel hat, die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Bank zu erleichtern.4 In einem solchen Fall ist der Streitwert ebenfalls gleich dem vollen Guthaben anzusetzen, wegen der Feststellung also kein Abschlag zu machen, da Herausgabe und Feststellung zusammen die endgültige Durchsetzung des Rechts des Klägers gewährleisten (s. auch das Stichwort „Herausgabe“, Rz. 2.2205 ff.).

2.4547

Klagt der Kläger auf Verpfändung und Herausgabe eines Sparkassenbuches, etwa, weil zwischen den Parteien die Hingabe eines Kautionssparbuchs vereinbart worden ist, bemisst sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert der gesicherten Forderung oder nach dem geringeren Wert des Gegenstands des Pfandrechts, mithin nach dem Einlagebetrag einschließlich darin bereits enthaltener Zinsen, d.h. dem jeweiligen Kontostand. Dies gilt auch, wenn der Kläger die Freistellung von der Verpfändung eines Sparbuches verlangt.5

2.4548

Wird schließlich (noch) nach altem Recht gem. §§ 946 ff., §§ 1003 ff. ZPO bzw. seit dem 1.9.2009 nach neuem Recht gem. §§ 466 bis 484 FamFG das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung des Sparkassenbuches betrieben, berechnet sich der Verfahrenswert angesichts der bloßen Legitimationsfunktion des Papiers in der Regel nach 10–20 % des Guthabenbetrages.6

2.4549

Spesen Der Begriff „Spesen“ bedeutet soviel wie Ausgaben oder Aufwand, insbesondere die Auslagen oder Kosten, die anlässlich der Durchführung eines Geschäfts erwachsen, beispielsweise Reisekosten oder Übernachtungskosten, Taxifahrten und dergleichen. Solche Auslagen oder Kosten können zusätzlich 1 OLG Bremen, Beschl. v. 31.10.1984 – 2 W 125/84, Rpfleger 1985, 77; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373; LG Würzburg, JurBüro 1990, 108; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Sparkassenbuch“ Rz. 1; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1993 – 11 W 29/93, OLGR 1993, 266; OLG München, JurBüro 1974, 1169 – Betrag der eingetragenen Forderung. 2 KG, JurBüro 1970, 202; OLG München, JurBüro 1974, 1169. 3 KG, JurBüro 1970, 202. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373. 5 BGH, Urt. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196 m. zust. Anm. Röttger, EWiR 1995, 307. 6 BGH, Beschl. v. 3.3.2004 – IV ZB 38/03, MDR 2004, 640; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969; LG Berlin, Beschl. v. 27.5.1988 – 82 T 176/88, Rpfleger 1988, 548 – Grundschuldbrief; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Sparkassenbuch“ Rz. 2.

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2. Teil

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Sprungrevision

erwachsen oder bereits mit der Gegenleistung, vornehmlich dem Arbeitsentgelt, abgegolten sein. So liegt es vielfach beim Handelsvertreter oder Handlungsgehilfen, bei dem Teile der Vergütung als „Spesen“ ausgewiesen werden.

2.4551 Im Streitwertrecht sind geltend gemachte Spesen werterhöhend zu berücksichtigen, es sei denn, dass es sich dabei in Wirklichkeit um Kosten oder anderweitige Nebenforderungen i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO handelt. Dazu rechnen außer den Prozesskosten auch alle außergerichtlichen Kosten, die zur Durchsetzung des Anspruchs aufgewandt worden sind.1

2.4552 In diesem Fall bleiben die Spesen (= Kosten) bei der Streitwertberechnung außer Betracht, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO). Das muss im Einzelfall anhand des jeweils einschlägigen Sachverhalts geklärt werden.

2.4553 Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen einem Gläubiger und einem Bürgen geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hat.2

2.4554 Werden neben Geldbezügen auch Spesen zusätzlich erstattet, handelt es sich dagegen um Leistungen mit Entgeltcharakter; sie erhöhen damit den Streitwert, auch wenn sie zusammen mit den Geldbezügen geltend gemacht werden.

Sprungrevision A. Allgemeines 2.4555 Von Bedeutung ist hier nur der Gebührenstreitwert. Auf einen Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert kommt es nicht an.

2.4556 Wird die zugelassene Sprungrevision durchgeführt, so berechnen sich die Werte wie in einem gewöhnlichen Revisionsverfahren. Siehe das Stichwort „Rechtmittel“, Rz. 2.4197 ff.

B. Zustimmungserklärung des Gegners 2.4557 Das Einholen und die Erklärung der Zustimmung des Gegners zur Sprungrevision (§ 566 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) lösen keine Gerichtsgebühren aus. Diese Tätigkeiten können allerdings Anwaltsgebühren auslösen. Für den in der Vorinstanz tätigen Anwalt zählen das Einholen und Abgeben der Zustimmungserklärung noch zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG). Soweit jedoch ein anderer Anwalt damit beauftragt wird, liegt eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG vor, die eine gesonderte Gebühr auslöst. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit dürfte in diesem Fall nach § 23 Abs. 1 Satz 3, 2 RVG i.V.m. den Wertvorschriften zu bemessen sein, die für das beabsichtigte Revisionsverfahren gelten.

C. Zulassungsverfahren nach § 566 Abs. 2 ZPO 2.4558 Das Zulassungsverfahren nach § 566 Abs. 2 ZPO löst eine wertabhängige Gerichtsgebühr aus, soweit der Antrag abgelehnt wird (Nr. 1240 KV GKG) oder soweit der Antrag zurückgenommen wird 1 Siehe dazu Stein/Jonas/Roth, § 4 ZPO Rz. 23 mit Beispielen; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 12. 2 BGH, WPM 1956, 889.

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Sprungrevision, Zulassung der

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2. Teil

Wird die Revision zugelassen, fallen für das Zulassungsverfahren keine gesonderten Gebühren an, sondern nur für das Revisionsverfahren. Daher ist in diesem Fall im Zulassungsverfahren eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nicht vorzunehmen. Hier kommt lediglich eine Festsetzung für die Anwaltsgebühren im Verfahren nach § 33 RVG in Betracht, wenn der Anwalt nicht oder nicht in vollem Umfang auch im Revisionsverfahren tätig wird und daher dessen Wert nicht auch für ihn nach § 32 Abs. 1 RVG gelten würde.

2.4559

Soweit nach dem Vorstehenden eine Wertfestsetzung vorzunehmen ist, richtet sich diese nach § 47 Abs. 3 GKG. Maßgebend ist der Wert, den die zuzulassende Revision haben würde.

2.4560

Sprungrevision, Zulassung der A. Gerichtsgebühren I. Erforderlichkeit einer Festsetzung Im Verfahren auf Zulassung der Sprungrevision (§ 566 ZPO) werden nach den Nrn. 1240, 1241 KV GKG wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben, wenn der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision

2.4561

– zurückgewiesen wird (Nr. 1240 KV GKG), – zurückgenommen wird (Nr. 1241 KV GKG) oder – sich anderweitig erledigt (Nr. 1241 KV GKG). Das Gericht muss daher in diesen Fällen nach § 63 Abs. 2 GKG einen Streitwert festsetzen. Gibt das Gericht dem Zulassungsantrag statt, fallen für das Zulassungsverfahren keine Gerichtsgebühren an. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde gilt dann als Einlegung der Revision (§ 566 Abs. 7 ZPO), so dass damit die Gebühren des Revisionsverfahrens entstehen (Nrn. 1230 ff. KV GKG). Eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 63 GKG für das Zulassungsverfahren hat dann zu unterbleiben.

2.4562

Weist das Gericht den Zulassungsantrag nur teilweise zurück, wird der Antrag nur teilweise zurückgenommen oder erledigt sich der Zulassungsantrag nur teilweise und wird dem Zulassungsantrag im Übrigen stattgegeben, dann ist nur der Teilwert der Zurückweisung, Rücknahme oder Erledigung nach § 63 Abs. 2 GKG mit Abschluss des Zulassungsverfahrens festzusetzen, damit daraus die Gerichtsgebühr nach den Nrn. 1240, 1241 KV GKG erhoben werden kann.

2.4563

II. Bewertung Das Verfahren auf Zulassung der Sprungrevision ist kein Rechtsmittelverfahren. Die Zulassung soll erst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels schaffen. Daher greifen die Vorschriften des § 47 Abs. 1 und 2 GKG hier nicht unmittelbar. Es ist folglich eine gesonderte Regelung erforderlich, die in § 47 Abs. 3 GKG enthalten ist. Es wird insoweit auf die entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 1 und 2 GKG verwiesen.

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2.4564

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oder sich anderweitig erledigt (Nr. 1241 KV GKG). In diesen Fällen ist eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG erforderlich.

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2. Teil

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Stadionverbot

2.4565 Maßgebend ist also der Wert der Revision, deren Zulassung beantragt wird.1 Insoweit kann auf die

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Ausführungen zur Revision im Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff. verwiesen werden.

B. Anwaltsgebühren 2.4566 Die Vorschrift des § 47 Abs. 3 GKG gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Der Anwalt ist an die Wertfestsetzung des Gerichts nach § 32 Abs. 1 RVG gebunden.

2.4567 Wird der Anwalt nur im Zulassungsverfahren tätig, nicht aber auch im nachfolgenden Revisionsverfahren, so gilt für ihn gem. § 32 Abs. 1 RVG der Wert des Revisionsverfahrens, soweit die Gegenstände des Zulassungsverfahrens und des Revisionsverfahrens identisch sind. Weichen die Gegenstände voneinander ab, etwa infolge einer Anschlussrevision, einer Erweiterung oder einer Teilerledigung oder Teilrücknahme des Zulassungsantrags, muss für seine Gebühren auf Antrag eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG erfolgen.

Stadionverbot 2.4568 Ein Sportverein kann einem Zuschauer in Ausübung seines Hausrechts (§ 903 BGB) ein Stadionverbot erteilten. Für einen Ausschluss im Einzelfall wie auch auf unbestimmte Dauer muss ein sachlicher Grund bestehen, da Veranstalter von kommerziellen Sportveranstaltungen gegen Bezahlung grundsätzlich jedermann Zutritt zur Sportstätte gewähren müssen.2

2.4569 Klagt der Verein auf Unterlassung des Zutritts, dann bestimmt sich deren Wert nach dem Interesse an der Unterlassung.

2.4570 Der betroffene Zuschauer kann das Verbot in verschiedener Weise zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung machen. Die Klage auf Zutritt zu einer bestimmten Sportveranstaltung ist auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtet und bemisst sich folglich nach dem Wert der Vertragsleistung. In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn dem Kläger an der Zuteilung einer sog. Jahreskarte gelegen ist.

2.4571 Wird dagegen die Wirksamkeit des Verbots als solche angegriffen, soll nach Ansicht des AG Offenbach für den Gebührenstreitwert entsprechend § 9 ZPO der dreieinhalbfache Betrag einer Jahreskarte maßgeblich sein.3 Die gegen ein vom Dachverband des deutschen Fußballsport für sämtliche Stadien und Hallen ausgesprochenes Stadionverbot (bundesweites Stadionverbot) gerichtete Klage ist mit 5.000 t zu gering bewertet.4

1 BGH, Beschl. v. 25.11.2008 – VI ZR 245/07, MDR 2009, 198; BGH, Urt. v. 6.10.2011 – RiZ(R) 9/10, MDR 2012, 435. 2 BVerfG, Urt. v. 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09; BGH, Urt. v. 30.10.2009 – V ZR 253/08, NJW 2010, 534. 3 AG Offenbach, Beschl. v. 15.4.2013 – 380 C 502/12; vgl. auch LG Mannheim, Beschl. v. 14.4.2015 – 1 S 163/14: ohne Erläuterung 1.000 t. 4 So aber AG Frankfurt, Urt. v. 20.9.2018 – 20 C 3466/17; AG Duisburg, Urt. v. 13.3.2008 – 73 C 1565/07.

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Sterilisation

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2. Teil

Unter Stalking (deutsch: Nachstellung) versteht man das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann (vgl. § 1 Abs. 2 GewSchG und § 238 StGB).

2.4572

Hinsichtlich der Bewertung von Ansprüchen, die aus einem Stalking resultieren, kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Belästigung“, Rz. 2.668 verwiesen werden.

2.4573

Standgeld Der Streitwert des Anspruchs eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, ein Kfz-Besitzer habe für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld zu entrichten, ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bemessen.1

2.4574

Fällige Beträge sind mit dem Nennbetrag anzusetzen. Bei Klagen auf Leistung für zukünftige Zeiträu- 2.4575 me ist die nach dem Klägervorbringen zu schätzende Zeit weiterer unbefugter Nutzung zugrunde zu legen und nach § 3 ZPO zu bewerten. Werden bereits fällige Beträge und solche für zukünftige Zeiträume geltend gemacht, sind ihre Werte nach § 42 Abs. 3 GKG zu summieren. Zur Schadensposition des Standgeldes im Rahmen einer Verkehrsunfallschadenregulierung s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175 ff.

2.4576

Sterilisation Der Anspruch der Eltern auf Ersatz ihrer Unterhaltsaufwendungen, die auf eine fehlgeschlagene Sterilisation zurückzuführen sind, ist nach § 9 ZPO zu bewerten.2 In einer späteren Entscheidung3 hat der BGH dagegen auf § 3 ZPO abgestellt, im Rahmen der Ermessensausübung aber wiederum § 9 ZPO herangezogen. Heranzuziehen sind die künftigen wiederkehrenden Forderungen, höchstens aber der 3 1/2fache Jahresbetrag. Bei Klageeinreichung fällige Beträge sind nach § 42 Abs. 3 GKG hinzuzurechnen. Der Gebührenstreitwert ist nicht analog § 51 FamGKG mit dem Jahreswert zu bemessen.4 Die Vorschrift soll dem Unterhaltsberechtigten kostengünstig ermöglichen, seinen Anspruch geltendzumachen, nicht dagegen dem Unterhaltsverpflichteten eine kostengünstige Freistellung von seiner Unterhaltspflicht.

2.4577

Zur Genehmigung der Sterilisation des Betreuten s. das Stichwort „Sterilisation, Genehmigung“ im fG-Teil Rz. 4.273.

2.4578

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.4.1965 – 2 W 16/65, JurBüro 1965, 920. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.1981 – VI ZR 202/79, MDR 1981, 746. Ein Streitwertkommentar ist kein Ort, um die moralische Verfehlung näher zu erörtern, wenn ein Kind als Schaden angesehen wird, was die Behauptung kaum zu bemänteln vermag, nicht das Kind, sondern der für das Kind erforderliche Unterhalt sei der Schaden, vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, MDR 1993, 789. 3 BGH, Beschl. v. 30.9.1993 – IX ZR 247/92, WM 1994, 182. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.1974 – IV ZR 113/74, NJW 1974, 2128.

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Stalking

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2. Teil

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Streitgenossen

ZPO

Streitgenossen A. Einleitung 2.4579 Von einer Streitgenossenschaft ist auszugehen, wenn die Prozesse mehrerer Kläger gegen einen oder gegen mehrere Beklagte äußerlich miteinander verbunden sind, sog. subjektive Klagehäufung. Sie entsteht u.a. im Falle der Klage von oder gegen mehrere Parteien, der (auch) gegen einen Dritten gerichteten Widerklage, der subjektiven Klageerweiterung und durch Verbindung bislang selbständiger Prozesse.1 Die prozessualen Auswirkungen der Streitgenossenschaft regeln die §§ 61 bis 63 ZPO. Ihre streitwertrechtliche Behandlung folgt den allgemeinen Regeln unter der Maßgabe, dass die Selbständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse zu beachten ist.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.4580 Werden in einer Klage mehrere prozessuale Ansprüche geltend gemacht, sind deren Einzelwerte gem. § 5 Halbs. 1 ZPO zu addieren. Daher bedürfen die der subjektiven Klagehäufung zugrunde liegenden einzelnen prozessualen Ansprüche einer eigenständigen Bewertung. Ob die Einzelwerte im Anschluss für den Zuständigkeitsstreitwert zusammenzurechnen sind, hängt davon ab, ob es sich um rechtlich und wirtschaftlich selbständige Ansprüche handelt, und zwar unabhängig von der Art des Verfahrens.2 Unerheblich ist insoweit auch, ob im Streitgenossenprozess vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Ansprüche verfolgt werden.

2.4581 Ausgehend vom streitwertrechtlichen Grundsatz, wonach – wirtschaftlich betrachtet – ein und derselbe Gegenstand nicht mehrfach bewertet werden darf, hat eine Zusammenrechnung von prozessualen Ansprüchen mit wirtschaftlich identischen Gegenständen bei der Ermittlung des Zuständigkeits-, und Gebührenstreitwerts sowie der Beschwer zu unterbleiben, arg. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.3 Maßgebend ist in diesem Fall allein der höhere Wert.4 Hierbei entspricht der Gegenstandsbegriff nicht dem (zweigliedrigen) Streitgegenstand des Prozessrechts.5

2.4582 Entscheidend für die Streitwertberechnung ist vielmehr das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Interesse. Ist dieses bei verschiedenen prozessualen Ansprüchen – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet und stellt sich damit als wirtschaftliche Einheit dar, scheidet bei der subjektiven Klagehäufung eine Zusammenrechnung aus.6

2.4583 So liegt es beispielsweise, wenn die Klage von Gesamtgläubigern (§ 428 BGB) oder gegen Gesamtschuldner (§ 421 BGB) erhoben wird. Es handelt sich – wirtschaftlich betrachtet – nur um einen einzigen Anspruch, der mehreren zugleich zusteht oder von mehreren zugleich zu erfüllen ist.7

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 21.4.2008 – II ZB 6/07, MDR 2008, 938 = ZIP 2008, 1197. Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 3. § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648; BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33. 5 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rz. 7. 6 OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.12.1986 – 3 W 139+140/86, JurBüro 1987, 596; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800. 7 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570; RGZ 116, 309; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.10.1984 – 14 W 619/84, JurBüro 1985, 590 – negative Feststellungsklage gegen zwei Streitgenossen; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298.

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Streitgenossen

2. Teil

2.4584

Zu den möglichen Fallgestaltungen und Bewertungsproblemen bei der subjektiven Klagehäufung s. unter den Stichwörtern „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 und „Gesamtschuldner“, Rz. 2.1736.

2.4585

ZPO

Stehen demgegenüber auf der Klägerseite Streitgenossen mit je selbständigen Anträgen gegen einen Beklagten oder stehen auf der Beklagtenseite Streitgenossen, die von einem Kläger wegen je selbständiger Ansprüche verklagt werden, dann sind die Einzelstreitwerte für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 5 Halbs. 1 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.1 Eine etwaig unterschiedliche Beteiligung ist bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (§ 92 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO).

C. Gebührenstreitwert Gemäß § 39 Abs. 1 GKG werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet, soweit sich im GKG keine abweichende Sonderregelung findet. Der Gebührenstreitwert folgt daher dem Zuständigkeitsstreitwert, so dass auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann.

2.4586

Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer subjektiven Klagehäufung mit rechtlich und wirtschaftlich nicht identischen Gegenständen eine nach Prozessrechtsverhältnissen differenzierende Streitwertfestsetzung erfolgen muss. Nur so kann berücksichtigt werden, dass die Parteien auf Kläger- und Beklagtenseite in unterschiedlichem Umfang an den angefallenen Kosten des Rechtsstreits beteiligt sind. Neben den Einzelwerten ist daher der für die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der an allen Prozessrechtsverhältnissen beteiligten Partei maßgebliche Gesamtstreitwert festzusetzen. Gleiches gilt, wenn die Streitgenossen trotz wirtschaftlicher Identität in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen werden.2

2.4587

Siehe im Einzelnen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

2.4588

D. Rechtsmittel und Beschwer Die aus der gerichtlichen Entscheidung erwachsene Beschwer ist gem. § 5 Halbs. 1 ZPO für jede Partei 2.4589 nach dem Umfang ihres Unterliegens bezogen auf die einzelnen prozessualen Ansprüche zu bestimmen und ggf. zusammenzurechnen. Erfolgt die Rechtsmitteleinlegung nur durch einen Streitgenossen, dann ist – nach zutreffender Ansicht – allein seine Beschwer maßgebend und diese daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen.3

2.4590

Legen mehrere Streitgenossen gegen das für sie nachteilige Urteil Rechtsmittel ein, so sind für den Wert des Beschwerdegegenstandes die auf die einzelnen Streitgenossen entfallenden Beschwerdewerte gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen, soweit nicht ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt.4 Beschränkt sich hingegen die Beschwer eines Streitgenossen auf die Verurteilung zur Zahlung eines anteil-

2.4591

1 BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53 m. Anm. E. Schneider; AnwBl. 1976, 339; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 3. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rz. 5. 3 RG, JW 1933, 2216; OLG Schleswig, SchlHA 78, 198; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rz. 3; Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rz. 25; a.A. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648. 4 BGH, Beschl. v. 23.7.2015 – XI ZR 263/14, MDR 2015, 1149; BGH, Beschl. v. 19.3.2013 – VIII ZB 45/12, MDR 2013, 671 = NJW 2013, 2361; BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648; BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33; BAG, Urt. v. 31.1.1984 – 1 AZR 174/81, NZA 1984, 167.

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2. Teil

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Streithilfe

ZPO

mäßig bestimmten Teils der Kosten, dann bleibt dieser Teil bei der Berechnung außer Ansatz, wenn eine Überprüfung der Kostenentscheidung gesetzlich nicht eröffnet ist.1

2.4592 Im Fall der Rechtsmitteleinlegung (auch) durch den einfachen Nebenintervenienten bestimmt sich die Beschwer nach der von ihm unterstützten Hauptpartei.2 Bei streitgenössischer Nebenintervention soll wegen § 69 ZPO, wonach der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei gilt, nach überwiegender Ansicht die Beschwer des Nebenintervenienten unabhängig von derjenigen der Hauptpartei bestimmt werden.3 Eine Zusammenrechnung der Beschwer von Hauptpartei und Nebenintervenient scheidet in jedem Fall aus, da § 69 ZPO nur auf eine prozessrechtliche Gleichstellung abzielt und selbst bei weiter gehender, gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme von Hauptpartei und Nebenintervenient aufgrund wirtschaftlicher Identität nicht addiert werden könnte.4

2.4593 Wird die Verbindung der Prozessrechtsverhältnisse durch eine Prozesstrennung (§ 145 ZPO) aufgehoben, kann die Beschwer den nach Aufspaltung des Verfahrens verbliebenden Wert nicht übersteigen. Dies gilt auch dann, wenn die nach zulässiger Trennung getrennten Verfahrensteile in der Revisionsinstanz zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung wieder verbunden werden.5

2.4594 Im Übrigen folgt die Wertbestimmung den allgemeinen Grundsätzen, daher wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff. Bezug genommen.

E. Vergleich 2.4595 Einigen sich die Streitgenossen in einem Prozessvergleich nicht nur mit dem Gegner, sondern auch über ihnen etwaig zustehende Ausgleichs- oder Regressansprüche untereinander, begründet dies keinen Mehrwert des Vergleichs. Da der den Prozess beendende Vergleich das Prozessrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagten regelt, kann sich nicht dessen Wert durch anderweitige, das Prozessrechtsverhältnis nicht betreffende Ansprüche erhöhen.6 Hier liegt vielmehr eine eigenständig zu bewertende Einigung zwischen den Streitgenossen vor.

Streithilfe 2.4596 Siehe das Stichwort „Nebenintervention“, Rz. 2.3664 ff.

1 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648. 2 BGH, Urt. v. 16.1.1997 – I ZR 208/94, MDR 1997, 956 = NJW 1997, 2385; BGH, Urt. v. 15.6.1989 – VII ZR 227/88, MDR 1989, 1095; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – 24 W 64/05, MDR 2006, 1017; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025; Zöller/Althammer, § 67 ZPO Rz. 5. 3 MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, § 511 ZPO Rz. 33; Stein/Jonas/Bork, § 69 ZPO Rz. 10 m.w.N.; offen lassend: BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 4 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 5 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217. 6 OLG Frankfurt, Beschl. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2014 – 17 Ta (Kost) 6057/14; a.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 10 W 8/18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2014 – 10 U 158/13: Mehrwert nur für die am Gesamtschuldnerausgleich Beteiligten; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97, JurBüro 1999, 196; OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 105/72, MDR 1973, 324 – da Gesamtbereinigung im Interesse aller Parteien liege.

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Stufenklage

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2. Teil

2.4597

Siehe das Stichwort „Vereinbarungen zum Streitwert“, Rz. 2.5031 ff.

Stufenklage Literatur: Lappe, NJW 1988, 3130; Assmann, Das Verfahren der Stufenklage, 1990; Schulte, MDR 2000, 805 (Verurteilung zur Auskunftserteilung). A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4598 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4604 II. 1. 2. 3.

Leistungsanspruch Einfache Stufenklage . . . . . . . . . . . . . 2.4610 Teilbezifferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4613 Rückstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4615

III. Auskunft und Versicherung an Eides statt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4617 C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 1. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . 2. Sonderfälle a) „Verkürzte Stufenklage“ . . . . . . . . b) „Nachträgliche Stufenklage“ . . . . . c) „Steckengebliebene Stufenklage“ . . d) Zusammentreffen von Leistungsund Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammentreffen von Feststellungs- und Stufenklage . . . . . . . f) Rückstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit von Stufenstreitwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichts- und Verfahrensgebühr . . b) Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . .

2.4618

II. Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4641 III. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4646 IV. Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4649 V. Fehlerhafte Prozessführung . . . . . . . 2.4657 VI. Wertänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4660 VII. Einzelfälle in der Rechtsprechung . . . 2.4663 D. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.4669 I. Bescheidung des Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4670 1. Als Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4671 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . . . . . 2.4679

2.4622 2.4623 2.4624

II. Bescheidung des Versicherungsanspruchs 1. Als Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4680 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . . . . . 2.4683

2.4630

III. Bescheidung des Leistungsanspruchs 1. Als Schlussurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4684 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . . . . . 2.4685

2.4632 2.4633 2.4634 2.4635 2.4636

IV. Instanzielle Unterschiede . . . . . . . . . 2.4686 E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4690

Stichwortübersicht Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . 2.4635 f., 2.4662 Aufwand – für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4682 – für die Auskunftserteilung 2.4673, 2.4682, 2.4689 Ausgleich nach § 89b HGB . . . . . . . . . . . . . 2.4665 Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . 2.4641, 2.4670 Bucheinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4603 Fehlerhafte Prozessführung . . . . . . . . . . . . 2.4657 Geheimhaltungsinteresse des Beklagten . . . 2.4675 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . 2.4635, 2.4662

Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4639 Instanzielle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . 2.4686 Klagehäufung, objektive . . . . . . . . . 2.4601, 2.4604 Kosten anwaltlicher Beratung . . . . 2.4673 f., 2.4682 Kostenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4652 Landwirtschaftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.4621 Leistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . 2.4610, 2.4649 – Wertschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4610 Leistungsklage, Zusammentreffen mit – . . . 2.4630 Mindestbetrag, Bezifferung der Leistungsklage mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4614

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Streitwertvereinbarung

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2. Teil

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Stufenklage

Nachträgliche Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . 2.4623 Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4663 Rechtshängigkeit . . . . . . . . 2.4602, 2.4616, 2.4626, 2.4633, 2.4635 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4603 Rückstände, bei Klageeinreichung aufgelaufene . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4615, 2.4633 Rufschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4676 Schadensfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . 2.4664 Steckengebliebene Stufenklage . . . . . . . . . . . 2.4624 Steuerstrafrechtliche Folgen der Auskunft . . 2.4676 Streitwertangabe des Klägers . . . . . . . . . . . . 2.4654 Stufenstreitwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4634 Stufenwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4667 Teilklage, bezifferte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4613 Teilurteil – über den Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . 2.4671

– über Versicherungsanspruch . . . . . . . . . . 2.4680 Unterhaltsstufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4633 Vergleich – allein über Auskunft bzw. Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4692 – über den erhobenen Leistungsanspruch . 2.4691 Versicherungsanspruch . . . . . . . . . 2.4617, 2.4637 Wertaddition . . . . . . . . . . . 2.4605, 2.4617, 2.4666 Wertänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4660 Wertvorstellungen der Parteien – des Klägers zu Beginn der Instanz 2.4610, 2.4650 – übersetzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4611, 2.4654 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4666 f. Zeitpunkt der Wertberechnung . . . 2.4610, 2.4642 Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . 2.4632

A. Einleitung 2.4598 Die Stufenklage ist eine aus prozessökonomischen Gründen geschaffene Verbindung mehrerer Klageansprüche in einem Rechtsstreit. Ihr Zweck ist es, demjenigen, der eine Leistung begehrt, die er noch nicht genügend konkretisieren kann, das dazu erforderliche Wissen zu verschaffen, indem durch entsprechende vorbereitende Anträge ein Auskunfts- und Offenbarungszwang auf den Beklagten ausgeübt wird.

2.4599 Die Zulässigkeit dieser Verbindung folgt aus § 254 ZPO, wonach mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden werden kann, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, dessen bestimmte Angabe vorbehalten werden darf, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

2.4600 Hierbei ist trotz der tatbestandlichen Bezugnahme auf Leistungsanträge eine Verbindung von Auskunfts- und Offenbarungsanträgen mit einem Feststellungs- oder Gestaltungsantrag als Hauptantrag nicht ausgeschlossen.1 Die Stufenklage ist jedoch nur zulässig, wenn die begehrte Auskunft der Bestimmung des (zugleich) erhobenen Leistungsanspruchs dient, anderenfalls ist von einer Auskunftsklage in Verbindung mit einer mangels Bestimmtheit des Klageantrages unzulässigen Leistungsklage auszugehen.2

2.4601 Da es sich bei den stufenweise erhobenen Ansprüchen um prozessual selbständige Streitgegenstände eines einheitlichen Verfahrens handelt,3 stellt die Stufenklage einen Fall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) dar. Die Besonderheit liegt darin, dass die Klagebegehren stufenweise entschieden werden. So wird auf der ersten Stufe über den Antrag des Klägers auf Auskunft bzw. Rechnungslegung verhandelt und durch Teilurteil entschieden, soweit die Klage mangels denkbarem (Haupt)Leistungsanspruch nicht vollständig abgewiesen wird. Hat der Beklagte die Auskunft erteilt und erachtet der Kläger diese für unvollständig oder unzutreffend, ist sodann (auf der zweiten Stufe) über den Antrag auf eidesstattliche Versicherung zu verhandeln und durch weiteres Teilurteil zu entscheiden. Auf der

1 BGH, Urt. v. 26.9.1984 – IVb ZR 30/83, MDR 1985, 304 – Abänderungsstufenklage; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.11.1986 – 3 UF 104/86, FamRZ 1987, 175 – negative Feststellungsklage. 2 Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 2 m.w.N. 3 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717.

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Stufenklage

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2. Teil

Dabei bleibt – auch für die Streitwertbemessung – zu beachten, dass bereits mit der Erhebung der Stufenklage neben dem Auskunftsanspruch auch die Klageansprüche auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Leistung rechtshängig werden.1

2.4602

Die Vorschrift des § 254 ZPO ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden, wenn nur auf Rechnungslegung und Bucheinsicht geklagt, nicht aber ein unbezifferter Leistungsanspruch erhoben worden ist.2 Anders liegt es demgegenüber, wenn der Kläger zunächst nur Auskunft verlangt und nach deren Erteilung zum Leistungsanspruch übergeht.3

2.4603

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines Als Sonderfall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 Halbs. 1 ZPO. Danach sind die Werte prozessualer Einzelansprüche zusammenzurechnen, wenn kein Fall der wirtschaftlichen Identität gegeben ist.4

2.4604

Nach einer Ansicht in Rechtsprechung und Lehre ist auch bei der Stufenklage eine Addition der einzelnen Stufenwerte geboten.5

2.4605

Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen, vielmehr scheidet bei der Stufenklage eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nach § 5 Halbs. 1 ZPO aus. Wertbestimmend ist allein der höchste Einzelwert,6 mithin grundsätzlich der (unbezifferte) Leistungsanspruch.

2.4606

Wie in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist für die Frage der Wertaddition nach § 5 ZPO maßgeblich darauf abzustellen, ob das den verschiedenen prozessualen Ansprüchen zugrunde liegende klägerische Interesse sich – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet und damit als wirtschaftliche Einheit darstellt.7

2.4607

Mit der Aufnahme von § 39 GKG ist die Mehrheit von Ansprüchen nunmehr im Gebührenrecht eigen- 2.4608 ständig geregelt. Damit begründet auch das Fehlen einer eigenständigen Regelung der Stufenklage in den §§ 3 ff. ZPO keine Abstandnahme (mehr) von der – zumindest ansonsten unstreitig gebotenen – teleologischen Reduktion von § 5 Halbs. 1 ZPO. Auch das „gesteigerte Prozessvolumen“ rechtfertigt keine Wertaddition,8 da Überlegungen zum Arbeitsaufwand den §§ 3 ff. ZPO nicht zugrunde liegen,9 was bei § 5 ZPO schon der Umstand erhellt, dass die Werte von Klage und Widerlage nicht zusammengerechnet werden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ARZ 36/94, NJW-RR 1995, 513. OLG Schleswig, Beschl. v. 15.2.2012 – 3 W 10/12. OLG Frankfurt, EzFamR aktuell 2003, 91 – Ls. Vgl. nur Zöller/Herget, § 5 ZPO Rz. 8 m.w.N. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, MDR 2002, 536; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.7.1992 – 7 W 49/92, OLGR 1992, 294; OLG Hamm, Beschl. v. 6.9.2016 – 32 SA 50/16. Zust. KG, Beschl. v. 25.4.2019 – 2 AR 12/19, MDR 2019, 957; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 20; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 5 ZPO Rz. 21; Lappe, NJW 1988, 3130, 3131; Musielak/Voit/Heinrich, § 5 ZPO Rz. 9. So zu § 45 GKG: OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1996 – 3 W 139-140/86, JurBüro 1987, 596; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 12. So aber OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, MDR 2002, 536. Vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 79.

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dritten Stufe konkretisiert der Kläger sein Leistungsbegehren, über das verhandelt und durch Schlussurteil befunden wird.

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2. Teil

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Stufenklage

ZPO

2.4609 Werden daher neben dem Leistungsanspruch vorbereitende, sichernde oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Das ist bei der Stufenklage zu verneinen, da Auskunft und Offenbarung allein der Durchsetzung des Leistungsbegehrens dienen (s. auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921). Damit kann ihr Einzelwert bei Einleitung des Verfahrens auch niemals den Wert des Hauptanspruchs überschreiten, so dass der Zuständigkeitswert immer dem Wert des Leistungsanspruchs entspricht. Folgerichtig bemisst der BGH auch die Beschwer des Klägers im Falle einer Abweisung der Stufenklage bereits auf den Auskunftsantrag nur nach dem vollen Wert des Leistungsanspruchs und erhöht diese nicht etwa um den Wert des Auskunftsverlangens.1

II. Leistungsanspruch 1. Einfache Stufenklage

2.4610 Für die Wertbestimmung des Leistungsbegehrens ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse entscheidend, soweit nicht besondere Wertvorschriften (z.B. § 9 ZPO) Anwendung finden. Die Bewertung folgt daher nach den allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zu dem für die Wertbestimmung maßgebenden Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO), Unklarheit über den Umfang des Leistungsbegehrens besteht. Erforderlich ist daher in jedem Fall eine Schätzung des Leistungsanspruchs. Grundlage für die Schätzung sind die Erwartungen des Klägers bei Einleitung des Verfahrens. Hierüber besteht für den Zuständigkeitsstreitwert kein Streit.2

2.4611 Hingegen bleiben übersetzte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen des Klägers bei der Wertbestimmung außer Ansatz.3 Unberücksichtigt bleibt auch eine übersetzte Berechnung des auskunftspflichtigen Beklagten mit dem mittelbaren Ziel, den Zuständigkeitswert über den Gebührenwertansatz zu präjudizieren.4

2.4612 Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen der Kläger aufgrund der Sach- und Rechtslage objektiv zu erwarten hatte.5 Dies ist auf Grundlage seines Tatsachenvortrages zu ermitteln.6 Fehlt es an einem solchen, kann hilfsweise auf die vom Kläger gem. § 61 GKG geschuldeten Angaben zum Streitwert abgestellt werden.7 2. Teilbezifferung

2.4613 Hat der Kläger mit dem verfolgten Leistungsanspruch einen Teilbetrag sogleich geltend gemacht und Auskunftserteilung nur wegen weiter gehender Beträge verlangt, dann liegt nur hinsichtlich des unbezifferten Restanspruches eine Stufenklage vor; die Werte der bezifferten Teilklage und der Stufenklage sind gem. § 5 ZPO zu addieren.8

1 BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107; BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, MDR 2002, 536; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.7.1992 – 7 W 49/92, OLGR 1992, 294; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rz. 3; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.158. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.1986 – 4 WF 105/86, JurBüro 1986, 1685. 4 OLG Köln, JurBüro 1972, 244. 5 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, AGS 2005, 451. 6 BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192. 8 KG, JurBüro 1973, 754; Rpfleger 1962, 120.

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2. Teil

Anders liegt es, wenn der Kläger seinen Leistungsantrag nur vorläufig oder im Sinne eines Mindestbetrags beziffert, aber von vorneherein nur eine stufenweise Erledigung seines Klagebegehrens anstrebt.1 Hier wird der Streitwert allein durch den Leistungsantrag der Stufenklage bestimmt.

2.4614

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Stufenklage

3. Rückstände Hat der Leistungsanspruch der Stufenklage eine wiederkehrende Leistung zum Gegenstand, bemisst sich der Streitwert gem. § 9 ZPO nach dem Wert des 3 1/2-fachen Werts des einjährigen Bezugs. Bis zur Klageeinreichung aufgelaufene Rückstände sind – wie bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts (§ 42 Abs. 5 GKG) – hinzuzurechnen.2

2.4615

Ebenso ist zu entscheiden, wenn die Rückstände zwar gesondert eingeklagt, aber das Leistungsbegehren erst später beziffert wird, weil die Rechtshängigkeit des unbezifferten Leistungsantrages bereits mit Klageerhebung eintritt.3

2.4616

III. Auskunft und Versicherung an Eides statt Soweit mit der Gegenansicht der Zuständigkeitsstreitwert unter Addition der Einzelwerte ermittelt 2.4617 wird, entspricht die Bewertung der Einzelansprüche derjenigen bei der Ermittlung des Gebührenstreitwertes. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen werden.

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 1. Anwendbare Vorschriften Für die Gebührenberechnung bei der Stufenklage enthält § 44 GKG eine Sondervorschrift, die den §§ 3 ff. ZPO vorgeht und nach § 23 Abs. 1 RVG auch für einen Teil der anwaltlichen Gebühren gilt (s. hierzu nachfolgend unter „Stufenstreitwerte“). Danach ist für die Wertberechnung der Stufenklage nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. § 36 GKG ist nicht einschlägig, da für die Stufenanträge nicht jeweils gesonderte Verfahrensgebühren, sondern aus dem nach § 44 GKG zu ermittelnden (Gesamt)Streitwert einheitlich erhoben werden.4 Eine endgültige Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG setzt grundsätzlich eine Entscheidung über die Leistungsstufe voraus.5

2.4618

Da die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Leistung der Offenbarungsversicherung nur der Vorbereitung des Zahlungsanspruchs dienen, ist ihr Wert niedriger als der des Zahlungsanspruchs, so dass für den Streitwert der Stufenklage regelmäßig der Zahlungsanspruch als der höhere maßgebend ist, und zwar ist der Leistungsanspruch – von der angekündigten Teil-Leistungsklage abgesehen6 – immer der höherwertige Anspruch.7 Eine nachträgliche Teilbezifferung des zuvor unbeschränkt gestellten

2.4619

1 BGH, WM 1972, 1121; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 3, 7 m.w.N. 2 KG v. 12.6.1984 – 13 WF 2887/84, AnwBl. 1984, 612; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.1984 – 5 WF 299/83, JurBüro 1984, 1864. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.10.1990 – 2 WF 138/90, JurBüro 1991, 108; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.1984 – 5 WF 299/83, JurBüro 1984, 1864; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.1982 – 6 WF 121/82, JurBüro 1983, 408; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.1990 – 2 WF 46/90, JurBüro 1990, 1336; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.6.1983 – 15 WF 70/83, MDR 1983, 1032. 4 Zutr. OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2014 – 1 W 83/14. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20, JurBüro 2020, 529. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2012 – 5 W 54/12, MDR 2013, 242. 7 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, JurBüro 2006, 594; OLG Bamberg, JurBüro 1986, 1062; JurBüro 1985, 576; OLG Celle v. 9.2.1987 – 21 WF 31/87, AnwBl. 1987, 286; OLG Düsseldorf, JurBüro 1984, 87

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Stufenklage

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(unbezifferten) Leistungsantrages stellt eine teilweise Klagerücknahme dar, die auf den Streitwert für die Gerichtsgebühren keine Auswirkungen hat.1

2.4620 Der erwartete Leistungsanspruch bildet also stets die obere Grenze für die Bewertung der anderen Ansprüche. Dies unabhängig davon, ob über den Leistungsanspruch verhandelt worden ist.2

2.4621 Die für die Wertbestimmung der Stufenklage entwickelten Grundsätze gelten sinngemäß für Stufenanträge auf der Grundlage des Landwirtschaftsverfahrensgesetzes.3 2. Sonderfälle a) „Verkürzte Stufenklage“

2.4622 Beschränkt der Kläger seine Rechtsverfolgung dagegen auf die Erhebung einer Auskunftsklage nebst Antrag auf eidesstattliche Versicherung, gelangt § 44 GKG nicht zur Anwendung. Mangels Verbindung mit dem Hauptanspruch gilt in diesem Fall zwar grundsätzlich § 39 GKG.4 Der danach vorgesehenen Zusammenrechnung der Einzelwerte steht jedoch entgegen, dass der Kläger mit dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel verfolgt, die Klärung eines etwaigen Leistungsanspruchs. Der Antrag bleibt daher gegenüber dem höherwertigeren Auskunftsantrag wertmäßig unberücksichtigt5 (s. hier auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921). b) „Nachträgliche Stufenklage“

2.4623 Diese Bewertung gilt auch für sog. nachträgliche Stufenklagen, d.h., in Fällen, in denen die Verbindung zwischen Auskunft, Versicherung und Leistung nicht von Verfahrensbeginn an besteht. Daher ist nach § 44 GKG auch dann zu bewerten, wenn der Kläger zunächst nur Auskunft verlangt hat und nach deren (außergerichtlicher) Erteilung im Wege der Klageänderung zum Leistungsanspruch übergeht.6 c) „Steckengebliebene Stufenklage“

2.4624 Der höhere Wert des Leistungsanspruchs ist für die Gerichtsgebühren (und die anwaltliche Verfahrensgebühr) – nach ganz überwiegender Ansicht – auch dann maßgebend, wenn der Kläger die Stufenklage nach Erledigung des Auskunftsanspruchs zurücknimmt7 oder die Leistungsklage nach Auskunftsertei-

1 2 3 4

5 6 7

m. zust. Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/99; OLG Zweibrücken, JurBüro 1987, 563; JurBüro 1987, 255. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.2019 – 2 WF 4/19, AGS 2019, 282. OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 21 WF 31/87, AnwBl. 1987, 286; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.9.1986 – 2 WF 182/86, JurBüro 1987, 255; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.1989 – 7 Ta 101/89, JurBüro 1990, 41; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rz. 4. OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.4.1997 – 5 W 90/96, OLGR 1997, 184; OLG Jena, Beschl. v. 17.4.2003 – 2 Ww 39/01, AUR 2004, 99. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 3 W 73/16, NJW 2017, 835; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.2.2012 – 3 W 10/12, NJW-RR 2012, 1020; a.A. OLG Zweibrücken v. 9.9.2004 – 4 U 168/03, OLGR Zweibrücken 2005, 132; KG v. 12.7.1996 – 18 UF 2577/96, FamRZ 1997, 503; offenlassend BGH v. 22.3.2017 – XII ZB 56/16, MDR 2017, 575 = NJW 2017, 1954. Im Ergebnis ebenso: OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134; a.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95, FamRZ 1997, 40. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2002 – 2 WF 315/01, EzFamR aktuell 2003, 91 (Ls.); OLG München, Urt. v. 20.10.1994 – 16 UF 797/94, FamRZ 1995, 678: Rückkehr zur Stufenklage; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.6.1999 – 12 U 239/98, MDR 1999, 1342, OLGR 1999, 293. OLG Koblenz, Beschl. v. 2.4.2015 – 10 W 171/15, NJW-RR 2015, 832; KG, Beschl. v. 28.2.2000 – 16 WF 1335/00, KGReport Berlin 2000, 252.

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lung nicht weiter betrieben wird, etwa weil der Rechtsstreit zum Ruhen kommt,1 das Verfahren nach der Aktenordnung weggelegt wird,2 die Parteien sich nach Auskunftserteilung vergleichen3 oder den Rechtsstreit in der Hauptsache aufgrund einer Zahlung des Beklagten übereinstimmend für erledigt erklären.4 Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, bei diesen sog. steckengebliebenen Stufenklagen in Abwei- 2.4625 chung von § 44 GKG mangels Bezifferung des Leistungsantrags auf den Wert des Auskunftsverlangens abzustellen. Wertbestimmend bleibt auch hier der Leistungsanspruch als der in der Regel höchste Einzelanspruch.5 Soweit diese Problematik – in unzutreffender Weise – mit der Fragestellung vermischt wird, ob sich der Wert des Leistungsanspruch nach den Erwartungen des Klägers bei Verfahrenseinleitung oder nach den Erkenntnissen zum Ende der Instanz bestimmt, wird diesbezüglich auf die Ausführungen unten Rz. 2.4649 ff. verwiesen. Die demgegenüber auf den Wert des Auskunftsbegehrens abstellende Auffassung6 übersieht, dass der Leistungsantrag mit der Klageerhebung bereits rechtshängig geworden ist und damit – unabhängig von seiner Bezifferung – wegen des nur vorbereitenden Charakters des Auskunfts- und Versicherungsverlangens immer den höchsten Einzelwert darstellt.

2.4626

Prozessual gleicht die Situation derjenigen, in der auf Feststellung einer ziffernmäßig noch unbe- 2.4627 stimmten Leistungsverpflichtung, beispielsweise auf im Umfang noch unbekannten Schadensersatzes, geklagt wird. Denn dass der Kläger von einer Leistungsverpflichtung ausgeht, folgt aus der Erhebung der Stufenklage selbst, die gerade über eine allein auf Auskunft gerichtete Klage hinausgeht. Das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren ist als Minus in jedem Leistungsantrag enthalten7 und sein Streitwert bemisst sich nach den objektivierten Erwartungen des Klägers über den Umfang der Leistungspflicht, gem. § 40 GKG ebenfalls zum Zeitpunkt der verfahrenseinleitenden Antragstellung. Daher bleibt die Wertbemessung (für bereits entstandene Gebühren) unbeeinflusst, wenn der Kläger im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage übergeht, die betragsmäßig unter seiner anfänglichen Vorstel1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.1983 – 6 WF 100/83, JurBüro 1983, 1876; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.3.1989 – 2 WF 24/89, JurBüro 1989, 1455. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 26.8.2014 – 3 W 72/14, MDR 2014, 1345. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320; OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2014 – 1 W 83/14; OLG Köln, Beschl. v. 25.1.2013 – 4 WF 151/12, AGS 2013, 239; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.4.1995 – 3 WF 46/95, JurBüro 1995, 484; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1984 – 6 WF 12/84, JurBüro 1984, 736. 4 OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2014 – 19 W 43/13; OLG Köln, Beschl. v. 2.7.2012 – 2 U 55/12; KG, Beschl. v. 26.4.2007 – 12 W 34/07, MDR 2008, 45; KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, JurBüro 2006, 594. 5 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, JurBüro 2006, 594;OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.1996 – 7 WF 173/96, FamRZ 1998, 312; OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192; OLG Celle, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 WF 15/96, FamRZ 1997, 99; OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, MDR 1998, 64; OLG Koblenz, Beschl. v. 2.4.2015 – 10 W 171/15, NJW-RR 2015, 832; OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2014 – 19 W 43/13; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.2013 – 5 U 22/13, MDR 2014, 494; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2012 – 5 W 54/12, MDR 2013, 242, mit Sonderfall des wertmäßig unter dem Auskunftsantrag liegenden Teilleistungsantrages; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2007 – 11 WF 134/07, AGS 2007, 632; OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2014 – 1 W 83/14. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 14.10.1988 – 5 W 76/88, JurBüro 1989, 685 m. abl. Anm. Mümmler; OLG Dresden, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 107/97, MDR 1997, 691; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.1987 – 4 WF 152/86, MDR 1987, 508; KG, Beschl. v. 13.3.1997 – 16 U 8282/96, MDR 1997, 598; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1995 – 13 WF 164/94, MDR 1995, 642; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.7.2008 – 16 WF 173/08; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.3.2005 – 16 WF 3/05, FamRZ 2005, 1765; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.1.2000 – 5 WF 93/99, JurBüro 2000, 251: Wert der Auskunftsstufe maßgeblich, wenn die Stufenklage nicht nur stecken geblieben, sondern gar nicht in Gang gekommen ist. 7 BGH, Urt. v. 24.10.1994 – II ZR 231/93, MDR 1995, 53: gesellschaftsrechtliche Stufenklage; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rz. 15c.

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lung liegt. Für den ansonsten gebotenen prozentualen Abschlag besteht bei der Stufenklage kein Anlass, da die Klage in der 3. Stufe auf die Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels gerichtet ist.

2.4628 Eine abweichende Bewertung rechtfertigt sich auch nicht aus kostenrechtlichen Billigkeitserwägungen im Hinblick auf eine negative, aber vom Schuldner pflichtwidrig verspätet erteilte Auskunft. Insoweit kann dahinstehen, ob und in welcher Form der insoweit „unterliegende“ Kläger eine für ihn nachteilige Kostengrundentscheidung abwenden kann, wenn auch die vom BGH1 erwogene Änderung der Klage auf Feststellung der Kostentragungspflicht nahe liegt.2 Denn es ist nicht ersichtlich, warum diese kostenrechtlichen Fragestellungen (bei gleich bleibendem Streitgegenstand) streitwertrechtliche Auswirkungen haben sollen. Anderenfalls liefe dies – bis zu einer Klageänderung – auf eine streitwertrechtlich unzulässige Gleichsetzung des klägerischen Leistungsinteresses mit seinem Kosteninteresse hinaus.3

2.4629 Die Gegenansicht verkennt zudem, dass § 44 GKG auch seinem Wortlaut nach die streitwertrechtliche Relevanz des Leistungsanspruchs nicht vom Ergebnis der Auskunft abhängig macht. Denn dort wird nicht der Anspruch auf Herausgabe des nach der Auskunft Geschuldeten bewertet, sondern der Anspruch auf Herausgabe desjenigen, das der Beklagte (nach Ansicht des Klägers) „aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“ schuldet. Dies stimmt nicht notwendigerweise mit dem Inhalt der Auskunft des Beklagten überein. Zudem bleibt es dem Kläger unbenommen, abweichend von der Auskunft einen höheren Betrag zu verlangen und die Voraussetzungen hierfür in der Beweisaufnahme nachzuweisen. d) Zusammentreffen von Leistungs- und Stufenklage

2.4630 Macht der Kläger neben der Stufenklage einen weiteren Leistungsanspruch geltend, gelten die allgemeinen Regeln. Gemäß § 39 GKG sind die Werte der jeweiligen Leistungsansprüche zu addieren.4

2.4631 Gleiches gilt daher, wenn der Kläger mit dem verfolgten Leistungsanspruch einen Teilbetrag sogleich geltend gemacht hat und Auskunftserteilung nur wegen weiter gehender Beträge verlangt. Hier liegt nur hinsichtlich des unbezifferten Restanspruches eine Stufenklage vor und die Werte der bezifferten Teilklage und der Stufenklage sind zu addieren.5 e) Zusammentreffen von Feststellungs- und Stufenklage

2.4632 Wird neben einer Stufenklage zugleich eine Zwischenfeststellungsklage über ein für die Leistungsstufe präjudizielles Rechtsverhältnis erhoben (§ 256 Abs. 2 ZPO), scheidet eine Zusammenrechnung aus. Der Kläger verfolgt mit den Klageanträgen – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Interesse.6 f) Rückstände

2.4633 Bei der Unterhaltsstufenklage erhöhen die bezifferten Rückstände nach § 47 Abs. 5 GKG den Streitwert einer jeden Stufe. Ebenso ist zu entscheiden, wenn die Rückstände zwar eingeklagt, aber das Leis-

1 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2000 – 7 U 90/99, OLGR 2000, 189. 2 Diese erwägt auch das KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, FamRZ 2007, 69. 3 Siehe auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.10.1998 – 1 W 41/98, OLGR 1999, 59. 4 BGH, Urt. v. 25.9.2002 – XII ZR 55/00, NJW-RR 2003, 68; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.11.1994 – 22 W 41/94, MDR 1995, 207; OLG München, Beschl. v. 13.3.1989 – 27 W 53/89, MDR 1989, 646. 5 KG, JurBüro 1973, 754; Rpfleger 1962, 120. 6 LG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2014 – 7 O 132/13, ZErb 2014, 199 – Pflichtteilsstufenklage.

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tungsbegehren erst später beziffert wird, weil die Rechtshängigkeit des unbezifferten Leistungsantrages bereits mit Klageerhebung eintritt.1 3. Notwendigkeit von Stufenstreitwerten Da mit § 44 GKG unmittelbar nur der Streitwert für die Gerichtskosten bestimmt wird und anwaltliche Gebühren je nach Mandatierung oder gesetzlicher Regelung (RVG) in unterschiedlichen Verfahrensstadien anfallen, ist – für eine zutreffende Kostenentscheidung2 – die Festsetzung von Stufenstreitwerten geboten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der während des Prozesses und abhängig vom konkreten Verfahrensablauf entstehenden anwaltlichen Termins- und Einigungsgebühr.3

2.4634

a) Gerichts- und Verfahrensgebühr Hier besteht Einigkeit, dass sich die anwaltliche Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG gem. § 23 Abs. 1 RVG nach dem Streitwert für die Gerichtsgebühren (Nr. 1210 KV GKG) und damit nach dem Wert des unbezifferten Leistungsanspruchs richtet, da dieser bereits mit der Erhebung der Stufenklage rechtshängig wird.4

2.4635

b) Terminsgebühr Demgegenüber bestimmt sich der Gegenstandswert der Terminsgebühr gem. Nrn. 3104 bis 3106 VV RVG nach dem Wert derjenigen Verfahrensstufe, in der diese Gebühren anfallen.5

2.4636

Wenngleich die Terminsgebühr nur die aktive Anwesenheit an einem Verhandlungs-, Erörterungsoder Beweisaufnahmetermin erfordert,6 bemisst sich der Gegenstandswert für die Tätigkeit jedoch weiterhin nach den in der Verhandlung gestellten Anträgen bzw. dem Gegenstand der Erörterung oder Beweisaufnahme, § 2 Abs. 1 RVG.

2.4637

Dies gilt auch für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen einer Stufenklage. Maßgebend bleibt daher der Wert des auf der jeweiligen Stufe gestellten Antrages, der in der mündlichen Verhandlung gestellt wird, bzw. des Gegenstandes der auf der jeweiligen Stufe geführten Erörterung.7 Damit bleibt streitwertrechtlich weiterhin eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Stufen der Stufenklage sowie eine Festsetzung der damit verbundenen Einzelstreitwerte erforderlich. Hierzu besteht Anlass, wenn die Stufenklage bereits nach Verhandlung über den Auskunftsantrag (1. Stufe) abgewiesen wird. Hier ist

2.4638

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.10.1990 – 2 WF 138/90, JurBüro 1991, 108; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.1983 – 8 U 5240/82, JurBüro 1984, 1864; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.1990 – 2 WF 46/90, JurBüro 1990, 1336; MDR 1983, 1032. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320; OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1148/84, JurBüro 1984, 1376; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2007 – 11 WF 134/07, AGS 2007, 632. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.10.2012 – 19 W 58/12, AGS 2013, 137; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.1986 – 5 W 5/86, JurBüro 1986, 1062; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.1993 – 18 W 167/93, OLGR 1994, 36; OLG Hamm, JurBüro 1989, 1004; OLG Köln, Beschl. v. 24.2.2003 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207; OLG Köln, Beschl. v. 14.2.2003 – 2 W 6/03, JMBl.NW 2003, 95. 5 KG, Beschl. v. 20.11.2003 – 1 W 437/03, KGReport Berlin 2004, 393; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23; OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147; OLG Köln, Beschl. v. 24.2.2003 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80. 6 AnwK-RVG/N. Schneider, VV Vorbem. 3 RVG Rz. 98, 99. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.10.2012 – 19 W 58/12, AGS 2013, 137; OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2020 – 10 W 119/20, JurBüro 2021, 147.

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die Verfahrensgebühr nach dem Wert des unbezifferten Leistungsantrages und die Terminsgebühr nach dem Wert des Auskunftsanspruchs entstanden.1

2.4639 Problematisch sind die Fälle, in denen der auf Auskunft (1. Stufe) oder Versicherung (2. Stufe) gerichteten Antragstellung in der mündlichen Verhandlung eine Erörterung auch des Leistungsbegehrens vorausgegangen ist. Oder wenn in der nach § 278 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Güteverhandlung das gesamte Klagebegehren umfänglich besprochen wird. Hier soll nach dem OLG Hamburg2 der Gegenstandswert des Leistungsanspruchs für die Terminsgebühr (seinerzeit noch Erörterungsgebühr) maßgebend sein.

2.4640 Die durch eine seitens des Anwalts oder des Gerichts prozessual fehlerhafte Behandlung der Stufenklage entstehenden Probleme werden nachfolgend unter Rz. 2.4657 erörtert.

II. Auskunft 2.4641 Das Auskunftsbegehren ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach dem klägerischen Interesse zu bewerten. Da dieses allein auf die Vorbereitung des Hauptanspruchs, konkret dessen Bezifferung gerichtet ist, entspricht der Wert des Auskunftsbegehrens einem Bruchteil des Leistungsanspruchs und bestimmt sich danach, in welchem Umfang dessen Durchsetzbarkeit von der Auskunft abhängt.3

2.4642 Dies gilt auch dann, wenn der Hauptanspruch im Rechtsstreit noch nicht beziffert und deshalb nach § 3 ZPO geschätzt worden ist. Ohne eine Bewertung des Hauptanspruchs ist der Streitwert des Auskunftsbegehrens folglich nicht zutreffend zu bestimmen. Dabei ist der für die Bewertung maßgebende Zeitpunkt gem. § 40 GKG die verfahrenseinleitende (Klage-)Antragstellung.4 Entscheidend sind – auch für eine isolierte Bewertung des Auskunftsanspruchs – die Erwartungen des Klägers bei Klageeinreichung. Jede abweichende Betrachtung führt auch zu inakzeptablen Ergebnissen, wenn nach Auskunftserteilung feststeht, dass ein Hauptsacheanspruch nicht besteht und damit jede am tatsächlichen Forderungsbestand orientierte Bruchteilsbewertung ausscheidet.

2.4643 Dementsprechend ist es wertmäßig auch bedeutungslos, wenn der Beklagten im Laufe des Verfahrens, beispielsweise nach Verurteilung zur Auskunft, den Leistungsanspruch freiwillig ganz oder teilweise erfüllt.5

2.4644 Klagt der Kläger einen bezifferten Teilunterhalt ein und geht er wegen weiter gehender Ansprüche im Wege der Stufenklage vor, dann ist der Streitwert des Auskunftsanspruchs nur nach dem noch unbezifferten Begehren zu bewerten, das aufgrund der Höhenvorstellung des Klägers zu schätzen und entsprechend dem Auskunftsbedürfnis geringer zu beziffern ist.6 Anders ist es jedoch, wenn die Auskunft oder die Rechnungslegung sich auch auf die Ermittlung des Teilbetrages, nicht nur des Mehrbetrages beziehen soll.7

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 2.9.2013 – 2 W 366/13, MDR 2014, 243; zum alten Recht: OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.1993 – 18 W 167/93, OLGR 1994, 36; KG, Beschl. v. 25.2.2002 – 18 WF 23/02, AGS 2002, 147; OLG Köln, Beschl. v. 21.1.2004 – 2 W 7/04, OLGR 2004, 181; OLG Köln, Beschl. v. 24.2.2003 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2003 – 8 W 224/03, MDR 2004, 417. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23. 4 Vgl. OLG Celle, JurBüro 1968, 734; OLG Köln, MDR 1969, 582; OLG Nürnberg, JurBüro 1974, 1439; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 251; OLG München, Beschl. v. 8.10.2002 – 6 W 77/02, MDR 2006, 1134. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1246; OLG Celle, JurBüro 1968, 734. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.1986 – 10 WF 14/86, MDR 1986, 507 = JurBüro 1986, 585. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2012 – 5 W 54/12, MDR 2013, 242; KG, JW 1927, 1388 Nr. 1.

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Stufenklage

2. Teil

Rechtsprechung und Literatur zur Bewertung des Auskunftsverlangens sind uneinheitlich. Es überwiegt 2.4645 jedoch eine Bewertung zwischen 1/10 und 1/4, wobei die Bestimmung innerhalb dieses Rahmens von der Kenntnis des Klägers betreffend der zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Umstände abhängt.1 Kann der Kläger seinen Zahlungsanspruch ohne Abrechnung praktisch überhaupt nicht durchsetzen, ist das Auskunftsinteresse unter Umständen nicht erheblich geringer als der Leistungsanspruch zu bewerten.2 Geht es um die Verurteilung zu fortlaufenden Leistungen, bleiben freiwillige Teil-Leistungen bei der Wertermittlung betreffend den Leistungsanspruch unberücksichtigt.3 Im Einzelnen finden sich folgende Bewertungen: – 1/10 bis 1/5 des Leistungsanspruchs,4 – 1/10 bis 2/5 des Leistungsanspruchs,5 – 1/10 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,6 – 1/8 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,7 – 1/5 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,8 – 1/3 des Leistungsanspruchs,9 – 1/4 des Leistungsanspruchs,10 – 1/5 des Leistungsanspruchs.11

III. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Besteht die begründete Besorgnis, dass der Beklagte seiner Auskunftspflicht nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgekommen ist, kann der Kläger gem. §§ 259, 260 BGB verlangen, dass der Beklagte die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Rechnungslegung an Eides statt versichert. Der Wert des Aus1 BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – IX ZB 62/17, MDR 2018, 767; BGH, Beschl. v. 17.11.2015 – II ZB 28/14, MDR 2016, 348; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, BGHR 2002, 951; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23. 2 BGH, Urt. v. 9.7.1964 – VII ZR 113/63, MDR 1964, 840. 3 Zutr. OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06, FamRZ 2007, 163. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.12.2011 – 19 W 73/11, NJW-RR 2012, 762; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80. 5 OLG München, JurBüro 1984, 1376; OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 766; KG, Rpfleger 1962, 120; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01 – Bibliothek BAG. 6 BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – IX ZB 62/17, MDR 2018, 767; BGH, Beschl. v. 12.10.2011 – XII ZB 127/11, MDR 2011, 1438 = NJW-RR 2012, 130; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, BGHR 2002, 951; BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.10.2012 – 19 W 58/12, AGS 2013, 137; KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, FamRZ 2007, 69; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95, FamRZ 1997, 40; OLG Köln, Urt. v. 29.6.1984 – 4 UF 33/84, FamRZ 1984, 1029; OLG München, Beschl. v. 8.10.2002 – 6 W 77/02, MDR 2006, 1134; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/99. 7 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.1996 – 5 W 659/96, AGS 1997, 132. 8 OLG Düsseldorf, FamRZ 1988, 1144; OLG Nürnberg, MDR 1960, 507. 9 OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2008 – 10 WF 22/08, JurBüro 2008, 265. 10 KG v. 8.11.1994 – 21 W 7047/94, KGReport Berlin 1994, 251; OLG Bamberg, Beschl. v. 15.11.1984 – 7 WF 85/84, JurBüro 1985, 576; OLG Düsseldorf, JurBüro 1995, 484; OLG Köln, VersR 1976, 1154; OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1148/84, JurBüro 1984, 1376. 11 So noch BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.10.1988 – 5 W 76/88, JurBüro 1989, 685 m. abl. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06, FamRZ 2007, 163 – isolierte Unterhaltsauskunftsklage; OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131; OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.11.1997 – 7 WF 3549/97, JurBüro 1998, 262.

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2. Teil

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Stufenklage

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kunftsverlangens bestimmt sich gem. § 48 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an einer zutreffenden Auskunft.1

2.4647 Dessen Wert entspricht nicht dem Wert dem Auskunftsstufe,2 sondern einem Bruchteil des Mehrbetrags, den sich der Kläger aus der eidesstattlichen Versicherung verspricht.3 Da der vom Beklagten in der Auskunft eingeräumte Leistungsumfang keiner Absicherung mehr bedarf, ist der bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert des Leistungsbegehrens nur noch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt, wenn nach der Auskunfts- keine Leistungspflicht besteht. Dies übersehen Entscheidungen, die davon unabhängig weiter an den Hauptsachewert anknüpfen.4

2.4648 Nimmt der Kläger die bereits erteilte Auskunft nicht zum Anlass, seine bei Verfahrenseinleitung geäußerten Erwartungen zum Umfang des Leistungsanspruchs zu korrigieren, ist der Bruchteilsbewertung die Differenz zwischen dem bei Verfahrenseinleitung erwarteten Umfang und der vom Beklagten eingeräumten Höhe zugrunde zu legen. Der Bruchteil selbst ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen5 und entspricht ohne hinreichende Anhaltspunkte dem Bruchteil bei der Bewertung des Auskunftsverlangens.

IV. Leistung 2.4649 Die Bewertung des Leistungsanspruchs richtet sich über § 48 Abs. 1 GKG nach den §§ 3 ff. ZPO. Wertbestimmend ist das klägerische Interesse. Da der Leistungsanspruch bei Einreichung der Stufenklage mangels Auskunft bzw. Rechnungslegung nicht (vollständig) beziffert werden kann, bedarf es einer Schätzung gem. § 3 ZPO.6

2.4650 Hierbei ist gem. § 40 GKG auf die Erwartungen des Klägers zu Beginn der Instanz abzustellen, und zwar unabhängig davon, ob später noch zum Leistungsanspruch erkannt wird (s. hierzu auch Rz. 2.4624), oder ob zwar darüber entschieden wird, die spätere Bezifferung jedoch hinter den ursprünglichen Erwartungen des Klägers zurückbleibt7 oder diese übertrifft.8 Streitwerterhöhend wirkt 1 BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – IX ZB 62/17, MDR 2018, 767; OLG Bamberg, JurBüro 1972, 1091; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rz. 5. 2 So aber BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – IX ZB 62/17, MDR 2018, 767. 3 BGH, Beschl. v. 2.7.1964 – III ZR 4/63 – zu § 2028 BGB; KG, Beschl. 15.9.2017 – 13 U 17; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95, FamRZ 1997, 40; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 3 W 73/16, NJW 2017, 835: 50 % des Wertes der Auskunftsstufe; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2012 – 5 W 52/12, FamRZ 2013, 320; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.2007 – 6 W 35/07, MDR 2007, 1037. 4 So OLG Bremen, Teilurteil v. 17.2.2000 – 2 U 101/99, OLGR 2000, 162: 1/10 des Hauptsachewertes; OLG Köln, Rpfleger 1977, 115: Bruchteil des „Zahlungs- oder Auskunftsverlangens“, ohne hinreichende Anhaltspunkte 1/2 des Auskunftswertes; OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131: 1/5 des Hauptsachewerts. 5 BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, MDR 1992, 302. 6 BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – X ZR 104/09, MDR 2012, 875; OLG Köln, MDR 1969, 582; OLG Zweibrücken, JurBüro 1973, 444; OLG Nürnberg, JurBüro 1974, 1439. 7 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 386/05, KGReport Berlin 2006, 964; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.5.1993 – 2 WF 38/95, JurBüro 1994, 114; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.1.2002 – 9 WF 214/01, FamRZ 2003, 240; KG, Beschl. v. 25.2.2002 – 18 WF 23/02, AGS 2002, 158; OLG Celle, Beschl. v. 8.10.2002 – 6 W 77/02, MDR 2003, 55; OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, MDR 1998, 64; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.1991 – 3 WF 196/91, JurBüro 1992, 419; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Karlsruhe, Justiz 1985, 374; OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, AGS 2005, 451; OLG Köln, Beschl. v. 18.5.2004 – 3 U 136/03, JMBl NW 2004, 82; OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.7.2003 – 9 WF 2251/03, FamRZ 2004, 962; OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.2.1986 – 6 WF 16/86, JurBüro 1987, 563. 8 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 386/05, KGReport Berlin 2006, 964; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2020 – 2 W 6/19, MDR 2020, 1214.

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Stufenklage

2. Teil

ZPO

sich im letztgenannten Fall daher erst der Übergang von der Auskunfts- auf die Leistungsstufe aus.1 Die gem. § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Erweiterung des Klageantrags2 wirkt sich nur noch auf die Höhe der Gebühren aus, die mit oder nach der Bezifferung des Leistungsantrags entstehen. Vereinzelt wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, der Wert des Leistungsantrags bedürfe keiner Schätzung, sondern bestimme sich nach seiner Bezifferung, auch wenn diese wertmäßig hinter den vom Kläger bei Prozessbeginn zum Ausdruck gebrachten Erwartungen zurückbleibt. Daher sei der Wert des Auskunftsanspruchs gem. § 44 ZPO maßgebend, wenn nach dem Inhalt der Auskunft kein oder nur ein geringwertiger Leistungsanspruch besteht (bzw. durchsetzbar ist). So sei mit dem Zweck von § 254 ZPO nicht zu vereinbaren, dem Kläger durch ein Festhalten an den von ihm zu Beginn des Prozesses geäußerten Größenvorstellungen das Prozessrisiko für den Fall aufzuerlegen, dass sich seine Erwartungen nach dem Inhalt der Auskunft nicht erfüllen.3

2.4651

Diesem Ansatz ist nicht zu folgen, denn er verkennt den Charakter des unbezifferten Leistungsantrags und ist im Ergebnis nicht folgerichtig. Wie bereits ausgeführt worden ist, entspricht der Leistungsantrag bis zu seiner Bezifferung einem Antrag auf Feststellung einer unbestimmten Leistungsverpflichtung (s. Rz. 2.4627). Hieraus folgt, dass auch dem unbezifferten Leistungsantrag ab Klageeinreichung ein Wert zugewiesen werden kann und gem. § 40 GKG zugewiesen werden muss. Das mit der Schätzung verbundene Kostenrisiko ist keine Eigenart der Stufenklage, denn es ist das Risiko eines jeden Klägers, dass er seine Erwartungen zu hoch beziffert. Auch eine Zahlungsklage wird abgewiesen, soweit der Kläger zu viel verlangt oder, wie bei der unbezifferten Schmerzensgeldklage, einen unangemessenen Mindestbetrag genannt hat.

2.4652

Zudem vermag nicht zu überzeugen, dass der mit Klageerhebung rechtshängige, wenngleich unbezifferte Leistungsantrag keinen Wert haben soll, wenn nach Rechnungslegung (angeblich) kein Leistungsanspruch besteht. Diesem Bewertungsfehler kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass kurzerhand auf den Wert des Auskunftsanspruchs abgestellt wird. Eine Möglichkeit, die etwa bei dem Antrag auf Feststellung einer unbezifferten Leistungsverpflichtung nicht zur Verfügung stehen würde. Schließlich müsste bei folgerichtiger Bewertung der Auskunftsanspruch, dessen Wert sich unstreitig am Leistungsanspruch orientiert, mit einem Bruchteil von null bewertet werden, was notwendigerweise ausscheidet.

2.4653

Für die Wertbemessung nicht maßgeblich sind hingegen die Wunschvorstellungen des Klägers, sondern es ist nur danach zu bemessen, welche Leistungen er aufgrund der Sach- und Rechtslage, die er zur Klagebegründung vorgetragen hat, nach Auskunftserteilung objektiv zu erwarten hatte.4 Dies ist anhand seines Tatsachenvortrages zu ermitteln.5 Fehlt es an einem solchen, kann zur Wertbestimmung auch der Inhalt der nachfolgend erteilten Auskunft berücksichtigt werden,6 hilfsweise ist auf die vom Kläger gem. § 61 GKG geschuldeten Angaben zum Streitwert abzustellen.7 Dagegen sind die Erkenntnisse des Gerichts am Ende der Instanz für die Wertermittlung ohne Bedeutung.8

2.4654

1 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 386/05, KGReport Berlin 2006, 964; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2020 – 2 W 6/19, MDR 2020, 1214; a.A. OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134 – das zur Verhinderung von Streitwertmanipulationen eine Rückwirkung der Werterhöhung auf den Verfahrensbeginn bejaht. 2 Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2000 – IV ZR 274/99, MDR 2001, 408. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.1987 – 4 WF 152/86, MDR 1987, 508. 4 OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2014 – 19 W 43/13; OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, AGS 2005, 451. 5 BGH, Beschl. v. 4.2.2015 – III ZR 62/14; BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9. 6 OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192. 8 OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2014 – 19 W 43/13.

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2. Teil

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Stufenklage

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2.4655 Übersetzte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen bleiben unberücksichtigt.1 Unberücksichtigt bleibt auch eine übersetzte Berechnung des auskunftspflichtigen Beklagten mit dem mittelbaren Ziel, den Zuständigkeitswert über den Gebührenwertansatz zu präjudizieren.2

2.4656 Zur Bezifferung nach Auskunft/Rechnungslegung s. Rz. 2.4660 ff.

V. Fehlerhafte Prozessführung 2.4657 Nicht selten kommt es vor, dass Gericht und Anwälte die Stufenklage prozessual falsch behandeln und nicht Stufe für Stufe in Teilurteilen fortschreiten, sondern zu Beginn der mündlichen Verhandlung alle Anträge einschließlich des unbezifferten Zahlungsanspruchs verlesen werden. Nach welchem Streitwert dann abzurechnen ist, ist umstritten. Man wird zu unterscheiden haben.3

2.4658 – Sämtliche Anträge werden fehlerhaft gebündelt verlesen, jedoch wird nur durch Teilurteil über die erste (oder weitere) Stufe entschieden. Dann ist die Terminsgebühr nur nach dem Wert des Auskunftsanspruchs, nicht nach dem des Zahlungsanspruchs zu berechnen. Es ist nämlich nicht möglich, über einen Zahlungsanspruch zu verhandeln, über den ausweislich der gewählten Klageart vor seiner Bezifferung gerade nicht verhandelt werden soll.4

2.4659 – Alle Anträge werden zugleich verlesen und das Urteil erkennt fehlerhaft über sämtliche Stufenansprüche. Dann ist der Fehler nicht mehr auszugleichen. Die Gebühren müssen nach dem höchsten Wert, dem Wert des Leistungsanspruchs, berechnet werden.5

VI. Wertänderungen 2.4660 Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestehende Ungewissheit über den Umfang des Leistungsanspruchs sind Wertänderungen bei der Stufenklage nicht ungewöhnlich. So kann die Rechnungslegung des Beklagten den Kläger veranlassen, seine Vorstellungen zum Leistungsumfang zu revidieren und mit einer entsprechend reduzierten Antragstellung auf der 3. Stufe Rechnung zu tragen. Auch das Gegenteil ist denkbar: Die Auskunft erhellt erstmals den weiter gehenden Umfang des Leistungsanspruchs und veranlasst den Kläger zu einem entsprechend erhöhten Leistungsantrag.

2.4661 Die Behandlung dieser Wertänderungen folgt den allgemeinen Regelungen. Das bedeutet zunächst einmal, dass die bei Klageeinreichung bestehende Erwartung des Klägers zum Leistungsanspruch solange wertbestimmend bleibt, bis er seinen Leistungsantrag beziffert. Erst ab dann tritt die Wertänderung ein, so dass lediglich die mit oder nach Bezifferung entstehenden Gebühren nach dem veränderten Streitwert zu berechnen sind.6

2.4662 Für die bereits entstandenen Gerichtsgebühren und die anwaltliche Verfahrensgebühr ist zu unterscheiden: Führt die Wertänderung zu einer Erhöhung des Streitwerts, ist dieser maßgebend und eine frühere Wertfestsetzung zu berichtigen, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Läuft die Wertänderung auf ei1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – X ZR 104/09, MDR 2012, 875; OLG Düsseldorf, JurBüro 1986, 1685. OLG Köln, JurBüro 72, 244. Vgl. Schneider, MDR 1969, 625 ff. OLG Düsseldorf, NJW 1961, 2021 – 7. ZS; OLG Hamburg, JurBüro 1978, 1664; OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.1996 – 23 W 362/95, JurBüro 1997, 139 – für die Beweisgebühr; OLG München, Rpfleger 1956, 29; a.A. OLG Düsseldorf, NJW 1964, 2164 – 8. ZS. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1999, 302; OLG Köln, NJW 1973, 1848; a.A. OLG Köln, Entsch. v. 1.6.1973 – 6 U 39/73, NJW 1973, 1948; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rz. 16. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.5.1993 – 2 WF 38/93, JurBüro 1994, 114; KG, Beschl. v. 23.3.1993 – 1 W 6310/92, MDR 1993, 696; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.1984 – 5 W 17/84, JurBüro 1985, 443; OLG Hamm, JurBüro 1982, 1377; OLG Karlsruhe, OLGE 13, 67; LG Köln, Urt. v. 27.2.2007 – 27 O 407/04.

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Stufenklage

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2. Teil

ZPO

ne Minderung des bisherigen Streitwerts hinaus, bleibt dies für die Gerichtsgebühren und damit über § 23 Abs. 1 RVG auch für die anwaltliche Verfahrensgebühr ohne Auswirkungen.

VII. Einzelfälle in der Rechtsprechung Werden der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB und der Pflichtteilsanspruch durch die Stufenklage verfolgt, dann ist für den Gebührenstreitwert gem. § 44 GKG nur der höchste der verbundenen Ansprüche maßgebend; das gilt auch für den Anspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände.1

2.4663

Demgegenüber ist gem. § 39 GKG zusammenzurechnen, wenn der Anspruch auf Auskunftserteilung mit einer positiven Schadensfeststellungsklage verbunden ist.2

2.4664

Desgleichen ist der mit einer Stufenklage verbundene Anspruch auf Leistung eines Ausgleichs nach 2.4665 § 89b HGB dem Streitwert der Stufenklage hinzuzurechnen.3 Nach allgemeinen Regeln, das heißt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 u. 3 GKG ist zu bewerten, wenn auf eine 2.4666 Stufenklage mit einer Widerklage erwidert wird. Hier ist eine Wertaddition geboten, wenn der Leistungsanspruch (3. Stufe) und die Widerklage nicht denselben Gegenstand betreffen. Dies ist etwa der Fall, wenn einer Stufenklage auf Auskunft und Unterhaltserhöhung mit der Widerklage auf Herabsetzung der titulierten Unterhaltsrente begegnet wird.4 Ebenso ist in dem Fall zu bewerten, dass auf eine Leistungsklage eine Stufenwiderklage erhoben 2.4667 wird. Hier ist bezüglich der Identität der Gegenstände (im gebührenrechtlichen Sinne) auf die wechselseitig erhobenen Leistungsansprüche abzustellen.5 Betreffen die Leistungsansprüche denselben Gegenstand ist gem. § 44 Abs. 1 Satz 3 GKG der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Unabhängig davon, ob die Stufenklage vom Kläger oder im Wege der Widerklage vom Beklagten er- 2.4668 hoben worden ist und welcher der Leistungsansprüche den höheren Wert aufweist, erfolgt keine Hinzurechnung der Werte für den Auskunfts- und Versicherungsanspruch (Stufen 1 und 2). Die abweichende Ansicht des OLG München6 übersieht, dass die Bewertung der Einzelansprüche durch § 44 GKG abschließend geregelt und durch § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG nicht aufgehoben wird.

D. Rechtsmittel und Beschwer Streiten die Parteien in der Rechtsmittelinstanz darüber, ob bisher nur über den ersten oder auch schon über die weiteren mit einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche entschieden worden sei, so sind für den Streitwert der Rechtsmittelinstanz alle Ansprüche zu berücksichtigen.7 Im Übrigen ist wie folgt zu unterscheiden:

2.4669

I. Bescheidung des Auskunftsanspruchs Wie bereits ausgeführt, sind die einzelnen Stufen prozessual eigenständig und die Antragstellung demnach in der ersten Stufe allein auf Auskunft gerichtet. Aufgrund der materiell-rechtlichen Verbindung 1 2 3 4 5 6 7

OLG Hamm, JurBüro 1981, 247. OLG Stuttgart, NJW 1959, 890. LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1747. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203. Insoweit zutr. OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131. OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131. BGH, Urt. v. 26./28.5.1965 – III ZR 67/64.

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Stufenklage

der einzelnen Stufen ist es jedoch zulässig, die gesamte Stufenklage abzuweisen, wenn das Auskunftsverlangen aus Gründen verneint wird, nach denen auch eine Verurteilung zur Leistung ausgeschlossen ist.1 Bei der Ermittlung von Rechtsmittelstreitwert und Beschwer ist daher danach zu differenzieren, ob nur über eine Stufe (positiv oder negativ) oder über die gesamte Stufenklage (negativ) erkannt worden ist. 1. Als Teilurteil

2.4671 Beschränkt sich die Abweisung – etwa wegen bereits erteilter Auskunft – auf das Auskunftsbegehren, dann ist die Beschwer des Klägers nach seinem Auskunftsinteresse zu bemessen. Dessen Wert bestimmt sich gem. § 3 ZPO danach, in welchem Umfang die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs von der Auskunft abhängt.2

2.4672 Die demnach gebotene Bruchteilsbewertung bewegt sich nach der Rechtsprechung zwischen 1/10 und 1/4 und hängt im Einzelfall von der Kenntnis des Klägers betreffend zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Umstände ab.3 Sie entspricht in der Regel derjenigen des Gebührenstreitwerts.

2.4673 Wenn der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Auskunftserteilung ein Rechtsmittel einlegt, ist der Streitwert (und seine Beschwer) nach dem Interesse zu bemessen, das er daran hat, die Rechnung nicht legen zu müssen.4 Dieses bemisst sich regelmäßig nach dem Aufwand des Beklagten an Arbeitszeit und Kosten, die mit der Erteilung einer sorgfältig erteilten Auskunft verbunden ist.5 Bereits vor dem Urteil getätigte Aufwendungen bleiben unberücksichtigt, selbst wenn auf sie zur Erfüllung der titulierten Verpflichtung zurückgegriffen werden kann.6 Das Gleiche gilt für die Kostenbelastung aus dem Unterliegen in erster Instanz.7 Der (eigene) Zeitaufwand des Beklagten kann bei entsprechendem Verdienstausfall in Anlehnung an den Höchststundensatz gem. § 22 JVEG berechnet werden,8 nicht dagegen mit dem Stundensatz, den der Auskunftspflichtige gewöhnlich Dritten für seine berufli-

1 BGH, MDR 1964, 655; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 9; a.A. OLG Hamm, Urt. v. 22.8.1989 – 7 UF 217/89, NJW-RR 1990, 709. 2 BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – IV ZB 21/15, ErbR 2016, 230; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01; BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107; BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 67/92, FamRZ 1993, 1189 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, GmbHR 1995, 301. 3 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, BGHR 2002, 951; BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85; OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; a.A. OLG Köln, MDR 1963, 144. 4 BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – XII ZB 564/18, MDR 2019, 824; (GrZS), Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, GmbHR 1995, 301; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 – Vollstreckungsabwehrklage. 5 BGH, Beschl. v. 18.7.2018 – XII ZB 637717, FamRZ 2018, 1762; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 19.12.2019 – III ZB 28/19, MDR 2020, 505 = NJW-RR 2020, 189; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – III ZB 55/11, ZEV 2012, 270; BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZB 23/10, FamRZ 2012, 216; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267 – Gesellschafterliste; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.12.2012 – 24 U 162/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2012 – 14 U 71/11; OLG Köln, Beschl. v. 29.9.2015 – 21 U 3/11; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 – Vollstreckungsabwehrklage; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 6 BGH, Beschl. v. 19.12.2019 – III ZB 28/19, MDR 2020, 505 = NJW-RR 2020, 189. 7 BGH, Beschl. v. 3.7.2018 – II ZB 13/17, ZD 2019, 31. 8 BGH, Beschl. v. 17.11.2014 – I ZB 31/14, MDR 2015, 612; BGH, Urt. v. 27.2.2013 – IV ZR 42/11, AGS 2013, 178; offenlassend in: BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888; KG, Beschl. v. 5.2.2018 – 2 U 53/17, NZG 2018, 1267; OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.2013 – 7 U 31713, RVG prof. 2013, 146; s. auch OLG Köln, Beschl. v. 29.9.2015 – 21 U 3/11 mit Berechnung nach dem durchschnittlichen Monatsgehalt eines Bürokaufmanns.

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Stufenklage

2. Teil

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che Tätigkeit in Rechnung stellt.1 Fehlt es an einem tatsächlichen Verdienstausfall (z.B. bei Aufwand in der Freizeit), dann kommt allein eine Zeitentschädigung nach § 20 JVEG in Betracht.2 Neben dem persönlichen Einsatz kann auch der Aufwand für Leistungen Dritter in Ansatz gebracht werden, insbesondere von Hilfskräften, Steuerberatern und Rechtsanwälten, soweit deren Hinzuziehung aus sachlichen Gründen, d.h. zur Erfüllung der Auskunftspflicht, erforderlich ist.3 Die Kosten anwaltlicher Beratung berechnen sich nach dem sich aus dem Interesse des Klägers an der Auskunft (s.o.) ergebenden Wert.4 Ist der zur Auskunft verurteilte Beklagte seinerseits von der Auskunft eines zur Erteilung nicht bereiten Dritten abhängig, kann im Rahmen der Beschwer der zu erwartende Kostenaufwand für eine entsprechende Rechtsverfolgung berücksichtigt werden. Das gilt unabhängig davon, ob gegen den Dritten materiell-rechtlich ein Auskunftsanspruch besteht.5 Nach oben begrenzt wird die Beschwer des Beklagten durch das Interesse des Klägers an der Auskunft.6 Ist die Auskunftsverurteilung zu unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig oder ihm aus tatsäch- 2.4674 lichen Gründen (z.B. Verlust von Unterlagen) unmöglich, dann bemisst sich die Beschwer nach den mit Abwehr der ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen (Anwalts-)Kosten.7 Die hypothetischen Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens (§ 18 Nr. 13 RVG i.V.m. Nrn. 3309, 3310 VV RVG), berechnen sich nach dem Angriffsinteresse des vollstreckenden Klägers und nicht nach dem Verteidigungsinteresse des zur Auskunft verurteilten Beklagten.8 Im Einzelfall kann ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten zu berücksichtigen sein. Erforderlich ist hierfür, dass der Beklagte die mit der Auskunft verbundenen Nachteile konkret darlegt.9 In der Person des die Auskunft Begehrenden muss die konkrete Gefahr begründet sein, dass dieser die ihm mit der Auskunftserteilung offenbarten Tatsachen in einer Weise gebraucht, die schützenswerte (wirtschaftliche) Interessen des Beklagten gefährden könnten.10 Nicht werterhöhend zu berücksichtigen sind Geheimhaltungsinteressen Dritter11 oder die Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten gegenüber einem Dritten.12 Kosten, die dem Beklagten aus einer mit der Auskunftsertei-

1 BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 – Anwalt; BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.12.2017 – 5 U 1038/17. 2 BGH, Beschl. v. 7.10.2020 – IV ZB 34/19; Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 630/12, NJW-RR 2014, 1096; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.10.2020 – 12 U 2246/19, JurBüro 2021, 97. 3 BGH, Beschl. v. 17.11.2014 – I ZB 31/14, MDR 2015, 612 – Mehraufwand infolge Erkrankung des Schuldners; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – II ZR 4/12, K&R 2013, 493 – Überwachung durch Rechtsanwälte; BGH, Beschl. v. 22.4.2009 – XII ZB 49/07, BGHR 2009, 885 = MDR 2009, 929 – Auskunft bzgl. Gesellschaftsbeteiligungen; BGH, Beschl. v. 24.7.2002 – XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597; BGH, Beschl. v. 31.10.2001 – XII ZB 161/01, FuR 2002, 161. 4 BGH, Urt. v. 27.2.2013 – IV ZR 42/11, AGS 2013, 178 = NJW-RR 2013, 1033. 5 BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – XII ZB 564/18, MDR 2019, 824; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – XII ZB 465/11, MDR 2011, 1493. 6 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165. 7 BGH, Urt. v. 27.3.2019 – XII ZB 564/18, MDR 2019, 824; BGH, Beschl. v. 2.6.2016 – I ZA 8/15; BGH, Urt. v. 11.7.2001 – XII ZR 14/00, NJW-RR 2002, 145. 8 BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – XII ZB 564/18, MDR 2019, 824. 9 BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258; BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZB 23710, FamRZ 2012, 216; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – III ZB 55/11, ZEV 2012, 270; BGH, Beschl. v. 24.7.2012 – II ZB 18/11; BGH, Beschl. v. 4.7.2001 – IV ZB 7/01, BGHR 2001, 809 in Abgrenzung zu BGH, NJW 1999, 3049; BGH, Beschl. v. 10.6.1999 – VII ZB 17/98, MDR 1999, 1082. 10 BGH, Beschl. v. 22.2.1995 – IV ZB 20/94, NJW-RR 1995, 764; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2011 – 14 U 72/11; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 11 BGH, Beschl. v. 3.7.2018 – II ZB 3/18 – hier der Gesellschafter bei Klage gegen die Gesellschaft. 12 BGH, Beschl. v. 10.12.2020 – 1 ZB 23/20; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.1996 – 11 U 106/96, OLGR Celle 1997, 60.

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lung verbundenen Benachrichtigungspflicht gem. § 33, § 4 Abs. 3 Satz 1 BDSG entstehen, bleiben als bloß mittelbare Beschwer außer Ansatz.1

2.4676 Das Interesse, die Auskunft wegen eventuell damit verbundener steuerstrafrechtlicher Folgen nicht zu erteilen und damit verbundene Rechtsverfolgungskosten nicht aufwenden zu wollen, ist insoweit nicht erheblich. Denn etwaige steuerstrafrechtliche Nachteile wären nicht Folge der Auskunftserteilung, sondern des vorangegangenen Fehlverhaltens.2 Auch eine mit der Verurteilung zur Auskunft (etwaig) drohende Rufschädigung bleibt bei der Ermittlung der Beschwer als reine Fernwirkung unberücksichtigt.3

2.4677 Für die Wertbemessung unerheblich ist auch das Bestreben des Beklagten, die Rechtsverfolgung des Klägers zu erschweren oder zu vereiteln, sowie der Wunsch, mit der Entscheidung über die Auskunft auch den Grund des Leistungsanspruchs zu präjudizieren.4

2.4678 Siehe auch das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481. 2. Als (abweisendes) Gesamturteil

2.4679 Weist das Gericht über den Auskunftsantrag hinaus die Stufenklage wegen Fehlens einer materiellrechtlichen Grundlage für die mit ihr verfolgten Ansprüche insgesamt ab, bestimmt sich die Beschwer des Klägers nach dem vollen Wert des Leistungsanspruchs. Denn mit der bestandskräftigen Entscheidung wird der Leistungsanspruch rechtskräftig aberkannt.5 Dabei findet entgegen § 5 Halbs. 1 ZPO keine Addition der Werte von Auskunfts- und Leistungsanspruch statt. Denn das für die Beschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Klägers beschränkt sich auf die Durchsetzung seines Hauptanspruchs.6

II. Bescheidung des Versicherungsanspruchs 1. Als Teilurteil

2.4680 Beschränkt sich die Abweisung auf das Versicherungsbegehren, etwa wegen fehlender Besorgnis der sorgfaltswidrigen Auskunft (§ 259 Abs. 2 BGB) oder weil eine Verpflichtung zur Versicherung aufgrund der geringen Bedeutung der Angelegenheit ausgeschlossen ist (§ 259 Abs. 3 BGB), dann ist die Beschwer des Klägers nach seinem fortdauernden Auskunftsinteresse und damit nach einem Bruchteil des angestrebten Mehrbetrags zu bemessen und entspricht damit der Bewertung beim Gebührenstreitwert.7

1 BGH, Beschl. v. 3.7.2018 – II ZB 13/17, ZD 2019, 31; BGH v. 7.11.2017 – II ZB 4/17, MDR 2018, 286 – Gesellschafterliste. 2 BGH, Beschl. v. 16.8.2000 – XII ZB 98/98, NJW-RR 2001, 210. 3 BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – III ZB 28/10, AGS 2011, 34. 4 BGH, Beschl. v. 19.12.2019 – III ZB 28/19, MDR 2020, 505 = NJW-RR 2020, 189; BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 82/18, MDR 2018, 1073; BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, MDR 2010, 766 = NJW-RR 2010, 786; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2001 – 7 U 167/01, OLGR 2002, 419; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 5 BGH, Beschl. v. 4.2.2015 – III ZR 62/14; BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107; BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; OLG Celle, Beschl. v. 9.3.2009 – 6 W 28/09, OLGR 2009, 487; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.2013 – 5 U 22/13, MDR 2014, 494. 6 BGH, Beschl. v. 26.11.2020 – V ZR 87/20. 7 OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rz. 10.

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Stufenklage

2. Teil

Unzutreffend ist es, demgegenüber auf den Wert des Hauptanspruchs abzustellen1 oder die Differenz 2.4681 zwischen dem Wert des Auskunftsanspruchs und dem Hauptsachewert2 abzustellen. Denn die Versicherung dient nur der Vorbereitung der Durchsetzung eines über den Inhalt der Auskunft hinausgehenden Leistungsanspruchs. Im Falle der Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bemisst sich die Beschwer des 2.4682 Beklagten – wie bei Verurteilung zur Auskunft – nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Abgabe der Versicherung erfordert.3 Das Risiko wegen (angeblich) falscher Versicherung an Eides Statt mit Schadensersatzansprüchen oder einem Strafverfahren „überzogen“ zu werden, bleibt als bloß mittelbare Beeinträchtigung unberücksichtigt.4 Hierbei wird die Berücksichtigung des Aufwandes durch den Wert des Auskunftsanspruchs begrenzt.5 Kosten, die vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anlässlich der Überprüfung und eventuellen Ergänzung der bereits erteilten Auskunft entstehen, können die Beschwer erhöhen.6 Die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung kann sich ergeben, wenn der Urteilstenor nicht hinreichend bestimmt ist, so dass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung der titulierten Verpflichtung Rechtskenntnisse erfordert.7 2. Als (abweisendes) Gesamturteil Ein abweisendes Endurteil in der zweiten Stufe ist praktisch kaum denkbar, da die gemeinsame materiell-rechtliche Grundlage der einzelnen Stufen bereits bei der Bescheidung des Auskunftsanspruchs hätte geprüft werden müssen. Es verbleiben daher Fälle, in denen, etwa aufgrund (zwischenzeitlicher) Auskunftserteilung, das Auskunftsverlangen nicht mehr aufrechterhalten oder sogleich mit der zweiten Stufe begonnen wird. Im Falle der vollumfänglichen Abweisung der Stufenklage entspricht auch hier die Beschwer des Klägers dem (geschätzten) Wert des Leistungsanspruchs. Insoweit kann auf die Ausführungen Rz. 2.4679 verwiesen werden.

2.4683

III. Bescheidung des Leistungsanspruchs 1. Als Schlussurteil Wird über den Leistungsanspruch eigenständig erst auf der letzten Stufe entschieden, dann folgt die Bewertung der Beschwer des Klägers dem Umfang der Abweisung und die Beschwer des Beklagten dem Umfang der Stattgabe des nunmehr bezifferten Leistungsantrags.

2.4684

2. Als (abweisendes) Gesamturteil Wird der Leistungsanspruch zusammen mit dem vorbereitenden Anspruch bereits auf der ersten Stufe abgewiesen, bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des Leistungsanspruchs. Denn dieser

1 So aber OLG Celle, NJW 1954, 1493. 2 So OLG Köln, MDR 1963, 144. 3 BGH, Beschl. v. 8.11.2017 – XII ZB 489/16, MDR 2018, 48; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, MDR 2009, 522 = NJW-RR 2009, 549; BGH, Beschl. v. 30.3.2000 – III ZB 2/00, MDR 2000, 907 = NJW 2000, 2113; BGH, Beschl. v. 27.3.1991 – XIII ZB 25/91, NJW-RR 1991, 956; KG, Beschl. v. 19.2.2018 – 26 U 175/17, FamRZ 2018, 1106; OLG Brandenburg Beschl. v. 11.1.2008 – 13 U 131/07, NZM 2009, 51; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2015 – 3 U 1344/14, MDR 2015, 355. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.12.2019 – 13 U 310/19. 5 BGH, Beschl. v. 13.4.1994 – XII ZB 33/94, NJW-RR 1994, 898; BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, MDR 1992, 302; OLG Köln, Beschl. v. 19.9.1997 – 4 UF 122/97, FamRZ 1998, 1309. 6 BGH, Beschl. v. 8.11.2017 – XII ZB 489/16, MDR 2018, 48. 7 BGH, Urt. v. 27.2.2013 – IV ZR 42/11, AGS 2013, 178 = NJW-RR 2013, 1033.

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Stufenklage

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wird, anders als bei einer nur auf den Auskunftsanspruch beschränkten Abweisung, rechtskräftig aberkannt.1

IV. Instanzielle Unterschiede 2.4686 Diese treten auf, wenn das Rechtsmittelgericht abweichend vom Ausgangsgericht nur über einen Stufenantrag oder weitergehend über die gesamte Stufenklage entscheidet. Hier ist wie folgt zu differenzieren:

2.4687 Ist bei einer Stufenklage erstinstanzlich der Auskunftsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und im Berufungsverfahren die gesamte Klage abgewiesen, so ist bei uneingeschränkter Revision für den Streitwert der Revisionsinstanz2 und für die Urteilsgebühr des Berufungsverfahrens der volle Wert der Klage maßgebend.3 Erfolgt die Abweisung erst im Revisionsverfahren, führt dies nicht zu einer nachträglichen Erhöhung des Berufungswerts,4 denn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wertvorschrift müssen ausgehend vom „Grundsatz der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“5 innerhalb der Instanz erfüllt werden.

2.4688 Bei erstinstanzlicher Abweisung der Stufenklage und zweitinstanzlicher Verurteilung zur Auskunft und Rückverweisung im Übrigen, beschränkt sich die Revisionsbeschwer des Beklagten auf die Verurteilung zur Auskunft. Das Interesse des Beklagten an einem abschließenden, ihm günstigen Sachurteil geht über den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung hinaus und rechtfertigt nicht die Annahme einer höheren Beschwer. Denn mangels sachlicher Entscheidung der weiteren Stufen ist noch nicht ersichtlich, dass mit der Zurückverweisung eine für den Beklagten letztlich ungünstige Entscheidung vorliegt. Dies erhellt der Umstand, dass das Berufungsgericht von einer Zurückverweisung hätte absehen und durch Teilurteil über den Auskunftsanspruch hätte entscheiden können.6

2.4689 Auch bei Abweisung einer erst im zweiten Rechtszug erhobenen Stufenklage ist der Leistungsanspruch wertbestimmend7 und dementsprechend auch der Revisionswert anzusetzen. Wird hingegen der erst zweitinstanzlich erhobenen Stufenklage hinsichtlich des Auskunftsanspruchs stattgegeben und der Rechtsstreit wegen des Leistungsanspruchs zurückverwiesen, bestimmt sich die Beschwer des Beklagten für das Revisionsverfahren allein nach dem mit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs verbundenen Aufwand.8

E. Vergleich 2.4690 Wird der Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleichs beendet, bestimmt sich der Gegenstandswert der Einigungsgebühr grundsätzlich nach dem Wert der von der Einigung erfassten Ansprüche (s. zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.). Daher ist für die Bewertung maßgeblich, welche Ansprüche (Stufe) der Stufenklage abschließend erledigt werden.

2.4691 Einigen sich die Parteien über den vom Kläger geltend gemachten (unbezifferten) Leistungsanspruch (3. Stufe), ist für den Vergleichswert der nach § 44 GKG zu bestimmende Hauptsachewert maßgeblich. Dies unabhängig davon, ob die Einigung im Prozess erst auf der 3. Stufe erzielt wird, also nach beziffer1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107. BGH, NJW 1960, 576 – Abgrenzung zu BGH, NJW 1959, 1827. BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 – Abgrenzung zu BGH, MDR 1959, 909. KG, Beschl. v. 5.3.1997 – KG v. 18.9.1995 – 24 U 1574/95, KGReport Berlin 1997, 152. Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117. BGH, Beschl. v. 3.7.2002 – IV ZR 191/01, MDR 2002, 1390; BGH, Beschl. v. 23.3.1970 – VII ZR 137/68, MDR 1970, 671. 7 KG, JurBüro 1973, 754. 8 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – X ZR 127/99, MDR 2000, 1028 = NJW 2000, 1724.

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Tankstellendienstbarkeit

2. Teil

Beschränkt sich der Vergleich auf eine Einigung über Auskunft bzw. Rechnungslegung (1. Stufe), entspricht der Vergleichswert folglich nicht dem (geschätzten) Wert der Leistungsstufe, auch wenn durch den Vergleich der Rechtstreit insgesamt erledigt wird.1

ZPO

ter Antragstellung, oder bereits vor Auskunftserteilung oder Versicherung an Eides statt. Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer Einigung (erst) auf der 3. Stufe der Gegenstandswert nach dem zuvor bezifferten und nicht nach dem eingangs (§ 40 GKG) geschätzten Hauptsachewert zu bemessen ist.

2.4692

2.4693–2.4723

Einstweilen frei.

Tagebuch Bei Klagen auf Herausgabe eines Tagebuchs bemisst man den Gebührenstreitwert in der Regel nach § 48 Abs. 2 GKG, da die Streitigkeiten nichtvermögensrechtlich sind.2 Der Wert wird nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bestimmt. Er darf wegen § 48 Abs. 2 Satz 2 GKG eine Million Euro nicht übersteigen, was aber ohnehin praktisch ausgeschlossen sein dürfte.

2.4724

Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ergibt sich aus § 6 ZPO. Wert der Sache i.S.v. § 6 Satz 1 ZPO ist aber nicht der Verkehrswert des Tagebuchs, sondern dessen Affektionswert für den Kläger, weil dieser nach dem Klageinhalt maßgeblich ist.3 Der Affektionswert ist nach den Grundsätzen des § 48 Abs. 2 GKG zu ermitteln.4

2.4725

Tankstellendienstbarkeit Literatur: Schalhorn, Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Tankstellenvertrages besonderer Art, JurBüro 1974, 169.

Tankstellendienstbarkeiten sind regelmäßig beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nach § 1090 BGB, für die § 7 ZPO nicht gilt. Der Streitwert einer Verpflichtung zur Eintragung einer Tankstellendienstbarkeit ist nicht nach dem Gewinn der Tankstelle zu bemessen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers auf Sicherung seines Rechts durch Eintragung im Grundbuch.5

2.4726

Bei einer Klage, die auf Räumung des Tankstellengeländes und Löschung der den Stationärsvertrag dinglich sichernden Tankstellendienstbarkeit gerichtet ist, soll nach einer Auffassung der Gebührenstreitwert wegen wirtschaftlicher Identität insgesamt nach § 41 Abs. 2 GKG mit dem einjährigen Nutzungsentgelt6 und nach der Gegenmeinung gem. § 9 ZPO mit dem dreieinhalbjährigen Nutzungsentgelt7 zu bemessen sein.

2.4727

1 2 3 4 5 6 7

LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01. KG, Beschl. v. 14.10.1969 – 1 W 4069/69, JurBüro 1969, 1190. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. Vgl. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.1.1967 – 5 W 73/66, JurBüro 1967, 829. OLG Brandenburg, Urt. v. 18.2.2009 – 3 U 64/08. Schalhorn, JurBüro 1974, 169, 171.

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Tankstellendienstbarkeit

2. Teil

Beschränkt sich der Vergleich auf eine Einigung über Auskunft bzw. Rechnungslegung (1. Stufe), entspricht der Vergleichswert folglich nicht dem (geschätzten) Wert der Leistungsstufe, auch wenn durch den Vergleich der Rechtstreit insgesamt erledigt wird.1

ZPO

ter Antragstellung, oder bereits vor Auskunftserteilung oder Versicherung an Eides statt. Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer Einigung (erst) auf der 3. Stufe der Gegenstandswert nach dem zuvor bezifferten und nicht nach dem eingangs (§ 40 GKG) geschätzten Hauptsachewert zu bemessen ist.

2.4692

2.4693–2.4723

Einstweilen frei.

Tagebuch Bei Klagen auf Herausgabe eines Tagebuchs bemisst man den Gebührenstreitwert in der Regel nach § 48 Abs. 2 GKG, da die Streitigkeiten nichtvermögensrechtlich sind.2 Der Wert wird nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bestimmt. Er darf wegen § 48 Abs. 2 Satz 2 GKG eine Million Euro nicht übersteigen, was aber ohnehin praktisch ausgeschlossen sein dürfte.

2.4724

Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ergibt sich aus § 6 ZPO. Wert der Sache i.S.v. § 6 Satz 1 ZPO ist aber nicht der Verkehrswert des Tagebuchs, sondern dessen Affektionswert für den Kläger, weil dieser nach dem Klageinhalt maßgeblich ist.3 Der Affektionswert ist nach den Grundsätzen des § 48 Abs. 2 GKG zu ermitteln.4

2.4725

Tankstellendienstbarkeit Literatur: Schalhorn, Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Tankstellenvertrages besonderer Art, JurBüro 1974, 169.

Tankstellendienstbarkeiten sind regelmäßig beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nach § 1090 BGB, für die § 7 ZPO nicht gilt. Der Streitwert einer Verpflichtung zur Eintragung einer Tankstellendienstbarkeit ist nicht nach dem Gewinn der Tankstelle zu bemessen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers auf Sicherung seines Rechts durch Eintragung im Grundbuch.5

2.4726

Bei einer Klage, die auf Räumung des Tankstellengeländes und Löschung der den Stationärsvertrag dinglich sichernden Tankstellendienstbarkeit gerichtet ist, soll nach einer Auffassung der Gebührenstreitwert wegen wirtschaftlicher Identität insgesamt nach § 41 Abs. 2 GKG mit dem einjährigen Nutzungsentgelt6 und nach der Gegenmeinung gem. § 9 ZPO mit dem dreieinhalbjährigen Nutzungsentgelt7 zu bemessen sein.

2.4727

1 2 3 4 5 6 7

LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01. KG, Beschl. v. 14.10.1969 – 1 W 4069/69, JurBüro 1969, 1190. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. Vgl. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.1.1967 – 5 W 73/66, JurBüro 1967, 829. OLG Brandenburg, Urt. v. 18.2.2009 – 3 U 64/08. Schalhorn, JurBüro 1974, 169, 171.

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2. Teil

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Tausch

2.4728 Siehe im Übrigen bei dem Stichwort „Dienstbarkeit, beschränkt persönliche (§ 1090 BGB)“,

ZPO

Rz. 2.915 ff.

Tausch 2.4729 Die Bewertung richtet sich danach, welche Ansprüche aus dem Tauschvertrag hergeleitet werden. Beim Tausch beweglicher Sachen richtet sich der Wert der Herausgabeklage gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache, die der Kläger herausverlangt. Die als Gegenleistung von ihm selbst herauszugebende Sache bleibt dagegen unberücksichtigt.1 Der Gebührenstreitwert stimmt wegen § 48 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.

Teil des Hauptanspruchs A. Zuständigkeitsstreitwert 2.4730 Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, so richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert auch nur nach dem Wert dieses Teils (§§ 3 ff. ZPO).

2.4731 Werden im Verlaufe des Rechtsstreits Teile des Hauptanspruchs ausgetauscht, wird – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert (s. Rz. 2.4739 ff.) – nicht addiert. Es gilt immer nur der aktuelle Wert.

2.4732 Beispiel: Der Mieter schuldet für insgesamt zwölf Monate (Januar bis Dezember) Miete zu jeweils 1.000 t. Der Vermieter erhebt eine Teilklage über die ersten fünf Mieten (Januar bis Mai). Der Mieter zahlt daraufhin drei Mieten, so dass insoweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Gleichzeitig wird die Klage um weitere drei Mieten (Juni bis August) erweitert. Der Zuständigkeitsstreitwert betrug bei Klageeinreichung 5.000 t. Er verringerte sich dann durch die übereinstimmende Erledigung um 3.000 t und erhöhte sich durch die Klageerweiterung wieder um 3.000 t, so dass er bei 5.000 t blieb. Nur für den Gebührenstreitwert ist zu addieren (§ 39 Abs. 1 GKG). Siehe Rz. 2.4739 ff.

2.4733 Wird später die Klage erweitert, kommt es auf den Gesamtwert an, nicht auf den Teil der anfangs geltend gemacht worden war. Daher kann die Klageerweiterung zur Zuständigkeit des LG führen, wenn durch sie der Wert von 5.000 t überschritten wird. Das Verfahren richtet sich dann nach § 506 ZPO.

2.4734 Beispiel: Vor dem AG werden 4.500 t eingeklagt. Später wird die Klage um weitere 1.000 t erweitert. Der Zuständigkeitsstreitwert betrug bei Klageeinreichung 4.500 t. Er erhöhte sich durch die Klageerweiterung auf 5.500 t, so dass nunmehr das LG zuständig ist.

2.4735 Wird zwar nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, daneben aber im selben Prozess eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) erhoben, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Wert, der beziffert oder bestimmt geltend gemachten Leistung (§ 3 ZPO). Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Gegenstände, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert oder bestimmt geltend gemachten. Hiervon ist dann wie bei einer Feststellungsklage ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO), wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot. 1 Vgl. RG, Urt. v. 6.5.1933 – I 18/33, RGZ 140, 359.

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2. Teil

Beispiel: Ausgehend von einer 100%igen Haftung klagt der Kläger aus einem Verkehrsunfall 5.000 t Sachschaden ein und beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den gesamten Schaden aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall zu ersetzen. Zu erwarten sind noch weitere Schäden (Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld etc.) i.H.v. weiteren 5.000 t.

2.4736

ZPO

Teil des Hauptanspruchs

Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 t. Für die Zwischenfeststellungsklage ist von dem Gesamtschaden i.H.v. 10.000 t auszugehen. Geht man von einem Feststellungsabschlag von 20 % aus, beträgt der Wert der Zwischenfeststellungsklage 8.000 t. Da in der Zwischenfeststellungsklage bereits 80 % des Sachschadens enthalten sind, darf insoweit nicht addiert werden. In Höhe von 80 % aus 5.000 t besteht wirtschaftliche Identität. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich insgesamt auf 9.000 t. Zum selben Ergebnis käme man auch, wenn man zu den 5.000 t der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 t hinzuaddiert. Dies mag für den Zuständigkeitsstreitwert unerheblich sein. Beim Gebührenstreitwert würde dies jedoch zu falschen Ergebnissen führen. Siehe Rz. 2.4757 f.

Wird vom Beklagten eine negative Feststellungswiderklage erhoben, mit der festgestellt werden soll, dass dem Kläger keine (weiteren) Forderungen zustehen, so ist auch der Wert dieser Widerklage für den Zuständigkeitsstreitwert zu beachten. Eine Addition findet dagegen – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert – nicht statt (§ 5 ZPO).

2.4737

Beispiel: Wie vorausgegangenes Beispiel.

2.4738

a) Der Beklagte beantragt Klageabweisung und erhebt Widerklage, dass dem Kläger auch keine weiteren Schadensersatzansprüche zustehen. b) Der Beklagte beantragt Klageabweisung und erhebt Widerklage, dass dem Kläger überhaupt keine Schadensersatzansprüche zustehen. Im Fall a) beträgt der Wert der Widerklage 5.000 t, da sich der Kläger weiterer 5.000 t berühmt. Ein Feststellungsabschlag ist bei negativer Feststellung nicht vorzunehmen. Siehe das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481. Der Zuständigkeitsstreitwert bleibt daher bei 5.000 t. Im Fall b) erstreckt sich die negative Feststellung auf die gesamten 10.000 t, so dass jetzt ihr Wert 10.000 t beträgt und damit die Zuständigkeit des LG gegeben ist. Das Verfahren richtet sich dann nach § 506 ZPO. Ob die negative Feststellungsklage zulässig ist, spielt für den Zuständigkeitsstreitwert keine Rolle. Im Übrigen ist sie zulässig. Soweit sie die bereits rechtshängigen 5.000 t erfasst, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die negative Feststellung erst mit mündlicher Verhandlung, weil dann die Klage nicht mehr ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann. Hiernach müsste sie aber auch als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) zulässig bleiben.

B. Gebührenstreitwert für die Gerichtskosten I. Nur Teil des Hauptanspruchs ist eingeklagt Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, so richtet sich auch der Gebührenstreitwert nur nach dem Wert dieses Teils (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Wird später die Klage erweitert, kommt es auf den Gesamtwert an (§ 39 Abs. 1 GKG).

2.4739

Das gilt auch dann, wenn nacheinander verschiedene Teile des Hauptanspruchs eingeklagt werden.

2.4740

Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall klagt der Kläger zunächst nur 5.000 t Reparaturkosten ein. Da er die Zahlung des Kaskoversicherers übersehen hat, nimmt er die Klage insoweit wieder zurück und macht nunmehr Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten und Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 5.000 t geltend.

2.4741

Nach § 39 Abs. 1 GKG sind die Werte aller Gegenstände zusammenzurechnen. Der Gebührenstreitwert beläuft sich auf 10.000 t.

Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, daneben aber im selben Prozess eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) erhoben, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Betrag, der beziffert geltend gemachten Schadenspositionen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Schneider

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2.4742

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ZPO

2. Teil

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Teil des Hauptanspruchs

Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Schadenspositionen, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert geltend gemachten. Hiervon ist dann wie bei einer Feststellungsklage ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. Rz. 2.4736). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen, wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot.

2.4743 Beispiel: Wie Beispiel in Rz. 2.4736. Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 t; der Wert der Zwischenfeststellungsklage auf 10.000 t abzüglich eines eventuellen Feststellungsabschlags von 20 %. Unzutreffend wäre es hier, zu den 5.000 t der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 t hinzuzuaddieren, denn aus dem Wert der Feststellung können gesonderte Gebühren anfallen.

2.4744 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Versicherer erkennt den Feststellungsantrag an, so dass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren nach § 307 ZPO ergeht. Hiernach zahlt der Versicherer 4.000 t auf den Sachschaden, da sich die Reparaturkosten nach seiner Auffassung nur auf diesen Betrag belaufen. Insoweit wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und der Kläger nimmt die Klageforderung in Höhe der weiteren 1.000 t zurück. Die Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG) ist nach dem Wert der Zwischenfeststellungsklage angefallen, also aus den vollen 9.000 t – nicht etwa nur aus 4.000 t.

II. Hauptanspruch ist voll eingeklagt, Gebühren fallen aber nur aus einem Teil an 1. Gebühren nur nach Teilwerten

2.4745 Für Handlungen, die nur einen Teil des Streitgegenstands betreffen, sind die Gerichtsgebühren nur nach dem Wert dieses Teils zu berechnen (§ 36 Abs. 1 GKG). Damit sind die Fälle gemeint, in denen in derselben Gebührenangelegenheit einzelne Gebühren nach Teilwerten anfallen. Nicht gemeint sind damit die Fälle verschiedener Instanzen, etwa bei einer Teilanfechtung. Dann gelten die §§ 40, 47 GKG. Jede Instanz ist gesondert zu bewerten.

2.4746 Solche Prozesslagen, in denen sich die Gebühren gem. § 36 Abs. 1 GKG aus Teilwerten berechnen, treten seit dem Wegfall der Urteilsgebühren kaum noch auf. Möglich sind solche Fallkonstellationen z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren.

2.4747 Beispiel: Es wird eine einstweilige Verfügung beantragt wegen dreier Unterlassungsansprüche (Wert jeweils 20.000 t), die vom Gericht auch erlassen wird. Auf den Widerspruch hin beraumt das Gericht mündliche Verhandlung an. Vor der Verhandlung wird der Antrag hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs zurückgenommen. Nach Verhandlung ergeht ein Urteil über die verbliebenen Ansprüche.

Für die 1,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG gilt lediglich der Wert von 20.000 t, da insoweit der Antrag zurückgenommen worden ist. Für die erhöhte 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG gilt der Wert von 40.000 t.1 Zu rechnen ist also wie folgt: 1,5-Gebühr, Nr. 1410 KV GKG (Wert 20.000 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 40.000 t) Gesamt

573,00 t 1.575,00 t 2.148,00 v2

1 Zur zutreffenden Berechnung siehe N. Schneider/Nitschke, NJW-Spezial 2021, 475; Oestreich/Hellstab/ Schneider, GKG/FamGKG, Loseblatt, Stand Mai 2021, Nr. 1412 GKG-KV Rn. 16; a.A. KG, Beschl. v. 7.10.2008 – 1 W 77/07, KGR 2009, 145 = JurBüro 2009, 149. 2 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 60.000 t (= 2.199 t), ist nicht erreicht.

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Schneider

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2. Teil

Teil des Hauptanspruchs

In diesen Fällen muss das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG zwei Werte festsetzen, einen Wert für die 2.4748 Gebühr nach Nr. 1410 KV GKG und einen Wert für die Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG. Eine Wertfestsetzung nach Zeiträumen – wie sie häufig vorgenommen wird – ist unzulässig (s. Rz. 1.250 ff.). Des Weiteren können solche Fälle im Verfahren auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorkommen, wenn nur teilweise zugelassen und im Übrigen der Antrag zurückgewiesen wird.

2.4749

Beispiel: Es wird gegen das Urteil des OLG (Klageabweisung i.H.v. 60.000 t) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. In Höhe von 40.000 t wird der Beschwerde stattgegeben und die Revision zugelassen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgenommen oder abgewiesen.

2.4750

Die Gebühr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (Nrn. 1240, 1241 KV GKG) richtet sich nur nach dem Teilwert von 20.000 t.1

2. Begrenzung auf eine Gebühr nach dem Gesamtwert Sind von einzelnen Wertteilen in demselben Rechtszug für gleiche Handlungen Gebühren zu berech- 2.4751 nen, darf nicht mehr erhoben werden, als wenn die Gebühr von dem Gesamtbetrag der Wertteile zu berechnen wäre (§ 36 Abs. 2 GKG). Auch hier kommen Anwendungsfälle kaum vor. Möglich sind solche Fallkonstellationen z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren oder im Verfahren auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.

2.4752

Beispiel: Es wird der Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert. 5.000 t) beantragt. Das Gericht beraumt mündliche Verhandlung an. Vor der Verhandlung wird der Antrag im Wert von 1.500 t teilweise zurückgenommen. Nach Verhandlung ergeht ein Urteil über den verbliebenen Anspruch.

2.4753

Jetzt entsteht eine 1,5-Verfahrensgebühr nach Nrn. 1410, 1411 KV GKG aus 1.500 t, und eine 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG aus 3.500 t. Insgesamt darf gem. § 36 Abs. 3 GKG jedoch nicht mehr abgerechnet werden als eine 3,0-Gebühr aus dem Gesamtwert.2 Zu rechnen ist also wie folgt: 1,5-Gebühr, Nrn. 1410, 1411 KV GKG (Wert 1.500 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 3.500 t) Gesamt gem. § 36 Abs. 3 GKG jedoch nicht mehr als 3,0 aus 5.000 v

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117,00 t 420,00 t 537,00 t 483,00 v

Auch bei mehreren Vergleichen kann ein Fall des § 36 Abs. 3 GKG vorkommen, sofern man nicht bereits § 35 GKG – der seinem Wortlaut nach für die Vergleichsgebühr nicht gilt – analog anwendet.

2.4754

Beispiel: Es wird ein Teilvergleich geschlossen, der nicht anhängige Gegenstände i.H.v. 5.000 t miteinbezieht. Später wird ein Schlussvergleich geschlossen, in dem weitere 10.000 t an nicht anhängigen Gegenständen mitverglichen werden.

2.4755

Für den ersten Vergleich fällt nach Nr. 1900 KV GKG eine 0,25-Gebühr aus 5.000 t an. Für den zweiten Vergleich fällt erneut eine Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG an, diesmal aus 10.000 t. Insgesamt darf nach § 36 Abs. 2 GKG nicht mehr erhoben werden als eine 0,25-Gebühr aus dem Gesamtwert von 15.000 t.

1 BGH, Beschl. v. 17.12.2003 – V ZR 343/02, BGHReport 2004, 559 = NJW 2004, 1048 (noch zur alten Fassung des GKG). 2 Zur zutreffenden Berechnung siehe N. Schneider/Nitschke, NJW-Spezial 2021, 475; Oestreich/Hellstab/ Schneider, GKG/FamGKG, Loseblatt, Stand Mai 2021, Nr. 1412 GKG-KV Rn. 16; a.A. KG, Beschl. v. 7.10.2008 – 1 W 77/07, KGR 2009, 145 = JurBüro 2009, 149.

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2. Teil

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Teil des Hauptanspruchs

ZPO

Zu rechnen ist also wie folgt: 0,25-Gebühr, Nr. 1900 KV GKG (Wert 5.000 t) 0,25-Gebühr, Nr. 1900 KV GKG (Wert 10.000 t) insgesamt nicht mehr als 0,25-Gebühr aus 15.000 v

40,25 t 66,50 t 81,00 v

2.4756 Die Vorschrift des § 36 Abs. 3 GKG gilt auch im Verhältnis der Verfahrensgebühr zur Vergleichsgebühr (Anm. zu Nr. 1900 KV GKG).

C. Gebührenstreitwert für die Anwaltsgebühren 2.4757 Für den Gebührenstreitwert der Anwaltsgebühren gilt Gleiches wie für die Gerichtsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG), wobei sich hier Abweichungen ergeben können.

2.4758 Auch bei den Anwaltsgebühren kann es vorkommen, dass innerhalb derselben Angelegenheit gleichartige Gebühren aus Teilen des Gegenstandswertes nach verschiedenen Gebührensätzen anfallen. In diesem Fall gilt § 15 Abs. 3 RVG. Danach erhält der Anwalt höchstens eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert.

2.4759 Beispiel: In einem Rechtsstreit über 8.000 t ergeht zunächst ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren. Daraufhin wird Einspruch eingelegt, dieser aber auf 6.000 t beschränkt. Darüber wird verhandelt.

Die Terminsgebühr aus dem Teilwert von 2.000 t entsteht nur zu 0,5 (Nrn. 3104, 3105 VV RVG). Die Terminsgebühr aus 6.000 t entsteht dagegen in voller Höhe zu 1,2 (Nr. 3104 VV RVG), da insoweit verhandelt worden ist. Es ergibt sich folgende Berechnung: 1. 2. 3. 4. 5.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 t) 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 2.000 t) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 6.000 t) die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, 1,2 aus 8.000 t (602,00) ist nicht überschritten Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

652,60 t 83,00 t 468,00 t

1.223,60 t

20,00 t 232,48 t 1.456,08 v

2.4760 Voraussetzung für die Anwendung des § 15 Abs. 3 RVG ist, dass die Gebühren in derselben Angelegenheit entstehen. Daher gilt § 15 Abs. 3 RVG nicht, wenn das Gesetz anordnet, dass zwei verschiedene Angelegenheiten vorliegen, etwa bei Urkunden- und Nachverfahren (§ 17 Nr. 5 RVG) oder beim Verfahren nach Zurückverweisung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2.4761 Zu beachten ist, dass die Summe der Einzelgebühren niemals den Wert einer Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert übersteigen darf (§ 15 Abs. 3, Halbs. 2 RVG). Übersteigt die Summe der Einzelgebühren einen Betrag nach dem höchsten Satz aus dem Gesamtwert, so sind die Einzelgebühren auf diesen Betrag zu begrenzen.

2.4762 Hauptanwendungsfall des § 15 Abs. 3, Halbs. 2 RVG ist die Einigung, in die nicht anhängige Ansprüche einbezogen werden. Hier kann § 15 Abs. 3 RVG sowohl hinsichtlich der Verfahrens- als auch der Einigungsgebühr zu berücksichtigen sein. Der Anwalt erhält für die rechtshängigen Ansprüche eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und eine 1,0-Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG). Für die nicht anhängigen Ansprüche erhält er daneben eine 0,8-Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV RVG) sowie eine 1,5-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG).

2.4763 Beispiel: In einem Rechtsstreit werden 10.000 t eingeklagt. Die Parteien einigen sich außergerichtlich über die gesamte Klageforderung sowie über weitere 6.000 t, die bislang nicht anhängig waren, und lassen diesen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO protokollieren.

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2. Teil

Teil des Hauptanspruchs

3. 4. 5. 6. 7.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 t) 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 6.000 t) Gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 16.000 t 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 16.000 t)1 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 10.000 t) 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 6.000 t) Gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 16.000 t Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

798,20 t 312,00 t 614,00 t 585,00 t 2.892,00 t

933,40 t 861,60 t

ZPO

1. 2.

1.077,00 t 20,00 t 549,48 t 3.441,48 v

Des Weiteren ist ein Fall des § 15 Abs. 3 RVG gegeben, wenn mehrere Auftraggeber nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes gemeinschaftlich beteiligt sind. Aus dem Teil der einfachen Beteiligung entsteht dann nur die einfache Gebühr; aus dem Wert der mehrfachen Beteiligung entsteht eine nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Gebühr. Alsdann ist nach § 15 Abs. 3 Halbs. 2 RVG zu kürzen.2

2.4764

Beispiel: Der aus einem Verkehrsunfall Geschädigte erhebt eine Schadensersatzklage (2.000 t) gegen den gegnerischen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer. Der verklagte Halter erhebt daraufhin Widerklage gegen den Kläger und dessen Haftpflichtversicherer i.H.v. 10.000 t.

2.4765

Beide Anwälte sind hier nach einem Gegenstandswert von 12.000 t tätig geworden, da Klage und Widerklage addiert werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG). Der Anwalt des Klägers ist dabei nach einem Gegenstandswert von 2.000 t für einen Auftraggeber (Kläger) tätig geworden und nach einem Gegenstandswert i.H.v. 10.000 t für zwei Auftraggeber (Kläger und drittwiderbeklagter Haftpflichtversicherer). Der Anwalt des Beklagten wiederum ist nach einem Gegenstandswert von 2.000 t für drei Auftraggeber (drei Beklagte) tätig geworden und nach einem Gegenstandswert von 10.000 t für einen Auftraggeber (Widerkläger). Die zutreffende Berechnung ergibt sich aus § 15 Abs. 3 RVG. Für jeden Teilstreitwert sind gesonderte Gebühren zu berechnen, wobei die Summe der Einzelgebühren nicht höher liegen darf als eine nach dem höchsten angefallenen Gebührensatz berechnete Gebühr aus dem Gesamtstreitwert. Im Beispiel ergibt dies folgende Berechnung: Anwalt Kläger: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 10.000 t) 2. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 2.000 t) Gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,6 aus 12.000 t 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 t) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt Anwalt Beklagter: 1. 1,9-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG, (Wert: 2.000 t) 2. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 t) die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, 1,9 aus 12.000 t (1.265,40 t) ist nicht überschritten 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 t) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

982,40 t 215,80 t

1.884,70 t

1.065,50 t 799,20 t 20,00 t 358,09 t 2.242,79 v 315,40 t 798,20 t

1.932,80 t

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799,20 t 20,00 t 367,23 t 2.300,03 v

1 Die Terminsgebühr entsteht aus dem Gesamtwert (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2009 – 9 W 340/09, AGS 2010, 161 = MDR 2010, 720. 2 AG Augsburg, Beschl. v. 23.7.2008 – 25 C 6176/06, AGS 2008, 434; LG Saarbrücken, Beschl. v. 16.11.2011 – 12 O 155/10, AGS 2012, 56.

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2. Teil

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Teilanerkenntnisurteil

ZPO

D. Rechtsmittelstreitwert 2.4766 Soweit es für den Rechtsmittelstreitwert nicht auf die Beschwer, sondern auf den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ankommt, richtet sich die Zulässigkeit nach dem Wert des Streitgegenstands, wegen dem das Rechtsmittel durchgeführt wird. Soweit also eine Entscheidung nur wegen eines Teils des Streitgegenstands angefochten wird, kommt es nur auf den Wert der Teilanfechtung an.

2.4767 Beispiel: Die Klage über eine Forderung i.H.v. 1.000 t ist abgewiesen worden. Der Kläger will wegen 500 t Berufung einlegen. Die Beschwer beläuft sich zwar auf 1.000 t. Der Wert des Beschwerdegegenstands würde sich bei einer Teilanfechtung von 500 t jedoch nur auf diesen Betrag belaufen. Eine Berufung mit dieser Maßgabe wäre unzulässig, da sie den Berufungswert von 600,01 t (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht. Die Berufung wäre nur bei Zulassung statthaft (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

2.4768 Soweit eine Abhilfemöglichkeit besteht (wie z.B. im Kostenfestsetzungsverfahren oder im Verfahren auf Streitwertfestsetzung), kommt es auf den nach Abhilfe noch verbleibenden Teil an, nicht auf den ursprünglichen Wert.

2.4769 Beispiel: Gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss wird sofortige Beschwerde erhoben, da 250 t aus Sicht des Erstattungsberechtigten zu Unrecht abgesetzt worden sind. Der Rechtspfleger hilft teilweise ab und setzt weitere 100 t fest. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist infolge der Teilabhilfe auf 150 t gesunken. Die sofortige Beschwerde ist damit nicht mehr zulässig.

Teilanerkenntnisurteil 2.4770 Siehe die Stichwörter „Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil“, Rz. 2.109 ff. sowie „Teilurteil“, Rz. 2.4787 ff.

Teilklage A. Einleitung 2.4771 Aus der Dispositionsmaxime folgt, dass der Kläger sein prozessuales Rechtsschutzbegehren auf einen Teil eines teilbaren Gesamtanspruchs beschränken kann. Ob ein Anspruch im rechtlichen Sinne teilbar ist, ist davon abhängig, ob er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist1 und in welchem Umfang über ihn Streit bestehen kann, ohne dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht.2

2.4772 Zur Individualisierung des Streitgegenstandes bedarf es jedoch der Abgrenzung des eingeklagten Teils gegenüber dem verbleibenden Teil des Gesamtanspruchs, anderenfalls ist die Klage unzulässig.3 Eine nachträgliche Abgrenzung heilt rückwirkend, jedoch sind bis dahin alle Einzelforderungen in vollem Umfang bedingt rechtshängig.4 1 BGH, Urt. v. 21.2.1992 – V ZR 253/90, MDR 1992, 805. 2 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, MDR 2004, 701. 3 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VII ZR 70/03, MDR 2004, 701; BGH, Urt. v. 13.3.2003 – VII ZR 418/01, MDR 2003, 824; BGHZ 11, 192; Zöller/Greger, § 253 ZPO Rz. 15. 4 BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 295/00, MDR 2004, 219.

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Teilklage

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2. Teil

Für die Bewertung der Teilklage ist nur maßgebend, was eingeklagt wird. Dass sich beispielsweise ei- 2.4773 ne Teilklage aus einer einheitlichen Kaufpreisforderung auf alle Rechnungsforderungen eines Sukzessivlieferungsvertrages stützt, rechtfertigt keine Erhöhung des Streitwertes, insbesondere keine Wertaddition aller Rechnungsforderungen. Auch ist für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich unerheblich, ob die zu bewertende Antragstellung prozessual zulässig war oder nicht.1 Dient etwa die Erhebung mehrerer Teilklagen allein der Erschleichung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit, ist diese zwar wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig,2 der Streitwert der jeweiligen Teilklage bemisst sich (bis zu einer etwaigen Verbindung) jedoch nur nach dem jeweiligen Klagebetrag.

2.4774

Verbindet der Kläger seinen Teilleistungsantrag mit einem Feststellungsantrag, ist zu unterscheiden:

2.4775

– Begehrt der Kläger festzustellen, dass der Beklagte hinsichtlich des vom Leistungsantrag nicht erfassten Teils der Forderung dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet ist, sind die Einzelwerte zu addieren. – Erhebt der Kläger dagegen neben dem Teilleistungsantrag eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO), sind die Anträge – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel gerichtet. Eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nach § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG scheidet grundsätzlich aus. So etwa, wenn der Kläger neben Teilzahlung beantragt, den Bestand des zwischen den Parteien streitigen Vertragsverhältnisses (Werkvertrag etc.) festzustellen. Wertbestimmend ist damit der höherwertige Feststellungsanspruch, wobei nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass der beim Feststellungsantrag gebotene prozentuale Abschlag (20 %) auch den Teil umfassen würde, der Gegenstand des Leistungsantrages ist. Hier ist daher der Wert des Feststellungsantrages um 20 % des Leistungsantrages zu erhöhen oder die Werte von Leistungs- und Feststellungsantrag zu addieren, letzterer jedoch geschmälert um 80 % des Leistungsantrages.3 Wird bei einer Schadensersatzklage nur ein Teilbetrag beansprucht und im Wege der Widerklage auf 2.4776 Feststellung des Nichtbestehens des gesamten Anspruchs begehrt und hat weiterhin der Kläger von vornherein ein Mitverschulden eingeräumt, so ist dieses Mitverschulden bei der Festsetzung des Streitwertes zu berücksichtigen, auch wenn der Kläger das Mitverschulden nicht bruchteilsmäßig bestimmt hat.4 Gegenstand einer Feststellungswiderklage kann auch ein Teil einer Forderung sein; nur dieser Anspruchsteil ist dann als Streitgegenstand zu berücksichtigen. Hierbei ist unerheblich, ob sich für den unterlegenen Beklagten aus der Abweisung der begrenzten Feststellungswiderklage mittelbar ergibt, dass auch eine nicht eingeschränkte Feststellungswiderklage erfolglos geblieben wäre.5

2.4777

Ist bei einer Vollstreckungsabwehrklage unstreitig, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Bruchteils des im Titel festgelegten Zahlungsanspruchs für unzulässig erklärt werden soll, so ist nur dieser Teilbetrag der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen.6 Hierbei kann sich die Beschränkung der

2.4778

1 KG, Rpfleger 1962, 154. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2014 – 32 SA 32/14, MDR 2014, 1106; OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1986 – 4 U 326/85, MDR 1986, 858 = OLGZ 1987, 336; LG Gießen, Urt. v. 7.2.1996 – 1 S 490/95, MDR 1996, 527. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1969, 955; OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, MDR 2010, 990. 4 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. 5 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2. 6 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1999 – 21 W 56/98, JurBüro 1999, 326; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2008 – 23 U 30/07, JurBüro 2008, 316.

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ZPO

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert

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ZPO

2. Teil

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Teilleistungen

Vollstreckungsabwehrklage aus der Fassung des Antrages oder auch konkludent aus den Umständen ergeben, etwa der Streitwertangabe des Klägers und dem Umfang der dem Beklagten erteilten Vollstreckungsklausel.1

2.4779 Siehe näher dazu das Stichwort „Vollstreckungsabwehrklage“, Rz. 2.5591 ff.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4780 Die Bestimmung der Beschwer entspricht der auf den Gesamtbetrag gerichteten Klage. Dies gilt auch, wenn die Teilklage mit einer Begründung abgewiesen wird, die auch die Erfolgsaussichten des nichts rechtshängigen Teils des Gesamtanspruchs beeinflusst, also insbesondere, wenn bereits der Anspruchsgrund verneint wird.

2.4781 Wenn die Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil nach der Berufungsschrift nur eingelegt wird, soweit die Klage in Höhe eines bestimmten Teilbetrages abgewiesen worden ist, dann ist der Streitwert nach diesem Teilbetrag zu bemessen.2 Liegt der Beschwerdegegenstand unter der Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), kommt eine Verwerfung der Berufung erst in Betracht, wenn eine Änderung des Berufungsantrags nicht mehr möglich ist.3

D. Vergleich 2.4782 Nehmen die Parteien die Teilklage zum Anlass, sich erstinstanzlich über den Gesamtanspruch des Klägers zu vergleichen, ist dessen Wert für die Einigungsgebühr maßgebend.

2.4783 Ist über einen abtrennbaren Teil der Klageforderung durch Teilurteil entschieden und hiergegen Berufung eingelegt worden, dann ist für einen Vergleich im zweiten Rechtszug, der auch den erstinstanzlich noch anhängigen Teil der Klageforderung erfasst, der volle Klagewert anzusetzen.4

2.4784 Dies gilt jedoch nicht, wenn in erster Instanz nur ein Teil der Klageforderung zugesprochen wird, der Beklagte insoweit Berufung einlegt und sich die Parteien in der Berufungsinstanz über die gesamte Klageforderung vergleichen. Hier ist nur jene im zweiten Rechtszug noch umstrittene Teilforderung Streitgegenstand, auch wenn der Kläger wegen der Abweisung der Mehrforderung Anschlussberufung angekündigt, aber nicht eingelegt hat.5

Teilleistungen 2.4785 Siehe unter dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1372 ff.

Teilungsversteigerung 2.4786 Siehe die Stichwörter „Drittwiderspruchsklage“, Rz. 2.933 ff. und „Zwangsversteigerung“, Rz. 2.6370 ff. 1 2 3 4 5

OLG Köln, Rpfleger 1976, 183. OLG Celle, JurBüro 1961, 89; Thomas/Putzo/Reichold, § 511 ZPO Rz. 12. BGH, Beschl. v. 16.10.2007 – VIII ZB 26/07, MDR 2008, 225. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.159. OLG Neustadt, MDR 1960, 593.

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Teilurteil

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2. Teil

ZPO

Teilurteil Literatur: Mayer/Mayer, Zum Streitwert der Berufung des Beklagten gegen ein Teilurteil, JurBüro 1993, 325.

A. Einleitung Die Zulässigkeit des Teilurteils folgt aus § 301 ZPO. Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um einen 2.4787 individualisierbaren, selbständig entscheidbaren und größenmäßig bestimmten Teil eines teilbaren Streitgegenstandes handelt.1 Die Anforderungen gleichen denen der Zulässigkeit der Teilklage (s. unter dem Stichwort „Teilklage“, Rz. 2.4771 ff.), d.h. das Teilurteil müsste auf eine entsprechende Teilklage als Endurteil ergehen können.2 Erforderlich ist ferner, das die Teilentscheidung nicht in einen inhaltlichen Widerspruch zu einem etwaigen nachfolgenden Schlussurteil geraten kann.3

B. Gebührenstreitwert Der Streitwert des Teilurteils wird durch den Umfang des von ihm entschiedenen Klagebegehrens bestimmt und bedarf der gesonderten Festsetzung nur, soweit ausnahmsweise noch eine Urteilsgebühr anfällt, beispielsweise im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gem. Nr. 1412 KV GKG. Anlass für eine Wertfestsetzung besteht ferner, wenn mit dem Teilurteil das Prozessrechtsverhältnis gegenüber einem Streitgenossen umfassend beschieden und diesbezüglich eine (Teil-)Kostenentscheidung aufgenommen worden ist.4

2.4788

Im Übrigen hat die Verkündung des Teilurteils auf den Gebührenstreitwert nur insoweit Einfluss, als nachfolgend entstehende Gebührentatbestände nach dem verbleibenden, nicht entschiedenen Teil des Klagebegehrens zu bestimmen sind. Wird etwa bei Klage und Widerklage der Klageanspruch anerkannt, so dass nur noch über die Kosten und die Widerklage streitig zu verhandeln ist, dann bemisst sich der Streitwert für nachfolgend entstehende Gebührentatbestände lediglich nach dem Wert der Widerklage. Die anteiligen Kosten der Klage bleiben unberücksichtigt.5

2.4789

Dies folgt aus § 43 Abs. 3 GKG, wonach die Kosten des Verfahrens für die Streitwertbestimmung unerheblich sind, solange noch ein Teil der Hauptsache anhängig ist. Hierbei unterscheidet sich der Hauptsachebegriff des § 43 Abs. 3 GKG nach überwiegender Ansicht von dem des Abs. 1 und umfasst – hier – Klage und Widerklage in ihrer Gesamtheit.6

2.4790

Wenn über einen abtrennbaren Teil durch Teilurteil entschieden worden ist und dieser Teil im weiteren Verfahren durch einen neuen, sprachlich umformulierten Antrag wieder in den Prozess eingeführt wird, dann ist nach OLG Oldenburg auch für das weitere Verfahren der volle Streitwert anzusetzen.7

2.4791

1 Zöller/Feskorn, § 301 ZPO Rz. 1. 2 BGH, Urt. v. 10.1.1989 – VI ZR 43/88, MDR 1989, 535. 3 BGH, Urt. v. 25.11.2003 – VI ZR 8/03, MDR 2004, 589 = NJW 2004, 1452; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 167/92, MDR 1994, 613; BGH, Urt. v. 10.10.1991 – III ZR 93/90, MDR 1992, 519. 4 OLG Köln, MDR 1976, 496. 5 OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.7.1989 – 5 W 90/89, MDR 1989, 1006. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.1996 – 7 UF 242/95, NJW-RR 1996, 1279 – Rücknahme des Rechtsmittels einer Partei. 7 OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1986 – 3 W 139 + 140/86, JurBüro 1987, 596.

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2. Teil

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Teilurteil

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4792 Mit dem Erlass des Teilurteils wird der Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren geteilt. Daher muss die Beschwer für jedes Teilurteil sowie für das Schlussurteil gesondert ermittelt werden.1 Folglich bestimmt sich auch der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren nach dem Umfang, in dem die Aufhebung oder Abänderung des Teilurteils begehrt wird.2

2.4793 Die für ein Rechtsmittel gegen das Teilurteil erforderliche Beschwer muss sich dabei aus dem Urteil selbst ergeben. Der aufgrund der Teilabweisung unterlegene Kläger kann sich insoweit nicht auf den Bestand von Ansprüchen berufen, die Teil des noch nicht entschiedenen Rechtsstreits sind.3

2.4794 Dies gilt nicht, wenn dem Teilurteil eine willkürliche Trennung des Rechtsstreits in mehrere Verfahren, deren Streitwert jeweils unter der Rechtsmittelsumme liegt, vorausging. Hier bemisst sich die Beschwer des Rechtsmittelführers nach dem einheitlichen, die Rechtsmittelsumme übersteigenden Wert des Rechtsstreits vor dem Trennungsbeschluss.4

2.4795 Eine dahingehende „Aufwertung“ der Beschwer wird jedoch nicht bereits dadurch gerechtfertigt, dass der Erlass des Teilurteils wegen der Gefahr eines inhaltlichen Widerspruchs zum Schlussurteil unzulässig war und die Aufspaltung des Verfahrens zur fehlenden Rechtsmittelfähigkeit von Teil- und Schlussurteil führt.5

2.4796 Wird nach Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils gegen das Schlussurteil, das über den Restanspruch und die gesamten Kosten des Rechtsstreits entscheidet, in vollem Umfang Berufung eingelegt, so sind die auf das Anerkenntnisurteil entfallenden Kosten bei der Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts nicht zu berücksichtigten.6 Der gegenteiligen Ansicht des OLG Nürnberg steht § 43 Abs. 3 GKG entgegen, wonach die Verfahrenskosten unberücksichtigt bleiben, wenn noch ein Teil des Hauptanspruchs im Streit ist.

2.4797 Wird auf die Berufung gegen ein klagezusprechendes Teilurteil nach mündlicher Verhandlung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abgewiesen, so richtet sich der Streitwert der Berufungsinstanz nach dem vollen Wert der Klage.7 Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Erlass eines Teilurteils unzulässig ist (und das Berufungsgericht die Klage vollständig bescheidet)8 oder der vom Teilurteil erfasste Anspruch die Grundlage des erstinstanzlich verbliebenen Anspruchs bildet.9

2.4798 Eine Addition der Teilwerte ist auch geboten, wenn das Rechtsmittelgericht im Einverständnis der Parteien auch über den noch beim Ausgangsgericht anhängigen Teil der Klage entscheidet, diesen „hinaufzieht“.10 Dies unabhängig davon, ob eine derartige Mitbefassung für prozessual zulässig erachtet wird.11

1 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – VI ZB 13/89, MDR 1989, 903. 2 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2008 – 4 W 88/08. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1996 – 5 U 69/95, OLGR 1996, 72; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.2.2020 – 10 U 19/19. 4 BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, MDR 1998, 179; BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269. 5 BGH, Beschl. v. 3.7.1996 – VIII ZR 302/95, MDR 1996, 1176, AGS 1997, 20. 6 A.A. OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 512. 7 Hartmann/Toussaint, KostR, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rz. 114 Stichwort „Teilklage“. 8 BGH, Urt. v. 19.11.1959 – VII ZR 93/59, MDR 1960, 219. 9 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = JurBüro 1993, 164; BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, MDR 1959, 746. 10 Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325. 11 Bejahend BGH, Urt. v. 25.3.1986 – IX ZR 104/85, MDR 1986, 930; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.1988 – 8 U 214/86, VersR 1989, 705.

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Telefax, unerwünschtes

2. Teil

2.4799

Wenn eine Partei gegen ein Teilurteil, das keine abschließende Kostenentscheidung enthält, Revision eingelegt hat, kann auch die Kostenentscheidung des Schlussurteils selbständig mit der Revision angegriffen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für das Rechtsmittel gegen das Schlussurteil die Beschwerdesumme erreicht ist.4 Siehe auch die Stichwortübersicht zu dem Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

2.4800

ZPO

Hat bei einer Stufenklage das erstinstanzliche Gericht den Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und das Berufungsgericht die gesamte Klage abgewiesen, so ist bei uneingeschränkter Revision für den Streitwert der Revisionsinstanz1 und für die Urteilsgebühr des Berufungsverfahrens2 die gesamte Klage maßgebend.3 Siehe zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

D. Vergleich Wird erstinstanzlich nur über einen Teil der Klageforderung entschieden, hiergegen Rechtsmittel ein- 2.4801 gelegt und vergleichen sich die Parteien sodann vor dem Rechtsmittelgericht über „die Klageforderung“, dann ist der volle Hauptsachewert für den Vergleichswert maßgeblich.

Telefax, unerwünschtes Der Streitwert von Rechtsstreiten, die Ansprüche auf Unterlassung unerwünschter Telefaxe zum Gegenstande haben, hängt vom Inhalt der gefaxten Nachricht ab.

2.4802

A. Werbung Enthält das Telefax Werbung oder sonstige gewerblich geprägte Mitteilungen, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur. Denn dann erfolgt das Verfahren allein oder maßgeblich (§ 48 Abs. 3 GKG) aus wirtschaftlichen Gründen, deren Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist. So wurde der Unterlassungsanspruch gegen die Übersendung von Werbung per Telefax mit 1.500 t beziffert, wenn der Versender vorprozessual die Auffassung vertrat, dem Empfänger trotz dessen Ablehnung weiter Werbefaxe übermitteln zu dürfen.5 Der Streitwert ist etwas höher anzusetzen als bei der unerwünschten Zusendung einer inhaltsgleichen E-Mail, weil das unerwünschte Faxpapier des Empfängers verbraucht und das Faxgerät während seines Eingangs belegt war.

2.4803

Einzelheiten der Wertbestimmung schlage man beim Stichwort „Werbung, unverlangte“, Rz. 2.5797 ff. nach.

B. Private Mitteilungen Wenn das Telefax den Empfänger durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in seiner Privatsphäre stört, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf 6 – um einen 1 2 3 4 5 6

BGH, Urt. v. 21.12.1959 – III ZR 166/58, NJW 1960, 576 – Abgrenzung zu BGH, NJW 1959, 1827. BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = JurBüro 1993, 164. OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2014 – 1 W 83/14. BGH, Urt. v. 16.9.1969 – VI ZR 241/68, VersR 1969, 1039. OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.1999 – 10 W 37/99, OLGR 2000, 280. BGH, Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 79/83, MDR 1985, 397.

Kurpat und Seggewiße

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ZPO

2. Teil

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Telefonanrufe, unerwünschte

nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. Dann sind Rechtsbeziehungen streitgegenständlich, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.1

2.4805 Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 t angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen.2

2.4806 Somit sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere Bedeutung und Umfang der Sache nebst den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien maßgeblich. Als Ausgangspunkt mag man von einem Regelwert von 5.000 t entsprechend § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ausgehen.3 Einzelheiten der Wertbestimmung schlage man bei den Stichworten „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff. und „Belästigung“, Rz. 2.668 ff. nach.

Telefonanrufe, unerwünschte 2.4807 Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter Telefonanrufe beschäftigen, hängt – wie bei unerwünschten SMS (s. dazu das Stichwort „SMS, unerwünschte“, Rz. 2.4538) – vom Inhalt des jeweiligen Anrufs ab.

A. Werbung 2.4808 Streitigkeiten um Unterlassung von Telefonanrufen mit werbendem Inhalt oder in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägten Mitteilungen sind vermögensrechtlicher Natur. Hier wird das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen betrieben. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen.4 Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“, Rz. 2.5797 ff. verwiesen werden.

B. Private Mitteilungen 2.4809 Soweit der Empfänger dagegen durch die Anrufe privaten Inhalts beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch5, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen sind Gegenstand des Streits Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.6

1 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. 3 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, NJW-RR 2002, 1723. 4 KG, Beschl. v. 12.9.2006 – 9 U 167/06, KGR Berlin 2007, 99: 2.000 t. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 79/83, MDR 1985, 397 = VersR 1985, 185. 6 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43.

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Testament

2. Teil

2.4810

In Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG ist zunächst von einem Regelstreitwert über 5.000 t für das Hauptsacheverfahren und 1.000 t bis 2.000 t für das einstweilige Verfügungsverfahren auszugehen.1 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht.

2.4811

ZPO

Die Bewertung hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu erfolgen, darf jedoch den Wert von 1 Million v nicht überschreiten. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf die Stichwörter „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff. sowie „Belästigung“, Rz. 2.668 ff. verwiesen werden.

Telefongebühren Wird auf Zahlung von Fernsprechgebühren für in Anspruch genommene Verbindungen geklagt, dann ist der geltend gemachte Betrag für den Streitwert maßgebend (§ 3 ZPO).

2.4812

Werden regelmäßig wiederkehrende, verbrauchsunabhängige Beträge geltend gemacht, etwa eine monatliche Grundgebühr, eine Flat-Rate o.Ä., handelt es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Maßgebend sind dann die Entgelte der restlichen Vertragslaufzeit, höchstens jedoch der Betrag der nächsten dreieinhalb Jahre (§ 9 ZPO).

2.4813

Zum Streit über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses selbst s. die Stichwörter „Vertragserfüllung“, Rz. 2.5524 ff. und „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.

Testament Der Wert des Anspruchs auf Herausgabe eines Testaments ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Verwendung des Testaments zu schätzen, in der Regel nach dem Wert des Erbteils oder Vermächtnisses, das sich nach dem Vortrag des Anspruchstellers aus dem Testament ergibt.

2.4814

Für Ansprüche, die auf Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Testaments oder 2.4815 auf Feststellung einer anderen Testamentsauslegung, die für den Kläger günstiger ist, gerichtet sind, bemisst sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Daher ist nicht von vornherein der Wert des gesamten Nachlasses zugrunde zu legen. Maßgeblich ist das mit der Klage verfolgte Interesse des Klägers, wie es im Klageantrag zum Ausdruck kommt. Zu fragen ist, welche Besserstellung der Kläger mit der Klage bezweckt. Ein dem Kläger ohnehin zustehender, nicht bestrittener Erb- oder Pflichtteil sind bei der Streitwertbemessung daher nicht zu berücksichtigen. Pflichtteile und Anteile anderer Miterben, die auch im Fall der Rechtsgültigkeit des Testaments bestehen bleiben würden, sind also vom Netto-Nachlasswert abziehen. Da es sich um eine positive Feststellungsklage handelt, ist regelmäßig ein Abzug von 20 % zu machen. Die danach verbleibende Differenz könnte das Interesse des Klägers an der Klage auf Feststellung der Rechtsgültigkeit eines Testamentes sein. Siehe auch das Stichwort „Vermächtnisansprüche“, Rz. 2.5398 ff.

1 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, NJW-RR 2002, 1723; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.36.

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2. Teil

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Testamentsvollstreckung

ZPO

Testamentsvollstreckung 2.4816 Erhebt ein Miterbe, dessen Erbanteil einer Testamentsvollstreckung unterliegt, Klage auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet ist, so bemisst sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem zu schätzenden Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Bei dieser Schätzung ist u.a. zu berücksichtigen, dass der Kläger durch den begehrten Wegfall der Testamentsvollstreckung eine freie Rechtsstellung erlangt und ggf. zukünftig auch von der Zahlung der Testamentsvollstreckervergütung entlastet wird. Für die Wertfestsetzung nach den § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG ist das objektive Amtsinteresse bestimmend, das dem Testamentsvollstrecker nach dem Testament und kraft Gesetzes obliegt. Dafür ist der wirtschaftliche Wert der dem Erben auferlegten Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkung bzw. die Wertminderung, die der Nachlass durch die Testamentsvollstreckung erfährt, maßgebend. Der Wert kann daher im Einzelfall geringer sein als der Verkehrswert des Erbanteils des Klägers.

2.4817 Klagt der Testamentsvollstrecker auf Feststellung, dass seine Ernennung wirksam erfolgt ist und dass sie noch fortdauert, so ist der Streitwert ebenfalls nach § 3 ZPO zu bestimmen. Das Interesse des Testamentsvollstreckers ist deutlich geringer zu bewerten als dasjenige des Erben an einer vollstreckungsfreien Nutzung des Nachlasses. Nach Auffassung des BGH ist dieses Interesse allenfalls mit 10 % des Wertes des Vermögens, über dessen Verwaltung Streit besteht, zu bewerten, weil dem Testamentsvollstrecker als Treuhänder nur nach Maßgabe der letztwilligen Verfügung begrenzte Befugnisse zustehen.1

2.4818 Klagt ein Miterbe auf Feststellung, dass der Teilungsplan des Testamentsvollstreckers unwirksam sei, setzt das OLG München2 den Wert – bezogen auf den Gesamtwert der Teilung – auf die Hälfte der Miterbenquote des Klägers fest (s. das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.). Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass der Streit nicht um die Erbbeteiligung ging, sondern um die Verfügungsbefugnis über bestimmte Nachlassgegenstände (s. hierzu das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.), und dass der Testamentsvollstrecker mit der Klage nicht zu einer bestimmten Art der Teilung gezwungen werden konnte; den Wert hat das Gericht dann auf 50 % der Miterbenquote des Klägers festgesetzt. Das ist nicht zu beanstanden.

2.4819 Beim Streit über das Bestehen und die Reichweite der Befugnisse eines Testamentsvollstreckers ist für die Beschwer das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewertende Interesse an der Abänderung des angefochtenen Urteils maßgebend. Dieses Interesse ist deutlich geringer als das Interesse des Erben an einer vollstreckungsfreien Nutzung des Nachlasses, das nur mit einem Bruchteil des streitbefangenen Vermögens bewertet werden kann, weil dem Testamentsvollstrecker als Treuhänder nur nach Maßgabe der letztwilligen Verfügung begrenzte Befugnisse zustehen; sein Interesse kann daher allenfalls mit 10 % des Wertes desjenigen Vermögens angesetzt werden, über dessen Verwaltung Streit besteht.3

2.4820 Das OLG Frankfurt bewertet die Löschung eines Testamentsvollstreckungsvermerks im Grund-

buch hinsichtlich des Grundstücks (Wert 1,3 Mio. t) mit 15.000 t.4 Anders als bei einer Klage auf Zahlung eines bestimmten Betrages, für deren Streitwert es bei unverändertem Antrag nicht darauf ankommt, ob nach Klageerhebung teilweise erfüllt worden ist, hängt der Streitwert bei der hier zu beurteilenden Klage auf Rechnungslegung davon ab, welchen Kenntnisstand der Kläger bereits ge-

1 BGH, Beschl. v. 17.12.2003 – IV ZR 28/03, MDR 2004, 813 = NJW-RR 2004, 724, 726. 2 OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR 1995, 142. 3 BGH, Beschl. v. 29.11.1995 – IV ZR 139/95, ZEV 1996, 35; BGH, Beschl. v. 21.6.2000 – IV ZR 20/00, ZEV 2000, 409; BGH, Beschl. v. 17.12.2003 – IV ZR 28/03, MDR 2004, 813 = ZErb 2004, 190. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.7.2006 – 20 W 369/05.

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Titulierungsinteresse

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2. Teil

ZPO

wonnen hat und wie sein danach verbleibendes Interesse an weiteren, sich aus der geforderten Rechnungslegung ergebenden Informationen, für die vorzubereitende Leistungsklage zu bewerten ist.1

Tierarztkosten Bei Rechtsstreitigkeiten wegen Viehmängelhaftung zählen Frachtkosten, Futterkosten und Tierarztkosten nicht als Nebenforderungen i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, sondern sind gem. § 5 ZPO dem Hauptanspruch hinzuzurechnen.2

2.4821

Titulierungsinteresse Da jede gerichtliche Rechtsverfolgung auf die Schaffung eines Vollstreckungstitels gerichtet ist, 2.4822 kommt dem Titulierungsinteresse eine eigenständige streitwertbezogene Bedeutung nur dort zu, wo anlässlich der Titulierung streitiger Ansprüche bis dahin nicht rechtshängige unstreitige Ansprüche miterfasst werden.3 Über deren streitwertmäßige Behandlung besteht Uneinigkeit. So endet das gerichtliche Verfahren häufig mit einem Prozessvergleich, in dessen protokollierten Text auch unstreitige Leistungen einer Partei aufgenommen oder unstreitige Ansprüche bei der Ermittlung eines (abschließenden) Zahlungssaldos berücksichtigt worden sind. Fraglich ist, wie der Streitwert für die gerichtliche Mehrvergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) zu bemessen ist.

2.4823

Während ein Teil die nicht anhängigen Ansprüche nur dann berücksichtigt, wenn sie streitig sind,4 sieht eine andere Ansicht die nicht streitigen Ansprüche als einen für die Abschlussbereitschaft relevanten Bestandteil des Vergleichs an, so dass die Ansprüche spätestens mit Abschluss des Vergleichs als streitig anzusehen seien.5

2.4824

Demgegenüber stellt eine vermittelnde Ansicht auf das bloße Titulierungsinteresse ab und beziffert dieses je nach Einzelfall mit 1/10 bis 1/3 des Wertes der miterfassten unstreitigen Forderung.6

2.4825

Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Da mit der Aufnahme unstreitiger Leistungen oder Ansprüche nicht eine zuvor bestehende Ungewissheit oder Uneinigkeit der Parteien über das Bestehen dieser Ansprüche behoben wird, sind sie bei der Streitwertbestimmung nur mit einem Bruchteil ihres Hauptsachewertes in Ansatz zu bringen. Denn ihre Aufnahme in den Vergleich erfolgt nur an-

2.4826

1 BGH, Beschl. v. 11.10.2000 – IV ZR 97/00. 2 LG Lübeck, Beschl. v. 11.12.1950 – 1 T 1449/50, JurBüro 1951, 301. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2013 – 7 WF 21/13, MDR 2013, 600 – zum Verfahrenswert nach § 51 Abs. 1 GKG; OLG Dresden, Beschl. v. 3.1.2011 – 20 WF 1189/10, FamRZ 2011, 1407 – Beschwer. 4 KG, NJW 1969, 434; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1994 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248; LAG Rheinland-Pfalz, MDR 1985, 397; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 16.10.2000 – 3 Ta 119/00, JurBüro 2001, 197. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, MDR 1962, 662; OLG Nürnberg, JurBüro 1985, 1395. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.1992 – 7 WF 21/92, JurBüro 1992, 628: 1/10; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02: 1/10; OLG Düsseldorf, JurBüro 1988, 778; OLG Hamburg, AnwBl. 1988, 313; OLG Hamm, JurBüro 1985, 1360: 1/10; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.9.1998 – 13 WF 693/98, EzFamR aktuell 1999, 10; OLG Köln, MDR 1963, 690; OLG Nürnberg, JurBüro 1994, 747: 1/20; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 10 W 8/18, BauR 2019, 703; OLG Zweibrücken, MDR 1978, 496; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.7.2004 – 6 Ta 2/04, MDR 2005, 223.

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ZPO

2. Teil

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Transplantationsliste

lässlich einer umfassenden Regelung der (künftigen) Rechtsverhältnisse der Parteien und hat – über die Titulierung hinaus – allein klarstellenden Charakter. Sie ermöglicht dem Gläubiger die künftige Inanspruchnahme des Schuldners, ohne dass er bei dessen später etwaig vorhandener Zahlungsunwilligkeit oder -fähigkeit einen (weiteren) Prozess führen muss.1 Siehe auch unter dem Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.

2.4827 Demgegenüber rechtfertigt der Umstand, dass rechtshängige Ansprüche nicht oder nur teilweise streitig sind, regelmäßig keine Reduzierung ihres Streitwerts im Hinblick auf den unstreitigen Teil. Vorprozessuale Erklärungen des Beklagten zum Bestand der Forderung bleiben ebenso wie sein Verteidigungsverhalten (Nichtbestreiten, Anerkenntnis) im Prozess auf die Bewertung ohne Einfluss, denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.2 Kostenrechtliche Auswirkungen, wie etwa über § 93 ZPO, sind dagegen nicht ausgeschlossen.

2.4828 Ebenso verhält es sich, wenn bei Rechtsstreitigkeiten auf Zahlung von Unterhalt, der Beklagte einen Teilbetrag freiwillig zahlt, so dass darüber kein Vollstreckungstitel vorliegt. Dass bei der Erhöhungsklage der freiwillig gezahlte Unterhalt betragsmäßig in den bezifferten Klageantrag mithineingenommen wird, um ihn für die Zukunft tituliert zu bekommen, ändert nichts daran, dass die Entscheidung über die Klageforderung auch hinsichtlich des unstreitigen Teils in Rechtskraft erwächst. Siehe unter dem Stichwort „Unterhaltssachen“ im FamFG-Teil Rz. 3.2006 ff.

Transplantationsliste 2.4829 Bei einer Streitigkeit um Aufnahme in die Warteliste für Herztransplantationen handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Ihre Bewertung erfolgt gem. § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Wertbestimmend sind daher nicht die zu erwartenden Behandlungskosten der Herztransplantation sondern das Interesse des Klägers an der Zugehörigkeit zum Empfängerkreis (§ 10 TPG).3 Da es sich um eine zwingende Voraussetzung für eine künftige Transplantation handelt, dürfte sich die Bewertung maßgeblich nach der damit (durchschnittlich) zu erwartenden Lebensverlängerung zu richten haben.

Treuhändereinsetzung 2.4830 Beantragt ein Gesellschafter, für die Gesellschaft einen Treuhänder zu bestellen, weil die Gesellschafter darüber streiten, ob nach dem Tode des persönlich haftenden Gesellschafters noch ein Komplementär vorhanden ist, ist der Streitwert für diesen Antrag auf Einsetzung eines Treuhänders nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bemessen. Es ist auf den Erfolg abzustellen, den diese Maßnahme für den Kläger haben soll. Die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens kommt bei dieser Schätzung erst in zweiter Linie in Betracht.4

2.4831 In ähnlicher Weise bestimmt der BGH5 den Streitwert für Verfahren über die Befugnisse und Pflichten des Testamentsvollstreckers. Maßgeblich sind die jeweils geltend gemachten Ansprüche, was zu

1 2 3 4 5

OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, JurBüro 2010, 303; LAG Hamm, JurBüro 2002, 312. OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2015 – 16 W 64/14: 75.000 t. OLG Hamm, Rpfleger 1956, 140. BGH, Beschl. v. 17.12.2003 – IV ZR 28/03, MDR 2004, 813, RVG-Berater 2004, 82.

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Überbau

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2. Teil

ZPO

einer Streitwertbestimmung als Bruchteil des zu verwaltenden Vermögens führen kann, aber ebenso zu einer Bewertung nach Aufwand an Zeit und Kosten für eine konkrete Tätigkeit.

Überbau A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Beseitigung oder Unterlassung eines Überbaus ist, wie auch bei anderen Klagen auf Entfernung einer Eigentumsstörung, nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu ermitteln.1

2.4832

Abzustellen ist auf das Interesse des Klägers an der Beseitigung des Überbaus. Es deckt sich mit der objektiven Wertminderung, die das Grundstück des Klägers durch den Überbau erleidet.2 Dieser Wertverlust durch eine die Grenze überschreitende bauliche Anlage des Nachbarn bestimmt sich wiederum nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils.3 Ist für eine Beeinträchtigung des nicht überbauten Teil nichts ersichtlich, ist nur der Wert der überbauten Fläche anzusetzen.4

2.4833

Umstritten ist die Streitwertbestimmung, wenn der Beklagte der Beseitigungsklage entgegenhält, er sei durch eine Grunddienstbarkeit zum Überbau berechtigt:

2.4834

– Nach einer Ansicht5 ist auch in diesem Fall nach § 3 ZPO anhand des klägerischen Interesses an der Beseitigung zu schätzen. – Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall nach § 7 ZPO zu bewerten.6 Es genüge dazu, dass der Beklagte die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit im Rechtsstreit einwende. Nach § 3 ZPO dürfe in einem solchen Fall nur bewertet werden, wenn der Bestand der Grunddienstbarkeit unstreitig ist und lediglich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Ausübung der Störung bestehen. Der ersten Meinung ist zuzustimmen: Einwendungen des Beklagten sind für den Streitwert grundsätzlich unerheblich. Das gilt auch für die Einwendung, durch eine Grunddienstbarkeit berechtigt zu sein.7

2.4835

Der Wert eines Verfahrens, in welchem eine Überbaurente geltend gemacht wird, ist nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.8 Maßgeblich ist der 3,5fache Wert des einjährigen Bezugs, wenn nicht – bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts – der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge geringer ist.

2.4836

1 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06; OLG München, Beschl. v. 5.11.1996 – 15 W 2800/96; vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.167. 2 BGH, Beschl. v. 21.1.2016 – V ZB 66/15, MDR 2016, 608; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – V ZB 115/09, NZM 2010, 215; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06. 3 BGH, Beschl. v. 21.1.2016 – V ZB 66/15, MDR 2016, 608; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – V ZB 115/09, NZM 2010, 215. 4 BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06. 5 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.167. 7 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663. 8 BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – V ZB 247/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.1997 – 9 U 91/97, NJW-RR 1998, 1388.

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Überbau

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2. Teil

ZPO

einer Streitwertbestimmung als Bruchteil des zu verwaltenden Vermögens führen kann, aber ebenso zu einer Bewertung nach Aufwand an Zeit und Kosten für eine konkrete Tätigkeit.

Überbau A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Beseitigung oder Unterlassung eines Überbaus ist, wie auch bei anderen Klagen auf Entfernung einer Eigentumsstörung, nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu ermitteln.1

2.4832

Abzustellen ist auf das Interesse des Klägers an der Beseitigung des Überbaus. Es deckt sich mit der objektiven Wertminderung, die das Grundstück des Klägers durch den Überbau erleidet.2 Dieser Wertverlust durch eine die Grenze überschreitende bauliche Anlage des Nachbarn bestimmt sich wiederum nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils.3 Ist für eine Beeinträchtigung des nicht überbauten Teil nichts ersichtlich, ist nur der Wert der überbauten Fläche anzusetzen.4

2.4833

Umstritten ist die Streitwertbestimmung, wenn der Beklagte der Beseitigungsklage entgegenhält, er sei durch eine Grunddienstbarkeit zum Überbau berechtigt:

2.4834

– Nach einer Ansicht5 ist auch in diesem Fall nach § 3 ZPO anhand des klägerischen Interesses an der Beseitigung zu schätzen. – Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall nach § 7 ZPO zu bewerten.6 Es genüge dazu, dass der Beklagte die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit im Rechtsstreit einwende. Nach § 3 ZPO dürfe in einem solchen Fall nur bewertet werden, wenn der Bestand der Grunddienstbarkeit unstreitig ist und lediglich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Ausübung der Störung bestehen. Der ersten Meinung ist zuzustimmen: Einwendungen des Beklagten sind für den Streitwert grundsätzlich unerheblich. Das gilt auch für die Einwendung, durch eine Grunddienstbarkeit berechtigt zu sein.7

2.4835

Der Wert eines Verfahrens, in welchem eine Überbaurente geltend gemacht wird, ist nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.8 Maßgeblich ist der 3,5fache Wert des einjährigen Bezugs, wenn nicht – bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts – der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge geringer ist.

2.4836

1 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06; OLG München, Beschl. v. 5.11.1996 – 15 W 2800/96; vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.167. 2 BGH, Beschl. v. 21.1.2016 – V ZB 66/15, MDR 2016, 608; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – V ZB 115/09, NZM 2010, 215; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06. 3 BGH, Beschl. v. 21.1.2016 – V ZB 66/15, MDR 2016, 608; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – V ZB 115/09, NZM 2010, 215. 4 BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – V ZR 97/06. 5 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.167. 7 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663. 8 BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – V ZB 247/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.1997 – 9 U 91/97, NJW-RR 1998, 1388.

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Überlanges Gerichtsverfahren

ZPO

B. Rechtsmittel und Beschwer 2.4837 Die Frage, welche Kosten für die Beseitigung des Überbaus aufzuwenden sind, findet erst Einfluss in die Bestimmung der Beschwer des in erster Instanz zur Beseitigung verurteilten Beklagten. Für die Bemessung der Beschwer vertritt der BGH die Auffassung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes ggf. auch den Wert des – unveränderten – Streitgegenstandes übersteigen kann.1

2.4838 Führt der Überbau ausnahmsweise nicht zu einem Wertverlust des Grundstücks und hat der Eigentümer dennoch ein Interesse an seiner Beseitigung, so bemisst man die Beschwer nach den ihm durch den Überbau entstandenen Kosten, die ohne diesen nicht angefallen wären.2

Überlanges Gerichtsverfahren A. Allgemeines 2.4839 Nach § 198 Abs. 1 GVG hat Anspruch auf Entschädigung, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten hat. Haftungsschuldner ist der Dienstherr der Richter des Gerichts, für dessen Verfahrensdauer Entschädigung begehrt wird, § 200 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten. Bei einer vorwerfbaren Verzögerung wird ein immaterieller Nachteil für den betroffenen Verfahrensbeteiligten vermutet und – ohne Begrenzung auf den Wert der Hauptsache3 – im Regelfall mit 1.200 t für jedes Jahr der Verzögerung ersetzt, § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG.

B. Zuständigkeitsstreitwert 2.4840 Aufgrund der wertunabhängigen und gem. § 201 GVG ausschließlichen Zuständigkeit des OLG für die gegen ein Bundesland und des BGH für die gegen den Bund gerichtete Entschädigungsklage entfällt die Bestimmung eines Zuständigkeitsstreitwertes.

C. Gebührenstreitwert 2.4841 Als auf Entschädigung gerichtete Klage bestimmt sich der Streitwert für die Gerichtsgebühren nach dem eingeklagten Betrag ohne Zinsen und Kosten. Hat der Kläger zulässigerweise auf Zahlung eines unbestimmten Betrages geklagt, ist entsprechend den Grundsätzen zur Entschädigung nichtvermögensrechtlicher Schäden (§ 253 BGB) der nach dem (insoweit als richtig zu unterstellenden) Klagevorbringen angemessene Entschädigungsbetrag maßgebend. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit, die nach Nr. 3300 VV RVG zu vergüten ist, bestimmt nach dem Streitwert für die Gerichtsgebühren, § 23 RVG.

Überweisungsbeschlüsse 2.4842 Siehe das Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3872 ff. 1 BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 839. 2 BGH, Beschl. v. 12.7.2018 – V ZB 218/17, MDR 2018, 1396. 3 OLG Celle, Urt. v. 16.11.2016 – 23 SchH 7/16, MDR 2017, 233.

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Umsatzsteuer

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2. Teil

ZPO

Umsatzsteuer A. Zuständigkeitsstreitwert Wird eine Forderung (Kaufpreis, Werklohn, Miete, o.Ä.) eingeklagt, so ist die darin enthaltene Umsatzsteuer bei der Streitwertfestsetzung mitzurechnen.1 Es handelt sich keineswegs um Nebenforderungen i.S.d. § 5 ZPO. Dabei ist es gleichgültig, ob die Umsatzsteuer im Klageantrag einfach einbezogen oder gesondert gekennzeichnet und beziffert worden ist.2

2.4843

Auch dann, wenn Schadens- oder Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, ist die in der Klageforderung enthalte Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Eine Berechtigung des Klägers zum Vorsteuerabzug ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da es nur auf den eingeklagten Betrag ankommt, nicht auf die Berechtigung der Forderung.

2.4844

Wird auf Herausgabe geklagt, so ist der Verkehrswert einschließlich Umsatzsteuer maßgebend. Auch hier kommt es auf eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht an.

2.4845

Richtet sich die Klage lediglich auf Feststellung einer Schadens- oder Aufwendungsersatzpflicht, so ist grundsätzlich ebenfalls vom Brutto-Betrag auszugehen. Ist die Partei dagegen nach ihrem eigenen Vorbringen zum Vorsteuerabzug berechtigt, so darf lediglich vom Netto-Betrag ausgegangen werden, da im Falle einer Leistungsklage nur der Netto-Betrag geltend gemacht werden würde.

2.4846

Gleiches dürfte bei der Feststellung einer Schadens- oder Aufwendungsersatzpflicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gelten, wenn der Kläger davon ausgeht, den Schaden in Eigenregie zu reparieren, so dass keine Umsatzsteuer anfällt. Hier kann allerdings die anteilige Umsatzsteuer aus Materialien oder Ersatzteilen zu berücksichtigen sein, die der Geschädigte zur Reparatur in Eigenregie aufwenden muss.

2.4847

Ebenso wird die Umsatzsteuer außer Ansatz zu lassen sein, wenn der Geschädigte eine umsatzsteuerfreie Ersatzbeschaffung vornimmt.

2.4848

Das Gleiche gilt, wenn unbeziffert Deckungsschutz aus einem Versicherungsverhältnis geltend ge- 2.4849 macht wird. Auch hier ist grundsätzlich vom Brutto-Betrag auszugehen, es sei denn, der Versicherer schuldet wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Versicherten unstreitig Deckungsschutz nur i.H.d. Netto-Beträge, so z.B. in der Fahrzeugversicherung nach § 13 AKB3 oder bei einer Deckungsschutzklage aus einer Rechtsschutzversicherung, wenn der Versicherungsnehmer unstreitig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ist die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung dagegen streitig, behauptet dies also lediglich der Gegner, ist dies unerheblich, da es auf den Antrag des Klägers ankommt. Solange sich dieser (auch) eines Anspruchs auf Ersatz der Umsatzsteuer berühmt, ist sie mitzubewerten.

2.4850

Wird lediglich die Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis verlangt, richtet sich der Streitwert nach der Höhe der auszuweisenden Umsatzsteuer, da der Kläger diese im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen kann.4

2.4851

B. Gebührenstreitwert 2.4852

Für den Gebührenstreitwert gelten die gleichen Grundsätze wie zum Zuständigkeitsstreitwert. 1 2 3 4

OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1981 – 17 W 360/81, AnwBl. 1982, 198. LG Hannover, Beschl. v. 10.1.1974 – 24 O 109/72, Nds.Rpfl. 1974, 157. BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1050 m. Anm. Schneider. BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404.

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2. Teil

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Umsatzsteuer

2.4853 Soweit nach § 41 Abs. 1, § 2, § 5 GKG auf das Entgelt für einen bestimmten Zeitraum abgestellt

ZPO

wird, ist die auf das Netto-Entgelt zu zahlende Umsatzsteuer hinzuzurechnen.1

C. Beschwer 2.4854 Bei der Beschwer ist die Umsatzsteuer nach denselben Grundsätzen zu berücksichtigen wie beim Zuständigkeitsstreitwert. Die Beschwer kann auch ausschließlich in der Umsatzsteuer liegen, wenn Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens alleine die Frage ist, ob auch Umsatzsteuer geschuldet ist.

2.4855 Im Falle einer Verurteilung zur Erstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ist der Rechtsmittelkläger i.H.d. auszuweisenden Umsatzsteuer beschwert.2

D. Besonderheiten beim Kostenstreitwert 2.4856 Werden Kosten zur Hauptsache, etwa nach Erledigungserklärung, Hauptsacheanerkenntnis, Klagerücknahme oder in gesonderten Kostenverfahren (Kosten- oder Streitwertbeschwerde, Kostenfestsetzung u.Ä.), so ist die auf die Anwaltskosten und sonstige Parteikosten entfallende Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) grundsätzlich mitzuberechnen.

2.4857 Soweit eine Partei jedoch zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder ausnahmsweise keine Umsatzsteuer anfällt (z.B. in Auslandsfällen oder beim Anwalt in eigener Sache, § 91 Abs. 1 Satz 3 ZPO), bleibt die Umsatzsteuer außer Ansatz, da sie für die betreffende Partei nur ein durchlaufender Posten ist, insbesondere nicht erstattet verlangt werden kann (§§ 91, 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

2.4858 Gleiches gilt für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei Beschwerden in Kostensachen nach § 567 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 ZPO, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG. Auch hier bleibt die Umsatzsteuer außer Ansatz, soweit unstreitig eine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.

2.4859 Beispiel: Im Kostenfestsetzungsverfahren streiten die Parteien über die Berechtigung einer 1,2-Terminsgebühr des Klägers aus dem Wert von 2.000 t (netto 199,20 t), die das Gericht abgesetzt hat. Der Kläger will dagegen Rechtsmittel einlegen. a) Der Kläger ist zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt. b) Der Kläger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Im Fall a) beträgt die Beschwer 199,20 t zzgl. 19 % Umsatzsteuer (37,85 t), insgesamt also 237,05 t. Die Beschwerde ist also zulässig. Im Fall b) beträgt die Beschwer nur 199,20 t. Die Umsatzsteuer bleibt wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung außer Ansatz, da sie ohnehin nicht festsetzungsfähig ist. Die Beschwerde ist in diesem Fall unzulässig. Es bleibt nur die Erinnerung.

1 OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2008 – 2 W 239/08, AGS 2009, 89 = MietRB 2009, 101; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 2009, 46 = MietRB 2009, 132; KG, Beschl. v. 17.6.1999 – 8 W 4592/99, KGReport Berlin 1999, 310; KG, Beschl. v. 15.1.2007 – 12 W 5/07, KGReport Berlin 2007, 566 = ZMR 2007, 534 = NZM 2007, 518; KG, Beschl. v. 29.3.2005 – 8 W 20/05, KGReport Berlin 2005, 525 = GuT 2005, 179; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2000 – 4 W 53/00, AGS 2001, 204; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7.2011 – 24 W 59/11, JurBüro 2011, 645; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2010 – 24 W 68/10, JurBüro 2011, 199 = MietRB 2011, 177. 2 BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404.

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Unbezifferte Anträge

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2. Teil

ZPO

Umsatzsteuerausweis A. Zuständigkeitsstreitwert Verlangt der Kläger die gesonderte Ausweisung der Umsatzsteuer in einer Rechnung, so richtet sich der Streitwert nach dem Betrag der auszuweisenden Umsatzsteuer.1 Sein Interesse besteht nämlich darin, die Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs zurückerstattet zu erhalten bzw. mit eigenen Steuerschulden verrechnen zu können. Das Gleiche gilt, wenn aus anderen Gründen eine ordnungsgemäße Rechnung zum Zwecke des Vorsteuerabzugs verlangt wird.

2.4860

Verlangt der Kläger die Ausweisung eines höheren Umsatzsteuersatzes als ausgewiesen (etwa 19 % statt 7 %), richtet sich der Wert nach der streitigen Differenz.

2.4861

B. Gebührenstreitwert Für den Gebührenstreitwert gelten die gleichen Bewertungen wie für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

2.4862

C. Beschwer 2.4863

Bei der Beschwer ist zu differenzieren: – Für den Kläger richtet sich die Beschwer nach dem auszuweisenden Umsatzsteuerbetrag. – Für die Beschwer des beklagten Rechnungsausstellers kommt es darauf an, ob die im Rechnungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer unstreitig ist oder nicht: Ist unstreitig, dass in dem Rechnungsbetrag Umsatzsteuer enthalten ist, dürfte sich die Beschwer für ihn lediglich auf die Kosten belaufen, die mit der Erstellung der Rechnung verbunden sind, denn die Umsatzsteuer muss unabhängig davon abgeführt werden, ob sie ausgewiesen ist oder nicht. Es gilt hier nichts anderes als bei einem Auskunftsanspruch (s. das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481).

2.4864

Bestreitet der Rechnungsaussteller dagegen, dass in dem Rechnungsbetrag Umsatzsteuer enthalten ist, ist wiederum der volle Wert maßgebend, da der Rechnungsaussteller im Falle der Ausweisung die Umsatzsteuer auch abführen muss.2

2.4865

Ist nur die Höhe des Umsatzsteuersatzes streitig, richtet sich der Wert nach der streitigen Differenz.

2.4866

Unbezifferte Anträge Literatur: E. Schneider, Die Bindung des Gerichts an eine Wertvorstellung des Schmerzensgeldklägers, MDR 1985, 992; Butzer, Prozessuale und kostenrechtliche Probleme beim unbezifferten Klageantrag, MDR 1992, 539; Mertins, Der unbezifferte Klageantrag – und kein Ende?, VersR 2006, 47.

1 BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404. 2 BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404.

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2. Teil

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Unbezifferte Anträge

ZPO

A. Einleitung 2.4867 Grundsätzlich müssen Leistungsanträge wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beziffert gestellt werden. Nach allgemeiner Auffassung sind aber unbezifferte Anträge zulässig, wenn die Anspruchshöhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.1 Der praktisch wichtigste Fall sind die Schmerzensgeldansprüche. Die Schätzungsgesichtspunkte sind dementsprechend dieselben wie diejenigen für die Bemessung der „billigen Entschädigung“ nach § 253 Abs. 2 BGB.2 Es gibt aber auch durchaus andere Fälle zulässiger unbezifferter Anträge, etwa bei Enteignungsentschädigungen.

2.4868 Wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss freilich auch bei zulässigen unbezifferten Anträgen die allgemeine Größenordnung des klägerischen Begehrens erkennbar sein.3 Dazu muss der Kläger eine zumindest ungefähre Größen der von ihm begehrten Forderung angeben.

2.4869 Bei der Kostenverteilung ist die klägerprivilegierende Vorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu beachten.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.4870 Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.4

2.4871 Der nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG festzusetzende Streitwert entspricht dabei grundsätzlich dem angemessenen Betrag, der dem Kläger zuzusprechen wäre, wenn der von ihm vorgetragene Sachverhalt wahr ist.5 Maßgebender Zeitpunkt ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG die Einreichung der Klage.6

2.4872 Ebenso ist der Streitwert festzusetzen, wenn der Kläger eine unverbindliche Größenordnung angegeben hat, die nicht bindend sein soll. Das Gericht kann den angegebenen Rahmen dann bei der Streitwertfestsetzung über- oder unterschreiten.7

2.4873 Ein vom Kläger angegebener Mindestbetrag ist dagegen die verbindliche Untergrenze des festzusetzenden Streitwerts.8 Hält das Gericht nach dem vorgetragenen Sachverhalt nur eine geringere Summe für angemessen als den geforderten Mindestbetrag, ist der Mindestbetrag festzusetzen. Sieht das Gericht einen höheren Betrag als angemessen an, ist der für angemessen erachtete höhere Betrag der Streitwert. Sollte der Kläger einen verbindlichen Höchstbetrag angegeben haben (was praktisch seltener vorkommen dürfte) bildet dieser wiederum die Obergrenze des Streitwerts.9 1 Zöller/Greger, § 253 ZPO Rz. 14. 2 Husmann, VersR 1985, 718. 3 BGH, Urt. v. 9.7.1974 – VI ZR 236/73, VersR 1974, 1182; BGH, Beschl. v. 21.6.1977 – VI ZA 3/75, VersR 1977, 861; BGH, Urt. v. 13.10.1981 – VI ZR 162/80, MDR 1982, 313; BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 23/81, MDR 1983, 300 = NJW 1983, 332; BGH, Urt. v. 15.5.1984 – VI ZR 155/82, MDR 1985, 40; BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886. 4 Stein/Jonas/Roth, § 2 ZPO Rz. 108. 5 BGH, Urt. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886; BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – X ZR 104/09, MDR 2012, 875; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.1984 – 2 W 22/84, GRUR 1984, 653; KG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 W 9/10, MDR 2010, 888; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260. 6 KG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 W 9/10, MDR 2010, 888. 7 BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – X ZR 104/09, MDR 2012, 875; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.4.2013 – 10 W 20/13; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.11.1994 – 4 U 127/94; Stein/Jonas/Roth, § 2 ZPO Rz. 106. 8 KG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 W 9/10, MDR 2010, 888; OLG Dresden, Beschl. v. 19.2.2003 – 6 W 73/03; OLG München, Beschl. v. 15.6.2007 – 1 W 1734/07. 9 BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886.

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Unerlaubte Handlung

2. Teil

Ob es sich bei Angaben des Klägers um verbindliche Mindest-/Höchstbeträge oder unverbindliche 2.4874 Größenangaben handelt, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Im Bedarfsfall hat das Gericht den Kläger zu einer klarstellenden Erklärung aufzufordern. Die Unterscheidung hat nicht nur für den Streitwert Bedeutung. Das Gericht dürfte wegen § 308 Abs. 1 ZPO dem Kläger keine Forderung zusprechen, die den angegebenen verbindlichen Höchstbetrag übersteigt. Bei einer bloß unverbindlichen Größenangabe verstößt dagegen auch eine erhebliche Überschreitung dieses Betrages nicht gegen die Antragsbindung.1

C. Rechtsmittel und Beschwer Hat der Kläger einen verbindlichen Mindestbetrag angegeben gehabt, ist bei der Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer ausschließlich auf die Differenz der zuerkannten Summe zum geforderten Mindestbetrag abzustellen.2 Die Abweichung von einer neben dem Mindestbetrag angegebenen unverbindlichen Größenordnung ist unerheblich.3 Die Beschwer richtet sich damit nicht nach der Abweichung des zugesprochenen von einem angemessenen Betrag.4

2.4875

Hat der Kläger dagegen keinen Mindestbetrag angegeben, ist die Ermittlung seiner Beschwer kompli- 2.4876 zierter. Auch hier ist aber nicht allein auf die Abweichung des zugesprochenen vom objektiv angemessenen Betrag abzustellen, weil die Angabe einer Größenordnung dann bedeutungslos wäre.5 Der Kläger ist daher nur beschwert, wenn das Gericht von seiner unverbindlichen Größenangabe nach unten abgewichen ist. Anders als bei der Abweichung von einem Mindestbetrag reicht aber nicht jedes Zurückbleiben hinter der klägerischen Vorstellung für eine Beschwer aus. Vielmehr muss die Abweichung wesentlich sein.6 Das wird man grundsätzlich erst annehmen dürfen, wenn die zugesprochene Summe die angegebene Größenordnung um 20 % unterschreitet.7 Das erscheint sachgerecht, weil eine Abweichung von weniger als 20 % wegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine volle Kostenlast des Beklagten rechtfertigt.8 Sieht man folglich den Kläger bei der Kostenverteilung als quasi voll obsiegend an, ist es konsequent, diese Bewertung auf die Beschwer zu übertragen. Die Beschwer des unterlegenen Beklagten entspricht dagegen regelmäßig dem Betrag, zu dessen Zahlung er verurteilt worden ist.

2.4877

Unerlaubte Handlung 2.4878

Siehe das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1565–2.1569.

1 BGH, Urt. v. 10.10.2002 – III ZR 205/01, MDR 2003, 26. 2 BGH, Urt. v. 2.10.2001 – VI ZR 356/00, MDR 2002, 49; BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZR 52/15, MDR 2016, 788 m. Anm. Fischer, MDR 2016, 867; BGH, Beschl. v. 31.10.2018 – XII ZR 90/17, MDR 2019, 180. 3 BGH, Beschl. v. 31.10.2018 – XII ZR 90/17, MDR 2019, 180. 4 BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZR 52/15, MDR 2016, 788 m. Anm. Fischer, MDR 2016, 867; OLG Hamm, Urt. v. 14.6.1999 – 6 U 116/98, r+s 2000, 20. 5 BGH, Urt. v. 2.2.1999 – VI ZR 25/98, MDR 1999, 545. 6 BGH, Urt. v. 24.9.1991 – VI ZR 60/91, MDR 1992, 519; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – III ZR 153/92, MDR 1994, 511; OLG Köln, Beschl. v. 21.8.1987 – 20 U 95/87, MDR 1988, 62. 7 Elzer, FD-ZVR 2016, 378061. 8 KG, Beschl. v. 4.5.2005 – 5 W 168/04, AGS 2005, 304; Zöller/Herget, § 92 ZPO Rz. 12.

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2. Teil

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Unfallfinanzierung

ZPO

Unfallfinanzierung 2.4879 Bearbeitungsgebühren, die anlässlich einer Unfallfinanzierung angefallen sind, stellen keine Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG dar, sondern erhöhen den Streitwert.1 Siehe hierzu ausführlich unter dem Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175.

Unterbrechung des Verfahrens 2.4880 Siehe das Stichwort „Verfahrensruhe“, Rz. 2.5047 f.

Unterlassung A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vermögensrechtliche Streitigkeiten 2.4881 Es gibt keine besonderen Vorschriften für den Streitwert von Unterlassungsklagen. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Wertbestimmend ist die Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten zu besorgen ist.3

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten 2.4882 Bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG. Der Zuständigkeitsstreitwert ist dagegen nach § 3 ZPO zu bestimmen. Er ist dennoch identisch, weil beim Gebrauch des freien Ermessens die Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG heranzuziehen sind.4 Die Kostengesetze können gesetzgeberische Wertungen für die Wertbestimmung enthalten, die bei der Ermessensausübung nach § 3 ZPO beachtlich sind.

III. Klagehäufung 2.4883 Wird der nichtvermögensrechtliche Unterlassungsanspruch mit einem vermögensrechtlichen Folgeanspruch verbunden, so ist nach § 48 Abs. 3 GKG nur der höherwertige Anspruch maßgebend.5 Der Wert eines mit dem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch gleichzeitig begehrten Widerrufs wird hingegen addiert,6 ebenso ein Anspruch auf Gegendarstellung oder Richtigstellung.7

1 2 3 4 5

A.A. OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1973 – 2 W 21/73, JMBl.NW 1974, 45. OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 246. OLG Hamm, Beschl. v. 8.11.2013 – 9 W 66/13, MDR 2014, 561 = NJW-RR 2014, 894. BGH, Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZR 202/09. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358. 7 BGH, Urt. v. 17.11.2015 – VI ZR 492/14, MDR 2016, 110.

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2. Teil

Werden Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz verbunden, hat der Unterlassungsanspruch jedenfalls im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs einen höheren Wert.1 Beide Ansprüche sind getrennt zu bewerten und gem. § 5 ZPO, § 39 GKG sind die Werte zusammenzurechnen. Gleiches gilt, wenn mit dem Antrag auf Unterlassung zugleich der Antrag auf Verurteilung zum Widerruf gestellt wird. Dann ist für jeden Antrag jeweils ein gesonderter Streitwert festzusetzen und die Summe beider Werte Bemessungsgrundlage.2

2.4884

ZPO

Unterlassung

Der Anspruch auf öffentliche Bekanntmachung des Urteils hat neben dem Unterlassungsanspruch 2.4885 einen eigenen Wert.3 Der Wert richtet sich nicht nach der Höhe der Veröffentlichungskosten, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Veröffentlichung, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist. Zu den Einzelheiten s. das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“, Rz. 2.5420–2.5421. Verfolgen mehrere Kläger im Wege der subjektiven Klagehäufung ein identisches Unterlassungs- 2.4886 begehren, erfolgt keine Zusammenrechnung nach § 5 ZPO, sondern es ist vom höchsten Interesse eines Klägers auszugehen.4 Für jeden weiteren Kläger hat dann ein Zuschlag in der Höhe zu erfolgen, die seinem Interesse daran entspricht, den titulierten Anspruch ggf. selbständig geltend machen zu können.5

B. Rechtsmittel und Beschwer Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Beklagten richtet sich nach den Nachteilen, die ihm aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen.6 Der Wert entspricht regelmäßig dem Wert des klägerischen Interesses an der Verurteilung des Beklagten.7 Unerheblich sind dagegen die Nachteile, die für den Beklagten mit einer Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot verbunden sind (etwa die Festsetzung eines Ordnungsgeldes).8

C. ABC der Einzelfälle Stichwortübersicht Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . Besitz- und Eigentumsstörung . . . . . . . . . . Bezugsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computerprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie- und Wasserversorgung . . . . . . . . . Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsschädigende Äußerungen . . . . . . . Konkurrenzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.4888 2.4889 2.4890 2.4891 2.4892 2.4893 2.4894 2.4895 2.4896 2.4897

Lärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4898 Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4899 Negativmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4900 Parken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4900a Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4901 Schutzrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . 2.4902 Verbraucherschutzgesetzwidrige Praktiken . 2.4903 Verunreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4904 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4905 Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4906

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358. 3 BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, MDR 2013, 117; BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16, MDR 2016, 1282. 4 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285. 5 KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285; OLG Dresden, Beschl. v. 11.3.2019 – 4 W 171/19, AGS 2019, 185. 6 BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – III ZR 95/17; BGH, Beschl. v. 19.1.2016 – VI ZB 69/14. 7 BGH, Beschl. v. 29.3.2018 – I ZR 11/18, GRUR 2018, 655. 8 BGH, Beschl. v. 19.1.2016 – VI ZB 69/14.

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2.4887

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2. Teil

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Unterlassung

ZPO

Allgemeine Geschäftsbedingungen

2.4888 Der Wert von Verbandsklagen nach dem UKlaG auf Unterlassung der Verwendung bestimmter AGB ist gem. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Klauselbeseitigung zu bemessen, nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Verwendungsverbots.1 Der Streitwert beträgt gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GKG höchstens 250.000 t. Das soll die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis vor Kostenrisiken schützen.2 Da der Begriff des Interesses der Allgemeinheit an dem Verbot naturgemäß unscharf ist, geht der BGH in ständiger Rechtsprechung von einem Regelstreitwert von 2.500 v für jede Klausel aus, die verboten werden soll.3 Ältere Entscheidungen, die Regelwerte von (umgerechnet) 1.500 t annehmen,4 sind überholt. Weitere Einzelheiten kann man beim Stichwort „Allgemeine Geschäftsbedingungen“, Rz. 2.77 ff. nachschlagen. Besitz- und Eigentumsstörung

2.4889 Siehe dazu die Stichwörter „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff. sowie „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff. Bezugsverpflichtung

2.4890 Der Antrag, den Beklagten aufgrund einer Bezugsverpflichtung unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verurteilen, seinen gesamten Bedarf an einer Ware nur beim Kläger zu decken, und der Antrag, den Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes zur Unterlassung des anderweitigen Bezuges dieser Ware zu verurteilen, haben denselben Gegenstand. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers an einer solchen Klage ergibt sich aus dem Gewinnausfall, der durch die Klage verhindert werden soll.5 Es ist vom durchschnittlichen Jahresgewinnausfall des Klägers auszugehen, wobei hinsichtlich des zeitlichen Interesses die in § 9 ZPO enthaltenen Grundsätze angewendet werden können.6 Computerprogramm

2.4891 Der Streitwert für einen Antrag, es zu unterlassen, ein aktuelles Computerspiel auf einer Tauschbörse zum Herunterladen bereitzuhalten, kann regelmäßig mit 15.000 t angesetzt werden.7

Ehre

2.4892 Der Streitwert einer Klage auf Unterlassung ehrverletzender Behauptungen bestimmt sich nach § 48 Abs. 2 GKG. Wird daneben noch ein aus der Ehrverletzung hergeleiteter vermögensrechtlicher Folgeanspruch (i.d.R. Schadensersatz oder Schmerzensgeld) geltend gemacht, ist § 48 Abs. 3 GKG zu beachten. Der Streitwert bestimmt sich in einem solchen Fall nur nach dem höheren Anspruch.8 Weitere Einzelheiten schlage man beim Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“, Rz. 2.994 ff. nach.

1 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352. 2 BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694. 3 BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 – IV ZR 211/11; BGH, Beschl. v. 19.1.2017 – III ZR 296/16. 4 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352. 5 KG, JurBüro 1969, 1195. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 5.7.1984 – 1 W 47/84, JurBüro 1985, 441. 7 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 43/15; OLG Köln, Beschl. v. 9.8.2011 – 6 W 165/11; OLG Schleswig, Beschl. v. 14.6.2016 – 6 W 6/16. 8 OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491.

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Unterlassung

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2. Teil

Das Begehren des Grundversorgers, die Versorgung zu unterbrechen, wird vielfach mit dem Wert von sechs Monatsabschlagszahlungen beziffert.1 Das Begehren des Kunden, der Versorger solle die Versorgung nicht unterbrechen, richtet sich an dem Interesse des Kunden aus, die damit verbundenen Nachteile zu vermeiden.2 Fehlen genügende Anhaltspunkte für die Wertbemessung, mag man auf den Wert des § 36 Abs. 3 GNotKG zurückgreifen können.3 Wegen der Einzelheiten der umstrittenen Bewertung des Streitwerts der Hauptsache wird auf das Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“, Rz. 2.1238 ff. wegen des Streitwertes im Eilverfahren auf das Stichwort „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1154 verwiesen.

2.4893

Forderung Eine begehrte Verurteilung zur Unterlassung der Verfügung über eine Forderung ist nicht geeignet, 2.4894 eine endgültige Regelung der einschlägigen Verhältnisse zwischen den Parteien herbeizuführen. Der Streitwert muss deshalb hinter dem Betrag der betroffenen Forderung zurückbleiben. Das Interesse des Klägers kommt jedoch dem vollen Wert nahe.4 Siehe auch die Stichworte „Erwerbsverbot“, Rz. 2.1423 ff. und „Veräußerungsverbot“, Rz. 2.5016 ff. Geschäftsschädigende Äußerungen

2.4895

Siehe das Stichwort „Geschäftsschädigende Äußerungen“, Rz. 2.1761 ff. Konkurrenzverbot

2.4896

Siehe das Stichwort „Konkurrenzverbot“, Rz. 2.2600 ff. Kraftfahrzeug Der Streitwert einer Unterlassungsklage, mit der das Verbot begehrt wird, Grundstücke mit Kraftfahrzeugen zu befahren und sie dort abzustellen, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.5 Siehe dazu auch Rz. 2.4900a, „Parken“.

2.4897

Lärm Siehe dazu die Stichworte „Immissionen“, Rz. 2.2318 ff. und „Eigentums- und Besitzstörung“, Rz. 2.1035 ff.

2.4898

Makler Der Streitwert der Klage eines Maklers gegen einen aus seinem Betrieb ausgeschiedenen bisherigen Angestellten auf Unterlassung, entsprechend der früheren vertraglichen Vereinbarung bestimmte, ihm während seiner Angestelltenzeit bekannt gewordene Objekte im eigenen Namen zu vermitteln, ist mit etwa 1/5 der aus den fraglichen Geschäften erwarteten Provisionen anzunehmen.6

2.4899

Negativmitteilung Siehe dazu die Stichworte „Datenschutzrechtliche Ansprüche“, Rz. 2.873 ff. und „Schufa-Eintragung“, Rz. 2.4494 ff. 1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 112/11. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2007 – 5 W 503/07. 3 LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.9.2013 – 1 T 146/13, das auf den damaligen § 30 KostO abgestellt hat. 4 KG, Beschl. v. 2.7.1958 – 15 W 970/58, Rpfleger 1962, 154. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.1971 – 4 U 17/70, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 355.

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2.4900

ZPO

Energie- und Wasserversorgung

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2. Teil

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Unterlassung

ZPO

Parken

2.4900a Regelmäßig angemessen sind Streitwerte von 1.500 t bis 2.000 t für Begehren eines Unternehmers, das unberechtigte Abstellen von Kfz auf seinen Kundenparkplätzen zu unterlassen.1 Sein Interesse kann nicht schematisch allein nach den Kosten für eine Anmietung der Parkplatzfläche berechnet werden. Dabei bliebe der maßgebliche, vom Falschparken beeinträchtigte Zweck des Kundenparkplatzes unberücksichtigt, das Geschäft des Unternehmers zu fördern.2 Revision

2.4901 Bei der befristeten Unterlassungsklage ist der Streitwert nach dem Interesse des Revisionsklägers zu bemessen, nicht mehr zur Unterlassung verpflichtet zu sein, und weiter nach dem Interesse, die „Feststellungswirkung“ des Unterlassungsurteils zu beseitigen.3 Schutzrechtsverletzungen

2.4902 Siehe dazu die Stichworte „Design“, Rz. 2.904–2.906., „Gebrauchsmuster“, Rz. 2.1665, 2.1666, „Marke“, Rz. 2.2895–2.2899, „Patent“, Rz. 2.3850–2.3852 und „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4909– 2.4911. Verbraucherschutzgesetzwidrige Praktiken

2.4903 Der Streitwert einer Verbandsklage nach § 2 UKlaG auf Unterlassung verbraucherschutzgesetzwidriger Praktiken wird wie bei der Verbandsklage auf Unterlassung des Gebrauchs von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG nach freiem Ermessen geschätzt, jedoch gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GKG auf höchstens 250.000 t begrenzt. Maßgebend ist ausschließlich das Interesse der Allgemeinheit, die gesetzwidrige Praxis zu verbieten.4 Es besteht ein Regelstreitwert von 2.500 v für jede streitgegenständliche Praxis.5 Verunreinigung

2.4904 Der Streitwert einer Klage auf Unterlassung der Verunreinigung von Brunnenwasser durch Jauche ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit, deren Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen ist.6 Werbung

2.4905 Siehe dazu die Stichworte „Werbung, unverlangte“, Rz. 2.5797 ff., „E-Mail“, Rz. 2.1227 ff. und „Telefax, unerwünschtes“, Rz. 2.4802 ff. Wettbewerb

2.4906 Siehe dazu das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“, Rz. 2.1828 ff.

1 2 3 4

AG Kleve, Urt. v. 10.7.2020 – 3 C 223/19. OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.1992 – 2 W 26/92, NJW-RR 1993, 191. BGH, Beschl. v. 6.3.1969 – VII ZR 193/68, LM Nr. 37 zu § 3 ZPO. BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VIII ZR 161/19, WRP 2021, 60; BGH, Beschl. v. 10.4.2018 – VIII ZR 247/17, MDR 2018, 818; BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564. 5 BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VIII ZR 161/19, WRP 2021, 60; BGH, Beschl. v. 10.4.2018 – VIII ZR 247/17, MDR 2018, 818; BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – VIII ZR 277/17, MDR 2019, 564 m. Anm. Seggewiße, MDR 2019, 650. 6 LG Koblenz, Beschl. Beschl. v. 7.12.1966 – 3 T 134/66, JurBüro 1967, 894.

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Urheberrecht, Verlagsrecht

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2. Teil

2.4907

Siehe das Stichwort „Einrede, Einwendung“, Rz. 2.1077, 2.1078.

Urheberrecht, Verlagsrecht A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Die Bemessung des Streitwerts hängt vom konkreten Klageantrag ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.

2.4908

I. Unterlassungsklagen Der Streitwert der Klage auf Unterlassung der Verletzung des Urheber- und Verlagsrechts bemisst sich nach dem gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG frei zu schätzenden Interesse des Klägers.1 Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem UrhG geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sog. Angriffsfaktor).2

2.4909

Bei dessen Bewertung kann man die dem Urheber durch die Verletzung entstehenden Umsatzein- 2.4910 bußen3 und entgehenden Lizenzeinnahmen,4 die Nachahmungsgefahr durch Dritte5 und den drohenden Verletzungsumfang berücksichtigen.6 Beim Angriffsfaktor kann zudem berücksichtigt werden, ob der Verletzer vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt hat.7 Generalpräventive Abschreckungszwecke haben dagegen nach zutreffender herrschender Auffassung außer Betracht zu bleiben, weil dem deutschen Privatrecht generalpräventive Erwägungen fremd sind.8 Bei Verletzung einer Vielzahl von Werken steigt der Streitwert nicht linear, sondern degressiv.9 Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG sind Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG, wenn sie mit dem Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden. Werden sie dagegen nicht mit dem Unterlassungsanspruch, sondern mit einem Schadensersatzanspruch zusammen geltend gemacht, sind sie eine Hauptforderung.10 § 97a Abs. 3 Satz 2-4 UrhG begrenzt den Gegenstandswert für die erstat1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.8.2016 – 1 W 28/16, CR 2017, 272; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.1954 – 6 W 8/54, GRUR 1954, 228. 2 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2013 – 20 W 81/12. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.8.2016 – 1 W 28/16, CR 2017, 272. 5 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466. 6 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466. 7 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466. 8 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2013 – 20 W 81/12; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.8.2013 – 6 W 31/13, NJW-RR 2014, 227; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2004 – 5 W 3/04, GRUR-RR 2004, 342; OLG Rostock, Beschl. v. 14.11.2006 – 2 W 25/06. 9 OLG Köln, Urt. v. 11.1.2019 – 6 U 10/16 – „Palast der Republik“ (156.000 t bei unbefugter Nutzung von 52 künstlerisch hochwertigen Fotos); OLG Köln, Beschl. v. 11.7.2016 – 6 W 71/16, 6 W 80/16 (36.000 t bei unbefugter Nutzung von 700 einfachen Produktfotos bei eBay). 10 BGH, Urt. v. 6.12.2017 – I ZR 186/16, MDR 2018, 416; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.2019 – 3 U 1387/19, MDR 2020, 111.

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2.4911

ZPO

Unzuständigkeit

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2. Teil

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Urheberrecht, Verlagsrecht

ZPO

tungsfähigen Kosten der Abmahnung gegenüber Verbrauchern grundsätzlich auf 1.000 t. Gegenüber gewerblich handelnden Verletzern gilt die Obergrenze nicht.1

II. Feststellungsklagen 2.4912 Der Streitwert einer Klage über die Wirksamkeit der Beendigung eines Verlagsvertrages ist ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu bewerten.2 § 41 Abs. 1 GKG ist nicht analog anzuwenden.3 Sind die urheberrechtlichen Nutzungsrechte – wie üblich – für die gesamte Schutzdauer übertragen, gilt § 9 ZPO nicht.4 Bei der Schätzung sind die in der Vergangenheit erzielten Erträge zu berücksichtigen.5 Bei Verlagsverträgen über die Verwertung von Liedern, die mehr als zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung noch regelmäßig hohe Erträge abwerfen, kann man das Interesse mit dem Fünffachen der in den letzten Jahren vor Klageinreichung erzielten durchschnittlichen Jahreserträge bemessen.6

III. Auskunftsklagen 2.4913 Der Streitwert einer Klage auf Auskunft nach § 101 UrhG oder Besichtigung nach § 101a UrhG ist mit einem Bruchteil des Wertes des Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruches zu bewerten, dessen Geltendmachung er vorbereiten soll.7 Der Bruchteil liegt bei 1/10 bis 1/4, je nachdem wie stark der Kläger auf die Auskunft oder Besichtigung angewiesen ist, um seinen Hauptanspruch geltend machen zu können.8 Die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten ist dagegen grundsätzlich mit dem Zeit- und Kostenaufwand der Auskunftserteilung zu bewerten.9 Eine Klage auf Auskunft und Rechnungslegung nach § 14 VerlG ist mit einem Bruchteil des erwarteten Absatzhonorars zu bewerten, da die Ansprüche der Vorbereitung einer Honorarklage dienen. Das OLG Hamburg hat dafür 2.800 DM angesetzt.10

IV. Vorschaltverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG 2.4914 Man braucht keinen Zuständigkeitsstreitwert zu ermitteln, weil nach § 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG die LG für das Verfahren sachlich ausschließlich zuständig sind. Es ist auch kein Gebührenstreitwert festzusetzen. Die Gerichtsgebühren werden nach Nr. 15213 KV GNotKG streitwertunabhängig als Festgebühr erhoben.

2.4915 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist mit einen Bruchteil des Interesses des Verletzten an der Durchsetzung der Hauptansprüche anzusetzen, weil das Verfahren nach § 101 UrhG ein Vorschaltverfahren zu einem Auskunftsanspruch ist, der Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche gegen den zu ermittelnden Verletzer vorbereitet.11 Wenn keine besonderen tatsächlichen Umstände Anhaltspunkte für eine höhere oder niedrigere Festsetzung geben, liegt dem Vorschaltverfahren der Re1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

LG Frankenthal, Urt. v. 26.2.2019 – 6 O 165/18. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, 5 W 74/07. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, 5 W 74/07. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, 5 W 74/07. KG, Ufita Bd. 76, 352. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, 5 W 74/07. KG, Beschl. v. 31.10.2003 – 5 W 103/03; KG, Beschl. v. 13.7.2010 – 5 W 123/09; vgl. auch LG Hamburg, Urt. V. 22.6.2018 – 308 O 343/16, das im konkreten Fall rund 1/3 angesetzt hat. OLG Braunschweig, Beschl. v. 22.10.2019 – 2 W 76/19, MMR 2020, 254. BGH, Beschl. v. 7.10.2020 – I ZR 28/20. Siehe dazu im Übrigen das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.498–2.505. OLG Hamburg, Urt. v. 4.7.2002 – 3 U 55/99. BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – I ZR 27/09.

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Urheberrecht, Verlagsrecht

2. Teil

Der Auffangwert von 5.000 t gilt grundsätzlich auch für die Beschwerde des Rechteinhabers gegen die Ablehnung der Anordnung.3 Bei der Beschwerde des überwachten Anschlussinhabers entspricht der Beschwerdewert dagegen dem Betrag, den der Rechteinhaber gegen ihn geltend machen will.4

ZPO

gelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG von 5.000 t zugrunde.1 Dies gilt auch bei mehreren mitgeteilten IPAdressen, wenn mit dem Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG die Verletzung eines einzigen Werks geltend gemacht wird.2

2.4916

B. ABC der Einzelfälle Brettspiel Ansprüche auf Unterlassung von Urheber- und Verlagsrechtsverletzungen bei Brettspielen sind unter Berücksichtigung von Auflagenhöhe, Preis und denkbarem Absatzgebiet zu bewerten.5

2.4917

Buch Bei der Bewertung der Urheber- und Verlagsrechtsverletzung von Büchern können Auflagenhöhe und Preis sowie die denkbaren Absatzgebiete der Bücher berücksichtigt werden.6 Daher ist bei urheberund verlagsrechtsverletzenden Übersetzungen die Sprache ein wertbestimmender Gesichtspunkt. Wegen der geringeren Zahl der Sprecher ist daher eine ungenehmigte Übersetzung ins Finnische geringer zu bewerten als eine Übersetzung ins Spanische.

2.4918

Computerspiel Der Streitwert für einen Antrag, es zu unterlassen, ein aktuelles Computerspiel auf einer Tausch- 2.4919 börse zum Herunterladen bereitzuhalten, kann regelmäßig mit 15.000 t angesetzt werden.7 Fernsehen Die ungenehmigte Ausstrahlung der Sportübertragung eines Bezahlfernsehsenders in einer kleinen Gaststätte wurde mit 5.001 t bewertet.8

2.4920

Film Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinen im Inter- 2.4921 net zum Herunterladen angeboten, ist ein Streitwert von mindestens 10.000 t regelmäßig angemessen.9 Das OLG Köln geht regelmäßig von 15.000 t aus.10 Bei aktuellen Kassenschlagern sind höhere Streitwerte geboten.

1 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16; OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159; OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10. 2 OLG München, Beschl. v. 14.2.2011 – 6 W 1900/10. 3 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16. 4 OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2016 – 6 W 21/16. 5 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.1954 – 6 W 8/54, GRUR 1954, 228 (zu Büchern). 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.1954 – 6 W 8/54, GRUR 1954, 228. 7 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 43/15; OLG Köln, Beschl. v. 9.8.2011 – 6 W 165/11; OLG Schleswig, Beschl. v. 14.6.2016 – 6 W 6/16. 8 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.8.2016 – 1 W 28/16, CR 2017, 272. 9 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 1/15, MDR 2016, 1466. 10 OLG Köln, Beschl. v. 20.1.2014 – 6 U 175/13.

Seggewiße

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2. Teil

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

ZPO

Foto

2.4922 Bei ungenehmigter Verwendung eines Fotos durch einen Unternehmer ist der Streitwert grundsätzlich mit 6.000 t,1 bei ungenehmigter Verwendung eines ohne Kopierschutz und ausdrücklichen Rechtevorbehalt ins Internet gestellten Lichtbildes durch einen Verbraucher oder Kleingewerbetreibenden mit 3.000 t zu bemessen.2 Bei künstlerisch wertvollen Bildern ist ein höherer Wert anzusetzen als bei einfachen Produktabbildungen.3 Landkarte

2.4923 Die Unterlassungsklage eines Verlages, einen von ihm erstellten Stadtplan nicht länger auf der Internetseite einer Stadtverwaltung öffentlich zugänglich zu machen, ist mit 7.500 t bewertet worden.4 Mit 1.950 t wurde der Unterlassungsanspruch gegen einen Privaten bewertet, Teile einer Deutschlandkarte im Internet zugänglich zu machen.5 Musik

2.4924 Der Streitwert eines Antrages auf Unterlassung des Angebots urheberrechtlich geschützter Werke in

einer Tauschbörse kann bei einem einzelnen Lied auf 2.500 t6 bis 3.000 t,7 bei einem aktuellen Hit auch auf 6.000 t,8 festgesetzt werden. Bei ganzen Musikalben sind regelmäßig 10.000 t angemessen.9 Der Streitwert für das Einstellen einer urheberrechtswidrigen Bootleg-DVD (illegaler Musikmitschnitt) auf eBay ist mit 10.000 t zu bemessen;10 beim Einstellen einer (Doppel-)LP kommt ein niedrigerer Streitwert in Betracht.11 Das Interesse am Fortbestand von Verlagsverträgen über die Verwertung von Liedern, die mehr als zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung noch regelmäßig hohe Erträge abwerfen, kann man mit dem Fünffachen der in den letzten Jahren vor Klageinreichung erzielten durchschnittlichen Jahreserträge bemessen.12

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess A. Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

B. Nachverfahren und ordentliches Verfahren nach Abstandnahme

I. Zuständigkeitsstreitwert 1. Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4925 2. Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4934

I. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.4944

II. Gebührenstreitwert 1. Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4938 2. Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4940

II. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . . . . . . . 2.4945 III. Streitwert für die Gerichtsgebühren 1. Einheitliche Festsetzung . . . . . . . . . . . 2.4946 2. Bewertung a) Nachverfahren

III. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . . . . . . . 2.4942 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Köln, Beschl. v. 25.8.2014 – 6 W 123/14, WRP 2014, 1236. OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2011 – 6 W 256/11. OLG Köln, Urt. v. 11.1.2019 – 6 U 10/16 – „Palast der Republik“. OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.2.2019 – 4 U 37/18. OLG Schleswig, Beschl. v. 9.7.2009 – 6 W 12/09. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013 – 20 W 68/11, ZUM-RD 2013, 638. OLG Köln, Beschl. v. 17.11.2011 – 6 W 234/11. OLG Frankfurt, Urt. v. 15.7.2014 – 11 U 115/13. OLG Köln, Beschl. v. 14.3.2011 – 6 W 44/11. OLG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2014 – 5 W 118/13, ZUM 2015, 263. OLG Celle, Beschl. v. 11.6.2014 – 13 W 40/14, ZUM-RD 2014, 486; OLG Schleswig, Beschl. v. 20.1.2015 – 6 W 36/14. 12 OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, 5 W 74/07.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

2. Teil

IV. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4956 2. Problem: Kapitalisierte Zinsen oder andere Nebenforderungen . . . . . . . . . . 2.4971

ZPO

aa) Nachverfahren beschränkt sich auf die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche . . . . . . . 2.4947 bb) Nachverfahren erfasst auch weitere Gegenstände . . . . . . . . 2.4949 b) Verfahren nach Abstandnahme . . . . 2.4950

A. Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess I. Zuständigkeitsstreitwert 1. Zahlung Die Bewertung richtet sich nach allgemeinen Vorschriften (§§ 3 ff. ZPO). Zu beachten ist allerdings die besondere Regelung des § 4 Abs. 2 ZPO.

2.4925

Wird auf Zahlung geklagt, richtet sich der Streitwert im Wechselprozess nach dem Betrag der Forderung. Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, sind als Nebenforderungen unberücksichtigt zu lassen (§ 4 Abs. 2 ZPO).

2.4926

Soweit in der Wechselforderung auch Zinsen aus dem Grundgeschäft enthalten sind, ist dies für die Streitwertbemessung im Wechselprozess unerheblich. Die Wechselforderung ist eine eigene selbständige Forderung, die unabhängig vom Grundgeschäft entstanden ist und sich ausschließlich auf den Wechsel stützt, so dass es letztlich völlig unerheblich ist, aus welchen Positionen sich die Wechselforderung zusammensetzt.1 Gleiches gilt z.B. auch für ein (novierendes) abstraktes Schuldanerkenntnis, in das bisher aufgelaufene Zinsen und Kosten mitaufgenommen und damit zu einer neuen eigenständigen (Haupt-)Forderung werden2 oder auch für den Anspruch auf Herausgabe einer Mietkaution, bei der die aufgelaufenen Zinsen der Kaution zugeschlagen werden (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB).3

2.4927

Dies ergibt sich letztlich auch aus § 4 Abs. 2 ZPO. Danach sind lediglich Wechselkosten und -spesen sowie Zinsen aus der Wechselsumme beim Streitwert nicht zu berücksichtigen, da diese wiederum im Verhältnis zur Wechselhauptforderung als Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) gelten. Die Wechselsumme selbst ist dagegen immer Hauptforderung.

2.4928

Beispiel: Der Beklagte schuldet dem Kläger 5.000 t nebst zwischenzeitlichen Zinsen i.H.v. 200 t. Er gibt ihm einen Wechsel über 5.200 t. Da dieser nicht eingelöst wird, klagt der Kläger im Wechselprozess auf Zahlung der Wechselsumme i.H.v. 5.200 t.

2.4929

Der Streitwert beläuft sich auf 5.200 t.

Werden mehrere selbständige Wechselansprüche vom Kläger in einer Klage verfolgt, dann sind die Werte der verschiedenen Gegenstände nach § 5 ZPO zusammenzurechnen.4

2.4930

Für den Scheckprozess gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.5

2.4931

Für den Urkundenprozess ist dagegen zu differenzieren.

2.4932

1 2 3 4 5

OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.1984 – 7 U 6/84, AnwBl. 1984, 504. OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 597/97, JurBüro 1999, 197. LG Köln, Beschl. v. 8.6.1995 – 1 S 266/94; Lützenkirchen, Kölner Mietrecht, Fach 20 Nr. 31. So für den Gebührenstreitwert: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1994 – 6 W 42/94, AGS 1997, 133. Zöller/Herget, § 4 ZPO Rz. 14.

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ZPO

2. Teil

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

– Soweit die Urkunde gegenüber der zugrunde liegenden Forderung eine eigenständige neue (Haupt-)Forderung schafft, etwa im Wege eines (novierenden) abstrakten Schuldanerkenntnisses, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. – Wird in der Urkunde dagegen nur die bisherige Hauptforderung bestätigt, dann bleibt der Wert der zugrunde liegenden Hauptforderung maßgebend.

2.4933 Beispiel: Der Beklagte schuldet dem Kläger ein Darlehen i.H.v. 5.000 t nebst zwischenzeitlicher Zinsen i.H.v. 200 t. Er gibt ihm

a) ein schriftliches Anerkenntnis der Forderung i.H.v. 5.200 t einschließlich Zinsen. b) ein abstraktes Schuldanerkenntnis. Da der Beklagte nicht zahlt, klagt der Kläger im Urkundenprozess. Im Fall a) bleibt die Darlehensforderung Streitgegenstand; der Streitwert beläuft sich auf 5.000 t. Die Zinsen bleiben als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2. ZPO unberücksichtigt. Zuständig wäre das AG. Im Fall b) ist die Forderung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis – nicht die Darlehensforderung – Streitgegenstand; der Streitwert beläuft sich auf 5.200 t. Zuständig wäre das LG.

2. Herausgabe

2.4934 Die Herausgabe eines Wechsels, Schecks oder der Urkunde, aus der sich der Anspruch ergibt, kann nicht im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemacht werden (arg. e. § 592 Abs. 1 ZPO). Dennoch seien an dieser Stelle kurze Hinweise zum Wert der Herausgabe gegeben.

2.4935 Wird Herausgabe eines Wechsels beantragt und ist der Wechsel noch nicht bezahlt, so ist die Wechselsumme für den Streitwert maßgebend, weil es sich um ein Wertpapier handelt;1 ebenso OLG Düsseldorf 2 für die Wechsel-Herausgabeklage, wenn ein fälliger Wechsel noch nicht bezahlt ist.

2.4936 Der Streitwert für den Anspruch auf Herausgabe eines schon eingelösten Wechsels bemisst sich nicht nach dessen Nennbetrag, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe des Papiers. Es ist gem. § 3 ZPO zu schätzen, wobei auf das Bestreben des Klägers abzustellen ist, eine missbräuchliche Verwendung des – bereits bezahlten – Wechsels auszuschließen und einer erneuten Inanspruchnahme vorzubeugen.3 Voraussetzung ist aber, dass der Wechsel noch verwertbar ist.

2.4937 In einem Fall, in dem das nach den übereinstimmenden Darlegungen der Parteien zu verneinen war, hat sich das OLG Köln4 an dem Richtwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten orientiert und das Herausgabeinteresse des Klägers mit 1/10 des Nominalwerts bemessen, was unter Umständen noch zu hoch gegriffen sein kann.

II. Gebührenstreitwert 1. Zahlung

2.4938 Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG gelten die Bewertungen für den Zuständigkeitsstreitwert auch für den Gebührenstreitwert. Es gilt somit auch § 4 Abs. 2 ZPO, so dass offen bleiben kann, ob es sich tatsächlich um Nebenforderungen handelt und daher § 43 Abs. 1 GKG bereits gelten würde.

1 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 172. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.3.1993 – 9 W 21/93, OLGR 1993, 267. 3 LG Kiel, Beschl. v. 10.1.1964 – 5 T 167/63, JurBüro 1964, 212: Wechselsumme rund 8.200 DM; Streitwert 1.500 DM. 4 OLG Köln, Beschl. v. 3.7.1974 – 2 W 63/74, MDR 1975, 60.

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2. Teil

Werden mehrere selbständige Wechselansprüche vom Kläger in einer Klage verfolgt, dann wird der Prozessbevollmächtigte des Klägers in derselben Angelegenheit tätig, so dass die Werte der Gegenstände gem. § 39 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen sind.1

2.4939

ZPO

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

2. Hilfsaufrechnung Eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG wegen einer Hilfsaufrechnung kommt im Urkundenverfahren nur in Betracht, wenn dort abschließend entschieden wird, wenn also auch über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung eine Entscheidung ergeht, die der Rechtskraft fähig ist (§ 45 Abs. 3 GKG) oder wenn über die Hilfsaufrechnungsforderung ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG).

2.4940

Ergeht lediglich ein Vorbehaltsurteil, gilt § 45 Abs. 3 GKG nicht, weil ein Vorbehaltsurteil im Urkunden- oder Wechselprozess keiner materiellen Rechtskraft fähig ist, so dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG nicht gegeben sind.2 Der Streitwert erhöht sich also nicht. Die Hilfsaufrechnung erlangt in diesem Fall Bedeutung erst durch eine hierüber ergehende der Rechtskraft fähige Entscheidung oder einen Vergleich im Nachverfahren oder im Verfahren nach Abstandnahme und wirkt dann dort werterhöhend.3

2.4941

III. Rechtsmittelstreitwert Im Rechtsmittelverfahren gelten grundsätzlich die gleichen Bewertungen wie in erster Instanz.

2.4942

Klagt der Wechselgeber auf Herausgabe des Wechsels, so ist die Beschwer des unterliegenden Wechselnehmers nach § 3 ZPO zu bemessen.4

2.4943

B. Nachverfahren und ordentliches Verfahren nach Abstandnahme I. Zuständigkeitsstreitwert Im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme kann sich der Zuständigkeitsstreitwert verändern.

2.4944

– Soweit er sich reduziert, ist dies unbeachtlich (§ 261 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). – Soweit der Wert durch eine Klageerweiterung auf über 5.000 t steigt oder soweit eine über 5.000 t hinausgehende Widerklage erhoben wird, so ist ab dann der höhere Wert maßgebend, so dass das LG zuständig wird, sofern keine ausschließliche Zuständigkeit des AG begründet ist oder die Parteien sich im Nachverfahren rügelos einlassen. Das Verfahren richtet sich nach § 506 ZPO.

II. Rechtsmittelstreitwert Der Rechtsmittelstreitwert im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme richtet sich ausschließlich nach dem Wert des Beschwerdegegenstands, der sich aus der im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme ergehenden Entscheidung ergibt. Die sich aus der Beschwer des Vorbehaltsurteils ergebende Beschwer spielt hier keine Rolle mehr.

1 2 3 4

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1994 – 6 W 42/94, AGS 1997, 133. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.1985 – 22 W 24/85, JurBüro 1985, 1676. OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2000 – 14 U 65/99, BRAGOreport 2001, 139. BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 231/87, NJW 1988, 2804.

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2. Teil

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

ZPO

III. Streitwert für die Gerichtsgebühren 1. Einheitliche Festsetzung

2.4946 Nach dem GKG werden für den Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren oder das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme andererseits keine gesonderten Gebühren erhoben. Die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen deckt beide Verfahren ab. Daher ist auch nur ein einziger Wert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Eine gestaffelte Wertfestsetzung ist unzulässig. Siehe „1. Teil – Verfahrensrecht“, Rz. 1.250 f. 2. Bewertung a) Nachverfahren aa) Nachverfahren beschränkt sich auf die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche

2.4947 Wird im Nachverfahren nur die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess ergangene Entscheidung „überprüft“, dann wird der Streitwert des Nachverfahrens durch den Wert des Gegenstands begrenzt, hinsichtlich dessen dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten worden ist. Da dieser Wert nie höher sein kann als der des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses, und da im Nachverfahren keine weiteren Gerichtsgebühren ausgelöst werden, ist der Wert des Nachverfahrens in diesem Fall für die Gerichtsgebühren irrelevant. Eine Festsetzung ist unzulässig und überflüssig.

2.4948 Der Umstand, dass der Beklagte während oder nach dem Ende des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses in Insolvenz geraten ist, ist für die Höhe des Streitwertes beim Nachverfahren nicht von Bedeutung. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält der Rechtsstreit keinen anderen Gegenstand. Der Streitwert mindert sich zwar und ist fortan nach § 182 InsO (früher § 148 KO) zu bemessen. Das gilt aber nur für neue selbständige Verfahren. Beim Nachverfahren bleibt der höhere Wert des Vorverfahrens bestimmend, weil Vorverfahren und Nachverfahren streitwertmäßig eine Instanz bilden und deshalb auch der Zeitpunkt für die Bewertung des Nachverfahrens nicht dessen Beginn, sondern die Klageeinreichung ist.1 Erst mit der Einleitung neuer Verfahren, insbesondere eines Rechtsmittelverfahrens, kann sich der Wert des Nachverfahrens ändern. Dann ist auch für die höhere Instanz § 182 InsO (früher § 148 KO) zu beachten.2 bb) Nachverfahren erfasst auch weitere Gegenstände

2.4949 Wird im Nachverfahren der Streitgegenstand erweitert, etwa durch eine Klageerweiterung, eine Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG), einen Hilfsantrag, über den entschieden oder ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 2, 4 GKG), oder eine streitige Hilfsaufrechnung, die beschieden oder über die ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 3, 4 GKG), dann kann das Nachverfahren zu einer Werterhöhung führen. – Soweit im Nachverfahren die Aufhebung des Vorbehaltsurteils beantragt wird, bleibt dessen Wert wiederum unberücksichtigt, da er bereits im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess erfasst ist. – Diesem Wert ist dann gem. § 39 Abs. 1 GKG der Wert der Klagerweiterung, gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG der Wert der Widerklage,3 gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG der Wert des Hilfsantrags oder gem. § 45 Abs. 3, 4 GKG der Wert der Hilfsaufrechnung hinzuzurechnen.

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.5.1962 – 2 W 32/62, JurBüro 1962, 425. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.5.1962 – 2 W 32/62, JurBüro 1962, 425. 3 LG Gießen, Beschl. v. 3.9.1953 – 1 T 252/53, AnwBl. 1954, 89.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

S. 1001 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Im Verfahren nach Abstandnahme kann es sich anders verhalten, da jetzt ein anderer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt werden kann, der folglich auch einen anderen Wert haben kann.

2.4950

Soweit der Wert des im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachten Anspruchs geringer ist, spielt das für die Gerichtsgebühren keine Rolle, da sie nur einmal erhoben werden. Eine gesonderte Festsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ist daher unzulässig.

2.4951

Hat der im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachte Anspruch dagegen einen höheren Wert, 2.4952 dann ist zu differenzieren. – Soweit zwischen den Ansprüchen wirtschaftliche Identität besteht, soweit sie also auf dasselbe Interesse gestützt sind, gilt nur der höhere Wert. Eine Addition unterbleibt. – Soweit dagegen ein neuer Streitgegenstand eingeführt wird, ist nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren (s. das Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff.). Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 t, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und macht die Mietforderung Mai im ordentlichen Verfahren geltend.

2.4953

Der Wert bleibt unverändert. Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 t, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und ändert die Klage dahingehend, dass jetzt die Mietforderung Juni im ordentlichen Verfahren geltend wird. Der Wert für die Gerichtsgebühr beträgt auch jetzt 4.000 t (§ 39 Abs. 1 GKG), da die Werte sämtlicher im Verlauf des Verfahrens geltend gemachter Gegenstände zusammenzurechnen sind. Siehe das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

Im Übrigen kann sich der Wert auch hier durch Klageerweiterungen, Widerklagen, Hilfsanträge und Hilfsaufrechnungen erhöhen.

2.4954

Beispiel: Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 t, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und macht die Mietforderung Mai im ordentlichen Verfahren geltend. Gleichzeitig erweitert er die Klage um weitere 2.000 t für die Miete Juni.

2.4955

Der Wert beträgt jetzt 4.000 t (§ 39 Abs. 1 GKG).

IV. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 1. Allgemeines Für den Anwalt gelten über § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG die gleichen Werte wie für die Gerichtsgebühren.

2.4956

Da für die Anwaltsgebühren der Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren bzw. das Verfahren nach Abstandnahme zwei verschiedene Angelegenheiten sind (§ 17 Nr. 5 RVG), kann es hier für die einzelnen Gebühren zu unterschiedlichen Werten kommen.

2.4957

Daher ist ggf. für die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche und die im Nachverfahren bzw. im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachten Ansprüche eine getrennte Wertfestsetzung vorzunehmen. Soweit sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten, ist dieser Wert nach § 33 RVG gesondert festzusetzen.

2.4958

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ZPO

b) Verfahren nach Abstandnahme

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2. Teil

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

ZPO

2.4959 Der Streitwert im Nachverfahren wird grundsätzlich durch den Wert des Gegenstandes bestimmt, hinsichtlich dessen dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten worden ist. Regelmäßig geschieht das wegen des gesamten Klageanspruchs, so dass dieser auch den Wert des Nachverfahrens bestimmt. Der Streitwert im Urkunden- und Wechselprozess-Nachverfahren ist daher grundsätzlich gleich dem Streitwert im Urkunden- oder Wechselprozess.1

2.4960 Ergeht im Urkunden- und Wechselprozess ein Vorbehaltsurteil und beantragt der Beklagte nur wegen eines Teilbetrages Klageabweisung, dann gilt für die Anwaltsgebühren insoweit ein geringerer Wert, nicht auch für die Gerichtsgebühren, da es sich verfahrensrechtlich um eine Einheit handele.2

2.4961 Ergeht im Urkunden- und Wechselprozess ein Vorbehaltsurteil über die ganze Klageforderung, dann soll sich der Streitwert selbst dann nicht verringern, wenn der Beklagte im Nachverfahren nur wegen eines Teilbetrages Klageabweisung beantragt, da es sich verfahrensrechtlich um eine Einheit handele.3 Das ist so nicht zutreffend. Der Wert des Nachverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen, die dort gestellt werden. Wird nur teilweise die Aufhebung des Vorbehaltsurteils und die Abweisung der Klage beantragt, dann gilt auch nur dieser Wert. Erst wenn der Kläger beantragt, das Urteil im Übrigen für vorbehaltlos zu erklären, wird auch dieser Teil zum Streitgegenstand und ist mitzubewerten.

2.4962 Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich der Beklagte nur wegen eines Teils die Rechte im Nachverfahren vorbehalten hat und dieses dann auch nur insoweit durchgeführt wird. In diesem Fall gilt nur der geringere Wert.

2.4963 Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 t ein. Es ergeht ein Vorbehaltsurteil a) über 4.000 t b) über 3.000 t. Anschließend beantragt der Kläger im Nachverfahren, das Urteil für vorbehaltlos zu erklären und der Beklagte, die Klage abzuweisen. Der Gegenstandswert des Scheckprozesses beläuft sich auf 4.000 t. Der Wert des Nachverfahrens beträgt im Fall a) ebenfalls 4.000 t und im Fall b) 3.000 t. Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 t ein. Es ergeht ein Vorbehaltsurteil über 4.000 t. Anschließend beantragt der Beklagte im Nachverfahren, die Klage i.H.v. 3.000 t abzuweisen. Der Kläger beantragt, das Urteil i.H.v. 3.000 t für vorbehaltlos zu erklären. Im Übrigen werden keine Anträge gestellt. Der Gegenstandswert des Scheckprozesses beläuft sich auf 4.000 t. Der Wert des Nachverfahrens beträgt lediglich 3.000 t.

2.4964 Auch sonstige Antragsänderungen können bei den Anwaltsgebühren zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen für den Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren oder das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme andererseits führen.

2.4965 Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 t ein. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und verlangt nur noch 3.000 t.

Der Wert der Gerichtsgebühren ist auf 4.000 t festzusetzen. Die Reduzierung des Wertes ist hier unerheblich. Für die im Scheckprozess angefallenen Anwaltsgebühren gilt gem. § 32 Abs. 1 RVG der Wert von 4.000 t. Für die im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme angefallenen Anwaltsgebühren gilt jedoch ein geringerer Wert, der auf Antrag nach § 33 RVG festzusetzen ist. 1 RGZ 18, 408; 31, 1. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.5.1962 – 2 W 32/62, JurBüro 1962, 425; OLG München, Beschl. v. 27.4.1987 – 11 W 1439/87, MDR 1987, 766; LG Schweinfurt, AnwBl. 1954, 88; LG Gießen, Beschl. v. 3.9.1953 – 1 T 252/53, AnwBl. 1954, 89. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.5.1962 – 2 W 32/62, JurBüro 1962, 425; OLG München, Beschl. v. 27.4.1987 – 11 W 1439/87, MDR 1987, 766; LG Schweinfurt, Beschl. v. 10.6.1952 – 2 T 129/52, AnwBl. 1954, 88; LG Gießen, Beschl. v. 3.9.1953 – 1 T 252/53, AnwBl. 1954, 89.

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Schneider

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2. Teil

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

ZPO

Der Kläger klagt im Scheckprozess 2.000 t (Miete Mai) ein. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und verlangt im Wege der Klageänderung 2.000 t (Miete Juni). Der Wert der Gerichtsgebühren ist auf 4.000 t festzusetzen (§ 39 Abs. 1 GKG, s. Rz. 2.4952). Für die im Scheckprozess angefallenen Anwaltsgebühren gilt ein Gegenstandswert von 2.000 t. Für die im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme angefallenen Anwaltsgebühren gilt ebenfalls ein Wert von 2.000 t. War der Anwalt sowohl im Scheckprozess als auch im ordentlichen Verfahren tätig, gilt für ihn auch der Wert von 4.000 t (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). War der Anwalt dagegen nicht in beiden Verfahren tätig oder sind aus einem Verfahren für ihn gesonderte Gebühren angefallen, ist der Wert des jeweiligen Verfahrens auf Antrag nach § 33 RVG festzusetzen.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 40 GKG ist für die Bewertung im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme der Zeitpunkt der Erhebung der Klage und nicht der Beginn des Nachverfahrens oder des ordentlichen Verfahrens nach Abstandnahme maßgebend.

2.4966

Bei den Anwaltsgebühren ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Verfahrensgebühr des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses gem. der Vorbem. 3 Abs. 7 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens bzw. des Verfahrens nach Abstandnahme anzurechnen ist, soweit der Gegenstand derselbe ist.

2.4967

Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 5.000 t erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Vorbehaltsurteil. Der Kläger beantragt, dieses für vorbehaltlos zu erklären. Der Beklagte erklärt im Nachverfahren die Hilfsaufrechnung mit einer streitigen Forderung i.H.v. 1.500 t. Hierüber wird verhandelt und unter Einbeziehung der Hilfsaufrechnung entschieden.

2.4968

Der Wert des Nachverfahrens erhöht sich durch die Hilfsaufrechnung um deren Wert, da hierüber entschieden worden ist (§ 45 Abs. 3 GKG). Angerechnet werden darf aber nur nach dem Wert des Urkundenverfahrens, also nach 5.000 t. Urkundenverfahren (Wert: 5.000 v) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt II. Nachverfahren (Wert: 6.500 v) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 5.000 t 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt I. 1. 2. 3.

855,00 t

718,80 t

434,20 t 400,80 t 20,00 t 162,45 t 1.017,45 v 597,80 t –434,20 t 535,20 t 20,00 t 136,57 t 855,37 v

Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 6.500 t erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Vorbehaltsurteil i.H.v. 5.000 t; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte beantragt, das Urteil aufzuheben. Hierüber wird verhandelt und entschieden. Auch hier darf nur angerechnet werden, soweit sich die Werte von Urkunden- und Nachverfahren decken, also nach 5.000 t (analog Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 3 VV RVG). I. 1. 2. 3. 4.

Urkundenverfahren (Wert: 6.500 v) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

1.153,00 t

597,80 t 535,20 t 20,00 t 219,07 t 1.372,07 v

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2.4969

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ZPO

2. Teil II. 1. 2. 3. 4. 5.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

Nachverfahren (Wert: 5000 v) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 5.000 t 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

420,80 t

434,20 t –434,20 t 400,80 t 20,00 t 79,95 t 500,75 v

2.4970 Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 6.500 t erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein

Vorbehaltsurteil i.H.v. 5.000 t; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte beantragt, das Urteil aufzuheben. Der Kläger erweitert daraufhin die Klage um 3.000 t. Hierüber wird verhandelt und entschieden.

Das Nachverfahren hat einen Gegenstandswert i.H.v. (5.000 t + 3.000 t =) 8.000 t (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Das Urkundenverfahren hat einen Gegenstandswert von 6.500 t. Hiervon gehen aber nur 5.000 t in das Nachverfahren über, so dass nur insoweit (analog Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) anzurechnen ist. Urkundenverfahren (Wert: 6.500 v) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt II. Nachverfahren (Wert: 8.000 v) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV RVG anzurechnen 1,3 aus 5.000 t 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt I. 1. 2. 3.

1.153,00 t

840,20 t

597,80 t 535,20 t 20,00 t 219,07 t 1.372,07 v 652,00 t –434,20 t 602,40 t 20,00 t 159,64 t 999,84 v

2. Problem: Kapitalisierte Zinsen oder andere Nebenforderungen

2.4971 Bei den Anwaltsgebühren kann sich ein Problem ergeben, wenn in der im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Forderung Zinsen oder andere Nebenforderungen enthalten sind. Diese werden dann nämlich bewertet, soweit sie Teil der dortigen Hauptforderung sind (Rz. 2.4927). Zieht sich der Kläger im Verfahren nach Abstandnahme dann auf die zugrunde liegende Forderung zurück, werden die Zinsen oder anderen Nebenforderungen dagegen gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht mehr berücksichtigt.

2.4972 Nach OLG Hamm sind Zinsen, die in die Wechselsumme aufgenommen werden, im Urkundenprozess Hauptforderung und damit streitwertmäßig zu berücksichtigen; erst bei Abstandnahme vom Urkundenprozess unter Übergang in das ordentliche Verfahren werden sie wertmäßig unbeachtliche Nebenforderungen, was zur Annahme einer teilweisen Klagerücknahme zwinge.1

2.4973 Diese Auffassung ist im Ansatz zutreffend; die Konsequenz ist falsch und verblüfft: Der Kläger soll im ordentlichen Verfahren mit Kosten belastet werden, obwohl er seinen bezifferten Antrag nicht ändert.

2.4974 Soweit in der Wechselforderung auch Zinsen aus dem Grundgeschäft enthalten sind, ist dies für die Streitwertbemessung im Wechselprozess unerheblich. Siehe dazu Rz. 2.4927. 1 OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.1984 – 7 U 6/84, AnwBl. 1984, 504 m. abl. Anm. Chemnitz.

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Schneider

S. 1004 von 1232 Druckdaten

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Urteils- und Tatbestandsberichtigung

S. 1005 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Nimmt der Kläger im Nachhinein vom Wechselprozess Abstand und stützt seine Forderung nunmehr 2.4975 auf das Grundgeschäft, ist der anwaltliche Gebührenstreitwert für das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme (§ 592 ZPO) nach § 33 RVG gesondert festzusetzen. Insoweit liegt nämlich eine Klageänderung vor. Der Streitgegenstand wechselt. Während ursprünglich die Wechselforderung Gegenstand der Klage war, ist jetzt die Forderung aus dem Grundgeschäft Gegenstand der Klage. Auch wenn im Ergebnis derselbe Zahlbetrag verlangt wird, sind es doch verschiedene Streitgegenstände. Bei der Bewertung der Klageforderung im ordentlichen Verfahren ist jetzt zu berücksichtigen, dass Zinsen und Kosten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG als Nebenforderung gelten. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ZPO (über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) ist dann nicht mehr anwendbar, da der Kläger im ordentlichen Verfahren keinen Anspruch mehr aus dem Wechsel geltend macht.

2.4976

So ist es für den Kläger möglich, auch nach Abstandnahme weiterhin aus der Wechselforderung vorzugehen; er muss dies jedoch nicht. Geht er nach Abstandnahme weiterhin aus der Wechselforderung vor, dann ändert sich im ordentlichen Verfahren der Wert nicht, da nach wie vor die Wechselforderung Streitgegenstand bleibt und nicht die Forderung aus dem Grundgeschäft.

2.4977

Beispiel: Dem A steht gegen den B eine Kaufpreisforderung i.H.v. 9.000 t zzgl. zwischenzeitlich aufgelaufener Zinsen i.H.v. 3.000 t zu. Da der B nicht zahlen kann, gibt er dem A einen Wechsel über die gesamten 12.000 t. Der Wechsel „platzt“ und geht zu Protest. Der A klagt daraufhin gegen den B auf Zahlung von 12.000 t im Wechselprozess (§§ 592, 602 ff. ZPO) und beruft sich auf die Wechselforderung. Nach mündlicher Verhandlung nimmt der Kläger vom Wechselprozess Abstand (§ 596 ZPO) und geht ins ordentliche Verfahren über. Er stützt jetzt sein Klagebegehren nicht mehr auf die Wechselforderung, sondern auf das Grundgeschäft, also auf den Kaufvertrag, ohne jedoch den Klageantrag zu ändern.

2.4978

Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO auf 12.000 t, da es hier ausschließlich auf die Wechselforderung ankommt (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO). Es wird nur eine Gerichtsgebühr erhoben, die sich nach dem höchsten Wert richtet. Das sich der Wert durch die Klageänderung verringert, ist für die Gerichtsgebühr unerheblich. Anders verhält es sich bei den Anwaltsgebühren. Auch hier gilt für den Wechselprozess ein Wert von 12.000 t. Im Nachverfahren ist jetzt aber zu berücksichtigen, dass die Hauptforderung nur lediglich noch 9.000 t beträgt. Hinzu kommen 3.000 t Zinsen, die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG jetzt als Nebenforderung gelten, so dass die weiteren Gebühren nur aus diesem geringeren Wert entstehen und ggf. auf Antrag nach § 33 RVG gesondert festzusetzen sind. Abwandlung: Der A macht auch im ordentlichen Verfahren die Ansprüche aus dem Wechsel gelten und nicht aus dem Grundgeschäft. Der Streitwert ändert sich nicht, sondern bleibt bei 12.000 t.

Urteils- und Tatbestandsberichtigung Offenbare Unrichtigkeiten des Urteils, die nicht auf rechtlichen, sondern „technischen Fehlleistungen“1 beruhen, sind von Amts wegen oder auf Antrag zu berichtigen, § 319 ZPO. Fehler, Auslassungen und Widersprüche des Urteilstatbestandes können demgegenüber gem. § 320 ZPO nur auf Antrag berichtigt werden. Zulässig ist der Berichtigungsantrag nur, wenn eine entsprechende Beschwer dargetan wird.2 Gesonderte Gebühren für die Tätigkeit des Gerichts und des Prozessbevollmächtigten fallen nicht an. Bei einer auf Urteilsergänzung gerichteten Einzeltätigkeit des Anwalts ist (auf Antrag) der Gegenstandswert für die anwaltliche Gebühr (Nr. 3403 VV RVG) festzusetzen.

1 BVerfG, Beschl. v. 15.1.1992 – 1 BvR 1140/86, NJW 1992, 1496. 2 BFH, Beschl. v. 28.10.2005 – VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565.

Schneider und Kurpat

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2.4979

ZPO

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2. Teil

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Urteils- und Tatbestandsberichtigung

ZPO

2.4980 In beiden Fällen folgt der Gegenstandswert des Berichtigungsverfahrens in der Regel nicht dem Hauptsachewert, da die Berichtigung nicht auf eine erneute materiell-rechtliche, sondern nur auf eine technische Prüfung abzielt. Grundsätzlich ist daher eine Bruchteilsbewertung geboten.1 Der Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei es darauf ankommt, welche Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Auswirkungen mit der Berichtigung bzw. dem dagegen gerichteten Rechtsmittel erstrebt werden. Bloße Tatbestandsberichtigungen dürften mit 1/10 des Hauptsachewertes hinreichend erfasst werden.2 Das gilt in gleicher Weise für die nur ausnahmsweise zulässige Beschwerde gegen eine Zurückweisung des Berichtigungsantrages.3

2.4981 Geht es um eine Korrektur der Kostenentscheidung, in der entgegen der Urteilsgründe die Kosten der Streithilfe nicht aufgenommen worden sind, bestimmt sich der Gegenstandswert des Berichtigungsantrags wie auch der Wert der Beschwerde gegen eine von Amts wegen vorgenommene Berichtigung nach den voraussichtlichen Kosten des Streithelfers.4 Berichtigt das Gericht unzulässigerweise die Kostengrundentscheidung des Urteils gem. § 319 ZPO (analog) aufgrund einer nachträglich geänderten Streitwertfestsetzung, bestimmen sich Gegenstands- und Beschwerdewert nach den mit der Berichtigung abweichend verteilten Kosten des Rechtsstreits.5

2.4982 Soweit die Vollstreckbarkeit eines Urteils aufgrund eines fehlenden Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit vorübergehend blockiert wird, ist der Streitwert nach OLG Saarbrücken6 mit 1/5 des Hauptsachewertes zu bemessen. Würde das Ausbleiben der Berichtigung die Vollstreckbarkeit des Urteils beseitigen, kann dies zum Ansatz des Hauptsachewertes führen.7 Dies ist etwa der Fall, wenn erst eine zwischen den Parteien streitige Rubrumsberichtigung eine Vollstreckung der titulierten Klageforderung ermöglicht.8

2.4983 Der Ansatz des vollen Hauptsachewertes, hier des Wertes der Leistungsstufe, ist nach Ansicht des OLG Bamberg geboten, wenn bei einer Stufenklage mit der Berichtigung des Urteilstenors die Streichung des nach einem Anerkenntnis des Auskunftsanspruchs versehentlich ebenfalls titulierten Leistungsanspruchs begehrt wird.9

2.4984 Den Wert einer Berichtigungsbeschwerde im Verfahren über den Versorgungsausgleich hat das OLG Zweibrücken10 nach dem Änderungsinteresse der beteiligten Eheleute berechnet, und zwar analog § 17a GKG a.F. unter Vervielfältigung des Differenzbetrages auf den Jahresbetrag (vgl. jetzt aber § 49 GKG).

2.4985 Ob und inwieweit eine Beschwerde betreffend die Berichtigung des Sitzungsprotokolls (§ 164 ZPO) zulässig ist, ist umstritten.11 Auch wenn die Zulässigkeit verneint wird, muss jedoch ein Gegenstandswert festgesetzt werden, der allerdings in der Regel gering ausfallen dürfte.

1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Urteils- und Tatbestandsberichtigung“ Rz. 1. 2 BFH, Beschl. v. 28.10.2005 – VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565; BFH, Beschl. v. 26.11.2002 – IV E 3/02, NV 2003, 339. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.2.2013 – 1 W 11/13, JurBüro 2013, 318. 4 OLG Jena, Beschl. v. 5.3.2009 – 5 W 34/09, MDR 2009, 1066. 5 BGH, Beschl. v. 30.7.2008 – II ZB 40/07, MDR 2008, 1292. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.5.1987 – 1 W 31/86, JurBüro 1989, 522. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 1893; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.172. 8 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.4.2001 – 4 W 27/01, OLGR 2001, 433. 9 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.2.1999 – 7 WF 180/98, FamRZ 2000, 900. 10 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.3.1984 – 2 UF 180/83, JurBüro 1984, 917. 11 Siehe Zöller/Schultzky, § 164 ZPO Rz. 11; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.2.1986 – 8 W 121/86, MDR 1986, 593.

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Kurpat

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Urteilsergänzung

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2. Teil

ZPO

Urteilsergänzung A. Allgemeines Übergeht das Gericht bei seiner Entscheidung versehentlich einen von einer Partei geltend gemachten Haupt- oder Nebenanspruch oder eine von Amts wegen zu treffende Kosten(grund)entscheidung, ist das Urteil auf Antrag durch ein selbständig anfechtbares (Teil-)Urteil zu ergänzen, § 321 ZPO. In einigen Fällen kann es zu Überschneidungen des Urteilsergänzungsverfahrens gem. § 321 ZPO mit den der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dienenden Rechtsmitteln kommen, etwa wenn das Urteil durch die Übergehung unselbständiger Teile der Entscheidung sowohl unvollständig als auch inhaltlich unrichtig ist.1 § 321 ZPO findet nach allgemeiner Ansicht auf Beschlüsse entsprechende Anwendung.

2.4986

B. Gebührenstreitwert Gesonderte Gebühren für die Tätigkeit des Gerichts und des Prozessbevollmächtigten fallen nicht an. 2.4987 Bei einer auf Urteilsergänzung gerichteten Einzeltätigkeit des Anwalts (Nr. 3403 VV RVG) ist (auf Antrag) der Gegenstandswert für die anwaltlichen Gebühren festzusetzen. Maßgebend hierfür ist das Interesse der antragstellenden Partei an der Ergänzung des Urteils bzw. Beschlusses, § 3 ZPO.2 Die Wertbestimmung hängt daher im Einzelfall vom Gegenstand der Ergänzung ab und folgt daher nur bei einem übergangenen Haupt- oder Nebenanspruch dessen Wert. Hinsichtlich der weiteren anerkannten Fälle der Urteilsergänzung gilt es zu differenzieren. Bei einem übergangenen Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren zum Urkunden- oder Wechselprozess (§ 599 Abs. 2 ZPO) ist auf den Wert der Hauptsache abzustellen, da der Beklagte mit der Ausübung seiner Rechte im Nachverfahren den Klageanspruch zu Fall bringen will.

2.4988

Im Fall der übergangenen Einrede der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 ZPO) ist ebenfalls der volle Hauptsachewert anzusetzen, denn der Haftungsvorbehalt erhält dem Erben die Möglichkeit, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit zu verweigern, §§ 1989, 1990 BGB.3

2.4989

Bei einer fehlenden oder unvollständigen Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des 2.4990 Urteils (hier findet gem. § 716 ZPO die Regelung zur Urteilsergänzung entsprechende Anwendung) ist das Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs (Gläubiger) bzw. an deren Abwendung der Vollstreckung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung (Schuldner) maßgebend. In der Regel wird hier der drohende Zinsverlust stehen, der dadurch eintritt, dass mangels vorläufiger Vollstreckbarkeit überhaupt nicht vollstreckt werden kann (Gläubiger) bzw. aufgrund fehlender Abwendungsbefugnis statt einer Bürgschaft der volle Urteilsbetrag geleistet werden muss.4 Vertretbar ist auch, den Gegenstandswert pauschal auf 1/5 des Hauptsachewertes festzusetzen.5 Im Fall des im Mietprozess nicht beschiedenen Antrags auf Gewährung einer Räumungsfrist (§ 721 Abs. 1 Satz 3 ZPO) wird auf das Interesse an der Vermeidung einer sofortigen Räumung und damit auf die Höhe des für den begehrten Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelts abzustellen sein.6

1 BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, MDR 2009, 1406 = JurBüro 2010, 110; BGH, Urt. v. 25.6.1996 – VI ZR 300/95, MDR 1996, 1061 = NJW-RR 1996, 1238. 2 OLG Celle, NJW 1966, 2414; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rz. 67 unter „Urteilsergänzung“. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Urteilsergänzung“. 4 OLG Celle, NJW 1966, 2414. 5 Vgl. für Urteilsberichtigung OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.5.1987 – 1 W 31/86, JurBüro 1989, 522. 6 Siehe auch unter dem Stichwort „Räumungsfristverfahren“, Rz. 2.4120.

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2. Teil

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Veräußerungsverbot

ZPO

2.4992 Auch eine fehlende Entscheidung über die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) und Revision (§ 543 Abs. 1, § 43 ZPO) eröffnet das Verfahren der Urteilsergänzung, da es sich hierbei wie bei der Kosten- oder Vollstreckbarkeitsentscheidung um eine prozessuale Nebenentscheidung handelt. Der Wert entspricht dem der Beschwer des Antragstellers, da diese zu beseitigen, das Ziel der Rechtsmitteleinlegung ist.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4993 Die Beschwer des unterliegenden Antragstellers entspricht dem Gegenstandswert. Die Beschwer des unterliegenden Antragsgegners bemisst sich nach dem Wert der mit der Urteilsergänzung verbundenen Nachteile und damit ebenfalls regelmäßig nach dem Gegenstandswert.1

2.4994 Überschneiden sich Urteilsergänzungs- und Rechtsmittelverfahren, entfällt die für die Rechtsmitteleinlegung notwendige Beschwer erst mit der Verkündung des stattgebenden Urteilsergänzungsurteils.2

2.4995–2.5015 Einstweilen frei.

Veräußerungsverbot 2.5016 Durch einstweilige Verfügung kann das Verbot erwirkt werden, über eine Forderung, über eine bewegliche Sache oder über ein Grundstück zu verfügen, insbesondere eine Sache zu veräußern.3

2.5017 Erstrebt der Verfügungskläger eine Sicherung vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Verfügungsbeklagten über die streitbefangene Sache, ist sein Interesse niedriger zu bemessen, als bei einem Anspruch auf Herausgabe der Sache.4

2.5018 Soll beispielsweise dem Verkäufer im Wege der einstweiligen Verfügung verboten werden, die Sache an einen Dritten zu übereignen, so bemisst sich der Streitwert nicht nach einem Bruchteil des möglichen Veräußerungsgewinns des Käufers, sondern nach einem Bruchteil des Sachwertes.5 Das gilt auch bei einem Antrag, dem Grundstückseigentümer die Verfügung über sein Eigentum zu verbieten, weil der Verfügungskläger ein Optionsrecht auf Abschluss eines Kaufvertrages über dieses Grundstück habe. Dass wirtschaftlich mit dem Veräußerungsverbot nur die Sicherung des Gewinns einer Weiterveräußerung nach Ausübung des Optionsrecht erstrebt wird, ist nicht Streitgegenstand und daher für die Bewertung unbeachtlich.6

2.5019 Hat der Verfügungskläger einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er verhindern, dass der Verfügungsbeklagte seinen Herausgabeanspruch durch Verfügungen über die Ware vereitelt, so ist die im Einzelfall drohende Gefahr des Rechtsverlusts und die Erwartung, schon im Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Regelung zu kommen, abzuschätzen.7

1 2 3 4 5 6 7

Im Ergebnis BGH, Beschl. v. 12.7.2013 – V ZB 74/12, FamRZ 2013, 1572. BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, MDR 2009, 1406 = NJW 2010, 1148. Siehe Zöller/G. Vollkommer, § 938 ZPO Rz. 12, 13. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737 (1/3 des Wertes der Sache). OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1979 – 2 W 110/79, JurBüro 1980, 244. LG Bayreuth, Urt. v. 6.6.1979 – 3 O 142/79, JurBüro 1979, 1885: 1/2 des Hauptsachewerts.

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Kurpat und Seggewiße

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2. Teil

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Veräußerungsverbot

ZPO

2.4992 Auch eine fehlende Entscheidung über die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) und Revision (§ 543 Abs. 1, § 43 ZPO) eröffnet das Verfahren der Urteilsergänzung, da es sich hierbei wie bei der Kosten- oder Vollstreckbarkeitsentscheidung um eine prozessuale Nebenentscheidung handelt. Der Wert entspricht dem der Beschwer des Antragstellers, da diese zu beseitigen, das Ziel der Rechtsmitteleinlegung ist.

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.4993 Die Beschwer des unterliegenden Antragstellers entspricht dem Gegenstandswert. Die Beschwer des unterliegenden Antragsgegners bemisst sich nach dem Wert der mit der Urteilsergänzung verbundenen Nachteile und damit ebenfalls regelmäßig nach dem Gegenstandswert.1

2.4994 Überschneiden sich Urteilsergänzungs- und Rechtsmittelverfahren, entfällt die für die Rechtsmitteleinlegung notwendige Beschwer erst mit der Verkündung des stattgebenden Urteilsergänzungsurteils.2

2.4995–2.5015 Einstweilen frei.

Veräußerungsverbot 2.5016 Durch einstweilige Verfügung kann das Verbot erwirkt werden, über eine Forderung, über eine bewegliche Sache oder über ein Grundstück zu verfügen, insbesondere eine Sache zu veräußern.3

2.5017 Erstrebt der Verfügungskläger eine Sicherung vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Verfügungsbeklagten über die streitbefangene Sache, ist sein Interesse niedriger zu bemessen, als bei einem Anspruch auf Herausgabe der Sache.4

2.5018 Soll beispielsweise dem Verkäufer im Wege der einstweiligen Verfügung verboten werden, die Sache an einen Dritten zu übereignen, so bemisst sich der Streitwert nicht nach einem Bruchteil des möglichen Veräußerungsgewinns des Käufers, sondern nach einem Bruchteil des Sachwertes.5 Das gilt auch bei einem Antrag, dem Grundstückseigentümer die Verfügung über sein Eigentum zu verbieten, weil der Verfügungskläger ein Optionsrecht auf Abschluss eines Kaufvertrages über dieses Grundstück habe. Dass wirtschaftlich mit dem Veräußerungsverbot nur die Sicherung des Gewinns einer Weiterveräußerung nach Ausübung des Optionsrecht erstrebt wird, ist nicht Streitgegenstand und daher für die Bewertung unbeachtlich.6

2.5019 Hat der Verfügungskläger einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er verhindern, dass der Verfügungsbeklagte seinen Herausgabeanspruch durch Verfügungen über die Ware vereitelt, so ist die im Einzelfall drohende Gefahr des Rechtsverlusts und die Erwartung, schon im Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Regelung zu kommen, abzuschätzen.7

1 2 3 4 5 6 7

Im Ergebnis BGH, Beschl. v. 12.7.2013 – V ZB 74/12, FamRZ 2013, 1572. BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, MDR 2009, 1406 = NJW 2010, 1148. Siehe Zöller/G. Vollkommer, § 938 ZPO Rz. 12, 13. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 737 (1/3 des Wertes der Sache). OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1979 – 2 W 110/79, JurBüro 1980, 244. LG Bayreuth, Urt. v. 6.6.1979 – 3 O 142/79, JurBüro 1979, 1885: 1/2 des Hauptsachewerts.

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2. Teil

Wird im Eilverfahren die Sicherung eines im Miteigentum des Verfügungsklägers stehenden Kraftfahrzeuges begehrt, bestimmt man den Streitwert danach, wie stark der Eigentumsanteil durch das Verhalten des Verfügungsbeklagten gefährdet erscheint.1

2.5020

ZPO

Verein

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Verbindung 2.5021

Siehe das Stichwort „Prozessverbindung“, Rz. 2.4049 ff.

Verein A. Einleitung Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 BGB).2 Zu den Werten des von einem oder gegen einen Idealverein geführten Verfahrens kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Idealverein“, Rz. 2.2308 ff. verwiesen werden.

2.5022

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Ob die von einem wirtschaftlichen Verein geführten Verfahren als vermögensrechtliche oder nicht- 2.5023 vermögensrechtliche Streitigkeiten anzusehen sind, was dann auf die Bestimmung des Zuständigkeitsund Gebührenstreitwerts Auswirkungen hat, entscheidet sich nicht nach der materiell-rechtlichen Einordnung des Vereins, sondern nach dem Charakter des im Einzelfall geltend gemachten Anspruchs.3 – Verfolgt ein Verein mit der Klage keine eigenen vermögensrechtlichen oder wirtschaftlichen Interes- 2.5024 sen oder derartige Interessen seiner Mitglieder, so handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, bei der der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG festzusetzen ist.4 Die gesamten Umstände des Einzelfalles sind maßgebend.5 § 247 Abs. 1 AktG ist nicht entsprechend anwendbar.6 Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen. – Handelt es sich dagegen um Streitigkeiten vermögensrechtlicher Art, so ist der Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Der Streit um die Identität mit einem Idealverein ist dann vermögensrechtlicher Art, wenn mit der Klage im Wesentlichen oder ausschließlich wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden.7

2.5025

Auch das Unterlassungsbegehren wegen unerlaubter Führung des Namens eines Vereins, der die beruflichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, ist vermögensrechtlicher Natur und deshalb nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.8

2.5026

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 206. 2 Zur Abgrenzung vgl. OLG Jena, Beschl. v. 30.10.2012 – 9 W 415/12. 3 Vgl. etwa OLG Celle, Beschl. v. 12.12.2017 – 20 W 20/17, ZStV 2018, 178: Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses zum Erhalt von Vermögenswerten des Vereins. 4 OLG Karlsruhe, WRP 1968, 229. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1083. 6 BGH, Beschl. v. 25.5.1992 – II ZR 23/92, MDR 1993, 183. 7 OLG Celle, NJW 1964, 359. 8 BGH, GRUR 1953, 446.

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2. Teil

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Vereinbarte Vergütung

ZPO

2.5027 Gleiches gilt für die Klage auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem wirtschaftlichen Verein oder bei Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses. Denn die Mitgliedschaft hat wirtschaftliche Auswirkungen.1 Gleiches dürfte für die Klage auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste gelten, wenn die damit beabsichtigte Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung2 auf die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche gerichtet ist.

2.5028 Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Beschlüsse einer Generalversammlung ist nichtvermögensrechtlicher Natur, soweit es sich um die Entlastung des Vorstandes und die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden, des Schriftführers und des Beisitzers handelt, dagegen vermögensrechtlicher Natur, soweit es um eine Sonderumlage zur Finanzierung eines vermögensrechtlichen Rechtsstreits geht.

2.5029 Demnach ist getrennt aus § 48 Abs. 2 GKG und § 3 ZPO zu bewerten und der Streitwert gem. § 5 ZPO aus der Wertsumme zu bilden.3

Vereinbarte Vergütung 2.5030 Siehe das Stichwort „Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung“, Rz. 2.2113 ff. und „Vereinbarungen zum Streitwert“, Rz. 2.5031 ff.

Vereinbarungen zum Streitwert A. Überblick 2.5031 Vereinbarungen zur Höhe des Streitwertes sind möglich. Sie kommen in der Praxis in zwei Fällen vor, nämlich: – bei Vereinbarungen zwischen Anwalt und Auftraggeber über die Höhe des der Vergütung zugrunde zu legenden Gegenstandswertes und – bei Vereinbarungen zur Höhe des Gegenstandswerts im Rahmen der Kostenerstattung.

B. Vereinbarungen zwischen Anwalt und Auftraggeber 2.5032 Anwalt und Auftraggeber können für die vom Auftraggeber zu zahlende Vergütung einen Gegenstandswert grundsätzlich frei vereinbaren.4 Dieser Gegenstandswert ist dann allerdings nur dem Vergütungsanspruch des Anwalts gegen seinen Auftraggeber zugrunde zu legen und führt zu einem höheren oder niedrigeren Vergütungsanspruch als dem gesetzlichen.

1 Anders verhält es sich bei der streitigen Mitgliedschaft in einem Idealverein, vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644 auch wirtschaftliche Interessen, nämlich die Vereinsmitgliedschaft als Voraussetzung für den Verkauf selbst gezüchteter Rassehunde sowie eine eventuelle persönliche Haftung als nicht entlastetes Vorstandsmitglied. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 21.6.2010 – II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397. 3 LG Lübeck, JurBüro 1959, 376. 4 LG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1990 – 3 S 56/90 JurBüro 1991, 530; OLG Hamm, Beschl. v. 28.1.1986 – 28 U 201/85, AnwBl. 1986, 452 = JurBüro 1986, 1878.

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Vereinbarungen zum Streitwert

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2. Teil

Soweit dem Mandanten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, ist die Vereinbarung eines höheren Gegenstandswertes allerdings unzulässig (§ 3a Abs. 3 RVG).

2.5033

Möglich ist es auch, lediglich einen Mindestwert zu vereinbaren, der nur dann greift, wenn der gesetzliche Gegenstandswert nicht höher liegt.

2.5034

Gegenüber Dritten sind solche Vereinbarungen unmittelbar bedeutungslos. Sie führen also weder zu höheren oder geringeren Gerichtskosten noch zu einem höheren Kostenerstattungsanspruch oder einem höheren Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse.

2.5035

Lediglich für den Kostenerstattungsanspruch kann die Vereinbarung eines geringeren Gegenstandswerts von Bedeutung sein, da der Erstattungsberechtigte vom Erstattungspflichtigen nie mehr erstattet verlangen kann, als er an seinen Anwalt zu zahlen verpflichtet ist. Da im gerichtlichen Verfahren die Vereinbarung einer geringeren Vergütung nicht zulässig ist, hätte eine solche Vereinbarung lediglich im außergerichtlichen Bereich Bedeutung. Sie kommt in der Praxis aber kaum vor.

2.5036

Soweit zwischen Anwalt und Auftraggeber eine Vereinbarung über die Höhe des Gegenstandswerts getroffen wird, handelt es sich um eine Vergütungsvereinbarung nach §§ 3a ff. RVG.

2.5037

Das gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien den tatsächlichen Streitwert nicht kennen und dieser 2.5038 möglicherweise schwer zu ermitteln ist und die Parteien durch eine Vereinbarung die Ungewissheit darüber beseitigen wollen. Die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 u. 2 RVG müssen daher beachtet werden, soll der Abrechnung des Anwalts ein höherer Gegenstandswert zugrunde gelegt werden als der gesetzliche. Die Vereinbarung muss insbesondere in Textform geschlossen und als solche bezeichnet sein. Sie darf nicht in einer Vollmacht enthalten sein und muss sich von anderweitigen Vereinbarungen deutlich absetzen. Soweit gegen die vorgenannten Formvorschriften verstoßen wird, bleibt die Vereinbarung zwar wirksam; der Anwalt kann jedoch nur nach dem gesetzlichen Wert abrechnen (§ 4b RVG).1 Der Anwalt ist ferner verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass eine Kostenerstattung nur nach dem zu- 2.5039 treffenden, nicht nach dem vereinbarten Streitwert vorzunehmen ist (§ 3a Abs. 1 Satz 3 RVG). Anderenfalls macht er sich schadensersatzpflichtig. In gerichtlichen Verfahren ist darüber hinaus zu beachten, dass die gesetzliche Vergütung nicht un- 2.5040 terschritten werden darf (§ 49b Abs. 1 BRAO). Daher ist es in gerichtlichen Verfahren nicht zulässig, einen geringeren Streitwert als den gesetzlichen zu vereinbaren. Lediglich in außergerichtlichen Tätigkeiten kann auch ein geringerer Gegenstandswert vereinbart werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 RVG). Soweit in einem gerichtlichen Verfahren unzulässigerweise ein geringerer Gegenstandswert vereinbart wird, bleibt der Anwalt daran allerdings gebunden, da der Verstoß die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht berührt.2 Ergibt sich aus der Vereinbarung eines höheren Gegenstandswertes eine unangemessen hohe Vergütung, kann diese nach § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG vom Gericht herabgesetzt werden. Zuvor ist das Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen (§ 3a Abs. 2 Satz 2 RVG).

2.5041

Auch wenn grundsätzlich der Gegenstandswert frei vereinbart werden kann, unterliegt er doch der 2.5042 AGB-Kontrolle, zumindest gegenüber einem Verbraucher.3 So kann die Vereinbarung eines bestimmten Gegenstandswerts von den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes abweichen und den Mandanten unangemessen benachteiligen, so dass die Vereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB verstößt. Der Verstoß kann sich auch aus einer Kombination einer erhöhten Gebührenvereinbarung 1 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, MDR 2014, 931 = AGS 2014, 319. 2 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, MDR 2014, 931 = AGS 2014, 319. 3 BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, MDR 2020, 570 = AGS 2020, 161; BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 141/19, MDR 2020, 570 = AGS 2020, 161.

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2. Teil

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Verfahrensruhe

mit einer erhöhten Gegenstandswertvereinbarung ergeben. So hat der BGH in zwei Fällen eine Vereinbarung, wonach dem Gegenstandswert einer Kündigungsschutzklage der Wert der Abfindung hinzuzurechnen sei, als unwirksam angesehen.1

2.5043 Zu beachten ist allerdings, dass die bloße Vervielfältigung des gesetzlichen Streitwertes noch nicht unangemessen ist,2 zumal ein Mehrfaches des Gegenstandswertes nicht automatisch zum entsprechenden Mehrfachen der Gebühren führt, da die Gebührentabelle eine Degression vorsieht.

C. Vereinbarungen im Erstattungsverhältnis 2.5044 In der Praxis werden häufig auch im Rahmen der Kostenerstattung Vereinbarungen zur Höhe des Gegenstandswerts bzw. Erledigungswerts geschlossen. Hintergrund ist, dass sich der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch bei teilweiser Durchsetzung eigener Ansprüche nicht nach der Quote der durchgesetzten Ansprüche berechnet, sondern nach den vollen Gebühren aus dem sog. Erledigungswert, also dem Wert der berechtigten Ansprüche (s. hierzu auch das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175 ff.). Hier kommt es im Rahmen des Erstattungsverhältnisses mitunter zu Vereinbarungen über den Wert, nach dem sich die zu erstattenden Kosten berechnen sollen. Eine solche Vereinbarung ist formlos möglich, da es sich nicht um eine Vergütungsvereinbarung handelt, sondern lediglich um die Regelung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs.

2.5045 Für das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ist diese Vereinbarung unerheblich. Der Anwalt rechnet gegenüber seinem Auftraggeber nach dem tatsächlichen zutreffenden Gegenstandswert ab. Der Auftraggeber erhält die Kostenerstattung nur nach dem vereinbarten Wert. Den Differenzbetrag muss der Auftraggeber dann aus eigener Tasche zahlen.

2.5046 Mitunter verpflichtet sich ein Erstattungspflichtiger vergleichsweise auch, die Anwaltskosten nach einem höheren Wert als dem Erledigungswert (s. hierzu das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175 ff.) zu zahlen. Dann muss er nach diesem Wert erstatten.

Verfahrensruhe 2.5047 Wird ein Rechtsstreit, der einen Anspruch auf Zahlung zum Gegenstand hat, infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten unterbrochen, dann bestimmt sich der Streitwert für den Zeitraum nach Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Betrag, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Klageforderung zu erwarten ist.3

2.5048 Den Wert einer Beschwerde gegen die Ablehnung umgehender Aufnahme des Verfahrens nach Anordnung des Ruhens ist regelmäßig mit 1/5 des Hauptsachewertes zu bemessen, weil es nur darum geht, ob der Kläger den begehrten Titel früher erwirken kann.4 Das Beschwerdeverfahren zur Streitwertfestsetzung kann während des Ruhens des Verfahrens durchgeführt werden.5

2.5049 Siehe auch die Ausführungen zum Stichwort „Aussetzung“, Rz. 2.552.

1 BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, MDR 2020, 570 = AGS 2020, 161; BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 141/19, MDR 2020, 570 = AGS 2020, 161. 2 LG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1990 – 3 S 56/90 JurBüro 1991, 530. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 W 414/09, JurBüro 2010, 201. 4 OLG Köln, Beschl. v. 25.9.1984 – 2 W 114/84; s. auch BGH, Beschl. v. 25.7.2019 – I ZB 82/18, MDR 2019, 1524; betr. Aussetzung. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.1993 – 3 W 2/93, MDR 1993, 471.

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Vergleich

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2. Teil

2.5050

Siehe das Stichwort „Prozesstrennung“, Rz. 2.4035 ff.

Vergleich Literatur: Bräuer, Gegenstandswert bei Ratenzahlungsvereinbarungen, JurBüro 2008, 62; Enders, Der BRAGO-Tip, JurBüro 1995, 1, 3; Enders, 15/10 Vergleichsgebühr auch bei Prozeßkostenhilfe für den Vergleich über nichtanhängige Ansprüche, JurBüro 1995, 393; Mümmler, Aufgabe des normativen Streitwerts?, JurBüro 1991, 767; E. Schneider, Zweifelsfragen zur Berechnung des Gegenstandswertes von Vergleichen, Rpfleger 1986, 81; E. Schneider, Problemfälle aus der Prozesspraxis, MDR 1990, 682 (faule Forderungen). A. Einleitung I. Begriff und Voraussetzungen . . . . . . . 2.5051 II. Verpflichtung zur Klagerücknahme . . 2.5055 III. Verpflichtung zur Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5059 IV. Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5061

3.

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5063 II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5073 2. Vergleich über rechtshängige Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5082

4. 5. 6. 7.

b) Deklaratorische Erwähnung von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hilfswiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Nebenforderungen und Kosten . . . . Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haupt- und Hilfsaufrechnung . . . . Vergleich über Kosten . . . . . . . . . . . . . Gesamtvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigung des Vergleichs . . . . . . . . Unwirksamkeit des Vergleichs . . . . . . .

2.5093 2.5097 2.5102 2.5105 2.5108

2.5113 2.5120 2.5128 2.5130 2.5134 2.5135

C. Rechtsmittel und Beschwer . . . . . . . . 2.5141

A. Einleitung I. Begriff und Voraussetzungen Der Vergleich ist ein schuldrechtlicher Vertrag, mit dem die Vertragsparteien Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigen, § 779 Abs. 1 BGB. Ob Streit oder Ungewissheit vorliegen, bestimmt sich allein nach den subjektiven Vorstellungen der Parteien. Für die Annahme gegenseitigen Nachgebens genügt, dass die Parteien zum Zwecke der Einigung einander irgendwelche, nicht notwendigerweise gleichwertige Zugeständnisse machen.

2.5051

Kommt es zu seinem Abschluss innerhalb eines laufenden Rechtsstreits, fallen Rechtsgeschäft und Prozesshandlung zusammen und bilden nach ganz überwiegender Ansicht eine Einheit, die eine wechselseitige Abhängigkeit der materiellen Regelung und der prozessualen Wirkungen zur Folge hat, sog. Doppelnatur des Vergleichs.1 Nur wenn es dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht,

2.5052

1 BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 39/99, MDR 2000, 943; BGH, Urt. v. 10.3.1995 – II ZR 201/53, BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705.

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Verfahrenstrennung

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2. Teil

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Vergleich

ZPO

kann ein aus prozessrechtlichen Gründen unwirksamer Vergleich als außergerichtlicher Vergleich aufrechterhalten werden.1

2.5053 Da ein Vergleich eine mit seinem Abschluss verbundene Klärung tatsächlicher oder rechtlicher Unklarheiten voraussetzt, ist die bloße Übereinstimmung hinsichtlich des Bestands ohnehin unstreitiger Ansprüche hierfür in der Regel unzureichend. Daher lehnt die gerichtliche Praxis es überwiegend ab, den Parteien durch Protokollierung eines Vergleichs einen Vollstreckungstitel zu verschaffen, für den sie außergerichtlich Notarkosten bezahlen müssten.2

2.5054 Von einem sog. verdeckten oder informellen Prozessvergleich3 ist auszugehen, wenn das Einvernehmen der Parteien nicht als Vergleich protokolliert wird, sondern die Parteien den Rechtsstreit absprachegemäß durch (z.B.) Teilklagerücknahme und Anerkenntnis der verbleibenden Klageforderung beenden.4 Die bei einem Vergleichsschluss möglichen weiteren Gerichtsgebühren, so bei einem Mehrwert des Vergleichs (Nr. 1900 KV GKG), lassen sich durch eine derartige Vorgehensweise nicht vermeiden.

II. Verpflichtung zur Klagerücknahme 2.5055 Bestandteil eines außergerichtlichen Vergleichs kann auch die Verpflichtung sein, gegenüber dem Gericht die Klagerücknahme zu erklären.5 Erfüllt der Kläger die Abrede nicht, ist die Klage auf Arglisteinrede des Beklagten als unzulässig abzuweisen.6

2.5056 Für eine derartige Verbindung von vergleichsweiser Einigung und Klagerücknahme in einem Prozessvergleich besteht kein Bedarf, da der Rechtsstreit (bereits) durch den Abschluss des Vergleichs, soweit es sich nicht allein um einen Teil- oder Zwischenvergleich handelt, unmittelbar beendet wird.7 In diesen Fällen ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien eine Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme oder Vergleich gewollt haben. Siehe im Übrigen unter dem Stichwort „Klagerücknahme“, Rz. 2.2563.

2.5057 Maßgebend für die Streitwertbestimmung ist in beiden Fällen der Streitwert der Hauptsache.8 Auch eine im Prozessvergleich über die Klagerücknahmeverpflichtung hinaus enthaltene, von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenregelung, bleibt gem. § 43 Abs. 3 GKG bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.9 Denn als kostenverursachende Handlung i.S.d. § 43 Abs. 3 Satz 2 ZPO betrifft der Prozessvergleich neben den Kosten des Rechtsstreits auch den Hauptanspruch. Der Kostenbetrag ist aber lediglich dann maßgebend, wenn Handlungen den Kostenpunkt ohne den Hauptanspruch betreffen.

1 BGH, Urt. v. 24.10.1984 – IVb ZR 35/83, MDR 1985, 392. 2 Vgl. zur fehlenden Protokollierungspflicht auch BGH, Beschl. v. 3.8.2011 – XII ZB 153/10, MDR 2011, 1128. 3 Vgl. hierzu Treuer, MDR 1999, 520; Rasehorn, ZRP 1980, 6, 9. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.6.2018 – 6 W 51/18, RVGreport 2018, 419 m. krit. Anm. Hansens; OLG Köln, Beschl. v. 18.6.2009 – 17 W 144/09; OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG prof. 2006, 129 (Ls.); OLG Rostock, Beschl. v. 26.5.2008 – 5 W 94/08, MDR 2008, 1308. 5 BGH, Urt. v. 14.5.1986 – IVa ZR 146/85, NJW-RR 1987, 307. 6 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839; BAG, Urt. v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, MDR 1982, 258. 7 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839; OLG München, Beschl. v. 29.1.2019 – 11 W 54/19, AGS 2019, 178 = JurBüro 2019, 547. 8 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Oldenburg, JurBüro 1957, 33; OLG Stuttgart, MDR 1955, 368. 9 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195.

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Vergleich

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2. Teil

2.5058

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Folgerichtig bleiben auch die Kosten des Prozessvergleichs selbst nach § 43 Abs. 3 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.1

III. Verpflichtung zur Erledigungserklärung Aufgrund der unmittelbar prozessbeendigenden Wirkung des Prozessvergleichs besteht auch für eine 2.5059 Verbindung von Vergleich und Erledigungserklärung keine Notwendigkeit. Der im Vergleich enthaltenen Formulierung, wonach der „Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist“, kommt eine eigenständige Bedeutung allenfalls dann zu, wenn die Parteien daneben keine oder nur eine negative Kostenregelung getroffen haben. Dann beschränkt sich der Vergleich auf die Hauptsache, so dass das Gericht in Abweichung von § 98 ZPO nach Maßgabe der allgemeinen Kostenregelungen, insbesondere von § 91a ZPO, über die Kosten zu entscheiden hat.2 Umgekehrt kann aus der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen für sich genommen kein Schluss auf eine Einigung der Parteien gezogen werden.3 Auch hier bestimmt sich der Streitwert des Vergleichs allein nach dem Wert der Hauptsache. Demgegenüber ist der Verfahrenswert nach Abschluss des Vergleichs, ebenso wie bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung (s. hierzu unter dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303), nach der Summe der bis dahin angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten4 zu bestimmen, bei denen wiederum die Kosten des Prozessvergleichs selbst gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG unberücksichtigt bleiben.

2.5060

IV. Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme Übernimmt eine Partei in einem Prozessvergleich die Verpflichtung, ein von ihr in einem anderweitig zwischen den Parteien oder gegen einen Dritten geführten Verfahren eingelegtes Rechtsmittel zurückzunehmen, bestimmt sich der Streitwert nach der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Eintritt einer bestandskräftigen Entscheidung zwischen den Vergleichsparteien hat. Diese wird regelmäßig mit dem Beschwerdegegenstand des Rechtsmittelverfahrens übereinstimmen.

2.5061

Der abweichenden Ansicht des LAG Hamm,5 wonach der Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme 2.5062 keine werterhöhende Bedeutung zukomme, da die Rücknahme wegen § 516 Abs. 3 ZPO für den Rechtsmittelführer ohnehin mit der vollen Kostenlast verbunden sei, ist nicht zu folgen. Mit der Kostenlast der Rücknahme wird der falsche Anknüpfungspunkt gewählt, da diese nur Folge, aber regelmäßig nicht Ziel der vergleichsweisen Regelung ist. Diese bezweckt vielmehr den Eintritt der Bestandskraft der angegriffenen Entscheidung.

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Für den Anfall von Gerichtsgebühren ist der Abschluss eines Prozessvergleichs bei Identität von Vergleichs- und Streitgegenstand weitgehend ohne Bedeutung. Nur wenn mit dem Vergleich eine Rege-

1 OLG Nürnberg, BayJMBl. 1959, 170; OLG Köln, JurBüro 1970, 803. 2 BGH, MDR 1965, 25 = NJW 1965, 103; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 120; OLG München, Beschl. v. 13.11.1989 – 25 W 2948/89, MDR 1990, 344; OLG Saarbrücken, Beschl. 24.5.2004 – 5 W 38/04. 3 OLG Hamm, AGS 2014, 166; OLG Köln, RVGreport 2015, 370. 4 OLG Köln, JurBüro 1972, 161. 5 LAG Hamm, MDR 1980, 613 Nr. 127.

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lung bislang nicht anhängiger Ansprüche erfolgt, also der Wert des Vergleichsgegenstandes den Wert des Streitgegenstandes übersteigt (sog. Mehrwert), bedarf dieser einer gesonderten Festsetzung.1

2.5064 Zu den allgemeinen Gerichtsgebühren tritt eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG nach dem Unterschied der Streitwerte,2 nach Anm. 2 zu Nr. 1900 KV GKG nicht aber, wenn der höhere Vergleichswert keinen Gebührensprung ausgelöst hätte (§ 36 Abs. 3 GKG analog).3 Für die gerichtliche Vergleichsgebühr haftet in diesem Fall nur diejenige Partei, deren nichtrechtshängigen Ansprüche in den Vergleich einbezogen worden sind.4

2.5065 Bei den anwaltlichen Gebühren löst die anwaltliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs oder an den diesem Prozessvergleich vorausgehenden Verhandlungen gem. Nrn. 1000, 1003 VV RVG eine Einigungsgebühr aus. Hierbei ist im RVG die Privilegierung der außergerichtlichen Einigung (Nr. 1000 VV RVG: 1,5) gegenüber der gerichtlichen (Nr. 1003 VV RVG: 1,0) beibehalten worden.

2.5066 Mit der Neufassung in Nr. 1000 VV RVG hat der Gesetzgeber die noch in § 23 Abs. 1 BRAGO vorhandene Anknüpfung an den materiell-rechtlichen Vergleich (§ 779 BGB) aufgegeben. Dies ist bei der Heranziehung davor ergangener Judikate zu berücksichtigen. Erforderlich ist nach neuem Recht nur noch ein Vertrag, durch den ein Streit oder eine Ungewissheit der über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird; eines gegenseitigen Nachgebens bedarf es für den Anfall der Einigungsgebühr nicht mehr.5 Hingegen darf sich die Einigung nicht auf die Abgabe eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts beschränken, so dass ein geringfügiges einseitiges Nachgeben notwendig bleiben wird. Der Ungewissheit über das Rechtsverhältnis steht analog § 779 Abs. 2 BGB gleich, dass die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist.6

2.5067 Neben dem Prozessvergleich kommt auch dem außergerichtlichen Vergleich streitwertrechtlich eine Bedeutung zu. Denn gem. Nr. 1000 VV RVG entsteht auch bei Mitwirkung eines Anwalts am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs eine Einigungsgebühr. Im Verhältnis zum Prozessvergleich gelangen die gleichen Bewertungsgrundsätze zur Anwendung.

2.5068 Soweit durch den Abschluss eines Prozessvergleichs nur anwaltliche Gebührenansprüche entstehen oder der Rechtsstreit durch einen außergerichtlichen Vergleich erledigt wird, ist der Gegenstandswert gem. § 33 Abs. 1 RVG, der auch nicht anhängige Ansprüche erfassen kann, nur auf Antrag festzusetzen.7 In der Praxis wird häufig auch ohne ausdrücklichen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG mit der Streitwertfestsetzung nach § 63 GKG zugleich der Gegenstandswert der anwaltlichen Vergleichsgebühr festgesetzt, wenn er nicht mit dem Streitwert des gerichtlichen Verfahrens übereinstimmt. Dies begegnet keinen Bedenken, da regelmäßig von einem entsprechenden mutmaßlichen Willen der Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Zu beachten ist jedoch, dass sich ein etwaiges Beschwerdeverfahren nicht nach § 68 GKG, sondern nach § 33 Abs. 1 RVG richtet. Vgl. hierzu die Ausführungen in „Teil 1 – Verfahrensrecht“, Rz. 1.953 ff.

2.5069 Für die gerichtliche Wertfestsetzung ist es unstatthaft, den Gegenstandswert von Vergleichen künstlich niedrig zu halten.8 Demgegenüber steht es den Parteien aufgrund der Dispositionsmaxime frei, für 1 OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, JurBüro 2019, 368; OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 736. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 1. 3 A.A. noch zur alten Rechtslage: OLG München, Beschl. v. 10.12.2008 – 11 W 2504/08, MDR 2009, 894. 4 OLG München, NJW 1973, 1889. 5 LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 16.11.2012 – 1 S 127/12. 6 BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08, MDR 2009, 104; BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, MDR 2005, 897 = JurBüro 2005, 309. 7 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 22.4.1992 – 7 Ta 63/92, JurBüro 1993, 165. 8 OLG Köln, JurBüro 1961, 292.

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Zur Erstfestsetzung ist nur dasjenige Gericht zuständig, vor dem der Prozessvergleich protokolliert worden ist, also nicht das Rechtsmittelgericht, wenn der Vergleich in der Vorinstanz geschlossen worden war.4

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die Berechnung der Anwaltsgebühren eine vom wirklichen Wert abweichende Vereinbarung über den Gegenstandswert zu treffen. Es handelt sich dabei um ein Entgegenkommen im Kosteninteresse.1 Das kann auch verbindlich im Prozessvergleich selbst geschehen; Einfluss auf den nach dem wirtschaftlichen Interesse zu bestimmenden Verfahrenswert hat dies nicht.2 Insbesondere liegt in der Einigung über den Streitwert kein Verzicht auf ein Rechtsmittel gegen eine davon abweichende Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 3, § 68 Abs. 1 GKG für das gerichtliche Verfahren.3

2.5070

Hierbei darf die Festsetzung des Wertes für einen gerichtlich protokollierten Vergleich unterbleiben, 2.5071 wenn der Vergleich ersichtlich unwirksam oder nichtig ist. Ein solcher Vergleich kann nämlich keine Gebühren auslösen, seien es gerichtliche oder außergerichtliche.5 Ebenso entfällt die Vergleichsgebühr im Falle der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs. Aus § 15 Abs. 4 RVG folgt nichts anderes, da hier nur die gebührenrechtlichen Auswirkungen der vorzeitigen Erledigung bzw. Beendigung des Mandats geregelt werden. Die Anfechtung des Vergleichs führt jedoch zu seiner Unwirksamkeit ex tunc; die Voraussetzungen für den Anfall der – erfolgsbezogenen – Einigungsgebühr bestanden folglich zu keinem Zeitpunkt.6 Bei der nachfolgenden Kostenberechnung darf das Gericht keinen von der Wertbestimmung abweichenden Vergleichswert zugrunde legen.7

2.5072

II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines Da für die Berechnung des Vergleichswertes keine besonderen Vorschriften existieren, ist auf den Anspruch oder das Recht abzustellen, das Gegenstand des Vergleichs ist. Deren Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, d.h., nach den §§ 39 ff. GKG und §§ 3 ff. ZPO. Erfolgt die Einigung in einem Verfahren vor dem Nachlassgericht, richtet sich der Gegenstandswert hingegen nach den Vorschriften des GNotKG.8

2.5073

Im Zweifel ist der Wert des Vergleichs gem. § 3 ZPO zu schätzen. Etwaige den Streitwert ermäßigende Sondervorschriften, beispielsweise §§ 41, 42, 53 GKG, sind in jedem Fall zu beachten.9 Diesbezüglich wird auf die bei den einschlägigen Stichwörtern jeweils am Schluss der Kommentierung befindlichen Ausführungen verwiesen.

2.5074

1 OLG Hamm, Beschl. v. 7.11.2002 – 4 W 169/02. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, AGS 2008, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 7.11.2002 – 4 W 169/02. 3 OLG Frankfurt, Beschl. 21.5.2013 – 17 W 15/13, AGS 2013, 337. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.1984 – 2 WF 80/84, JurBüro 1984, 1398; OLG Celle, JurBüro 1971, 1066; a.A. OLG Hamburg, MDR 1958, 696. 5 KG, Rpfleger 1962, 121. 6 OLG München, Beschl. v. 12.11.1990 – 11 W 2531/90, MDR 1991, 263; Schneider/Wolf, RVG, VV 1000 Rz. 57; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.3.1999 – 20 WF 19/99, OLGR 1999, 332; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.7.1990 – 15 WF 104/90, JurBüro 1991, 932; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.5.1980 – IVa ZR 1/80, MDR 1980, 915 = DB 1980, 2076 zum Wegfall des Maklerprovisionsanspruchs bei Anfechtung des vermittelten Vertrages. 7 OLG Düsseldorf, Rpfleger 1969, 195. 8 BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 – 3 ZBR 112/01 – noch zur KostO. 9 OLG Köln, MDR 1971, 854; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177.

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2.5075 Der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung bestimmt sich danach, worüber der Vergleich geschlossen, d.h., welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist demgegenüber, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt.1 Erschöpft sich der Vergleich in der Feststellung, dass der Rechtsstreit mit dem Vergleichsabschluss erledigt ist, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach dem Wert der Klageanträge. All das ist nahezu einhellige Auffassung.2

2.5076 Ist dem Abschluss des Prozessvergleichs aufgrund einer von den Parteien erzielten Gesamtregelung eine Teilklagerücknahme vorausgegangen, bestimmt sich der Wert des Vergleichs unter Einbeziehung des von der Klagerücknahme betroffenen Teils der Klageforderung.3 In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn sich das Einvernehmen der Parteien nicht in der Protokollierung eines Vergleichs niederschlägt, sondern der Kläger die Klage teilweise zurücknimmt und der Beklagte die verbleibende Klageforderung anerkennt oder auf eine vollumfängliche Klagerücknahme – absprachegemäß – keinen Kostenantrag (§ 269 Abs. 3 ZPO) stellt. Gegenstand des sog. verdeckten oder informellen Vergleichs4 und damit wertbestimmend ist die volle Klageforderung.

2.5077 So ist etwa ein Prozessvergleich über ein Miet- oder Pachtverhältnis auch dann lediglich nach dem einjährigen Betrag gem. § 41 GKG zu bewerten, wenn unabhängig vom Nutzungsentgelt eine Ausgleichszahlung wegen vorzeitiger Räumung des Miet- oder Pachtobjekts vereinbart wird.5

2.5078 Die vom OLG Frankfurt6 für den Fall einer auf Zahlung von Unterhalt gerichteten Klage abweichend vertretene Ansicht, wonach der im Zuge der Vergleichsverhandlungen vom Kläger geforderte Abfindungsbetrag maßgebend sei, überzeugt nicht. Der Vergleichswert bestimmt sich nach dem Gegenstand der durch ihn behobenen tatsächlichen oder rechtlichen Ungewissheit. Diese besteht – hier – nicht hinsichtlich der Höhe eines Abfindungsbetrages, sondern in der streitigen Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt. Der Wert dieses Klagebegehrens bemisst sich nach dem Jahresbetrag des monatlichen Unterhalts, § 42 Abs. 1 GKG. Siehe hierzu auch unter dem Stichwort „Unterhaltsachen“, Rz. 3.2006 im FamR-Teil.

2.5079 Regeln die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb von bebautem Grundeigentum, ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Dies insbesondere, wenn beispielsweise ein Bauträger die Erfüllung des Auflassungsanspruchs von der Zahlung des restlichen Kaufpreises abhängig macht, den der Käufer wiederum wegen gerügter Mängel des Bauwerks zurückhält. Der unmittelbaren Anwendung des § 6 ZPO steht entgegen, dass im Kern nur ein kleiner Spitzenbetrag streitig ist,7 so dass unter Berücksichtigung von § 3 ZPO der Streitwert zwischen dem Verkehrswert und der streitigen Restforderung anzusetzen ist. Siehe im Einzelnen unter dem Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2012 – 20 W 13/12, VersR 2013, 920; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.8.2009 – 7 W 48/09, MDR 2009, 1252, r+s 2011, 228. 2 BGH, NJW 1964, 1523; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2005 – 24 U 66/04, JurBüro 2005, 479; OLG Bamberg JurBüro 1984, 254; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR Berlin 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, AGS 2008, 462; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.7.2013 – 23 W 41/13, NZBau 2013, 717; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, JurBüro 2008, 651 – Umzugskostenbeihilfe; OLG Köln, Beschl. v. 27.3.2007 – 27 WF 208/06, AGS 2007, 322; OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, JurBüro 2019, 368; OLG München, Beschl. v. 22.2.2000 – 14 W 333/99, JurBüro 2001, 141; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.8.2009 – 7 W 48/09, MDR 2009, 1252. 3 Zutr. OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG prof. 2006, 129 (Ls.). 4 Vgl. hierzu Treuer, MDR 1999, 520; Rasehorn, ZRP 1980, 6, 9. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, ZMR 2010, 177; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, AGS 2008, 569 – beide Umzugskostenbeihilfe. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.2.1980 – 3 UF 157/79, JurBüro 1980, 1215 m. abl. Anm. Mümmler; zustimmend Schmidt, AnwBl. 1977, 444. 7 Sehr strittig; vgl. OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, ZIP 1981, 781.

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Neben der Summe der durch den Vergleich erledigten Ansprüche ist auch der Betrag belanglos, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.2 Denn die Bewilligung verhält sich allein zur Frage, ob und in welchem Umfang eine Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung Aussicht auf Erfolg hat und nicht über den Umfang des – vom Vergleich erfassten – Klagebegehrens selbst.

2.5081

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Werden in einem Vergleich noch nicht fällige Ansprüche einbezogen, dann sind sie auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzuzinsen. Der ungeminderte Ansatz des Forderungsnennwertes berücksichtigt nicht, dass ein noch nicht fälliger Anspruch weniger wert ist als eine fälliger. Der Nennbetrag ist nach § 3 ZPO um den Zinsbetrag zu kürzen, der aufzuwenden ist, um den Forderungsbetrag bereits jetzt und nicht erst bei Fälligkeit zur Verfügung zu haben.1

2. Vergleich über rechtshängige Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche Unproblematisch ist die Bewertung des Vergleichs, wenn dieser sich über einen in vollem Umfang 2.5082 streitigen Anspruch verhält. Hier ist – wie bereits ausgeführt – der Wert dieses Anspruchs maßgebend. Eine mit dem Vergleich getroffene Ratenzahlungsvereinbarung wirkt sich nicht werterhöhend aus.3 Fraglich ist jedoch, ob die Einbeziehung unstreitig bestehender Ansprüche eine Einigungsgebühr auslöst und nach welchem Wert diese zu berechnen ist. Nach Nr. 1000 VV RVG (und § 779 Abs. 1 BGB) muss die Einigung die Behebung eines Streits oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zum Inhalt haben. Danach erscheint es geboten, die Aufnahme unstreitiger Ansprüche wertmäßig generell nicht zu berücksichtigen.4 Dementsprechend hat auch der BGH5 in einem Darlehensprozess bei Erhöhung der monatlichen Rückzahlungen die Mittitulierung der unstreitigen Zahlungen nicht zur Beschwer gerechnet.

2.5083

Diesem Ansatz steht jedoch § 779 Abs. 2 BGB (analog) entgegen, wonach der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis gleichsteht, dass (allein) die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist, etwa weil der Erfolg einer Vollstreckung offen ist.6 Hierbei ist die Ungewissheit einer Partei ausreichend, wenn deren Zweifel der anderen Partei bekannt sind.7 Für die Streitwertbestimmung ist demnach zu unterscheiden:

2.5084

– Dient die Einbeziehung des unstreitigen Anspruchs nach dem Willen der Parteien allein seiner Ti- 2.5085 tulierung, so ist damit die Behebung einer Unsicherheit dann verbunden, wenn ohne vergleichsweise Regelung das künftige (Prozess-)Verhalten des Schuldners die Erlangung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels verzögern bzw. erschweren könnte.8 Die mit dem Vergleich beseitigte Unsicherheit erfasst wirtschaftlich betrachtet daher nicht die Forderung in ihrem Bestand, sondern nur den Aufwand der Forderungsdurchsetzung. Das Interesse an einer Titulierung ist daher werterhöhend zu berücksichtigen. 1 2 3 4 5 6 7 8

LAG Köln, Beschl. v. 2.6.1986 – 3 Ta 38/86, MDR 1987, 169 m. Anm. Hirte. OLG Frankfurt, AnwBl. 1964, 122; OLG Schleswig, AnwBl. 1963, 85. Bräuer, JurBüro 2008, 62 mit Berechnungsbeispielen. So OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 8 W 648/94, JurBüro 1996, 148 = Justiz 1996, 60; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.1.1984 – 13 WF 1238/83, JurBüro 1984, 1218, das jedoch unter Hinweis auf die Vergütungspflicht anwaltlicher Tätigkeit dann doch einen Vergleich bejaht. BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, WPM 1985, 279 – Beschwer. BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08, MDR 2009, 104; BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, MDR 2005, 897 = JurBüro 2005, 309; BGH, Urt. v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, MDR 1992, 252. Vgl. Palandt/Sprau, § 779 BGB Rz. 4 m.w.N.; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rz. 73. BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, MDR 2005, 897 = JurBüro 2005, 309 – Ratenzahlungsvergleich; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rz. 73; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.6.2011 – 5 W 142/11; a.A. wohl OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2005 – 23 W 24/05, AGS 2005, 326 m. abl. Anm. Madert – Ratenzahlungsvergleich.

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2.5086 – Demgegenüber scheidet eine Werterhöhung bei Einbeziehung eines bereits prozessual wirksam anerkannten oder von einem Verzicht erfassten Teils der Klageforderung regelmäßig aus. Denn hat der Beklagte von Beginn an keinerlei Einwendungen gegen den anerkannten Teil der Klageforderung erhoben, wird mit der Aufnahme in den Vergleich kein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis behoben. Zudem behalten Anerkenntnis und Verzicht auch ohne Erlass eines darauf beruhenden Urteils ihre Wirkung für den ganzen Prozess. Denn die Wirksamkeit von Anerkenntnis und Verzicht wird durch ein nachfolgendes Bestreiten oder Beanspruchen nicht mehr berührt.1 Die Ablehnung einer Werterhöhung entspricht auch der Umgestaltung des Gebührentatbestandes durch Nr. 1000 VV RVG gegenüber § 23 Abs. 1 BRAGO, wonach es für den Gebührenanfall nicht ausreicht, wenn sich die Einigung auf die Abgabe eines Anerkenntnis oder eines Verzicht beschränkt.

2.5087 – Anders liegt es hingegen, wenn die Einbeziehung einer unstreitigen oder bereits anerkannten Forderung neben der Titulierung eine erleichterte Realisierung bezweckt, etwa weil der finanzschwache oder vermögenslose Schuldner erst durch seine Einbindung in die Beendigung des Rechtsstreits und die Gewährung günstiger Zahlungsmodalitäten zur Zahlung „motiviert“ werden kann.2 Der Kläger verzichtet durch sein Zugeständnis auf schnellere Befriedigung. In diesem Fall rechtfertigt daher auch eine Vereinbarung über die ratenweise Rückführung unstreitiger, anerkannter oder schon rechtskräftig titulierter Ansprüche die Annahme einer Einigung und damit eine wertmäßige Berücksichtigung.3 Diese entspricht jedoch regelmäßig nicht dem Wert der Hauptsache.4 Zutreffend dürfte es sein, sich an der Rechtsprechung zum Titulierungsinteresse zu orientieren und im Regelfall eine Bruchteilsbewertung von 1/10 in Ansatz zu bringen.5 Die vorstehenden Erwägungen tragen jedoch nicht, wenn die Parteien sich der Form des Prozessvergleichs allein zum Zwecke der kostengünstigeren Titelschaffung bedienen, beispielsweise durch die Aufnahme grundbuchrechtlich relevanter Beurkundungsvorgänge statt der Inanspruchnahme eines Notars. Dem ist nicht durch eine dogmatisch fragwürdige Ausweitung des Vergleichsbegriffs, sondern durch eine prozessordnungsgemäße Verweigerung der Protokollierung zu begegnen.6

2.5088 – Beschränkt sich das Interesse der Parteien (zulässigerweise) auf die Titulierung unstreitiger Ansprüche, ist dies zugleich für die Bemessung des Vergleichswerts bestimmend. Das bedeutet im Ergebnis, dass insoweit nicht der volle Wert der unstreitigen Ansprüche anzusetzen ist, sondern dass das Titulierungsinteresse des Gläubigers nur mit einem nach § 3 ZPO frei zu schätzenden Bruchteil des unstreitigen Anspruchs bemessen werden darf.7

2.5089 – Eine gleichartige Bewertungsproblematik stellt sich, wenn mit dem Prozessvergleich ein – in vollem Umfang rechtshängiger – Anspruch geregelt wird, der nur zu einem Teil streitig ist (streitige 1 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.3.1993 – XII ZR 256/91, MDR 1993, 1238. 2 Ausf. Bräuer, JurBüro 2008, 62 mit Berechnungsbeispielen. 3 BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, MDR 2005, 897, JurBüro; KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 309; OLG München, Beschl. v. 9.7.1999 – 11 W 1975/99, MDR 1999, 1286, AGS 2000, 3, das allein problematisiert, ob ein Nachgeben i.S.d. § 779 BGB vorliegt; OLG Rostock, Beschl. v. 26.5.2008 – 5 W 94/08, MDR 2008, 1308; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rz. 204; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.2.1984 – 8 W 48/84, JurBüro 1984, 1358 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2005 – 23 W 24/05, AGS 2005, 326 m. abl. Anm. Madert; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.5.1984 – 8 W 876/84, MDR 1984, 1036. 4 Im Ergebnis OLG Bamberg, Beschl. v. 28.8.1990 – 3 W 27/90, JurBüro 1990, 1619; KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 309; unklar OLG München, Beschl. v. 9.7.1999 – 11 W 1975/99, MDR 1999, 1286, AGS 2000, 3; a.A. Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 23 Rz. 47: voller Wert. 5 KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 309; a.A. OLG Celle, JurBüro 1971, 237: 1/3; fehlerhaft AG Lüdenscheid, JurBüro 2008, 90, das für das Abschlussinteresse (spekulativ) auf den weiteren Prozessverlauf und die damit verbundenen Kosten abstellt. 6 Vgl. zur fehlenden Protokollierungspflicht auch BGH, Beschl. v. 3.8.2011 – XII ZB 153/10, MDR 2011, 1128. 7 Insoweit zutr. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 10 W 8/18, BauR 2019, 703.

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Anspruchsspitze). Anzutreffen ist diese Konstellation beispielsweise im Unterhaltsrecht, wenn der auf Verurteilung zur Zahlung des monatlichen Unterhalts gerichtete Rechtsstreit nur hinsichtlich eines Teilbetrages streitig ist und durch einen Vergleich beendet wird, in dem neben der streitigen Mehrforderung auch die bislang monatlich unstreitig und freiwillig gezahlten Beträge einbezogen werden. Nach überwiegender und zutreffender Ansicht ist der Vergleichswert (auch) hier nach der streitigen Mehrforderung zzgl. eines Bruchteils des unstreitigen (freiwilligen) Betrages zu bemessen. Da der bislang freiwillig gezahlte Unterhaltsbetrag zwischen den Parteien nicht im Streit steht, erfolgt insoweit auch keine vergleichsweise Regelung, die einen vollen Wertansatz rechtfertigen könnte. Jedoch trägt die Aufnahme auch des unstreitigen Forderungsteils dem „Titulierungsinteresse“ des Klägers Rechnung, so dass eine Bruchteilsbewertung angemessen erscheint.1 Die Regelbewertung für das Titulierungsinteresse dürfte nach der Rechtsprechung bei 1/10 des unstreitigen Forderungsteils liegen.2 Es ist jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, so dass auch eine davon abweichende Bruchteilsbewertung geboten sein kann, um wirkliches Interesse und Streitwert zur Deckung zu bringen. Das OLG Frankfurt3 hat um 1/5 erhöht; ebenso das OLG Hamburg4 und das LAG BadenWürttemberg.5 Das OLG Koblenz6 hat 1/4 des vollen nach § 42 Abs. 1 GKG berechneten Wertes angenommen; das OLG Zweibrücken7 hat 1/2 angenommen, allerdings aufgrund erschwerender Umstände.

2.5090

Soweit das OLG Nürnberg8 das Titulierungsinteresse mit dem vollen Gegenstandswert ansetzt, kann dies nicht überzeugen, da es auf eine wirtschaftliche Gleichsetzung von unstreitigen mit streitigen Ansprüchen hinausläuft (s. auch unter dem Stichwort „Titulierungsinteresse“, Rz. 2.4822).

2.5091

Von der Bewertung des Vergleichs ist die Bewertung des Verfahrens zu unterscheiden. Für das Erkenntnisverfahren ist immer der volle Streitwert des bezifferten Antrages maßgebend,9 da dieses auf eine Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet ist. Der Beklagte kann jedoch die unbeschränkte Klageerhebung zum Anlass nehmen, die Klageforderung in dem von ihm nicht bestrittenen Umfang sofort anzuerkennen. Die erst nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils entstehenden Gebühren richten sich dann nach dem verbliebenen Hauptsachewert (s. unter dem Stichwort „Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil“, Rz. 2.126 f.). Hat der Beklagte durch sein vorgerichtliches Verhalten zur Klageerhebung auch hinsichtlich des unstreitigen Teils keinen Anlass gegeben, sind dem Kläger insoweit gem. § 93 ZPO die Kosten aufzuerlegen.

2.5092

1 So etwa OLG Hamm, JurBüro 1979, 1867 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1978 – 6 WF 48/77, MDR 1978, 496; OLG Bamberg, JurBüro 1983, 103; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.3.1988 – 2 WF 36/88, FamRZ 1988, 739; LAG Baden-Württemberg, Beschl. 17.9.1990 – 8 Ta 107/90, JurBüro 1991, 834. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.1992 – 7 WF 21/92, JurBüro 1992, 628; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1985 – 2 WF 17/85, JurBüro 1985, 740 m. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 22.1.1985 – 1 WF 651/84, JurBüro 1985, 739 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 27.3.1985 – 5 WF 373/84, AnwBl. 1985, 385 m. abl. Anm. Chemnitz. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.10.1984 – 4 WF 217/84, JurBüro 1985, 424. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 19.11.1987 – 12 WF 131/87, AnwBl. 1988, 313. 5 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.9.1990 – 8 Ta 107/90, JurBüro 1991, 834. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.1.1984 – 13 WF 1238/83, JurBüro 1984, 1218; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.9.1985 – 13 WF 905/85, JurBüro 1986, 415. 7 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1978 – 6 WF 48/77, MDR 1978, 496. 8 OLG Nürnberg, Beschl. v. 7.1.1985 – 10 WF 2855/84, JurBüro 1985, 1395 m. Anm. Mümmler. 9 OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 1979, 874; OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64.

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b) Deklaratorische Erwähnung von Ansprüchen

2.5093 Von den vorerwähnten Fallgestaltungen abzugrenzen ist die Aufnahme eines unstreitigen Anspruchs allein zu deklaratorischen Zwecken, wenn also der Prozessvergleich nicht Mittel zum Regelungs- und Gestaltungszweck ist, sondern die Aufnahme nur der Klarstellung dient, ohne dass insoweit ein Vollstreckungstitel geschaffen werden soll.1

2.5094 Davon ist beispielsweise bei einem erst in der Rechtsmittelinstanz geschlossenen Ratenzahlungsvergleich auszugehen, der auch bereits rechtskräftig entschiedene Teile der Hauptforderung erfasst.2 Nach Ansicht des KG3 ist jedoch angesichts des Stundungsinteresses des Schuldners eine Erhöhung des Gegenstandswertes um 1/10 geboten.

2.5095 Dies ist etwa der Fall, wenn die Parteien in einer Einleitung des Vergleichs die Einigkeit über eine Rechtsposition erklären, auf deren Grundlage im Nachgang die – allein – streitgegenständlichen Folgen geregelt werden.4 Ebenso liegt es, wenn in dem Vergleich vorprozessual erbrachte Leistungen aufgeführt werden, etwa um den Saldo einer nachfolgenden Zahlungsverpflichtung zu erläutern.5

2.5096 Auch die Aufnahme von unstreitigen Rechtsbeziehungen oder Handlungspflichten, ohne dass damit die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung eröffnet werden sollte, bleibt wertmäßig unberücksichtigt.6 Werden derartige Handlungspflichten jedoch zugunsten einer Partei wirtschaftlich verändert, kann ein Wertzuschlag angemessen sein.7 c) Hilfsantrag

2.5097 Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über den Hauptantrag führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung des Hilfsantrages in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.8

2.5098 Wird die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert des Hilfsantrages, soweit der Hilfsantrag nicht mit dem Hauptantrag wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 3 u. Abs. 4 GKG. Hierüber besteht kein Streit.9

2.5099 Erledigen sich Hauptantrag und Hilfsantrag dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich, so dass sich auch der Verfahrenswert erhöht, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG. Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses die innerprozessuale Bedingung des Hilfsantrages, nämlich die negative Bescheidung des Hauptantrages bereits eingetreten war.10 Die Ge1 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGReport Berlin 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2009 – 8 WF 38/08, FamRZ 2009, 1620 – deklaratorischer Unterhaltsverzicht; OLG Köln, Beschl. v. 6.6.2016 – 19 W 6/19, OLG Schleswig, Beschl. v. 3.12.2001 – 15 WF 256/01, SchlHA 2002, 140. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, JurBüro 1996, 148 m. zust. Anm. Enders. 3 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310. 4 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.4.1984 – 1 Ta 43/84, NZA 1984, 99: Einigkeit über Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei streitiger Entgeltfortzahlung. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 14.11.1979 – 8 WF 289/79, JurBüro 1980, 411. 6 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1 – Inhaberschaft Sparbuch; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.4.1984 – 1 Ta 43/84, NZA 1984, 99 – beide für Erteilung Zwischenzeugnis. 7 LAG Köln, Beschl. v. 17.4.1985 – 7 Ta 219/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 815 m. Anm. Schneider = AnwBl. 1986, 205 – unstreitige Lohnfortzahlung unter Freistellung von der Arbeit. 8 OLG Köln, JurBüro 1975, 506 = JMBl NW 1975, 143 – zur Hilfswiderklage. 9 OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476. 10 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 18; offenlassend: KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476.

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genansicht verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG. Mit der gesetzgeberischen Vorgabe, den § 45 Abs. 1 bis 3 GKG „entsprechend“ anzuwenden, wird die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt. Siehe ausführlich hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2248 ff. Eine Erhöhung des Verfahrenswertes kommt – abweichend zum Gegenstandswert der Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000, 1003 RVG – jedoch nur in Betracht, wenn der Rechtsstreit durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet wurde. Eine entsprechende Anwendung von § 45 Abs. 4 GKG auf außergerichtliche Vergleiche, denen eine übereinstimmende Erledigungserklärung nachfolgt, scheidet aus.1

2.5100

Bei der Prüfung der Wertaddition ist zu beachten, dass Haupt- und Hilfsanspruch häufig zumindest teilweise wirtschaftlich identische Klagebegehren zugrunde liegen. Betreffen Haupt- und Hilfsantrag oder Klage und (Hilfs-)Widerklage denselben Gegenstand, ist nur der höherwertigere Anspruch wertbestimmend. Siehe hierzu unter den Stichworten „Hilfsantrag“, Rz. 2.2243 ff. und „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2529 ff.

2.5101

d) Hilfswiderklage Wird die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert der Widerklageforderung, soweit diese nicht denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) betrifft.2

2.5102

Erledigen sich Klage und Hilfswiderklage dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessver- 2.5103 gleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich. Der Verfahrenswert erhöht sich um den Wert des mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Anspruchs, soweit er nicht mit der Klageforderung wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG. Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschluss die innerprozessuale Bedingung des Widerklageantrages, nämlich die (positive) Bescheidung der Klageforderung, bereits eingetreten war.3 Die Gegenansicht4 verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, den § 45 Abs. 1 bis 3 GKG „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt.5

2.5104

e) Stufenklage Wird der Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleichs beendet, bestimmt sich der Gegenstandswert der Einigungsgebühr auch hier nach dem Wert, der von der Einigung erfassten Ansprü-

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2012 – 14 W 55/12, MDR 2013, 424; OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2003 – 23 W 120/03, AGS 2004, 27 m. Anm. N. Schneider; OLG Koblenz JurBüro 1977, 1264. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, OLG Köln v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, VersR 1997, 471. 3 So auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.4.2012 – 13 W 19/12, AGS 2012, 417; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, MDR 2006, 297, OLGR 2005, 586; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89; KG, Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/01, AGS 2002, 158. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 4 W 318/96, MDR 1997, 404; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476; wohl auch OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404. 5 Wie hier OLG Braunschweig, JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 19; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 321.

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che. Daher ist für die Bewertung maßgeblich, welche Ansprüche (Stufen) der Stufenklage abschließend erledigt werden.

2.5106 Einigen sich die Parteien über den vom Kläger geltend gemachten (unbezifferten) Leistungsanspruch (3. Stufe), ist für den Vergleichswert der nach § 44 GKG zu bestimmende Hauptsachewert maßgeblich. Dies unabhängig davon, ob die Einigung im Prozess erst auf der 3. Stufe, also nach bezifferter Antragstellung, oder bereits vor Auskunftserteilung oder Versicherung an Eides statt erfolgt. Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer Einigung (erst) auf der 3. Stufe der Gegenstandswert nach dem nunmehr bezifferten und nicht nach dem eingangs (§ 40 GKG) geschätzten Hauptsachewert zu bemessen ist.

2.5107 Beschränkt sich der Vergleich auf eine Einigung über Auskunft bzw. Rechnungslegung (1. Stufe), entspricht der Vergleichswert folglich nicht dem (geschätzten) Wert der Leistungsstufe, wenn durch den Vergleich der Rechtsstreit zwar insgesamt erledigt wird, die Parteien sich inhaltlich aber nur über den Auskunftsanspruch vergleichen.1 f) Nebenforderungen und Kosten

2.5108 Erfasst der Vergleich über die Klageforderung hinaus auch Nebenforderungen, bleiben diese gem. § 4 ZPO, § 43 GKG bei der Wertbestimmung außer Ansatz. Dies gilt auch dann, wenn der Vergleich die volle Hauptforderung tituliert und das Nachgeben des Klägers nur die Nebenforderung betrifft.2

2.5109 Ebenso bleiben die Kosten des Rechtsstreits bei der Wertberechnung unberücksichtigt, solange Hauptforderung oder Nebenforderung Gegenstand des Vergleichs sind, etwa wenn ein Vergleich über die Hauptsache und Kosten abgeschlossen wird und die Kosten von einer Partei vollständig übernommen werden.3

2.5110 Dies gilt, wenn der Rechtsstreit bereits teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, auch bezüglich der durch den für erledigt erklärten Teil verursachten Kosten.4 Denn nach § 43 Abs. 2 GKG sind die Kosten des Rechtsstreits erst dann streitwertrelevant, wenn es an einem (sachbezogenen) Hauptanspruch fehlt und die Kosten an seiner Stelle zur Hauptforderung geworden sind.5 Bei der Teilerledigung bleibt ein Teil der prozessbezogen verstandenen Hauptsache notwendigerweise im Streit. Siehe hierzu auch unter den Stichwörtern „Erledigung der Hauptsache“, Rz. 2.1303 ff. und „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526

2.5111 Vergleichen sich die Parteien (auch) auf die Übernahme der Kosten eines anderweitigen Verfahrens, dann erhöht sich der Gegenstandswert im Umfang der dort angefallenen Kosten, wenn der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt.6 Für den Fall, dass sich der Vergleich in einer Verteilung der Kosten des zugrunde liegenden Verfahrens erschöpft (sog. Kostenvergleich), s. nachfolgend Rz. 2.5128 f.

2.5112 Die Kosten des Vergleichs selbst sind bei der Bemessung des Vergleichswertes nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Vergleichs ist.7

1 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 6. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 WF 317/83, JurBüro 1984, 1865 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 194. 4 A.A. OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1440. 5 OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, JurBüro 1994, 745. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 WF 317/83, JurBüro 1984, 1865 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Köln, JurBüro 1973, 854.

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2. Teil

a) Streitige und unstreitige Ansprüche Werden mit dem Vergleich neben den streitgegenständlichen Ansprüchen auch nicht rechtshängige Ansprüche oder Rechte geregelt, dann ist der Vergleichswert für die anwaltlichen Gebühren (Nr. 1000, 1003, 1004 VV RVG) durch eine Wertaddition der erfassten Ansprüche zu ermitteln.1 Der Einzelwert des zusätzlich geregelten Gegenstandes (sog. Mehrwert des Vergleichs)2 ist für die Gerichtsgebühren nur von Bedeutung, wenn der Gegenstand nicht anderweitig gerichtlich anhängig ist (Nr. 1900 KV GKG), und nach den allgemeinen Bewertungsregeln allgemeinen Vorschriften, d.h. nach den §§ 39 ff. GKG und §§ 3 ff. ZPO, zu beziffern.3

2.5113

Schließen die Parteien über den streitgegenständlichen Feststellungsanspruch einen Vergleich in Ge- 2.5114 stalt eines Leistungsausspruchs, so besteht der Mehrwert in Höhe des beim Feststellungsanspruch vorgenommenen Abschlags von (in der Regel) 20 %.4 Zu beachten ist hierbei, dass eine volle Wertaddition nur in Betracht kommt, wenn es sich bei dem 2.5115 zusätzlich geregelten Gegenstand um selbständige und zwischen den Parteien5 streitige Ansprüche handelt.6 Hierzu zählen z.B. weitergehende Zahlungsansprüche aus einer vorbehaltenen neuerlichen Schlussrechnung nach Maßgabe der Mindestsätze der HOAI oder bislang unberücksichtigter (streitiger) Nachträge.7 Daher wirkt sich beispielsweise ein als „Aufrechnung“ bezeichneter und durch den Vergleich miterledigter Minderungseinwand nicht streitwerterhöhend aus.8 (Siehe hierzu unter dem Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.327). Ebenso fehlt es für Nr. 1010 KV GKG an einem Mehrwert im Sinne von Nr. 1900 KV GKG, wenn in 2.5116 dem Vergleich Ansprüche einbezogen worden sind, die einer Partei gegen einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten zustanden.9 Das gilt mangels beiderseitiger Beteiligung am Rechtsstreit unabhängig, davon, ob über diesen zwischen Gläubiger und Schuldner Streit bestand.10 Gleiches gilt für den Streitwert der Gerichtsgebühren, wenn mit dem Vergleich neben der Klageforderung auch (nicht anhängige) Ausgleichs- oder Regressansprüche einer Partei zu einem Streithelfer11 oder der als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten untereinander12 geregelt werden. Eine Erhöhung des 1 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1984 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248. 2 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2018 – 10 W 25/18, MDR 2018, 1216, AGS 2019, 296; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2006 – 7 U 60/03. 3 OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, JurBüro 2019, 368; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 23 W 16/09, ZMR 2010, 177. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 1.3.2021 – 3 U 19/29; OLG Hamm, Beschl. v. 22.5.2018 – 7 W 19/18; OLG Köln, Beschl. v. 15.8.2017 – 9 U 179/16, VersR 2017, 1486. 5 OLG München, Beschl. v. 15.1.2020 – 24 U 1530/19; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.10.2018 – 5 W 71/18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 10 W 8/18, BauR 2019, 703. 6 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1984 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248 m. zust. Anm. Enders. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.7.2013 – 23 W 41/13, NZBau 2013, 717. 8 OLG Köln, Beschl. v. 9.5.1984 – 16 W 36/84. 9 OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, JurBüro 2019, 368 betr. Konzerngesellschaften einer Partei; a.A. offenbar OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.2020 – 6 W 272/20, JurBüro 21,45, das eine Werterhöhung (nur) an der wirtschaftlichen Identität der Ansprüche scheitern lässt. 10 A.A. offenbar OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.6.2020 – 17 U 96/20, MDR 2020, 1082; OLG München, Beschl. v. 15.1.2020 – 24 U 1530/19, JurBüro 2020, 142; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 10 W 8/18, BauR 2019, 703. 11 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2018 – 10 W 25/18, MDR 2018, 1216, AGS 2019, 296. 12 OLG Frankfurt, Beschl. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079; a.A. wenn die Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs Teil einer im Interesse aller Beteiligten liegenden „Gesamtbereinigung“ darstellt OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97, JurBüro 1999, 196; OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 105/72, MDR 1973, 324.

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3. Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche

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Gegenstandswertes für die Tätigkeit der Anwälte, deren Mandanten an beiden Rechtsverhältnissen beteiligt sind, bleibt dagegen möglich, wenn die geregelten Ansprüche nicht wirtschaftlich identisch sind.1 Ein (etwaig) hinzuzurechnender Ausgleichs- oder Regressanspruch ist der Höhe nach auf den zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbarten Vergleichsbetrag begrenzt.2

2.5117 Soweit die Einbeziehung unstreitige Ansprüche der Parteien erfasst, ist bei der Zusammenrechnung neben dem Hauptsachestreitwert in der Regel allenfalls ein nach § 3 ZPO zu bemessendes Titulierungsinteresse in Ansatz zu bringen3 (s. ausführlich Rz. 2.5089).

2.5118 Eine Erhöhung um den vollen Wert der einbezogenen Forderung scheidet jedoch regelmäßig aus, wenn diese Forderung mit Rücksicht auf zweifelhafte Realisierungsmöglichkeiten nicht eingeklagt worden ist. Dann dürfte ihr wirtschaftlicher Wert unterhalb des Nennbetrages liegen, und es ist abzuschätzen, inwieweit mit einer Befriedigung überhaupt zu rechnen ist.4

2.5119 Zu berücksichtigen ist daher beim Vergleichswert derjenige Teilbetrag der miteinbezogenen Forderung, der bei summarischer Prüfung durchsetzbar erscheint. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise entspricht derjenigen, die auch für die Bewertung der Forderungspfändung anerkannt ist (s. die Nachweise bei dem Stichwort „Pfändung“, Rz. 2.3863). Seinen gesetzlichen Niederschlag findet der Gedanke der Geringerbewertung wertloser Forderungen in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG, wonach sich der Gegenstandswert der Zwangsvollstreckung bei Anträgen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach dem Wert der Hauptforderung bestimmt, 2.000 t jedoch nicht überschreiten kann.5 b) Haupt- und Hilfsaufrechnung

2.5120 Eine werterhöhende Einbeziehung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich die Parteien vergleichen, nachdem der Beklagte gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt hat und der Vergleich auch die Gegenforderung erfasst. Hier ist jedoch zwischen folgenden Konstellationen zu unterscheiden:

2.5121 – Im Falle der Primäraufrechnung ist die Klageforderung unstreitig, so dass eine Wertaddition ausscheidet.6 Vielmehr ist für den Vergleichswert auf die höherwertige Forderung abzustellen, denn die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO findet hier keine Anwendung, da es mit dem Vergleich an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung mangelt. Für den Verfahrenswert ist immer der Wert der Klageforderung entscheidend, da § 45 Abs. 3 GKG hier keine Anwendung findet.

2.5122 – Eine Zusammenrechnung von Forderung und Gegenforderung für den Vergleichswert ist hingegen geboten, wenn der Beklagte primär die Aufrechnung erklärt und andere Einwendungen gegen die Klageforderung nur hilfsweise geltend macht.7 Denn für den Vergleich ist das Eventualverhältnis bedeutungslos, so dass sich die Klageforderung trotz der nur hilfsweise erhobenen anderweitigen Einwendungen als streitig darstellt. Demgegenüber verbleibt es beim Verfahrenswert bei der Klageforderung, da § 45 Abs. 3 GKG für andere Einreden und Einwendungen als die Hilfsaufrechnung nicht gilt und der Beklagte sich nur primär auf Aufrechnung beruft. 1 Insoweit zutr. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18 W 31/15, TranspR 2016, 77; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2014 – 10 U 158/13, BauR 2015 – die allerdings beide nicht zwischen Gebühren- und Gegenstandswert unterscheiden. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2018 – 10 W 25/18, MDR 2018, 1216, AGS 2019, 296. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.8.2020 – 8 W 9/20, betr. deklaratorischer Erwähnung unstreitiger Positionen. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 22.9.1988 – 6 W 29/88, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.1980 – 5 U 124/79, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2000 – 10 W 19/00, OLGR 2000, 404; OLG Köln, Beschl. v. 6.6.2016 – 19 W 6/19. 5 Vgl. ausführlich zu dieser Problematik Schneider, MDR 1990, 682. 6 LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2020 – 26 Ta (Kost) 6081/20, NZA-RR 2021, 88. 7 KG, Beschl. v. 21.12.1976 – 5 W 1061/76.

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2. Teil

– Hat der Beklagte die Aufrechnung nur hilfsweise erklärt (Eventualaufrechnung), ist der Ver- 2.5123 gleichswert immer aus der Summe der verglichenen Ansprüche zu bilden. Hier stehen Klageforderung und Gegenforderung im Streit, der durch die vergleichsweise Einigung beendet wird. Hierbei wird der Vergleichswert durch die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nicht begrenzt, da § 45 Abs. 3 GKG nur für den Verfahrenswert gilt.1 Der über den (so ermittelten) Verfahrenswert hinausgehende (Mehr)Wert der Aufrechnungsforderung ist hingegen für die Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG von Bedeutung. – Für den Verfahrenswert bleibt es für die Addition von Forderung und Gegenforderung trotz Vergleichsschluss bei der Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO, was sich bereits aus § 45 Abs. 4 GKG ergibt, da dessen Bezugnahme auf § 45 Abs. 3 GKG den Abschluss eines Vergleichs voraussetzt.2 Verfahrensstreitwert und Vergleichswert müssen folglich gesondert berechnet werden.3 Siehe ausführlich unter dem Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.458 ff.

2.5124

Wird der Vergleich nach einer abschlägigen Bescheidung der Hilfsaufrechnung erst im Rechtsmittelverfahren geschlossen, so bemisst sich der Gebührenstreitwert mangels zweitinstanzlicher Entscheidung über die Gegenforderung allein nach dem Wert der Klageforderung.4 Für die erste Instanz verbleibt es ausgehend vom Grundsatz der instanzbezogenen Wertfestsetzung bei der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG. Dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht rechtskräftig wird, ist unerheblich, da es für die Werterhöhung allein einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung bedarf.5

2.5125

Zu beachten bleibt, dass sich die Gerichtsgebühren bei einer vergleichsweisen Regelung nicht anhängiger Ansprüche um eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG erhöhen, berechnet nach dem Unterschied der Streitwerte.

2.5126

Verteidigt sich der Beklagte durch hilfsweise Aufrechnung mit Gegenforderungen, die nur geringen wirtschaftlichen Wert haben, vielleicht sogar „aus der Luft gegriffen“ sind, ist auch hier deren Wert nur mit einem Teilbetrag anzusetzen, der nach summarischer Prüfung ihrem wirtschaftlichen Wert unter Berücksichtigung der zweifelhaften Realisierbarkeit entspricht.6 Siehe ausführlich Rz. 2.5084 ff.

2.5127

4. Vergleich über Kosten Beschränkt sich der Vergleich auf eine Verteilung der Kosten des Rechtsstreit (sog. Kostenvergleich), et- 2.5128 wa nach einer vollständigen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, so bestimmt sich der Wert des Vergleichs nach der Summe aller bis zum Vergleichsabschluss entstandenen gerichtlichen und au-

1 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 106; OLG Frankfurt, MDR 1980, 64; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680; OLG Köln, JurBüro 1994, 496; OLG München, JurBüro 1978, 1226; OLG Nürnberg, JurBüro 1982, 1380; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.12.1979 – 4 W 16/79, MDR 1980, 411; die Problematik nicht erkennend und daher fehlerhaft: OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, OLGR 2007, 198. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.8.1982 – 3 W 90/82, JurBüro 1983, 105OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.4.1987 – 9 W 29/87, JurBüro 1987, 1383; OLG Hamm, Beschl. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1978 – 7 W 67/78, MDR 1979, 412; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, MDR 1998, 680; OLG München, Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10; a.A. OLG München, Beschl. v. 20.3.1987 – 15 W 1132/87, AnwBl. 1988, 247 m. abl. Anm. Madert; OLG München, Beschl. v. 7.6.1978 – 5 W 1412/78, JurBüro 1978, 1226 m. abl. Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2008 – 4 W 4/08, OLGR 2008, 364. 3 Schneider, NJW 1979, 853; Mümmler, JurBüro 1978, 1227. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507. 5 OLG Frankfurt, Beschl. 2.4.2001 – 23 W 50/00, MDR 2001, 776. 6 LAG Hamm, MDR 1980, 613.

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2. Teil

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Vergleich

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ßergerichtlichen Kosten.1 Dies auch dann, wenn die Einigung nur teilweise von der gesetzlichen Folge abweicht.

2.5129 Wird in dem Vergleich (auch) die Übernahme der Kosten eines anderweitigen Verfahrens geregelt, erhöht sich der Gegenstandswert im Umfang der dort angefallenen Kosten, wenn der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt.2 5. Gesamtvergleich

2.5130 In der Praxis nicht selten ist eine anlässlich eines Rechtsstreits erzielte Einigung der Parteien über alle zwischen ihnen im Streit stehenden Ansprüche und Rechte. Neben der bereits erörterten Einbeziehung nichtrechtshängiger Ansprüche und Rechte oder der Beendigung eines ansonsten unstreitig fortbestehenden Vertragsverhältnisses (sog. Abfindungsvergleich)3 ist hier die vergleichsweise Erledigung mehrerer Prozesse von Bedeutung.

2.5131 Wertbestimmend ist auch hier – unter Berücksichtigung der vorerwähnten Einschränkungen – die Summe aller durch den Vergleich erledigten Ansprüche. Da bei der Berechnung des Gegenstandswertes eines Vergleichs nur darauf abzustellen ist, worüber die Parteien sich verglichen haben, welchen Streit sie also vergleichsweise erledigt haben, ist auch bei einem sog. Gesamtvergleich nur darauf abzustellen, welche Streitpunkte bereinigt worden sind.4 Ist die Entstehung der vom Vergleich erfassten Ansprüche, wie etwa bei einem Versicherungsvertrag, dann kommt eine Bruchteilsbewertung in Betracht.5

2.5132 Wird im Hauptprozess ein anhängiges Eilverfahren mitverglichen, sind nach überwiegender Ansicht die Streitwerte von Eilverfahren und Hauptprozess zu addieren.6

2.5133 Dem ist nicht zu folgen, da die Gegenstände des Eil- und Hauptverfahren wirtschaftlich identisch sind. Maßgebend ist daher der höherwertigere Anspruch, mithin der des Hauptsacheverfahrens.7 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es im vorläufigen Rechtsschutz (in der Regel) um die Sicherung und im Hauptsacheverfahren um die Durchsetzung des Anspruchs geht.8 Denn die Sicherung eines Anspruchs ist gegenüber seiner Durchsetzung wirtschaftlich betrachtet ein minus und kein aliud. Folgerichtig besteht auch bei der objektiven Klagehäufung Einigkeit darüber, dass sichernde Begleitansprüche wertmäßig unberücksichtigt bleiben (s. ausführlich unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2952 ff.). Da der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt, sind jedoch dessen etwaig mitverglichenen Kosten werterhöhend zu berücksichtigen.9

1 Musielak/Voit/Heinrich, § 3 Rz. 32 unter „Prozessvergleich“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 157 Stichwort „Vergleich“. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.3.2015 – 12 W 7/15; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2015 – 20 W 75/14; OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.8.2014 – 8 W 1409/14; OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2019 – 20 W 6/19. 4 OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 101/72, MDR 1973, 324. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.3.2015 – 12 W 7/15; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2015 – 20 W 75/14: 3,5-facher Jahresbetrages der Vertragsleistung. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 22.5.1991 – 8 W 129/91, MDR 1991, 904; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.1.2008 – 11 WF 24/08, MDR 2008, 1068; OLG München, Beschl. v. 22.3.1993 – 11 WF 582/93, Rpfleger 1993, 463; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.9.1995 – 8 W 648/94, JurBüro 1996, 137; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 5; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918; OLG München, Beschl. v. 30.4.1991 – 11 WF 678/91, FamRZ 1991, 1217. 7 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.2020 – 10 WF 82/20, MDR 2020, 1086; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. 8 So aber AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rz. 209. 9 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918.

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2. Teil

Ist ein Vergleich von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig, so ist der Wert der Klage der einen Vergleichspartei gegen die andere mit dem Antrag, die andere Partei zu verurteilen, den Antrag auf Erteilung der Genehmigung beim Vormundschaftsgericht zu stellen, der gleiche wie der Wert des gesamten Vergleichs.1

2.5134

7. Unwirksamkeit des Vergleichs Der Streit über die verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Wirksamkeit ist durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens auszutragen. Im Falle seiner Wirksamkeit ist nach mündlicher Verhandlung durch Urteil darauf zu erkennen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Anderenfalls ist über die (ursprüngliche) Klage zu entscheiden.2 Demgegenüber ist der Streit über die Auslegung des Prozessvergleichs in einem eigenständigen auf Feststellung oder Verurteilung zur Leistung gerichteten Verfahren auszutragen.3

2.5135

Wird über die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens gestritten, besteht über dessen streitwertrecht- 2.5136 liche Bewertung Uneinigkeit. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, maßgeblich sei der Wert des ursprünglichen Klageantrags. Streitgegenstand des Rechtsstreits und damit für die Wertbestimmung allein relevant sei der Klageantrag. Unerheblich sei demgegenüber, dass mittelbar auch über den Bestand der in dem Vergleich aufgenommenen Rechte und Pflichten entschieden werde.4 Etwas anderes gelte nur, wenn die Anfechtung des Vergleichs den Rechtsstreit nicht auf den ursprünglichen Streitstand zurückführt, sondern einen bereits erzielten Teilerfolg bestehen lässt. Hier sei auf das noch verbleibende Interesse abzustellen.5 Dem ist nicht zuzustimmen, vielmehr bestimmt sich der Wert des Verfahrens nach dem Interesse desjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend macht.6 Allein der Umstand, dass dieser Streit durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens geführt werden muss, rechtfertigt keine schematische Gleichsetzung mit dessen Hauptsachewert.7 Vielmehr entspricht die Situation einem Zwischenstreit. Das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse des „Fortsetzungsklägers“, bemisst sich nach der Differenz zwischen seinem Sachantrag im bisherigen Verfahren und der mit dem Vergleich übernommenen Verpflichtung. Denn der Fortsetzungsantrag zielt (bei unverändertem Sachantrag) auf Herbeiführung der im bisherigen Verfahren angestrebten Rechtsposition (Klagestattgabe, Klageabweisung etc.). Folgerichtig hat der 7. Zivilsenat des BGH bei der Anfechtung der Kostenregelung ei-

1 2 3 4

OLG Frankfurt, NJW 1959, 680 m. abl. Anm. Lappe, Rpfleger 1959, 137. BGH, Beschl. v. 18.9.1996 – VIII ZB 28/96, MDR 1996, 1286. Palandt/Sprau, § 779 BGB Rz. 31 m.w.N. BGH, Beschl. v. 16.4.2014 – XI ZR 38/13, AGS 2014, 408; BGH, Beschl. v. 19.9.2012 – V ZB 56/12, MDR 2012, 1436 = NJW 2013, 470; BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – V ZR 160/06, RVGreport 2007, 158 (Ls.); mit der Einschränkung, dass dies nur gelte, wenn die Anfechtung des Vergleichs den Rechtsstreit auf den ursprünglichen Streitstand zurückführe und sich nicht schon anderweitig erledigt habe; BGH, Beschl. v. 30.9.1964 – Ib ZR 215/62; offen gelassen in BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03; BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.2000 – 7 Ta 211/00, MDR 2000, 1099; wohl auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.9.1989 – 6 WF 105/89, JurBüro 1990, 97. 5 BGH, Beschl. v. 16.4.2014 – XI ZR 38/13, AGS 2014, 408; BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – V ZR 160/06, RVGreport 2007, 158 (Ls.). 6 So auch BGH, Beschl. v. 2.8.2017 – VII ZR 88/17, NJW-RR 2017, 1472 betr. Unwirksamkeit einer im Vergleich enthaltenen Kostenregelung. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1998 – 3 U 149/97, OLGR 1999, 115; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 229/01, OLGR 2004, 122 = NJW-RR 2004, 1296; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.7.1978 – 8 W 515/77, JurBüro 1978, 1654; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 Rz. 127 – Wert des Vergleichs; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.9.2009 – 15 SaGa 1227/09, RVGreport 2009, 438; offenlassend: BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630.

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2.5137

ZPO

6. Genehmigung des Vergleichs

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2. Teil

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nes Vergleichs für die Bemessung der Beschwer des Fortsetzungsklägers nach der Differenz der zwischen vor Vergleichsschluss angestrebten und im Vergleich übernommenen bemessen.1

2.5138 Dem widerspricht auch nicht, dass sich der Gegenstandswert des Vergleichs nur nach dem Wert der verglichenen Ansprüche, nicht aber nach dem Wert der übernommenen Verpflichtung bestimmt. Denn während der Gegenstandswert des Vergleichs an die mit dem Vergleichsschluss angestrebte Beseitigung der Ungewissheit eben über diese Ansprüche anknüpft, zielt der Fortsetzungsantrag auf die Wiederherstellung der ursprünglichen prozessualen Situation. Dies zugleich unter Entledigung von den im Vergleich übernommenen Verpflichtungen bzw. unter Aufgabe der mit dem Vergleich erlangten Rechtspositionen. Der Wertbestimmung hat daher eine Saldierung der mit dem Vergleichsabschluss verbundenen vermögensrechtlichen Vor- und Nachteile für den „Fortsetzungskläger“ vorauszugehen.2

2.5139 Werden im Prozessvergleich nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen und wird im weiteren Verfahren über die Wirksamkeit des Vergleichs gestritten, dann ist bei der Bewertung des „Nachverfahrens“ zu berücksichtigen, dass nunmehr auch über den Bestand bzw. Wegfall der mitverglichenen Ansprüche gestritten und eine Entscheidung wegen der titulierten nicht rechtshängigen Ansprüche beantragt wird.3

2.5140 Wird ein durch Vergleich beendeter Rechtsstreit aufgrund der Geltendmachung der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vergleichs mit den ursprünglichen Anträgen einvernehmlich fortgesetzt, also ohne dass eine der Parteien die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich geltend macht oder die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs begehrt, so bemisst sich der Streitwert allein nach den ursprünglichen Anträgen, auch wenn durch den Vergleich weitere Ansprüche erledigt worden sind.4

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.5141 Wird in erster Instanz nur ein Teil der Klageforderung zuerkannt und legt der Beklagte insoweit Berufung ein, dann ist, wenn sich die Parteien im Berufungsrechtszug „über die Klageforderung“ vergleichen, nur jene im zweiten Rechtszug noch umstrittene Teilforderung Vergleichsgegenstand.5 Dies gilt auch, wenn der Kläger wegen der Abweisung der Mehrforderung eine Anschlussberufung (nur) angekündigt hat.6

2.5142 Anders ist hingegen zu bewerten, wenn die Einigung den unangefochten gebliebenen Teil der Klageforderung mit der Maßgabe erfasst, dass der Kläger dem Beklagten sowohl für den zuerkannten als auch

1 BGH, Beschl. v. 2.8.2017 – VII ZR 88/17, NJW-RR 2017, 1472, wobei die Differenz nach der Quotenund nicht nach der Differenzmethode zu ermitteln sei und die mit der Anfechtung verbundenen gerichtlichen und außergerichtlichen Mehrkosten unberücksichtigt bleiben. 2 Zutr. daher LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.9.2009 – 15 SaGa 1227/09, RVGreport 2009, 438. Im Ergebnis ebenso: OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 221/01, OLGR 2004, 122; OLG Naumburg, Urt. v. 16.11.2004 – 11 U 44/04, OLGR 2005, 288 – Abwehr der vom Beklagten im Vergleich übernommenen Verpflichtung. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 221/01, OLGR 2004, 122; OLG Hamm, Beschl. v. 14.12.1979 – 23 W 578/79, JurBüro 1980, 550 u. 1027; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1988 – 14 WF 269/87; OLG Stuttgart, JurBüro 1978, 1654; a.A. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rz. 21. 4 BGH, Beschl. v. 30.9.1964 – IV ZR 215/62. 5 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310; OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, JurBüro 1996, 148 m. zust. Anm. Enders. 6 OLG Neustadt, JurBüro 1960, 210.

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Vergütungsfestsetzung

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2. Teil

Ist über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs und die Fortsetzung streitig entschieden worden, be- 2.5143 darf die Bemessung der Beschwer ebenfalls einer differenzierten Betrachtung. Hat das Ausgangsgericht eine Fortsetzung des Verfahrens unter Hinweis auf die verfahrensbeendigende Wirkung des Prozessvergleichs abgelehnt, bestimmt sich die Beschwer nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Unwirksamkeit des Vergleichs. Dessen Wert bemisst sich nach der Differenz seines Sachantrags zu der von ihm im Vergleich (in der Hauptsache) übernommenen Rechte und Pflichten. Soweit der BGH hierbei nur auf die Hauptsache abstellt und weitere Verpflichtungen unberücksichtigt lässt, wenn dessen weiter gehende Regelungen nicht durch gesonderte Anträge zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden,2 vermag das nicht zu überzeugen. Es ist schon fraglich, wie der die Fortsetzung begehrende Beklagte eine im Vergleich übernommene weiter gehende Verpflichtung zum Gegenstand des Verfahrens machen könnte. Die Zulässigkeit einer (Feststellungs)Widerklage scheitert – in dieser Fallgestaltung (Prozessbeendigung aufgrund wirksamen Vergleichs) – schon an der dafür notwendigen (fortdauernden) Rechtshängigkeit der Klage. Zudem wird übersehen, dass mit dem – weiter gehenden – Prozessvergleich ein dem Urteil gleichwertiger Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) vorliegt.

2.5144

Erachtet das Gericht den Vergleich dagegen für unwirksam und entscheidet in der Hauptsache, richtet sich die Beschwer nach den allgemeinen Regeln, d.h. nach den für die Fortsetzung gestellten Sachanträgen. Dass die sich danach ergebende Beschwer unter Berücksichtigung der im Vergleich bereits aufgegebenen Positionen geringer zu bewerten wäre, ist unerheblich. Denn Grundlage für dieses Nachgeben (wie auch eine etwaige Übernahme weiterer Verpflichtungen) war das Zustandekommen des Vergleichs, die mit der Fortsetzung des Hauptsacheverfahrens weggefallen ist.

2.5145

Vergütungsfestsetzung A. Gegenstandswert des Festsetzungsverfahrens I. Keine Festsetzung für Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5146 II. Festsetzung für Anwaltsgebühren 1. Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5147 2. Vergütungsfestsetzungsantrag des Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5149

3. Festsetzungsantrag des Gebührenschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5161 4. Beschwerde- und Erinnerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5166 5. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5167 B. Wert des der Festsetzung zugrunde liegenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 2.5168 C. Wert des Beschwerdegegenstands . . . . 2.5173

A. Gegenstandswert des Festsetzungsverfahrens I. Keine Festsetzung für Gerichtsgebühren Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG fallen vor dem Gericht des ersten Rechtszugs keine Gerichtsgebühren an (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RVG). Im Beschwerdeverfahren und im Rechts1 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310: Erhöhung um Stundungsinteresse = 1/10; OLG Celle, JurBüro 1971, 237; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 12.6.1981 – 8 W 155/81, MDR 1981, 945; OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, JurBüro 1996, 148. 2 BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630; wohl auch Beschl. v. 30.9.1964 – Ib ZR 215/62.

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den streitig gebliebenen Betrag Ratenzahlung gewährt. Hier ist der Wert des angefochtenen Teils um den nach § 3 ZPO zu schätzenden Wert der Ratenzahlungsvereinbarung zu erhöhen.1

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2. Teil

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Vergütungsfestsetzung

beschwerdeverfahren werden Festgebühren erhoben, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 1811 KV GKG: 60 t; Nrn. 1826, 1827 KV GKG: 120/60 t). Eine Wertfestsetzung des Gerichts von Amts wegen nach § 63 Abs. 1 GKG hat daher in allen Verfahren zu unterbleiben.

II. Festsetzung für Anwaltsgebühren 1. Notwendigkeit

2.5147 Anwaltsgebühren können dagegen im Vergütungsfestsetzungsverfahren entstehen, allerdings nur, wenn der Anwalt für einen anderen Anwalt oder einen Auftraggeber tätig wird. Er erhält dann im Antragsverfahren eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG,1 im Beschwerdeverfahren eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG und im Rechtsbeschwerdeverfahren eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. In eigener Sache kann der Anwalt dagegen keine Gebühren verlangen, weil es an einem Auftraggeber fehlt (überflüssig daher § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 Alt. 2 RVG). Da zudem eine Kostenerstattung in allen Instanzen ausgeschlossen ist, kommt auch § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht zum Tragen.

2.5148 Fallen danach für eine Fremdvertretung Anwaltsgebühren an, so richten sich diese nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 Satz 1 RVG), so dass auf Antrag eines Beteiligten der Wert im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen ist. 2. Vergütungsfestsetzungsantrag des Anwalts

2.5149 Beantragt der Anwalt die Vergütungsfestsetzung, richtet sich der Wert nach § 23 Abs. 1 Satz 2, 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO und bemisst sich nach dem Betrag, der zur Festsetzung angemeldet wird.

2.5150 Dies wird in aller Regel der volle Vergütungsanspruch sein. Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV RVG sind voll zu bewerten, gleichfalls vorgelegte Kosten, die nach § 675 BGB i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG eingefordert werden. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG.

2.5151 Soweit auch die Verzinsung des festzusetzenden Betrages verlangt wird, gilt § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG. Ihr Wert bleibt als Nebenforderung unberücksichtigt. Wird nur die Verzinsung beantragt (ggf. im Wege der Nachfestsetzung), dann ist der Wert der Zinsen maßgebend und nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Siehe das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff.

2.5152 Soweit die Aufnahme weiterer Kosten, etwa von Zustellungskosten, in den Festsetzungsbeschluss beantragt wird, bleiben sie als Kosten des Verfahrens unberücksichtigt (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 42 Abs. 3 GKG).

2.5153 Wird nur ein Teil der Vergütung angemeldet, etwa wegen bereits geleisteter Teilzahlungen des Auftraggebers, ist der zur Festsetzung angemeldete Teilwert maßgebend.

2.5154 Beispiel: Der Anwalt beantragt die Festsetzung einer Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer; die Verfahrensund Terminsgebühr hatte der Mandant bereits bezahlt. Maßgebender Gegenstandswert ist nur der Betrag der Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer.

2.5155 Wird zwar einerseits die volle Vergütung zur Festsetzung angemeldet, andererseits aber eine Vorschusszahlung abgesetzt, so ist nur der noch zur Festsetzung verbleibende Restbetrag maßgebend. Zwar muss das Gericht ggf. inzidenter die gesamte Vergütungsforderung prüfen; Gegenstand der Festsetzung ist aber nur der verlangte Betrag. 1 AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 3403 VV Rz. 22.

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2. Teil

Beispiel: Der Anwalt rechnet ausgehend von einem Streitwert i.H.v. 10.000 t eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) und eine 1,0-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer (2.324,07 t) ab und beantragt, diese Vergütung festzusetzen, abzüglich eines gezahlten Vorschusses i.H.v. 595 t.

2.5156

ZPO

Vergütungsfestsetzung

S. 1033 von 1232 Druckdaten

Der Gegenstandswert beläuft sich auf 1.729,07 t. Der gezahlte Vorschuss mindert den Gegenstandswert nicht, da nur die Festsetzung des Restbetrags beantragt ist.

Ebenso verhält es sich, wenn sich der Festsetzungsantrag auf bestimmte Positionen beschränkt. Dann ist nur dieser Wert maßgebend.

2.5157

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Auftraggeber hat die 1,3-Verfahrensgebühr und die 1,2-Terminsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer bezahlt. Er ist jedoch der Auffassung, eine Einigungsgebühr sei nicht angefallen und zahlt diese nicht. Daraufhin wird auch nur diese 1,0-Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) nebst Umsatzsteuer zur Festsetzung angemeldet.

2.5158

Der Gegenstandswert beläuft sich auf nur die angemeldete Vergütung: Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer. Die bereits gezahlten Positionen sind unbeachtlich.

Erhebt der Antragsgegner nichtgebührenrechtliche Einwände, so erhöhen diese den Gegenstandswert 2.5159 nicht. Gebührenrechtliche Einwände werden im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht geprüft, sondern führen nur dazu, dass die Vergütungsfestsetzung abgelehnt wird (§ 19 Abs. 5 RVG). Sie werden daher nicht Gegenstand des Verfahrens und bleiben außer Ansatz. Lediglich dann, wenn nichtgebührenrechtliche Einwände unstreitig sind, wie z.B. eine unstreitige Erfüllung, werden sie im Verfahren berücksichtigt. Eine Erhöhung des Gegenstandswertes tritt dann aber nicht ein. Ein Fall des § 45 Abs. 3 GKG kann im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht auftreten, da dieser eine streitige Gegenforderung voraussetzt, über die im Vergütungsfestsetzungsverfahren jedoch nicht entschieden werden kann.

2.5160

3. Festsetzungsantrag des Gebührenschuldners Beantragt der Gebührenschuldner die Vergütungsfestsetzung, wozu er nach § 11 Abs. 1 RVG berechtigt ist, richtet sich der Gegenstandswert nach seinem Interesse. Es kommt dann auf die Vergütungsforderung an, derer sich der Anwalt (noch) berühmt. Geleistete Zahlungen sind abzuziehen.

2.5161

Beispiel: Der Anwalt stellt dem Mandanten 3.000 t in Rechnung. Der Mandant ist der Auffassung, er schulde nur 2.000 t und zahlt diese. Im Übrigen beantragt er die Vergütungsfestsetzung.

2.5162

Gegenstandswert ist nur der Betrag i.H.v. 1.000 t. Unerheblich ist insoweit, ob der Anwalt im Festsetzungsverfahren seinen vermeintlichen Anspruch i.H.v. 1.000 t weiterverfolgt. Es verhält sich hier ähnlich wie bei einer negativen Feststellungsklage.

Zahlt der Auftraggeber den unstreitigen Teil der Vergütungsforderung nicht, dann ist die volle Forderung maßgebend.

2.5163

Beispiel: Der Anwalt stellt dem Auftraggeber 3.000 t in Rechnung. Der Auftraggeber bestreitet, mehr als 2.000 t zu schulden und beantragt die Vergütungsfestsetzung, ohne den unstreitigen Teilbetrag zu zahlen.

2.5164

Jetzt sind die vollen 3.000 t maßgebend, da die vollen 3.000 t zum Gegenstand des Verfahrens werden und das Gericht diesen vollen Betrag auch festsetzt, unabhängig davon, ob er streitig ist oder nicht.

Beantragt der Auftraggeber die Rückfestsetzung, so ist der beantragte Rückzahlungsbetrag maßgebend, unabhängig davon, ob die Rückfestsetzung statthaft ist oder nicht. Das Streitwertrecht fragt nicht nach Zulässigkeit.

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2.5165

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2. Teil

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Vergütungsfestsetzung

ZPO

4. Beschwerde- und Erinnerungsverfahren

2.5166 Der Gegenstandswert richtet sich in der Beschwerde nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG und im Erinnerungsverfahren nach § 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG. Maßgebend ist der mit der Beschwerde oder Erinnerung per Saldo geltend gemachte Mehr- oder Minderbetrag. Wer die Beschwerde führt, ist unerheblich. 5. Rechtsbeschwerde

2.5167 Der Wert richtet sich nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG. Maßgebend ist die mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Abänderung.

B. Wert des der Festsetzung zugrunde liegenden Verfahrens 2.5168 Im Rahmen der Festsetzung darf nicht inzidenter auch über den zugrunde liegenden Gegenstandswert der zur Festsetzung angemeldeten Gebühren entschieden werden. Wird der vom Antragsteller angegebene Gegenstandswert von einem Beteiligten bestritten, so ist vielmehr das Festsetzungsverfahren auszusetzen, bis das Gericht den Streitwert im Verfahren nach § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt hat (§ 11 Abs. 4 RVG).1 Es handelt sich keineswegs um einen nichtgebührenrechtlichen Einwand, der nach § 11 Abs. 5 RVG zur Unzulässigkeit der Vergütungsfestsetzung führen würde.

2.5169 Hat zwar keiner der Beteiligten, aber das Festsetzungsorgan Bedenken gegen die Richtigkeit des angesetzten Gegenstandswertes, so kann es – wenn die Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 1 GKG erfolgt – die erstmalige Wertfestsetzung oder eine amtswegige Korrektur beantragen.2 Es kann dagegen nicht Erinnerung oder Beschwerde gegen die Wertfestsetzung einlegen.

2.5170 Richtet sich die Wertfestsetzung in dem zugrunde liegenden Verfahren dagegen ausschließlich nach § 33 Abs. 1 RVG, steht nur dem Anwalt und dem Gebührenschuldner das Antragsrecht zu. Der Festsetzungsbeamte darf dann weder die erstmalige Wertfestsetzung noch eine amtswegige Korrektur beantragen, solange der Wert zwischen den Parteien des Vergütungsfestsetzungsverfahrens unstreitig ist. Erst recht kann er nicht Erinnerung oder Beschwerde gegen die Wertfestsetzung einlegen.

2.5171 Eine während des Vergütungsfestsetzungsverfahrens ergehende Abänderung der Wertfestsetzung ist stets zu beachten.

2.5172 Wird der Gegenstandswert des zugrunde liegenden Verfahrens erst nach Abschluss des Vergütungsfestsetzungsverfahrens gerichtlich abgeändert, so gilt § 107 ZPO entsprechend (§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG).

C. Wert des Beschwerdegegenstands 2.5173 Während Erinnerung und Rechtsbeschwerde (bei entsprechender Zulassung) wertunabhängig zuläs-

sig sind, setzt die sofortige Beschwerde einen Beschwerdewert von mehr als 200 v voraus (§ 11 Abs. 2 RVG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO). Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz des festgesetzten Betrags zu dem Betrag der begehrten Festsetzung. Für den Anwalt ist also der Betrag der angefochtenen Absetzung maßgebend und für den Auftraggeber der Wert der angefochtenen Festsetzung. Dabei bleiben auch hier Zinsen und Kosten (insbesondere Zustellungskosten) neben 1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12, AGS 2014, 65; FG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.3.2013 – 5 KO 121/13, AGS 2014, 222; ebenso BGH zum vergleichbaren Fall des Kostenfestsetzungsverfahrens: BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11, MDR 2014, 566 = AGS 2014, 246. 2 AnwK-RVG/N. Schneider, § 11 Rz. 179 ff.; v. Eicken/Hellstab/Lappe/Dörndorfer/Asperger/Mathias, I Rz. 25.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

ZPO

der Hauptforderung außer Ansatz (§ 4 ZPO). Wird nur die Verzinsung oder unterbliebene Verzinsung angefochten, ist deren Wert maßgebend.

Vergütungsvereinbarung, Herabsetzung Siehe das Stichwort „Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung“, Rz. 2.2113 ff. und „Vereinbarungen zum Streitwert“, Rz. 2.5031 ff.

2.5174

Verkehrsunfallschadenregulierung A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5175 B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . . 2.5176 C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenrechnung aller Schadenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . 5. Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . 6. Wechselseitige Rechtsmittel . . . . . . . . . 7. Mehrwertvergleich . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5193 2.5195 2.5197 2.5201 2.5204 2.5208 2.5211

II. 1. 2. 3.

Anwaltsgebühren Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5220 Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5223 Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5233

4. Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5237 D. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . . . . . . . 2.5245 E. Erledigungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5247 I. Erstattungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 2.5248 II. Auftragsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5258 F. Rechtsprechungs-ABC . . . . . . . . . . . . 2.5260

A. Überblick Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall sind grundsätzlich auf Geld oder Freistellung gerichtet. Auch Feststellungsanträge – insbesondere für Zukunftsschäden – kommen vor. Insoweit gelten bei der Bewertung keine Besonderheiten. Auseinanderzuhalten sind auch hier Zuständigkeitsstreitwert (B.), Gebührenstreitwert (C.) und Rechtsmittelstreitwert (D.). Hinzu kommt noch der Erledigungswert (E.), der für die Berechnung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs von Bedeutung ist.

2.5175

B. Zuständigkeitsstreitwert Für den Zuständigkeitsstreitwert ist auf die §§ 3 ff. ZPO abzustellen.

2.5176

Wird eine Schadensersatzrente verlangt, richtet sich der Wert nach § 9 ZPO. Siehe dazu Rz. 2.4333 ff.

2.5177

Häufig ergeben sich Probleme, welche Positionen als Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1 ZPO) außer Ansatz bleiben. Siehe dazu Rz. 2.3526 ff.

2.5178

Wird eine Vielzahl von Positionen im Wege der objektiven oder zum Teil auch subjektiven Klagehäufung geltend gemacht, so sind die Werte der einzelnen Schadenspositionen, sofern es sich um Hauptforderungen handelt, zusammenzurechnen (§ 5 ZPO).

2.5179

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

2.5180 Beispiel: Eingeklagt werden für den Eigentümer 5.000 t Reparaturkosten und für den Fahrer 1.000 t

ZPO

Schmerzensgeld. Der Zuständigkeitsstreitwert beläuft sich auf 6.000 t.

2.5181 Eine Zusammenrechnung kommt allerdings beim Zuständigkeitsstreitwert – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert – nur in Betracht, soweit die Schadenspositionen zeitgleich geltend gemacht werden (§ 5 ZPO).

2.5182 Beispiel: Eingeklagt werden 4.000 t Reparaturkosten und 1.000 t Sachverständigenkosten. Nach Zahlung des Kaskoversicherers wird die Klage i.H.v. 4.700 t übereinstimmend für erledigt erklärt und gleichzeitig um 500 t Nutzungsentschädigung erweitert.

Der Zuständigkeitsstreitwert belief sich zunächst auf 5.000 t, später auf 300 t und hiernach auf 800 t. An der Zuständigkeit des AG hat sich daher nichts geändert.

2.5183 Auch im Falle von Klage und Widerklage wird für den Zuständigkeitsstreitwert – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert – nicht addiert (§ 5 ZPO).

2.5184 Wird auf Feststellung der vollen Haftung geklagt, sind zunächst die zu erwartenden Schadenspositionen zu ermitteln. Hiervon ist ggf. ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

2.5185 Soll nur eine quotale Haftung festgestellt werden, etwa weil der Kläger ein Mitverschulden einräumt, ist von der entsprechenden Quote der zu erwartenden Schadenspositionen auszugehen und hiervon dann ggf. ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

2.5186 Gleiches gilt, wenn der Beklagte bereits eine Teilhaftung anerkannt hat und nur noch seine darüber hinausgehende Haftung festgestellt werden soll.

2.5187 In Anbetracht dessen, dass bei einem Haftpflichtversicherer grundsätzlich davon auszugehen ist, dass er nach einem entsprechenden Feststellungsurteil die Schadenspositionen auch ohne weiteres nach der gegebenen Quote regulieren wird, wurde hier zum Teil auch vertreten, keinen Feststellungsabschlag vorzunehmen, da einem Feststellungsurteil faktisch die gleiche Wirkung wie einem Zahlungstitel zukomme.1 Der BGH bliebt aber grundsätzlich bei einem Abschlag von 20 %.2 Siehe dazu beim Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1492 f.

2.5188 Es ist unstatthaft, bei einem komplizierter gelagerten Verkehrsunfall mit nicht unerheblichem Schaden durch allzu knappe Streitwertbemessung für ein Feststellungsbegehren die Zuständigkeit des LG zu verneinen, besonders dann, wenn die Bestimmung des Streitwerts im Rahmen eines Gesuchs um Prozesskostenhilfe auch noch von einer Schadensersatzquote abhängt, die in ihrer Höhe ohne Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit festgestellt werden kann.3

2.5189 Wird eine Teilklage hinsichtlich einzelner Schadenspositionen mit einer Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) hinsichtlich weiterer Schadenspositionen verbunden, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Betrag, der beziffert geltend gemachten Schadenspositionen (§ 3 ZPO). Der Wert der Feststellungsklage richtet sich nach der Summe aller weiteren Schadenspositionen, die hier noch in Betracht kommen, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags. Die Werte von Klage und Feststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO).

2.5190 Beispiel: Ausgehend von einer 100%igen Haftung klagt der Kläger 4.000 t Sachschaden ein und beantragt darüber hinaus, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch den weiteren entstandenen Schaden zu ersetzen. Zu erwarten sind noch weitere Schäden (Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld etc.) i.H.v. ca. 3.000 t. 1 OLG Köln, JurBüro 1960, 537; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 648. 2 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829. 3 OLG Köln, Beschl. v. 16.2.1960 – 4 W 180/59, NJW 1960, 1623.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

ZPO

Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 4.000 t. Der Wert der Feststellungsklage beträgt 3.000 t abzüglich eines Feststellungsabschlags, der hier mit 20 % angenommen werden soll, also 2.400 t. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich damit insgesamt auf 6.400 t.

Wird eine Teilklage hinsichtlich einzelner Schadenspositionen mit einer Zwischenfeststellungsklage 2.5191 (§ 256 Abs. 2 ZPO) verbunden, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Betrag, der beziffert geltend gemachten Schadenspositionen (§ 3 ZPO). Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Schadenspositionen, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert geltend gemachten. Hiervon ist dann – wie bei einer Feststellungsklage – ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. Rz. 2.5197 ff.). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO), wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich derjenigen Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot. Beispiel: Ausgehend von einer 100%igen Haftung klagt der Kläger 5.000 t Sachschaden ein und beantragt, im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall entstandenen Schaden zu 100 % zu ersetzen. Zu erwarten sind noch weitere Schäden (Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld etc.) i.H.v. ca. 5.000 t.

2.5192

Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 t. Für die Zwischenfeststellungsklage ist von dem Gesamtschaden i.H.v. 10.000 t auszugehen, da sie als Zwischenfeststellungsantrag alle Schäden erfasst, auch die, die bereits Gegenstand der Klage sind; anderenfalls wäre es keine Zwischenfeststellungsklage, sondern eine gewöhnliche Feststellungsklage. Geht man von einem Feststellungsabschlag von 20 % aus, beträgt der Wert der Zwischenfeststellungsklage damit 8.000 t. Nun ist aber zu berücksichtigen, dass die Zwischenfeststellungsklage auch 80 % des bereits mit dem Leistungsantrag geltend gemachten Sachschadens abdeckt. Insoweit darf daher nicht addiert werden. In Höhe von 80 % aus 5.000 t besteht wirtschaftliche Identität. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich damit insgesamt auf 9.000 t. Zum gleichen Ergebnis käme man auch, wenn man zu den 5.000 t der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 t hinzuaddiert. Dies mag für den Zuständigkeitsstreitwert unerheblich sein. Beim Gebührenstreitwert würde dies jedoch zu falschen Ergebnissen führen (s. Rz. 2.5202 ff.).

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Überblick Der Gebührenstreitwert für die Gerichtsgebühren folgt aus § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. den §§ 3 ff. ZPO. Daneben kann in Altfällen noch § 42 Abs. 1 und 4 GKG a.F. eine Rolle spielen, nämlich bei Schadensersatzrenten. Siehe dazu Rz. 2.4333 ff.

2.5193

Des Weiteren ergeben sich auch hier zahlreiche Probleme bei der Frage, welche Schadenspositionen als Nebenforderungen gelten, insbesondere bei den vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Die Bewertung erfolgt hier nach § 43 Abs. 1 und 2 GKG. Siehe dazu Rz. 2.5653 ff.

2.5194

2. Zusammenrechnung aller Schadenspositionen Werden im Verlaufe des Rechtsstreits mehrere Schadenspositionen im Wege der objektiven oder subjektiven Klagehäufung geltend gemacht, werden die Werte aller Gegenstände, soweit es sich bei den einzelnen Schadenspositionen um Hauptforderungen handelt, zusammengerechnet, und zwar – im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert – unabhängig davon, ob sie zeitgleich geltend gemacht werden oder nacheinander (§ 39 Abs. 1 GKG).1

1 Siehe das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

2.5196 Beispiel: Fall nach AG Siegburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 118 C 192/09, AGkompakt 2010, 66: Der Kläger hatte aufgrund eines Verkehrsunfalls zunächst nur die anfallenden Reparaturkosten (3.045 t), die Kosten des Sachverständigen (727,09 t) sowie die allgemeine Kostenpauschale (25 t) geltend gemacht (insgesamt 3.770,09 t). Nachdem im Verlauf des Rechtsstreits der Kaskoversicherer die Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung von 300 t zahlte, nahm der Kläger die Klage insoweit zurück. Gleichzeitig erweiterte er die Klage um weitere Schadenspositionen i.H.v. 318,27 t. Der Streitwert des Verfahrens belief sich damit auf 4.088,27 t. Nach § 39 Abs. 1 GKG sind die Werte aller Positionen zusammenzurechnen.

3. Feststellungsklage

2.5197 Bei einer Feststellungsklage sind zunächst sämtliche Schadenspositionen maßgebend, soweit es sich nicht um Nebenforderungen handelt (§ 43 Abs. 1 GKG). Hiervon ist dann ggf. ein entsprechender Feststellungsabschlag vorzunehmen. In Anbetracht dessen, dass ein Haftpflichtversicherer nach einem entsprechenden Feststellungsurteil die zugrunde liegenden Schadenspositionen ohne weiteres entsprechend der gegebenen Quote regulieren wird, kann ein Feststellungsabschlag auch zu verneinen sein, da der Feststellung faktisch die gleiche Wirkung wie einem Zahlungstitel zukommt. Siehe im Einzelnen das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.

2.5198 Hatte der Beklagte vor Klageerhebung eine bestimmte Haftungsquote unstreitig gestellt, und wird nur noch die Feststellung einer weitergehenden Haftungsquote begehrt, so sind die Schadenspositionen nur nach der verbleibenden Quote zu bemessen.

2.5199 Gleiches gilt, wenn der Kläger eine Mithaftung einräumt und nur die Feststellung einer darüber hinausgehenden Haftungsquote begehrt.

2.5200 Wird eine Mithaftungsquote erst nach Klageerhebung unstreitig gestellt, so dass sich damit das Feststellungsbegehren nur noch auf die verbleibende Quote beschränkt, hat dies für die Gerichtsgebühr keine Auswirkungen, da nur eine Gebühr anfällt und hierfür nach § 40 GKG der Wert zum Zeitpunkt der Einleitung der Instanz maßgebend ist. Die Reduzierung kann sich erst in einer eventuellen weiteren Instanz auswirken. Anders verhält es sich bei den Anwaltsgebühren, da hier mehrere Gebühren nach unterschiedlichen Werten anfallen können. 4. Zwischenfeststellungsklage

2.5201 Zu rechnen ist wie beim Zuständigkeitsstreitwert. Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind auch hier zusammenzurechnen, wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot.

2.5202 Beispiel: Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 t; der Wert der Zwischenfeststellungsklage

auf 10.000 t abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %, also 8.000 t. Der Gesamtwert beläuft sich jedoch nur auf 9.000 t, da i.H.v. 5.000 t wegen wirtschaftlicher Identität ein Additionsverbot besteht.

Unzutreffend wäre es hier, zu den 5.000 t der Leistungsklage lediglich 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 t hinzuzuaddieren, denn aus dem Wert der Zwischenfeststellung können gesonderte Gebühren anfallen.

2.5203 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Versicherer erkennt den Feststellungsantrag an, so dass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren nach § 307 ZPO ergeht. Hiernach zahlt der Versicherer 4.000 t auf den Sachschaden, da sich die Reparaturkosten nach seiner Auffassung nur auf diesen Betrag belaufen. Der Kläger akzeptiert dies, nimmt die Klageforderung in Höhe der weiteren 1.000 t zurück. Im Übrigen wird der Rechtsstreit ohne vorherige mündliche Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

ZPO

Die Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG) ist nach dem Wert der Zwischenfeststellungsklage angefallen, also aus 8.000 t – nicht etwa aus 4.000 t.

5. Klage und Widerklage Die Werte von Klage und Widerklage sind für den Gebührenstreitwert zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 1 GKG), soweit sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Zur abweichenden Auffassung des OLG Celle im Rahmen wechselseitiger Rechtsmittel s. Rz. 2.5208 ff.

2.5204

Beispiel: Der Kläger klagt ausgehend von einer vollen Haftung des Beklagten 3.000 t Schadensersatz ein. Der Beklagte wiederum erhebt Widerklage und klagt auf Zahlung von 4.000 t, ausgehend von einer 100%igen Haftung des Klägers.

2.5205

Zwar gilt für den Zuständigkeitsstreitwert nur der höhere Antrag der Widerklage, so dass das AG zuständig ist; für den Gebührenstreitwert gilt dagegen der addierte Wert, da unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht werden. Zwar hat bei einer solchen Konstellation das Stattgeben der Klage zwingend zur Folge, dass die Widerklage abgewiesen werden muss und umgekehrt; es liegen jedoch unterschiedliche wirtschaftliche Interessen vor, so dass zu addieren ist.

Nur soweit durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage keine „wirtschaftliche Werthäu- 2.5206 fung“ entsteht, beide also nicht das wirtschaftlich identische Interesse betreffen, unterbleibt eine Zusammenrechnung der Werte. Auf den zivilprozessualen Begriff des Streitgegenstandes kommt es insoweit nicht an.1 Solche Fälle sind im Rahmen einer Verkehrsunfallregulierung jedoch die Ausnahme.

2.5207

Beispiel: Nach BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, BGHReport 2005, 130: Der Geschädigte erhält vom Versicherer auf seine Schadensmeldung einen Vorschuss auf die zu erwartende Versicherungsleistung, die im Fall der Leistungsablehnung ohne weiteres und unverzüglich zurückzuzahlen ist. Der Versicherer lehnt später seine Haftung ab. Es kommt daraufhin zur Klage des Geschädigten auf Feststellung der Einstandspflicht des Versicherers und zur Widerklage des Versicherers auf Rückzahlung des Vorschusses. Die Feststellungsklage richtet sich nach dem Wert aller voraussichtlichen Schadenspositionen – ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags (s. Rz. 2.1484 ff.). Die Widerklage richtet sich nach dem zurückverlangten Vorschuss. In Höhe des gewährten Vorschusses besteht wirtschaftliche Identität, so dass insoweit nicht zu addieren ist.

6. Wechselseitige Rechtsmittel Werden wechselseitige Rechtsmittel eingelegt, so sind deren Werte nach § 45 Abs. 2 GKG zu addieren. Dies gilt auch dann, wenn sich die Erfolgsaussichten der wechselseitigen Rechtsmittel gegenseitig ausschließen. Es gilt hier nichts anderes als in erster Instanz. Entscheidend ist insoweit (auch) eine wirtschaftliche Betrachtung.

2.5208

Beispiel: Der Kläger klagt ausgehend von einer vollen Haftung des Beklagten 10.000 t Schadensersatz ein. Der Beklagte wiederum erhebt Widerklage und klagt auf Zahlung von 8.000 t, ausgehend von einer 100%igen Haftung des Klägers. Das Gericht geht von einer beiderseitigen hälftigen Mithaftung aus und verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 5.000 t; den Kläger zur Zahlung von 4.000 t. Beide Parteien legen gegen ihre Verurteilung und die Abweisung ihrer eigenen Klage Berufung ein.

2.5209

In erster Instanz beläuft sich der Streitwert auf 18.000 t, da die Werte von Klage und Widerklage zusammengerechnet werden (§ 45 Abs. 1 GKG). In zweiter Instanz gilt nichts Anderes. Die Berufung des Klägers hat einen Wert von 5.000 t (Klageabweisung) + 4.000 t (Verurteilung) = 9.000 t. Die Berufung des Beklagten hat einen Wert i.H.v. 4.000 t (Widerklageabweisung) + 5.000 t (Verurteilung auf die Klage) = 9.000 t. Die Werte sind nach § 45 Abs. 2 GKG zusammenzurechnen, so dass sich auch in der Berufungsinstanz ein Gebührenstreitwert von 18.000 t 1 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, BGHReport 2005, 130.

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ergibt. Zwar schließen sich die Erfolgsaussichten der beiden Berufungen wechselseitig aus, da das Stattgeben der einen Berufung zwingend zur Folge hat, dass die andere Berufung zurückgewiesen werden muss und umgekehrt; es liegen jedoch auch hier unterschiedliche wirtschaftliche Interessen vor, so dass zu addieren ist.

2.5210 Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle,1 der die übrige Rechtsprechung2 zu Recht nicht folgt, verkennt, dass derselbe Streitgegenstand bei Klage und Widerklage auch eine wirtschaftliche Identität voraussetzt. 7. Mehrwertvergleich

2.5211 Wird im gerichtlichen Verfahren ein Vergleich geschlossen und werden darin auch weitere Schadenspositionen miteinbezogen, die nicht anhängig sind, ist nach § 63 Abs. 2 GKG ein Mehrwert für den Vergleich festzusetzen, da daraus die Vergleichsgebühr aus Nr. 1900 KV GKG erhoben wird.

2.5212 Zu solchen Vergleichen mit Mehrwerten kommt es in der Regel dann, wenn zunächst – u.U. aus Kostengründen – lediglich eine Teilklage erhoben worden ist und im gerichtlichen Verfahren dann sämtliche Schadenspositionen verglichen werden.

2.5213 Beispiel: Eingeklagt werden zunächst 1.000 t Sachschaden ausgehend von einer 100%igen Haftung. Im Termin schließen die Parteien einen Vergleich, dass ausgehend von einer Mithaftung des Klägers von 25 % ein Betrag i.H.v. 750 t auf die Klageforderung gezahlt wird und zur Abgeltung aller weiteren Schäden (800 t) zusätzlich noch ein Betrag i.H.v. 600 t gezahlt wird. Der Wert des Verfahrens beträgt 1.000 t; der Vergleich hat einen Mehrwert von 800 t.

2.5214 Ein Mehrwert liegt auch dann vor, wenn nur ein Teil der Schadenspositionen eingeklagt wird, die Parteien sich dann aber über den Haftungsgrund endgültig vergleichen. Der Mehrvergleich hat dann die gleichen Wirkungen wie ein Feststellungsurteil. Maßgebend ist für den Mehrwert dann die streitige Haftungsquote aus den noch zu erwartenden Schadenspositionen, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags.

2.5215 Beispiel: – Eingeklagt werden zunächst 1.000 t Sachschaden ausgehend von einer 100%igen Haftung. Im Termin schließen die Parteien einen Vergleich, dass ein Betrag i.H.v. 1.000 t gezahlt wird und damit auch alle weitergehenden Schadenersatzansprüche abgegolten sein sollen. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 1.000 t. Der Mehrwert beläuft sich auf die Summe derjenigen Positionen, die noch zu erwarten waren (Nutzungsausfall, Kostenpauschale, Sachverständigenkosten etc.) ausgehend von einer 100%igen Haftung. – Eingeklagt werden ausgehend von einer 75%igen Haftung zunächst nur die Reparaturkosten i.H.v. 3.000 t (75 % aus 4.000 t). Die Parteien schließen sodann einen Vergleich, dass auf die Reparaturkosten 2.000 t gezahlt werden und auch die weiteren noch nicht bezifferten Schadenpositionen auf der Basis einer 50%igen Haftung reguliert werden. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 3.000 t. Der Mehrwert des Vergleichs richtet sich nach den noch zu erwartenden Schadenspositionen (Nutzungsausfall, Sachverständigengutachten etc.) zu 75 %, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags.

2.5216 Ein Mehrwert liegt auch dann vor, wenn sich die Parteien auf eine Feststellungsklage zum Haftungsgrund endgültig über die Höhe vergleichen. Bei der Abrechnung der Gebühren ist dann aber die Kürzung nach § 36 Abs. 3 GKG zu beachten.

1 OLG Celle, Urt. v. 23.1.2008 – 14 U 98/07; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.2007 – 14 U 202/06, MDR 2007, 1286; OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2014 – 14 U 113/13, AGS 2014, 128. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2019 – 1 U 19/19, AGS 2019, 518 = JurBüro 2020, 37.

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2. Teil

Beispiel: Der Kläger erhebt zunächst eine Feststellungsklage, mit der er beantragt, festzustellen, dass der beklagte Versicherer für den entstandenen Schaden zu 100 % eintrittspflichtig ist. Im Termin einigen sich die Parteien auf eine Haftung der Beklagten von 75 % und gleichzeitig auf die Zahlung eines Betrags i.H.v. 7.500 t, ausgehend von einem Gesamtschaden von 10.000 t.

2.5217

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Verkehrsunfallschadenregulierung

Der Wert des Verfahrens beträgt – ausgehend von einem Feststellungsabschlag von 20 % – 8.000 t. Der Vergleich hat einen Mehrwert von 10.000 t. Wegen § 36 Abs. 3 GKG wird jedoch im Ergebnis nicht mehr erhoben als eine 1,0-Gerichtsgebühr aus 10.000 t. 1,0-Gebühr (Nr. 1210, 1211 KV GKG), Wert: 8.000 t 0,25-Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG), Wert 10.000 t Gemäß § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 1,0 aus 10.000 t

224,00 t 66,50 t

266,00 t

Kein Mehrwert im Rahmen der Gerichtsgebühren (anders als bei den Anwaltsgebühren) liegt dagegen vor, wenn sich die Parteien über anderweitig anhängige Gegenstände einigen.

2.5218

Beispiel: Der Kläger erhebt Klage auf Schadensersatz i.H.v. 3.000 t. Die Beklagte hatte zwischenzeitlich eine gesonderte Klage auf Ersatz ihres Schadens i.H.v. 2.000 t erhoben. Ohne dass die Verfahren verbunden werden, schließen die Parteien in einem Verfahren einen Gesamtvergleich über alle wechselseitigen Ansprüche.

2.5219

Der Vergleich hat für die Gerichtsgebühren keinen Mehrwert, da die 0,25-Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) nur aus dem Wert nicht anhängiger Gegenstände erhoben werden darf, nicht aber auch aus dem Wert anderweitig anhängiger Gegenstände (s. das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff.). Lediglich bei den Anwaltsgebühren verhält es sich anders. Insoweit hat eine Mehrwertfestsetzung aber auch zu unterbleiben, da der (Mehr-)Wert der anderweitig anhängigen Ansprüche im dortigen Verfahren festgesetzt wird.

II. Anwaltsgebühren 1. Überblick Der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren richtet sich im Rechtsstreit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nach den Wertvorschriften des gerichtlichen Verfahrens.

2.5220

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für die einzelnen Gebühren zu unterschiedlichen Werten kommen kann. Im Gegensatz zu den gerichtlichen Gebühren wird vom Anwalt nicht eine einzige Gebühr für das gesamte Verfahren erhoben. Hier können drei Gebühren anfallen, nämlich Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und Einigungsgebühr.

2.5221

Im Fall einer außergerichtlichen Regulierung gilt das Gleiche (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG), da die auf Schadensregulierung gerichtete anwaltliche Tätigkeit auch Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnte. Hier kommen zwei Gebühren in Betracht (Geschäfts- und Einigungsgebühr), die sich ebenfalls nach unterschiedlichen Gegenstandswerten berechnen können. Nicht zu verwechseln ist der Gegenstandswert mit dem Erledigungswert, nach dem sich die Kostenerstattung richtet (s. Rz. 2.5247 f.).

2.5222

2. Verfahrensgebühr Der Wert der Verfahrensgebühr berechnet sich zum einen nach der Summe sämtlicher im laufenden Verfahren anhängig gewordener Gegenstände (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG), soweit der Anwalt damit beauftragt war. Es gilt das Gleiche wie bei den Gerichtsgebühren (s. Rz. 2.5193 ff.).

2.5223

Ein geringerer Wert kann sich für den Anwalt nur dann ergeben, wenn er erst im Verlaufe des Verfahrens nach einer Wertermäßigung beauftragt worden ist.

2.5224

Beispiel: Eingeklagt werden 4.000 t Sachschaden. Nach Klageerhebung zahlt der Versicherer 2.000 t, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Hiernach beauftragt der Versicherer einen Anwalt mit der Klageverteidigung.

2.5225

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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Für den Anwalt des Klägers gilt der volle Wert von 4.000 t, für den Anwalt des Versicherers lediglich der Wert von 2.000 t.

2.5226 Der Gegenstandswert für die Verfahrensgebühr kann auch höher liegen als der Wert des gerichtlichen Verfahrens, nämlich dann, wenn sich die Sache vor Klageerhebung erledigt hat (Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG) oder wenn im Verlaufe des Rechtsstreits nicht anhängige Gegenstände in Verhandlungen oder Vergleiche miteinbezogen werden (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG).

2.5227 Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, 10.000 t Sachschaden einzuklagen. Bevor die Klage eingereicht wird, zahlt der Versicherer auf der Basis 50%iger Haftung 5.000 t, so dass die Klage nur noch in Höhe der restlichen 5.000 t eingereicht wird.

Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 5.000 t. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beläuft sich dagegen auf 10.000 t, wobei der Anwalt aus den weiteren 5.000 t unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG lediglich die ermäßigte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG erhält, da es hinsichtlich des Mehrwerts nicht mehr zur Klageerhebung gekommen ist.

2.5228 Beispiel: Erhoben wird eine Teilklage i.H.v. 3.000 t. Im Termin verhandeln die Parteien über eine Gesamteinigung und versuchen darin auch die noch weiteren bislang nicht eingeklagten Schadenspositionen i.H.v. 2.000 t mit einzubeziehen. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande. Der Gegenstandswert für die gerichtliche Verfahrensgebühr beläuft sich auf 3.000 t; der Gegenstandswert für die anwaltliche Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr beläuft sich auf 5.000 t,1 wobei aus dem Mehrwert (2.000 t) nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG wiederum unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr anfällt.

2.5229 Der (Mehr-)wert der anwaltlichen Tätigkeit ist ggf. im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.2 2.5230 Schließen die Parteien einen Vergleich mit Mehrwert, dann berechnet sich die Verfahrensgebühr des Anwalts aus der Summe der Werte für die gerichtliche Verfahrensgebühr und für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs, den das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG bereits für die Gerichtsgebühren festzusetzen hat. In diesem Fall bedarf es keiner Wertfestsetzung nach § 33 RVG, da der Anwalt insoweit gem. § 32 Abs. 1 RVG an die für die Gerichtsgebühren festgesetzten Werte gebunden ist, auch wenn sich seine Gebühren anders zusammensetzen.

2.5231 Beispiel: Eingeklagt sind 3.000 t Sachschaden. Im Termin schließen die Parteien einen Vergleich, wonach die Beklagte insgesamt 3.000 t zu zahlen habe und damit auch die bislang nicht eingeklagten weiteren Schadenspositionen i.H.v. 2.000 t abgegolten sein sollen. Das Gericht setzt den Streitwert des Verfahrens auf 3.000 t fest und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.000 t.

Diese Wertfestsetzung ist auch für den Anwalt bindend. Er erhält seine Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert von 5.000 t, allerdings zu unterschiedlichen Gebührensätzen unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG.

2.5232 Übersehen wird insoweit häufig, dass der Anwalt nur an die Festsetzung der Werte gebunden ist. Die

Werte von 3.000 t und 2.000 t sind also für ihn gem. § 32 Abs. 1 RVG bindend. Die Wertfestsetzung des Gerichts entfaltet dagegen keine Bindungswirkung, dass der Wert von 3.000 t auch für die anwaltliche Verfahrensgebühr gelte. Welche Gebühren sich aus den gerichtlichen Werten ergeben, ist unabhängig von § 32 Abs. 1 RVG nach den Tatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zu prüfen. 3. Terminsgebühr

2.5233 Der Gegenstandswert der Terminsgebühr bestimmt sich nach der Summe sämtlicher Gegenstände, über die im Verlaufe des Verfahrens ein Gerichtstermin oder ein Sachverständigentermin stattgefun1 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361. 2 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361.

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den hat (Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 VV RVG) oder über die die Anwälte Besprechungen zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens geführt haben (Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG). Der Wert der Terminsgebühr kann dabei dem Wert des gerichtlichen Verfahrens entsprechen, er kann auch geringer oder höher liegen.

2.5234

Beispiele: – Eingeklagt sind 3.000 t Sachschaden. Darüber wird verhandelt und entschieden. Die Terminsgebühr richtet sich nach dem Wert von 3.000 t. – Eingeklagt sind 3.000 t. Der Versicherer zahlt daraufhin 1.500 t, so dass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Verhandelt wird anschließend nur noch über die weiteren 1.500 t. Der Wert des Verfahrens bleibt bei 3.000 t; der Wert der Terminsgebühr richtet sich jetzt jedoch lediglich nach 1.500 t. – Eingeklagt sind 3.000 t im Wege der Teilklage. Im Termin verhandeln die Parteien auch über weitergehende nicht anhängige Gegenstände von 2.000 t. Die Verhandlungen führen jedoch nicht zu einer Einigung. Der Wert der Terminsgebühr beläuft sich jetzt auf 5.000 t, unabhängig davon, ob eine Einigung zustande kommt oder nicht.1

Die Terminsgebühr kann auch schon vor Anhängigkeit anfallen.2

2.5235

Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer Klage auf Schadenersatz i.H.v. 10.000 t zu erheben. Bevor die Klage eingereicht wird, kommt es zu einem Gespräch mit dem Sachbearbeiter des Versicherers. Es wird eine Einigung geschlossen, so dass es nicht mehr zur Klageerhebung kommt.

2.5236

Angefallen ist jetzt zwar nur die ermäßigte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG; daneben entsteht aber aus dem vollen Wert von 10.000 t auch die 1,2-Terminsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG).

4. Einigungsgebühr Siehe hierzu auch das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051 ff. Für den Gegenstandswert der Einigung ist auch im Rahmen der Verkehrsunfallregulierung die Leistung, auf die sich die Parteien geeinigt haben, unbeachtlich. Allein maßgebend sind die Gegenstände, über die sich die Parteien geeinigt haben.3 Bei der Schadensregulierung wird also in aller Regel der streitige (Rest-)Betrag der jeweiligen Schadensposition(en) maßgebend sein.

2.5237

Beispiel: Geltend gemacht werden 5.000 t Schmerzensgeld. Der Versicherer erkennt 3.000 t an. Anschließend einigen sich die Parteien auf 4.000 t, die dann auch gezahlt werden.

2.5238

Der Gegenstandswert für die Einigung beläuft sich hier nur auf 2.000 t, da nur dieser Differenzbetrag zum Zeitpunkt der Einigung noch strittig war. Welcher Betrag letztlich gezahlt wird, ist nicht entscheidend.4

1 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361. 2 KG, Urt. v. 16.7.2012 – 2 W 106/11, AGS 2012, 456. 3 OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.7.2018 – 4 U 26/17, NJW-RR 2018, 1516; AG Tettnang, Urt. v. 31.1.2019 – 8 C 853/18, AGS 2020, 271. 4 AG Pinneberg, Urt. v. 23.1.2018 – 69 C 125/17, AGS 2020, 224; AG Frankfurt, Urt. v. 15.10.1991 – 23 C 1466/91, zfs 1992, 243; a.A. AG Karlsruhe, Urt. v. 2.4.1982 – 10 S 112/81, AnwBl. 1983, 95.

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2.5239 Dies gilt auch im umgekehrten Fall: Beispiel: Auf die geforderten 5.000 t zahlt der Versicherer vorschussweise 3.000 t; anschließend vertritt er jedoch die Auffassung, ein Schmerzensgeld stehe dem Geschädigten überhaupt nicht zu. Die Parteien einigen sich später auf 4.000 t. Der Gegenstandswert für den Vergleich beläuft sich hier auf 5.000 t. Die Vorschusszahlung wird beim Gegenstandswert jetzt nicht abgezogen, da über ihre Berechtigung nach wie vor Streit bestand.

2.5240 Beispiel: Auf die für verschiedene Schadenspositionen geforderten 8.000 t zahlt der Versicherer zur beliebigen Verrechnung 3.000 t; später einigen sich die Parteien auf einen bestimmten Betrag zum Ausgleich aller Ansprüche. Der Gegenstandswert für den Vergleich beläuft sich auf 8.000 t. Die Zahlung zur beliebigen Verrechnung hatte keine Erfüllungswirkung, so dass die gesamten 8.000 t nach wie vor im Streit standen.

2.5241 Wird lediglich eine Einigung über die Haftungsquote geschlossen und die Bezifferung des Schadens noch offen gelassen, so ist der Gegenstandswert der vom Schädiger geltend gemachten Positionen maßgebend. Gegebenenfalls ist hier ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

2.5242 Umstritten ist die Berechnung des Gegenstandswertes, wenn zum Abschluss der Regulierung eine Gesamteinigung geschlossen wird, wonach die gezahlten oder noch zu zahlenden Beträge sämtliche Schadensersatzansprüche abgelten sollen.

2.5243 Beispiel: Es werden 6.000 t Sachschaden, 3.000 t Schmerzensgeld und 2.000 t Mietwagenkosten verlangt. Der Versicherer erkennt zunächst die Mietwagenkosten an und bezahlt sie. Auf den Sachschaden leistet er ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Vorschuss i.H.v. 3.000 t. Später einigen sich die Parteien darauf, dass zum Ausgleich aller Ansprüche 8.000 t unter Einbeziehung der bereits geleisteten Beträge gezahlt werden.

2.5244 Einige Gerichte wollen in diesem Fall die Summe aller geltend gemachten Ansprüche bei der Berechnung des Gegenstandswertes berücksichtigen. Im Beispielsfall wäre nach dieser Auffassung also ein Gegenstandswert i.H.v. 11.000 t anzunehmen. Dies dürfte jedoch unzutreffend sein. Soweit einzelne Positionen ausgeglichen werden, sind sie außer Streit und damit nicht mehr Gegenstand der Einigung. Nur soweit es sich um Vorschüsse oder um Vorbehaltszahlungen handelt, also noch keine endgültige Erfüllung eingetreten ist, sind die Positionen zu berücksichtigen. Im Beispielsfall bleiben damit die bereits bezahlten Mietwagenkosten außer Ansatz. Berücksichtigt werden dagegen das Schmerzensgeld und der volle Sachschaden, da insoweit nur ein Vorschuss geleistet worden ist. Der Gegenstandswert für die Einigung beläuft sich damit auf 9.000 t.

D. Rechtsmittelstreitwert 2.5245 Der Rechtsmittelstreitwert ist ebenso zu bewerten wie der Zuständigkeitsstreitwert. Hier sind die Werte von Klage und Widerklage allerdings zusammenzurechnen, wenn sich der Rechtsmittelführer gegen die Abweisung seiner Klage und zugleich gegen seine Verurteilung auf die Widerklage hin wendet oder umgekehrt.

2.5246 Beispiel: Der Kläger hatte ausgehend von einer Alleinhaftung des Beklagten 1.000 t Sachschaden eingeklagt;

der Beklagte hatte ausgehend von einer Alleinhaftung des Klägers 800 t im Wege der Widerklage geltend gemacht. Das AG ist von einer beiderseitigen Haftung zu 50 % ausgegangen und hat den Beklagten zur Zahlung von 500 t verurteilt und den Kläger zur Zahlung von 400 t. Der Kläger legt sowohl gegen die Abweisung der Klage als auch gegen seine Verurteilung auf die Widerklage hin Berufung ein. Der Wert des Beschwerdegegenstands (§ 511 ZPO) beträgt 500 t (abgewiesene Klage) + 400 t (Verurteilung) = 900 t.

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2. Teil

Verkehrsunfallschadenregulierung

Der Erledigungswert wiederum folgt der Berechnung des Gebührenstreitwerts. Hier sind allerdings nur die berechtigten Ansprüche zu berücksichtigen.

2.5247

I. Erstattungsverhältnis Bedeutung hat der Erledigungswert unmittelbar für die Frage, welche Kosten der Schädiger dem Geschädigten zu ersetzen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH1 berechnet sich der materiell-rechtliche Kostenersatzanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten nach dem Gegenstandswert, der der Summe aller berechtigten Schadensersatzansprüche entspricht.

2.5248

Beispiel: In einer Verkehrsunfallsache macht der Anwalt für den Geschädigten außergerichtlich Schadensersatzansprüche i.H.v. 15.000 t geltend. Der Versicherer reguliert schließlich 10.000 t, womit sich der Geschädigte zufrieden gibt. Angefallen sind beim Anwalt folgende Gebühren, wobei hinsichtlich der Geschäftsgebühr von einer Mittelgebühr ausgegangen werden soll.

2.5249

1. 2. 3.

1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 15.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

1.097,00 t

1.077,00 t 20,00 t 208,43 t 1.305,43 v

Immer wieder wird versucht,2 den Ersatzanspruch quotal nach dem Anteil der berechtigten Ansprüche von den insgesamt geltend gemachten Ansprüchen zu berechnen. Im Beispiel würde das zu einer Quote von 10 000/15 000 führen. Damit würde sich ein Erstattungsbetrag ergeben i.H.v. 1.305,43 t × 10.000/15.000

2.5250

870,29 v.

Nach der Berechnungsmethode des BGH kann der Geschädigte dagegen die vollen Kosten aus dem 2.5251 Erledigungswert verlangen, also die Kosten, die ihm entstanden wären, wenn er sich von vornherein auf die berechtigten Ansprüche beschränkt hätte. Im Beispiel erhält er also seine Gebühren aus dem Gegenstandswert von 10.000 t erstattet: 1. 2. 3.

1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 10.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

941,00 t

921,00 t 20,00 t 178,79 t 1.119,79 v

Der Unterschied ist erheblich, da dem Geschädigten die Gebührendegression in voller Höhe zugute- 2.5252 kommt. Bei ihm verbleibt also nur der Spitzenbetrag, der sich aus der Gebührendifferenz zwischen Auftrags- und Erledigungswert ergibt. Im Beispiel muss der Geschädigte nur die Gebührendifferenz zwischen den Gebühren aus 10.000 t und 15.000 t selbst tragen; bei den Auslagen verbleibt gar kein Eigenanteil: 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 15.000 t) Erstattung (1,5-Geschäftsgebühr aus 10.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

1.077,00 t – 921,00 t 20,00 t

1 BGH, Urt. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751; BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = AGS 2008, 107. 2 So die Vorinstanz (LG Gießen) zu BGH, Beschl. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, AGS 2008, 107 = MietRB 2008, 74 = MDR 2008, 351.

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2.5253

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E. Erledigungswert

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2. Teil

ZPO

4. 5.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

Erstattung Postentgeltpauschale Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

156,00 t

– 20,00 t 29,64 t 185,64 v

2.5254 Abzustellen ist auf die begründeten Ansprüche, nicht auf die gezahlten Beträge. Dies wird immer wieder verwechselt. Der Erledigungswert muss nicht mit dem Betrag identisch sein, den der Versicherer auszahlt. Schon gar nicht kommt es darauf an, ob an den Mandanten gezahlt worden ist. Auch Zahlungen an Abtretungsempfänger, wie z.B. den Mietwagenunternehmer oder die Werkstatt, sind beim Erledigungswert mitzuberücksichtigen (s. Rz. 2.5261 f.).

2.5255 Erledigungswert – also der Gesamtwert der berechtigten Ansprüche – und tatsächlich gezahlter Betrag können insbesondere dann auseinanderfallen, wenn im Verlaufe der Regulierung der Kaskoversicherer in Anspruch genommen wird und er einen Teil der Ansprüche zahlt, so dass sich im Haftpflichtverhältnis wegen Forderungsübergang auf den Kaskoversicherer der Schaden verringert.1

2.5256 Beispiel: Der Geschädigte verlangt ausgehend von einer vollen Haftung des Schädigers 10.000 t. Da sich die Regulierung hinzieht, nimmt er seinen Kaskoversicherer in Anspruch, der abzüglich einer Selbstbeteiligung i.H.v. 600 t eine Entschädigung i.H.v. 9.400 t zahlt. Später reguliert der Haftpflichtversicherer auf der Basis einer 50%igen Haftung und zahlt unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts noch die restlichen 600 t. Der Erledigungswert beträgt jetzt nicht etwa nur 600 t, weil nur dieser Betrag gezahlt worden ist. Ausgehend von einer hälftigen Haftung war ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 5.000 t berechtigt. Der Erledigungswert beträgt folglich 5.000 t. Nach diesem Wert muss der Haftpflichtversicherer die angefallenen Anwaltskosten ersetzen.

2.5257 Zur Berechnung des Erledigungswerts im Falle einer Restwertanrechnung s. Rz. 2.5332.

II. Auftragsverhältnis 2.5258 Der Erledigungswert hat für die Abrechnung zwischen Anwalt und Auftraggeber keine unmittelbare Bedeutung. Im Vergütungsverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ist alleine der Auftragswert entscheidend. Die vom Auftraggeber zu zahlende Vergütung berechnet sich nach dem Gesamtwert derjenigen Schadensersatzansprüche, die der Anwalt für den Geschädigten durchsetzen soll.

2.5259 Es ergibt sich allenfalls eine mittelbare Bedeutung. Soweit der Anwalt dem Auftraggeber zu überhöhten Schadenersatzforderungen rät, kann dem Vergütungsanspruch ggf. ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung entgegenstehen mit der Folge, dass der Anwalt die Vergütung nur in der Höhe geltend machen kann, in der sie entstanden wäre, wenn er ordnungsgemäß beraten hätte und der Geschädigte daraufhin Schadensersatzansprüche nur einer geringen Höhe geltend gemacht hätte.

F. Rechtsprechungs-ABC 2.5260 Im Einzelnen gilt Folgendes: Stichwortübersicht Abgetretene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5261 Ab- und Anmeldekosten . . . . . . . . . . . . . . . 2.5264 Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5265

Aktenversendungskosten . . . . . . . . . . . . . . 2.5267 Allgemeine Kostenpauschale . . . . . . . . . . . 2.5269 Anwaltskosten der Haftpflichtregulierung . 2.5270

1 LG Arnsberg, Urt. v. 11.5.2016 – 3 S 117/15, AGS 2016, 290 = NZV 2016, 478 = NJW-RR 2016, 1504, das damit die gegenteilige Entscheidung der Vorinstanz (AG Meschede, Urt. v. 5.5.2015 – 6 C 403/14, NZV 2015, 510 = NJW-Spezial 2015, 427) abgeändert hat.

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Anwaltskosten der Kaskoregulierung . . . . . Anwaltskosten für eine Deckungsschutzanfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Attest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitungskosten/-gebühren s Finanzierungskosten Behandlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . Begutachtungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . Deckungsschutzanfrage s Anwaltskosten für eine Fahrtkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freistellungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsführungsschaden . . . . . . . . . . . . . Kapitalabfindung s Rentenansprüche Kaskoentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenpauschale s Allgemeine Kostenpauschale Mehrwertsteuer s. Umsatzsteuer Merkantiler Minderwert s Wertminderung Mietwagenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5296 2.5298 2.5299 2.5301 2.5302 2.5303 2.5306 2.5307 2.5308 2.5309 2.5311

2.5316

Nutzungsausfallentschädigung . . . . . . . . . . Pflegekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radioumbaukosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rentenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restwert s Sachschaden Rückstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachverständigenkosten . . . . . . . . . . . . . . . Schadensfreiheitsrabatt s. Rückstufung Schmerzensgeldforderungen, bezifferte . . . . Schmerzensgeldforderungen, unbezifferte . Schmerzensgeldrente s Rente Standgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transportkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umbaukosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdienstausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlung an Kaskoversicherer . . . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungskosten s Ab- und Anmeldungskosten

2. Teil 2.5317 2.5318 2.5319 2.5320

ZPO

Verkehrsunfallschadenregulierung

S. 1047 von 1232 Druckdaten

2.5331 2.5332 2.5343 2.5345 2.5346 2.5349 2.5350 2.5351 2.5352 2.5356 2.5358 2.5358 2.5359

Abgetretene Ansprüche Werden Schadensersatzforderungen hinsichtlich einzelner Positionen abgetreten, etwa an den Autovermieter wegen der Mietwagenkosten oder an den Sachverständigen hinsichtlich seiner Vergütung, und wird im Rahmen der Regulierung Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangt, so wird der Wert der abgetretenen Forderungen für den Anwalt des Geschädigten in voller Höhe berücksichtigt.1

2.5261

In diesen Fällen liegt lediglich eine Sicherungsabtretung vor, so dass der Geschädigte berechtigt bleibt, den abgetretenen Anspruch weiterhin in eigenem Namen als Freistellungsanspruch geltend zu machen, auch wenn er nur Zahlung an den Zessionar verlangen kann.

2.5262

Siehe auch das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

2.5263

Ab- und Anmeldekosten Ab- und Anmeldekosten für Unfall- bzw. Neuwagen sind mit dem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

2.5264

Abänderung Wird die Abänderung einer Rentenzahlung aus einer Hinterbliebenenrente begehrt, so handelt es sich um eine selbständige Angelegenheit, die gesondert zu bewerten ist.2 Maßgebend sowohl für den Zuständigkeitsstreitwert als auch für die Gerichts- und Anwaltsgebühren3 ist der für den Abänderungszeitraum geforderte Mehr- bzw. Minderbetrag. In der Regel wird eine jährliche Abänderung begehrt, da sich die Bemessungsfaktoren jährlich ändern. Wird für einen längeren Zeitraum Abänderung be1 AG Biberach, Urt. v. 17.9.1987 – 5 C 604/87, VersR 1988, 499; AG Tettnang, Urt. v. 21.6.1985 – 3 C 297/85, VersR 1986, 776; AG Limburg, Urt. v. 6.3.2006 – 4 C 118/06, AGS 2007, 100; AG Hannover, Urt. v. 14.4.2015 – 501 C 15253/14, AGS 2015, 364. 2 AG Siegburg, Urt. v. 11.7.2003 – 8 C 167/03, AGS 2003, 345 m. Anm. N. Schneider = MDR 2003, 1143. 3 Die früher abweichende Regelung des § 42 Abs. 1 GKG a.F. ist zum 1.8.2013 aufgehoben worden, so dass jetzt über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ebenfalls § 9 ZPO anzuwenden ist.

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2.5265

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

antragt, so ist dieser maßgebend, höchstens jedoch der Betrag der nächsten dreieinhalb Jahre (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO).

2.5266 Außergerichtlich sind für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit alle fälligen Beträge hinzuzurechnen; im gerichtlichen Verfahren sind nur die bei Klageeinreichung fälligen Beträge hinzuzurechnen (analog § 42 Abs. 3 GKG). Siehe dazu Rz. 2.5320 ff. Aktenversendungskosten

2.5267 Wird im Rahmen der Unfallregulierung Akteneinsicht genommen, so entsteht eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG oder den entsprechenden Gebührenvorschriften der Länder. Da diese als verauslagte Kosten (Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG) Teil der Anwaltsvergütung sind, teilen sie auch streitwertmäßig deren Schicksal (s. Rz. 2.5270 ff.).

2.5268 Wird die Akteneinsicht im Rechtsstreit eingeholt, handelt es sich um Kosten des Verfahrens, die nur dann in die Bewertung einfließen, wenn die Kosten Streitgegenstand werden (§ 43 Abs. 3 GKG). Allgemeine Kostenpauschale

2.5269 Es handelt sich nicht um eine Nebenforderung i.S.d. § 4 ZPO und § 43 Abs. 1 GKG.1 Die geltend gemachte Pauschale ist mit dem geforderten Wert anzusetzen. Anwaltskosten der Haftpflichtregulierung 1. Überblick

2.5270 Die Kosten der anwaltlichen Regulierung können Nebenforderung oder Hauptforderung sein. 2.5271 Im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung sind die Anwaltskosten, die in der Regel nach Abschluss der Regulierung eingefordert werden, immer Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG).

2.5272 Im Rechtsstreit sind die dort angefallenen Kosten gar nicht Streitgegenstand und damit nicht zu bewerten. Erst wenn nur noch die Kosten betroffen sind, werden sie zur Hauptsache und sind zu bewerten (§ 43 Abs. 3 GKG). Siehe hierzu das Stichwort „Kosten des Rechtsstreits“, Rz. 2.2631 ff.

2.5273 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess mit geltend gemacht, so sind sie – Hauptforderung, soweit sie isoliert eingeklagt werden (Rz. 2.5274 f.), – Nebenforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, Gegenstand des Rechtsstreits sind (Rz. 2.5278 f.), – Hauptforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits sind (Rz. 2.5285 f.), – Hauptforderung, soweit sie aus einer anderen Angelegenheit resultieren (Rz. 2.5293). 2. Anwaltskosten werden isoliert eingeklagt

2.5274 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder wird ein Teil davon isoliert eingeklagt, dann sind die Kosten Hauptforderung und damit nach § 3 ZPO zu bewerten. Das gilt auch für die Anwalts- und Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

1 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852; OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484.

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2. Teil

Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t geltend gemacht. Der Versicherer zahlt die 8.000 t. Der Geschädigte verlangt daraufhin noch den Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v.

3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

2.5275

ZPO

Verkehrsunfallschadenregulierung

1. 2.

S. 1049 von 1232 Druckdaten

753,00 t 20,00 t

773,00 t

146,87 t 919,87 v

a) Der Versicherer zahlt diese Kosten nicht, da er der Auffassung ist, die Anwaltskosten seien nicht notwendig. Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung i.H.v. 919,87 t.

2.5276

b) Der Versicherer ist der Auffassung, eine 1,3-Geschäftsgebühr sei angemessen und zahlt nur 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

672,60 t

652,60 t 20,00 t 127,79 t 800,39 v

Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung der restlichen (919,87 t – 800,39 t =) 119,48 t. Im Fall a) beträgt der Streitwert gem. § 3 ZPO 919,87 t, im Fall b) 119,48 t.

Gleiches gilt, wenn die Anwaltskosten isoliert im Wege einer Widerklage geltend gemacht werden.1

2.5277

3. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie re- 2.5278 sultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die nach § 4 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleiben, und zwar unabhängig davon, ob diese Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind.2 Die gegenteilige Auffassung,3 die noch aus der Zeit vor der ersten BGH-Entscheidung stammt, dürfte seit den Entscheidungen des BGH nicht mehr vertretbar sein. Das KG4 bezeichnet diese Auffassung sogar als willkürlich, so dass eine darauf gestützte Verweisung keine Bindungswirkung entfalte. Die vorgerichtlichen Kosten bleiben auch bei der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands außer Ansatz, solange auch die zugehörige Hauptforderung Gegenstand der Berufung ist.5

2.5279

Beim Gebührenstreitwert für die Anwaltsgebühren haben die Kosten zwar einen eigenen Wert; die- 2.5280 ser wird nach § 43 Abs. 1 GKG jedoch dem Wert der Hauptforderung nicht hinzugerechnet. Es handelt sich aus denselben Erwägungen wie beim Zuständigkeitsstreitwert um Nebenforderungen. Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nicht. Der Geschädigte klagt daraufhin auf Zahlung der 8.000 t sowie auf Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 919,87 t (zur Berechnung s. Beispiel Rz. 2.5275). 1 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 2 BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, MDR 2007, 919 = AGS 2007, 231; BGH, Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, MDR 2007, 1149 = AGS 2007, 516; BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZR 200/06, AGS 2007, 578; BGH, Beschl. v. 25.9.2007 – VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374; BGH, Beschl. v. 23.1.2008 – IV ZB 8/07, SVR 2008, 351; BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 12.1.2006 – 1 U 167/05; LG Hof, Beschl. v. 17.6.2005 – 22 O 300/05; LG Hof, Beschl. v. 22.5.2006 – 34 O 286/06 (sämtlich unveröffentlicht; nachgewiesen im MittBl. der ARGE Verkehrsrecht 2006, 89); LG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.2004 – 1 O 3125/04, AGS 2005, 75. 4 KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249. 5 BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – VI ZB 61/10, AGS 2011, 302 = MDR 2011, 811.

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2.5281

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 t. Die Anwaltskosten werden gem. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht mitgerechnet.

2.5282 Beim Gebührenstreitwert können die Kosten allerdings Bedeutung gewinnen, wenn alleine daraus einzelne Gebühren anfallen (§ 43 Abs. 2 GKG), was nur beim Anwalt vorkommen dürfte.

2.5283 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel in Rz. 2.5281; der Versicherer zahlt die 8.000 t Schaden. Über die Kosten wird verhandelt. Für die Terminsgebühr der Anwälte ist jetzt nur der Wert der Kosten (919,87 t) maßgebend (§ 43 Abs. 2 GKG).

2.5284 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel in Rz. 2.5283; der Versicherer zahlt die 8.000 t Schaden. Über die Kosten wird eine Einigung getroffen. Für die Termins- und Einigungsgebühr der Anwälte ist jetzt wiederum nur der Wert der Kosten maßgebend (§ 43 Abs. 2 GKG).

4. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits

2.5285 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess aus Gegenständen geltend gemacht, die nicht1 oder nicht mehr2 Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigen.

2.5286 Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 8.000 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 919,87 t geltend gemacht (zur Berechnung s. Rz. 2.5275). Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 t, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. Daher klagt der Geschädigte auf Zahlung von 4.000 t Schaden sowie 919,87 t Ersatz vorgerichtlicher Kosten.

Die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, sind jetzt keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653 ff. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenstände angefallen wären, also 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

437,00 t

417,00 t 20,00 t 83,03 t 520,03 v

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 4.520,03 t.

2.5287 Das gilt auch, wenn nur ein Teil der Kosten geltend gemacht wird. 2.5288 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 t sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer, also 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

381,40 t

361,40 t 20,00 t 72,47 t 453,87 v

1 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249. 2 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404.

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S. 1051 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

Er ist der Auffassung, dass eine Geschäftsgebühr von 1,5 unbillig sei. Der Geschädigte klagt jetzt auf Zahlung von 4.000 t restlicher Schaden sowie (919,87 t – 453,87 t =) 466,00 t Ersatz vorgerichtlicher Kosten.1 Auch jetzt sind die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“, Rz. 2.5653 ff. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenstände angefallen wären, also 1. 2. 3. 4. 5.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) ./. gezahlter 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG ./. gezahlter Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

55,60 t

417,00 t – 361,40 t 20,00 t – 20,00 t 10,56 t 66,16 v

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 4.066,16 t.

Für den Rechtsmittelstreitwert gilt Gleiches.2

2.5289

Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 2.500 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v.

2.5290

1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.500 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

308,60 t

288,60 t 20,00 t 58,63 t 367,23 v

geltend gemacht. Das AG spricht dem Geschädigten 2.000 t zu, im Übrigen (also hinsichtlich des weiteren Schadens über 500 t sowie der gesamten vorgerichtlichen Kosten) weist das Gericht die Klage ab. Gegen die Abweisung der Klage legt der Kläger Berufung ein. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich auf 500 t zzgl. der Kosten aus den erstinstanzlich zugesprochenen Schadenspositionen, die sich auf 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

235,80 t

215,80 t 20,00 t 44,80 t 280,60 v

belaufen. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich damit auf (500 t + 280,60 t =) 780,60 t. Die Berufung ist damit zulässig.

Für den Gebührenstreitwert können sich darüber hinaus Stufenstreitwerte ergeben, allerdings nur für die Anwaltsgebühren. Solche Fälle können auftreten, wenn sich nur die Hauptforderung – ohne Kosten – erledigt und die Kosten anhängig bleiben. Dann sind die anteiligen Kosten wiederum als Hauptforderung zu berücksichtigten.

2.5291

Beispiel: Der Anwalt macht für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 8.000 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 919,87 t (1,5-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer) geltend (zur Berechnung s. Rz. 2.5275). Der Versicherer zahlt nach Klagezustellung 4.000 t, weigert sich jedoch, auch die An-

2.5292

1 Zur Berechnung des restlichen Kostenerstattungsanspruchs s. BGH, Urt. v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13, MDR 2014, 864 = AGS 2014, 325. 2 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, AGS 2009, 344; BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404 = AGS 2008, 187; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 – VIII ZB 62/10, AGS 2011, 140; BGH, Beschl. v. 4.4.2012 – IV ZB 19/11, MDR 2012, 738 = AGS 2012, 297; BGH, Beschl. v. 26.3.2013 – VI ZB 53/12, MDR 2013, 816 = AGS 2013, 282.

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ZPO

2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

waltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig gewesen. In Höhe der 4.000 t wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die restlichen 4.000 t Schaden sowie die Kosten i.H.v. 919,87 t wird verhandelt. Die Gerichtsgebühr (Nr. 1210 KV GKG) bemisst sich nach dem Wert von 8.000 t. Die Kosten werden nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG). Die teilweise Erledigung hat für die Gerichtsgebühr keine Bedeutung (s. § 40 GKG). Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) bemisst sich ebenfalls nach 8.000 t. Auch hier haben die Kosten keine Bedeutung. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) entsteht zum einen aus der verbliebenen Hauptforderung von 4.000 t. Daneben sind aber jetzt auch die Kosten, soweit sie auf die erledigten 4.000 t entfallen, zu berücksichtigen, da sie jetzt ohne die Hauptforderung betroffen sind (§ 43 Abs. 2 GKG). Dieser Wert beläuft sich auf 473,62 t. Zur Berechnung der Kosten s. Rz. 2.5286. Im gerichtlichen Verfahren ist daher wie folgt abzurechnen: 1. 2. 3. 4. 5.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG sind 0,75 aus 8.000 t anzurechnen 1,2-Terminsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.473,62 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

562,50 t

652,60 t – 376,50 t 266,40 t 20,00 t 106,88 t 669,38 v

5. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit

2.5293 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten immer Hauptforderung.1

2.5294 Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten anlässlich einer Verkehrsunfallsache dessen Ansprüche mit dem Unfallversicherer reguliert. Da der Haftpflichtversicherer seine Haftung bestreitet, klagt der Geschädigte auf Ersatz seines Schadens nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten zzgl. der Anwaltskosten für die Regulierung mit dem Unfallversicherer. Die Regulierung mit dem Unfallversicherer ist eine eigene Angelegenheit.2 Die hierdurch bedingten Kosten sind vom Haftpflichtversicherer zu tragen.3 Ihr Wert erhöht daher sowohl den Zuständigkeits- als auch den Gebührenstreitwert.

2.5295 Gleiches gilt, wenn die Kosten der Kaskoregulierung als weitere Schadensposition mit geltend gemacht werden (s. Rz. 2.5296 ff.) oder die Kosten einer Deckungsschutzzusage (s. Rz. 2.5298). Anwaltskosten der Kaskoregulierung

2.5296 Werden die Kosten der Kaskoregulierung als Schadensposition4 mit geltend gemacht, so handelt es sich immer um eine Hauptforderung, da die Kosten aus einer anderen Angelegenheit stammen. Ihr Wert ist daher gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG hinzuzurechnen. Unzutreffend ist insoweit die Auffassung des BGH,5 es handele sich um eine Nebenforderung. Der BGH verkennt, dass es sich bei den Ansprüchen gegen den Kaskoversicherer um einen völlig anderen Streitgegenstand handelt (vertraglicher Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen den eigenen Versicherer) als bei dem Schadensersatzanspruch (deliktischer Anspruch gegen den Schädiger) und sogar die Berechnungen unterschiedlich 1 2 3 4

OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.1.2010 – 14 UH 3/10, AGS 2010, 310. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, MDR 2006, 929 = AGS 2006, 256. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, MDR 2006, 929. Siehe hierzu BGH, Urt. v. 8.5.2012 – VI ZR 196/11, MDR 2012, 759 = AGS 2012, 595; zuletzt AG Ahlen, Urt. v. 7.5.2013 – 30 C 103/12, AGS 2014, 543. 5 BGH, Beschl. v. 26.3.2013 – VI ZB 53/12, MDR 2013, 816 = AGS 2013, 282 = NJW-RR 2013, 934 = NZV 2013, 598.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

Beispiel: Der Anwalt ist mit einer Verkehrsunfallschadenregulierung beauftragt (Gesamtschaden 25.000 t). Da der Unfallgegner seine Haftpflichtversicherungsprämie nicht gezahlt hatte, verweist der Haftpflichtversicherer den Geschädigten auf die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers. Der Anwalt reguliert daraufhin den Sachschaden (20.000 t abzgl. 600 t Selbstbeteiligung) mit dem Kaskoversicherer.

ZPO

vorzunehmen sind. Während in der Kaskoversicherung nach den AKB zu entschädigen ist, ergibt sich der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes dem Grunde nach aus §§ 9, 17 StVG, § 254 BGB und der Höhe nach aus § 249 BGB.

2.5297

Hier liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor.1 Der Anwalt erhält zum einen die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus dem Wert der Kaskoschadenregulierung (19.400 t). Die Geschäftsgebühr für die Kaskoregulierung ist zudem auch vom Haftpflichtversicherer als Schadensposition zu ersetzen.2 I. 1. 2. 3.

Regulierung des Kaskoschadens 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 19.400 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

1.253,00 t

1.233,00 t 20,00 t 238,07 t 1.491,07 v

Daneben erhält der Anwalt eine weitere Geschäftsgebühr für die Haftpflichtschadenregulierung. Hier belief sich der Wert bei Auftragserteilung zunächst auf 25.000 t. Durch die Zahlung des Kaskoversicherers konnte sich dieser Wert für die bereits entstandene Gebühr nicht mehr verringern (s. § 15 Abs. 4 RVG). Dadurch, dass der Auftrag erweitert worden ist und später auch noch die Kosten der Kaskoregulierung als weiterer Schaden mit geltend gemacht wurden, hat sich der Wert für die Haftpflichtschadenregulierung um die Kosten der Kaskoregulierung (1.491,07 t) auf 26.491,07 t erhöht. Für die Haftpflichtregulierung erhält der Anwalt weitere: II. Regulierung des Haftpflichtschadens 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 26.491,07 t) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

1.331,00 t

1.311,00 t 20,00 t 252,89 t 1.583,89 v

Anwaltskosten für eine Deckungsschutzanfrage Werden die Anwaltskosten für eine Deckungsschutzzusage seitens des Rechtsschutzversicherers geltend gemacht,3 handelt es sich um eine werterhöhende Schadensposition, da es sich bei dem Anspruch auf Deckungsschutz um einen anderen Gegenstand handelt. Es gilt das Gleiche wie für die Anwaltskosten zur Regulierung des Kaskoschadens.

2.5298

Attest Werden die Kosten für ein ärztliches Attest geltend gemacht, handelt es sich nicht um eine Nebenforderung, sondern um eine werterhöhende Hauptforderung. Es gilt das Gleiche wie bei (sonstigen) Sachverständigenkosten.

2.5299

Bearbeitungskosten/-gebühren

2.5300

Siehe das Stichwort „Finanzierungskosten“, Rz. 2.5307.

1 OLG Zweibrücken, AnwBl. 1968, 363; OLG Hamm, Beschl. v. 7.10.1982 – 27 U 161/82, MDR 1983, 315; LG Flensburg, Urt. v. 20.1.1986 – 4 O 303/85, JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt, AnwBl. 1966, 405; AnwBl. 1967, 67; AG Erfurt, Urt. v. 14.10.1998 – 27 C 1070/98, zfs 1999, 31; AG Limburg, Urt. v. 20.2.2006 – 4 C 2279/05, AGS 2006, 267; a.A. AG Bad Homburg, Urt. v. 5.3.1987 – 3 C 1369/86, zfs 1987, 173. 2 Siehe Fn. davor. 3 Siehe hierzu BGH, Urt. v. 8.5.2012 – VI ZR 196/11, MDR 2012, 759 = AGS 2012, 595.

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

Behandlungskosten

2.5301 Behandlungskosten sind mit ihrem vollen Wert zu berücksichtigen, soweit vom Gegner Erstattung verlangt wird. Wenn jedoch der Krankenversicherer in Anspruch genommen wird, so geht ein eventueller Ersatzanspruch auf diesen über. Der Geschädigte ist nicht mehr berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, auch nicht als Befreiungsanspruch, so dass er streitwertmäßig, z.B. bei einem Feststellungsantrag, nicht mehr zu berücksichtigen ist. Befreiungsansprüche

2.5302 Siehe das Stichwort „Abgetretene Ansprüche“, Rz. 2.5261 f. Begutachtungskosten

2.5303 Begutachtungskosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen.1 Das gilt nicht nur für die Kosten der Schadensbegutachtung, sondern auch für die Kosten der Reparaturbestätigung des Sachverständigen.

2.5304 Gleiches gilt für die Kosten der Begutachtung des zu erwerbenden Ersatzwagens. Wird insoweit eine fiktive Pauschale2 geltend gemacht, so ist deren Wert maßgebend. Deckungsschutzanfrage

2.5305 Siehe das Stichwort „Anwaltskosten für eine Deckungsschutzanfrage“, Rz. 2.5298. Fahrtkosten

2.5306 Fahrtkosten (z.B. zum Arzt, zum Abholen von der Unfallstelle, zur Werkstatt, zur Zulassungsstelle etc.) sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen. Finanzierungskosten

2.5307 Nimmt der Geschädigte einen Unfallkredit auf, so sind die hiermit verbundenen Finanzierungskosten und Zinsen mit ihrem Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.3 Siehe auch das Stichwort „Bearbeitungsgebühren“, Rz. 2.627. Freistellungsansprüche

2.5308 Freistellungsansprüche sind nach § 3 ZPO mit dem vollen Wert der zu tilgenden Forderung anzusetzen. Siehe auch das Stichwort „Abgetretene Ansprüche“, Rz. 2.5261 ff. Haushaltsführungsschaden

2.5309 Schadensersatz wegen entgangener Haushaltsführung ist Hauptforderung und damit voll zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die konkreten Kosten einer Hilfskraft geltend gemacht werden oder ob fiktiv berechnet wird. Kapitalabfindung

2.5310 Siehe das Stichwort „Rentenansprüche“, Rz. 2.5320.

1 OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484; ebenso bei Rückabwicklung eines Vertrags: OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.2007 – 5 W 240/06, RVGreport 2007, 196. 2 Siehe hierzu OLG Frankfurt, Urt. v. 29.11.1989 – 12 U 32/89, MDR 1991, 54. 3 A.A. für Bearbeitungsgebühren: OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1973 – 2 W 21/73, JMBl.NW 1974, 46.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

Soweit von dem Kaskoversicherer Zahlung der Versicherungsleistung verlangt wird, richtet sich der Wert nach dem geltend gemachten Betrag. Wird zunächst unbeziffert die Kaskoentschädigung gefordert, dürfte von dem Betrag der Versicherungssumme auszugehen sein, die ggf. um Selbstbeteiligung und andere Anrechnungspositionen gekürzt werden muss.

2.5311

Die Abrechnung mit dem Kaskoversicherer kann auch beim Wert des Sachschadens zu berücksichtigen sein (s. Rz. 2.5297).

2.5312

Kostenpauschale

2.5313

Siehe das Stichwort „Allgemeine Kostenpauschale“, Rz. 2.5638. Mehrwertsteuer

2.5314

Siehe das Stichwort „Umsatzsteuer“, Rz. 2.5697. Merkantiler Minderwert

2.5315

Siehe das Stichwort „Wertminderung“, Rz. 2.5701. Mietwagenkosten Mietwagenkosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechende Schadensersatzforderung an den Mietwagenunternehmer abgetreten worden ist (s. das Stichwort „Abgetretene Ansprüche“, Rz. 2.5631). Maßgebend ist der verlangte Betrag, auch wenn er sich letztlich als überhöht herausstellt und nicht reguliert wird.

2.5316

Nutzungsausfallentschädigung

2.5317

Der volle Wert des verlangten Betrags ist maßgebend. Pflegekosten Werden Pflegekosten wegen der Verletzung aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, dann ist für die Bewertung von den jährlichen Aufwendungen für die Pflege auszugehen, die gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahresbetrag zu erhöhen sind. Hiervon ist dann bei der positiven Feststellungsklage ein Abzug von 20 % zu machen. Das gilt auch dann, wenn der Haftpflichtversicherer mitverklagt wird. Hinzuzurechnen sind die fälligen Beträge (analog § 42 Abs. 3 GKG).1

2.5318

Radioumbaukosten Der volle Wert ist maßgebend. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

2.5319

Rentenansprüche Wird infolge der Tötung oder Körperverletzung ein Erwerbsschaden des Verletzten oder werden 2.5320 Unterhaltsschäden der Hinterbliebenen als Rentenansprüche geltend gemacht, so gelten sowohl für den Zuständigkeitsstreitwert als auch den Gebührenstreitwert2 die §§ 3, 9 ZPO. Maßgebend ist der

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.1970 – 1 W 153/70, JurBüro 1971, 539. 2 Die frühere Sonderregelung für den Gebührenstreitwert (§ 42 Abs. 1 GKG a.F.) ist zum 1.8.2013 ersatzlos gestrichen worden, so dass über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG jetzt auch hier § 9 ZPO anzuwenden ist.

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Kaskoentschädigung

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

geforderte Betrag der nächsten dreieinhalb Jahre, sofern die Rente nicht für einen geringeren Zeitraum verlangt wird; fällige Beträge sind hinzuzurechnen.

2.5321 Im Falle eines Rechtsstreits werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge hinzugerechnet (§ 42 Abs. 3 GKG).

2.5322 Bei der außergerichtlichen Regulierung werden dem Wert der zukünftig geforderten Beträge alle während des Mandats fällig gewordenen Beträge hinzugerechnet (analog § 42 Abs. 3 GKG).1

2.5323 Beispiel: Aufgrund eines Verkehrsunfalls im Dezember 2018 ist der Anwalt beauftragt worden, für die hinterbliebene Ehefrau ab Januar 2019 außergerichtlich eine Unterhaltsrente i.H.v. 1.500 t monatlich einzufordern. Im September 2020 ist eine Einigung über die laufende Unterhaltsrente und die bis dahin angefallenen Beträge getroffen worden.

Für die zukünftigen laufenden Beträge ab Oktober 2020 gilt ein Wert i.H.v. 42 × 1.500 t, also 63.000 t. Für die bis einschließlich September 2020 und damit fälligen Beträge gilt ein Wert i.H.v. (Januar 2019 – September 2020) 21 × 1.500 t = 31.500 t. Insgesamt ergibt sich somit für Geschäfts- und Einigungsgebühr ein Wert i.H.v. 94.500 t.

2.5324 Zu beachten ist, dass der Unterhalt nach § 843 Abs. 2 i.V.m. § 760 Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 844 Abs. 2 BGB) jeweils für drei Monate vorauszuzahlen ist. Dies hat Bedeutung für die Berechnung der bei Einreichung fälligen Beträge.

2.5325 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Eine Einigung kommt nicht zustande. Im Oktober 2015 wird die Klage eingereicht. Da für jeweils drei Monate im Voraus zu zahlen ist, sind im Oktober 2020 bereits die Zahlungen bis einschließlich Dezember 2020 fällig. Es ergibt sich also ein Wert für die fälligen Beträge i.H.v. 24 × 1.500 t = 36.000 t, so dass sich zzgl. des Werts für die künftigen Beträge ein Gesamtwert i.H.v. 99.000 t ergibt.

2.5326 Stirbt der Anspruchsteller im Laufe der Schadensregulierung, bleibt der dreieinhalbfache Jahresbetrag für die bis dahin angefallenen Gebühren maßgebend;2 für die später anfallenden Gebühren gilt nur noch der Wert der fälligen Beträge.

2.5327 Zahlt der Gegner einen Teilbetrag, so verringert sich der Gegenstandswert für die weitere Tätigkeit nur dann, wenn die Restsumme infolge der Teilzahlung unter den dreieinhalbfachen Jahresbetrag sinkt.3

2.5328 Wird die Rente durch eine einmalige Zahlung abgefunden, verbleibt es bei dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag.4

2.5329 Wird eine Abänderung der Rentenzahlungen begehrt, so ist dies auch außergerichtlich eine selbständige Angelegenheit, die gesondert zu bewerten ist.5 Abzustellen ist auf den jährlichen Mehr- bzw. Minderbetrag. Ausgehend von § 9 ZPO wäre auch hier der dreieinhalbfache Jahresbetrag maßgebend. Da die Abänderung in der Regel aber jährlich vorgenommen wird und daher auch nur für ein Jahr gelten soll, ist regelmäßig nur vom Jahresbetrag auszugehen. Siehe Rz. 2.5265.

1 OLG Nürnberg, Urt. v. 8.1.2002 – 3 U 3129/01, AGS 2002, 232; a.A. LG Stuttgart, v. 22.2.1978 – 13 S 60/77, AnwBl. 1978, 234 = RuS 1978, 157; N. Schneider, AGS 2004, 89. 2 OLG Dresden, Rsp. 35, 214 (damals noch fünffacher Jahreswert). 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.1986 – 14 W 770/85, VersR 1987, 289 (damals noch fünffacher Jahreswert). 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.1976 – 15 U 204/72, VersR 1977, 868; OLG Frankfurt, MDR 1971, 404; OLG Schleswig, SchlHA 1968, 145; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.1965 – 3 W 56/65, NJW 1966, 162. 5 AG Siegburg, Urt. v. 11.7.2003 – 8 C 167/03, AGS 2003, 345 m. Anm. N. Schneider = MDR 2003, 1143.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

2.5330

Siehe das Stichwort „Sachschaden“, Rz. 2.5332. Rückstufung

Nimmt der Geschädigte seine Kaskoversicherung in Anspruch und begehrt er anschließend Ersatz sei- 2.5331 nes Rückstufungsschadens, so bemisst sich der Gegenstandswert nach der vollen Differenz zwischen den zu zahlenden Prämien und den Prämien, die bei schadensfreiem Verlauf des Versicherungsverhältnisses zu zahlen gewesen wären. § 9 ZPO ist unanwendbar. Sachschaden Für den Zuständigkeits- und den Gebührenstreitwert ist der volle verlangte Betrag maßgebend.

2.5332

Lange Zeit umstritten war die Berechnung des Erledigungswerts, wenn nach einem wirtschaftlichen 2.5333 Totalschaden auf Wiederbeschaffungsbasis abgerechnet wird. Strittig war insoweit, ob der Restwert des Unfallwracks beim Erledigungswert zuvor abzuziehen ist. Von der Instanzrechtsprechung wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass für die außergerichtliche Regulierung der volle Sachschaden maßgebend bleibe.1 Der Schaden bestehe in der Zerstörung des Fahrzeugs. Ein eventueller Restwerterlös führe nicht zu einer Reduzierung des Schadens, sondern zum teilweisen Ausgleich des Schadens. Hinzu komme, dass sich die anwaltliche Tätigkeit auch auf die Prüfung des Vorteilsausgleichs und die Abwicklung der Restwertverwertung erstrecke. Etwas anderes sollte nur gelten, wenn der Anwalt von vornherein einen um den Restwert reduzierten Auftrag erhalten hatte. Der BGH hat jedoch in seiner Entscheidung vom 18.7.20172 klargestellt, dass sich der Geschädigte den Restwert des Unfallwracks beim Erledigungswert anrechnen lassen muss, wenn er das Fahrzeug behält, da dessen Wert wirtschaftlich in seinem Vermögen verbleibt und sein Schaden folglich nur in der Differenz zum Wiederbeschaffungswert bestehe.

2.5334

In seiner weiteren Entscheidung vom 12.12.20173 hat der BGH die gleiche Berechnung auch für an- 2.5335 wendbar erklärt, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nicht in seinem Vermögen behält, sondern veräußert. Ist der Anwalt an der Veräußerung beteiligt, dann handele es sich insoweit um eine eigene selbstständige gebührenrechtliche Angelegenheit, die gesondert abzurechnen sei. Sie sei jedoch nicht Gegenstand der Schadensregulierung, so dass insoweit ebenfalls der Restwert abzuziehen sei. Ein Ersatz der durch die Veräußerung anfallenden gesonderten Anwaltskosten hat der BGH im konkreten Fall allerdings abgelehnt. Zwar handele es sich insoweit um eine adäquate Schadensfolge; es sei jedoch nicht notwendig, den Anwalt mit der Restwertverwertung zu beauftragen; dazu sei der Geschädigte grundsätzlich auch selbst ohne anwaltliche Hilfe in der Lage. In zwei weiteren Fällen hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, wie sich der Erledigungswert 2.5336 berechnet, wenn sich letztlich eine geringere Schadensersatzleistung ergibt als der Geschädigte (guten Glaubens) aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens verlangt hat. In beiden Fällen ging es darum, dass der Versicherer den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen konnte als die vom Sachverständigen ermittelten Kosten einer Marken-Fachwerkstatt. Der Geschädigte musste sich auf die geringeren Verrechnungssätze einer Vergleichswerkstatt einlassen, so dass sich letztlich eine geringere Schadensersatzforderung ergab. Der BGH hat in beiden Fäl1 LG Landshut, Urt. v. 18.7.2017 – 12 S 546/17, AGS 2017, 367 = NJW-Spezial 2017, 604; AG Ahlen, Urt. v. 7.5.2013 – 30 C 103/12, AGS 2104, 543; LG Freiburg, Beschl. v. 1.12.1970 – 7 S 128/70, AnwBl. 1971, 361; LG Koblenz, Beschl. v. 13.4.1982 – 6 S 415/81, zfs 1982, 205; Dötsch, zfs 2013, 490; Jungbauer, DAR 1007, 609. 2 BGH, Urt. v. 18.7.2017 – VI ZR 465/16, MDR 2017, 1240 = AGS 2017, 365 = ZfSch 2017, 646 = NJW 2017, 3588. 3 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – VI ZR 611/16, MDR 2018, 176 = AGS 2018, 40 = VersR 2018, 239.

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Restwert

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Verkehrsunfallschadenregulierung

len1 nur den letztlich gezahlten Betrag als Erledigungswert angesehen. Die Mehrkosten, die durch die Zuvielforderung entstanden seien, müsse der Geschädigte selbst tragen. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob den Mandanten ein Verschulden daran treffe, zunächst eine höhere Forderung geltend gemacht zu haben. Anders als beim sog. „Werkstattrisiko“ liege das Risiko einer fehlerhaften Begutachtung beim Geschädigten.

2.5337 Ebenso ist nach Auffassung des BGH2 zu entscheiden, wenn der Versicherer nachträglich ein höheres Restwertangebot unterbreitet als vom Sachverständigen in seinem Gutachten angegeben. Insoweit lehnt er die gegenteilige Auffassung des AG Frankfurt3 ab, wonach ein späteres höheres Restwertangebot des Versicherers hat keinen Einfluss auf den Erledigungswert mehr haben soll.

2.5338 Beispiel: Der Anwalt wird mit der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens auf Totalschadensbasis beauftragt. Er lässt ein Sachverständigengutachten einholen, wonach ein Totalschaden vorliegt (Zeitwert vor dem Unfall 8.000 t; Restwert 1.500 t). Der Gegenstandswert beläuft sich auf 6.500 t. Der Restwert ist in Abzug zu bringen.

2.5339 Unerheblich für die Berechnung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit und des Erledigungswertes ist eine eventuelle Haftungsbegrenzung, die der gegnerische Versicherer einwenden kann.4 So ist der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Geschädigten bei teilweiser Leistungsfreiheit des Versicherers und Ausübung des Verweisungsprivilegs nach Beauftragung des Rechtsanwalts nicht um den Betrag zu kürzen, in dessen Höhe der Versicherer leistungsfrei ist.5

2.5340 Beispiel: Der Anwalt wird mit der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens (Schaden 15.000 t) beauftragt. Der Mandant ist kaskoversichert. Der Versicherer erkennt die volle Haftung an, beruft sich aber wegen einer Obliegenheitsverletzung des Versicherten i.H.v. 50 % auf das Verweisungsprivileg nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG. Der Gegenstandswert und auch der Erledigungswert der Haftpflichtregulierung berechnen sich nach dem vollen Wert von 15.000 t.

2.5341 Wird der Anwalt von vornherein beauftragt, nur einen Teil des Schadens mit dem Kaskoversicherer zu regulieren, so vermindert sich der Gegenstandswert für die Schadensregulierung mit dem Haftpflichtversicherer um diesen Betrag. Die Abrechnung mit dem Kaskoversicherer ist eine eigene Angelegenheit und löst eigene Gebühren nach dem Wert der geltend gemachten Kaskoentschädigung aus.6

2.5342 Erhält der Anwalt dagegen zunächst einen umfassenden Auftrag, Schadensersatz vom Gegner zu verlangen und wird er erst später beauftragt, einen Teil des Schadens mit dem Kaskoversicherer zu regulieren, so vermindert sich der Gegenstandswert für die Schadensregulierung mit dem Haftpflicht-

1 BGH, Urt. v. 5.12.2017 – VI ZR 24/17, MDR 2018, 207 = NJW 2018, 935 = AGS 2018, 95; BGH, Urt. v. 9.1.2018 – VI ZR 82/17, MDR 2018, 430 = NJW 2018, 937 = AGS 2018, 152. 2 BGH, Urt. v. 19.4.2018 – IX ZR 187/17, MDR 2018, 932 = AGS 2018, 256 = NJW 2018, 2417. 3 AG Frankfurt, Urt. v. 12.1.2010 – 31 C 1906/09 – 74, AGS 2012, 91. 4 LG Frankenthal, Urt. v. 7.12.2012 – 4 O 326/12, AGS 2015, 16. 5 OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.4.2013 – 4 U 31/12, AGS 2013, 490 = NZV 2013, 598. 6 OLG Zweibrücken, Urt. v. 1.3.1968 – 1 U 4/68, AnwBl. 1968, 363; OLG Hamm, AnwBl. 1983, 141; LG Flensburg, Urt. v. 20.1.1986 – 4 O 303/85, JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt, Urt. v. 14.9.1966 – C 119/66, AnwBl. 1966, 405; AG Lippstadt, Urt. v. 30.11.1966 – C 443/66, AnwBl. 1967, 67; AG Erfurt, Urt. v. 14.10.1989 – 27 C 1070/98, zfs 1999, 31; a.A. AG Bad Homburg, Urt. v. 5.3.1987 – 3 C 1369/86, zfs 1987, 173; ausführlich N. Schneider, Haftpflicht- und Kaskoabrechnung – zwei verschiedene Angelegenheiten, AGS 2003, 292.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

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2. Teil

ZPO

versicherer nicht. Entscheidend bleibt der Auftragswert, der sich in der Regel dann um die Kosten der Kaskoregulierung erhöht (s. Rz. 2.5311).1 Sachverständigenkosten Sachverständigenkosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenkosten i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.2

2.5343

Schadensfreiheitsrabatt

2.5344

Siehe das Stichwort „Rückstufung“, Rz. 2.5331. Schmerzensgeldforderungen, bezifferte Wird ein beziffertes Schmerzensgeld gefordert, ist diese Forderung mit dem vollen Wert anzusetzen (§ 3 ZPO).

2.5345

Schmerzensgeldforderungen, unbezifferte Die Bewertung ist umstritten. Eine Ansicht setzt den Gegenstandswert auf den letztlich zuerkannten Betrag fest. Nach anderer Ansicht soll die vom Geschädigten geäußerte Betragsvorstellung maßgebend sein. Zutreffend dürfte es sein, darauf abzustellen, welcher Betrag ausgehend von der Sachdarstellung des Geschädigten angemessen wäre.3 Zweckmäßig ist es, bei Einreichung der Klage gem. § 61 GKG Angaben zur Wertvorstellung zu machen.

2.5346

Siehe dazu auch das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff.

2.5347

Schmerzensgeldrente

2.5348

Siehe das Stichwort „Rentenansprüche“, Rz. 2.5320. Standgeld Gezahlte Standgelder sind eigene Schadenspositionen und daher bei der Hauptforderung zu berücksichtigen. Das gilt auch, wenn das Standgeld noch nicht bezahlt ist, und insoweit Befreiung geltend gemacht wird (s. Rz. 2.5261).

2.5349

Transportkosten Transportkosten, also Abschleppkosten, Kosten der Rückverbringung vom Unfallort etc. sind Haupt- 2.5350 forderungen. Das Gleiche gilt auch für die Transportkosten des Verletzten oder seiner Angehörigen (also Kosten des Rettungshubschraubers, Krankenwagen, Taxi oder auch sonstige Rückverbringungskosten vom Unfallort). Umbaukosten Werden Umbaukosten (für Radio oder sonstiges Zubehör) geltend gemacht, handelt es sich nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG. Maßgebend ist der geforderte Betrag.

1 LG Arnsberg, Urt. v. 11.5.2016 – 3 S 117/15, AGS 2016, 290 = NZV 2016, 478 = NJW-RR 2016, 1504, das damit die gegenteilige Entscheidung der Vorinstanz (AG Meschede, Urt. v. 5.5.2015 – 6 C 403/14, NZV 2015, 510 = NJW-Spezial 2015, 427) abgeändert hat. 2 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852; OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484. 3 Siehe hierzu im Einzelnen bei dem Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rz. 2.4867 ff.

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2. Teil

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Verkehrsunfallschadenregulierung

ZPO

Umsatzsteuer

2.5352 Umsatzsteuer ist als Teil der Hauptforderung mitanzusetzen.1 Ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht und ob Umsatzsteuer nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB überhaupt zu ersetzen ist, ist unerheblich, wenn ein bezifferter Betrag geltend gemacht wird. Maßgebend ist der geforderte Betrag.

2.5353 Ebenso ist die isoliert eingeklagte Umsatzsteuer – etwa bei einem Streit über die Vorsteuerabzugsberechtigung – voll zu bewerten.

2.5354 Wird lediglich Feststellung verlangt, so ist zu differenzieren: – Wird vom Anspruchsteller seine Vorsteuerabzugsberechtigung eingestanden, dann sind nur die Nettowerte heranzuziehen, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags. – Ist der Anspruchsteller zum Vorsteuerabzug unstreitig nicht berechtigt, dann ist die Umsatzsteuer zu berücksichtigen. – Ist das Bestehen der Vorsteuerabzugsberechtigung strittig, dann dürfte es sachgerecht sein, diese mit der Hälfte zu berücksichtigen.

2.5355 Wird allerdings die Übernahme der Umsatzsteuer in den Feststellungsantrag mitaufgenommen, dann ist sie wiederum mitzuberücksichtigen, da es auf den Antrag ankommt. Verdienstausfall

2.5356 Verdienstausfall ist als Hauptforderung zu berücksichtigen. Wird wegen eines Dauerschadens Verdienstausfall geltend gemacht, gilt § 9 ZPO. Siehe hierzu das Stichwort „Rentenansprüche“, Rz. 2.5320 ff. Wertminderung

2.5357 Die Wertminderung ist Hauptforderung und damit in voller Höhe zu berücksichtigen. Zahlung an Kaskoversicherer

2.5358 Wird nach Regulierung mit dem Kaskoversicherer im Wege der Prozessstandschaft Zahlung an diesen verlangt,2 um den Vertrag rückwirkend wieder schadensfrei zu stellen und eine Rückstufung zu vermeiden, ist der volle Wert des Zahlungsanspruchs maßgebend. Zinsen

2.5359 Zinsen aus der Schadensersatzforderung bleiben bei der Bemessung des Zuständigkeitsstreitwerts außer Betracht (§ 4 ZPO), es sei denn, sie werden in einem isolierten Verfahren als Hauptforderung geltend gemacht. Zinsen aus erledigten Schadenspositionen sind dagegen immer Hauptforderung. Es gilt hier das Gleiche wie bei den Anwaltskosten s. Rz. 2.5293. Siehe auch das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307 ff.

2.5360 Beispiel: Vorgerichtlich werden 5.000 t Reparaturkosten und 1.000 t Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nach mehrfachen Mahnungen die Reparaturkosten, nicht jedoch die Nutzungsentschädigung. Daraufhin erhebt der Geschädigte Klage auf Zahlung der Nutzungsentschädigung sowie auf Zinsen aus den Reparaturkosten. Die Zinsen aus den Reparaturkosten sind Hauptforderung und damit zu berücksichtigen.

1 LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 157; OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1981 – 17 W 360/81, Rpfleger 1982, 158. 2 Zur Zulässigkeit s. LG Wuppertal, Urt. v. 9.3.2015 – 4 O 448/13, ZfSch 2015, 397.

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Verkehrswert

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2. Teil

2.5361

Für die Gerichts- und Anwaltsgebühren haben Zinsen als Nebenforderungen zwar einen Wert; er bleibt jedoch neben dem Wert der Hauptforderung außer Ansatz gem. § 43 Abs. 1 GKG. Zinsen aus erledigten Schadenspositionen sind dagegen Hauptforderung. Es gilt hier das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert (Rz. 2.5264).

2.5362

Außer Ansatz bleiben Zinsen auch dann, wenn sie als Kapitalbetrag geltend gemacht werden.

2.5363

Möglich ist hier jedoch bei der Anwaltsvergütung, dass einzelne Gebühren nur nach dem Wert der Zinsen berechnet werden. Siehe hierzu auch das Stichwort „Zinsen“, Rz. 2.6307.

2.5364

ZPO

Zu berücksichtigen sind Zinsen erst recht, wenn sie als selbständige Schadensposition geltend gemacht werden, etwa Zinsen für einen Unfall- oder Zwischenkredit oder Zinsen, die der Geschädigte wegen Zahlungsverzugs an die Reparaturwerkstatt oder den Mietwagenunternehmer zahlen musste.

Zulassungskosten

2.5365

Siehe das Stichwort „Ab- und Anmeldungskosten“, Rz. 2.5264.

Verkehrswert Literatur: Schulz, Verkehrswert bei Zwangsversteigerungen, Rpfleger 1987, 441.

A. Allgemeines Der Wert einer Sache ist bestimmend für den Zuständigkeitsstreitwert, wenn es um deren Besitz oder um das Eigentum geht, § 6 ZPO.1 Maßgebend für die Bemessung ist dann deren Verkehrswert.2

2.5366

Für den Gebührenstreitwert ist § 6 ZPO entsprechend anzuwenden, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Ob dies zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und damit zu einer Berücksichtigung des hinter dem Herausgabeverlangen stehenden Streits der Parteien zwingt, ist streitig. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Problem der Verkehrswertbestimmung, sondern um die Frage, ob das Klagebegehren mit dem (vollen) Ansatz des Verkehrswertes zutreffend bewertet wird. Daher wird insoweit auf die Stichwörter „Auflassung“, Rz. 2.293 ff., „Grundstück“, Rz. 2.1994 ff., „Herausgabe“, Rz. 2.2117 ff., und „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff. verwiesen.

2.5367

I. Begriffsbestimmung Der Verkehrswert bemisst sich nach dem Betrag, der sich erzielen ließe, wenn die Sache veräußert würde,3 nicht nach der subjektiven Einschätzung der Parteien.4

1 OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 2. 3 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, WM 1991, 1656 = NJW-RR 1991, 1210; LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97.

Schneider und Kurpat

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2. Teil

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Verkehrswert

ZPO

2.5369 Außer Ansatz bleibt demgegenüber der Wiederbeschaffungswert1 und erst recht ein etwaiger Liebhaberwert.2 Ebenso bleiben bei der Ermittlung des Verkehrswertes einer finanzierten Kaufsache deren Finanzierungskosten unberücksichtigt.3

II. Wertfestsetzung 2.5370 Der Verkehrswert ist nach § 3 ZPO zu schätzen,4 ggf. nach Besichtigung der Sache oder Einholung eines Sachverständigengutachtens. Maßgebend für die Bewertung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bzw. der Rechtsmittelschrift, § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG.5

2.5371 Wertangaben der Parteien sind für das Gericht nicht bindend, stellen aber ein wichtiges Indiz für die Wertbestimmung dar.6 Sie können berücksichtigt werden, selbst wenn sie nicht übereinstimmen. Im Einzelfall, insbesondere bei einer geringen Wertdifferenz und bei anderenfalls hohem Ermittlungsaufwand, kann es vertretbar sein, die unterschiedlichen Wertangaben der Parteien zu addieren und den Verkehrswert auf die Hälfte festzusetzen.7

2.5372 Haben die Parteien einen Kaufpreis vereinbart, wird dieser mangels abweichender Bewertungsumstände regelmäßig dem Verkehrswert der Kaufsache entsprechen.8 Das kann aber nur gelten, wenn zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages und der Klageeinreichung kein längerer Zeitraum liegt.9

B. Verkehrswert unbeweglicher Sachen I. Allgemeines 2.5373 Der Verkehrswert eines Grundstücks ist gleich dem Erlös, der im Verkaufsfalle erzielt würde. Der steuerliche Einheitswert eines Grundstücks ist für die Wertbestimmung ohne Bedeutung.10 Teilflächen sind nach dem Verhältnis ihrer Grundfläche zur Gesamtfläche des Objekts zu bewerten.11

2.5374 Bei einem bebauten Grundstück bemisst sich der Verkehrswert nach dem Mittelwert zwischen dem Gebäudewert und dem Boden- und Ertragswert. Bei der Schätzung dieses Erlöses ist der Ertragswert des Grundstücks als Rechnungsfaktor zu berücksichtigen; er ist aber regelmäßig nicht dem (höheren) Verkehrswert gleichzusetzen.12 Auch der Buchwert oder der Aufwand für die Bebauung des Grundstücks entsprechen nicht dem Verkehrswert, sondern stellen nur Anhaltspunkte für dessen Ermittlung dar.13 1 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 131 m. Anm. Schneider = WPM 1991, 1960 = NJW-RR 1991, 1210 = MDR 1992, 83. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 11; Stein/Jonas/Roth, § 6 ZPO Rz. 16. 3 OLG Köln, JurBüro 1971, 86. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156; OLG München, Beschl. v. 26.3.2018 – 32 W 412/18 – Leasingobjekt; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03; LAG Mainz, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06. 6 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210. 7 So etwa OLG Hamm, Beschl. v. 9.5.1984 – 6 WF 285/84, MDR 1984, 765. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; OLG Köln, MDR 2005, 299; OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599 – Auflassung; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118715, AGS 2016, 287 – Immobilie. 9 LAG Mainz, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06 – zur Wertentwicklung bei Personalcomputern. 10 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210. 11 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03. 12 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 303; OLG Frankfurt, Rpfleger 1969, 356. 13 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2003 – 6 W 240/99, JurBüro 2003, 475.

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2. Teil

Von kostenträchtigen Ermittlungen ist abzusehen, wenn auf ein für andere Gerichtsverfahren eingeholtes Wertgutachten zurückgegriffen werden kann.1 Auch ist eine Orientierung an dem der Festsetzung der Erbschaftssteuer dienenden Wertermittlung durch das Finanzamtes möglich.2 Der Verkehrswert bestimmt sich nicht ohne weiteres nach einem etwaig vereinbarten Kaufpreis, obschon dieser einen Anscheinsbeweis für die Höhe des Verkehrswerts begründet.3 Besteht der Kaufpreis in der Zahlung einer lebenslangen Rente und der Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts, so bemisst sich der Grundstückswert nach der statistischen Lebenserwartung des Verkäufers bei Vertragsschluss und nicht nach der tatsächlichen Lebensdauer.4 Ein etwaig vorhandenes Affektionsinteresse bleibt unberücksichtigt.5

2.5375

ZPO

Verkehrswert

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In der Rechtsprechung ist der Verkehrswert gewerblich genutzter Grundstücke im (groß)städtischen 2.5376 Bereich nach dem 4-fachen Einheitswert bzw. dem 10-fachen Jahresmietertrag,6 dem 15-fachen Jahresmietertrag7 und dem 17-fachen Jahresmietwert8 bestimmt worden. Bei einem unbebauten Grundstück, welches in einem Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewie- 2.5377 sen ist, kommt dem Umstand, dass eine spätere Bebauung gleichwohl noch in Betracht kommen kann – entgegen der Auffassung des OLG Nürnberg9 – nicht grundsätzlich eine werterhöhende Bedeutung zu. Wird Land als Grünfläche ausgewiesen, dann kann es auch nur als Grünfläche bewertet werden. Besteht hingegen eine reale Chance, dass die planungsmäßig vorgesehene Flächennutzung nicht endgültig ist, das Land also doch bebaut werden darf, kann dies den Verkehrswert erhöhen, weil solches Land gewissermaßen als „Bauerwartungsland“ betrachtet und gehandelt wird. Wertmindernde Umstände sind zu berücksichtigen, etwa wenn ein bebautes Grundstück teilweise mit Gebäuden versehen ist, die ohne Baugenehmigung errichtet worden sind.10 Rechtsbeschränkungen, die am Objekt haften und seinen wirtschaftlichen Wert mindern, müssen bei der Streitwertfestsetzung ermäßigend beachtet werden.11

2.5378

II. Belastungen Die auf dem Grundstück ruhenden Lasten (Hypotheken, Grundschulden) sind bei der Streitwertfestsetzung nicht wertmindernd zu berücksichtigen, da das Grundstück entweder lastenfrei oder unter Anrechnung fortbestehender Belastungen auf den Kaufpreis übertragen werde.12

2.5379

Dagegen sind Belastungen, mit denen eine nachhaltige Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks verbunden ist, wertmindernd in Ansatz zu bringen. Hierzu zählen beispiels-

2.5380

1 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. 2 BGH, Beschl. v. 1.10.2020 – IV ZR 75/20, JurBüro 2021, 146. 3 BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – IX ZR 208/18; BGH, Beschl. v. 25.8.2016 – V ZR 9/16, Grundeigentum 2016, 1207; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2015 – 12 W 118715, AGS 2016, 287. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.5.1999 – 5 W 318/99, NJW-RR 2000, 163. 5 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 11; Stein/Jonas/Roth, § 6 Rz. 16. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 163. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03. 8 LG München I, Beschl. v. 7.2.1995 – 29 O 12882/93, WuM 1995, 197 = JurBüro 1995, 482; bestätigt von OLG München, Beschl. v. 24.3.1995 – 21 W 1088/95, ZAP EN-Nr. 356/95. 9 OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.4.1969 – 4 W 30/68. 10 OLG Bamberg, Beschl. v. 2.2.1983 – 1 W 124/82, JurBüro 1983, 918. 11 Vgl. auch OLG Neustadt, JR 1958, 384 – Preisstopp. 12 BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – IX ZR 208/18; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; BGH, JurBüro 1982, 697; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 399/92, JurBüro 1992, 629; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; KG, MDR 2001, 56; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 26.

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ZPO

2. Teil

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Verkehrswert

weise Erbbaurechte,1 Baubeschränkungen,2 Wegerechte3 und Grunddienstbarkeiten. Über eine streitwertmindernde Berücksichtigung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten, wie dem Nießbrauch oder dem Wohnrecht, besteht Uneinigkeit.4

C. Verkehrswert beweglicher Sachen I. Allgemeines 2.5381 Auch hier bestimmt sich der Verkehrswert nach dem auf dem freien Markt zu erzielenden Verkaufserlös. Dieser ist – beispielsweise bei gebrauchten Kraftfahrzeugen – nicht identisch mit dem Händlereinkaufspreis oder dem Betrag, zu dem die Sache in Zahlung genommen wird, sondern liegt regelmäßig darüber.5

2.5382 Bei fabrikneuen Gegenständen kann für die Bemessung der Listenpreis (U.V.P.) des Herstellers herangezogen werden.6 Bei gebrauchten Sachen ist der Wert ggf. anhand von Zeitwertlisten zu ermitteln.7 Bei Kraftfahrzeugen in beiden Fällen sind neben Typ, Baujahr und Laufleistung auch die Anzahl der Vorbesitzer, Nutzungsart, Allgemeinzustand, Umfang und Qualität zurückliegender (unfallbedingter) Reparaturmaßnahmen und Schäden zu berücksichtigen.8

II. Sonderfälle 2.5383 Wird auf Herausgabe oder Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen geklagt, ist der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert zu berechnen, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos. Wertbestimmend ist in beiden Fällen der regelmäßig verminderte Wert dieser Sachen, den sie nach der Trennung haben werden.

2.5384 Die Kosten für den Ausbau bleiben bei der Wertfestsetzung ebenso unberücksichtigt, wie die Kosten der Wiederherstellung des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.9 Auch die Mittel, die der Beklagte für eine zwischenzeitlich erfolgte Montage der herauszugebenden Gegenstände aufgewandt hat, bleiben für den Streitwert und die Beschwer (des Herausgabeschuldners) außer Ansatz.10 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10

OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629. MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 6 ZPO Rz. 12. BGH, JurBüro 1958, 387; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 2. Bejahend: OLG Karlsruhe, JurBüro 1955, 446 – Wohnrecht; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.3.1997 – 7 W 1/97, OLGR 1997, 324 – Nießbrauch; verneinend: BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJWRR 2001, 518 – Nießbrauch und Wohnrecht; BGH, Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, JurBüro 1982, 697 = ZIP 1982, 221; BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, NJW 1958, 1397 – Nießbrauch; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 6 ZPO Rz. 12; Stein/Jonas/Roth, § 6 ZPO Rz. 17. KG, Rpfleger 1962, 155 – Pkw; LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06: Laptop; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 14 m.w.N. OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168 = JMBl.NW 1962, 168 – Neufahrzeug. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661 – Bewertung von Gebrauchtfahrzeugen anhand der sog. Schwacke-Liste. OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, JurBüro 2009, 429 = AGS 2009, 402; LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls.). BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, JurBüro 1991, 460 – Beschwer; KG, Rpfleger 1971, 227; LAG Kiel, Beschl. v. 26.9.2008 – 6 Sa 267/08; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 5. LAG Kiel, Beschl. v. 26.9.2008 – 6 Sa 267/08.

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Verkehrswert

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2. Teil

2.5385

Bei der Klage auf Herausgabe von Schlüsseln ist danach zu unterscheiden, ob die Klage auf die Verschaffung des Besitzes an der verschließbaren Sache oder nur an einem (weiteren) Schlüssel zielt. Dies wird regelmäßig davon abhängen, ob sich die Sache bereits im Besitz des Klägers befindet.

2.5386

ZPO

Ohne Bedeutung ist der Wert einer Sache, wenn mit der Duldung der Wegnahme die Duldung einer über den Besitzverlust hinausgehenden Beeinträchtigung angestrebt wird, beispielsweise die Wegnahme einer Messvorrichtung, die der Einstellung der Energieversorgung dient. Hier bestimmt sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der Versorgungseinstellung und nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Messeinrichtung (s. ausführlich unter dem Stichwort „Energieund Wasserversorgung“, Rz. 2.1238 ff.).

Wird nur die Herausgabe eines Not- oder Zweitschlüssels verlangt, ist deren Wert maßgeblich, wobei 2.5387 für die Wertermittlung auf die fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage abgestellt werden kann.1 Zielt die Herausgabe der Schlüssel demgegenüber auf die Einräumung des Besitzes – beispielsweise – an Räumlichkeiten, ist gem. § 6 ZPO deren Verkehrswert wertbestimmend. Bewertungsrechtliche Sondervorschriften, wie etwa für die Einräumung des Besitzes an einer Miet- oder Pachtsache (§ 8 ZPO, § 41 GKG) sind zu beachten.2 Der Verkehrswert herauszugebender Edelmetalle richtet sich nach dem zurzeit der Klageeinreichung geltenden Börsen-Ankaufswert.3

2.5388

Bei einer Klage auf Herausgabe von Urkunden bestimmt sich der Wert in keinem Fall nach dem blo- 2.5389 ßen Papierwert. Vielmehr ist nach der Art der Urkunde zu unterscheiden: Wird auf Herausgabe von echten Wertpapieren (Inhaber- und Orderpapiere) geklagt, richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert des darin verbrieften Rechts. Denn hier folgt das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier.4 Bei allen sonstigen Urkunden, insbesondere den qualifizierten Legitimationspapieren und den blo- 2.5390 ßen Beweisurkunden, ist nicht der Wert des von ihnen erfassten Rechts für die Bewertung in Ansatz zu bringen, sondern gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument.5 Hierbei kann die Bewertung im Einzelfall, etwa wenn das verbriefte Recht bei anderweitigem Besitz gefährdet oder dauerhaft nicht durchsetzbar ist, dem Wert des verbrieften Rechts entsprechen.6 Geht es um die Herausgabe von Geschäftspapieren, ist das wirtschaftliche Interesse an deren Verfügungsgewalt für die Geltendmachung oder Abwehr von geldwerten Ansprüchen7 oder deren Bedeutung für die Fortführung des Unternehmens und Verpflichtung zur Abgabe steuerlicher Erklärungen zu berücksichtigen.8 Auch die Bewertung einer Klage auf Herausgabe einer widerrufenen Vollmachtsurkunde richtet sich nach § 3 ZPO. Maßgebend sind insbesondere der Umfang der Vollmacht und der Wert des Vermögens, über das zu verfügen die Vollmacht ermöglicht.9 1 BGH MDR 2018, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79. 2 Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 5; LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1994, 208. 3 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, NJW-RR 1991, 1210 – Goldbarren; OLG Rostock, Urt. v. 16.7.2008 – 1 U 48/08, MDR 2009, 133; OLG Düsseldorf, JurBüro 1969, 175; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 18. 4 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, NJW 1989, 2755; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rz. 19; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 7. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661 – keine Möglichkeit der Fahrzeugveräußerung bei fehlendem Besitz des Kfz-Briefes. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.11.2019 – 4 U 123/19, NJW-RR 2020, 54 betr. Kanzleiauflösung. 8 LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls.). 9 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2019 – 12 W 192/19, JurBüro 2019, 540; OLG Frankfurt, JurBüro 2019, 367.

Kurpat

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2.5391

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2. Teil

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Verlagsrecht

ZPO

2.5392 Der Streitwert einer Klage des Bürgen auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde bestimmt sich nach dem klägerischen Interesse eine Inanspruchnahme als Bürge zu verhindern.1 Ist die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Bürgschaft äußerst gering, kann eine Wertfestsetzung von wenigen Prozent der Bürgschaftsforderung angemessen sein.2

2.5393 Steht die Herausgabe von Behandlungs- oder Patientenunterlagen im Streit, dann bestimmt sich der Wert nach dem Informations- und Beweisinteresse des Klägers. Maßgeblich ist, inwieweit die Durchsetzbarkeit seines (anderweitigen) Anspruchs von der Vorlage der Unterlagen abhängt. In der Regel wird eine Bruchteilsbewertung zwischen 1/4 und 1/10 des Hauptsachewertes angemessen sein.3

2.5394 Siehe im Einzelnen bei einschlägigen Stichwörtern, beispielsweise „Wertpapiere“, Rz. 2.5894 ff., „Kraftfahrzeugbrief“, Rz. 2.2727 ff. und „Sparkassenbuch“, Rz. 2.4544 ff.

2.5395 Bei einem Streit um die Herausgabe eines gerichtlichen Titels bestimmt sich der Wert nach dem Besitzinteresse. Dieses besteht bei dem Titelschuldner nicht darin, den Vollstreckungstitel für eigene Zwecke zu nutzen, sondern einen Missbrauch des Titels zu verhindern. Liegt bereits eine die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende Entscheidung vor, ist eine geringe Bruchteilsbewertung geboten. Will der Titelschuldner dagegen allein mit dem Herausgabeantrag die Vollstreckbarkeit beseitigen, dann entspricht der Wert dem eines Vollstreckungsabwehrantrages (§ 767 ZPO). Dieser wiederum bemisst sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung, mithin dem Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit.4

Verlagsrecht 2.5396 Siehe das Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“, Rz. 2.4908 ff.

Verlustigerklärung Literatur: Enders, JurBüro 2003, 562.

2.5397 Der Beschluss über die Verlustigerklärung ergeht nach Rücknahme des Rechtsmittels von Amts wegen. Ebenfalls enthalten ist in diesem Beschluss die Entscheidung, dass der Rechtsmittelführer die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat (§ 516 Abs. 3, § 565 ZPO). Gerichtsgebühren fallen für diesen Beschluss nicht an, so dass es insoweit einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf. Hinsichtlich der – für die Praxis selten relevanten – Bestimmung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren, kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Berufungsrücknahme“ verwiesen werden. 1 OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.2014 – 1 W 21/14 – mit ausf. Darstellung des Meinungsstandes. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. 9.12.2013 – 23 W 57/13: 5 %; OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.1993 – 2 W 161/93; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.2013 – 19 W 6/13: 5 %; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, NJWRR 1997, 381: 20–30 %. 3 OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2009 – 5 W 32/09, VersR 2010, 693; OLG München, Beschl. v. 2.3.2012 – 1 W 357/12: ca. 1/4; OLG München, Beschl. v. 13.4.2007 – 1 W 1328/07; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2010 – 5 W 620/10, VersR 2011, 818; differenzierend KG, Beschl. v. 1.12.2016 – 20 W 67/16 – wobei übersehen wird, dass der Wert eines Klageantrages nicht davon abhängt, ob daneben weitere geltend gemacht werden. Vielmehr scheidet in diesem Fall eine Addition der Einzelwerte aus, wenn es sich um wirtschaftlich identische Anträge handelt; s. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche“, Rz. 2.2921 ff. 4 BGH, Beschl. v. 17.9.2014 – XII ZB 284/13, AGS 2014, 565.

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Vermächtnisansprüche

S. 1067 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Der Streitwert einer Klage auf Vermächtniserfüllung bestimmt sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an der Anspruchserfüllung.

2.5398

Der Wert bestimmt sich bei einem Geldvermächtnis gem. § 3 ZPO nach dem Wert der Forderung.

2.5399

Sind bestimmte Sachen vermacht, gilt gem. § 6 ZPO der Wert des dem Vermächtnis zugrunde liegenden Gegenstandes. Das gilt auch für ein sog. Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB).

2.5400

Ist ein Grundstück vermacht und richtet sich der Anspruch auf die Zustimmung zur Auflassung, ist 2.5401 der volle Verkehrswert gem. § 6 ZPO maßgeblich.1 Gleiches gilt bei einer Klage gegen einen oder mehrere Miterben auf Übereignung des durch Vermächtnis zugewandten Grundstücks (Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Grundbucheintragung); hier richtet sich der Streitwert nach dem vollen Verkehrswert des Grundstücks und nicht lediglich nach dem Bruchteil des Wertes, der sich durch den Erbteil der verklagten Miterben ergibt.2 Abzustellen ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3, 6 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers, also das Interesse, Grundstückseigentümer zu werden. Ohne Einfluss auf den Streitwert ist dagegen das Vorbringen des Gegners und sein Interesse an einer Abweisung. Werden mehrere Beklagte auf Zustimmung zu einer begehrten Auflassung verklagt, so hat der Anspruch gegen jeden der Beklagten den vollen Streitwert. Diese Werte der einzelnen Ansprüche sind allerdings wegen wirtschaftlicher Identität nicht zusammenzurechnen. Maßgebend ist insgesamt nur einmal der Verkehrswert des Grundstücks, da der Kläger mit seinem Begehren nicht mehr als einmal das Eigentum am Grundstück erlangen kann. (vgl. Rz. 2.293 ff. m.w.N.). Soweit dies für die Erbauseinandersetzungsklage zwischen Miterben angezweifelt wird,3 beruht das auf dem – im Streitfall nicht einschlägigen – Umstand, dass der Erbteil des klagenden Miterben außer Betracht bleiben soll.4

2.5402

Sind dem Vermächtnisnehmer wiederkehrende Leistungen zugedacht worden, sind diese gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag anzusetzen, sofern der Bezugszeitraum nicht geringer ist. Es handelt sich nicht um die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche i.S.d. § 42 Abs. 1 GKG.5

2.5403

Der Streitwert bei einem Streit über ein durch Testament vermächntnisweise eingeräumtes Wohn- 2.5404 recht richtet sich nach § 9 ZPO und ist nach dem 3,5-fachen Wert des einjährigen Wertes des Wohnrechts – der zu schätzen ist – zu bestimmen.6 Wird die Herausgabe beweglicher Sachen aufgrund eines Vorausvermächtnisses begehrt, ist für die Bemessung des Streitwerts der volle Wert der Sachen maßgeblich.

2.5405

Wird zunächst nur Auskunft verlangt, ist ein Bruchteil anzusetzen. Siehe hierzu das Stichwort „Auskunftsanspruch“, Rz. 2.481 ff.

2.5406

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 15.10.1987 – 3 W 110/87, JurBüro 1988, 517. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12, MDR 2012, 978 = AGS 2012, 307. 3 BGH, Urt. v. 20.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415; OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 2001, 284. 4 Zutreffend OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12, MDR 2012, 978 = AGS 2012, 307. 5 LG Oldenburg, Beschl. v. 21.11.1950 – T 646/50, JurBüro 1951, 269 zu § 9 ZPO a.F.: 12,5-facher Jahresbetrag. 6 LG Deggendorf, Urt. v. 22.1.2002 – 1 O 438/01, ZEV 2003, 247.

Monschau

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ZPO

Vermächtnisansprüche

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2. Teil

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Vermehrte Bedürfnisse

2.5407 Für einen gemeinsamen Vergleich über den Auskunfts- und den Pflichtteilsanspruch gilt gem. § 5

ZPO

ZPO nur der höhere Wert des Pflichtteilsanspruchs.1

Vermehrte Bedürfnisse 2.5408 Soweit aufgrund eines Schadensfalls vermehrte Bedürfnisse geltend gemacht werden, ist bei bezifferten einmaligen Forderungen deren Wert maßgebend. Werden wiederkehrende Leistungen in Form einer Rente geltend gemacht, gilt gem. § 9 ZPO für die zukünftigen Forderungen der dreieinhalbfache Jahresbetrag; bei Klageeinreichung fällige Beträge sind hinzuzurechnen (s. das Stichwort „Rente“, Rz. 2.4333 ff.). Bei einem Feststellungsantrag sind die anfallenden vermehrten Bedürfnisse zu schätzen (und ggf. nach § 9 ZPO zu begrenzen); davon ist dann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Feststellungsabschlag vorzunehmen (s. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481 ff.).

Vermögensauskunft A. Zuständigkeit 2.5409 Die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO (früher: Eidesstattliche Versicherung, davor: Offenbarungseid) nimmt gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 802e Abs. 1 ZPO stets der Gerichtsvollzieher ab. Man braucht daher keinen Zuständigkeitsstreitwert zu berechnen.

B. Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren 2.5410 Es ist kein Streitwert festzusetzen, weil für die Abnahme der Vermögensauskunft keine Gerichtsgebühren erhoben werden. Der Gerichtsvollzieher erhält für die Abnahme der Vermögensauskunft eine Festgebühr nach Nr. 260 KV GvKostG.

2.5411 Gemäß § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO braucht der Schuldner nur alle zwei Jahre eine Vermögensauskunft zu erteilen. Beantragt ein Gläubiger vor Ablauf dieser Frist die Abnahme einer Vermögensauskunft, erhält er vom Gerichtsvollzieher gemäß § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Abschrift des bereits errichteten Vermögensverzeichnisses. Wegen Nr. 604 KV GvKostG erhält der Gerichtvollzieher dafür keine Gebühr nach Nr. 260 KV GvKostG. Er erhält aber eine Gebühr nach Nr. 261 KV GvKostG.

C. Anwaltsgebühren I. Gegenstandswert 2.5412 Der Gegenstandswert für die 0,3fache Anwaltsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG bestimmt sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG nach dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird. Der Wert ist auf höchstens 2.000 v begrenzt.

2.5413 Wenn der titulierte Forderungsbetrag durch Zahlung vermindert worden ist, bestimmt nur der verminderte Betrag den Gegenstandswert, da es nicht auf die Titulierung, sondern darauf ankommt, wie hoch die titulierte Schuld noch ist.

1 AG Ludwigslust, Beschl. v. 27.2.2002 – 2 C 809/99.

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Veröffentlichungsbefugnis

S. 1069 von 1232 Druckdaten

2. Teil

2.5414

Nur wenn der tatsächlich (noch) geschuldete Betrag inklusive Nebenforderungen 2.000 t übersteigt, begrenzt § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG den Gegenstandswert auf 2.000 t.

2.5415

Beispiel: Eine Forderung von 5.500 t nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 250 t wurde tituliert. Der Schuldner zahlt 1.000 t, die zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet werden. Es verbleibt somit eine Restschuld von 4.750 t. Dennoch beträgt der Gegenstandswert für das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft wegen der Wertgrenze nur 2.000 t.

2.5416

ZPO

Beispiel: Eine Forderung von 2.000 t nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 250 t wurde tituliert. Der Schuldner zahlt 1.000 t, die zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet werden. Das folgende Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft hat einen Gegenstandswert von 1.250 t.

II. Mehrere Vollstreckungshandlungen Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft ist eine besondere Angelegenheit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG. Sie ist mit deren Abgabe abgeschlossen.1 Eine Vollstreckung in das Schuldnervermögen nach Abgabe der Auskunft ist daher eine neue Angelegenheit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG.2 Ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO sind zwei Angelegenheiten, die jeweils eine Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG auslösen. Das gilt auch dann, wenn die Anträge gleichzeitig gestellt werden.3

2.5417

Vermögensrechtlicher Anspruch 2.5418

Siehe das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“, Rz. 2.3703 ff.

Vermögensverzeichnis, Errichtung 2.5419

Siehe das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4598 ff.

Veröffentlichungsbefugnis Der Anspruch des Klägers, das erstrittene Urteil öffentlich bekannt zu machen, ergibt sich zumeist als Folgeanspruch aus Wettbewerbsverletzungen (vgl. § 7 UKlaG, § 12 Abs. 2 UWG, § 103 UrhG) bzw. aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Ehrverletzungen.

2.5420

Der Wert der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils in mehreren Zeitungen beschränkt sich nicht auf die Druckkosten,4 sondern ist nach dem Interesse des die Veröffentlichung Beanspruchenden zu schätzen. Dabei ist grundsätzlich 1/10 des Werts des Unterlassungsanspruchs angemessen.5 Er hat

2.5421

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17, MDR 2019, 189. Vgl. Volpert, AGS 2019, 2, 4, a.A. Enders, JurBüro 2015, 617, 619. BGH, Beschl. v. 28.3.2019 – I ZB 81/18. OLG Hamm, JMBl.NW 1954, 177. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, MDR 2013, 117; OLG Köln, Urt. v. 14.4.2000 – 6 U 135/99, ZIP 2000, 2017; OLG Celle, Urt. v. 2.3.2000 – 13 U 280/98, GRUR-RR 2001, 125; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.7.1999 – 3 U 1559/99, JurBüro 2000, 275.

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2. Teil

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Versicherungsschutz

ZPO

auch dann einen eigenen Streitwert, wenn er mit einer Unterlassungs- oder Schadensfeststellungsklage verbunden ist.1

Versicherungsschutz A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5422

D. Feststellungsklagen

B. Leistungsklagen

I. 1. 2. 3.

I. 1. 2. 3.

Zahlungsklagen Versicherungsprämien . . . . . . . . . . . . . 2.5424 Versicherungsleistungen . . . . . . . . . . . 2.5425 Rückabwicklung nach Widerspruch (§ 5a VVG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5427

II. Sonstige Leistungsklagen 1. Abschluss eines Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5428 2. Erteilung einer Ermächtigung zur Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5429 3. Herausgabe des Versicherungsscheins . 2.5430 C. Klagen auf Freistellung/Deckungsschutz

4. 5. 6. 7. 8. 9.

Bestand des Vertrages . . . . . . . . . . . . . Berufsunfähigkeitsversicherung . . . . . . Gebäudeversicherung . . . . . . . . . . . . . Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankenhaustagegeldversicherung . . . . Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . .

2.5447 2.5450 2.5451 2.5452 2.5453 2.5455 2.5456 2.5457 2.5459 2.5460

II. Unwirksamkeit einer Vertragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5462 III. Leistungspflicht des Versicherers . . . . . 2.5465

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5433 II. Haftpflichtversicherung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5435 2. Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . 2.5438

E. Klagehäufung I. Objektive Klagehäufung . . . . . . . . . . . 2.5466 II. Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . 2.5471

III. Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . 2.5442

A. Allgemeines 2.5422 Für Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen begründet § 215 VVG einen besonderen Gerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers. Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 23, 71 GVG. Zu beachten ist, dass bei Streitigkeiten aus privaten Pflegeversicherungsverträgen statt des ordentlichen teilweise nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Fall 3, Abs. 2 Satz 2 SGG der Sozialrechtsweg eröffnet ist.

2.5423 Es gibt keine Sondervorschriften für den Zuständigkeits- oder Gebührenstreitwert. Seine Bemessung hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der gem. § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG auch Gegenstandswert der gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

B. Leistungsklagen I. Zahlungsklagen 1. Versicherungsprämien

2.5424 Versicherungsbeiträge sind wiederkehrende Leistungen. Daher ist der geforderte Betrag maßgebend, gem. § 9 ZPO höchstens der Betrag der nächsten 3 1/2 Jahre, dem gem. § 42 Abs. 3 GKG bereits fällige 1 BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11; BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 17/16.

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Versicherungsschutz

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2. Teil

ZPO

Beträge hinzuzurechnen sind. Verzugszinsen sind nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen. Säumniszuschläge nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG sind dagegen keine Nebenforderungen gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, weil sie keine Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten sind.1 2. Versicherungsleistungen Wird die Zahlung einer fälligen bezifferten Versicherungsleistung begehrt, entspricht der Streitwert gem. § 6 Satz 1 ZPO dem Nennwert der Forderung. Werden laufende Leistungen verlangt, gelten die §§ 3, 9 ZPO. Dabei ist zu beachten, dass § 9 ZPO nur für Rechte gilt, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von dreieinhalb Jahren haben oder haben können.2 Da die regelmäßige Bezugsdauer von Krankenhaustagegeld deutlich unter dreieinhalb Jahren liegt, auch wenn ein solcher Zeitraum in Einzelfällen nicht ausgeschlossen sein mag, ist nicht auf § 9 ZPO, sondern nur auf einen Zeitraum von 6 Monaten abzustellen.3 Werden gleichzeitig laufende Leistungen und bereits fällige Beträge eingeklagt, sind die Rückstände nach § 42 Abs. 3 GKG dem Streitwert hinzuzurechnen.4

2.5425

Bei der Festsetzung des Streitwertes eines Anspruchs auf zukünftige Leistung der Versicherungssum- 2.5426 me ist von dieser ein gewisser, nicht sehr bedeutender Abzug vorzunehmen (§ 3 ZPO). Er rechtfertigt sich durch die fehlende Fälligkeit und die Notwendigkeit, bis zum Fälligkeitsjahr die Prämien weiterzuzahlen.5 3. Rückabwicklung nach Widerspruch (§ 5a VVG a.F.) Ist ein Lebensversicherungsvertrag nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. rückabzuwickeln, sind die im Bereicherungsanspruch nach §§ 812, 818 BGB enthaltenen Nutzungsersatzansprüche streitwerterhöhende Teile der Hauptforderung.6 Weitere Einzelheiten sind beim Stichwort „Lebensversicherung“ unter Rz. 2.2795 nachzulesen.

2.5427

II. Sonstige Leistungsklagen 1. Abschluss eines Versicherungsvertrages Das Interesse des Klägers, einen Versicherungsvertrag zu schließen, ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Das gilt auch bei einer Klage auf Abschluss einer Risikolebensversicherung.7 Bei der Bemessung des Interesses, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, kann zu berücksichtigen sein, ob es sich um eine Pflichtversicherung handelt und welche Konsequenzen deren Nichtabschluss über die fehlende Risikoabsicherung hinaus hat. So kann bei einer Klage auf Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für Freiberufler zu berücksichtigen sein, dass sie ohne jene ihre Berufsausübungsbefugnis verlieren (wie z.B. Rechtsanwälte nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Bei Haftpflichtversicherungen für gefährliche Sachen kann beachtlich sein, ob ihr Nichtabschluss strafbar (wie z.B. bei der Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 6 PflVG) oder bußgeldbewährt ist (wie z.B. bei der Hundehalterhaftpflichtversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 LHundG NRW).

1 BSG, Beschl. v. 10.6.2010 – B 2 U 4/10 B; a.A. AG Kleve, Urt. v. 5.6.2020 – 36 C 11/20; wohl auch OLG Hamm, Urt. v. 25.4.2012 – 20 U 174/11, VersR 2013, 345, weil zwischen Säumniszuschlag und Verzugszins „kein substantieller Unterschied“ bestehe. 2 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293; BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, 144. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 4 OLG Rostock, Beschl. v. 8.11.2018 – 4 W 27/18. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.10.2000 – 7 U 20/00, VersR 2002, 913. 6 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18, VersR 2019, 251. 7 OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.1975 – 1 U 71/74, JurBüro 1975, 1099.

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2. Erteilung einer Ermächtigung zur Prozessstandschaft

2.5429 Begehrt ein Versicherungsnehmer von seinem Kfz-Kaskoversicherer die Zustimmung, die nach § 86 Abs. 1 VVG auf den Versicherer übergegangenen Ansprüche gegen den Schädiger in Prozessstandschaft selbst einklagen zu können, um dadurch höhere Prämien durch die Rückstufung beim Schadensfreiheitsrabatt zu vermeiden, ist nach §§ 3, 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahresbetrag der Prämiendifferenz anzusetzen und davon ein Abschlag vorzunehmen, weil die Verwirklichung der Ansprüche gegen den Dritten ungewiss ist.1 3. Herausgabe des Versicherungsscheins

2.5430 Wird die Herausgabe oder Neuausstellung einer Versicherungspolice verlangt, ist auf den Zweck der Klage abzustellen. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu bestimmen, und zwar nach dem Interesse der Klägerin an der Innehabung der Legitimations- und Beweismöglichkeit, die das Papier gibt. § 6 ZPO gilt nicht, weil Versicherungspolicen keine Inhaberpapiere sind, sondern nur qualifizierte Legitimationspapiere.2

2.5431 Bei einer Lebensversicherungspolice entspricht das Interesse nur dann dem vollen Rückkaufswert, wenn die materielle Berechtigung des Klägers nicht im Streit steht und daher ohne weiteres davon auszugehen ist, dass er die Versicherungssumme nach Vorlage des Versicherungsscheins ausbezahlt erhält.3 Ansonsten kann man es mit 1/3 der Versicherungssumme bemessen.4

2.5432 Bei Hausratversicherungen orientiert sich die Bewertung des Interesses an der Prämie und nicht an der Versicherungssumme. Ergibt sich der aktuelle Versicherungsschutz des Klägers bereits aus einem ihm vorliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein, ist sein Interesse an der Neuausstellung der Police mit dem Mindeststreitwert von bis 500 t zu bemessen.5

C. Klagen auf Freistellung/Deckungsschutz I. Allgemeines 2.5433 Maßgebend ist, wofür Deckungsschutz verlangt wird. Geht es um die Erstattung oder die Befreiung von bereits bezifferten Leistungen, so ist deren Höhe gleich dem Streitwert (s. das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.). Kann die Summe noch nicht beziffert werden, von der freigestellt werden soll, ist eine Feststellungsklage geboten. Eine unbezifferte Freistellungsforderung ist nicht vollstreckbar.6 Geht es um noch unbezifferte Leistungen, ist daher deren nach § 3 ZPO zu schätzende Höhe maßgebend, begrenzt durch die Deckungshöchstsumme und gekürzt um den üblichen Feststellungsabschlag.7

2.5434 Die vertragliche Höchsthaftungssumme (Freistellung „bis zur Höhe von … Euro“) ist für den Streitwert belanglos, solange der Betrag nicht darüber liegt, von dem freizustellen ist, auch wenn die Höchsthaftungssumme im Klageantrag angegeben wird.8

1 BGH, Beschl. v. 11.9.2019 – IV ZB 13/19. 2 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.1.2005 – 4 UR 85/05, OLG Hamburg, Beschl. v. 24.10.1903 – 3. Zs., OLGE 9, 50. 4 LAG Stuttgart, Beschl. v. 18.10.2001 – 3 Ta 103/01, VersR 2002, 913. 5 OLG Köln, Beschl. v. 23.3.2010 – 9 W 95/09, VersR 2010, 1243. 6 BGH, Urt. v. 25.2.2010 – VII ZR 187/08, MDR 2010, 647. 7 BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912; BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, NJW-RR 2006, 791; OLG Hamm, Beschl. v. 14.12.1983 – 20 W 47/83, VersR 1984, 257. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.12.1980 – 6 W 49/80, JurBüro 1981, 433 m. Anm. Mümmler.

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2. Teil

1. Allgemeines In Haftpflichtsachen ist grundsätzlich der Betrag anzusetzen, der gegen den Versicherungsnehmer aus einem Haftpflichtfall gefordert wird,1 ohne dass die Berechtigung der vom Geschädigten geltend gemachten Ansprüche bei der Wertfestsetzung zu prüfen wäre,2 von krassen Ausnahmefällen abgesehen.3

2.5435

Bei Leistungen, die vom Versicherten an den Verletzten zu erbringen sind und für die der Versicherer einstehen soll, ist grundsätzlich die Summe dieser Leistungen zzgl. der Kosten einer Verteidigung gegenüber den Ansprüchen des Verletzten als Streitwert des Deckungsprozesses anzusetzen.4 Diese Kosten bleiben nur dann streitwertmäßig unberücksichtigt, wenn der Versicherungsnehmer sie nicht zum Streitgegenstand des Deckungsprozesses gemacht hat.5 Zinsansprüche bleiben als Nebenforderung stets außer Ansatz.6

2.5436

Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Deckungsschutz aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Versicherer einklagt.7 Sind die Ansprüche des Geschädigten bereits durch Gerichtsurteil tituliert, steht damit der Streitwert fest: Verurteilungssumme nebst Zinsen und Kosten.

2.5437

2. Kfz-Haftpflichtversicherung Grundsätzlich ist auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Feststellungsklage auf Deckungsschutz mit 80 % einer entsprechenden Leistungsklage zu bewerten.8

2.5438

Wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer den Direktanspruch des geschädigten Dritten aus § 115 Abs. 1 2.5439 Satz 1 Nr. 1 VVG erfüllt hat, ist der Streitwert einer Feststellungsklage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer, es bestehe Deckungsschutz, allerdings auf 10.000 t begrenzt.9 Letztlich ist dieses Deckungsschutzbegehren auf die negative Feststellung gerichtet, nicht vom Versicherer in Regress genommen werden zu können. Der Versicherer ist dem Dritten gegenüber wegen § 117 Abs. 1 VVG auch dann zur Zahlung ver- 2.5440 pflichtet, wenn er im Verhältnis zum Versicherungsnehmer wegen Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei ist. Er kann seinen Versicherungsnehmer nach der Regulierung gem. § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG in Regress nehmen. §§ 5, 6 KfzPflVV begrenzen den Regress des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzungen auf jeweils höchstens 5.000 t für vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls verletzte Obliegenheiten. Diese Beträge sind zusammenzuzählen.10

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.12.1980 – 6 W 49/80, JurBüro 1981, 433. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.1983 – 17 W 17/83, JurBüro 1983, 1086. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.1974 – 4 U 39/74, VersR 1974, 1034: Abstriche von illusionären Ansprüchen; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.1983 – 17 W 17/83, JurBüro 1983, 1086; OLG Hamm, Beschl. v. 13.7.1988 – 20 W 37-38/88, JurBüro 1989, 523: offensichtlich unbegründete Ansprüche. 4 BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 354/15; BGH, Urt. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649. 5 BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – IV ZR 29/20. 6 BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 354/15. 7 BGH, Urt. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649. 8 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.1974 – 4 U 39/74, VersR 1974, 1034. 9 BGH, Beschl. v. 17.3.1982 – IVa ZR 234/80, MDR 1982, 737; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.1974 – 4 U 39/74, VersR 1974, 1034; OLG Hamm, Urt. v. 20.3.1974 – 20 U 254/73, VersR 1974, 637 (damals noch 5.000 DM). 10 BGH, Urt. v. 14.9.2005 – IV ZR 216/04, VersR 2005, 1720.

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II. Haftpflichtversicherung

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2. Teil

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2.5441 Bei der Deckungsklage eines Autoleasingnehmers aus einer Fahrzeugversicherung ist auf die Verhältnisse des Leasinggebers abzustellen, so dass Umsatzsteuer bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt bleibt, wenn der Leasinggeber vorsteuerabzugsberechtigt ist.1

III. Rechtsschutzversicherung 2.5442 In der Rechtsschutzversicherung entspricht der Streitwert der Deckungsschutzklage den voraussichtlichen Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 %.2 Da es sich nur um eine Prognose handelt, kann der Streitwert der Deckungsschutzklage höher liegen als die Prozesskosten, die in dem Rechtsstreit später tatsächlich entstehen.

2.5443 Die Höhe dieser voraussichtlichen Kosten ist nach dem für den abzudeckenden Rechtsstreit maßgebenden Streitwert zu berechnen. Von ihm ausgehend sind die Anwaltskosten beider Parteien sowie die Gerichtskosten zu ermitteln und zu addieren.3

2.5444 Kosten für ein Sachverständigengutachten sind einzurechnen, wenn wahrscheinlich ist, dass es im Rechtsstreit angeordnet werden wird.4 Die Höhe der voraussichtlichen Sachverständigenkosten sind dabei nach § 3 ZPO zu schätzen.5 Die im Schrifttum vertretene Auffassung, Sachverständigenkosten seien bei der Streitwertfestsetzung nie zu berücksichtigen,6 ist abzulehnen. Häufig sind – besonders bei Prozessen mit niedrigen Streitwerten – die Sachverständigenkosten der wesentliche Teil der Prozesskosten und der Hauptgrund für den Versicherungsnehmer, Deckungsschutz zu begehren.

2.5445 Die Kostenprognose ist auf eine Instanz zu beschränken, obwohl die Wahrscheinlichkeit oder gar Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels nie auszuschließen ist.7 Diese Einschränkung beruht auf den jeweiligen ARB, wonach der Versicherte die Kosten tunlichst gering zu halten und insbesondere die Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Versicherer abzustimmen hat. Deshalb wird auch die Deckungszusage immer nur für eine Instanz erteilt. Der Versicherungsnehmer wird dadurch nicht benachteiligt. Hat er die Feststellung erstritten, dass für eine Instanz Kostenschutz zu gewähren ist, dann ist damit praktisch präjudiziert, dass der Rechtsschutzversicherer generell zur Deckung verpflichtet ist, soweit sie in den ARB vorgesehen ist.

2.5446 Ist die Klage dagegen auf die Erteilung von Deckungsschutz für drei Instanzen gerichtet, bemisst man den Streitwert nach den voraussichtlichen Kosten aller Instanzen.8

D. Feststellungsklagen I. Bestand des Vertrages 2.5447 Klagt der Versicherer auf (negative) Feststellung des Nichtbestehens des Versicherungsvertrags, ist wertmäßig von seinem Interesse an der Nichtzahlung der Versicherungssumme auszugehen.9 Will er den (Fort-)Bestand des Vertrages dagegen positiv festgestellt wissen, richtet sich der Wert nach seinem 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH, Beschl. v. 30.4.1992 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149. BGH, Urt. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, VersR 2006, 716. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/19. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/19; OLG München, Beschl. v. 8.2.2018 – 14 U 2688/17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2018 – 4 U 257/17, VersR 2019, 291; OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2019 – 4 W 896/19. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/19. Harbauer/K. Schneider, Rechtsschutzversicherung, § 20 ARB 2010, Rz. 13. OLG Hamm, Beschl. v. 14.12.1983 – 20 W 47/83, VersR 1984, 257. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2018 – 4 U 257/17, VersR 2019, 291. OLG Bamberg, Beschl. v. 9.9.1985 – 3 W 61/85, JurBüro 1985, 1703.

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2. Teil

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Interesse, die vereinbarten Prämien zu erhalten, das gem. §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Prämien abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % zu bemessen ist.1 Ist der Vertragszeitraum unstreitig kürzer, ist dieser gem. § 9 Satz 2 ZPO maßgebend. Will der Versicherungsnehmer feststellen lassen, der Versicherungsvertrag bestehe (etwa wegen einer Kündigung) nicht mehr, bemisst man den Streitwert mit dem Gesamtbetrag der Prämien, die der Versicherer ohne die streitgegenständliche Vertragsbeendigung verlangen könnte, gem. § 9 ZPO aber höchstens mit den Prämien für dreieinhalb Jahre.2 Weil es sich um eine negative Feststellungsklage handelt, ist kein Abschlag vorzunehmen.

2.5448

Macht der Versicherungsnehmer mit der Klage den Fortbestand eines Versicherungsvertrages (trotz Anfechtung oder Rücktritt des Versicherers) geltend, ist gem. § 3 ZPO sein Interesse am Fortbestand des Vertrages anzusetzen. Wie es zu beziffern ist, richtet sich nach der Art des Versicherungsvertrages.

2.5449

1. Berufsunfähigkeitsversicherung Der Wert der Klage ist mit einem Bruchteil des dreieinhalbfachen Jahreswertes der Berufsunfähig- 2.5450 keitsrente zzgl. der Beitragsbefreiung zu bemessen, der zwischen 20 % und 80 % liegt. Der anzusetzende Bruchteil hängt davon ab, ob der Versicherungsfall unstreitig eingetreten, nicht eingetreten oder ungeklärt ist.3 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Stichwort „Berufsunfähigkeitsversicherung“, Rz. 2.697–2.699 verwiesen. 2. Gebäudeversicherung Eine Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung des Fortbestands einer Gebäudeversicherung 2.5451 ist mit dem 3 1/2-fachen Jahreswert der Prämie zu bewerten.4 Auf die Versicherungssumme kann nicht abgestellt werden. Die Versicherungsleistung kann im Versicherungsfall erheblich darunter liegen. Daher kann nach § 3 ZPO davon ausgegangen werden, dass das klägerische Interesse an der Absicherung seines Risikos mit der Versicherungsprämie angemessen bewertet ist. 3. Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung Aus demselben Grund wie bei der Gebäudeversicherung ist bei Kfz-Versicherungen eine Klage auf 2.5452 Feststellung des Fortbestandes mit der 3 1/2fachen Jahresprämie zu bewerten.5 Steht dem Versicherer jedoch unstreitig bereits vorher ein ordentliches Kündigungsrecht zu, ist nach § 9 Satz 2 ZPO dieser kürzere Zeitraum maßgeblich.6 4. Krankenhaustagegeldversicherung Der Streitwert einer Klage, mit der festgestellt werden soll, dass ein Krankentagegeldversicherungsvertrags fortbesteht, ist mit dem Wert des Sechsmonatsbezuges des Krankenhaustagegeld abzüglich 20 % Feststellungsabschlag anzusetzen.7 Behauptet der Versicherungsnehmer, nicht eingeklagte Ta-

1 BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.6.2011 – 9 W 19/11, MDR 2011, 1420; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.4.2017 – 2 O 7905/15. 3 BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316. 4 BGH, Beschl. v. 12.3.2008 – IV ZR 123/06, NJW-RR 2008, 1664. 5 BGH, Beschl. v. 11.10.2000 – IV ZR 177/00, VersR 2001, 492; BGH, Beschl. v. 12.3.2008 – IV ZR 123/06, NJW-RR 2008, 1664. 6 BGH, Beschl. v. 11.10.2000 – IV ZR 177/00, VersR 2001, 492. 7 Vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293.

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2. Teil

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gegeldansprüche zu haben, erhöht sich der Streitwert um 50 % der vermeintlichen Tagegeldansprüche.1

2.5454 Ist der Vertrag eine verbundene Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, ist als Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO der Wert der dreieinhalbfachen Jahresprämie abzüglich 20 % Feststellungsabschlag anzusetzen.2 5. Krankenversicherung

2.5455 Ist der Fortbestand eines Krankenversicherungsvertrages (präziser Krankheitskostenversicherungsvertrages) Gegenstand der Feststellungsklage des Versicherungsnehmers, ist als Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO der Wert der dreieinhalbfachen Jahresprämie abzüglich 20 % Feststellungsabschlag anzusetzen.3 Angekündigte oder anderweitig rechtshängig gemachte Leistungsansprüche des Versicherungsnehmers erhöhen mit 1/2 ihres Nennbetrages den Streitwert des Feststellungsantrages.4 6. Lebensversicherung

2.5456 Wird auf Feststellung geklagt, ein Vertrag über eine Risikolebensversicherung bestehe fort, beziffert man den Streitwert regelmäßig mit 20 % der Versicherungssumme, weil der Eintritt des Leistungsfalls ungewiss ist.5 Bei einer Kapitallebensversicherung, die auch im Erlebensfall ausgezahlt wird, dagegen mit 80 % der Versicherungssumme, weil der Eintritt des Versicherungsfalls gewiss ist.6 Weitere Einzelheiten entnehme man dem Stichwort „Lebensversicherung“, Rz. 2.2798–2.2800. 7. Pflegeversicherung

2.5457 Soweit es sich um eine Pflegepflichtversicherung handelt, ist nach § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG der Sozialrechtsweg zu beschreiten.7 Bei einer freiwilligen Pflegezusatzversicherung ist hingegen der ordentliche Rechtsweg einschlägig, weil diese nicht den Vorschriften des SGB XI unterliegt.8

2.5458 Den Streitwert von Feststellungsklagen, ein Pflegezusatzversicherungsvertrag bestehe fort, bestimmt man genauso wie bei der Krankheitskostenversicherung.9 Daher wird auf die obigen Ausführungen unter Krankenversicherung, Rz. 2.5455 verwiesen. 8. Rechtsschutzversicherung

2.5459 Eine Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung des Fortbestands einer Rechtsschutzversicherung ist mit dem 3 1/2fachen Jahreswert der Prämie zu bewerten.10 Auf die Versicherungssumme kann nicht abgestellt werden. Die Versicherungsleistung kann im Versicherungsfall erheblich darunter liegen. Daher kann nach § 3 ZPO davon ausgegangen werden, dass das klägerische Interesse an der Absicherung seines Risikos mit der Versicherungsprämie angemessen bewertet ist.

1 BGH, Beschl. v. 3.5.2000 – IV ZR 258/99, MDR 2000, 850. 2 BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – IV ZR 186/03, MDR 2004, 1182; BGH, Beschl. v. 3.5.2000 – IV ZR 258/99, MDR 2000, 850. 3 BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19; BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZR 37/11, MDR 2012, 26. 4 BGH, Beschl. v. 9.11.2011 – IV ZR 37/11, MDR 2012, 26. 5 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259. 6 BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – IV ZR 9/94. 7 BGH, Beschl. v. 12.9.2018 – IV ZB 1/18, VersR 2019, 59. 8 LG Kleve, Urt. v. 21.6.2018 – 6 O 34/17. 9 BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – IV ZR 265/08, VersR 2011, 237; BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19. 10 BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZR 141/10, VersR 2012, 204.

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2. Teil

Wie man den Streitwert einer Klage des Versicherungsnehmers bestimmt, mit der das Fortbestehen ei- 2.5460 nes Unfallversicherungsvertrages festgestellt werden soll, ist streitig. Teils setzt man wie bei einer Krankenversicherung den Wert der dreieinhalbfachen Jahresprämie abzüglich 20 % Feststellungsabschlag an, gegebenenfalls erhöht um 50 % des Nennbetrages angekündigter oder anderweitig rechtshängig gemachte Leistungsansprüche des Versicherungsnehmers.1 Eine andere Auffassung nimmt als Wert 10 % der Höchstversicherungssumme an.2 Vorzugswürdig ist die erste Ansicht. Wie bei der Krankenversicherung kann die geschuldete Leistung 2.5461 im Versicherungsfall erheblich unter der Höchstversicherungssumme liegen. Jedenfalls soweit keine Leistungsansprüche angekündigt sind, eignen sie sich daher nicht als Schätzungsgrundlage des Fortbestandsinteresses. Nach § 3 ZPO kann man aber davon ausgehen, dass das klägerische Interesse an der Absicherung seines Risikos mit der Versicherungsprämie angemessen bewertet ist. Dieses bei angekündigten Leistungsansprüchen um einen Bruchteil der Forderungen zu erhöhen, scheint gleichfalls sachgerecht.

II. Unwirksamkeit einer Vertragsänderung Begehrt der Versicherungsnehmer die Feststellung, die Prämienerhöhung seines Krankenversicherers nach § 203 VVG sei unwirksam, ist der Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreswert der streitigen Erhöhung ohne Feststellungsabschlag festzusetzen.3 Es handelt sich letztlich um eine negative Feststellungsklage, die erhöhten Prämien nicht zahlen zu müssen.

2.5462

Streitigkeiten um Prämienerhöhungen einer Pflegeversicherung sind grundsätzlich durch § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG dem Sozialrechtsweg zugewiesen, weil sich ihre Wirksamkeit nach § 143 SGB XI bestimmt.4 Streitigkeiten um Prämienänderungen einer Pflegezusatzversicherung aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 143 SGB XI am 1.1.2017 sind im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen.5 Ihr Streitwert ist nach §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreswert der streitigen Erhöhung ohne Feststellungsabschlag festzusetzen.6

2.5463

Wehrt sich der Versicherungsnehmer gegen eine Vertragsanpassung des Berufsunfähigkeitsversicherers nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG hat diese Feststellungsklage die Hälfte des Streitwerts, den eine Klage auf Fortbestand des Vertrages hätte.7

2.5464

III. Leistungspflicht des Versicherers Den Streitwert einer Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers ermittelt man, indem man zunächst den Wert der entsprechenden Leistungsklage bestimmt und dann 20 % abschlägt, weil nur Feststellung begehrt wird. Ebenso verfährt man Klagen, die auf die Feststellung der Pflicht des Versicherers gerichtet sind, Haftpflichtversicherungs-8 oder Deckungs1 KG, Beschl. v. 12.8.2014 – 6 W 105/14, VersR 2015, 126. 2 OLG Köln, Beschl. v. 17.5.2006 – 5 W 44/06. 3 OLG Köln, Urt. v. 28.1.2020 – 9 U 138/19; LG Frankfurt/O., Urt. v. 18.1.2018 – 14 O 203/16, VersR 2018, 669; LG Kleve, Urt. v. 21.6.2018 – 6 O 34/17; LG Köln, Urt. v. 26.9.2018 – 23 O 95/18; so im Ergebnis wohl auch BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, MDR 2019, 421; BGH, Beschl. v. 4.9.2019 – IV ZR 40/19. 4 OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2018 – 8 W 24/18. 5 LG Kleve, Urt. V. 21.6.2018 – 6 O 34/17. 6 LG Kleve, Urt. v. 21.6.2018 – 6 O 34/17. 7 OLG Stuttgart, Urt. v. 17.4.2014 – 7 U 253/13, MDR 2014, 721. 8 BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912.

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2.5465

ZPO

9. Unfallversicherung

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ZPO

2. Teil

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Versicherungsschutz

schutz1 zu gewähren. Begehrt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz nur bis zu einem geringeren Höchstbetrag, ist dieser abzüglich eines zwanzigprozentigen Abschlags maßgebend.2 Zinsansprüche des Geschädigten bleiben außer Ansatz.3 Eine vereinbarte Selbstbeteiligung wird als unstreitige Rechtsposition bei der Streitwertbemessung nicht berücksichtigt.4

E. Klagehäufung I. Objektive Klagehäufung 2.5466 Werden nebeneinander Ansprüche auf Rückzahlung der Versicherungsprämie wegen Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags und auf Regulierung eines Schadens wegen wirksamen Versicherungsvertrages geltend gemacht, dann sind die Werte dieser Ansprüche nicht zusammenzurechnen, sondern es ist nur der höhere Anspruch maßgebend.5 Die Ansprüche sind wirtschaftlich identisch, weil der Erfolg des einen Antrages den des anderen ausschließt. Der Versicherungsvertrag besteht entweder oder er besteht nicht. Die Partei kann niemals Anspruch auf beide Leistungen haben.

2.5467 Klagt der Versicherungsnehmer gegen seinen Berufsunfähigkeitsversicherer auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente und auf die vertraglich vereinbarte Freistellung von der Prämienzahlungspflicht, ist der Streitwert nach § 9 ZPO mit dem dreieinhalbjährigen Wert der Rente zzgl. des dreieinhalbjährigen Werts der Prämien anzusetzen, von denen freigestellt werden soll.6

2.5468 Wenn eine Klage auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen mit einer Klage auf Feststellung kombiniert wird, der Vertrag bestehe fort, sind die Anträge wirtschaftlich teilidentisch. Ihre Werte summiert man deswegen nur eingeschränkt, so dass der Feststellungsantrag den Streitwert um 20 % des 3 1/2fachen Jahresbetrages von Berufsunfähigkeitsrente und Versicherungsprämie erhöht.7 Das gilt entsprechend beim Mehrwert eines Vergleichs, wenn sich die Parteien in einem Rechtsstreit auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente auch über die Beendigung des Versicherungsvertrags einigen.8

2.5469 Neben einem Leistungs- oder Feststellungsantrag auf Zahlung von Krankenhaustagegeld hat ein Antrag auf Feststellung des Fortbestandes des Vertrages einen Wert von 20 % des Betrages eines sechsmonatigen Krankenhaustagegeldbezugs.9 Um denselben Wert erhöht die Vereinbarung der Beendigung des Vertrages in einem Vergleich über die Zahlung von Krankenhaustagegeld den Streitwert des Vergleichs.10

2.5470 Der Wert der in einem Vergleich übernommenen Verpflichtung zur Weiterzahlung des Beitrages für eine Lebensversicherung oder Aussteuerversicherung bemisst sich nach dem 3,5-fachen Jahresbeitrag.11

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, NJW-RR 2006, 791. OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.1983 – 20 W 47/83, AnwBl. 1984, 95. BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 354/15. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.1983 – 17 W 17/83, JurBüro 1983, 1086. OLG Hamm, Beschl. v. 27.7.1984 – 20 W 43/84, VersR 1984, 1086. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343. BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474. OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.8.2014 – 8 W 1409/14, AGS 2015, 79; OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2012 – 20 W 13/12, VersR 2013, 920; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2015 – 20 W 75/14. 9 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 10 OLG Rostock, Beschl. v. 8.11.2018 – 4 W 27/18. 11 OLG Celle, Beschl. v. 26.7.1968 – 12 W 32/68, JurBüro 1968, 830 zu § 9 ZPO a.F.: 12,5-facher Jahresbeitrag.

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Seggewiße

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

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2. Teil

Eine Feststellungsklage, der Versicherer habe Versicherungsschutz zu gewähren, hat nicht denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) wie dessen Widerklage auf Zahlung eines ihm von der Finanzierungsgesellschaft abgetretenen Anspruchs aus dem Finanzierungsvertrag.1

2.5471

Die Klage des Versicherers auf Prämienzahlung und die Widerklage des Versicherungsnehmers auf Feststellung der Vertragsnichtigkeit betreffen denselben Gegenstand, so dass nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der höhere Wert maßgeblich ist.

2.5472

Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5473

II. Instanzübergreifende Überschreitung . . 2.5485

B. Gebührenstreitwert

C. Rechtsmittel und Beschwer

I. Überschreitung innerhalb der Instanz . 2.5476 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5478 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5479

II. Instanzübergreifende Überschreitung . . 2.5494

I. Überschreitung innerhalb der Instanz . 2.5491

Stichwortübersicht Antragsüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . 2.5476 f. – instanzübergreifend . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5485 – mit Zustimmung der Parteien . . 2.5488, 2.5490 Aufrechnung, nicht erklärte . . . . . . . . . . . . 2.5477 Ausgangsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5486 Berufungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5486 Beschränkung der Zwangsvollstreckung . . . 2.5492 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5491, 2.5494 Beweis(aufnahme)gebühr . . . . . . . . . . . . . . 2.5483 Dispositionsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5473 Einzeltätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5483 Erweiterung des Streitgegenstandes . . . . . . 2.5490 Gebührenstreitwert – für das Ausgangsverfahren . . . . . . . . . . . 2.5486 – für das Berufungsverfahren . . . . . 2.5486, 2.5490 – für das Revisionsverfahren 2.5486, 2.5492, 2.5495 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5478

Instanzübergreifende Antragsüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5485 Instanzübergriff mit Einverständnis der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5488 Nebenforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5476 Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5490 Quotenteilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5494 Rechtshängiger Teile der Klageforderung . . 2.5488 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5494 Teilnahme an der Beweisaufnahme . . . . . . . 2.5483 Teilurteil, unzulässiges . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5488 Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5481 Urteilsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . 2.5478, 2.5487 Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5480 Verstoß gegen §§ 528, 577 ZPO . . . . . . . . . 2.5488 Von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5474 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5476

A. Einleitung § 308 ZPO ist Ausdruck der im Zivilprozess herrschenden Dispositionsmaxime. Danach wird der 2.5473 Streit- und Entscheidungsgegenstand durch den Antrag der Partei bestimmt. Aufgrund dieser Antragsbindung ist das Gericht nicht befugt, einer Partei (in der Hauptsache) etwas anderes oder mehr zuzusprechen, als von dieser beantragt worden ist. Entsprechende Regelungen finden sich für das Berufungsverfahren in § 528 ZPO und für das Revisionsverfahren in § 557 Abs. 1 ZPO, wonach eine Überprüfung und Abänderung der angegriffenen Entscheidung nur im Rahmen der hierzu gestellten

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 900.

Seggewiße und Kurpat

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II. Klage und Widerklage

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2. Teil

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

ZPO

Rechtsmittelanträge erfolgen darf. In jeder Antragsüberschreitung liegt zugleich eine Gehörsverletzung.1

2.5474 Ein Verstoß gegen § 308 ZPO ist mit den gegen die Entscheidung zulässigen Rechtsmitteln anzugreifen und vom Rechtsmittelgericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten.2 Ob und auf welchem Wege eine Korrektur der Entscheidung nach Eintritt der Rechtskraft möglich ist, ist streitig.3

2.5475 Fraglich ist, ob die Antragsüberschreitung Einfluss auf den Streitwert und damit auf die danach zu berechnenden Gebühren sowie die Beschwer hat. Hierbei ist weiter zu unterscheiden, ob sich der Verstoß auf eine Instanz beschränkt oder ob die höhere Instanz in das teilweise noch erstinstanzlich anhängige Verfahren eingreift und dadurch seinen Entscheidungsgegenstand erweitert.

B. Gebührenstreitwert I. Überschreitung innerhalb der Instanz 2.5476 Ohne Folgen bleibt hier der Verstoß gegen § 308 ZPO, wenn über den Klageantrag hinaus Zinsen, Früchte, Nutzungen oder vorgerichtliche Kosten zuerkannt werden. Denn diese bleiben gem. § 43 Abs. 1 GKG bei der Bemessung des Streitwertes außer Betracht, solange sie als Nebenforderung geltend gemacht werden.

2.5477 Erfasst der Verstoß gegen die Dispositionsmaxime hingegen die Hauptforderung, beispielsweise weil das Gericht den Beklagten aufgrund eines nur angekündigten, aber dann nicht verlesenen Antrags verurteilt oder die Klage unter Berücksichtigung einer nicht zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung abgewiesen oder dem klagenden Arbeitnehmer statt des beantragten Nettolohns den Bruttolohn zuerkannt hat,4 ist zu differenzieren: 1. Gerichtsgebühren

2.5478 Die gerichtlichen Gebühren bemessen sich nach dem sich aus dem Klageantrag ergebenden Streitwert, § 43 GKG. Dies gilt sowohl für die Verfahrensgebühr, deren Anfall und Höhe durch eine unzulässige Sachentscheidung nicht berührt wird, als auch für etwaig nach Nrn. 1412, 1423 KV GKG zu berechnende Urteilsgebühren.5 Denn die Urteilsgebühr setzt nach dem Kostenverzeichnis zum GKG eine Verhandlung über den Urteilsgegenstand voraus. Daran fehlt es, wenn das Gericht von sich aus über die Anträge hinausgeht und beide Parteien damit im Urteil überrascht.6 2. Anwaltsgebühren

2.5479 Hinsichtlich der anwaltlichen Gebühren ist maßgeblich darauf abzustellen, ob es sich hierbei um eine Pauschgebühr oder eine Tätigkeitsgebühr handelt.

2.5480 So bemisst sich die Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 VV RVG) nicht nach dem unter Berücksichtigung der Überschreitung höheren Wert, weil es hierfür an einem entsprechenden Auftrag und einer 1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 16.5.2017 – VI ZR 25/16, MDR 2017, 1076 = NJW 2017, 2561. BGH, Urt. v. 18.6.2015 – I ZR 26/14, MDR 2016, 291, NJW-RR 2002, 257. Vgl. hierzu Zöller/Feskorn, § 308 ZPO Rz. 6. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1988 – 7 Ta 433/87, JurBüro 1988, 1079. Zur Beeinflussung der nach altem Recht noch in weitergehendem Umfang anfallenden Urteilsgebühren vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.1973 – VII ZR 10/72, MDR 1974, 36; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 479; OLG Stuttgart, WRP 1973, 608; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1988 – 7 Ta 433/87, JurBüro 1988, 1079; a.A. OLG Köln, NJW 1960, 1471; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 267. 6 E. Schneider, MDR 1971, 437.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

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2. Teil

ZPO

dahingehenden anwaltlichen Tätigkeit (Betreiben des Geschäfts, Vorbem. 3.2 VV RVG zu § 2 RVG) fehlt. Ein Anspruch, den der Kläger nicht geltend gemacht hat, über den das Gericht vielmehr eigenmächtig und unerlaubt mitentschieden hat, ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens oder des Mandats. Ebenso ist eine Streitwerterhöhung für die Terminsgebühr (Nrn. 3104, 3105 VV RVG) zu verneinen. 2.5481 Nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG entsteht diese Gebühr bereits mit der Vertretung in einem Gerichtstermin, die allein die aktive Anwesenheit des Anwalts an der Besprechung eines den Rechtsstreit betreffenden, sachlichen oder rechtlichen Gesichtspunktes voraussetzt.1 Daher kommt ohne eine mündliche oder schriftsätzliche Erörterung des überschießenden Teils der späteren Entscheidung eine Werterhöhung nicht in Betracht. Sofern die Parteien allerdings über das zuerkannte Mehr verhandelt haben, ist das erweiterte Begeh- 2.5482 ren dadurch Streitgegenstand geworden und deshalb für die Verfahrens- und Terminsgebühr nach allgemeinen Bemessungsgrundsätzen streitwertbestimmend.2 Für die anwaltliche Teilnahme an der Beweisaufnahme stellt sich die Gebührenfrage dann, wenn das Gericht diese versehentlich auf die nicht geltend gemachte Mehrforderung ausgedehnt hat. Dass zumindest dann, wenn aufgrund einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme eine Zusatzgebühr (Nr. 1010 VV RVG) anfällt oder sich die anwaltliche Tätigkeit, etwa aufgrund einer Unterbevollmächtigung, auf die Teilnahme an einer Beweisaufnahme beschränkt und deshalb als Einzeltätigkeit nach Nrn. 3401, 3402 VV RVG zu § 2 RVG zu vergüten ist. Für den Gegenstandswert kommt es hier nicht auf die Zulässigkeit der Beweisaufnahme an, sondern ob nach dem objektiv erkennbaren Willen des Gerichts eine Beweisaufnahme für erforderlich gehalten und bezweckt worden ist. Ist dieser (auch) auf eine Klärung nicht streitgegenständlicher und nachfolgend unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO entschiedener Tatsachenkomplexe gerichtet, ist der Wert entsprechend zu erhöhen. Denn für die Wertbestimmung ist der Gegenstand des Beweises maßgebend. Hierfür ist entscheidend, in welchem Umfang das Prozessgericht im Zeitpunkt der Beweisanordnung den Tatsachenkomplex klären wollte.3

2.5483

Siehe auch unter dem Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“, Rz. 2.4503.

2.5484

II. Instanzübergreifende Überschreitung Eine instanzübergreifende Überschreitung der dem Rechtsmittelgericht zustehenden Entscheidungsbefugnis ist nur denkbar, wenn das Klagebegehren vorinstanzlich (noch) nicht vollständig beschieden worden ist. So etwa, wenn das Berufungsgericht, beispielsweise bei der Stufenklage, auf eine Berufung gegen ein stattgebendes Teilurteil unter Aufhebung des Urteils die ganze Klage abweist oder ein Urteil, das versehentlich die Klage nur teilweise entscheidet, mit der Maßgabe bestätigt, dass auch der erstinstanzlich bislang nicht entschiedene Teil der Klageforderung zugesprochen wird. Hier ist fraglich, nach welchem Streitwert die gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren im Ausgangs- und im Berufungsverfahren zu berechnen sind.

2.5485

Während die instanzübergreifende Entscheidung des Berufungsgerichts auf den Gebührenstreitwert des erstinstanzlichen Verfahrens (Ausgangsverfahren) und die dort entstandenen Gebühren schon wegen des Grundsatzes der instanzbezogenen Streitwertfestsetzung keinen Einfluss hat, besteht über den Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens keine Einigkeit. Gemäß §§ 528, 557 Abs. 1 ZPO

2.5486

1 AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV Vorbem. 3 Rz. 94, 99. 2 BGH, LM Nr. 3 zu § 23 BEG. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.1982 – 6 WF 107/82, JurBüro 1983, 1042; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.8.1983 – 20 W 454/83, MDR 1984, 154; LAG Hamm, Beschl. v. 15.1.1985 – 8 Ta 208/84, BB 1985, 667.

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2. Teil

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

ZPO

wird der Streitgegenstand des Berufungs- bzw. Revisionsverfahrens durch die Rechtsmittelanträge bestimmt. Nach diesen bemisst sich grundsätzlich auch der Rechtsmittelstreitwert, § 47 GKG.

2.5487 Für den BGH1 scheidet bei einem Instanzübergriff im Berufungsverfahren eine Werterhöhung aus, da der mitbeschiedene, vorinstanzlich noch anhängige Teil der Klageforderung nicht Gegenstand der Rechtsmittelanträge und damit des Streits im Rechtsmittelverfahren gewesen sei. Das gelte jedoch nicht für die (nach altem Recht anfallenden) Urteilsgebühren, da das Berufungsurteil die Klage in vollem Umfang bescheide und den Kläger entsprechend beschwere. Diese seien daher nach dem vollen Klagebetrag zu berechnen. Bei einer Revision gegen ein solches Berufungsurteil ist der Revisionsstreitwert folglich höher anzusetzen, als der Wert des Berufungsverfahrens.2

2.5488 Richtigerweise wird man jedoch danach unterscheiden müssen, ob das Rechtsmittelgericht in zulässiger oder unzulässiger Weise instanzübergreifend entschieden hat. Denn nach ganz überwiegender Ansicht liegt nicht in jeder Bescheidung eines vorinstanzlich noch anhängigen Anspruchs ein Verstoß gegen §§ 528 oder 557 Abs. 1 ZPO. Zwar ist es grundsätzlich unzulässig, einen derart verbliebenen Teilanspruch durch eine Klageerweiterung oder Widerklagerhebung in die Berufungsinstanz einzuführen und darüber zu entscheiden.3 Jedoch wird – nach entsprechender Erörterung in der mündlichen Verhandlung4 – ein „Hinaufziehen“ des vorinstanzlich noch anhängigen Teils überwiegend für zulässig erachtet, wenn der Erlass eines Teilurteils unzulässig war,5 der vom Teilurteil erfasste Anspruch zugleich die Grundlage des vorinstanzlich verbliebenen Anspruch bildet, so insbesondere bei der Stufenklage,6 oder sich der „Instanzübergriff“ auf ein (stillschweigendes) Einverständnis der Parteien stützt.7

2.5489 Darf das Berufungsgericht danach über einen erstinstanzlich noch anhängigen Anspruch mitentscheiden, dann wird der gesamte Anspruch auch Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Hat das Berufungsgericht dagegen instanzübergreifend entschieden, ohne hierzu ermächtigt (worden) zu sein, bleibt der Wert des mitbeschiedenen Teilanspruchs bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.

2.5490 Denn soweit sich die Erweiterung des Streitgegenstandes auf einen (stillschweigenden) Antrag der Parteien stützt, wird der gesamte Streitstoff kraft Parteiwillens für den Streitwert bestimmend.8 In den übrigen Fällen rechtfertigt die Prozessökonomie eine instanzübergreifende Entscheidung auch ohne Antrag der Parteien, so dass der vorinstanzlich verbliebene Teil nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis oder spätestens durch die Urteilsverkündung Bestandteil des Streitstoffes wird.9 Daher richtet sich der Streitwert der Berufungsinstanz in diesen Fällen nach dem vollen Wert der

1 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; BGH, Urt. v. 13.12.1989 – IVb ZR 22/89, FamRZ 1990, 863. 2 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; BGH, Urt. v. 13.12.1989 – IVb ZR 22/89, FamRZ 1990, 863. 3 BGH, Beschl. v. 2.2.1983 – IVb ZB 702/81, MDR 1983, 652; BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, MDR 1959, 746. 4 Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 327 Fn. 26. 5 BGH, Versäumnisurt. v. 13.10.2000 – V ZR 356/99, MDR 2001. 165 = NJW 2001, 78; BGH, Urt. v. 19.11.1959 – VII ZR 93/59, MDR 1960, 219 = NJW 1960, 339; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.10.1996 – 22 U 66/96, NJW-RR 1997, 659. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; BGH, Urt. v. 13.12.1989 – IVb ZR 22/89, FamRZ 1990, 863; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.6.2005 – 9 U 36/04, OLGR 2006, 79. 7 BGH, Urt. v. 25.3.1986 – IX ZR 104/85, MDR 1986, 930; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.1988 – 8 U 214/86, VersR 1989, 705. 8 KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.1988 – 8 U 214/86, VersR 1989, 705. 9 BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, MDR 1959, 746; OLG Bamberg, Rpfleger 1960, 54; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1965, 2; a.A. BGH, Beschl. v. 3.7.1959 – I ZR 169/55, MDR 1959, 909, der maßgeblich auf die gestellten Anträge abstellt.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

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2. Teil

ZPO

Klage.1 In der Mehrzahl der Fälle wird daher der Streitwert des Berufungsverfahrens dem des Revisionsverfahrens entsprechen.

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Überschreitung innerhalb der Instanz Die mit dem prozessual fehlerhaft zustande gekommenen Urteil verbundene Beschwer bestimmt sich unter Berücksichtigung der antragsüberschreitenden Bescheidung.2

2.5491

Auch der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren ist in diesem Fall nach der gesamten Urteilssumme zu bemessen.3 Dies zumindest dann, wenn die obsiegende Partei ein Urteil, das ihr mehr als beantragt zugesprochen hat, dem Gegner zustellen lässt, ohne dabei zu erklären, dass sie hinsichtlich des zuviel Zuerkannten keine Rechte aus dem Urteil herleite.4 Der Kläger kann jedoch die Wertermäßigung durch Nachholung dieser Erklärung herbeiführen, allerdings mit entsprechender Kostenfolge. Der Beklagte kann – wenn er das erstinstanzliche Urteil im Übrigen für richtig hält – sein Rechtsmittel bei Fehlen der Erklärung des Klägers auf die Beschwer beschränken, die ihm durch den Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO auferlegt worden ist.

2.5492

Diese Berechnung entspricht dem allgemeinen Streitwertrecht, wonach die Parteien auch sonst den Streitwert der Rechtsmittelinstanz durch ihre Erklärungen und Anträge bestimmen können. Sie können Verstöße gegen § 308 ZPO durch Stellen eines uneingeschränkten Berufungsantrages gewissermaßen heilen.5 Die Werterhöhung tritt dann aber nur für die Zeit ab Stellung des erweiterten Antrages ein.

2.5493

II. Instanzübergreifende Überschreitung Für die Beschwer der Revisionsinstanz ist bei einer instanzübergreifenden Antragsbescheidung durch 2.5494 das Berufungsgericht der volle Klagebetrag maßgebend.6 Dies gilt beispielsweise, wenn das erstinstanzliche Gericht bei einer Stufenklage den Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und das Berufungsgericht die gesamte Klage abgewiesen hat.7 Ebenso hat der BGH8 entschieden, wenn auf die Berufung gegen ein Quotenteilurteil des LG, das OLG die gesamte Klage abweist und gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird. Der Gebührenstreitwert für das Revisionsverfahren gegen eine instanzübergreifende Antragsbescheidung durch das Berufungsgericht bestimmt sich nach dem Rechtsmittelantrag des Revisionsklägers, § 557 Abs. 1 ZPO, § 47 GKG. Wird das Berufungsurteil in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt, entspricht der Wert der vollen Klagesumme.

1 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091; BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, BGHZ 30, 215; FamRZ 1990, 863 – Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 13.12.1989 – IVb ZR 22/89, MDR 1959, 909. 2 Vgl. hierzu Zöller/Feskorn, § 308 ZPO Rz. 6. 3 OLG Köln, Urt. v. 21.12.2009 – 5 U 52/09. 4 OLG Köln, Urt. v. 20.11.1959 – 4 U 154/59, NJW 1960, 1471. 5 BGH, Urt. v. 19.3.1986 – IVb ZR 19/85, FamRZ 1986, 661; OLG Köln, Urt. v. 21.12.2009 – 5 U 52/09. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091. 7 BGH, MDR 1960, 393. 8 BGH, VersR 1957, 447.

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2.5495

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2. Teil

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Vertagung

ZPO

Vertagung 2.5496 Siehe das Stichwort „Prozess- und Sachleitung“, Rz. 2.4040 ff.

Verteilungsverfahren A. Einleitung 2.5497 Wird nach der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners ein Geldbetrag hinterlegt, der nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen, tritt das Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff. ZPO ein.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeitsstreitwert 2.5498 Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht festgesetzt werden, weil nach § 873 ZPO das AG als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig ist (§ 802 ZPO).

II. Gebührenstreitwert 2.5499 Die Gerichtsgebühren berechnen sich nach dem Wert der Verteilungsmasse ohne Zinsen und Kosten (§ 43 GKG, §§ 5, 6 ZPO).1

2.5500 Wird mit der Klage die Einwilligung verlangt, dass ein hinterlegter Betrag an den Kläger ausgezahlt wird, so ist ebenfalls der Wert der klägerischen Forderung bestimmend, wenn sie nicht höher ist als der hinterlegte Betrag einschließlich aufgelaufener Hinterlegungszinsen; sonst ist der Hinterlegungsbetrag einschließlich Zinsen maßgebend.2 Die aufgelaufenen Zinsen Bestandteil der Hinterlegungsmasse und keine Nebenansprüche i.S.d. § 4 ZPO, § 43 GKG.3

2.5501 Der Streitwert des Widerspruchs gegen einen Teilungsplan (§§ 878 ff. ZPO) richtet sich nach dem Interesse des Klägers daran aus, dass seine Forderung vorrangig bedient wird.4 Das ist der Mehrbetrag, der ihm zukommt, wenn sein Widerspruch durchgreift.5

2.5502 Im Zwangsversteigerungsverfahren6 ist die Sondervorschrift des § 54 GKG zu beachten. Die Gebühr für das Verteilungsverfahren bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte (§ 54 Abs. 3 GKG). Die Gebühr für die Erteilung des Zuschlags bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte zzgl. des Betrags, in dessen Höhe der Ersteher nach § 114a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt (§ 54 Abs. 2 GKG). 1 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.184. 2 RG, HRR 1931 Nr. 252; OLG Breslau, JW 1931, 2142. 3 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 W 5/14. 4 OLG Bamberg JurBüro 1991, 1691. 5 OLG Colmar, OLGE 13, 66. 6 Vgl. die Ausführungen beim Stichwort „Zwangsversteigerung“, Rz. 2.6370.

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2. Teil

Bei der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft vermindert sich der nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG zu berechnende Wert für die Erteilung des Zuschlags um den Anteil des Erstehers am Gegenstand des Verfahrens (§ 54 Abs. 2 Satz 2 GKG).

2.5503

ZPO

Vertragsabschluss

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III. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren richtet sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 2.5504 Halbs. 4 RVG. Danach ist der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen maßgeblich. Die zu vollstreckende Forderung setzt sich zusammen aus Kapital, Zinsen bis zum Tage des endgültigen Verteilungsplans, Kosten des der Vollstreckung vorausgegangenen Prozesses und früherer Vollstreckungsmaßnahmen sowie etwaigen weiteren Nebenforderungen (nicht aber den Kosten des Verteilungsverfahrens1). Der Gegenstandswert ist durch die Höhe des zu verteilenden Geldbetrages nach oben begrenzt. Unter dem zu verteilenden Geldbetrag ist die hinterlegte Forderung nebst Zinsen zu verstehen. Vom Gegenstandswert sind entgegen § 874 Abs. 2 ZPO nicht die Kosten des Verteilungsverfahrens abzuziehen.2

2.5505

Vertragsabschluss Die Klage auf Abschluss eines Vertrags ist auf Annahme eines Vertragsangebotes und damit auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet. Mit der Stattgabe der Klage wird die Abgabe der Erklärung fingert, § 894 Abs. 1 ZPO.

2.5506

Da die aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche selbst nicht den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, 2.5507 sind nicht sie, sondern das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem angestrebten Vertragsschluss zu bewerten.3 Maßgeblich für das nach § 3 ZPO zu schätzende Abschlussinteresse des Klägers ist, welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung erstrebt wird.4 Eine sachgerechte Bewertung muss daher die aus dem Vertrag erwachsenden Leistungsansprüche bzw. die mit dem Abschluss verbundenen Feststellungs- oder Gestaltungswirkungen berücksichtigen. Bestehen keinerlei weitere Anhaltspunkte, ist eine Bruchteilsbewertung der Vertragsleistung angemessen,5 entsprechend der Bewertung der (Zwischen)Feststellungsklage auf 8/10. Bei einem Mietvertrag ist dabei nicht auf die für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern gem. § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Wert der Jahresmiete ohne Nebenkostenvorauszahlungen abzustellen.6 Das Verlangen nach einem schuldrechtlichen Wegerecht ist gem. § 3 ZPO in Anlehnung an das Notwegerecht zu bewerten. Maßgebend sind die Kosten der Wegerrichtung und -unterhaltung zzgl. einer Notwegrente für den Zeitraum von 3,5 Jahren.7

1 Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 25 Rz. 7; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 Rz. 20. 2 Schneider/Wolf, § 25 Rz. 15 f.; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 Rz. 20; a.A. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 25 Rz. 20. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – 24 U 57/09, MDR 2010, 715; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.1991 – 3 SA 56/91, JurBüro 1992, 627; a.A. ohne Begründung für den Abschluss eines Darlehensvertrages: BGH, NJW 1959, 1493 m. Anm. Geißler – voller Darlehensbetrag. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Willenserklärung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.212. 5 MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 ZPO Rz. 129. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195. 7 OLG Rostock, Beschl. 31.1.2013 – 3 W 25/12, GE 2013, 1002; OLG Köln, Beschl. v. 23.8.2010 – 2 W 58/10, JurBüro 2011, 262.

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2. Teil

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Vertragsauflösung

ZPO

2.5509 Zur Streitwertbemessung für die Überprüfung und Umgestaltung eines bestehenden Vertrages ist auf das Interesse an der Vertragsänderung abzustellen. Je nach Umfang der Änderung kann dies der Bewertung einer auf Neuabschluss gerichteten Klage entsprechen. Entscheidend ist, welche Vertragsbestimmungen geändert werden sollen und welche Auswirkungen damit für den Kläger verbunden sind.1

2.5510 Die anwaltliche Mitwirkung bei nicht prozessbezogenen Vertragsverhandlungen zum Abschluss eines Dienstvertrages bemisst sich nach dem Wert aller Bezüge des Dienstverpflichteten während der gesamten Vertragslaufzeit, höchstens nach dem dreifachen Jahresbetrag.2

2.5511 Wird auf Herausgabe der Vertragsurkunde geklagt, dann bemisst sich der Wert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument. Sind die daraus ersichtlichen Ansprüche bei anderweitigem Besitz gefährdet oder nur schwer durchsetzbar, kann die Bewertung an deren Wert heranreichen.3

Vertragsauflösung 2.5512 Klagen, mit denen Vertragsauflösungen geltend gemacht werden, sind nicht abstrakt nach dem Wert der Leistung oder der Gegenleistung, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers im konkreten Fall zu bewerten.

2.5513 Ist der Klageantrag auf Zustimmung zur Aufhebung oder Rückabwicklung des Vertrages gerichtet, handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. Mit der Stattgabe der Klage wird die Abgabe der Erklärung fingiert, § 894 Abs. 1 ZPO. Für deren Bewertung ist darauf abzustellen, welcher vermögensrechtliche Erfolg vom Kläger mit der Vertragsauflösung erstrebt wird. Entsprechend dem im Antrag verfestigten Klageinteresse sind die jeweils in Betracht kommenden Bewertungsregeln zu ermitteln, ggf. ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.4

2.5514 Soweit nicht besondere Umstände vorliegen, ist der Wert der Leistung maßgebend, von der der Kläger durch Vertragsaufhebung freigestellt werden will5 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.6 Das sind bei einer Klage auf Abgabe einer gemeinsamen Kündigungserklärung das Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit in der Regel die mit Vertragsfortdauer verbundenen finanziellen Belastungen (z.B. Miete).7

2.5515 Ist die Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages gerichtet, bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Kaufsache zzgl. der Zinsen auf den Kaufpreis.8 Bei der Interessenbewertung findet keine Saldierung von Leistung und Gegenleistung im Falle einer ohne Klage gebote1 BGH, Beschl. v. 13.10.1988 – III ZR 121/86, MDR 1989, 237 – Kooperationsvereinbarung; BGH, Urt. v. 24.11.1994 – IX ZR 222/93, MDR 1995, 319 – Änderung eines Gesellschaftsvertrages. 2 LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 16.11.2012 – 1 S 127/12. 3 OLG Hamm, Urt. v. 22.9.2016 – 5 U 129/15, ZInsO 2017, 96: hälftiger Ansatz bei Darlehensvertragsurkunde. 4 OLG München, Beschl. v. 251.1995 – 3 W 3089/94, JurBüro 1995, 484; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.212. 5 OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235 m. Anm. E. Schneider. 6 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450 m. Anm. E. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448. 7 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, NJW-RR 1992, 1490. 8 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, AG 2003, 318; Musielak/Voit/Heinrich, § 3 ZPO Rz. 38 unter „Willenserklärung“.

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Vertragsauflösung

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2. Teil

ZPO

nen Vertragsdurchführung statt (vgl. hierzu das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677). Dem steht auch entgegen, dass sich der Streitwert bei gleichwertigen Leistungsverpflichtungen dann auf null beliefe. Das gilt auch bei Klagen auf Feststellung, dass ein gegenseitiger Vertrag aufgelöst ist. Für die Interes- 2.5516 senermittlung kommt es weder auf einen – aufgrund gegenläufiger Interessen der Vertragsparteien ohnehin nicht existenten – „Wert des Vertragsverhältnisses“,1 noch auf den Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages bzw. einer Saldierung der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile2 an. Entscheidend ist auch hier der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Vertragsauflösung freigestellt werden will3 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.4 Das gilt ebenso für die Feststellungsklage des Insolvenzverwalters, dass das Vertragsverhältnis durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO beendet worden ist. Besteht die Leistung in einer dauerhaften Rechtsübertragung, kann – soweit keine Sondervorschriften greifen – dessen Wert durch ein Vielfaches des bisherigen durchschnittlichen Jahresertrages bestimmt werden.5

2.5517

Da mit der Klage zugleich eine (negative) Entscheidung über den Bestand etwaiger vertraglicher Ver- 2.5518 pflichtungen angestrebt wird, kommt der bei der positiven Feststellungsklage übliche prozentuale Abschlag nicht in Betracht. Die Wertbemessung entspricht vielmehr derjenigen, die bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages vorzunehmen ist (s. hierzu unter dem Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a ff.). Geht es um die Feststellung der Unwirksamkeit einer auf Vertragsauflösung gerichteten (außer- 2.5519 ordentlichen) Gestaltungserklärung, ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse am Fortbestand des Vertrages und der damit verbundenen Leistungsverpflichtung des Beklagten wertbestimmend.6 Bei der Kündigung eines Franchisevertrages bestimmt das Interesse, die Geschäftstätigkeit weiter betreiben und hieraus Einnahmen bzw. Gewinne erzielen zu können, den Wert. Bei einem Streit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Darlehens, entspricht das in der Regel dem Wert der von der Kündigung betroffenen Darlehenssumme.7 Ist die Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Bausparvertrages gerichtet, dann ist auf die Verzinsung des Bausparguthabens abzustellen und der Streitwert gem. § 9 Satz 1 ZPO nach dem 3,5-fachen der einjährigen Zinserwartung zu berechnen.8 Steht die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages im Streit, wird regelmäßig auf den durchschnittlichen Provisionsverdienst im Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen sein. In beiden

1 So aber OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Feststellung der Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit. 2 So RG, Gruchot Bd. 49, 1005; OLG Braunschweig, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 617 m. abl. Anm. E. Schneider; OLG München, OLGE 29, 222; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, § 26 Anm. L., S. 118. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.6.2011 – 9 W19/11, JurBüro 2012, 252; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235 m. Anm. E. Schneider. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450 m. Anm. E. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, ZUM 2008, 66 – Beendigung eines Verlagsvertrages. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2006 – 5 W 65/07. 7 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591. 8 BGH, Beschl. v. 21.2.2017 – XI ZR 88/16, NJW 2017, 2343 mit Nachweisen zu abw. Auffassungen; OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2015 – 31 W 74/15; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.11.2016 – 17 U 185/16; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.8.2015 – 8 U 319/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.10.2015 – 9 W 65/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.6.2015 – 9 W 25/15.

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2. Teil

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Vertragserfüllung

ZPO

Fällen ist im Hinblick auf den nur feststellenden Klageantrag der übliche prozentuale Abschlag (20 %) vorzunehmen.1

2.5520 Wird dagegen aufgrund einer Vertragsauflösung Herausgabe einer Sache verlangt, dann bestimmt sich der Streitwert nach § 6 ZPO. Das gilt auch dann, wenn auf Rückzahlung der Vergütung (z.B. des Kaufpreises) oder einer hierauf geleisteten Anzahlung geklagt wird, da dann ein bezifferter Geldbetrag gefordert wird.

2.5521 Ein daneben geltend gemachtes Feststellungsbegehren erhöht den Streitwert, soweit die nachteiligen Folgen des Kaufs über die Rückzahlung der Vergütung oder einer darauf geleisteten Anzahlung hinausgehen.2 Die ziffernmäßig bestimmten Ansprüche müssen immer als Mindestwert angesetzt werden.3

2.5522 Den vorstehenden Hinweisen ist zu entnehmen, dass es im Einzelfall immer darauf ankommt, worauf der Anspruch auf Vertragsauflösung gestützt wird – z.B. Rücktritt, Heimfall, Irrtumsanfechtung und dergleichen – und welcher konkrete Klageantrag gestellt wird. Einzelheiten sind bei dem Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“, Rz. 2.3698a ff. behandelt.

2.5523 Sind Leistungsansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis Gegenstand des Rechtsstreits, dann hat ein Vergleich, mit dem sich die Parteien neben der Klageforderung auch über die Beendigung des ansonsten unstreitig fortdauernden Vertragsverhältnisses einigen (sog. Abfindungsvergleich), einen Mehrwert. Dieser bemisst sich danach, worüber und nicht worauf sich die Parteien geeinigt haben, folglich gem. § 48 GKG, § 9 ZPO nach dem Umfang der denkbaren künftigen Ansprüche und nicht nach dem Abfindungsbetrag. Ist die Anspruchsentstehung ungewiss, wie etwa bei einem Versicherungsvertrag, dann kommt eine Bruchteilsbewertung des 3,5-fachen Jahresbetrages der Maximalleistung in Betracht.4

Vertragserfüllung 2.5524 Steht zwischen den Parteien die Verpflichtung zur Vertragserfüllung im Streit, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Inhalt des Klageantrages. Neben der Klage auf Feststellung, dass der Beklagte zu einer (inhaltlich näher bestimmten) Vertragserfüllung verpflichtet ist, kommen ferner – je nach Vertrag – Leistungsanträge verschiedenen Inhalts in Betracht.

2.5525 Während sich der Wert der Feststellungsklage nach dem Interesse des Klägers an der Vertragserfüllung und damit nach dem fiktiven Wert des zugrunde liegenden Leistungsantrages abzüglich eines prozentualen Abschlages richtet (s. ausführlich unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1481), ist für die Bewertung von Leistungsklagen wie folgt zu unterscheiden:

2.5526 Wird aufgrund der vertraglichen Vereinbarung auf Duldung eines bestimmten Verhaltens oder Zustandes geklagt, bemisst sich der Wert nach dem Interesse des Klägers gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG5 an der Vornahme der Handlung bzw. der Aufrechterhaltung des streitgegenständlichen Zustandes. Das

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, OLGR 1999, 139; OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128. 2 KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Braunschweig, OLGE 11, 166; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, § 26 Anm. L., S. 118. 3 RG, JW 1904, 64. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.3.2015 – 12 W 7/15; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2015 – 20 W 75/14; OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.8.2014 – 8 W 1409/14; OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2019 – 20 W 6/19. 5 § 12 Abs. 1 GKG a.F.

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Vertragserfüllung

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2. Teil

Begehrt der Kläger (unter Berufung auf vertragliche Vereinbarungen) die Unterlassung einer Handlung des Beklagten, ist auch hier gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers an der Unterlassung für die Wertbemessung maßgeblich. Siehe hierzu unter dem Stichwort „Unterlassung“, Rz. 2.4881.

ZPO

Interesse deckt sich nicht mit den Kosten der Ersatzvornahme.1 Der Verkehrswert der Sache ist nach § 6 Satz 1 ZPO maßgeblich, wenn auf Duldung von deren Wegnahme geklagt wird.2 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Duldungsklage“, Rz. 2.963.

2.5527

Wird aus einem gegenseitigen Vertrag auf Zahlung geklagt, dann bestimmt sich der Streitwert gem. 2.5528 § 6 ZPO nach der geforderten Geldleistung.3 Ergibt sich aus dem Vertrag die Verpflichtung zur wiederkehrenden Leistung (z.B. Versicherungsprämien), dann ist eine Klage auf Zahlung der laufenden Beiträge nach § 9 Satz 1 ZPO zu bemessen, wenn das Stammrecht erfahrungsgemäß dreieinhalb Jahre dauern kann. Anderenfalls ist nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der geringeren Dauer zu bewerten.4 Der Wert einer Klage des Käufers gegen den Verkäufer (einer Eigentumswohnung) auf Beibringung der Zustimmung eines Dritten zum Grundstückserwerb bestimmt sich nach dem tatsächlichen Wert des Grundstücks.5

2.5529

Wenn die Lieferung von Sachen verlangt wird, ist deren Wert gem. § 6 Satz 1 ZPO anzusetzen, nicht 2.5530 die Höhe des Gewinnentgangs, wenn dieser nicht zugleich beziffert verlangt wird.6 Anders liegt es, wenn im Rahmen einer Bezugsverpflichtung auf Abnahme Einzelner oder künftiger Leistungen geklagt wird. Hier ist das Gewinninteresse des Klägers entscheidend. Ein zugleich gestellter Antrag auf Unterlassung des Leistungsbezuges bei einem Drittanbieter hat streitwertrechtlich denselben Gegenstand. Denn es geht um die Vermeidung eines Gewinnverlustes, so dass eine Zusammenrechnung ausscheidet.7 Wird auf Herausgabe eines Grundstücks geklagt, bleiben die darauf ruhenden Belastungen unberücksichtigt, soweit sie den objektiven Wert der Sache nicht beeinflussen. Lasten, die eine Beschränkung oder Beeinträchtigung des Eigentums bedeuten und deshalb den Verkehrswert vermindern, wie z.B. Grunddienstbarkeiten, setzen auch den Wert des Streitgegenstandes herab (auch hier sind die Einzelheiten streitig; s. dazu das Stichwort „Grundstück“, Rz. 2.2012).

2.5531

Geht der Streit lediglich um die Art und Weise der Erfüllung, dann ist der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an einer bestimmten Vertragserfüllung gem. § 3 ZPO zu schätzen8 (s. auch das Stichwort „Leistungsmodalitäten“, Rz. 2.2847). Hierbei kann der Streitwert der Klage auf Erfüllung der Lieferpflicht (Fertigstellung der bereits begonnenen Montage einer Maschine) nicht höher sein, als der Wert der Kaufsache im Zeitpunkt der Klageerhebung abzüglich des Wertes bereits erbrachter Teilleistungen (Gesamtpreis abzgl. Wert der Maschinenteile und der Teilmontage). Der Umstand, dass durch die Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen können, rechtfertigt keinen höheren Streitwert.9

2.5532

1 OLG Koblenz, AnwBl. 2000, 264; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 44, dort unter „Duldungsklage“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.55. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 196. 3 RGZ 45, 404; 140, 359; KG, JW 1931, 1047; BGH, Beschl. v. 26.1.1994 – XII ZR 237/93. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 17.8.2012 – 20 W 29/12 – Krankenkostenvollversicherungsvertrag; OLG Rostock, AGS 2019, 132 – Krankentagegeld. 5 OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2013 – 19 W 14/13. 6 OLG Breslau, OLGE 35, 188; OLG Königsberg, JW 1904, 341; a.A. OLG Rostock, OLGE 35, 23. 7 KG, JurBüro 1969, 1195 = Rpfleger 1969, 443. 8 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.185. 9 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111.

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2. Teil

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Verwahrung

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2.5533 Gegenleistungen, die der Kläger zu erbringen hat, sind nicht Streitgegenstand und bleiben deshalb bei der Bewertung unberücksichtigt.1 Ebenso verhält es sich bei einem vom Beklagten wegen eines Gegenrechts geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht. Die Einzelheiten sind sehr umstritten; s. näher dazu das Stichwort „Gegenleistung“, Rz. 2.1677 ff. Zur Ermittlung des Streitwertes ist in solchen Fällen auch nicht zwischen Leistung und Gegenleistung zu saldieren.2

2.5534 Erfüllungshandlungen des Beklagten verändern den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) nicht, solange keine entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Gericht abgegeben werden. So beispielsweise, wenn der Beklagte Teilzahlungen an den Kläger erbringt, Erledigungserklärungen zur Hauptsache aber erst später gegenüber dem Gericht abgegeben werden.3

Verwahrung 2.5535 Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Herausgabe der verwahrten Sache ist nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.

2.5536 Verlangt der Kläger jedoch nur vorzeitige Rückgabe der in Verwahrung gegebenen Sache (§ 695 BGB) und bestreitet der Beklagte seine Rückgabepflicht zum vereinbarten Zeitpunkt nicht, dann geht es nicht um die Frage der Rückgabe an sich, sondern nur um die vom Kläger verkürzte Verwahrungszeit. Sein Interesse an der Zeitverschiebung ist in diesen Fällen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

2.5537 Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung sämtlicher zukünftig aufzubringender Mehraufwendungen für die Verwahrung einer Sache ist nicht anhand von § 9 Satz 1 ZPO zu schätzen. Die Vorschrift betrifft nur solche Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens 42 Monaten haben oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunkts, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben können. Daher kann § 9 ZPO nur auf Rechte angewendet werden, die ihrer Beschaffenheit nach von dauerndem Bestand sind.4 Andernfalls gilt § 3 ZPO.5

2.5537a Bezüglich der Verwahrung im Hinblick auf § 410 FamFG s. das Stichwort „Verwahrung“ im freiwGTeil, Rz. 4.351.

Verweisung 2.5538 Gemäß § 281 Abs. 2 ZPO ist der Beschluss, mit dem sich ein Gericht auf Antrag für örtlich und/oder sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, unanfechtbar und für das aufnehmende Gericht bindend. Eine erneute Zuständigkeitsprüfung durch das aufnehmende Gericht ist im Umfang der Bindungswirkung unzulässig. Im Falle der (unstatthaften) Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss ist der Gegenstandswert mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu bestimmen.6 1 RGZ 140, 359; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1994, 738. 2 KG, JW 1931, 1047; OVG Bremen, Beschl. v. 21.3.1983 – 1 B 52/82, AnwBl. 1984, 50. 3 OLG Stuttgart, JurBüro 1981, 860 = Justiz 1981, 316; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1197; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 241; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 10.3.1981 – 9 W 30/81, JurBüro 1981, 921. 4 BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, 144, 147. 5 BGH, Beschl. v. 4.3.2008 – VIII ZR 228/07 (Verwahrung eines Reitpferdes). 6 LG Kassel, Beschl. v. 20.11.2013 – 3 T 565/13, AGS 2014, 134: 1/5.

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2. Teil

Von dem Antrag auf Verweisung ist der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu unterscheiden. Dessen Bewertung richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers, die Antragsgegner bei demselben Gericht zu verklagen, und entspricht in der Regel einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache.1 Weitere Ausführungen unter dem Stichwort „Zuständigkeit“, Rz. 2.6359.

2.5539

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Verzicht

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Beruht die Verweisung auf einer streitwertbezogenen sachlichen Unzuständigkeit (§ 23 Nr. 1, § 71 2.5540 Abs. 1 GVG), geht dem Beschluss häufig eine gesonderte Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes voraus, zumindest sollten seinen Gründen Ausführungen zum Streitwert zu entnehmen sein. An diese (konkludente) Streitwertfestsetzung ist das aufnehmende Gericht gem. § 48 Abs. 1, § 62 GKG auch hinsichtlich des Gebührenstreitwertes insoweit gebunden, als diese durch das Unter- oder Überschreiten der 5000-Euro-Grenze die sachliche Zuständigkeit begründet. Im Übrigen besteht jedoch keine Bindung, so dass der Gebührenstreitwert bis zu dieser Grenze herab- bzw. heraufgesetzt werden darf.2 Zum Beschwerdewert bei der Rechtswegverweisung (§ 17a Abs. 4 GVG) s. unter dem Stichwort „Rechtswegverweisung“, Rz. 2.4323 ff.

2.5541

Verwendungsersatz 2.5542

Siehe das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962 ff.

Verzicht Literatur: Madert, Zum Streitwert eines Unterhaltsverzichts, AGS 2000, 112; Enders, Außergerichtliche Tätigkeit – Gegenstandswert Unterhalt – Teil 1, JurBüro 1996, 57, 61; Enders, Außergerichtliche Tätigkeit – Gegenstandswert Testament, Erbvertrag und Erbverzicht, JurBüro 1996, 169 ff.

A. Allgemeines Der Verzicht auf eine bestehende Forderung ist ein Erlass (§ 397 BGB). Hierbei handelt es sich um einen Vertrag, da nach dem Gesetz ein einseitiger Verzicht nicht vorgesehen ist.3 Demgegenüber kann der Berechtigte einseitig auf die Erhebung von Einreden oder die Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Kündigung) verzichten. Für die Bewertung, insbesondere von Vergleichsvereinbarungen, ist daher zu unterscheiden:

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR 9/07, MDR 2008, 473: 1/5; OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.3.2020 – 9 W 5/20, Nds.Rpfl. 2020, 279: 1/10; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2006 – 4 SmA 21/06, NZG 2006, 902: 1/10; OLG Köln, AGS 2003, 205 m. Anm. N. Schneider: 1/10; BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 17 AR 20/02, IBR 2002, 584 m. Anm. Mandelkow: 1/4; KG, Beschl. v. 23.6.2000 – 28 AR 62/00, KGReport Berlin 2000, 310. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1960, 168; Anders/Gehle/Kunze, Verweisung, Rz. 1; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50. 3 Palandt/Grüneberg, § 397 BGB Rz. 1.

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2.5543

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2. Teil

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Verzicht

ZPO

B. Verzicht auf Forderung 2.5544 Geht es um den Erlass eines Anspruchs (Forderung), ist der Wert einer dahingehenden Vereinbarung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG, nach den allgemeinen Regeln zu schätzen. Bestehen für die Bewertung der erlassenen Forderung streitwertrechtliche Sonderregeln, sind diese mit zu berücksichtigen.1

2.5545 Verzichtet in einem Prozessvergleich eine Partei auf einen erheblichen Teil von nicht rechtshängigen Ansprüchen, so sind bei der Festsetzung des Vergleichswerts Abstriche zu machen, soweit diese Ansprüche nicht realisierbar gewesen wären2 (s. dazu das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5051).

2.5546 Der Verzicht des Beklagten auf das ihm zustehende Abänderungsrecht nach § 323 ZPO beeinflusst den Streitwert der Klageforderung nicht.

2.5547 Im Unterhaltsrecht kann der nacheheliche Ehegattenunterhalt Gegenstand einer Erlassvereinbarung sein, § 1585c BGB. Nicht verzichtet werden kann dagegen auf Unterhalt für die Dauer des Getrenntlebens (§ 1361 Abs. 4, § 1360a Abs. 3, § 1614 Abs. 1 BGB), auf Kindesunterhalt (§ 1614 Abs. 1 BGB) und auch nicht auf Verwandtenunterhalt (§ 1614 Abs. 1 BGB). Der Wert eines Unterhaltsverzichts in einem Vergleich bestimmt sich nach dem Jahresbetrag des Unterhaltes, auf den verzichtet worden ist.3 Wird neben zukünftigem Unterhalt auch auf bereits fällige Unterhaltsbeträge verzichtet, sind diese gesondert zu bewerten und hinzuzurechnen.4 Zu den Einzelheiten s. auch unter dem Stichwort „Unterhaltssachen“, Rz. 3.2006 im FamFG-Teil.

2.5548 Auch der Verzicht des Klägers, der Unterhalt zu verlangen hat, auf eine Abänderung zu seinen Gunsten, also auf eine Erhöhung des Unterhaltes, bleibt unberücksichtigt.5

2.5549 Der Wert des Erbverzichts (§ 2346 ff. BGB) bestimmt sich nach dem Wert des auf den potentiellen Erben entfallenden Anteil am Nachlass.6

C. Verzicht auf Einrede/Gestaltungsrecht 2.5550 Verzichtet der Berechtigte (einseitig) auf die Ausübung von Gestaltungsrechten, wird maßgeblich darauf abzustellen sein, inwieweit der Bestand der Klageforderung hiervon betroffen gewesen wäre.

2.5551 Vereinbarungen über den „befristeten Verzicht“ auf die Erhebung der Verjährungseinrede sind oftmals Gegenstand eines (außergerichtlichen) Zwischenvergleichs. Da sie regelmäßig nur der Ermöglichung weiterer Sachaufklärung oder Vergleichsverhandlungen dienen und nicht den Bestand der (streitigen) Forderung berühren, ist eine Bruchteilsbewertung geboten. Hiervon abweichend ist der Streitwert nach dem vollen Betrag der Forderung zu bemessen, wenn der Schuldner auf die Geltendmachung einer bereits eingetretenen Verjährung verzichtet7 oder mit dem Gläubiger eine Verlängerung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist vereinbart.8 1 Madert, AGS 2000, 112. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 22.9.1988 – 6 W 29/88, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.1980 – 5 U 124/79, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2000 – 10 W 19/00, OLGR 2000, 404; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.9.1987 – 7 Ta 140/87, JurBüro 1988, 778; LAG Hamm, MDR 1980, 613; LAG Hamburg, Beschl. v. 15.10.1985 – 3 Ta 16/85, JurBüro 1986, 752; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.177; a.A. Mümmler, JurBüro 1991, 767, 770; LAG Frankfurt, NJW 1964, 2129. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.8.2013 – 11 WF 181/13, MDR 2013, 1104 – zu § 42 Abs. 1, 51 FamGKG; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.5.1999 – 16 UF 226/96, AGS 2000, 112 m. Anm. Madert. 4 Enders, JurBüro 1999, 337. 5 OLG Nürnberg, Bay.JMBl. 1959, 170. 6 Enders, JurBüro 1996, 169. 7 Vgl. etwa BGH, DB 1974, 2005. 8 Vgl. etwa OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.2.2005 – 9 WF 38/05, NJW-RR 2005, 871.

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Verzicht

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2. Teil

Der vom Mieter im Räumungsvergleich erklärte Verzicht auf Räumungsschutz ist, weil es sich inso- 2.5552 weit um einen selbständigen prozessualen Anspruch handelt, gesondert zu bewerten. Regelmäßig ist eine Bewertung i.H.v. drei Monatsmieten angemessen.1

D. Verzicht und Vergleich Die Einbeziehung nicht anhängiger Forderungen in einen Vergleich wirkt sich auf den Streitwert des Verfahrens grundsätzlich nicht aus. Lediglich dann, wenn die Forderung zur Aufrechnung gestellt war, kann der vergleichsweise Verzicht den Wert des Verfahrens erhöhen (§ 45 Abs. 4, 3 GKG).

2.5553

Wird auf eine Forderung verzichtet, die primär zur Aufrechnung gestellt worden ist, erhöht sie den Streitwert nicht (arg. e. § 45 Abs. 4 GKG), weil dies ein einfaches Bestreiten der Klageforderung darstellt.

2.5554

Gleiches gilt für den Verzicht auf eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung, wenn die Klageforderung unstreitig geblieben ist (arg. e. § 45 Abs. 4 GKG).

2.5555

Wird in einem Vergleich auf eine Forderung verzichtet, die bei streitiger Klageforderung im Prozess hilfsweise zur Aufrechnung gestellt worden ist, so ist der Wert dieser Forderung nach § 45 Abs. 4, 3 GKG dem Wert der Klageforderung hinzuzurechnen.

2.5556

Zu beachten ist aber wiederum, dass sich der Streitwert des Verfahrens nur insoweit erhöht, als im 2.5557 Falle einer Entscheidung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung möglich gewesen wäre. Daher wirkt auch der vergleichsweise Verzicht über eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung nur bis zur Höhe der Klageforderung. Siehe dazu das Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.369 ff. Soweit in diesem Fall auf mehrere Forderungen verzichtet wird, sind die Werte der einzelnen Forderungen zusammenzurechnen, wobei jede Forderung maximal mit dem Wert der Klage berücksichtigt werden darf. Siehe dazu das Stichwort „Aufrechnung“, Rz. 2.369 ff.

2.5558

Im Übrigen spielt ein Forderungsverzicht über nicht anhängige Gegenstände beim Streitwert des Verfahrens keine Rolle. Soweit in einem Vergleich auf nicht anhängige Forderungen verzichtet wird und ihr Wert nicht bereits nach § 45 Abs. 4, 3 GKG beim Streitwert des Verfahrens berücksichtigt ist, kann insoweit ein Mehrwert vorliegen, der die Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG auslöst.

2.5559

Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 t. Der Beklagte bestreitet die Klageforderung und verteidigt sich mit einer Gegenforderung i.H.v. 15.000 t, die er hilfsweise zur Aufrechnung stellt und die der Kläger wiederum bestreitet. Später schließen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtet, zum Ausgleich der Klageforderung 5.000 t zu zahlen und auf seine Gegenforderung verzichtet.

2.5560

Der Wert des Verfahrens beläuft sich auf 20.000 t (§ 45 Abs. 3, 4 GKG); der Mehrwert des Vergleichs auf 5.000 t.

Zu beachten ist allerdings, dass der Mehrwert des Vergleichs nicht zwingend mit dem Wert der Forderung anzusetzen ist, auf die verzichtet wird. Der Wert eines Vergleichs richtet sich nicht danach, worauf sich die Parteien einigen, sondern darauf, worüber sie sich einigen. Eine Forderung, auf die verzichtet wird, ist daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sie auch streitig war.

2.5561

Beispiel: Der Vermieter verlangt Renovierungskosten i.H.v. 5.000 t, die der Beklagte bestreitet. Im Rechtsstreit schließen die Parteien später einen Vergleich, wonach sich der Beklagte verpflichtet, noch 1.000 t zu

2.5562

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137710, JurBüro 2012, 303.

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2. Teil

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Verzögerungsgebühr

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zahlen und gleichzeitig auf die Rückzahlung seiner ihm unstreitig zustehenden Mietkaution im Wert von 2.000 t zu verzichten. Der Wert des Verfahrens beläuft sich auf 5.000 t. Der Vergleich hat keinen Mehrwert, weil die Forderung auf Rückzahlung der Mietkaution nicht streitig war. Der Forderungsverzicht war hier faktisch nur ein Zahlungsersatz für die streitige Klageforderung. Faktisch haben sich die Parteien auf Renovierungskosten i.H.v. 3.000 t geeinigt und dann eine unstreitige – nicht werterhöhende – Aufrechnung mit dem Kautionsguthaben vorgenommen.

2.5563 Werden in einem Vergleich nicht rechtshängige, aber behauptete erhebliche Schadensersatzansprüche, deren Realisierbarkeit zweifelhaft ist, mitgeregelt, so ist der Vergleichsmehrwert auf den voraussichtlich zu realisierenden Betrag festzusetzen. Es kommt weder auf den behaupteten Anspruch noch auf das Ergebnis an.1

Verzögerungsgebühr 2.5564 Wird durch Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten der Gang eines Rechtsstreites verzögert, dann kann das Gericht dies mit einer besonderen 1,0-Gebühr ahnden, die bis auf ein Viertel ermäßigt werden kann, § 38 GKG. Der Ansatz der vollen Gebühr ist der vom Gesetz vorgesehene Regelfall, die im Ermessen des Gerichts stehende Ermäßigung soll die Ausnahme.2

2.5565 Der Gebührenstreitwert bestimmt sich nach dem Wert der Hauptsache, soweit sich die Verzögerung auf das gesamte Verfahren auswirkt. Erfasst die Verzögerung nur einen Teil des Prozesses, bleibt der Hauptsachewert maßgebend, wenn hinsichtlich des nicht betroffenen Teils kein Teilurteil ergeht.3

2.5566 Geht die Verzögerung von einem oder mehreren Streitgenossen aus, ist der Streitwert unter Berücksichtigung ihrer Beteiligung am Rechtsstreit zu bemessen, arg. § 100 Abs. 2 ZPO.4

2.5567 Für die Wertbestimmung ist auf den Zeitpunkt der Verzögerungshandlung oder der prozessualen Unterlassung, die sich verzögernd ausgewirkt hat, abzustellen.5 Der abweichenden Ansicht, wonach es auf den Zeitpunkt ankomme, in dem der Bestrafungsbeschluss ergeht,6 kann nicht gefolgt werden, weil sich die Bestrafungsgebühr gegen eine konkrete verzögernde Handlung oder Unterlassung richtet, für die der Zeitpunkt der Beschlussfassung gleichgültig ist. Anderenfalls hätte das Gericht es in der Hand, die Höhe der Gebühr zu beeinflussen, indem es mit der Bestrafung zuwarten könnte, bis beispielsweise eine streitwerterhöhende Widerklage erhoben oder eine Antragserweiterung vorgenommen würde.

2.5568 Gegen die Verhängung ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 t übersteigt, gem. § 69 GKG die Beschwerde zulässig. Dies gilt auch, wenn die Verhängung nicht durch Beschluss, sondern im Urteil erfolgt.7 Der Beschwerdewert richtet sich dann nach dem Betrag der auferlegten Verzögerungsgebühr.8

1 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 1.2.2011 – 5 Ta 229/10. 2 OLG Celle, Beschl. v. 28.8.2017 – 11 W 31/17, JurBüro 2018, 241 – Nichterscheinen der Partei: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.2.2015 – 6 W 1/15 – „Flucht in die Säumnis“. 3 Schneider/Volpert/Fölsch/Thiel, Gesamtes Kostenrecht, § 38 GKG Rz. 17. 4 Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 38 GKG Rz. 16. 5 LG Göttingen, Beschl. v. 25.11.2016 – 16 O 1643/13. 6 Toussaint/Toussaint, KostR, § 38 GKG Rz. 37; zweifelnd Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 38 GKG Rz. 19. 7 OLG Celle, Beschl. v. 17.4.2000 – 8 W 186/00, MDR 2001, 350 m. Anm. Schmidt. 8 OLG Naumburg, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 W 29/11, BauR 2012, 1838; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 70/07, MDR 2007, 1345; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.1.2020 – L 5 AS 1483/19 B.

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Vollmacht

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2. Teil

2.5569

Siehe das Stichwort „Überlanges Gerichtsverfahren“, Rz. 2.4839 ff.

Verzugskostenpauschale Nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB kann ein Gläubiger gegenüber seinem Schuldner, wenn dieser Verbraucher ist, bei Verzug eine sog. Verzugskostenpauschale i.H.v. 40 t verlangen. Umstritten ist, ob diese Verzugskostenpauschale, wenn sie mit dem zugehörigen Anspruch geltend gemacht wird, aus dem sie hergeleitet wird, beim Wert zu berücksichtigen ist, oder ob es sich um eine Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG handelt.

2.5570

Nach Auffassung des LAG Hamm1 soll es sich bei der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht um „Kosten“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG handeln, so dass sie daher bei Ermittlung des Wertes zu berücksichtigen sei. Nach BAG2 und LAG Bremen3 erhöht die Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB den Wert nicht, wenn sie neben der zugehörigen Hauptforderung geltend gemacht wird.

2.5571

Verzugszinsen 2.5572

Siehe das Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.

Vollmacht A. Erteilung einer Vollmacht Wird auf Erteilung einer Vollmacht geklagt, dann richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Maß- 2.5573 gebend ist das Interesse des Vollmachtnehmers an der von ihm in Anspruch genommenen Vertretungsbefugnis. Nähere Darlegungen dazu sind dann unerlässlich (§ 61 GKG), da grundsätzlich niemand daran interessiert sein kann, einen anderen gegen dessen Willen zu vertreten. Anders liegt es, wenn diese Tätigkeit zu vergüten wäre. In diesem Fall ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO auf die Höhe der zu erwartenden Vergütung abzustellen.

B. Herausgabe einer Vollmachtsurkunde Wird auf Herausgabe einer Vollmachtsurkunde geklagt, weil die Bevollmächtigung widerrufen worden sei, dann ist das Herausgabeinteresse ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen.4 Wesentlicher Bemessungsgesichtspunkt ist die Gefahr des Vollmachtsmissbrauchs.

1 2 3 4

LAG Hamm, Urt. v. 29.11.2017 – 6 Sa 620/17, AGS 2018, 228 = RVGreport 2018, 18. BAG, Urt. v. 27.3.2019 – 5 AZR 591/17, MDR 2019, 1512 = NJW 2019, 2420. LAG Bremen, Beschl. v. 8.2.2018 – 3 Ta 49/17, AGS 2018, 229 = RVGreport 2018, 189. OLG Naumburg, OLGE 21, 59.

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2.5574

ZPO

Verzögerungsrüge

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2. Teil

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Vollstreckbare Ausfertigung

2.5575 § 3 ZPO ist ebenso anzuwenden, wenn der Streit darüber geht, ob eine erteilte Vollmacht fortbesteht

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oder erloschen ist. Auch wirkt sich die Gefahr des Vollmachtmissbrauchs werterhöhend aus.

C. Streit über das Bestehen einer Vollmacht 2.5576 Der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Vollmacht richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an der Feststellung des Vollmachtsverhältnisses. Dabei sind etwaige Schäden auf Grund eines möglichen Missbrauchs zu schätzen und bei der Streitwertbemessung zugrunde zu legen. Der Wert kann aber nicht höher liegen als der Wert der Rechte, die durch die Vollmacht begründet werden können.

D. Anfertigen und Beurkunden einer Vollmacht 2.5577 Für das Anfertigen bzw. das Beurkunden einer Vollmacht dürfte auf das damit verbundene Interesse abzustellen sein, insbesondere auf den Wert des Vermögens, über das mit der Vollmacht verfügt werden kann; hiervon ist dann eine Quote je nach Bedeutung der Vollmacht anzunehmen.

2.5578 Für die Beurkundung einer Altersvorsorgevollmacht als Generalvollmacht ist der Geschäftswert nach der Höhe des Aktivvermögens ohne Abzug der darauf lastenden Verbindlichkeiten zu berechnen. Eine Herabsetzung des Geschäftswertes wegen der Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall kommt nicht in Betracht, wenn die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt ist und den Bevollmächtigten Ausfertigungen der Vollmacht erteilt werden.1 Das LG Osnabrück2 hat dagegen nur die Hälfte des Vermögens als Wert angenommen.

Vollstreckbare Ausfertigung 2.5579 Der Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung (§ 733 ZPO) bestimmt sich nach dem Streitwert des zu vollstreckenden Anspruchs.3 Siehe auch das Stichwort „Vollstreckungsklausel“, Rz. 2.5615.

Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs 2.5580 Wie bei dem Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach §§ 1060, 1061 ZPO, bedarf auch der Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO) der Vollstreckbarerklärung. Erst dadurch wird der Vollstreckungstitel als wirksam und vollstreckungsfähig festgestellt. In dem Verfahren wird der Vergleich in vollem Umfang gerichtlich überprüft, was wiederum für den Gegenstandswert der an-

1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.7.2005 – 3 W 31/05, FamRZ 2006, 499; LG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2007 – 2 T 532/07, FamRZ 2008, 2298. 2 LG Osnabrück, Nds.Rpfl. 1997, 28. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2012 – 7 W 56/12, MDR 2013, 428; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.7.2013 – 3 W 295/13; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.5.2007 – 5 W 74/07, MDR 2008, 49; OLG Jena, Beschl. 3.9.1999 – 6 W 298/99, Rpfleger 2000, 76.

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Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO)

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2. Teil

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waltlichen Gebühren, wertabhängige Gerichtsgebühren fallen nicht an, den Ansatz des Hauptsachewertes rechtfertigt.1

Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils Die Klage auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils (§ 722 ZPO) ist kein Akt der Zwangs- 2.5581 vollstreckung, so dass nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht zuständig ist. Die Kosten und Zinsen, die das ausländische Urteil zuerkannt hat, sind deshalb bei der Festsetzung des Streitwerts grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.2 Entscheidend ist allein der Wert des im ausländischen Urteil titulierten Gegenstandes, für welchen das Vollstreckungsurteil beantragt wird. Ein widerklagend geltend gemachter Anspruch auf negativer Anerkennungsfeststellung ist wegen wirtschaftlicher Identität nicht werterhöhend zu berücksichtigen.3 Für die Kosten wird dann eine Ausnahme gemacht, wenn sie im ausländischen Urteil ziffernmäßig allein oder neben der Hauptforderung genannt sind.4 Dagegen bestehen allerdings Bedenken, weil der Streitwert für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel nach deutschem Recht zu bestimmen ist. Dieses kennt jedoch keine Vorschrift, welche die Umwandlung der Kosten-Nebenforderung in eine Hauptforderung anordnet.

2.5582

Geht es um ein Urteil auf Zahlung gesetzlichen Unterhalts, dann ist § 42 Abs. 1 GKG anwendbar. Die Rückstände bestimmen sich jedoch in diesem Fall nicht nach § 42 Abs. 4 GKG, sondern nach dem Tenor des ausländischen Titels;5 nicht titulierte Rückstände bleiben deshalb außer Ansatz.6

2.5583

Im Rechtsbeschwerdeverfahren richtet sich der Streitwert für die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung nach dem Wechselkurs bei Eingang der Rechtsbeschwerde.7

2.5584

Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) Die Rechtsmitteleinlegung verbundene Hemmung der Rechtskraft erfasst das Urteil in seinem vollen Umfang auch dann, wenn es nur teilweise angefochten wird.8 Zum Ausgleich ist das Urteil, soweit 1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.2012 – 8 W 34/12, MDR 2012, 868; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.11.1999 – 3 WF 210/99, FamRZ 2000, 1520; ebenso für den Schiedsspruch BGH, Beschl. v. 23.7.2019 – I ZB 1/16; BGH, Beschl. v. 16.5.2019 – I ZB 46/18, JurBüro 2019, 423. 2 BGH, Beschl. v. 8.10.1956 – II ZR 305/55, LM Nr. 7 zu § 4 ZPO; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117; OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1994 – 16 W 29/94, OLGR 1994, 236; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1404; LG Karlsruhe, Beschl. v. 28.8.1991 – 11 O 112/90, IPRspr. 1991, Nr. 200d, 417. 3 LG Bremen, Beschl. v. 3.4.2020 – 3 O 1581/18, IWRZ 2020, 191. 4 So BGH, Rpfleger 1957, 15 m. abl. Anm. Lappe; wohl auch OLG Zweibrücken, JurBüro 1986, 1404 und OLG München, Beschl. v. 17.1.1997 – 21 W 3225/96, OLGR 1997, 203. 5 So OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.1997 – 12 W 14/96, OLGR 1997, 164; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1404. 6 BGH, Beschl. v. 19.11.2008 – XII ZB 195/07, MDR 2009, 173; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.2007 – 3 W 125/07, FamRZ 2008, 904; OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2005 – 21 UF 670/05, FamRZ 2006, 563; OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.1997 – 12 W 14/96, OLGR 1997, 164; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1401; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.1.1990 – 2 WF 11/90. 7 BGH, Beschl. v. 13.1.2010 – XII ZB 12/05. 8 Zur Rechtskrafthemmungswirkung in der Berufungsinstanz vgl. Zöller/Heßler, § 537 ZPO Rz. 1 sowie BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296.

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2. Teil

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Vollstreckungsabwehrklage

ZPO

nicht angefochten wird, auf Antrag des Vollstreckungsgläubiger (ohne Sicherheitsleistung) für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Urteils nach §§ 537, 558 ZPO bedarf es keines Streitwerts für die Zuständigkeit, da die Zuständigkeit des Berufungs- bzw. Revisionsgerichts in § 537 Abs. 1 Satz 1, § 558 Satz 1 ZPO vorgegeben ist. Auch eine Festsetzung des Gebührenstreitwerts ist nicht erforderlich, da für das Verfahren keine Gerichtsgebühren anfallen.

2.5586 Der Anwalt erhält für seine Tätigkeit im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung (§§ 537, 558 ZPO) eine eigenständige Verfahrensgebühr nach Nr. 3329 VV RVG, wenn und soweit der nicht angegriffene Teil des Urteils zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens war. Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG zu schätzen.

2.5587 Die konkrete Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren ist umstritten: 2.5588 Nach einer Meinung ist nur ein Bruchteil des vollen Werts des nicht angefochtenen Teils des Urteils anzusetzen, der überwiegend mit 1/5 angenommen wird.1 Begründet wird dies damit, dass die Vollstreckbarerklärung nur eine vorläufige Regelung darstellt und den Gegner nicht an der Erweiterung seines Rechtsmittels hindert, womit das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers nur in der Ersparung der sonst erforderlichen Sicherheitsleistung liegt.

2.5589 Die Gegenmeinung2 bemisst den Streitwert nach dem vollen Wert der Verurteilung. Sie stellt maßgeblich darauf ab, dass das Interesse des Gläubigers, bereits vor Eintritt der Rechtskraft vollstrecken zu können, schon im Hinblick auf einen möglichen „Wettlauf“ mit anderen Gläubigern mit dem vollen Wert anzusetzen ist.

2.5590 Gegen die zweite Meinung spricht, dass die Vollstreckbarerklärung nur eine vorläufige Regelung darstellt und der Gegner sein Rechtsmittel erweitern kann3, womit das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers nur in der Ersparnis der sonst erforderlichen Sicherheitsleistung liegt.

Vollstreckungsabwehrklage A. Allgemeines 2.5591 Die Vollstreckungsabwehrklage (Vollstreckungsgegenklage) ist eine prozessuale Gestaltungsklage, die den endgültigen oder zeitweisen Ausschluss der Vollstreckung durch Einwendungen des Vollstreckungsschuldners gegen den titulierten Anspruch zum Gegenstand hat.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 12.1.1993 – 2 UF 427/91, FamRZ 1994, 248; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1995 – 5 U 22/95, OLGR 1996, 48. 2 Schneider/Wolf, RVG, Nr. 3329 VV Rz. 26; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3329 Rz. 10; Mayer/Kroiß/ Gierl, Anh. I, VIII. Rz. 27; LG Bonn, Beschl. v. 15.1.2001 – 7 O 325/97, MDR 2001, 416 m. Anm. N. Schneider. 3 Hierzu sowie zur Abgrenzung zum Anfechtungsverzicht vgl. Zöller/Heßler, § 520 ZPO Rz. 31 sowie BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296.

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Vollstreckungsabwehrklage

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2. Teil

Für Vollstreckungsklagen gegen deutsche Urteile ist streitwertunabhängig das Prozessgericht des ersten Rechtszuges nach § 767 Abs. 1 ZPO ausschließlich zuständig. Man braucht daher keinen Zuständigkeitsstreitwert zu bestimmen.

2.5592

Richtet sich die Klage gegen die Vollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden (§ 796 Abs. 3 ZPO), voll- 2.5593 streckbaren Anwaltsvergleichen (§ 796b Abs. 1 ZPO), vollstreckbaren Urkunden (§ 797 Abs. 5 ZPO), vollstreckbaren Gütestellenvergleichen (§ 797a Abs. 3, § 797 Abs. 5 ZPO) oder aus in Deutschland vollstreckbaren EU-ausländischen Titeln (§ 1117 Abs. 1, § 1086 Abs. 1 ZPO)1 bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit dagegen nach den allgemeinen Regeln der §§ 23, 71 GVG.

I. Art des angefochtenen Titels Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert der Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich gem. § 3 2.5594 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung, mithin nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs.2 1. Zahlungstitel Bei Zahlungstiteln ist daher der Betrag der Hauptforderung ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen.3

2.5595

Die titulierten Zinsen erhöhen den Streitwert wegen § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG grundsätzlich 2.5596 nicht.4 Die Kosten des Vorprozesses bleiben bereits deswegen außer Betracht, weil sie nicht streitgegenständlich sind, da ein der Vollstreckungsabwehrklage stattgebende Urteil die Kostenentscheidung ohne besonderen Antrag nicht erfasst.5 Richtet sich die Vollstreckungsabwehrklage gegen ein Urteil und den darauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss, sind die Kosten des Vorprozesses zwar streitgegenständlich, bleiben bei der Berechnung des Streitwerts aber als Nebenforderung gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.6 Wenn sich die Vollstreckungsabwehrklage nur gegen die Kosten oder Zinsen richtet, berechnet man den Streitwert nach ihnen, weil sie dann keine Nebenforderungen sind.7 Bei Vollstreckungsabwehrklagen gegen Urteile, die wiederkehrende Leistungen tituliert haben, ist § 9 ZPO zu beachten, so bei einer Klage gegen einen Leibrentenanspruch.8 Wegen der Vollstreckungsabwehr bei Unterhaltstiteln schlage man im FamR-Teil beim Stichwort „Vollstreckungsabwehrantrag“ Rz. 3.2591 ff. nach.

2.5597

Wird eine Vollstreckungsabwehrklage auf eine Hauptaufrechnung gestützt, beeinflusst das den Streitwert nicht.9 Wird sie dagegen mit einer Hilfsaufrechnung begründet, ist der Vollstreckungsklä-

2.5598

1 BT-Drucks. 18/823, 23; BT-Drucks. 15/5222, 15. 2 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; BGH, Beschl. v. 20.9.1995 – XII ZR 220/94, MDR 1995, 1258; BGH, Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.4.2015 – 5 W 23/15. 3 BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – IX ZR 115/15, MDR 2016, 57. 4 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064. 5 BGH, Urt. v. 20.9.1995 – XII ZR 220/94, MDR 1995, 1258. 6 BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – IX ZR 115/15, MDR 2016, 57; BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2006 – 5 W 60/06, MDR 2007, 355. 8 RG, Beschl. v. 15.3.1937 – IV 277/35, JW 1937, 1433. 9 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.5.2014 – 7 U 12/14, MDR 2014, 857.

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B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert

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2. Teil

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Vollstreckungsabwehrklage

ger in Höhe der titulierten Forderung und der aberkannten Aufrechnungsforderung beschwert, wenn seine Klage abgewiesen wird.1 Soweit über die Hilfsaufrechnung rechtskräftig entschieden wird, erhöht sie gem. § 45 Abs. 3 GKG den Gebührenstreitwert.2 2. Duldungstitel

2.5599 Soll durch eine Vollstreckungsabwehrklage die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde über eine Buchgrundschuld für unzulässig erklärt werden und ist die Zwangsversteigerung bereits erfolgt, entspricht der Streitwert dem Betrag des noch hinterlegten restlichen Versteigerungserlös, wenn er geringer ist als die vollstreckbare Forderung.3 3. Räumungstitel

2.5600 Bei einer Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Räumungstitel bemisst sich der Gebührenstreitwert nach § 41 GKG und der Rechtsmittelstreitwert nach §§ 8, 9 ZPO.4 4. Auskunftstitel

2.5601 Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage gegen Auskunftstitel5 oder titulierte Rechnungslegungspflichten6 bemisst sich nach dem mit der Auskunft oder Rechnungslegung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand sowie einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse. Der Streitwert wird daher nach denselben Grundsätzen ermittelt wie die Beschwer eines zur Auskunft Verurteilten.

II. Umfang der Anfechtung 2.5602 Der Kläger bestimmt den Streitgegenstand. Maßgeblich ist der Umfang, in dem er die Vollstreckung aus dem Titel ausschließen lassen will. Nur dieser Streitgegenstand bestimmt den Streitwert. Bei Zahlungstiteln kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung realisierbar ist, ob sie in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird.7

2.5603 Der Kläger kann sein Ausschlussbegehren beschränken. Ergibt sich aus Klageantrag oder -begründung, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teil- oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll, ist deswegen nur dieser Teilbetrag der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen.8

2.5604 Die Beschränkung des Ausschlussbegehrens kann sich nicht nur aus dem Klageantrag, sondern auch aus der Klagebegründung oder konkludent aus sonstigen Umständen ergeben.9 Entgegen teil1 BGH, Beschl. v. 25.10.1967 – V ZR 29/66, BGHZ 48, 356; BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2008 – 23 U 30/07, JurBüro 2008, 315. 4 BGH, Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, NJW-RR 1992, 190. 5 BGH, Beschl. v. 21.1.2009 – IV ZB 35/08, ZEV 2009, 246; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.3.1989 – 2 UF 140/88, FamRZ 1989, 770. 6 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488. 7 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 340/04, MDR 2006, 1064; BGH, Beschl. v. 8.5.2014 – V ZR 82/13; OLG Rostock, Urt. v. 30.1.2013 – 1 U 75/11, NZG 2013, 543; a.A. E. Schneider, MDR 1988, 358, 360 f., der für wertlose Forderungen Abschläge vornehmen will. 8 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; BGH, Beschl. v. 26.3.2012 – XI ZR 227/11. 9 OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1975 – 2 W 137/75, Rpfleger 1976, 138; so auch OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1999 – 21 W 56/98, JurBüro 1999, 326; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.2.2000 – 13 WF 64/00, FamRZ 2001, 845.

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Vollstreckungsabwehrklage

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2. Teil

Eine Erklärung des Gläubigers (Vollstreckungsabwehrbeklagten), nur wegen einer Teilforderung voll- 2.5605 strecken zu wollen, ermäßigt den Streitwert nicht.3 Allein der Vollstreckungsabwehrkläger bestimmt den Streitgegenstand und bloße Absichtserklärungen des Gläubigers machen den Titel nicht teilweise vollstreckungsunfähig. Missverständlich ist daher die Entscheidung des OLG Hamm,4 wonach sich der Streitwert reduziere, wenn der Gläubiger vorprozessual erklärt habe, trotz Vorliegens eines höherwertigen Titels lediglich wegen eines Teilbetrags vollstrecken zu wollen. Diese Erklärung des Gläubigers mag allenfalls zusammen mit weiteren Gesichtspunkten auf eine stillschweigende Beschränkung der Abwehrklage durch den Kläger hindeuten. Der volle titulierte Betrag ist auch dann maßgebend, wenn der Gläubiger nur Ratenzahlungen nach Maßgabe ihrer Fälligkeit und damit derzeit nur einen Teilanspruch aus dem Titel vollstrecken kann oder will,5 etwa weil er vorprozessual erklärt hat, er wolle aus einem höherwertigen Titel lediglich wegen eines Teilbetrags vollstrecken.6

2.5606

Tragen beide Parteien übereinstimmend teilweise Erfüllung des Zahlungstitels vor, beantragt der Ti- 2.5607 telschuldner aber gleichwohl uneingeschränkt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung, dann ist der unstreitig erfüllte Teilbetrag nur mit einem geringen Titulierungsinteresse zu bewerten.7 Auf den Umfang der bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen kommt es daher nicht an.8 Will der Vollstreckungsabwehrkläger die Zwangsvollstreckung nur einstweilen verhindern, etwa indem er die Fälligkeit des titulierten Anspruchs bestreitet, bemisst man den Streitwert nach seinem Interesse am Vollstreckungsaufschub.9 Das entsprechend geminderte Interesse muss der Klageantrag ausdrücken.

2.5608

III. Klagehäufung 1. Objektive Klagehäufung Der Antrag, die Zwangsvollstreckung in Höhe eines bestimmten bereits beigetriebenen Betrags für unzulässig zu erklären, und der Antrag auf Rückzahlung des beigetriebenen Betrags sind wirtschaftlich identisch und werden nicht nach § 5 ZPO, § 39 GKG zusammengerechnet.10

2.5609

Wird die Vollstreckungsabwehrklage mit einer Klage auf Herausgabe des angegriffenen Titels analog § 371 BGB verbunden, erhöht der Herausgabeantrag den Streitwert nicht.11 Das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse an der Herausgabe des Titels bemisst sich nach dem Missbrauchsrisiko, das wegen § 775 Nr. 1 ZPO vernachlässigt werden kann, wenn der Kläger über ein Urteil verfügt, das die

2.5610

1 OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 8.3.1991 – 12 W 2/91, Rpfleger 1991, 387. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 8.3.1991 – 12 W 2/91, Rpfleger 1991, 387; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2015 – 6 U 85/15. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 31.3.1988 – 2 W 20/88, JurBüro 1988, 1078. 5 OLG Celle, Beschl. v. 31.10.1966 – 8 U 46/66, JurBüro 1966, 1080. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 31.3.1988 – 2 W 20/88, JurBüro 1988, 1078. 7 OLG Koblenz, Urt. v. 18.3.1988 – 5 U 1743/87, JurBüro 1989, 133; s. dazu Lappe, ZAP Fach 24 S. 19. 8 KG, JurBüro 1957, 179; OLG München, Beschl. v. 18.10.1993 – 12 WF 1032/93, OLGR 1994, 23. 9 KG, Beschl. v. 31.8.1933 – 14 W 7370/33, JW 1933, 2344 m. Anm. Bartels. 10 OLG Schleswig, JurBüro 1958, 426 Nr. 81. 11 OLG Schleswig, Beschl. v. 16.4.2015 – 5 W 23/15; OLG München, Beschl. v. 12.7.1988 – 25 U 1524/88, MDR 1988, 1060.

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weise vertretener Auffassung1 reicht dazu die unwidersprochen gebliebene Streitwertangabe in der Klageschrift nicht aus, vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte hinzutreten.2

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2. Teil

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Vollstreckungsabwehrklage

Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt.1 Der Herausgabeantrag erhöht den Streitwert jedoch, wenn mit der Vollstreckungsabwehrklage nur ein beschränkter Vollstreckungsausschluss beantragt ist.2 Der Wert des Herausgabeanspruchs bemisst sich auch hier nach dem Missbrauchsrisiko, das nur hinsichtlich des von der Vollstreckungsabwehrklage erfassten Teilbetrages zu vernachlässigen ist. Je nach Ausmaß des Risikos ist für den Herausgabeanspruch daher der gesamte von der Vollstreckungsabwehrklage nicht erfasste Betrag oder ein Bruchteil davon anzusetzen.3

2.5611 Beispiel: Es ergeht ein Titel über 10.000 t. Der Schuldner erhebt Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel,

die Vollstreckung i.H.v. 8.000 t zu untersagen. Der Wert des gleichzeitig erhobenen Antrages auf Herausgabe des Titels ist aus dem von der Vollstreckungsabwehrklage nicht erfassten Teilbetrag von 2.000 t zu ermitteln. Je nach Missbrauchsrisiko ist er mit 2.000 t oder einem Bruchteil davon zu bewerten.

2.5612 Der Streitwert einer Klage, die darauf gerichtet ist, die Zwangsvollstreckung aus einer Buchgrundschuld für unzulässig zu erklären und den Gläubiger zu verurteilen, eine Löschungsbewilligung für diese Grundschuld zu erteilen, ist regelmäßig mit dem zweifachen Betrag der Grundschuld zu beziffern.4 Den Wert bemisst man nach denselben Grundsätzen wie bei Titelherausgabeklagen, die mit einer Vollstreckungsabwehrklage verbunden werden. Das Missbrauchsrisiko ist trotz des mit der Vollstreckungsabwehrklage erlangten Titels i.S.v. § 775 Nr. 1 ZPO bereits deswegen stets als erheblich anzusehen, weil die Grundschuld gutgläubig erworben werden könnte. Das Gleiche gilt wegen § 1155 BGB bei einer mit einer Klage auf Herausgabe des Grundschuldbriefs verbundenen Vollstreckungsabwehrklage wegen einer Briefgrundschuld. 2. Streitgenossenschaft

2.5613 Erheben mehrere Schuldner, beispielsweise Gesamtschuldner5 oder sowohl die Schuldner eines persönlichen Schuldtitels als auch die Schuldner eines dinglichen Schuldtitels gemeinsam Vollstreckungsabwehrklage, sind die Streitwerte nicht zusammenzurechnen, wenn den Schuldtiteln dieselbe Hauptschuld zugrunde liegt.6 Sind zwei Beklagte hinsichtlich eines Teils der Forderung als Gesamtschuldner verurteilt und einer von ihnen zur Zahlung eines weiteren Betrags, so ist für die von beiden erhobene Vollstreckungsabwehrklage der Wert des höchsten Verurteilungsbetrags maßgebend.7 3. Vollstreckungsabwehrklage und einstweilige Anordnung

2.5614 Mit der Vollstreckungsabwehrklage verbundene Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 769, 770 ZPO erhöhen den Streitwert nicht, weil die Rechtsschutzziele wirtschaftlich identisch sind.8

1 BGH, Beschl. v. 17.9.2014 – XII ZB 284/13, MDR 2015, 115; OLG Rostock, Urt. v. 30.1.2013 – 1 U 75/11, GmbHR 2013, 305. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1907 – 3. Zs., OLGE 15, 4. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1907 – 3. Zs., OLGE 15, 4: 100 %; LG Bonn, Beschl. v. 10.9.2001 – 10 O 150/01: 10 %. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.1.2000 – 9 U 212/99, MDR 2000, 543. 5 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1991 – 1 W 53/90, MDR 1991, 353. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.1986 – 9 W 162/86, JurBüro 1987, 267. 7 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2018 – 12 W 37/17.

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Vollstreckungsklausel

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2. Teil

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Vollstreckungsklausel A. Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung I. Erste vollstreckbare Ausfertigung Im Verfahren über die Erteilung der ersten vollstreckbaren Ausfertigung nach §§ 724 ff. ZPO sind 2.5615 kein Zuständigkeits- und kein Gebührenstreitwert festzusetzen. Das zuständige Gericht ergibt sich wertunabhängig aus § 724 Abs. 2 ZPO. Die erste Ausfertigung wird gerichtsgebührenfrei erteilt. Auch der Anwalt erhält für die erstmalige Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung keine Gebühren, weil sie wegen § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 RVG als Abwicklungstätigkeit zum Rechtszug gehört.

II. Weitere vollstreckbare Ausfertigungen Im Verfahren über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO sind kein Zuständigkeits- und kein Gebührenstreitwert festzusetzen. Das zuständige Gericht ergibt sich wertunabhängig aus § 724 Abs. 2 ZPO. Für die Erteilung jeder weiteren vollstreckbaren Ausfertigung erhebt das Gericht eine Festgebühr von 20 t nach Nr. 2110 KV GKG.

2.5616

Das Verfahren nach § 733 ZPO ist für den Rechtsanwalt eine besondere Angelegenheit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG, für die er eine 0,3fache Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG erhält. Ihren Gegenstandswert berechnet man nach der vollen Höhe des zu vollstreckenden Anspruchs.1

2.5617

B. Klauselerteilungsklage (§ 731 ZPO) Wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Prozessgerichts erster Instanz für die Klage nach § 731 ZPO gibt es keinen Zuständigkeitsstreitwert.

2.5618

Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel bemisst sich nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs.2 Ob der volle Wert oder nur ein Bruchteil anzusetzen ist, richtet sich danach, welcher Streit dem Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zugrunde liegt:

2.5619

– Der volle Wert ist anzusetzen, wenn im Klauselstreit die Vollstreckbarkeit des Anspruchs schlechthin zur Entscheidung steht. – Nur ein Bruchteil des titulierten Anspruchs ist anzusetzen, wenn es im Klauselstreit nur um die Frage geht, wann – etwa nach Beseitigung angeblicher Hindernisse für die Klauselerteilung – mit der Zwangsvollstreckung begonnen werden kann. Der Streitwert kann sich in Ausnahmefällen auf denjenigen Aufwand ermäßigen, der für den Kläger zur Erteilung der erstrebten Klausel noch erforderlich ist.3

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2012 – 7 W 56/12, MDR 2013, 428; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.7.2013 – 3 W 295/13; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.5.2007 – 5 W 74/07, MDR 2008, 49. 2 BGH, Beschl. v. 29.6.2011 – VII ZB 89/10, MDR 2011, 1069; LG Hildesheim, Beschl. v. 25.2.1964 – 5 T 98/64, NJW 1964, 1232; ohne Zinsen vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.9.1997 – 7 W 30/97.

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2. Teil

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Vollstreckungsklausel

ZPO

2.5621 Beispiel: Der Kläger klagte auf Erteilung der Vollstreckungsklausel. In dem Urteil waren die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, die Auflassung zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung von 40.000 DM durch den Kläger. Unstreitig hatte der Kläger in Erfüllung der ihm obliegenden Zug-um-ZugLeistung 26.666,67 DM an die Beklagten gezahlt. Bezüglich der Differenz meinte er, seiner Leistungspflicht durch Zahlung dieses Betrages an weitere Mitglieder der Erbengemeinschaft genügt zu haben.

2.5622 Das OLG Zweibrücken hat im vorstehenden Fall aus Billigkeitserwägungen auf den wirtschaftlichen Hintergrund abgestellt. Der Streit der Parteien betraf nur noch eine Restforderung von 13.333,33 DM, da die Beklagten nicht in Abrede stellten, dass nach Zahlung des streitigen Restbetrages die Vollstreckungsklausel zu erteilen wäre. Das rechtfertigte, den Streitwert auf den Aufwand zu ermäßigen, der für den Kläger zur Erteilung der erstrebten Klausel allenfalls noch erforderlich war.

C. Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) 2.5623 Bei der Klauselerinnerung braucht kein Zuständigkeitsstreitwert bestimmt zu werden, weil nach § 732 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Gericht zuständig ist, das die Klausel erteilt hat. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Daher wird kein Gebührenstreitwert festgesetzt.

2.5624 Für Rechtsanwälte ist die Klauselerinnerung eine besondere Angelegenheit nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 RVG, für die sie eine 0,5fache Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG erhalten. Deren Gegenstandswert bestimmt sich nach den für den Streitwert der Klauselerteilungsklage geltenden Grundsätzen. Grundlage der Ermittlung des Interesses ist bei einer unbeschränkt erteilten Klausel die gesamte titulierte Forderung, selbst wenn der Gläubiger zunächst nur wegen eines Teilbetrages vollstreckt.1

D. Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) 2.5625 Die Bestimmung eines Zuständigkeitsstreitwerts ist nicht erforderlich, da gem. §§ 768, 767 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht der ersten Instanz für die Klauselgegenklage ausschließlich zuständig ist.

2.5626 Der Gebührenstreitwert der Klage gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers zu schätzen, die Zwangsvollstreckung einstweilen zu verhindern. Dessen Wert liegt grundsätzlich unterhalb des titulierten Forderungsbetrages, weil die Klage die Vollstreckung nicht endgültig verhindert.2 Der volle Wert ist anzusetzen, wenn die Einwendungen zugleich die materielle Anspruchsberechtigung des Titelgläubigers dauerhaft ausräumen sollen.3 Zinsen und Kosten bleiben als Nebenforderungen gem. § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt.4

2.5627 Beispiel: Der Kläger behauptet im Rahmen der Klage nach § 768 ZPO, er sei überhaupt nicht Erbe des nach dem Titel verpflichteten Schuldners. Hier liegt das Interesse des Klägers nicht nur in einer zeitweiligen Verhinderung der Zwangsvollstreckung, sondern vielmehr darin, überhaupt nicht aus dem Titel in Anspruch genommen werden zu können.

1 LG Aachen, Beschl. v. 12.3.1984 – 5 T 93/84, JurBüro 1985, 254; LG München I, Beschl. v. 1.10.1998 – 13 T 17568/98, JurBüro 1999, 326. 2 OLG Köln, Beschl. v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852. 3 OLG Köln, Beschl. v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, 20 W 33/93, JurBüro 1994, 117.

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Vollstreckungsschaden

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2. Teil

ZPO

Vollstreckungsschaden A. Zuständigkeitsstreitwert I. Selbständige Klage Wenn der Anspruch nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf Ersatz des Schadens, der dem Beklagten durch die Vollstreckung eines Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung vorgenommene Leistung entstanden ist, mit einer selbständigen Klage geltend gemacht wird, bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 23, 71 GVG.1 Der Streitwert entspricht dann der Höhe der beziffert geltend gemachten Forderung. Zinsen und Kosten bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.2

2.5628

II. Inzidentantrag Macht der Beklagte seinen Anspruch auf Ersatz von Vollstreckungsschäden im anhängigen Rechts- 2.5629 streit mit einem Inzidentantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend (der keine Widerklage ist!3), so ist das Gericht des anhängigen Rechtsstreits ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes zuständig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Inzidentantrag vom Beklagten (so der Wortlaut des § 717 Abs. 2 ZPO) oder vom Kläger (im Rahmen einer Klage auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung) oder – gegen den Wortlaut – vom Kläger gegen den vollstreckenden Beklagten4 gestellt wird. Beim Inzidentantrag braucht daher kein Zuständigkeitsstreitwert bestimmt zu werden.

B. Gebührenstreitwert I. Selbständige Klage Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert über- 2.5630 ein, wenn der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO mit einer selbständigen Klage verfolgt wird.

II. Inzidentantrag Der Inzidentantrag erhöht den Gebührenstreitwert nicht.5 Streitwerterhöhend ist der Inzidentantrag nur, soweit sein Wert den des Streitgegenstandes der anhängigen Klage übersteigt.6 Zinsen und Kosten bleiben nach § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO jedoch außer Ansatz.7

2.5631

III. Widerklage Der Gebührenstreitwert für die Widerklage ist nach den allgemeinen Regeln des § 45 GKG zu bestimmen. Wegen wirtschaftlicher Identität hat eine Werterhöhung wegen der zurückverlangten 1 2 3 4 5

Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.140. BGH, Beschl. v. 15.11.1962 – VII ZR 95/62, MDR 1963, 127. Vgl. MünchKomm.ZPO/Götz, § 717 Rz. 23. BGH, Beschl. v. 2.2.1962 – V ZR 70/60, MDR 1962, 391. BGH, Beschl. v. 9.12.2008 – VIII ZR 212/06; BGH, Beschl. v. 2.2.1962 – V ZR 70/60, MDR 1962, 391; LAG Berlin, Urt. v. 14.12.1987 – 9 Sa 104/87, MDR 1988, 346. 6 BGH, Beschl. v. 9.12.2008 – VIII ZR 212/06; RG, Urt. v. 25.10.1934 – VI 281/34, RGZ 145, 298. 7 BGH, Beschl. v. 15.11.1962 – VII ZR 95/62, MDR 1963, 127.

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2. Teil

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Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO)

vollstreckten Hauptsumme zu unterbleiben.1 Nur soweit der verlangte Schadensersatz die Klagesumme übersteigt, ist die Widerklage streitwerterhöhend.2 Zinsen und Kosten bleiben nach § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO jedoch außer Ansatz.3

IV. Ähnliche Ansprüche 2.5633 Für Ansprüche nach § 302 Abs. 4 Satz 3, Satz 4, § 600 Abs. 2 ZPO gilt Entsprechendes.4

Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO) A. Zuständigkeitsstreitwert 2.5634 Bei Vollstreckungsschutzanträgen nach § 765a ZPO5 braucht kein Zuständigkeitsstreitwert bestimmt zu werden. Gemäß § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das AG als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig.

B. Gebührenstreitwert 2.5635 Es ist auch kein Gebührenstreitwert festzusetzen. Es werden wertunabhängige Festgebühren erhoben: Erstinstanzlich nach Nr. 2112 KV GKG, im Beschwerdeverfahren nach Nr. 2121 KV GKG und im Rechtsbeschwerdeverfahren nach Nr. 2124 KV GKG. Eine Bestimmung eines Gebührenstreitwerts ist auch nicht erforderlich, wenn ein Schuldner im Beschwerdeverfahren obsiegt,6 weil dann keine Gerichtsgebühr anfällt (sonst Nr. 2121 KV GKG); und zwar unabhängig davon, ob die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Gläubiger auferlegt werden (können).7

2.5636 Erstinstanzliche Vollstreckungsschutzanträge nach § 765a ZPO sind im Zwangsversteigerungsverfahren gebührenfrei (Vorbemerkung 2.2 Satz 4 KV GKG), in den Rechtsmittelzügen fallen Festgebühren an (Nrn. 2240, 2242 KV GKG).

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren 2.5637 Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist gem. § 25 Abs. 2 RVG nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Wert des begehrten Vollstreckungsschutzes ist vom konkreten Schutzziel des Antrages abhängig. Maßgebender Zeitpunkt für die Wertberechnung ist die Vornahme der anwaltlichen Handlung, die das Zwangsvollstreckungsverfahren einleitet. Haben mehrere Schuldner lediglich äußerlich zusammengefasste Vollstreckungsschutzanträge gestellt, so liegen gebührenrechtlich mehrere Vollstreckungsmaßnahmen und Gebührenangelegenheiten vor.8

1 2 3 4 5

OLG Köln, Beschl. v. 21.10.1970 – 2 W 157/70, JurBüro 1971, 179. RG, Urt. v. 25.10.1934 – VI 281/34, RGZ 145, 298. BGH, Beschl. v. 15.11.1962 – VII ZR 95/62, MDR 1963, 127. OLG Köln, Beschl. v. 21.10.1970 – 2 W 157/70, JurBüro 1971, 179. Hinsichtlich der Vollstreckungsschutzverfahren nach §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO vgl. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, Rz. 2.1100 ff., hinsichtlich der Beschwerdeverfahren gegen Zwangs- und Ordnungsmittel das Stichwort „Ordnungsmittel“, Rz. 2.3797 ff. 6 Anders LG Hannover, Beschl. v. 16.9.2013 – 52 T 54/13. 7 Vgl. hierzu LG Hannover, Beschl. v. 16.9.2013 – 52 T 54/13. 8 LG Mannheim, Beschl. v. 2.2.1982 – 4 T 282/81, Rpfleger 1982, 238.

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Vollstreckungsurteil

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2. Teil

Soll dem Gläubiger durch den Schutzantrag der Zugriff auf ein bestimmtes Guthaben verwehrt wer- 2.5638 den, etwa auf ein Auseinandersetzungsguthaben nach Kündigung eines Genossenschaftsanteils1 oder ein Mietkautionsguthaben,2 ist der Gegenstandswert gleich dem Betrag der gepfändeten Forderung. Bei Anträgen nach § 765a ZPO gegen die Pfändung eines Bankkontos ist der Betrag der Vollstreckungsforderung anzusetzen.3

II. Räumungsschutz 1. Räumungsurteile Vollstreckungsschutzanträge nach § 765a ZPO bei Räumungsurteilen sind gem. § 25 Abs. 2 RVG nach dem Interesse des Schuldners an der Schutzanordnung zu bewerten.4 Begehrt der Schuldner Räumungsschutz für einen bestimmten Zeitraum, ist der im begehrten Zeitraum anfallende Mietzinsbetrag anzusetzen.5 Ist die Dauer der Schutzanordnung zwar absehbar, aber noch unbestimmt, kann man entsprechend dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 2 GKG einen Jahresbetrag ansetzen.6

2.5639

2. Zuschlagsbeschlüsse Bezieht sich der Antrag nach § 765a ZPO auf Räumungsschutz bei einem Zuschlagsbeschluss (§ 93 ZVG), richtet sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren dagegen nach § 26 RVG. Für den Rechtsanwalt eines Gläubigers ist daher nach § 26 Nr. 1 RVG der Wert des Gläubigerrechts maßgeblich, für den Schuldnervertreter gem. § 26 Nr. 2 RVG der Verkehrswert des Grundstücks.7

2.5640

Der Gegenstandswert für die Vertretung des Schuldners im Verfahren auf Ablehnung des Rechtspflegers im Zusammenhang mit einem vom Schuldner gestellten Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO bestimmt sich nach der Hälfte des Gegenstandes der Zwangsversteigerung.8

2.5641

Vollstreckungsurteil 2.5642

Siehe das Stichwort „Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils“, Rz. 2.5581 ff.

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 120/10, MDR 2011, 195. BGH, Beschl. v. 21.2.2019 – IX ZB 7/17, MDR 2019, 635. LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.6.2005 – 5 T 604/04, ZVI 2005, 369. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.1.2005 – 5 W 55/05, WuM 2005, 202; LG Münster, Beschl. v. 12.9.1995 – 5 T 818/95, MDR 1995, 1269. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.1.2005 – 5 W 55/05, WuM 2005, 202; LG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2018 – 307 T 29/18. LG München I, Beschl. v. 13.2.2019 – 14 T 16334/18, NZM 2019, 794. BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – V ZB 138/15, MDR 2017, 238; BGH, Beschl. v. 16.3.2017 – V ZB 150/16, DGVZ 2017, 171. BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – V ZB 76/09, RVGreport 2009, 477.

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ZPO

I. Forderungspfändungen

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2. Teil

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Vorbehalt

ZPO

Vorbehalt 2.5643 Die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass (§§ 780, 781 ZPO, §§ 1975 ff. BGB) vermindert den Streitwert nicht, weil es für die Bewertung eines bezifferten Anspruchs nicht darauf ankommt, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Schuldners oder andere Umstände zu verwirklichen ist. Der geringere „wirtschaftliche Wert“ einer Forderung stellt sich möglicherweise erst in der Zwangsvollstreckung heraus. Unter Umständen erweisen sich aber auch die Befürchtungen des (teilweisen) Ausfalls mit der Forderung als unbegründet. Alle diese Überlegungen sind unerheblich, weil bei bezifferter Forderung nur der Forderungsbetrag wertbestimmend ist.1

2.5644 Durch die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung in den Tenor eines Urteils wird der Kläger nicht beschwert und eine allein darauf beschränkte Berufung ist wegen fehlender Beschwer unzulässig.2 Da es sich um einen Vorbehalt nach § 780 ZPO handelt, wird über die Frage, ob die Erben die Haftung auf den Nachlass beschränken können, sachlich nicht entschieden. Der Vorbehalt schränkt die Verurteilung der Beklagten als Erben nicht ein und hindert den Kläger auch nicht daran, in das Eigenvermögen der Erben zu vollstrecken (§ 781 ZPO). Die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass müssen die Erben mittels Vollstreckungsabwehrklage nach § 785 ZPO geltend machen. Ein im Übrigen obsiegender Kläger wird nicht dadurch beschwert, dass sein Prozessgegner mit seinen Einwendungen in einen späteren Rechtsstreit verwiesen wird.3

Vor- und Nacherbe 2.5645 Für die Klage auf Feststellung, dass der Kläger Vorerbe des Erblassers geworden sei, ist der Streitwert geringer zu bemessen als bei der Feststellungsklage, die eine Vollerbenstellung betrifft.4 Der BGH hat einen Abschlag von 25 % vom Anteil am Nachlass vorgenommen.

2.5646 Klagt der nicht befreite Vorerbe gegen den Nacherben auf Zustimmung zu einem Verkauf eines aus dem Nachlass durch den Erbfall erworbenen Grundstücks und zur Auflassung an den Käufer, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.5

2.5647 Maßgebend ist das Interesse des Vorerben, das auf jeden Fall durch den Verkehrswert des Grundstücks begrenzt ist. Zugunsten des Vorerben eingetragene Belastungen des Grundstücks sind abzusetzen, wenn sie vom Eintritt der Nacherbfolge unberührt bleiben. Die vom Vorerben angebotenen Gegenleistungen für die begehrte Zustimmung zur Grundstücksveräußerung müssen dagegen unberücksichtigt bleiben.

2.5648 Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks hat nach Auffassung des OLG Schleswig6 neben der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Grundstücks keinen eigenen Streitwert. Zur Löschung eines Nacherbenvermerks s. das Stichwort „Nacherbenvermerk“, Rz. 2.3518 ff. Siehe auch das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.

1 OLG Bremen, Beschl. v. 21.3.1989 – 4 W 10/89, OLGZ 1989, 365; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.5.2010 – 24 W 27/10, 24 W 27/10, AGS 2011, 30 = ErbR 2011, 51. 2 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.5.2019 – 1 U 15/19, FamRZ 2020, 213. 3 BGH, Urt. v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, FamRZ 1989, 1070. 4 BGH, Beschl. v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 12.6.1968 – 5 W 40/68, Rpfleger 1968, 325 = JurBüro 1968, 735. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 12.6.1968 – 5 W 40/68, Rpfleger 1968, 325 = JurBüro 1968, 735.

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Monschau

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Vorgerichtliche Kosten

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2. Teil

2.5649

Klagt der Nacherbe gegen den Vorerben auf Auskunft nach § 2127 BGB oder bei Schenkungen des Vorerben an Dritte, bemisst sich der Streitwert des Auskunftsanspruchs – je nach Sachlage – auf 1/10 bis 1/4 des Wertes des Leistungsanspruchs1. Siehe auch das Stichwort „Auskunft“, Rz. 2.3401.

2.5650

Verklagt der Vorerbe den Nacherben auf Sicherheitsleistung nach § 2128 Abs. 1 BGB bemisst sich der Streitwert der Sicherheitsleistung mit einem Bruchteil des Wertes des Nachlasses, da es nur um eine Sicherheit geht. Dieser Bruchteil ist umso höher anzusetzen, je größer die Verlustgefahr bei der beabsichtigten Verwendung ist. Wird der Antrag auf Sicherheitsleistung verbunden mit einem Antrag auf Fristsetzung nach § 255 Abs. 2 ZPO ist für diesen Antrag kein gesonderter Streitwert festzusetzen, weil beide Anträge wirtschaftlich identisch sind.

2.5651

ZPO

Klagt der Vorerbe gegen den Nacherben auf Freistellung wegen einer Verbindlichkeit nach § 2124 Abs. 2, § 257 BGB bemisst sich die Höhe des Streitwerts nach der Restschuld ohne Nebenforderungen. Siehe auch das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff.

Vorerbschaft 2.5652

Siehe das Stichwort „Miterbe“, Rz. 2.3369 ff.

Vorgerichtliche Kosten A. Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . . . . . 2.5653 II. Negative Feststellungsklage . . . . . . . . 2.5655

e) Vierte Möglichkeit: Berechnung nach dem nicht anhängigen Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5678 f) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5680

III. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5656

B. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . . . . . . . 2.5686

IV. Klagenhäufung neben Hauptsacheanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . . 2. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nur teilweise Gegenstand des Rechtsstreits a) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Möglichkeit: Aufteilung nach Streitwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweite Möglichkeit: Aufteilung nach Kostenanteilen . . . . . . . . . . . . d) Dritte Möglichkeit: Differenzberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Gebührenstreitwert

I. Isolierte Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5654

2.5657 2.5658

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5689 II. Anwaltskosten werden isoliert eingeklagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5692

2.5663

III. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . 2.5695

2.5667 2.5670

IV. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5702

2.5672

V. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit . . . . . . . . . . . . 2.5710

2.5674

VI. Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . 2.5711

1 BGH, Urt. v. 2.6.1993 – IV ZR 211/92.

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2. Teil

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Vorgerichtliche Kosten

ZPO

A. Zuständigkeitsstreitwert 2.5653 Vorgerichtlich entstandene Kosten, also insbesondere Anwaltskosten in Form einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer, die im Rechtsstreit eingeklagt werden, können Nebenforderung (§ 4 Abs. 1 ZPO) oder Hauptforderung sein. Möglich ist auch, dass ein Teil der Kosten Hauptforderung ist und ein anderer Teil Nebenforderung.

I. Isolierte Klage 2.5654 Werden vorgerichtlich entstandene Kosten als materiell-rechtlicher Schaden isoliert eingeklagt, sind sie immer Hauptforderung. Ihr voller Wert ist maßgebend (§ 3 ZPO).

II. Negative Feststellungsklage 2.5655 Die gleiche Bewertung gilt auch dann, wenn sich der Kläger mit seiner negativen Feststellungsklage auch gegen einen Anspruch des Beklagten auf Erstattung von vorgerichtlichen Kosten wendet. In diesem Fall bleiben die vorgerichtlichen Kosten als Nebenforderungen gem. § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht.1

III. Widerklage 2.5656 Auch dann, wenn ein isolierter Kostenerstattungsanspruch im Wege der Widerklage geltend gemacht wird, ist er voll zu bewerten.2 Eine Addition findet beim Zuständigkeitsstreitwert allerdings nicht statt (§ 5 ZPO).

IV. Klagenhäufung neben Hauptsacheanspruch 2.5657 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten neben der Hauptforderung geltend gemacht, so ist danach zu unterscheiden, ob die Kosten aus der anhängigen Hauptforderung resultieren oder nicht. 1. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits

2.5658 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie resultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die nach § 4 Abs. 1 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleiben.3

2.5659 Die gegenteilige Auffassung, die vor der ersten BGH-Entscheidung noch vertreten wurde,4 dürfte seit den Entscheidungen des BGH nicht mehr vertretbar sein. Das KG5 bezeichnet diese Auffassung sogar als willkürlich, so dass eine darauf gestützte Verweisung keine Bindungswirkung entfaltet. 1 BGH, Beschl. v. 12.3.2015 – I ZR 99/14, WRP 2015, 590 (hier Kosten einer Abmahnung). 2 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 3 BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, MDR 2007, 919; BGH, Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, MDR 2007, 1149; BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZR 200/06, AGS 2007, 578; BGH, Beschl. v. 25.9.2007 – VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374; BGH, Beschl. v. 23.1.2008 – IV ZB 8/07, SVR 2008, 351; BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, MDR 2007, 852; ebenso zuvor bereits LG Berlin, Beschl. v. 9.5.2005 – 5 O 162/05, AGS 2006, 86 = MDR 2005, 1318; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.3.2005 – 3 W 20/05, AGS 2006, 251. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 12.1.2006 – 1 U 167/05; LG Hof, Beschl. v. 17.6.2005 – 22 O 300/05; LG Hof, Beschl. v. 22.5.2006 – 34 O 286/06 (sämtlich n.v.); LG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.2004 – 1 O 3125/04, AGS 2005, 75. 5 KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249.

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2. Teil

Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t geltend gemacht. Da der Schuldner nicht zahlt, klagt der Gläubiger daraufhin auf Zahlung der 8.000 t sowie auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v.

3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

773,00 t

2.5660

ZPO

Vorgerichtliche Kosten

1. 2.

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753,00 t 20,00 t 146,87 t 919,87 v

Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 t. Die Anwaltskosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.

Entgegen einer vielfach anzutreffenden Ansicht kommt es insoweit nicht auf den Klageantrag an, also 2.5661 darauf, ob die Anwaltskosten „als Haupt- oder Nebenforderung“ geltend gemacht werden.1 Der Klageantrag ist insoweit völlig unerheblich. Es kommt immer auf den Gegenstand an. Daher ist es auch unerheblich, ob die Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden und nur ein einheitlicher Klageantrag gestellt wird oder ob die Kosten neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind. Unerheblich ist ferner, ob die vorgerichtlichen Kosten im Wege des Zahlungs- oder des Freistellungsanspruchs geltend gemacht werden. Zur Bewertung eines Freistellungsanspruchs s. das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rz. 2.638 ff. Das gilt auf für die Kosten einer Abmahnung. Abmahnkosten sind nicht als streitwerterhöhend anzusehen.2

2.5662

2. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten immer Hauptforderung.3

2.5663

Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten anlässlich einer Verkehrsunfallsache dessen Ansprüche mit dem Unfallversicherer reguliert. Da der Haftpflichtversicherer seine Haftung bestreitet, klagt der Geschädigte auf Ersatz seines Sach- und Personenschadens nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten (Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus dem Wert des Sachs- und Personenschadens) zzgl. der Anwaltskosten für die Regulierung mit dem Unfallversicherer (ebenfalls ein Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus dem Wert der Unfallversicherungssumme).

2.5664

Die vorgerichtlichen Kosten aus dem Wert des Sach- und Personenschadens sind gem. § 4 Abs. 1 ZPO Nebenforderung und bleiben daher außer Ansatz. Die Regulierung mit dem Unfallversicherer ist dagegen eine eigene Angelegenheit. Die hierdurch bedingten Kosten sind nicht Nebenforderung zum Sach- und Personenschaden.4 Ihr Wert erhöht daher den Zuständigkeitsstreitwert. Ob der Anspruch begründet ist oder nicht,5 spielt für den Zuständigkeitsstreitwert keine Rolle.

Gleiches gilt, wenn in einem Haftpflichtprozess die Kosten der Kaskoregulierung als weitere Schadensposition mit geltend gemacht werden (s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“, Rz. 2.5175, 2.5296).

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, MDR 2007, 919. BGH, Beschl. v. 21.12.2011 – I ZR 83/11, GRUR-RR 2012, 136. OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.1.2010 – 14 UH 3/10, AGS 2010, 310. Zur Ersatzpflicht s. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 = MDR 2006, 929. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, AGS 2006, 256 = MDR 2006, 929; BGH, Urt. v. 26.5.2020 – VI ZR 321/19, MDR 2020, 919 = AGS 2020, 428; OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.7.2018 – 4 U 26/17, NJWRR 2018, 1516 = AGS 2020, 430.

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2.5665

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2. Teil

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Vorgerichtliche Kosten

ZPO

2.5666 Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des BGH,1 auch bei den Kosten für die Einholung einer Deckungszusage bei einem Rechtsschutzversicherer handele es sich um Nebenforderungen, soweit sich die Kosten der Deckungsschutzanfrage auf die eingeklagten Ansprüche beziehen; solche Kosten seien nur dann hinzuzurechnen, soweit die zugrunde liegende Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand sei. Die Kosten für eine Deckungsschutzanfrage werden nicht unmittelbar zur Durchsetzung des Anspruchs aufgewandt, sondern anlässlich der Durchsetzung, wie etwa bei den Kosten der Kaskoregulierung, Regulierung mit einem Unfallversicherer oder bei den Sachverständigenkosten, bei denen es sich unstreitig auch nicht um Nebenforderungen handelt (s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung, Rz. 2.5175, 2.5298). 3. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nur teilweise Gegenstand des Rechtsstreits a) Bewertung

2.5667 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Rechtsstreit sowohl aus Gegenständen geltend gemacht, die Gegenstand des Rechtsstreits sind als auch aus Gegenständen, die nicht oder nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigten.2 Es fehlt in diesem Fall an der für eine Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO erforderlichen Abhängigkeit.

2.5668 Beispiel: Der Anwalt kündigt für den Vermieter wegen Zahlungsverzugs (monatliche Kaltmiete 500 t) und mahnt vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen (monatlich insgesamt 600 t) an. Der Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit berechnet sich nach dem Wert der Kündigung (6.000 t)3 sowie nach dem Wert der rückständigen Mieten (2.400 t). Beide Werte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Der Anwalt rechnet daher vorgerichtlich wie folgt ab: 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.400 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

857,00 t

837,00 t 20,00 t 162,83 t 1.019,83 v

Der Mieter zieht aus, zahlt aber die Mieten nicht, so dass daraufhin Klage auf Zahlung der vier Mieten erhoben wird (2.400 t) sowie auf Ersatz der gesamten Anwaltskosten (1.019,83 t). Der Streitwert des Zahlungsantrags hinsichtlich der restlichen Mieten beläuft sich auf 2.400 t. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs darf jetzt nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, da er nicht in vollem Umfang in Abhängigkeit zur Klageforderung steht. Er ist damit zum Teil selbst Hauptforderung, so dass insoweit das Bewertungsverbot des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht greift. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs kann andererseits aber auch nicht in voller Höhe hinzugerechnet werden, da die Kosten auf jeden Fall zum Teil in Abhängigkeit zur Hauptforderung stehen und damit Nebenforderung sind.

2.5669 Wie der Streitwertanteil, der jetzt hinzuzurechnen ist, zutreffenderweise berechnet wird, ist strittig. Vier Möglichkeiten kommen in Betracht:

1 BGH, Beschl. v. 20.5.2014 – VI ZB 49/12, MDR 2014, 1051 = AGS 2014, 408. 2 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249. 3 Zum Wert der Kündigung s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.2962.

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2. Teil

Vorgerichtliche Kosten

Eine Möglichkeit besteht darin, die auf den eingeklagten Anspruch und die auf den nicht eingeklagten 2.5670 Anspruch jeweils entfallenden Kosten nach dem Verhältnis der Hauptsachestreitwerte zu ermitteln. Dies ergäbe im Beispiel Rz. 2.5668, ausgehend von dem Gesamtwert der außergerichtlichen Ansprüche i.H.v. 8.400 t, einen Anteil i.H.v. 2.400/8.400 t, der auf die anhängigen Zahlungsansprüche entfiele und ein Anteil i.H.v. 6.000/8.400 t, der auf den nicht eingeklagten Räumungsanspruch entfiele: Anteil nicht anhängige Ansprüche: Anteil anhängige Ansprüche: Gesamt

2.5671

6.000/8.400 × 1.019,83 t = 728,45 t 2.400/8.400 × 1.019,83 t = 291,38 t 1.019,83 v

Ein Bewertungsverbot nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bestünde danach also i.H.v. 291,38 t, so dass die restlichen 728,45 t hinzuzurechnen wären. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 t + 728,45 t belaufen, insgesamt somit auf 3.128,45 v.

c) Zweite Möglichkeit: Aufteilung nach Kostenanteilen Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die auf den eingeklagten und den nicht eingeklagten Anspruch jeweils entfallenden Kosten nach dem Verhältnis der Kosten zu berechnen, die aus den jeweiligen Hauptforderungen entstanden wären, wenn der Anwalt nur nach diesen Einzelwerten beauftragt worden wäre. Diese Berechnungsmethode wurde früher z.B. vom OLG Hamm1 zur Berechnung versicherter und nicht versicherter Kosten bei Teilrechtsschutz vertreten. Diese Berechnungsmethode ist gerechter als die streitwertanteilige, da sie die Gebührendegression miteinbezieht. Sie erfordert allerdings eine aufwendigere Berechnung.

2.5672

Im Beispiel Rz. 2.5668 ergäbe dies folgende Berechnung:

2.5673

a) Alleine aus dem Wert des erledigten Schadensersatzanspruchs wären folgende Kosten entstanden: 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

585,00 t 20,00 t

605,00 t

114,95 t 719,95 v

b) Alleine aus dem Wert des eingeklagten Zahlungsanspruchs wären folgende Kosten entstanden: 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.400 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt c) Gesamt a) + b) 1. 2.

333,00 t 20,00 t

353,00 t

66,50 t 416,50 v 1.136,45 v

Von den insgesamt aus dem Wert von 8.400 t angefallenen Kosten entfielen damit anteilig 416,50/1.136,45 auf die miteingeklagten Zahlungsansprüche und anteilig 719,75/1.136,45 auf den nicht eingeklagten Räumungsanspruch: Anteil nicht anhängige Ansprüche: Anteil anhängige Ansprüche: Gesamt:

719,75/1.136,45 × 1.019,83 t = 645,91 t 416,50/1.136,45 × 1.019,83 t = 373,92 t 1.019,83 v

Ein Bewertungsverbot nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bestünde danach also i.H.v. 373,92 t, so dass die restlichen 645,91 t hinzuzurechnen wären. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 t + 645,91 t belaufen, insgesamt somit auf 3.045,91 v.

1 OLG Hamm, Beschl. v. 1.4.1992 – 20 U 283/91, NJW-RR 1992, 927 = JurBüro 1992, 413.

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ZPO

b) Erste Möglichkeit: Aufteilung nach Streitwerten

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2. Teil

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Vorgerichtliche Kosten

ZPO

d) Dritte Möglichkeit: Differenzberechnung

2.5674 Eine dritte Methode will die Differenz der geltend gemachten Kosten aus dem Gesamtwert zu den (fiktiven) Kosten aus dem anhängigen Wert berücksichtigen.1

2.5675 Im Beispiel Rz. 2.5668 ergäbe dies folgende Berechnung: 1.019,83 t – 416,50 t 603,33 v

Insgesamt sind entstanden Aus 2.400 t wären entstanden Restbetrag

Dieser Wert wäre als Hauptforderung anzusehen und somit zu berücksichtigen. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 t + 603,33 t belaufen, insgesamt somit auf 3.002,33 v.

2.5676, 2.5677

Einstweilen frei.

e) Vierte Möglichkeit: Berechnung nach dem nicht anhängigen Teilwert

2.5678 Eine letzte Möglichkeit besteht schließlich darin, den Streitwert nach den Kosten zu berechnen, die angefallen wären, wenn der Kläger außergerichtlich nur nach dem Wert der nicht eingeklagten Ansprüche tätig geworden wäre.2

2.5679 Im Beispiel Rz. 2.5668 wären folgende Kosten entstanden, wenn der Anwalt außergerichtlich nur hinsichtlich der erledigten Ansprüche tätig geworden wäre: 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

605,00 t

585,00 t 20,00 t 114,95 t 719,95 v

Dieser Wert wäre als Hauptforderung anzusehen und somit zu berücksichtigen. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 t + 719,95 t belaufen, insgesamt somit auf 3.119,95 v.

f) Stellungnahme

2.5680 Zutreffend ist alleine die letzte Berechnungsmethode. In ständiger Rechtsprechung vertritt der BGH die Auffassung, dass dem Kostenerstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen ist, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht.3 Diese Berechnungsmethode ist auch bei der Streitwertberechnung zugrunde zu legen. Denn genau diesen Anspruch macht der Kläger als Schadensersatz für die vorgerichtliche Durchsetzung der nicht mehr anhängig gewordenen Ansprüche geltend. Diesen Betrag würde der Kläger auch geltend machen, wenn er seinen Schadensersatzanspruch insoweit beschränken würde, als er aus den nicht anhängigen Gegenständen entstanden ist. Diesen Betrag würde das Gericht auch zusprechen, wenn es den Schadensersatzanspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten nur insoweit als begründet ansehen würde, als er aus den nicht anhängigen Gegenständen entstanden ist.

2.5681 Alle anderen Methoden, nach denen der Streitwert anteilig oder nach einer Differenz zu berechnen wäre, würden zu kuriosen Widersprüchen führen, worauf das OLG Saarbrücken4 zu Recht hinweist.

1 BGH, Beschl. v. 27.9.2017 – VIII ZR 100/17, AGS 2018, 124; BGH, Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009; BGH, Beschl. v. 13.7.1988 – VIII ZR 289/87, MDR 1989, 58 = NJW-RR 1988, 1465. 2 So OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.7.2018 – 4 U 26/17, AGS 2020 = NJW-RR 2018, 1516. 3 Zuletzt BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351. 4 OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.7.2018 – 4 U 26/17, AGS 2020 = NJW-RR 2018, 1516.

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2. Teil

Abwandlung Beispiel Rz. 2.5668: Nachdem der Mieter aufgrund der außergerichtlichen Kündigung ausgezogen ist, erhebt der Anwalt zunächst nur Klage auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten, die durch die Kündigung entstanden sind, also auf 719,75 t (s. Rz. 2.5674). Später erweitert er die Klage und macht nunmehr auch die vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlung geltend sowie die darauf entfallenen weiteren Anwaltskosten. Eingeklagt sind dann also 2.400 t nebst vorgerichtlichen Kosten i.H.v. 1.019,83 t.

2.5682

ZPO

Vorgerichtliche Kosten

Unstrittig ist nach allen Berechnungsmethoden, dass der Wert der ursprünglichen Klage mit 719,75 t anzusetzen war (s. I.). Dadurch, dass die Klage erweitert wurde, indem nämlich jetzt auch noch die Mieten sowie weitere Anwaltskosten geltend gemacht werden, kann sich aber der Streitwert für den ursprünglichen Klageantrag, der ja nach wie vor Hauptforderung bleibt, nicht reduzieren. Das wäre aber nach den anderen Berechnungsmethoden, die anteilig oder nach Differenz rechnen – s. a) bis c) – der Fall. Es wäre schon ein kurioses Ergebnis, dass eine Klageerweiterung zur Streitwertreduzierung führen würde.

Einstweilen frei.

2.5683

Die Berechnungsmethoden, die nach anteiligen Verhältnissen oder der Differenz rechnen, würden darüber hinaus zu dem Ergebnis führen, dass sich im Verlaufe des Rechtsstreits bei Klageerweiterungen oder Klagerücknahmen ständig der Streitwert verändern würde, weil sich die Wert- oder Kostenverhältnisse bzw. die Differenz ändern würden.

2.5684

Die einzig zutreffende und praktikable Lösung kann daher nur sein, den Wert des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in voller Höhe anzusetzen, als insoweit die Kosten nur aus dem nicht (mehr) anhängigen Wert angefallen wären (Berechnungsmethode e) Rz. 2.5678).

2.5685

B. Rechtsmittelstreitwert Für den Rechtsmittelstreitwert gilt Gleiches wie für den Zuständigkeitsstreitwert.1

2.5686

Hier kann die Besonderheit hinzukommen, dass erstinstanzlich die vorgerichtlichen Kosten noch als Nebenforderung unberücksichtigt geblieben sind, sie dann aber im Rechtsmittelverfahren zur Hauptsache werden. Nur, soweit die Hauptforderung in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist, bleiben die daraus resultierenden Kosten als Nebenforderung gem. § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt. Im Übrigen sind sie beim Wert des Beschwerdegegenstands zu berücksichtigen.2

2.5687

Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 3.200 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v.

2.5688

1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.200 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

464,80 t

444,80 t 20.00 t 88,31 t 553,11 v

1 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, FamRZ 2009, 867 = AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879. 2 BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – IV ZB 8/18, RVGreport 2019, 303; BGH, Beschl. v. 26.3.2013 – VI ZB 53/12, MDR 2013, 816 = AGS 2013, 282; BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – I ZR 107/12, GRUR-RR 2013, 448; BGH, Beschl. v. 4.3.2012 – IV ZB 19/11, MDR 2012, 738 = AGS 2012, 297; BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – VI ZB 61/10, AGS 2011, 302 = MDR 2011, 811; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 – VIII ZB 62/10, AGS 2011, 140; BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, AGS 2009, 344; BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404 = BGHReport 2008, 413 = AGS 2008, 187.

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ZPO

2. Teil

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Vorgerichtliche Kosten

geltend gemacht. Das AG spricht dem Geschädigten 2.700 t zu. Im Übrigen (also hinsichtlich des weiteren Schadens über 500 t sowie der gesamten vorgerichtlichen Kosten) weist das Gericht die Klage ab. Gegen die Abweisung der Klage legt der Kläger Berufung ein. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich auf 500 t zzgl. der Kosten aus den erstinstanzlich zugesprochenen Schadenspositionen, die nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits sind. Diese Kosten belaufen sich nach zutreffender Auffassung (Rz. 2.5678) auf 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.700 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

375,20 t

355,20 t 20,00 t 71,29 t 446,495 v

Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich damit auf (500 t + 446,49 =) 946,49 t. Die Berufung ist zulässig.

C. Gebührenstreitwert I. Überblick 2.5689 Für den Gebührenstreitwert gilt grundsätzlich das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Die vorgerichtlichen Kosten können Nebenforderungen (§ 43 Abs. 1 GKG) oder Hauptforderung sein.

2.5690 Im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung sind die Anwaltskosten, die in der Regel nach Abschluss der Regulierung eingefordert werden, immer Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG).

2.5691 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Rechtsstreit mit geltend gemacht, so sind sie – Hauptforderung, soweit sie isoliert eingeklagt werden, – Nebenforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, Gegenstand des Rechtsstreits sind, – Hauptforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits sind, – Hauptforderung, soweit sie aus einer anderen Angelegenheit resultieren.

II. Anwaltskosten werden isoliert eingeklagt 2.5692 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder wird ein Teil davon isoliert eingeklagt, dann sind die Kosten Hauptforderung und damit nach § 3 ZPO zu bewerten. Das folgt für die Anwalts- und Gerichtsgebühren aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG.

2.5693 Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t geltend gemacht. Der Versicherer zahlt die 8.000 t. Der Geschädigte verlangt daraufhin noch den Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v.

1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

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753,00 t 20,00 t 146,87 t 1.066,74 v

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2. Teil

Vorgerichtliche Kosten

ZPO

a) Der Versicherer zahlt diese Kosten nicht, da er der Auffassung ist, die Anwaltskosten seien nicht notwendig. Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung i.H.v. 1.066,74 t. b) Der Versicherer ist der Auffassung, eine 1,3-Geschäftsgebühr sei angemessen und zahlt nur 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

672,60 t

652,60 t 20,0 t 127,79 t 800,39 v

Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung der restlichen (1.066,74 t– 800,39 t =) 266,35 t. Im Fall a) beträgt der Streitwert gem. § 3 ZPO 1.066,74 t, im Fall b) 266,35 t.

Gleiches gilt, wenn die Anwaltskosten isoliert im Wege einer Widerklage geltend gemacht werden (s. Rz. 2.5711).

2.5694

III. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie re- 2.5695 sultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die zwar einen eigenen Wert haben; dieser wird nach § 43 Abs. 1 GKG jedoch dem Wert der Hauptforderung nicht hinzugerechnet. Es handelt sich aus denselben Erwägungen wie beim Zuständigkeitsstreitwert um Nebenforderungen. Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nicht. Der Geschädigte klagt daraufhin auf Zahlung der 8.000 t sowie auf Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 1.066,74 t (zur Berechnung s. Beispiel Rz. 2.5693).

2.5696

Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 t. Die Anwaltskosten werden nicht mitgerechnet.

Beim Gebührenstreitwert können die Kosten allerdings Bedeutung gewinnen, wenn alleine daraus einzelne Gebühren anfallen (§ 43 Abs. 2 GKG).

2.5697

Bei den Gerichtsgebühren ist dies allerdings selten, da es kaum Stufenstreitwerte gibt. Möglich ist ein solcher Fall hier beim Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren.

2.5698

Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 t nebst vorgerichtlicher Kosten i.H.v.

2.5699

1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

308,60 t

288,60 t 20,00 t 58,63 t 367,23 v

wird Widerspruch nur wegen der vorgerichtlichen Kosten eingelegt. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 t erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG wird dagegen gem. § 43 Abs. 2 GKG nur aus dem Wert der vorgerichtlichen Kosten, also aus 334,75 t erhoben. 1. 2. 3.

0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert: 3.000 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert: 334,75 t) gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5 aus 334,75 t Gesamt

59,50 t 114,00 t – 19,00 t 154,50 v

2.5700

Häufiger kommen solche Fälle beim Anwalt vor, da hier mehrere Gebühren anfallen können.

Schneider

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2. Teil

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Vorgerichtliche Kosten

ZPO

2.5701 Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 t nebst vorgerichtlicher Kosten (1,5-Ge-

schäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer) i.H.v. 1.066,74 t geltend gemacht (zur Berechnung s Rz. 2.5693). Über die Kosten wird eine Einigung getroffen. Für die Einigungsgebühr der Anwälte ist jetzt nur der Wert der Kosten maßgebend, also 1.066,74 t.

IV. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits 2.5702 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess aus Gegenständen geltend gemacht, die nicht1 oder nicht mehr2 Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigten.

2.5703 Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

605,00 t

585,00 t 20,00 t 114,95 t 719,95 v

geltend gemacht. Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 t, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. Daher klagt der Geschädigte auf Zahlung von 2.000 t Schaden sowie 719,95 t Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, sind jetzt keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. Rz. 2.5667. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenstände angefallen wären, also 1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

437,00 t

417,00 t 20,00 t 83,03 t 520,03 v

Der Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.520,03 t.

2.5704 Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 t sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer, also 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

381,40 t

361,40 t 20,00 t 72,47 t 453,87 v

Er ist der Auffassung eine Geschäftsgebühr von 1,5 sei unbillig. Der Geschädigte klagt jetzt auf Zahlung von 2.000 t Schaden sowie (719,95 t – 453,87 t =) 266,08 t Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Auch jetzt sind die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. Rz. 2.5667. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenstände angefallen wären, also

1 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249. 2 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404.

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2. Teil

Vorgerichtliche Kosten

5.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) ./. gezahlter 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG ./. gezahlter Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

55,60 t

417,00 t – 361,40 t 20,00 t – 20,00 t

ZPO

1. 2. 3. 4.

S. 1119 von 1232 Druckdaten

10,56 t 66,16 v

Der Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.066,16 t.

Für den Gebührenstreitwert können sich darüber hinaus auch hier Stufenstreitwerte ergeben.

2.5705

Bei den Gerichtsgebühren sind Stufenstreitwerte allerdings selten, da die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen nur einmal für das gesamte Verfahren erhoben werden. Möglich sind Fälle wiederum hier beim Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren.

2.5706

Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 t nebst vorgerichtlicher Kosten i.H.v.

2.5707

1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

308,60 t

288,60 t 20,00 t 58,63 t 367,23 v

Widerspruch wird nur wegen eines Teilbetrags von 1.000 t und der gesamten vorgerichtlichen Kosten eingelegt. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 t erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG berechnet sich dagegen gem. § 43 Abs. 2 GKG nur aus dem Wert der restlichen Hauptforderung sowie der vorgerichtlichen Kosten, soweit sie aus den weiteren 2.000 anfallen, also aus 1. 2. 3.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.000 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

235,80 t

215,80 t 20,00 t 44,80 t 280,60 v

Dies ergibt dann folgende Berechnung 1. 2. 3.

0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert: 3.000 t) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert: 1.255,85 t) gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5 aus 1.229,50 t Gesamt

59,50 t 234,00 t – 39,00 t 254,40 v

Häufiger kommen solche Fälle bei den Anwaltsgebühren vor. Solche Fälle können auftreten, wenn sich nur die Hauptforderung – ohne Kosten – erledigt und die Kosten anhängig bleiben. Dann sind die anteiligen Kosten wiederum als Hauptforderung zu berücksichtigten.

2.5708

Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 t Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 719,95 t geltend gemacht (1,5-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer). Zur Berechnung der Kosten s. Beispiel Rz. 2.5703. Der Versicherer zahlt nach Klagezustellung 4.000 t, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. In Höhe der 4.000 t wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die restlichen 2.000 t Schaden sowie die Kosten i.H.v. 719,95 t wird verhandelt.

2.5709

Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach dem Wert von 6.000 t. Die Kosten werden nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG). Die teilweise Erledigung hat für sie keine Bedeutung. Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) bemisst sich ebenfalls nach 6.000 t. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) entsteht zum einen aus der verbliebenen Hauptforderung von 2.000 t. Daneben sind aber jetzt auch die Kosten, soweit sie auf die erledigten 4.000 t entfallen, zu berücksichtigen, da sie jetzt ohne die Hauptforderung betroffen sind (§ 23 Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 2 GKG). Dieser Wert beläuft sich auf 520,03. Zur Berechnung der Kosten s. Rz. 2.5703.

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ZPO

2. Teil 1. 2. 3. 4. 5.

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Vorläufige Vollstreckbarkeit

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 t) gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 6.000 t 1,2-Terminsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.520,03 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

539,90 t

507,00 t – 253,50 t 266,40 t 20,00 t 102,58 t 642,485 v

V. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit 2.5710 Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten auch hier immer Hauptforderung (s. Rz. 2.5663).

VI. Klage und Widerklage 2.5711 Werden vorgerichtliche Kosten isoliert im Wege der Widerklage geltend gemacht,1 handelt es sich immer um eine Hauptforderung.2 Im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert werden hier allerdings die Werte von Klage und Widerklage addiert (§ 45 Abs. 1 GKG). Es liegt keinesfalls derselbe Streitgegenstand zugrunde. Auch wenn sich die Ansprüche ggf. wechselseitig ausschließen, fehlt es jedoch an der wirtschaftlichen Identität.

2.5712 Beispiel: Der Anwalt hatte vorgerichtlich versucht, für den Mieter die Kündigung eines Mietverhältnisses (monatliche Kaltmiete 500 t) abzuwehren. Der Vermieter erhebt anschließend Klage auf Räumung. Der Anwalt bestellt sich daraufhin für den Mieter und beantragt Klageabweisung. Gleichzeitig erhebt er Widerklage auf die durch die Abwehr der Kündigung entstandenen Kosten, die er wie folgt berechnet:

1. 2. 3.

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.400 t) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

857,00 t

837,00 t 20,00 t 162,83 t 1.019,83 v

Der Streitwert der Klageforderung beläuft sich auf 6.000 t, der Wert der Widerklage auf 1.019,83 t. Die Werte werden nach § 45 Abs. 1 GKG zusammengerechnet.

Vorläufige Vollstreckbarkeit A. Zuständigkeitsstreitwert 2.5724 Ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil oder eine falsch bemessene Höhe der Sicherheitsleistung kann die betroffene Partei belasten. Deshalb kann im Berufungsverfahren nach § 718 Abs. 1 ZPO auf Antrag vorab durch Teilurteil über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils entschieden werden.3 Die Entscheidung kann gem. § 718 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen. Da nach §§ 718, 802 ZPO das Berufungsgericht ausschließlich zuständig ist, braucht kein Zuständigkeitsstreitwert ermittelt zu werden.

1 Siehe hierzu Stöber, AGS 2006, 261 ff. 2 OLG Rostock, Beschl. v. 29.5.2012 – 1 W 84/10, JurBüro 2013, 19; LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 3 OLG München, Urt. v. 5.6.2019 – 7 U 1844/19, NZG 2019, 987; Zöller/Herget, § 718 ZPO Rz. 3.

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Schneider und Seggewiße

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Vorläufige Vollstreckbarkeit

S. 1121 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Für eine ausschließlich gegen die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils gerichtete Berufung fallen Gerichtsgebühren nach Nr. 1220 ff. KV GKG an. Der Streitwert dieser isolierten Berufung1 ist gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers an der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit zu bemessen. Der Antragsteller will vor einem vorschnellen bzw. nicht ausreichend gesicherten Vollstreckungszugriff bewahrt werden, was dem Interesse bei Arresten und einstweiligen Verfügungen gleicht, die ebenfalls Ansprüche nur vorläufig sichern. Der Antrag nach § 718 ZPO ist daher grundsätzlich mit einem Bruchteil von 1/102 bis 1/53 der Hauptsache zu bewerten.

2.5725

Nur ausnahmsweise ist der Streitwert mit dem Wert des Hauptsacheverfahrens bzw. der erstrebten 2.5726 Sicherheitsleistung gleichzusetzen. So kann ein Antrag nach § 718 ZPO, das erstinstanzliche Urteil nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, mit der erstinstanzlichen Urteilssumme zu bewerten sein, wenn der Antragsteller darlegt, die zu leistende Zahlung sonst wegen Zahlungsunfähigkeit des Gegners unwiederbringlich zu verlieren.4 Der Streitwert soll gleichfalls der Urteilssumme entsprechen, wenn der Antragsteller die Beseitigung der vorläufigen Vollstreckbarkeit erstrebt.5 Das dürfte wegen des nur vorläufigen Charakters der Entscheidung nur zutreffen, wenn ansonsten der unwiederbringliche Verlust der Zahlung droht. Ansonsten lösen das Verfahren nach § 718 ZPO und der Erlass des Teilurteils neben den Gerichtsgebühren für die Berufung im Übrigen keine Gerichtsgebühren aus. Der Antrag erhöht den Streitwert des Berufungsverfahrens auch nicht, weil darin stets über die vorläufige Vollstreckbarkeit mitentschieden wird. In diesen Fällen wird für das Verfahren nach § 718 ZPO kein gesonderter Gebührenstreitwert festgesetzt.

2.5727

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren Für eine isolierte Berufung gegen die vorläufige Vollstreckbarkeit erhält der Rechtsanwalt Gebühren 2.5728 nach Nr. 3200 VV RVG und, wenn über den Antrag mündlich verhandelt wird, nach Nr. 3202 VV RVG. Deren Gegenstandswert entspricht gem. § 32 Abs. 1 RVG dem für die Gerichtskosten festgesetzten Streitwert. Wenn sich die Berufung auch gegen das Urteil in der Sache richtet, ist die Tätigkeit des Anwalts im Verfahren nach § 718 Abs. 1 ZPO mit den Gebühren des Berufungsverfahrens abgegolten.6 Nrn. 3328, 3332 VV RVG oder Nr. 3309 VV RVG sind ebenso wie § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG nicht anwendbar.7 Die Berufungsverhandlung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ist Teil des Erkenntnisverfahrens und kein Verfahren der Zwangsvollstreckung oder ihrer einstweiligen Einstellung.

1 Deren Zulässigkeit ist freilich umstritten. Vgl. OLG Rostock, Urt. v. 28.8.2008 – 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 einerseits und OLG Köln, Beschl. v. 31.3.2005 – 20 U 32/05 andererseits. 2 OLG Frankfurt, Urt. v. 19.4.2012 – 22 U 172/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.12.1994 – 5 U 200/93; OLG Rostock, Urt. v. 28.8.2008 – 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498. 3 OLG Koblenz, Urt. v. 9.1.2007 – 11 U 1392/06. 4 KG, Beschl. v. 13.9.1973 – 12 U 766/72, MDR 1974, 323. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.8.1982 – 17 U 148/81, JurBüro 1983, 140. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 26.11.1973 – 23 W 401/74; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, § 19 Rz. 86. 7 Hartung/Schons/Enders, RVG, Nr. 3328 VV Rz. 4; a.A. Musielak/Voit/Lackmann, § 718 ZPO Rz. 3, § 707 ZPO Rz. 15: Gebühr nach Nr. 3328, 3332; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 718 Rz. 4: Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG.

Seggewiße

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2.5729

ZPO

B. Gebührenstreitwert

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2. Teil

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Vormerkung

ZPO

2.5730 Findet eine fakultative (§ 718 Abs. 1 Satz 2 ZPO) mündliche Verhandlung über den Antrag nach § 718 ZPO statt und bleibt diese der einzige Termin im Berufungsverfahren (z.B. weil die Berufung danach zurückgenommen wird), erhält der Rechtsanwalt die Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG aus dem Gegenstandswert des Antrages, den man bemisst wie in Rz. 2.5725 ff. für den Streitwert dargestellt.

D. Rechtsmittel und Beschwer 2.5731 Nach § 718 Abs. 1 ZPO ergangene Teilurteile sind wegen § 718 Abs. 2 ZPO stets unanfechtbar.1 Es ist daher sinnlos, Rechtsmittelstreitwerte zu errechnen.

Vormerkung A. Allgemeines 2.5732 Der Zuständigkeitsstreitwert bei Prozessen im Zusammenhang mit Vormerkungen ist nach § 3 ZPO zu bestimmen.2 Mangels besonderer kostenrechtlicher Vorschriften gilt der Wert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltsgebühren.

2.5733 Vormerkungen sichern schuldrechtliche Ansprüche auf dingliche Rechtsänderungen an Grundstücken oder an grundstücksbelastenden Rechten (§ 883 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es gibt daher keine „Vormerkung an sich“, sondern immer nur eine auf das konkret gesicherte Recht bezogene.

B. Eintragung einer Vormerkung 2.5734 Der Streitwert einer Klage auf Eintragung einer Vormerkung ist mit dem Interesse des Klägers an der dinglichen Sicherung seines schuldrechtlichen Anspruchs zu bewerten, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist.3 Es unterscheidet sich je nach Art des zu sichernden Rechts.

2.5735 Bei der praktisch bedeutsamen Auflassungsvormerkung orientiert sich der Wert des Interesses am Verkehrswert des Grundstücks.4 Erfolgt die Eintragung durch einstweilige Verfügung nach § 885 BGB ist nur ein Bruchteil des Verkehrswerts anzusetzen.5 Das Interesse an der einstweiligen Eintragung der Auflassungsvormerkung kann im Einzelfall den Wert des Grundstücks erreichen, auf das sich der Auflassungsanspruch bezieht, wenn die Vormerkung einen unmittelbar drohenden totalen Rechtsverlust abwenden soll.6

2.5736 Weitere Einzelheiten dazu enthält das besondere Stichwort „Auflassungsvormerkung“, Rz. 2.306 ff. 2.5737 Die im Eilverfahren erstrebte Vormerkung zur Sicherung der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betreffend die Abnahmeverpflichtung von Getränkelieferungen ist nach § 3 ZPO

1 BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – VII ZR 192/18, VII ZR 220/18. 2 BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 20.5.1976 – 2 W 32/76, JurBüro 1976, 1094; a.A. Musielak/Voit/Heinrich, § 3 ZPO Rz. 37, Stichwort „Vormerkung“. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 20.5.1976 – 2 W 32/76, JurBüro 1976, 1094. 5 OLG München, Beschl. v. 28.12.2007 – 8 U 3077/07; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.4.2002 – 11 U 242/01. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.1971 – 1 W 58/71, Justiz 1971, 354.

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Seggewiße

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Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung

S. 1123 von 1232 Druckdaten

2. Teil

Wegen der Eintragung von Vormerkungen für Bauhandwerkersicherungshypotheken wird auf die Stichwörter „Bauhandwerkersicherungshypothek“, Rz. 2.586 und „Einstweilige Verfügung“, Rz. 2.1140–2.1143 verwiesen.

2.5738

C. Löschung einer Vormerkung Der Streitwert einer Klage auf Löschung einer Auflassungsvormerkung ist nicht mit dem Wert des Grundstücks, sondern gemäß dem Interesse des Klägers an der Beseitigung der Vormerkung nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) zu bestimmen. Es kann regelmäßig mit 1/4 des Verkehrswertes des Grundstücks angesetzt werden.2 Steht jedoch das Erlöschen der Vormerkung fest und geht es nur um die Beseitigung der formellen Grundbuchposition, ist ein Ansatz von 1/10 ausreichend.3

2.5739

Vornahme von Handlungen Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert für Klagen, die auf die Vornahme von Handlungen 2.5740 gerichtet sind, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen, wobei auf das Interesse des Klägers abzustellen ist, dass der Beklagte die geforderte Handlung vornimmt.4 Wenn vertretbare Handlungen streitgegenständlich sind, kann das Interesse an ihrer Vornahme mit den Kosten einer Ersatzvornahme beziffert werden.5 Die für den Beklagten entstehenden Vornahmekosten sind nicht ausschlaggebend, wenngleich sie als Bewertungsanhaltspunkt in Betracht kommen können.

2.5741

Vorrangseinräumung 2.5742

Siehe das Stichwort „Rangverbesserung“, Rz. 2.4124.

Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung 2.5743

Siehe das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1565–2.1569.

1 2 3 4

OLG Bamberg, Beschl. v. 26.1.1978 – 5 W 20/78, JurBüro 1978, 1061. BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17; BGH, Beschl. v. 2.2.2017 – V ZR 49/15. BGH, Beschl. v. 11.7.2019 – V ZR 244/17. Vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.1995 – XII ZR 161/95, NJW-RR 1996, 460; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.2014 – 10 W 34/14. 5 BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – VII ZB 41/13, MDR 2014, 856.

Seggewiße

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ZPO

zu schätzen, wobei der für die Hauptsache maßgebende § 9 ZPO die Richtschnur bildet. Wichtigster Bewertungsumstand ist der vom Verfügungskläger erwartete Gewinn.1

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2. Teil

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Vorschusszahlungen

ZPO

Vorschusszahlungen 2.5744 Der Streitwert einer Leistungsklage umfasst auch den Betrag bereits erbrachter Vorschusszahlungen der Versicherungsgesellschaft des Schuldners, wenn diese trotz Zahlung die Schadensersatzpflicht bestreitet und ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückerstattung geleistet hat.1

2.5745 Werden Vorschusszahlungen im Verlaufe des Verfahrens vorbehaltlos (a conto, als Teilzahlung) erbracht, dann muss die Vorschrift des § 367 BGB beachtet werden. Die Zahlungen sind vorweg auf Zinsen und Kosten zu verrechnen. Das ist deshalb wesentlich, weil sich insoweit der Streitwert nicht ermäßigt (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO).2

Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) 2.5746 Auf die Klage aus § 805 ZPO ist für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) sinngemäß anzuwenden. Auszugehen ist bei der Streitwertberechnung von der Höhe der Forderung des klagenden Dritten, jedoch ohne Zinsen und Kosten (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO). Deren Betrag ist mit dem Erlös der gepfändeten Sache zu vergleichen. Für den Streitwert maßgebend ist nur der geringere Wert.3

2.5747–2.5777 Einstweilen frei.

Vorkaufsrecht 2.5713 Im BGB sind das schuldrechtliche (§§ 504 ff. BGB) und das dingliche (§§ 1094 ff. BGB) Vorkaufsrecht geregelt. Während das schuldrechtliche Vorkaufsrecht für bewegliche und unbewegliche Sachen gilt, kann ein dingliches Vorkaufsrecht nur an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten begründet werden. Darüber hinaus sind in speziellen Gesetzen gesetzliche Vorkaufsrechte geregelt.

2.5714 Wird aufgrund des Vorkaufsrechts vom Kläger Verschaffung des Eigentums an dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Gegenstand bzw. Grundstück verlangt, so handelt es sich um eine nach § 6 ZPO zu bewertende Herausgabeklage. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Verkehrswert der Sache.4

2.5715 Klagt ein Miterbe in Ausübung seines gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB auf Übertragung, so ist gem. § 6 ZPO der Wert seines Erbanteils maßgebend.5

2.5716 Ist die Klage demgegenüber auf Einräumung oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vorkaufsrechts gerichtet, bestimmt sich der Streitwert der Klage nach § 3 ZPO. Maßgebend für die Bewertung ist das Interesse des Klägers an der Erlangung bzw. am Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts.6 Es entspricht nach richtiger Auffassung nie dem vollen Wert des Gegenstands bzw. Grundstücks, da es lediglich die Möglichkeit gewährt, im Falle einer Veräußerung den Gegenstand bzw. das 1 2 3 4

OLG Karlsruhe, Justiz 1965, 144. Ausführlich dazu und auch zum Rechtsmittelwert Schneider, DRiZ 1979, 310. RGZ 4, 365; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.202; Musielak/Voit/Becker, § 805 ZPO Rz. 2. BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224; RG, JW 1902, 181; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rz. 166 unter „Vorkaufsrecht“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.198. 5 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1148. 6 BGH, Beschl. v. 4.12.1996 – VIII ZR 87/96, WM 1997, 643.

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Vorkaufsrecht

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2. Teil

Geboten ist vielmehr eine Bewertung nach einem Bruchteil des Gegenstands- bzw. Grundstückswerts, über deren Höhe hingegen Uneinigkeit besteht. Vertreten werden nahezu sämtliche Bewertungen:

ZPO

Grundstück zu dem mit dem Vorkäufer vereinbarten Preis zu übernehmen.1 Insoweit unterscheidet es sich von dem Vorvertrag, der eine Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages begründet. Auch dem Preis, der für die Überlassung des Gegenstandes bzw. des Grundstücks zu zahlen ist, kommt bei der Wertbemessung keine Bedeutung zu.2

2.5717

– weniger als 1/2 des Grundstückswerts;3 – mindestens 1/2 des Grundstückswerts;4 – 1/5 des Grundstückswerts;5 – 1/10 des Grundstückswerts, wenn die Möglichkeit eines Vorkaufsfalles völlig fern liegt.6 Der BGH7 stellt völlig auf den Einzelfall ab und hält es für möglich, dass das Interesse des Klägers auch dem Wert des Grundstücks entsprechen könne.8 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass der Maßstab für die Bewertung in jedem Einzelfall die Wahrscheinlichkeit des Verkaufsfalls ist. Dabei sollte jedoch ein Mindestwert von 10 % nicht unterschritten werden.9

2.5718

Nach § 3 ZPO ist auch die Feststellungsklage zu bewerten, der Beklagte habe sein (unbestrittenes) Vorkaufsrecht nicht oder nicht rechtzeitig ausgeübt.10

2.5719

Desgleichen ist § 3 ZPO anzuwenden auf die Bewertung des Anspruchs auf Löschung eines eingetra- 2.5720 genen Vorkaufsrechts. Wertbestimmend ist das Interesse des Grundstückseigentümers an der Löschung. Die gebotene Bruchteilsbewertung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.11 Das OLG Nürnberg12 will die Klage auf Löschung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung eines Vorkaufsrechts mit mindestens dem halben Grundstückswert ansetzen. Das erscheint als Grundsatz verfehlt und wesentlich übersetzt.

1 OLG München, JurBüro 1951, 101. 2 RG, SeuffArchiv Bd. 42, 467; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 239. 3 OLG Schleswig, SchlHA 1953, 299; LG Heilbronn, Beschl. v. 9.4.2014 – 5 O 134/14, ZMR 2014, 795: 1/3 – betr. Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Vorkaufsrechts; ebenso Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vorkaufsrecht“ Rz. 3: 1/10 bis 1/2. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; AG Lahnstein, JurBüro 1978, 1563 – Einräumung eines Vorkaufsrechtes. 5 OLG München, JurBüro 1951, 1019), hat den Wert des Vorkaufsrechts mit 1/5 des Grundstückswertes bemessen. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31 – für Löschung eines Vorkaufsrechts je nach Einzelfall, aber mindestens 10 %; OLG Celle, Beschl. v. 8.3.1967 – 7 W 25/66, JurBüro 1967, 598. 7 BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224. 8 Ebenso OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; OLG Celle, JurBüro 1957, 598. 9 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31. 10 BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224. 11 BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – V ZR 238/17, NZM 2018, 845: entsprechend der Wertangabe des Klägers; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; KG, Rpfleger 1969, 214. 12 OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43.

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2. Teil

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Währungsumrechnung

2.5721 So wird die Löschung eines bereits gegenstandslos gewordenen Vorkaufsrechts mit einem 1/51 bis 1/102

ZPO

bewertet.

2.5722 Eine spezielle Bewertungsvorschrift enthält § 36 GNotKG für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier ist die Einräumung eines Vorkaufsrechts „in der Regel“ mit dem halben Wert der Sache zu bewerten.3 Hiervon ist abzuweichen bei einem erkennbaren Unterschied zum Wert durchschnittlicher Fälle.4 So liegt es etwa, wenn mit einer Verwirklichung des Vorkaufsrechts in ungewöhnlich hohem Maße zu rechnen oder diese außergewöhnlich fern liegend ist.5

2.5723 Hierbei wird der Wert eines Vorkaufsrechts an einem Erbbaurecht nach dem Wert des Grundstücks und der Bebauung bestimmt. Bedarf die Veräußerung des Vorkaufsrechts dabei noch der Zustimmung des Grundstückseigentümers, sollen 15 % des Wertes angemessen sei.6

Währungsumrechnung 2.5778 Die für die Bewertung von Grundpfandrechten – etwa im Aufgebotsverfahren (§§ 433 ff. FamFG) – erforderliche Umrechnung von Goldmark in Reichsmark, von Reichsmark in Deutsche Mark und von Deutsche Mark zum Euro kann im Verhältnis 1:1 erfolgen.7

2.5779 Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, dann ist der Umrechnungsbetrag in Euro (t) im Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung (Anhängigkeit) maßgebend, § 4 ZPO, § 40 GKG.8 Nachfolgende Kursschwankungen bleiben auf den Streitwert ohne Einfluss. Im Berufungs- und Revisionsverfahren gilt außerdem § 47 GKG.

2.5780 Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Ausländische Währung“, Rz. 2.506 ff.

Wahlschuld 2.5781 Mehrere Leistungen können in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist (sog. Wahlschuld). Um der Bestimmtheit der Leistung willen muss klargestellt werden, wem das Wahlrecht zusteht. Danach richtet sich auch die Streitwertbemessung. Ist nichts vereinbart, so steht das Wahlrecht, ein Gestaltungsrecht, („im Zweifel“) dem Schuldner zu, § 262 BGB.

2.5782 Hat der Schuldner sein Wahlrecht ausgeübt, so gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete (§ 263 Abs. 2 BGB); diese ist daher auch wertbestimmend.

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395. 2 BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – V ZR 238/17: entsprechend der Wertangabe des Klägers; BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.1.1999 – 13 W 12/98, OLGR 1999, 336. 3 BGH, Beschl. v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, MDR 2013, 17. 4 BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267 m. zust. Anm. Mümmler. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.9.1995 – 10 W 60/95, MDR 1996, 318; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vorkaufsrecht“ Rz. 5. 6 KG, Beschl. v. 1.7.1997 – 19 W 6246/95, JurBüro 1999, 43 – noch zu § 20 Abs. 2 KostO; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.8.1978 – 1 W 46/78, n.v.; LG Osnabrück, Beschl. v. 23.10.1995 – 3 T 65/94, JurBüro 1996, 208 – beide 30 % noch zu § 20 Abs. 2 KostO. 7 BGH, Beschl. v. 22.5.2014 – V ZB 146/13, MDR 2014, 1074. 8 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17.

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2. Teil

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Währungsumrechnung

2.5721 So wird die Löschung eines bereits gegenstandslos gewordenen Vorkaufsrechts mit einem 1/51 bis 1/102

ZPO

bewertet.

2.5722 Eine spezielle Bewertungsvorschrift enthält § 36 GNotKG für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier ist die Einräumung eines Vorkaufsrechts „in der Regel“ mit dem halben Wert der Sache zu bewerten.3 Hiervon ist abzuweichen bei einem erkennbaren Unterschied zum Wert durchschnittlicher Fälle.4 So liegt es etwa, wenn mit einer Verwirklichung des Vorkaufsrechts in ungewöhnlich hohem Maße zu rechnen oder diese außergewöhnlich fern liegend ist.5

2.5723 Hierbei wird der Wert eines Vorkaufsrechts an einem Erbbaurecht nach dem Wert des Grundstücks und der Bebauung bestimmt. Bedarf die Veräußerung des Vorkaufsrechts dabei noch der Zustimmung des Grundstückseigentümers, sollen 15 % des Wertes angemessen sei.6

Währungsumrechnung 2.5778 Die für die Bewertung von Grundpfandrechten – etwa im Aufgebotsverfahren (§§ 433 ff. FamFG) – erforderliche Umrechnung von Goldmark in Reichsmark, von Reichsmark in Deutsche Mark und von Deutsche Mark zum Euro kann im Verhältnis 1:1 erfolgen.7

2.5779 Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, dann ist der Umrechnungsbetrag in Euro (t) im Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung (Anhängigkeit) maßgebend, § 4 ZPO, § 40 GKG.8 Nachfolgende Kursschwankungen bleiben auf den Streitwert ohne Einfluss. Im Berufungs- und Revisionsverfahren gilt außerdem § 47 GKG.

2.5780 Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Ausländische Währung“, Rz. 2.506 ff.

Wahlschuld 2.5781 Mehrere Leistungen können in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist (sog. Wahlschuld). Um der Bestimmtheit der Leistung willen muss klargestellt werden, wem das Wahlrecht zusteht. Danach richtet sich auch die Streitwertbemessung. Ist nichts vereinbart, so steht das Wahlrecht, ein Gestaltungsrecht, („im Zweifel“) dem Schuldner zu, § 262 BGB.

2.5782 Hat der Schuldner sein Wahlrecht ausgeübt, so gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete (§ 263 Abs. 2 BGB); diese ist daher auch wertbestimmend.

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395. 2 BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – V ZR 238/17: entsprechend der Wertangabe des Klägers; BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.1.1999 – 13 W 12/98, OLGR 1999, 336. 3 BGH, Beschl. v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, MDR 2013, 17. 4 BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267 m. zust. Anm. Mümmler. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.9.1995 – 10 W 60/95, MDR 1996, 318; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vorkaufsrecht“ Rz. 5. 6 KG, Beschl. v. 1.7.1997 – 19 W 6246/95, JurBüro 1999, 43 – noch zu § 20 Abs. 2 KostO; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.8.1978 – 1 W 46/78, n.v.; LG Osnabrück, Beschl. v. 23.10.1995 – 3 T 65/94, JurBüro 1996, 208 – beide 30 % noch zu § 20 Abs. 2 KostO. 7 BGH, Beschl. v. 22.5.2014 – V ZB 146/13, MDR 2014, 1074. 8 BGH, Beschl. v. 26.8.2019 – XI ZR 574/17.

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Wahlschuld

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2. Teil

2.5783

Steht das Wahlrecht dem Gläubiger zu, dann scheidet vor Wahlausübung eine Zusammenrechnung ebenso aus. Bei ausgeübter Wahl ist die Schuld konkretisiert; der Streitwert bestimmt sich nach dem Anspruch, den der Gläubiger erfüllt sehen will. Bis zur Ausübung des Wahlrechts geht das Interesse des Gläubigers darauf, den ihm günstigsten, d.h. den höherwertigen Anspruch erfüllt zu sehen. Er ist daher für die Wertbemessung maßgebend.5 Mit Klageerhebung muss der Kläger jedoch eine ihm zustehende Wahlbefugnis ausüben, so dass insoweit eine zulässige alternative Klagehäufung ausscheidet.6

2.5784

Besteht der Streit nur darüber, ob das Wahlrecht dem Gläubiger oder dem Schuldner zusteht, dann ist es gleichgültig, wer das Recht für sich in Anspruch nimmt. Die Parteirolle kann deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil in jedem Fall immer nur der Differenzbetrag wertbestimmend sein darf. Denn da der Gläubiger an der Ausübung des ihm günstigeren, der Schuldner an der Ausübung des minder günstigen Rechts interessiert ist, beide Parteien aber davon ausgehen, dass jedenfalls das minder günstige Recht verwirklicht wird, ist das Interesse eines jeden stets nur auf den ihm günstigen oder ungünstigen Differenzbetrag zwischen den Wahlmöglichkeiten gerichtet.7

2.5785

Wird der Streit, wem das Wahlrecht zusteht, mit einer Feststellungsklage verfolgt, dann muss der Wert nach § 3 ZPO geschätzt werden; er wird sich ebenfalls am Differenzbetrag orientieren und darf im Einzelfall den höchsten möglichen Anspruch nicht übersteigen.

2.5786

Stellt der Kläger die Einräumung einer Wahlschuld in Abrede und klagt auf eine bestimmte Leistung, ist diese für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert maßgeblich.8

2.5787

ZPO

Solange er sein Wahlrecht nicht ausgeübt hat, kommen alle Leistungsalternativen in Betracht und ist eine alternative Klagehäufung zulässig.1 Das Interesse des Schuldners wird sich darauf richten, möglichst wenig belastet zu werden. Deshalb ist in diesem Fall der Streitwert der auf eine wahlweise Verurteilung gerichteten Klage nach dem geringwertigsten Leistungsgegenstand zu bestimmen.2 Dies gilt auch für die Beschwer bei wahlweiser Verurteilung des Schuldners.3 Für eine Zusammenrechnung der Werte der Leistungsgegenstände ist kein Raum.4

Von der Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB zu unterscheiden ist die Ersetzungsbefugnis (sog. facultas 2.5788 alternativa) des Schuldners. Hier hat die Verpflichtung des Schuldners von Anfang an einen bestimmten Inhalt. Ihm bleibt nur nachgelassen, sich durch eine andere Leistung an Erfüllungs statt zu befreien.9 Die Streitwertbemessung beeinflusst dies nicht, weil die Klage auf eine bestimmte Leistung gerichtet ist, die allein die Bewertung bestimmt.10 Die dem Schuldner zustehende Möglichkeit einer anderen Leistung ist nicht Gegenstand der Verurteilung, auch hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf.

1 BAG, Urt. v. 12.2.2013 – 3 AZR 100711, NJW 2013, 2540; LG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2018 – 30 O 26/17, BB 2019, 147. 2 RGZ 55, 81; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.203; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rz. 3; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 41; a.A. LG Berlin, JW 1931, 2451; LG Berlin, JVBl. 1933, 229, das addierte, dabei aber verkannt hat, dass nur eine Leistung verlangt und geschuldet wird. 3 RG, JW 1906, 431 Nr. 18; RG, Warneyer 1908 Nr. 153. 4 Musielak/Voit/Heinrich, § 3 ZPO Rz. 38 unter „Wahlschuld“. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.203; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rz. 3; Musielak/Voit/ Heinrich, § 3 Rz. 38 unter „Wahlschuld“; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 41. 6 MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, § 260 ZPO Rz. 22. 7 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rz. 4. 8 OLG Frankfurt, Urt. v. 15.4.2008 – 8 U 238/06, OLGR 2009, 585. 9 Palandt/Grüneberg, § 262 BGB Rz. 8. 10 RG, Warneyer 1940 Nr. 174; OLG Breslau, OLGR 6, 372.

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2. Teil

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Wahlweise Verurteilung

ZPO

Wahlweise Verurteilung 2.5789 Siehe hierzu das Stichwort „Wahlschuld“, Rz. 2.5781 ff.

Wechselnde Klageanträge 2.5790 Siehe hierzu die Ausführungen zu dem Stichwort „Klageänderung“, Rz. 2.2537 ff.

Wechselprozess 2.5791 Siehe das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“, Rz. 2.4925 ff.

Wechselseitige Rechtsmittel 2.5792 Siehe das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

Wegnahme eingebauter Sachen 2.5793 Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem in der Regel verminderten Wert dieser Sachen, den sie nach der Trennung von den Mieträumen haben werden. Die Kosten des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bleiben unberücksichtigt.1 § 6 ZPO gelangt zur Anwendung, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos.

2.5794 Anders liegt es jedoch, wenn mit der Duldung der Wegnahme eine über den Besitzverlust hinausgehende Beeinträchtigung angestrebt wird, beispielsweise die Wegnahme einer Messvorrichtung, die der Einstellung der Energieversorgung dient. Hier bestimmt sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der Versorgungseinstellung und nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Messeinrichtung (s. ausführlich unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3194).

2.5795 Erhebt der Mieter gegenüber einer Räumungsklage für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen, wenn darüber entschieden wird, §§ 3, 6 ZPO, § 45 Abs. 1 GKG.2

1 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, ZMR 1991, 426 – Beschwer; KG, ZMR 1972, 80; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rz. 5. 2 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35.

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Werbung, unverlangte

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2. Teil

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Werbung, unverlangte Literatur: Steckler, Die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitskriterien bei Verwendung teletechnischer Kommunikationsmedien im Direktmarketing, GRUR 1993, 865; Vogt, Die Entwicklung des Wettbewerbsrechts in den Jahren 1989 bis 1993, NJW 1993, 2845; Schmittmann, Streitwertbestimmung bei unaufgeforderter Telefaxwerbung, JurBüro 1999, 572; Schmittmann, Streitwertbestimmung bei telekommunikativer Werbung, JurBüro 2003, 398; Richter, MMR-Aktuell 2010, 305649.

A. Allgemeines Unverlangte Werbung wird Verbrauchern und Geschäftsleuten heutzutage auf verschiedensten Wegen 2.5797 übersandt. Aufgrund des Zeitvorteils wird die früher weit verbreitete Brief- oder Postwurfsendung in immer stärkerem Maße durch Telefax, E-Mail, SMS und MMS ersetzt. Diese Werbung ist ohne das (zumindest konkludente) Einverständnis des Empfängers nicht nur wettbewerbswidrig i.S.d. §§ 3, 7 UWG,1 sondern begründet auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB.2 Derart unerwünschte Werbemaßnahmen stellen gegenüber den Privatpersonen einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und gegenüber Unternehmen einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb dar.3 Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert entsprechender Unterlassungsklagen gegen den Ab- 2.5798 sender/Anrufer ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Man kann bei der Streitwertbestimmung nach dem Adressaten unterscheiden (Verbraucher oder Wettbewerber/Geschäftsmann) oder auch nach der Art der Kontaktaufnahme (Telefonanruf, SMS, MMS, Fax, E-Mail, Brief/Postwurfsendung). Da es sich um Werbung handelt, ist der Inhalt der Mitteilung aber in jedem Fall geschäftlich, d.h. in irgendeiner Form von dem Willen geprägt, den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Soweit der Inhalt der Mitteilung dagegen privater oder persönlicher Natur ist, werden entsprechende Unterlassungsansprüche unter dem Stichwort „Belästigung“, Rz. 2.668 behandelt.

B. Bemessungsgrundsätze Maßgeblich für die Wertbestimmung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist das Interesse des Klägers an der begehrten Unterlassung4 und der Umfang der erlittenen Beeinträchtigung. Ob und welche Aufwendungen der Beklagte vornehmen muss, um die künftigen Störungen zu unterlassen, ist unerheblich.5 Bei der Bestimmung dieses klägerischen Interesses kann nach dem Adressaten der Werbung differenziert werden.

1 LG Traunstein, Beschl. v. 18.12.1997 – 2 HKO 3755/97, NJW 1998, 1648. 2 BGH, Urt. v. 14.3.2017 – VI ZR 721/15, MDR 2017, 571; BGH, Urt. v. 12.9.2013 – I ZR 208/12; OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1991 – 4 U 261/90; a.A. AG Kiel, Urt. v. 30.9.1999 – 110 C 243/99, MMR 2000, 51; zutreffend differenzierend: LG Augsburg, Urt. v. 4.5.1999 – 2 O 4416/98, NJW 2000, 593 – Antragsteller hatte sich zuvor in die Datenbank des Absenders aufnehmen lassen, sowie LG Kiel, Urt. v. 20.6.2000 – 8 S 263/99, MDR 2000, 1331 – keine unzulässige E-Mail, wenn sie ein bindendes Vertragsangebot enthält. 3 Ausführlich Conrad, MDR 2017, 975. 4 BGH, Beschl. v. 26.4.1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052; KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142; OLG Köln, JurBüro 1990, 246. 5 Anders verhält es sich bei der Bestimmung der Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Beklagten – insofern zutreffend die verhältnismäßig niedrige Wertfestsetzung des LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 29.12.1999 – 3 O 8616/99; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 14.6.1994 – 13 S 10228/93, AfP 2000, 395 auf 1.000 DM bei unzulässiger Telefaxwerbung.

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2. Teil

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Werbung, unverlangte

ZPO

I. Werbung gegenüber Verbrauchern 2.5800 Das Interesse eines Verbrauchers, der den Werbenden nach §§ 823, 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch nimmt, bemisst sich zunächst nach den finanziellen Folgen, die für den Kläger mit dem Empfang der Werbung verbunden sind. Bei der Übersendung eines Telefax wird man die Kosten für den Betrieb, Wartung und Unterhaltung des Gerätes ansetzen können. Bei der Übersendung von E-Mail, SMS oder MMS wird in dieser Hinsicht nur der Zeitverlust für Abrufen, Lesen und Löschen der unerwünschten Nachricht berücksichtigungsfähig sein. Bei Postwurfsendungen besteht die Beeinträchtigung ebenfalls nur in dem Aussortieren der Werbung, die sodann zu entsorgen ist. Bei größeren Mengen an Werbepost (z.B. umfangreiche Kataloge) können jedoch zusätzliche Kosten durch die Entsorgung entstehen. Bei unerwünschten Werbeanrufen per Telefon dürfte ein finanzieller Nachteil bei Privatpersonen, die zuhause angerufen werden, nur schwer auszumachen sein.

2.5801 Neben den finanziellen Nachteilen ist zu berücksichtigen, dass von der Übersendung unerwünschter Werbung eine nicht unerhebliche Belästigung ausgeht – man denke hier nur an das blockierte Faxgerät oder das an seine Kapazitätsgrenzen stoßende E-Mail-Postfach. Besonders deutlich wird die Belästigung bei der Werbung per SMS oder MMS, die im Regelfall unmittelbar auf dem Mobiltelefon angezeigt wird, ohne dass die Möglichkeit des Sammelns oder Umleitens besteht. Gleiches gilt für die heutzutage weit verbreitete unmittelbare Weiterleitung von E-Mails auf das Mobiltelefon.

2.5802 Eine besonders hohe Beeinträchtigung dürfte mit der unzulässigen Telefonwerbung einhergehen, da der Empfänger eines Telefonanrufs bei unbekannten/unterdrückten Rufnummern nicht erkennen kann, von wem der Anruf stammt und ob er für ihn von Bedeutung ist. Zur Klärung ist er gezwungen, den Anruf anzunehmen und sich persönlich mit dem Anrufer auseinanderzusetzen. E-Mails oder SMS lassen sich dagegen ohne und nach nur oberflächlicher Lektüre löschen. Besonders belästigend sind Telefonanrufe, die zu ungewöhnlichen Tageszeiten bzw. auf dem Privatanschluss des Betroffenen erfolgen.1

2.5803 Generalpräventive Erwägungen (Abschreckung) bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt. Der Gebührenstreitwert dient der Bestimmung im Einzelfall angemessener Gerichts- und Anwaltsgebühren.2 Zudem dürfte eine auf Abschreckung gestützte Werterhöhung unerwünschte Anreize für einen Rechtsmissbrauch (Abmahnwellen) setzen.

2.5804 Dagegen sind die Breitenwirkung und Häufigkeit solcher Zusendungen, die in ihrer Gesamtheit das Ausmaß der Belästigung erst bestimmen, zu berücksichtigen.3 Dem Beklagten ist auch bewusst, dass er sich – gerade beim Versand von E-Mails und SMS – einer massenhaft auftretenden, von den Betroffenen mindestens als belästigend empfundenen Vorgehensweise bedient. Er kann über die modernen Medien sehr schnell und effektiv eine große Menge an Werbung verteilen.4 Dies sollte ihm über niedrige Streitwerte in Unterlassungsverfahren nicht auch noch finanziell vereinfacht werden.

2.5805 Das KG5 hat ein einstweiliges Verfügungsverfahren wegen einmaliger Übersendung einer Werbemail mit 350 v bewertet, weil über die Notwendigkeit eines einfachen Löschvorgangs keine weiteren Beeinträchtigungen ersichtlich gewesen seien. Dem ist nicht zuzustimmen. Es kommt für die Wertsetzung nicht allein darauf an, welche Beeinträchtigungen der Kläger durch die bereits übersandte Werbung er-

1 LG Heidelberg, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 T 12/07, MMR 2007, 805. 2 BGH, Urt. v. 30.3.2017 – I ZR 124/16, ZUM-RD 2018, 68 – Filesharing; BGH, Urt. v. 30.11.2014 – VI ZR 65/04; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013 – 20 W 68/11, CR 2013, 538; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.3.2016 – 6 W 9/16, K&R 2016, 358. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 4 So zutreffend: KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142. Nach Heidrich, MMR 2004, 324 (325) lag der Anteil von Werbe-E-Mails schon im Jahr 2004 bei 62 % des weltweiten E-Mail-Verkehrs. 5 KG, Beschl. v. 5.4.2002 – 14 W 40/02, JurBüro 2002, 371.

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Werbung, unverlangte

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2. Teil

Das OLG Karlsruhe hat den Wert einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von E-Mail-Werbung auf 500 v festgesetzt und darauf hingewiesen, dass es für solche Verfahren keinen Regelstreitwert gebe.1 In gleicher Weise hat das OLG Frankfurt ein auf Unterlassung gerichtetes einstweiliges Verfügungsverfahren bewertet.2

2.5806

Eine Unterlassungsklage nach einem Autoresponder mit Werbung auf eine E-Mail der Verbraucherin mit Auskunftsverlangen nach § 34 BDSG hat das AG Bonn ohne nähere Erläuterung mit 3.000 v bewertet.3

2.5807

Wird das Unterlassungsbegehren zurückgewiesen, dann bestimmt sich die Beschwer des unterlegenen Antragstellers bzw. Klägers nach dem Umfang der abzuwehrenden Beeinträchtigung ohne Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte.4 Die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Antragsgegners bzw. Beklagten bemisst sich dagegen nach den Nachteilen, die mit der Beachtung des Unterlassungsgebots verbunden sind.5 Handelt der Schädiger aus privaten Motiven ist der Aufwand zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen maßgeblich.6

2.5808

Bei aller Kritik, die Regelstreitwerten im Hinblick auf ihre Vereinheitlichungswirkung entgegengebracht wird, ist allerdings zu bedenken, dass eine Einzelfallschätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch nicht immer zu zwingenden Beträgen kommen wird. Insofern erscheint es gerade für die Handhabung der Praxis empfehlenswert, jedenfalls den Ausgangspunkt einer Bewertung an einem Regelwert auszurichten. Dieser dürfte für unverlangte Werbung im privaten Bereich bei 2.000 t liegen und kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch durchaus die Größenordnung von 10.000 t erreichen.

2.5809

II. Werbung im beruflichen/gewerblichen Bereich Wird der Unterlassungsanspruch durch einen Wettbewerber des Absenders geltend gemacht, bzw. ist 2.5810 die Kommunikation durch E-Mail, Fax, Telefon, SMS oder MMS für den Empfänger erkennbar von geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung, so ist zusätzlich zu den oben genannten Kriterien die durch den Wettbewerbsverstoß zu befürchtende Umsatzeinbuße zu berücksichtigen7 bzw. der Streitwert im Hinblick auf den gesteigerten Lästigkeitsfaktor zu erhöhen. Denn es ist durchaus ein qualitativer Unterschied, ob beispielsweise der private E-Mail-Account oder der Account im Büro mit unerwünschter Werbung überhäuft wird bzw. ob sich ein Verbraucher im Urlaub oder ein Geschäftsmann während seiner Arbeitszeit mit SMS-Eingängen beschäftigen muss. Ähnlich wie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ist die Rechtsprechung aufgrund der Vielfalt der zu beurteilenden Sachverhalte sehr uneinheitlich. Die nachfolgende Sammlung von Entscheidungen soll einen Überblick über die jeweiligen Fallgestaltungen und Erwägungen der Gerichte bei der Wertfestsetzung geben.8 1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2008 – 6 W 121/07, GRUR-RR 2008, 262; AG Mülheim, Urt. v. 17.5.2011 – 27 C 2550/10, AGS 2012, 538. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.3.2016 – 6 W 108/15, MDR 2016, 916. 3 AG Bonn, Urt. v. 1.8.2017 – 104 C 148/17, MMR 2018, 123. 4 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04; OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95713; a.A. OLG Schleswig, JurBüro 2009, 256. 5 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11, GRUR 2013, 1271. 6 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95713 – Löschungsaufwand: 50 t. 7 BGH, Beschl. v. 19.9.1990 – VIII ZR 117/90, WM 1990, 2058. 8 Vgl. auch die umfangreiche Zusammenstellung von Einzelfallentscheidungen bei Richter, MMR-Aktuell 2010, 305649.

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litten hat, sondern auch darauf, welche Belästigungen er für die Zukunft fürchtet und deshalb auf Unterlassung klagt.

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2. Teil

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Werbung, unverlangte

ZPO

2.5812 1.000 v – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung von E-Mail-Werbung, wobei der Senat allerdings auch ausführt, dass das Interesse höher geschätzt werden könne, wenn dem Betroffenen – was er darzulegen habe – ein größerer Schaden durch den Eingriff in seinen Betrieb entstanden sei.1 – Wert einer Unterlassungsklage einer Anwaltskanzlei nach lediglich einer E-Mail.2

2.5813 1.500 v – Wert einer Unterlassungsklage wegen unzulässiger Telefax-Werbung. Der Senat hat darauf abgestellt, dass der dem Kläger entstandene Schaden zwar denkbar gering gewesen sei. Daneben dürfe jedoch die Belästigung durch das blockierte Faxgerät und das Verhalten des Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben, der trotz Widerspruchs des Klägers vorprozessual die Auffassung vertreten hatte, ihm Werbefaxe schicken zu dürfen.3 – Wert einer Unterlassungsklage aufgrund einmaliger Zusendung eine Werbe-E-Mail an eine Anwaltskanzlei.4

2.5814 2.000 v – Wert einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von SMS-Werbung auf ein Handy. Im Vergleich zur Werbe-E-Mail hat diese Werbung einen höheren Belästigungsgrad. E-Mails können gesammelt und dann zu beliebiger Zeit gelesen werden, während SMS den Empfänger sofort und in jeglicher Situation erreichen. Der Gesichtspunkt der Marktbedeutung stellt dagegen keinen werterhöhenden Faktor dar.5 – Wert einer Unterlassungsklage gegen Telefonwerbung. Der Beklagte hatte einem Dienstleistungsunternehmen der EDV-Branche Binde- und Laminiergeräte angeboten. Das KG hat hervorgehoben, dass allein das Interesse des Gestörten beachtlich sei und die Streitwertfestsetzung keinen Disziplinierungsfaktor im Hinblick auf Nachahmer beinhalte.6 – Wert einer einstweiligen Unterlassungsverfügung bei einmaliger Versendung einer unverlangten Werbe-E-Mail an einen Gewerbetreibenden.7

2.5815 2.500 v – Wert einer Unterlassungsklage eines Freiberuflers gegen die unerwünschte Telefax-Werbung eines Seminarveranstalters.8 – Wert einer Unterlassungsklage eines Journalisten gegen das per E-Mail übermittelte Angebot, einen Newsletter zu beziehen.9 – Wert von Unterlassungsklagen wegen E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden regelmäßig unter 3.000 t.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Celle, Beschl. v. 27.12.2001 – 13 W 112/01, OLGR 2002, 48. LG München II, Beschl. v. 12.5.2017 – 6 T 1583/17, K&R 2017, 525. OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.1999 – 10 W 37/99, CR 2000, 107. OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.2015 – 6 W 114/15. KG, Beschl. v. 27.7.2006 – 9 W 50/06, JurBüro 2006, 645. KG, Beschl. v. 12.9.2006 – 9 U 167/06, KGReport Berlin 2007, 206 – der Senat hat aus diesen Gründen die landgerichtliche Wertfestsetzung (7.500 t) deutlich nach unten korrigiert. OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.2.2014 – 2 W 11/14, ITRB 2014, 129. AG Essen, Urt. v. 2.6.1999 – 8 C 126/99. LG Berlin, Beschl. v. 19.9.2002 – 16 O 515/02, JurBüro 2003, 143. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.3.2016 – 6 W 9/16, K&R 2016, 358.

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2. Teil

3.000 v

2.5816

– Der hat im Rahmen einer Streitwertüberprüfung einen Wert von 3.000 t bei einer „verhältnismäßig geringfügigen Belästigung“ nicht beanstandet. Daraus kann jedoch kein Ausgangswert für sonstige Fälle abgeleitet werden, weil der Senat erkennbar die Einzelfallabwägung des Berufungsgerichts unterstellt hat.

ZPO

BGH1

– Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bzgl. eines Telefonanrufs, der spätabends auf dem Privatanschluss der Antragstellerin erfolgte.2 Für das Hauptsacheverfahren hätte die Kammer 6.000 t angesetzt. – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung des Einwurfs von Werbematerial in den Hausbriefkasten.3 Nach Ansicht des Gerichts lag nur eine sehr geringfügige Beeinträchtigung vor, da sich die Störung durch einfaches Herausnehmen der Werbung aus dem Briefkasten und Entsorgung im Altpapier beseitigen ließ. Hierdurch entstünden keine Mühen oder Kosten. – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung der Übersendung von Werbe-EMails bei bereits zahlreichen E-Mails in der Vergangenheit und gebrochener Zusage der Unterlassung.4 – Klageverfahren der Kundin eines Dienstleistungsunternehmens zur Abwehr unrechtmäßiger E-Mail-Werbung nach Übersendung einer Werbe-E-Mail.5 – Wert eines einstweiliges Verfügungsverfahrens auf Unterlassung der Übersendung von Werbe-EMails (Newsletter) nach einmaliger Übersendung.6 4.000 v

2.5817

– Wert einer Unterlassungsklage eines Rechtsanwalts gegen unaufgeforderte Zusendung von Telefaxwerbung an seine Kanzlei.7 – Wert einer Klage auf Unterlassung unerwünschter Werbeschreiben, nachdem vorprozessual vier Schreiben in sechs Monaten eingegangen waren.8 4.500 v

2.5818

– Wert einer Unterlassungsklage gegen das einmalige Zusenden einer E-Mail und die dadurch ausgelöste SMS-Nachricht; 3.000 t für das entsprechende einstweilige Verfügungsverfahren.9 6.000 v

2.5819

– Beschwer bei einmaliger Zusendung einer E-Mail (Newsletter mit Informationen für Kapitalanleger) an Anwaltskanzlei.10 – Vertretbare Wertfestsetzung für ein einstweiliges Verfügungsverfahren bzgl. einer E-Mail an den Wettbewerber (Versicherungsdienstleistungen), womit der Unterlassungsanspruch außer auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB auch auf § 8 UWG gestützt werden konnte.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80. LG Heidelberg, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 T 12/07, MMR 2007, 805. AG Rostock, Beschl. v. 17.12.2008 – 47 C 487/08. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.3.2016 – 6 W 9/16, K&R 2016, 358. KG, Urt. v. 5.9.2017 – 5 U 150/16, NJW-RR 2018, 670. OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.8.2018 – 6 W 110/18. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.9.2004 – 13 U 41/04, RDV 2005, 41; AG Siegburg, Urt. v. 11.4.2002 – 10 C 190/02, MDR 2002, 849. OLG Hamm, Beschl. v. 11.4.2013 – 9 W 23/13, MDR 2013, 999. OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. BGH, Beschl. v. 20.5.2009 – I ZR 218/07, MDR 2009, 1234. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.9.2005 – 4 W 52/05, JurBüro 2006, 81.

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2. Teil

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Werbung per SMS, unverlangte

ZPO

2.5820 7.500 v – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen unerwünschter E-Mail-Werbung. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass zwar durch das Herunterladen der E-Mail nur ein geringer finanzieller Schaden bzw. zeitlicher Aufwand verursacht werde. Da die Versendung von E-Mails aber sehr kostengünstig sei, müsse von einem besonders großen Nachahmungseffekt ausgegangen werden. Zudem sei der Werbewert einer E-Mail auch deshalb relativ hoch, weil sich der Empfänger vor dem Löschen mit ihrem Inhalt befassen müsse.1 – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, wenn die Kommunikation mittels E-Mail für den Antragsteller erkennbar von besonderer geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung ist (hier: Steuerberater).2 – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung unerwünschter Werbung durch Postwurfsendung in Klarsichtfolie („Einkauf Aktuell“).3

2.5821 10.000 v – Wert der Unterlassungsklage einer Künstleragentur gegen einen Künstler, der sich bei ihr ohne Einverständnis per Telefax beworben hatte.4 – Wert einer einstweiligen Verfügung, mit der einem Finanzmakler die weitere Versendung von Werbe-E-Mails an eine Anwaltskanzlei untersagt wird.5 – Wert einer gegen den Einwurf von Gratiszeitungen, hier mehr als 5 unverlangte Postwurfsendungen, an einen Privaten gerichteten Klage.6

2.5822 30.000 v – Wert der Unterlassungsklage eines Verbraucherverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG) gegen einen Weinhändler wegen unerbetener Telefonwerbung. Der Senat hat darauf abgestellt, dass das satzungsgemäß wahrgenommene Verbraucherinteresse zu bewerten sei.7

2.5823 Die Beschwer des gegen die Zusendung von E-Mails/Werbeschreiben im gewerblichen Bereich vorgehenden Klägers bemisst sich nach dem Umfang der abzuwehrenden Beeinträchtigung ohne Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte.8 Die Beschwer des Unterlassungsschuldners bemisst sich nach den Nachteilen, die mit der Beachtung des Unterlassungsgebots verbunden sind, d.h. bei gewerblichem Handeln die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.9

Werbung per SMS, unverlangte 2.5796 Siehe das Stichwort „SMS, unerwünschte“, Rz. 2.4538 ff. und „Werbung, unverlangte“, Rz. 2.5797 ff. 1 KG, Beschl. v. 9.8.2015 – 5 W 387/15, AfP 2016, 77; OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2012 – 4 W 4/12, CR 2012, 718; KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142. 2 KG, Beschl. v. 26.2.2007 – 12 W 16/07, MDR 2007, 923. 3 LG Bonn, Urt. v. 15.6.2004 – 10 O 181/04. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1991 – 4 U 261/90. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 29.9.2006 – 14 W 590/06, MDR 2007, 356. 6 LG Münster, Urt. v. 26.9.2013 – 14 O 360/12, AfP 2014, 167. 7 OLG Köln, Beschl. v. 12.5.2011 – 6 W 99/11, MMR 2011, 815; KG, Beschl. v. 9.8.2015 – 5 W 387/15, AfP 2016, 77; KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839. 8 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04; OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 9 U 105/14, WRP 2015, 490; OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2013 – 6 U 95/13; a.A. OLG Schleswig, JurBüro 2009, 256. 9 BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11, GRUR 2013, 1271.

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Werkvertrag

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2. Teil

ZPO

Werkvertrag A. Streitwertunabhängige Sonderzuständigkeiten Gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 5 GVG ist das LG ausschließlich zuständig für Streitigkeiten über das Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b BGB und daraus folgende Vergütungsansprüche des Unternehmers aus § 650c BGB. Im Übrigen bestimmt man die sachliche Zuständigkeit streitwertabhängig nach den allgemeinen Regeln, weil das Gesetz ansonsten nur besondere örtliche Gerichtsstände vorsieht, etwa nach § 30 ZPO für Frachtverträge zu Lande und zu Wasser.

2.5824

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Es gibt keine Sondervorschriften für den Zuständigkeits- oder Gebührenstreitwert beim Werkvertrag. Er hängt daher vom konkreten Klageantrag ab. Der Gebührenstreitwert stimmt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein, der wegen § 23 Abs. 1 Satz 1, § 3 RVG zugleich Gegenstandswert der Tätigkeit des Rechtsanwalts ist.

2.5825

I. Zahlungsklagen Bei Klagen des Unternehmers auf Zahlung des Werklohns ist gem. § 6 Satz 1 ZPO der Nennbetrag der geltend gemachten Forderung maßgebend. Die Umsatzsteuer ist nur ein unselbständiger Teil der Hauptforderung. Dass sie in der Rechnung gesondert ausgewiesen wird, ändert daran nichts, sondern beruht auf den steuerrechtlichen Vorgaben des § 14 UStG. Der Umsatzsteueranteil ist keine Nebenforderung, auch wenn sie für vorsteuerabzugsberechtige Verkäufer wirtschaftlich nur ein durchlaufender Posten ist. § 4 ZPO, § 43 GKG erfassen nur Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten, aber keine Umsatzsteuerbeträge.1

2.5826

Der Nennbetrag der eingeklagten Forderung ist ebenso bei Klagen des Bestellers maßgebend, wenn dieser betragsmäßig bezifferte Geldansprüche aus Gewährleistungsrechten geltend macht.

2.5827

Wenn der Besteller zugleich einen Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB und die Erstattung von zur Mangelermittlung aufgewandten Sachverständigenkosten nach § 634 Nr. 4, § 280 BGB begehrt, sind die Gutachterkosten keine Nebenforderung nach § 4 ZPO, § 43 GKG, weil ihre Ersatzfähigkeit nicht davon abhängt, dass der Kostenvorschussanspruch besteht.2

2.5828

II. Klagen auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherheit Verlangt der Unternehmer vom Besteller die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 650e BGB/§ 648 BGB a.F. ist der Streitwert gem. § 6 Satz 1 ZPO mit dem Nennbetrag der einzutragenden Hypothek anzusetzen.3 Der Streitwert einer Klage auf Sicherheitsleistung nach § 650f BGB (§ 648a BGB a.F.) ist mit dem vollen Wert der zu sichernden Forderung anzusetzen.4

2.5829

Umstritten ist, wie der Streitwert berechnet wird, wenn der Unternehmer zugleich Zahlung des Werklohns und dessen Sicherung durch eine Bauhandwerkersicherungshypothek verlangt. Nach herr-

2.5830

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.1.2010 – 6 W 16/10, MDR 2010, 532. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 20.4.2015 – 6 W 204/15. 3 BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 217/16, MDR 2018, 301; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2005 – 5 U 170/04, NZBau 2005, 697; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.2.2012 – 10 W 5/12, NJW-RR 2012, 1418.

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2. Teil

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Werkvertrag

schender Meinung besteht wirtschaftliche Identität, so dass allein der Nennbetrag der Werklohnforderung für den Streitwert maßgeblich ist.1 Nach anderer Ansicht soll der Werklohnforderung der volle Wert des Anspruchs auf Eintragung der Hypothek hinzuzurechnen sein,2 nach einer dritten Ansicht ein Bruchteil von 1/3 des Wertes der Hypothekenforderung.3

2.5831 Zutreffend ist die herrschende Meinung. Die Anträge sind wirtschaftlich identisch. Zweck der Bauhandwerkersicherungshypothek ist die Sicherung der Werklohnforderung. Damit soll sie letztlich die Vollstreckungsaussichten des Zahlungstitels verbessern. Der Zahlungsantrag wird aber nach § 6 Satz 1 ZPO bereits mit dem Nennbetrag der eingeklagten Forderung ohne Rücksicht auf deren Werthaltigkeit beziffert4 (s. dazu das Stichwort „Geldforderung“, Rz. 2.1698). Seinem Streitwert ist die vollständige Vollstreckung bereits immanent. Mehr als vollständig kann und soll die titulierte Forderung nicht vollstreckt werden.5

2.5832 Der gleiche Streit besteht bei einer verbundenen Klage auf Zahlung und Sicherheitsleistung nach § 650f BGB/§ 648a BGB a.F. Aus den oben erörterten Gründen besteht auch hier wirtschaftliche Identität, so dass der Streitwert dem Nennbetrag des eingeklagten Werklohns entspricht und durch die verlangte Sicherheit nicht erhöht wird.6

III. Klagen auf (Nach-)Erfüllung 2.5833 Bei Klage des Bestellers auf Herstellung des Werks und dessen Übergabe richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Maßgeblich ist der wirtschaftliche Wert der Herstellung. Dieser wird im Regelfall mit dem vereinbarten Werklohn angesetzt werden können.7 Denn die Preisabrede macht deutlich, was das konkrete Werk dem Besteller wert ist. Sein Interesse ist wertbestimmend.

2.5834 Der Wert einer Klage des Bestellers auf Beseitigung eines Werkmangels durch Nacherfüllung gem. § 635 BGB ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Wertbestimmend ist das Interesse des Bestellers (Klägers) an der Mängelbeseitigung. Es entspricht den Kosten, die er für die Beseitigung aufwenden müsste, wenn er sich dazu eines Dritten bedienen müsste.8

IV. Klagen auf Abnahme der Werkleistung 2.5835 Eine isolierte Klage des Unternehmers auf Abnahme eines hergestellten Werks nach § 640 Abs. 1 BGB ist zulässig.9 Sein Interesse wird nach § 3 ZPO geschätzt. Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Abnahme zwar gem. § 641 Abs. 1 BGB die Fälligkeit der Vergütung herbeiführt, deren Berechtigung der Höhe nach aber ungeklärt bleibt. Andererseits beschränkt sich die Wirkung der Abnahme nicht darauf, den Werklohn fällig zu machen, sondern lässt zudem nach § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB die Preisgefahr und die Beweislast für Mängel auf den Besteller übergehen. 1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2003 – 6 W 2019/03, MDR 2003, 1382; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2003 – 8 W 147/03; OLG Dresden, Beschl. v. 22.11.2013 – 10 W 1107/13, BauR 2014, 1352; OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2002 – 12 W 42/02, BauR 2003, 131; KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/97; Meyer, GKG/FamGKG, § 3 Rz. 11. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.2017 – 12 W 16/17. 4 OLG München, Beschl. v. 9.1.2015 – 20 W 30/15, NZI 2015, 192. 5 OLG München, Beschl. v. 29.10.2014 – 20 W 2094/14. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.3.2013 – 10 W 14/13, MDR 2013, 741; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2012 – 23 W 30/12; OLG Hamburg, Beschl. 1.3.2021 – 4 U 90/19. 7 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.204. 8 BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – VII ZB 41/13, MDR 2014, 856. 9 BGH, Urt. v. 9.5.2019 – VII ZR 154/18, MDR 2019, 1056.

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Seggewiße

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Werkvertrag

S. 1137 von 1232 Druckdaten

2. Teil

2.5836

Wird ein Antrag auf Zahlung von Werklohn mit einer Klage auf Abnahme verbunden, ist wegen wirtschaftlicher Identität nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Nennbetrag der eingeklagten Werklohnforderung für den Streitwert maßgeblich. Eine vor Abnahme erhobene Werklohnklage enthält ohnehin stets stillschweigend eine Klage auf Abnahme.3

2.5837

ZPO

Man wird das Interesse regelmäßig etwa mit einem Bruchteil von 1/4 des Werklohns bewerten können.1 Der Bruchwert ist jedoch nicht starr. Bei besonders großer Bedeutung des Übergangs der Preisgefahr kann er höher sein. Das OLG Frankfurt hat das Interesse des Unternehmers mit der Hälfte der Vergütung für die streitigen Bauteile angesetzt, wenn im selbständigen Beweisverfahren deren Abnahmereife festgestellt werden soll.2

V. Werkunternehmerpfandrecht Wie man den Streitwert bemisst, wenn der Besteller die Herausgabe seines Pkw verlangt und der Unternehmer sie verweigert, weil er sich auf ein Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB beruft, ist umstritten. Eine Ansicht meint, der Streitwert sei in Höhe der das Pfandrecht begründenden Werklohnforderung anzusetzen.4 Die zutreffende Gegenauffassung setzt nach § 6 Satz 1 ZPO den Verkehrswert des Pkw an.5 Maßgeblich ist dessen Wert, weil der herauszugebende Pkw Streitgegenstand ist.

2.5838

Der Wert des Pfandrechts wäre nach § 6 Satz 1 ZPO bei einer negativen Feststellungsklage auf Frei- 2.5839 heit des Gegenstandes von einem Werkunternehmerpfandrecht maßgebend.

VI. Hilfsaufrechnung Zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzansprüche, die in der Praxis nicht selten wegen verspäteter Fertigstellung eines Bauvorhabens, erhöhter Finanzierungskosten und dergleichen geltend gemacht werden, erhöhen den Streitwert unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG.6

2.5840

Verteidigt sich der Besteller gegen die Werklohnforderung in erster Linie mit mängelbedingter fehlender Abnahmereife des Werks und rechnet hilfsweise mit Gewährleistungsansprüchen wegen derselben Mängel gegen den Werklohn auf, erhöht eine nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskraftfähige Entscheidung über die Hilfsaufrechnung den Streitwert wegen wirtschaftlicher Identität nicht.7 Wenn der Besteller gegen die Schlussrechnungsforderung des Unternehmers hilfsweise mit Überzahlungen auf Abschlagsrechnungen aufrechnet, soll dagegen keine wirtschaftliche Identität vorliegen.8

2.5841

Weitere Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Aufrechnung“ (Rz. 2.327 ff.).

2.5842

1 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.204; Saenger/Berndtsen, § 3 ZPO Rz. 15; a.A. Schneider/Volpert/Fölsch/ Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, § 3 ZPO Rz. 13: höchstens 10 % des Hauptsachewertes. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.1995 – 19 W 18/95, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1213 m. Anm. Herget. 3 OLG Schleswig, Urt. v. 30.8.2013 – 1 U 11/13, NJW 2014, 945. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356; LG Köln, Beschl. v. 23.9.2009 – 13 T 171/08, AGS 2008, 613. 5 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 X ZB 30/07; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.2.2016 – 25 U 53/15; Monschau, AGS 2008, 614. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, AGS 2002, 126. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2010 – 10 W 54/10, NJW 2011, 540; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – 11 W 52/13; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009, BauR 2010, 937. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88.

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2. Teil

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Werkvertrag

ZPO

VII. Klage und Widerklage 2.5843 Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist eine Klage des Unternehmers auf Zahlung von (Rest-)Werklohn mit einer Widerklage des Bestellers wirtschaftlich identisch, die sich auf Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln desselben Werks stützt.1 Eine Widerklage auf Ersatz des Verzugsschadens ist hingegen nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG hinzuzurechnen.2

2.5844 Steht einer Klage des Bestellers auf Gewährleistung eine Widerklage auf Herausgabe der zur Sicherung dieser Ansprüche übergebenen Bürgschaftsurkunde gegenüber, haben Klage und Widerklage denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.3 Gleiches gilt wegen wirtschaftlicher Identität für den Zuständigkeitsstreitwert (§ 5 ZPO). Nur soweit die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung lautet, ist wegen des Mehrbetrages ein zusätzliches Herausgabeinteresse des Beklagten anzusetzen. Wenn eine weitere Inanspruchnahme der Bürgschaft nicht auszuschließen ist, kann es mit einem nach § 3 ZPO zu schätzenden Aufschlag von 20–30 % des Mehrbetrages bewertet werden.4

VIII. Einstweilige Verfügungen 1. Verfügungsverfahren i.S.v. § 650d BGB

2.5845 Den Gebührenstreitwert für einstweilige Verfügungen in Streitigkeiten um das Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB und daraus folgende Änderungen des Vergütungsanspruchs des Unternehmers nach § 650c BGB bestimmt man nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO. Wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des LG nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 GVG, § 937 Abs. 1, § 943 Abs. 1 ZPO braucht man keinen Zuständigkeitsstreit zu bestimmen.

2.5846 Begehrt der Unternehmer nach § 650c BGB die Zahlung höherer Abschläge als Leistungsverfügung an sich, ist der Wert des Verfügungsverfahrens gleich dem der Hauptsache.5 Soweit nur Sicherheitsleistung begehrt wird, ist dagegen nur ein Bruchteil anzusetzen.

2.5847 Einstweilige Verfügungen, mit denen die Berechtigung oder Zumutbarkeit der Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB festgestellt wird (Feststellungsverfügungen), nehmen die Hauptsache zumindest faktisch vorweg6 und haben daher denselben Streitwert. 2. Verfügungsverfahren bei Bauhandwerkersicherungshypotheken

2.5848 Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek ist mit einem Bruchteil des Wertes des zu sichernden Rechts (= Hauptsache) zu beziffern. Weitere Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Einstweilige Verfügung“ (Rz. 2.1140–2.1143).

1 OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, Rpfleger 2004, 585; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 21.12.1994 – 16 W 66/94. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, MDR 2005, 1223. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678. 5 LG Berlin, Urt. v. 16.10.2020 – 8 O 126/20, BauR 2021, 117; a.A. wohl LG Berlin, Beschl. v. 20.4.2020 – 19 O 34/20, NJW 2020, 2898, das nur 1/3 der Forderung angesetzt hat. 6 Zöller/Vollkommer, § 940 ZPO Rz. 8.5; vgl. auch KG, Beschl. v. 6.4.2020 – 7 W 32/19, NJW 2021, 83; zweifelnd Sacher/Jansen, NZBau 2019, 20, 23.

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Wertbegrenzungen

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2. Teil

Wendet sich der unbedingt zur Zahlung verurteilte Beklagte nur dagegen, dass ihm sein Zurückbehaltungsrecht abgesprochen wurde, bemisst sich seine Beschwer nur nach dem Wert der vom ihm zu erbringenden Gegenleistung.1 Der Wert des Zurückbehaltungsrechts wird aber durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt, weil über den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung hinaus keine Beschwer vorhanden ist.2 Das Gegenrecht wird nämlich nicht rechtshängig und mangels einer § 322 Abs. 2 ZPO entsprechenden Regelung nicht aberkannt, wenn das Zurückbehaltungsrecht nicht zugesprochen wird.3

2.5849

Hatte der Beklagte seine Leistung zurückbehalten, weil der Kläger ihm eine den steuerlichen Vorgaben entsprechende Rechnung erteilen müsse, bemisst man die Beschwer des unbedingt verurteilten Beklagten nach dessen Interesse, die Rechnung zu erhalten. Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Beklagten ist es mit dem Umsatzsteueranteil der Werklohnforderung zu beziffern, weil er diesen ohne ordnungsgemäße Rechnung nicht als Vorsteuer abziehen kann.4 Betraf die Werkleistung haushaltsnahe Handwerkerleistungen i.S.v. § 35a Abs. 3 EStG ist sein Interesse mit 20 % der im Werklohn enthaltenen Arbeitskosten, höchstens aber 1.200 t zu bewerten, weil er diese gem. § 35a Abs. 3 Satz 1, Abs. 5, Satz 2, 3 EStG nur bei Erhalt einer Rechnung von der Einkommensteuer absetzen kann.

2.5850

Wertbegrenzungen A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5851

B. Wertbegrenzungen nach dem GKG I. Allgemeine Wertbegrenzung . . . . . . .

2.5854

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5860

III. Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes . . . . . . .

2.5862

C. Wertbegrenzungen nach dem GNotKG I. Allgemeine Wertbegrenzung . . . . . . . II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Wertbegrenzungen nach dem RVG

2.5863 2.5864

I. Gerichtliche Verfahren und Angelegenheiten, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können . .

2.5865

II. Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5869

III. Einholen von Drittauskünften . . . . . . 2.5869a IV. Außergerichtliche Angelegenheiten, die nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können 1. Allgemeine Wertgrenze . . . . . . . . . . . 2. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.5875

V. Anhebung des Höchstwerts bei mehreren Auftraggebern . . . . . . . . . . . . . .

2.5876

E. Vergütungsvereinbarungen . . . . . . .

2.5889

2.5870

A. Überblick Die Kostengesetze sehen in einigen Fällen Wertbegrenzungen vor. Damit sind nicht die Fälle der privilegierten Streitwerte gemeint (z.B. in § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG für Mietsachen, in § 9 ZPO für 1 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16; BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1991, 794; BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829. 2 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZR 243/16. 3 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04. 4 Vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766; OLG Brandenburg, Urt. v. 11.1.2019 – 11 U 69/18.

Seggewiße und Schneider

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2.5851

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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Wertbegrenzungen

ZPO

wiederkehrende Leistungen oder in § 42 Abs. 2 GKG für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten), sondern die Fälle, in denen fest bezifferte Höchstbeträge vorgesehen sind.

2.5852 Diese Begrenzungen gelten nur für den Gebührenstreitwert. Auf den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert haben sie keinen Einfluss, da sich dieser ausschließlich nach der ZPO bestimmt und hier Wertbegrenzungen nicht vorgesehen sind und darüber hinaus auch keinen Sinn machen würden.

2.5853 Von den Wertbegrenzungen zu unterscheiden sind Haftungsbegrenzungen. Diese betreffen nur die materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs. Sie können allerdings auch auf die Bewertung einen Einfluss haben. Siehe hierzu „Haftungsbeschränkungen“, Rz. 2.2075.

B. Wertbegrenzungen nach dem GKG I. Allgemeine Wertbegrenzung 2.5854 Nach § 39 Abs. 2 GKG beträgt der Höchstwert, soweit nichts anderes geregelt ist, 30 Mio. v. Die Regelung ist verfassungsgemäß.1

2.5855 Die Wertbegrenzung des § 39 Abs. 2 GKG gilt auch für die in Insolvenzverfahren entstehenden Gerichtsgebühren.2

2.5856 Die Begrenzung gilt auch bei einer negativen Feststellungsklage. Würde sich die Rechtskraft einer

negativen Feststellungsklage auf Ansprüche im Wert von über 30 Mio. t erstrecken, greift auch hier § 39 Abs. 2 GKG.3

2.5857 Die Begrenzung gilt auch dann, wenn mehrere Gegenstände gegeben sind. Es darf nicht etwa für jeden Gegenstand der Höchstwert angenommen und dann nach § 39 Abs. 1 GKG addiert werden.

2.5858 Auch im Falle von Klage und Widerklage gilt § 39 Abs. 2 GKG. Werden im Wege von Klage und Widerklage Ansprüche geltend gemacht, die nicht denselben Gegenstand betreffen und deren Werte daher gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zusammengerechnet werden, bleibt es bei dem in § 39 Abs. 2 GKG festgelegten Höchstwert von 30 Mio. t.4

2.5859 Eine Erhöhung des Streitwertes bei mehreren Streitgenossen ist für die Gerichtskosten – im Gegensatz zu den Anwaltsgebühren (s. Rz. 2.5876) – nicht vorgesehen.

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten 2.5860 In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten darf der Streitwert nicht über 1 Mio. v angenommen werden (§ 48 Abs. 2 Satz 2 GKG).

2.5861 Soweit mehrere Gegenstände gegeben sind, beträgt für jeden Gegenstand der Höchstwert 1 Mio. t. Die einzelnen Werte sind dann nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren, so dass die Grenze von 1 Mio. t hier überschritten werden kann.

1 Zur gleichlautenden Begrenzung nach § 22 RVG: BVerfG, Beschl. v. 13.2.2007 – 1 BvR 910/05 und 1 BvR 1389/05, AGS 2007, 413 = MDR 2007, 1043. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2014 – 18 W 28/14, AGS 2015, 87 = ZInsO 2014, 959; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.4.2014 – 18 W 45/14, ZInsO 2014, 1869; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.1.2014 – 2-09 T 311/13, ZInsO 2014, 458 = ZIP 2014, 531; AG Osnabrück, Beschl. v. 3.9.2013 – 62 IN 20/09, AGS 2014, 79 = JurBüro 2013, 645; LG Osnabrück, Beschl. v. 5.8.2013 – 8 T 452/13 –, ZIP 2013, 1683. 3 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2019 – 7 U 46/17, NJW-Spezial 2020, 251. 4 BGH, Beschl. v. 6.4.2010 – II ZR 130/08, RVGreport 2011, 189.

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Schneider

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Wertbegrenzungen

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2. Teil

In Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250.000 v nicht übersteigen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GKG).

2.5862

C. Wertbegrenzungen nach dem GNotKG I. Allgemeine Wertbegrenzung Das GNotKG sieht im Gegensatz zum GKG zwei allgemeine Höchstwerte vor (§ 35 Abs. 2 GNotKG). Danach beträgt der Geschäftswert, wenn die Tabelle A anzuwenden ist, höchstens 30 Mio. v und, wenn die Tabelle B anzuwenden ist, höchstens 60 Mio. v, sofern sich aus den besonderen Bestimmungen kein niedrigerer Höchstwert ergibt.

2.5863

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten darf der Geschäftswert nicht über 1 Mio. v angenommen werden (§ 35 Abs. 3 GNotKG). Soweit mehrere Gegenstände gegeben sind, ist für jeden Gegenstand der Höchstwert von 1 Mio. t anzusetzen. Die einzelnen Werte sind dann nach § 35 Abs. 1 GNotKG zu addieren, so dass auch hier die Grenze von 1 Mio. t überschritten werden kann.

2.5864

D. Wertbegrenzungen nach dem RVG I. Gerichtliche Verfahren und Angelegenheiten, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können Soweit sich in einem gerichtlichen Verfahren oder in einer außergerichtlichen Angelegenheit, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann, der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem für die Gerichtsgebühren geltenden Wert richtet (§ 23 Abs. 1 RVG), gelten die Wertbeschränkungen der Gerichtskostengesetze auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit. Daher gilt auch hier die Allgemeine Wertgrenze des § 39 Abs. 2 GKG oder des § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG.

2.5865

Zu beachten ist, dass der Wert für die Anwaltsgebühren auch dann nach § 22 Abs. 1 RVG auf 30 Mio. v beschränkt ist, wenn im gerichtlichen Verfahren ein höherer Wert gilt (etwa im Fall des § 35 Abs. 3 GNotKG). In diesem Fall darf ungeachtet des höheren Geschäftswerts im gerichtlichen Verfahren für die Anwaltsgebühren kein höherer Wert als 30 Mio. t angenommen werden. Das hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 22 RVG1 klargestellt. Daher kann der Wert der Gerichtsgebühren hier vom Wert der Anwaltsgebühren abweichen und muss ggf. im Verfahren nach § 33 RVG gesondert festgesetzt werden.

2.5866

Allerdings besteht für die Anwaltsgebühren die Möglichkeit, dass sich der Wert bei mehreren Auftraggebern nach § 22 Abs. 2 RVG erhöht (s. Rz. 2.5876). Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem GKG richtet (§ 23 Abs. 1 Satz 4 RVG).

2.5867

Beispiel: Der Anwalt vertritt zwei Auftraggeber, die auf jeweils 40 Mio. t verklagt werden.

2.5868

Der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens beträgt gem. § 39 Abs. 2 GKG 30 Mio. t. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beträgt dagegen 60 Mio. t (§ 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Abs. 2 RVG). Zur Berechnung s. Rz. 2.5876 ff. 1 Geändert durch das 2. JuMoG v. 22.6.2006, dort Art. 20 (BGBl. I 2006, 3416, in Kraft getreten am 31.12.2006).

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III. Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes

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Wertbegrenzungen

ZPO

II. Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft 2.5869 In Verfahren über den Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO richtet sich der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren nach dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird; der Wert beträgt jedoch höchstens 2.000 v (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG).

III. Einholen von Drittauskünften 2.5869a Auch in Verfahren auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO richtet sich der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren nach dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird; der Wert beträgt jedoch auch hier höchstens 2.000 v (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Die gegenteilige Rechtsprechung des BGH1 ist durch die Neufassung des RVG mit dem KostRÄG 2021 überholt.

IV. Außergerichtliche Angelegenheiten, die nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können 1. Allgemeine Wertgrenze

2.5870 Soweit sich der Gegenstandswert nicht gem. § 23 Abs. 1 RVG nach den Vorschriften des GKG oder GNotKG richtet, und damit nicht schon die dortige Begrenzung des § 39 Abs. 2 GKG, § 5 Abs. 2 GNotKG greift, gilt § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG. Danach beträgt der Wert in derselben Angelegenheit ebenfalls höchstens 30 Mio. v (entsprechend § 39 Abs. 2 GKG, § 35 Abs. 2 GNotKG), wobei allerdings eine Erhöhung bei mehreren Auftraggebern in Betracht kommt. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Rz. 2.5876 ff. Bezug genommen werden.

2.5871 Die Vorschrift ist verfassungsgemäß.2 2.5872 Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 RVG ist gering, da er nur außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens greift, und auch nur dann, wenn die außergerichtliche Tätigkeit nicht Gegenstand eines Rechtsstreits sein kann (arg. e. § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

2.5873 Fraglich ist, ob die Begrenzung des § 22 Abs. 2 RVG auch in den Fällen des § 35 RVG gilt, in denen auf die Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) verwiesen wird. Die StBVV sieht nämlich keine Begrenzung vor. Dem Wortlaut nach würde die Begrenzung greifen. Das erscheint insoweit bedenklich, als der Steuerberater dieselbe Tätigkeit ohne Wertbegrenzung abrechnen kann, nicht aber der Anwalt.

2.5874 Beispiel: Der Mandant muss eine Erbschaftssteuererklärung abgeben. Der Wert des Nachlasses beträgt 60 Mio. t. Er beauftragt mit der Abgabe der Steuererklärung

a) einen Steuerberater, b) einen Anwalt. Der Steuerberater rechnet die Abgabe der Steuererklärung nach § 24 Nr. 12 StBVV ab (eine Gebühr von 2/10 bis 10/10 – Mittelgebühr 0,6). Gegenstandswert ist der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug der Schulden und Lasten, jedoch mindestens 12.500 t (§ 24 Nr. 12 Halbs. 2 StBVV). Der Steuerberater rechnet also nach einem Gegenstandswert von 60 Mio. t ab. Für den Anwalt richten sich die Gebühren ebenfalls nach § 24 Nr. 12 StBVV; diese Vorschrift ist auch für den Anwalt anzuwenden (§ 35 RVG). Die Nrn. 2300 ff. VV RVG sind unanwendbar (Vorbem. 2 Abs. 1 VV 1 BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17, MDR 2019, 189 = AGS 2019, 12 = NJW-Spezial 2019, 59. 2 BVerfG, Beschl. v. 13.2.2007 – 1 BvR 910/05 u. 1 BvR 1389/05, AGS 2007, 413 = MDR 2007, 1043.

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Wertbegrenzungen

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2. Teil

ZPO

RVG). Hinsichtlich des Gegenstandswertes würde jetzt jedoch § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG greifen: Der Anwalt dürfte seiner Berechnung höchstens einen Wert von 30 Mio. zugrunde legen. Hier dürfte von einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen sein, weil dieselbe Tätigkeit ungleich vergütet wird. Abgesehen davon spricht die jetzige Gesetzesfassung auch gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, der mit dem § 35 RVG gerade die Gleichstellung von Anwalt und Steuerberater erreichen wollte,1 diese jetzt aber wieder teilweise aufgibt. Daher dürfte § 35 RVG der Vorrang zu geben sein, so dass die Begrenzung hier nicht gilt.

2. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten darf der Streitwert, wenn er gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist und es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung mangelt, nicht über 500.000 v angenommen werden (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG).

2.5875

V. Anhebung des Höchstwerts bei mehreren Auftraggebern Soweit der Wert für den Anwalt nach § 22 Abs. 2 RVG oder § 23 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG, § 35 Abs. 2 GNotKG auf 30 Mio. begrenzt ist, kann für den Anwalt bei mehreren Auftraggebern ein höherer Wert gelten. Insoweit eröffnet ihm § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG, der auch für die Wertgrenzen nach dem GKG und dem GNotKG gilt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 RVG) eine Anhebung der Wertgrenze um 30 Mio. v je weiteren Auftraggeber, höchstens jedoch auf 100 Mio. t. Das kann dazu führen, dass die Gerichtsgebühr nach dem Höchstwert des § 39 Abs. 2 GKG zu berechnen ist, für die Anwaltsgebühren dagegen ein höherer Wert anzusetzen ist.2

2.5876

Erforderlich sind mehrere Auftraggeber. Die Begrenzung auf 30 Mio. t gilt daher auch dann, wenn der Auftraggeber in unterschiedlicher Parteirolle betroffen ist. Angeknüpft wird an die Person des Auftraggebers, nicht an dessen prozessuale Stellung.

2.5877

Beispiel: Der Anwalt erhebt für den Kläger Klage auf Zahlung von 40 Mio. t. Es wird Widerklage erhoben mit einem Wert von 50 Mio. t.

2.5878

Zwar werden die Werte von Klage- und Widerklage zusammengerechnet (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG); auch hier greift jedoch die Höchstgrenze nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG (s. Rz. 2.5854). Es bleibt beim Höchstwert von 30 Mio. t.

Vertritt der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber, so wird die Begrenzung insoweit gelockert, als der Gegenstandswert je Person 30 Mio. t betragen darf (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 RVG). Insgesamt wird der Gegenstandswert jedoch dann auf 100 Mio. t begrenzt (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RVG).

2.5879

Aus der Formulierung, dass der Wert für jede Person höchstens 30 Mio. t beträgt, ergibt sich nicht, dass die Streitwertgrenze mit jedem weiteren Auftraggeber automatisch um 30 Mio. t steigt. Vielmehr ist wie folgt vorzugehen:

2.5880

– Zunächst einmal ist für jeden Auftraggeber getrennt zu prüfen, nach welchem Gegenstandswert er dem Anwalt einen Auftrag erteilt hat. Dieser Gegenstandswert ist dann ggf. auf 30 Mio. t zu begrenzen. – Hiernach ist dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG, § 35 Abs. 1 GNotKG oder § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen, wobei in Fällen wirtschaftlicher Identität eine Addition zu unterbleiben hat. 1 BT-Drucks. 15/1971, 243. 2 Siehe dazu LG Berlin, Urt. v. 12.11.2012 – 37 O 151/12, AGS 2013, 112.

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2. Teil

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Wertbegrenzungen

ZPO

– Insgesamt darf kein höherer Wert als 100 Mio. t angenommen werden (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RVG).

2.5881 Beispiel: Der Anwalt vertritt zwei Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 40 Mio. t geltend machen. Der Gegenstandswert ist zunächst je Person auf 30 Mio. t zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Der nach § 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG zu berechnende Gesamtwert beläuft sich jetzt auf 60 Mio. t.

2.5882 Die Summe der einzelnen Werte darf den Betrag von 100 Mio. v nicht übersteigen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 RVG).

2.5883 Beispiel: – Der Anwalt vertritt fünf Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 40 Mio. t geltend machen. Der Gegenstandswert ist zunächst je Person wiederum auf 30 Mio. t zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Da der nach § 22 Abs. 1 RVG zu berechnende Gesamtwert sich jetzt auf 150 Mio. t belaufen würde, ist die Höchstgrenze des § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG von 100 Mio. t erreicht, so dass nach diesem Wert abzurechnen ist. – Der Anwalt vertritt fünf Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 25 Mio. t geltend machen. Jetzt greift die Begrenzung hinsichtlich des einzelnen Auftraggebers nicht, da jeder Einzelwert unter 30 Mio. t liegt. Zu beachten ist allerdings die Höchstgrenze von 100 Mio. t, so dass auch hier nach diesem Wert abzurechnen ist. – Der Anwalt vertritt zwei Auftraggeber. Für den einen macht er einen Anspruch i.H.v. 10 Mio. t geltend, für den anderen i.H.v. 40 Mio. t. Der Gegenstandswert für den einen Kläger beläuft sich auf 10 Mio. t. Für den anderen ist er auf 30 Mio. t zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Der Gesamtwert beläuft sich jetzt auf 40 Mio. t. Keinesfalls darf mit der Begründung addiert werden, der Gesamtbetrag (10 Mio. t + 40 Mio. t = 50 Mio. t) liege unter der Grenze für zwei Auftraggeber von 60 Mio. t.

2.5884 Eine Addition hat zu unterbleiben, wenn derselbe Gegenstand zugrunde liegt. In diesem Fall wird der Mehraufwand des Anwalts bereits durch die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG abgegolten. Dies ist jetzt mit der Neufassung des § 22 Abs. 2 RVG durch das 2. KostRMoG im Sinne der vorherigen Rechtsprechung des BGH1 klargestellt worden.

2.5885 Beispiel: Drei Personen werden als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 100 Mio. t verklagt. Der Gegenstandswert ist je Person auf 30 Mio. t zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Der nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG zu berechnende Gesamtwert beläuft sich jetzt nicht auf 90 Mio. t, sondern auf 30 Mio. t, da wegen wirtschaftlicher Identität eine Addition unterbleibt. Der Anwalt erhält lediglich die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG.

2.5886 Die früher vom OLG Dresden2 vertretene und OLG Köln3 übernommene Gegenauffassung4 war schon angesichts der Entscheidung des BGH nicht mehr vertretbar und ist seit der Klarstellung des Gesetzgebers nicht mehr haltbar.

1 BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, MDR 2010, 718 = AGS 2010, 213; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – II ZR 141/09, AGS 2012, 142; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2010 – 8 U 237/07, AGS 2010, 394 = RVGreport 2010, 273. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 27.6.2006 – 10 W 600/06, AGS 2007, 521. 3 OLG Köln, Urt. v. 26.6.2009 – 18 U 108/07, AGS 2009, 454. 4 So auch Maier-Reimer, NJW 2009, 3550.

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Wert einer Sache

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2. Teil

2.5887

Beispiel: Gegen den A wird Klage auf Zahlung von 40 Mio. t erhoben. Später wird im Wege des Parteiwechsels die Klage gegen den A zurückgenommen und nunmehr gegen den B gerichtet.

2.5888

ZPO

Kommt es zu einem Parteiwechsel, bleibt es grundsätzlich ebenfalls bei der einfachen Höchstgrenze.1 Beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite findet eine Addition der Einzelstreitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG nämlich nicht statt, soweit die Streitgegenstände gegen den ausgeschiedenen und neuen Beklagten wirtschaftlich identisch sind.2 Eine Erhöhung der Grenze ist nur dann möglich, wenn mit dem Parteiwechsel zugleich auch ein anderer Streitgegenstand eingeführt wird, der nach § 39 Abs. 1 GKG hinzuzurechnen wäre.

Zwar vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, allerdings wegen desselben Gegenstands. Daher tritt nur eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ein,3 aber keine Werterhöhung nach § 23 Abs. 1 Satz 4 RVG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG. Es bleibt beim Höchstwert von 30 Mio. t.

E. Vergütungsvereinbarungen Unbenommen bleibt es dem Anwalt, bei den vorgenannten Wertbegrenzungen eine Vergütungsvereinbarung mit dem Auftraggeber abzuschließen und in dieser Vergütungsvereinbarung entweder nur die Vorschriften der § 39 Abs. 2 GKG, § 35 Abs. 2, 3 GNotKG, § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG abzubedingen oder sogleich einen höheren Gegenstandswert als 30 Mio. t zu vereinbaren.4 Beide Regelungen bedürfen allerdings zu ihrer Verbindlichkeit der Form der §§ 3a ff. RVG. Siehe dazu das Stichwort „Vereinbarungen zum Streitwert“ Rz. 2.5031 ff.

2.5889

Wert einer Sache Der Wert einer Sache ist bestimmend für den Streitwert, wenn es um deren Besitz oder um das Eigentum daran geht, § 6 ZPO.5 Maßgebend für die Bemessung ist dann deren Verkehrswert. Hierfür sind die bezifferten Angaben des Klägers in der Klagebegründung der wichtigste Bewertungsumstand.6 Wegen der Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Verkehrswert“, Rz. 2.5366 ff.

2.5890

Wird mit einer Klage auf Herausgabe einer Sache der Antrag auf Wertersatz für den Fall verbunden, dass eine Herausgabe unmöglich ist oder nicht binnen einer vorgegebenen Frist erfolgt (§§ 255, 259, 510b ZPO), so findet keine Zusammenrechnung der beiden Ansprüche gem. § 5 ZPO, § 39 GKG statt.7

2.5891

Mit beiden Anträgen verfolgt der Kläger – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel,8 so dass Zuständig- 2.5892 keits- und Gebührenstreitwert sich nach dem höheren Einzelwert bestimmen. Schon der für den Herausgabeantrag maßgebliche Verkehrswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 4 ZPO) muss nicht 1 AnwK-RVG/N. Schneider, § 22 Rz. 29. 2 OLG München, Beschl. v. 5.2.2018 – 29 W 1855/17, AGS 2018, 182 = NJW 2018, 1621. 3 Zur Berechnung der Anwaltsvergütung bei einem Parteiwechsel s. BGH, Beschl. v. 19.10.2006 – V ZB 91/06, MDR 2007, 365; ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.1.2010 – 6 W 16/10, AGS 2010, 167 = MDR 2010, 532; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.11.2009 – 8 W 459/09, AGS 2010, 7 = MDR 2010, 356. 4 N. Schneider, Vergütungsvereinbarung, Rz. 860. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 6 OLG Köln, MDR 1977, 584; OLG Bamberg, JurBüro 1980, 1866. 7 OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501; LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; 1989, 955; a.A. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechte Hilfsanträge“ Rz. 3, die für den Zuständigkeitsstreitwert in Widerspruch zu ihren Ausführungen unter dem Stichwort „Klagenhäufung“ eine Addition aller Anträge befürworten. 8 BGH 28.9.2017 – V ZB 63/17, MDR 2018, 109 für die Beschwer bei § 255 ZPO.

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ZPO

2. Teil

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Wertpapiere

notwendigerweise dem – materiell-rechtlich regelmäßig für einen anderen Zeitpunkt zu bestimmenden – Wiederbeschaffungswert entsprechen.1 Zudem kann die Schadensersatzpflicht über die bloßen Kosten einer Ersatzbeschaffung hinausgehen. Dass es sich beim Wertersatzanspruch um einen den Herausgabeantrag „nachbereitenden“Anspruch handelt, rechtfertigt keine Beschränkung auf den Herausgabeantrag.2 Denn mit dem Ersatzanspruch wird auch eine gegenüber dem Herausgabeanspruch (ggf.) weitergehende Ausgleichspflicht rechtskräftig beschieden. Die Möglichkeit des Beklagten, eine Zahlungspflicht durch rechtzeitige Erfüllung des Herausgabeanspruchs zu vermeiden, verändert nicht den für die Wertfestsetzung maßgeblichen Streitgegenstand, die Verpflichtung zu einer künftigen Leistung (§ 259 ZPO). Die den Beklagten im Falle rechtzeitiger Erfüllung des Herausgabeanspruchs – bei einer Orientierung an einem höherwertigen Ersatzanspruch – treffende weiter gehende Kostenlast ist Folge der von ihm begründeten Besorgnis der Nichterfüllung.3

2.5893 § 45 Abs. 1 S. 3 GKG, wonach sich der Gebührenstreitwert nur dann nach dem höheren Wert eines Hilfsantrages bemisst, wenn über diesen eine Entscheidung ergeht, gelangt entgegen der überwiegenden Ansicht4 nicht zur Anwendung,5 da Fristsetzungs- und Zahlungsantrag nicht in einem Eventualverhältnis zum Herausgabeantrag stehen (s. hierzu auch unter dem Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2227 ff.).6 Es handelt sich vielmehr um eine sog. uneigentliche Klagehäufung, bei der die einzelnen und von Beginn an rechtshängigen Klageanträge aufeinander aufbauen.7 Unabhängig davon scheidet auch bei (analoger) Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus, da diese denselben Gegenstand betreffen, so dass sich Beschwer und Gebührenstreitwert nach dem Antrag mit dem hören Wert bemessen.8 Siehe ferner bei den Stichwörtern „Herausgabe“, Rz. 2.2117 ff. und „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 ff.

Wertpapiere 2.5894 Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe von Wertpapieren gerichtet ist, bestimmt sich gem. §§ 4, 6 ZPO nach deren Kurswert im Zeitpunkt der Klageerhebung.9 Das gilt auch für den Gebührenstreitwert (§§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Steigt oder fällt der Kurswert im Verlauf der Instanz, so ist dies für den Gebührenstreitwert unerheblich (§ 4 ZPO, § 40 GKG). Zur Beschwer (§ 546 Abs. 2 ZPO) und dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt s. BGH.10

2.5895 Sind die Wertpapiere unstreitig nicht realisierbar, dann kommt nur das Herausgabeinteresse an den wertlosen Papieren als Bewertungsumstand in Betracht.11

1 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501; ebenso OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100. 2 So aber E. Schneider, MDR 1984, 853. 3 So jetzt auch BGH 28.9.2017 – V ZB 63/17, MDR 2018, 109 für die Beschwer bei § 255 ZPO. 4 BGH, Beschl. v. 25.4.2018 – V ZR 181/17; BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175; KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – 15 Ta 53/09, ArbuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06. 5 Für eine entsprechende Anwendung LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 510; LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rz. 1; a.A. E. Schneider, MDR 1984, 583. 6 LAG Nürnberg, Beschl. v. 16.12.2004 – 4 Ta 255/04. 7 So jetzt auch BGH 28.9.2017 – V ZB 63/17, MDR 2018, 109; ausf. Kaiser, MDR 2004, 311, 313. 8 BGH, Beschl. v. 25.4.2018 – V ZR 181/17; BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 63/16, NZM 2018, 175. 9 BGH, Urt. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98, NJW-RR 1998, 1452. 10 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, MDR 1989, 909; bestätigt für eine Klage auf Herausgabe von Goldbarren: BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, MDR 1992, 83; KG, Rpfleger 1962, 118. 11 OLG Köln, MDR 1975, 60: 1/10 des Nominalwertes herausverlangter Wechsel.

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Wertsicherungsklausel

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2. Teil

2.5896

Der negativen Feststellungsklage einer AG, dass sie nicht verpflichtet sei, den Beklagten 57 Aktien im Nennwert von 1.000 DM zum Kurswert von 413 % anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung (Angebot der 57 Aktien zum Kurswert von 413 %). Eine solche negative Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Die Vorschrift des § 6 ZPO findet weder unmittelbar noch analog Anwendung.

2.5897

Behaupten die Beklagten einer negativen Feststellungsklage, der wirkliche Kurswert der Aktien belaufe sich auf 1.100 DM, so ist ihre Berühmung gleichbedeutend mit dem Ausdruck einer Gewinnerwartung i.H.v. (1100 % – 413 % =) 687 % Kurswert-Differenz. Das in der negativen Feststellungsklage der Klägerin zum Ausdruck kommende Interesse geht deshalb auf Abwehr dieser Gewinnerwartung, die im Falle einer Abgabe der Aktien zu Lasten der Klägerin ginge.

2.5898

Beruhen die gegensätzlichen Angaben der Parteien über den Kurswert der Aktien auf nicht glaubhaft gemachten Schätzungen, dann darf das Gericht nicht die eine oder die andere Schätzung einer Partei ohne weiteres als Berechnungsgrundlage für den Streitwert übernehmen.

2.5899

Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist es gerechtfertigt, in Anwendung des § 3 ZPO aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausgedrückte Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.1

2.5900

Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe von Urkunden, die selbst nicht Rechtsträger sind, bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe.

2.5901

ZPO

Bezieht sich der einheitliche Klageantrag auf die Mehrheit von Gegenständen, deren Wert sich zwischen Beginn und Ende der Instanz zum Teil erhöht, zum Teil erniedrigt hat (Wertpapiere verschiedener Sorten), so bleibt für den Streitwert der von § 4 ZPO, § 40 GKG gesetzte Zeitpunkt maßgeblich.

Wertsicherungsklausel Bei der (echten) Wertsicherungsklausel handelt es sich um eine vertragliche Regelung, wonach eine Änderung der vereinbarten Vergleichsgröße unmittelbar und zwangsläufig eine Änderung der durch die Klausel gesicherten Geldschuld auslöst.2

2.5902

Davon abzugrenzen ist der bloße Leistungsvorbehalt, nach dem die Geldschuld bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen erst noch durch eine dann zu treffende Vereinbarung der Vertragsparteien oder die Bestimmung eines Dritten den neuen Bedingungen angepasst werden soll.3

2.5903

Die Bewertung einer dahingehenden Vereinbarung richtet sich nach den von ihr ausgehenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Im Regelfall, etwa bei einer mit einer Wertsicherungsklausel versehenen Unterhaltsvereinbarung, ist ein Ansatz von 5 bis 20 % der Jahresgrundleistung angemessen.4 Dies entspricht auch in etwa der Bewertung derartiger Klauseln in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.5

2.5904

Bei Anfechtung einer Wertsicherungsklausel (Angleichung an die Beamtenbesoldung) bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung dieser Klausel (§ 3 ZPO). Es

2.5905

1 2 3 4 5

OLG Köln, JurBüro 1971, 713. BGH, Urt. v. 17.9.1954 – V ZR 79/53, BGHZ 14, 310. BGH, Urt. v. 4.6.1962 – VIII ZR 24/61, NJW 1962, 1393. Enders, JurBüro 1999, 337. Vgl. BayObLG, JurBüro 1975, 1483; OLG Hamm, JurBüro 1972, 709; LG Osnabrück, Beschl. v. 23.10.1995 – 3 T 565/94, JurBüro 1996, 208.

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2. Teil

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Widerklage

ZPO

sind bei der Wertfestsetzung die sich aus dieser Klausel ergebenden Möglichkeiten einer Erhöhung, aber auch einer Herabsetzung der Leistung in Betracht zu ziehen.1

Widerklage 2.5906 Siehe das Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.251 ff. und „Rechtsmittel“, Rz. 2.4197 ff.

Widerruf A. Einleitung 2.5907 Für die Klage auf Widerruf mündlicher oder schriftlicher Äußerungen bzw. Willenserklärungen gibt es keine besondere Bewertungsvorschrift. Es ist daher für die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts zu ermitteln, was mit dem Klageantrag verlangt wird.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.5908 Der Streitwert ist im Regelfall nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Folgende Fallgruppen können unterschieden werden:

I. Persönlichkeitsrechtsverletzungen 2.5909 Bezieht sich der Widerrufsanspruch auf Beleidigungen und andere Persönlichkeitsrechtsverletzungen, so ist der Gebührenstreitwert dieser nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten.2 Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien. Der Wert darf nicht über 100.000 t angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen.

2.5910 Wird der Widerrufsanspruch neben dem Anspruch auf Unterlassung bestimmter Behauptungen geltend gemacht, so muss er gesondert bewertet werden.3 Ebenfalls verschiedene und deshalb zusammenzurechnende Streitwerte haben die Anträge auf Widerruf einer Äußerung gegenüber verschiedenen Adressaten.4

2.5911 Begehrt der Kläger Widerruf einer Behauptung und Unterlassung dieser Behauptung für die Zukunft sowohl zum Schutz seiner Ehre als auch zum Schutz seines wirtschaftlichen Rufes, dann trifft ein nichtvermögensrechtlicher mit einem vermögensrechtlichen Anspruch zusammen. Die dann gebotene Bewertung ist streitig:

2.5912 – Nach einer Ansicht ist § 48 Abs. 2 GKG nicht anwendbar, da eine Aufgliederung der Klageansprüche in einen vermögensrechtlichen und einen nichtvermögensrechtlichen Teil und eine gesonderte

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.5.1962 – 2 W 52/62. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“, Rz. 2.994 ff. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.6.1962 – 5 W 93/62. 4 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286.

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Widerruf

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2. Teil

ZPO

Bewertung beider Teile nicht möglich sei. Der Streitwert müsse daher einheitlich nach § 3 ZPO geschätzt werden.1 – Nach anderer Ansicht ist auf solche Fälle nur § 48 Abs. 2 GKG anzuwenden.2 Beide Ansichten sind verfahrensrechtlich nicht zu halten. Werden mehrere prozessuale Ansprüche – ein vermögensrechtlicher und ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch – durch Klagehäufung geltend gemacht, dann kann diese Selbständigkeit der Streitgegenstände nicht deshalb aufgehoben oder ignoriert werden, weil die Streitwertberechnung auf Schwierigkeiten stößt. Beide Ansprüche müssen gesondert bewertet werden. Die Einzelwerte sind dann gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.3

2.5913

Von dieser Streitfrage abzugrenzen ist der Fall, dass ein Widerrufsanspruch (oder ein Unterlassungsanspruch) gleichzeitig auf vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche materielle Anspruchsgrundlagen gestützt wird. In diesem Fall wird nur ein prozessualer Anspruch verfolgt und nur einfach – nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG – bewertet.4

2.5914

II. Widerruf einer Kündigung Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist für die Gebühren der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzurechnen, soweit eine Entscheidung über sie ergeht.5

2.5915

III. Widerruf von Verträgen Nach § 355 BGB kann der Verbraucher, wenn ihm ein Widerrufsrecht eingeräumt wurde, den entsprechenden Vertrag widerrufen. Ähnliche Widerrufsrechte gibt es bei sog. Haustürgeschäften nach § 312b BGB sowie bei Fernabsatzverträgen nach § 312c BGB.

2.5916

Bei Streit über die Wirksamkeit eines solchen Widerrufs sind zur Berechnung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes die Vorteile und Nachteile bei Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Widerrufs gegeneinander abzuwägen. Es gibt daher keine allgemein geltende Bewertungsregel, sondern in jedem Einzelfall muss abhängig vom konkreten Klagebegehren gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG geschätzt werden.

2.5917

Die Klage auf Feststellung, dass sich das Vertragsverhältnis aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat, ist nach dem Wert der Leistungen zu bestimmen, die der Kläger meint gem. §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können. Das sind bei einem Darlehensvertrag seitens des Darlehensnehmers die von ihm bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Danach erbrachte Leistungen werden vom Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr erfasst und nur bei gesonderter Geltendmachung (z.B. nach § 812 BGB) hinzugerechnet. Gleiches gilt für etwaig zurück zu gewährende Sicherheiten. Die Aufnahme einer entsprechenden Freigabeverpflichtung in eine vergleichsweise Regelung erhöht deren Wert nur bei einem streitgegenständlichen Freigabeverlangen.

2.5918

1 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207. Ähnlich auch das BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647, wonach beim Zusammentreffen von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Interessen ggf. der sich aus § 3 ZPO ergebende höhere Wert festgesetzt werden kann. 2 OLG Köln, MDR 1963, 510. 3 KG, JurBüro 1969, 320; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 13. 4 Vgl. dazu Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht 1986, 183. 5 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35; Schneider, MDR 1988, 464.

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2. Teil

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Widerspruch gegen Grundbucheintragung

ZPO

Widerspruch gegen Grundbucheintragung A. Zuständigkeitsstreitwert 2.5919 Ein Widerspruch gegen einen unrichtigen Grundbuchinhalt (§ 894 BGB) erfolgt gem. § 899 Abs. 2 BGB aufgrund einstweiliger Verfügung oder einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen wird. Der Widerspruch ist kein Recht am Grundstück und bewirkt keine Grundbuchsperre.1 Er schließt lediglich den gutgläubigen Erwerb nach § 892 BGB aus.2

I. Klage auf Bewilligung 2.5920 Der Zuständigkeitsstreitwert richtet sich bei einer Klage auf Bewilligung oder Mitwirkung an der Berichtigung grundsätzlich nach § 3 ZPO, weil es sich um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung handelt.3 Dagegen ist § 6 ZPO anzuwenden, wenn zugleich Streit um das Eigentum an dem Grundstück besteht.4 Geht es um die Eintragung einer Erbengemeinschaft als Eigentümer, ist als Streitwert der Verkehrswert des Nachlassgrundstücks anzusetzen, abzüglich des Erbteils der bereits eingetragenen Miterben.5 Weitere Einzelheiten lese man beim Stichwort „Grundbuchberichtigung“, Rz. 2.1954 ff. nach.

II. Klage auf Löschung 2.5921 Die gleichen Bewertungsgrundsätze gelten für die Klage auf Löschung eines eingetragenen Widerspruchs. Hier ist auf das Interesse des Klägers an der Löschung abzustellen.6 Das OLG Hamburg hat dabei im Falle des gegen eine Sicherungshypothek eingetragenen Widerspruchs den Streitwert so hoch wie die Hypothek angesetzt.

III. Einstweilige Verfügung 2.5922 Bei einstweiligen Verfügungen ist kein eigenständiger Zuständigkeitsstreitwert zu bestimmen, da sich die sachliche Zuständigkeit gem. § 937 Abs. 1, § 943 Abs. 1 ZPO danach richtet, welches Gericht nach §§ 23, 71 GVG für die Hauptsache zuständig wäre. Ob das Land- oder AG sachlich zuständig ist, richtet sich also nach dem Streitwert, den die entsprechende Bewilligungsklage hätte.

2.5923 Überdies besteht für die Eintragung von Widersprüchen ins Grundbuch eine streitwertunabhängige besondere Zuständigkeit des AG nach § 942 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1 2 3 4

MünchKomm.BGB/Kohler, § 899 BGB Rz. 20. Erman/Artz, § 899 BGB Rz. 15. OLG Köln, Beschl. v. 17.9.2013 – 19 W 28/13. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.2017 – 24 U 19/16, die Folgeinstanz BGH, Beschl. v. 12.7.2018 – V ZR 285/17, DNotZ 2018, 828 hat die Streitwertfestsetzung ohne eigene Begründung übernommen. 5 BGH, Beschl. v. 18.10.2000 – IV ZR 239/99; BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, MDR 1958, 676. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 18.2.1908 – 2. Zs., OLGE 17, 76; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.208.

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

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2. Teil

ZPO

B. Gebührenstreitwert I. Klage auf Bewilligung Bei Klagen auf Bewilligung der Eintragung eines Widerspruchs stimmt der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein.

2.5924

II. Einstweilige Verfügung Bei Eintragungen von Widersprüchen durch einstweilige Verfügungen ist der Streitwert nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen. Dabei ist grundsätzlich ein Bruchteil des Hauptsachewertes anzusetzen, der sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der einstweiligen Verhinderung des Rechtsverlustes richtet.1 Bei einem Widerspruch gegen die Eintragung einer Hypothek kann er grundsätzlich mit der Hälfte des Wertes der Hauptsache angesetzt werden, die wiederum mit dem Nennwert der eingetragenen Hypotheken zu bewerten ist.2

2.5925

Soll ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück zur Vorbereitung einer Grundbuchberichtigungsklage durch einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Grundbuchwiderspruchs gesichert werden, ist beim Streitwert wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme ein Abschlag von 3/4 vom Wert des Miteigentumsanteils vorzunehmen, da der Berichtigungsanspruch nicht durchgesetzt, sondern nur gesichert werden soll.3

2.5926

Dem Wert des Hauptanspruchs ist der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs dann gleichzusetzen, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht.4

2.5927

Wiederaufnahmeverfahren Es gibt zwei Arten der Wiederaufnahme des Verfahrens, nämlich die Nichtigkeitsklage nach § 579 2.5928 ZPO und die Restitutionsklage des § 580 ZPO. In beiden Fällen handelt es sich darum, dass ein rechtskräftiges Endurteil wieder beseitigt werden soll, weil die Entscheidungsgrundlage aufgrund schwerer Verfahrensmängel gewonnen worden ist oder völlig unzuverlässige Beweismittel verwertet worden sind. Die Bewertungsgrundsätze für beide Arten der Verfahrenswiederaufnahme decken sich und sind deshalb geschlossen unter dem Stichwort „Restitutionsklage“, Rz. 2.4357 ff. behandelt.

2.5929

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Im Falle schuldloser Versäumung einer Notfrist kann der Säumige gem. §§ 233 ff. ZPO Wiederein- 2.5930 setzung in den vorigen Stand beantragen. Die Kosten der Wiedereinsetzung sind dem Antragsteller 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 8.6.1978 – 5 W 34/78, JurBüro 1978, 1552; LG Kleve, Beschl. v. 28.6.2019 – 6 S 32/19. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.3.2018 – 6 W 10/18. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, AGS 2006, 562. 4 LG Kleve, Beschl. v. 28.6.2019 – 6 S 32/19; vgl. OLG Neustadt, Beschl. v. 15.10.1964 – 2 W 92/64, Rpfleger 1967, 1 (das im konkreten Fall die Hälfte des Verkehrswertes angesetzt hat).

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2. Teil

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Wiederkaufsrecht

ZPO

aufzuerlegen, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Antragsgegners entstanden sind, § 238 Abs. 4 ZPO.

2.5931 Für eine gesonderte Wertfestsetzung besteht regelmäßig kein Anlass, da das Verfahren durch die gerichtliche und anwaltliche Verfahrensgebühr (Nr. 1210 KV GKG bzw. Nr. 3100 VV RVG) abgegolten ist.1

2.5932 Bei einer anwaltlichen Einzeltätigkeit im Wiedereinsetzungsverfahren bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Fortsetzungsinteresse des Antragstellers und damit regelmäßig nach dem Wert der Hauptsache. Das gilt auch für den Wert des Beschwerdeverfahrens.2

Wiederkaufsrecht 2.5933 Der Streitwert entspricht nicht dem Sachwert (§ 6 ZPO), sondern es ist gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers am Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts zu schätzen.3 Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie für das Vorkaufsrecht (s. das Stichwort „Vorkaufsrecht“, Rz. 2.5713 ff.).

Wiederkehrende Leistungen A. Zuständigkeitsstreitwert I. Berechnung der Höhe des Streitwerts 2.5934 Der Wert eines Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird gem. § 9 Satz 1 ZPO grundsätzlich mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des einjährigen Bezuges berechnet. Hat das Recht eine bestimmte Bezugsdauer, die kürzer ist, ist gem. § 9 Satz 2 ZPO der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend.

2.5935 Sind die wiederkehrenden Leistungen in den einzelnen Jahren verschieden hoch, ist für die Streitwertbestimmung der Jahresbetrag der höchsten Leistung maßgeblich, der innerhalb des dreieinhalbjährigen Zeitraums des § 9 Satz 1 ZPO geschuldet wird.4 So sind z.B. Staffelvereinbarungen, wie sie in Mietsachen üblich sind, zu berücksichtigen.5

II. Begriff der wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen 2.5936 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen i.S.v. § 9 ZPO liegen vor, wenn die Einzelansprüche auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und in wenigstens annähernd gleichmäßigen Zeitabschnit-

1 Zöller/Greger, § 238 ZPO Rz. 12. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.3.2020 – 11 U 169/19; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.2.2015 – 3 W 99/15, MDR 2015, 482 betr. Kostenbeschluss gem. § 494a Abs. 2 ZPO und darin enthaltener Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.2004 – 2 W 44/02, OLGR 2004, 327. 3 BGH, Urt. v. 17.12.1972 – V ZR 137/69, BGHZ 57, 356; BGH, Urt. v. 23.6.1972 – V ZR 95/70, MDR 1973, 40 (je zum Wiederkaufsrecht nach § 20 RSiedlG); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.5.1991 – 9 U 3/91, OLGZ 1992, 352. 4 BGH, Beschl. v. 23.5.2017 – II ZR 169/16, MDR 2017, 965. 5 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, AGS 2006, 143.

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Wiederkehrende Leistungen

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2. Teil

Nutzungen von unterbrochener Dauer, bei denen die Einzelansprüche nur unregelmäßig wiederkehrend fällig werden, oder Rechte, die fortdauernd oder ununterbrochen genutzt werden, rechnen nicht hierzu; sie sind nach § 6 ZPO oder § 3 ZPO zu bewerten.3

2.5937

Um wiederkehrende Leistungen handelt es sich auch dann nicht, wenn eine einmalige, bezifferte Leis- 2.5938 tung gefordert wird, die lediglich in ihrer Höhe nach Zeitabschnitten mit festen Sätzen berechnet wird, z.B. bei Kurkosten, Lagergeldern, Urlaub mit Vollpension.4 Auch Ratenzahlungen sind keine wiederkehrenden Leistungen.5 § 9 ZPO gilt nur für Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von dreieinhalb oder mehr Jahren haben oder haben können.6 Liegt die regelmäßige Bezugsdauer dagegen deutlich unter dreieinhalb Jahren, bestimmt man den Streitwert nach § 3 ZPO und nicht nach § 9 ZPO, selbst wenn ein Bezugszeitraum von dreieinhalb Jahren in Einzelfällen nicht ausgeschlossen ist.7 Diese Ausnahme ist aber restriktiv zu handhaben. § 9 ZPO ist ein normativer Streitwert, der eine einheitliche und einfache Streitwertfestsetzung gewährleisten soll.8 Diesen Zweck könnte er nicht mehr erfüllen, wenn man allzu leicht bei wiederkehrenden Leistungen eine regelmäßig geringere Bezugsdauer des Rechts annimmt.

2.5939

Ebenso ist nicht nach § 9 ZPO zu bewerten, wenn aus einem Recht auf wiederkehrende Leistungen nur 2.5940 einzelne Leistungen beziffert eingeklagt werden, etwa fällige Beträge; dann handelt es sich um konkrete Geldansprüche, die nach dem Wert der eingeklagten Summe zu beziffern sind.9

B. Gebührenstreitwert In den meisten Fällen stimmt nunmehr der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 2.5941 ZPO mit dem Zuständigkeitsstreitwert überein. Das Gebührenrecht enthält nur noch wenige Ausnahmen. Die Ausnahmen des § 42 Abs. 1 GKG haben für die ordentliche Gerichtsbarkeit seit dem 1.8.2013 keine große Bedeutung mehr. In Familiensachen begrenzt allerdings § 51 FamGKG den Streitwert in Unterhaltssachen regelmäßig auf einen Jahresbetrag. Erst nach Klageerhebung fällig gewordene Beträge erhöhen bei auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Klagen in keiner Instanz den Gebührenstreitwert.10

1 OLG Köln, Beschl. v. 18.1.2010 – 5 U 73/09, VersR 2010, 1057. 2 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. 3 OLG Celle, Beschl. v. 12.10.1905 – 2. ZS., OLGE 13, 72; OLG München, Beschl. v. 10.7.1916 – 4. ZS., OLGE 33, 147 (Nießbrauch, Wohnrecht). 4 RG, Urt. v. 15.4.1889 – VI 41/89, RGZ 23, 363. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1962, 698. 6 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293; BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, 144. 7 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293. 8 BGH, Beschl. v. 23.5.2017 – II ZR 169/16, MDR 2017, 965; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2: Materialien zur ZPO, S. 147. 9 RG, Beschl. v. 28.9.1887 – IV 336/85, RGZ 19, 416; KG, Rpfleger 1951, 474. 10 BGH, Beschl. v. 8.7.2020 – IV ZR 7/20.

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ten wiederkehrend fällig werden.1 Der Begriff ist nicht auf Geldforderungen beschränkt, sondern umfasst auch Sachleistungen.2

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2. Teil

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Wiederkehrende Leistungen

ZPO

C. Rechtsmittel und Beschwer 2.5942 Nach § 9 ZPO berechnet man nicht nur den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert. Vielmehr ist auch die Beschwer nach dessen Grundsätzen zu berechnen, so dass erst nach Klageerhebung fällig gewordene Beträge in keiner Instanz die Beschwer erhöhen.1

D. ABC der Einzelfälle 2.5943 § 9 ZPO ist in mannigfachen Fällen anwendbar. Das nachfolgende Einzelfall-ABC stellt beispielhaft bestimmte Einzelfragen vor. Weitere Einzelheiten sind bei den jeweiligen Sachstichworten aufzufinden. Abänderungsklage

2.5944 Der Streitwert einer Abänderungsklage i.S.v. § 323 ZPO ist nach § 9 ZPO zu berechnen. Einzelheiten lese man beim Stichwort „Abänderung“, Rz. 2.9 ff. nach. Arbeitnehmer

2.5945 Bei Ansprüchen von Arbeitnehmern sind nach § 42 Abs. 2 GKG (arbeitsgerichtliches Verfahren: § 42 Abs. 1 GKG) die wiederkehrenden Leistungen lediglich auf den 3fachen Jahresbetrag festzusetzen. Das gilt auch für wiederkehrende Leistungen, die ein Arbeitnehmer als Schadensersatz geltend macht.2 Bausparvertrag

2.5946 Wendet sich der Bausparer mit einer (positiven) Feststellungsklage auf Fortbestand des Bausparvertrages gegen die Kündigung der Bausparkasse, ist der Streitwert nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Guthabenzinsen abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % zu bewerten.3 Befreiungsansprüche

2.5947 Bei Klagen auf Befreiung von einer Pflicht zur Zahlung wiederkehrender Leistungen i.S.v. § 9 ZPO bestimmt man den Streitwert des Freistellungsanspruchs nach § 3 ZPO. Allerdings ist bei der Ausübung des in § 3 ZPO eingeräumten Ermessens die Wertung des § 9 ZPO zu berücksichtigen.4 Meist ist daher nach §§ 3, 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung maßgeblich.5 Dienstbarkeitsentgelt

2.5948 Das Entgelt für eine Dienstbarkeit ist eine Nutzung i.S.d. § 100 BGB und der Streitwert dafür nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berechnen.6

1 BGH, Beschl. v. 8.7.2020 – IV ZR 7/20. 2 LAG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.1965 – 5 Sa 403/62, NJW 1966, 692. 3 BGH, Beschl. v. 21.2.2017 – XI ZR 88/16, NJW 2017, 2343 mit Nachweisen zu dem zuvor in der Instanzrechtsprechung bestehenden Meinungsstreit. 4 BGH, Beschl. v. 30.5.2000 – IX ZR 450/99. 5 BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – IX ZR 27/01; BGH, Beschl. v. 30.5.2000 – IX ZR 450/99. 6 OLG Neustadt, Beschl. v. 15.12.1953 – 2 W 162/53, JurBüro 1954, 107.

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Wiederkehrende Leistungen

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2. Teil

Der Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses bemisst sich gem. § 9 ZPO nach dem Un- 2.5949 terschiedsbetrag zwischen gezahlter und erstrebter Zinshöhe für dreieinhalb Jahre.1 Dasselbe gilt für eine Klage auf Ermäßigung des Erbbauzinses.2 Feststellungsklage Der Wert einer positiven Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, 2.5950 ist gem. §§ 3, 9 ZPO regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, auch wenn die Leistungen von Gegenleistungen abhängig sind.3 Erstreckt sich die positive Feststellungsklage auf fällige Beträge, dann ist § 42 Abs. 3 GKG anzuwenden. Von dem bezifferten Betrag der Rückstände ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.4 Siehe aber das Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1556.

2.5951

Bei einer negativen Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, ist der Streitwert nicht geringer als bei der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, also regelmäßig auf den 3,5fachen Jahresbetrag.

2.5952

Gläubigeranfechtung Der Streitwert einer Anfechtungsklage nach dem AnfG ist nach § 9 ZPO zu bewerten, wenn wegen eines Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen angefochten wird.5

2.5953

Heckenrückschnitt Die Beschwer des zu einem jährlich wiederkehrenden Zurückschneiden einer Hecke verurteilten Beklagten bemisst sich nach § 9 ZPO, weil die Vorschrift auch für die Beseitigung wiederkehrender Störungen gilt.6 Der jährliche Wert des Bezugs kann mit den Kosten des Rückschnitts angesetzt werden.7

2.5954

Kapitalisierung Die seit Klageeinreichung fällig gewordenen Beträge sind dem Streitwert auch dann nicht zuzurechnen, wenn der Kläger sie beziffert als Festbetrag neben der künftig zu zahlenden Rente einfordert.8

2.5955

Miete Den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bei Miet- und Pachtverhältnissen von ungewisser 2.5956 oder nicht ermittelbarer streitiger Zeit berechnet man nach §§ 8, 9 ZPO.9 Der Gebührenstreitwert richtet sich bei Räumungsstreitigkeiten nach § 41 Abs. 1 GKG. 1 BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – V ZB 271/11, NJW-RR 2012, 1041; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14. 2 OLG Brandenburg, Urt. v. 27.7.2005 – 4 U 199/04. 3 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829; BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912. 4 RG, Beschl. v. 28.9.1887 – IV 336/85, RGZ 19, 416; BGH, Beschl. v. 26.4.1951 – III ZR 208/50, BGHZ 2, 74. 5 RG, Beschl. v. 17.1.1933 – VII 275/31, RGZ 139, 238. 6 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. 7 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – V ZB 72/11, MDR 2012, 117. 8 BGH, Beschl. v. 6.5.1960 – V ZR 148/59, MDR 1960, 663; OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.1962 – 4 W 106/62, JurBüro 1962, 647. 9 BGH, Beschl. v. 23.1.2019 – XII ZR 95/17, AGS 2019, 410; BGH, Beschl. v. 16.7.2019 – VIII ZA 7/19, WuM 2019, 599.

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2. Teil

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Wiederkehrende Leistungen

ZPO

2.5957 Der Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrages ist gem. § 3 ZPO mit dem Wert des Miet- bzw. Pachtzinses für die beabsichtigte Vertragsdauer, aufgrund des Rechtsgedankens des § 9 ZPO aber höchstens mit dreieinhalb Jahresmieten oder -pachten anzusetzen.1 Nutzungsentschädigung (§ 546a BGB)

2.5958 Bei Klagen auf künftige Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB gilt nach zutreffender Auffassung § 3 ZPO und nicht § 9 ZPO.2 Die Mietsache wird durch den Mieter regelmäßig erheblich kürzer als dreieinhalb Jahre weitergenutzt, mag dies im Einzelfall auch nicht ausgeschlossen sein. Reallast

2.5959 Da zum Begriff der Reallast nach § 1105 BGB die Entrichtung wiederkehrender Leistungen gehört, richtet sich der Streitwert nach § 9 ZPO.3 Rückstände

2.5960 Gemäß § 5 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG sind bei Anhängigkeit bereits fällige Beträge dem Streitwert hinzuzurechnen, wenn sie zusammen mit wiederkehrenden Leistungen für künftige Zeiträume geltend gemacht werden.4

2.5961 Für die Höhe des Streitwertes ist dabei unerheblich, ob die fälligen Beträge in Rentenform oder kapitalisiert geltend gemacht werden.5

2.5962 Wird bei Leistungsklage auf Rentenzahlung die Rente später rückwirkend mit einem höheren Betrag geltend gemacht, gilt der Differenzbetrag zwischen der zuletzt und der zuerst verlangten Rente streitwertmäßig als Rückstand.6

2.5963 In welcher Instanz die nach Klageeinreichung angefallenen Rückstände geltend gemacht werden, ist gleichgültig.7 Schadensersatz

2.5964 Bei Schadensersatzrenten oder Ansprüchen auf Ersatz entgangener wiederkehrender Leistungen, ist nach §§ 3, 9 ZPO deren dreieinhalbfacher Jahreswert maßgeblich.8 Standgeld

2.5965 Der Streitwert des Anspruchs eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, ein Kfz-Besitzer habe für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld zu entrichten, ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bemessen.9

1 BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2019 – 30 W 5/19; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2006 – 24 W 65/05; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008 – 3 W 18/07, FamRZ 2008, 1208. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.1981 – 22 U 85/81, MDR 1982, 411. 4 BGH, Beschl. v. 13.3.2020 – VI ZR 415/18; BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.4.2019 – 11 U 137/17. 5 OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.1962 – 4 W 106/62, JurBüro 1962, 647. 6 OLG Köln, Beschl. v. 22.7.2003 – 4 WF 59/03, FamRB 2004, 45 m. Anm. N. Schneider; a.A. OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 7 BGH, Beschl. v. 6.5.1960 – V ZR 148/59, MDR 1960, 663. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2002 – 24 W 36/02, FamRZ 2004, 1225. 9 OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.4.1965 – 2 W 16/65, JurBüro 1965, 920.

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Wiederkehrende Leistungen

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2. Teil

§ 9 ZPO ist nicht anzuwenden bei einer Klage auf Rückabwicklung einer stillen Beteiligung mit ratierlichen Einzahlungen.1

2.5966

Subventionen Auf Subventionsansprüche von Bauern nach der VO (EG) Nr. 1782/2003 ist § 9 ZPO entsprechend anzuwenden.2

2.5967

Überbaurente Der Wert eines Verfahrens, in welchem eine Überbaurente geltend gemacht wird, ist nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.3

2.5968

Vergleich Schließen die Parteien über einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen einen Vergleich, dann ist auch bei Zahlung einer Kapitalabfindung nicht diese, sondern die Bewertung des verglichenen Anspruchs maßgebend, so dass also auch die Vergünstigungsvorschrift des § 9 ZPO zu beachten ist.4

2.5969

§ 9 ZPO gilt auch für den Vergleichsmehrwert bei nicht rechtshängig gewesenen Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen.5

2.5970

Vermächtnis Der Streitwert eines Vermächtnisanspruches auf Gewährung wiederkehrender Leistungen bis zum Tode richtet sich nach § 9 ZPO, weil es sich nicht um die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche handelt.6

2.5971

Versicherung Versicherungsprämien sind wiederkehrende Leistungen i.S.v. § 9 ZPO. Gleiches gilt für Klagen des Versicherungsnehmers auf künftige Freistellung von den laufenden Prämien.7

2.5972

Werden laufende Versicherungsleistungen verlangt, handelt es sich grundsätzlich ebenfalls um wiederkehrende Leistungen, etwa bei einer Berufsunfähigkeitsrente.8 Bei Klagen auf laufende Zahlungen von Krankenhaustagegeld ist dagegen auf einen Sechsmonatszeitraum abzustellen, weil dessen gewöhnliche Bezugsdauer deutlich unter dreieinhalb Jahren liegt, auch wenn ein solcher Zeitraum in Einzelfällen nicht ausgeschlossen sein mag.9

2.5973

1 OLG München, Beschl. v. 28.5.2004 – 14 W 132/04, NZG 2005, 38, Meyer, GKG/FamGKG, § 9 ZPO Rz. 88. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2009 – 10 W 105/09. 3 BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – V ZB 247/11. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.1976 – 15 U 204/72, VersR 1977, 868, s. näher dazu das Stichwort „Vergleich“, Rz. 2.5073 ff. 5 OLG München, Beschl. v. 15.3.2019 – 24 W 278/19, NJW-RR 2019, 1083. 6 LG Oldenburg, JurBüro 1951, 269. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343. 8 BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10, MDR 2011, 1474; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.7.2016 – 12 W 3/16, NJW-RR 2016, 1343; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2016 – 20 U 216/15, NJW-RR 2017, 154. 9 BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15, MDR 2017, 293.

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Stille Gesellschaft

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2. Teil

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Willenserklärung

ZPO

Zinsen

2.5974 Zinsen sind keine nach § 9 ZPO zu bewertenden wiederkehrenden Leistungen.1 Deshalb sind auch Schadensersatzansprüche, die auf Zinsverlust wegen des Nichtzahlens einer Schuld gestützt werden, nicht als wiederkehrende Leistungen, sondern als Ansprüche auf einen bestimmten Schadensersatzbetrag in Geld anzusehen.2 Zwangsvollstreckung

2.5975 Bei Vollstreckungsabwehrklagen gegen Urteile, die wiederkehrende Leistungen tituliert haben, ist § 9 ZPO anwendbar.3

Willenserklärung A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2.5976 Die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung führt im Falle ihrer Stattgabe zur Erklärungsfiktion gem. § 894 Abs. 1 ZPO, bei Zug-um-Zug-Verurteilung jedoch erst nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (durch den Rechtspfleger).4 Für die Bewertung des Streits um die Abgabe einer Willenserklärung ist darauf abzustellen, welche Rechtsänderung5 bzw. welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung erstrebt wird.6 Entsprechend dem im Antrag verfestigten Klageinteresse sind die jeweils in Betracht kommenden Bewertungsregeln zu ermitteln, ggf. ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.7

2.5977 Beispielhaft seien erwähnt: – Klage auf Abschluss eines Vertrages (s. auch unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“, Rz. 2.5506 ff.). Hier sind nicht die durch den Vertrag begründeten Ansprüche, sondern gem. § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Abschluss des Vertrages wertbestimmend.8 Bei einem Mietvertrag ist dabei im Regelfall nicht auf die für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern gem. § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Wert der Jahresnettomiete abzustellen.9 Siehe auch die Stichwörter „Vertragsabschluss“, Rz. 2.5506 und „Vertragsauflösung“, Rz. 2.5512. – Der Wert einer Klage des Käufers gegen den Verkäufer (einer Eigentumswohnung) auf Beibringung der Zustimmung eines Dritten zum Grundstückserwerb bestimmt sich nach dem tatsächlichen Wert des Grundstücks.10 – Klage auf Erklärung der Abnahme. Unabhängig von ihrer dogmatischen Einordnung11 hat die Abnahme der Werkleistung neben dem Gefahrübergang (§§ 644, 645 BGB) die Fälligkeit der Ver-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, MDR 1962, 285. KG, Urt. v. 15.5.1930 – 31 W 4846/30, JW 1930, 3331. RG, Beschl. v. 15.3.1937 – IV 277/35, JW 1937, 1433. Vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254. OLG München, Urt. v. 9.1.2008 – 20 U 3478/07, ZfIR 2008, 727. BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – IV ZR 7/13, AGS 2013, 524; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.2021 – 17 W 23/20. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, MDR 2002, 39 = NJW-RR 2002, 37; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.212. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.1991 – 3 SA 56/91, JurBüro 1992, 627. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195. OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2013 – 19 W 14/13. Vgl. BGH, NJW 1974, 95: Willenserklärung.

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Willenserklärung

2. Teil

gütung (§ 641 BGB) zur Folge. Das hierauf gerichtete Fälligkeitsinteresse des Klägers ist mit dem Wert der (noch offenen) Leistung wirtschaftlich nicht identisch, zumal der Titel eine Vollstreckung der Vergütung nicht ermöglicht.1 Es ist vielmehr gem. § 3 ZPO eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Bruchteilsbewertung vorzunehmen. Siehe auch unter dem Stichwort „Fälligkeit“, Rz. 2.1470 ff. – Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrags. Hier bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Kaufsache zzgl. der Zinsen auf den Kaufpreis.2 – Klage auf Abgabe einer gemeinsamen Kündigungserklärung. Maßgeblich für die Bemessung ist das Interesse des Klägers an der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit in der Regel die mit Vertragsfortdauer verbundenen finanziellen Belastungen (z.B. Miete).3 Siehe auch unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3225. – Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Wertbestimmend ist gem. § 41 Abs. 5 GKG der Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses (zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rz. 2.3079 ff.). – Klage auf Zustimmung zur Eigentumsübertragung. Maßgebend für den Streitwert ist immer der Verkehrswert der Sache, § 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO.4 – Klage auf Auflassung eines Grundstücks. Der Wert bestimmt sich gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dessen Verkehrswert soweit nicht aufgrund eines dahinter stehenden Streits über Restkaufpreiszahlung oder Mängelbeseitigung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist5 (s. hierzu unter dem Stichwort „Auflassung“, Rz. 2.293 ff.). Demgegenüber richtet sich der Wert einer Klage auf Zustimmung zum Vollzug der Auflassung nach dem Wert der Gegenforderung.6 – Klage auf Zustimmung zur Einräumung eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts. Hier ist nach § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abzustellen.7 – Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung. Die Bemessung des Streitwerts bestimmt sich nach dem Gegenstand der Löschungsbewilligung. Ist diese auf die Löschung von Grundpfandrechten (z.B. Hypotheken, oder Grundschuld) gerichtet, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 Satz 1 Alt. 3 ZPO nach dem Nennbetrag des Pfandrechts soweit nicht das Grundstück einen geringeren Wert hat (§ 6 Satz 2 ZPO).8 Ob und in welchem Umfang eine vom Nennbetrag abweichende Valutierung berücksichtigt werden muss, ist sehr umstritten9 (s. unter den Stichwörtern „Grundschuld“, Rz. 2.1975–2.1984, „Hypothek“, Rz. 2.2290–2.2299 f.). Im Übrigen ist gem. § 3 ZPO von dem Wert des zu löschenden Rechtes auszugehen, soweit nicht der Sicherungszweck weggefallen ist.10 Der Wert einer Klage auf Bewilligung der Löschung einer Grunddienstbarkeit bemisst sich nach der aktuellen Wertminderung, die das Grundstück durch die Belastung erleidet,

1 Das übersieht KG, Beschl. v. 14.8.2018 – 21 W 5/18, MDR 2018, 1371: Streitwert entspricht noch offener Vergütung. 2 BGH, Urt. v. 12.2.2003 – VIII ZR 130/01, NJW-RR 2003, 823. 3 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, NJW-RR 1992, 1490. 4 OLG Jena, Beschl. v. 30.7.1998 – 7 W 217/98, OLGR 1998, 350. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 30.1.2013 – 12 W 37/12, BauR 2013, 995. 6 BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 42/00, MDR 2002, 295; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.6.1993 – 8 W 28/93, JurBüro 1994, 361; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.212“. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.7.2005 – 4 W 209/05. 8 BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07. 9 Siehe zum Meinungsstand: OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2008 – 6 W 2061/08, MDR 2009, 217; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969. 10 OLG Celle, Beschl. v. 23.12.2004 – 16 W 11/05, OLGR 2005, 295; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 189.

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2. Teil

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Willenserklärung

ZPO

§ 7 Halbs. 2 ZPO.1 Zur Ermittlung des Wertverlustes ist der Verkehrswert des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks mit denjenigen ohne Grunddienstbarkeit zu vergleichen.2 – Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Maßgebend ist das vermögensrechtliche Interesse des Klägers an der Zustimmung.3 Siehe auch unter den Stichwörtern „Grundbuchberichtigung“, Rz. 2.1954 ff. und „Eintragungsbewilligung“, Rz. 2.1183 ff. – Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages. Die Bewertung richtet sich nach der Höhe des hinterlegten Geldbetrages einschließlich aufgelaufener Zinsen.4 Siehe auch unter dem Stichwort „Freigabe“, Rz. 2.1613. Geht es um die Freigabe von Gegenständen, richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Sache. – Klage des Mehrheitserben gegen einen Miterben auf Zustimmung zur Umwandlung eines Sparkassenkontos in ein Konto der Erbengemeinschaft mit alleiniger Verfügungsbefugnis des Mehrheitserben ist nicht nach der Nachlassbeteiligung des Mehrheitserben, sondern dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu bewerten.5 – Klage auf Anmeldung zum Handelsregister. Wertbestimmend ist das Interesse des Mitgesellschafters an der Offenlegung der Beteiligungs- oder Vertretungsverhältnisse. Dieses ist nach einem Bruchteil der Einlage zu bestimmen.6 – Klage auf Erteilung eines Dienstzeugnisses für den Geschäftsführer einer GmbH. Hier ist in Anlehnung an die arbeitsgerichtliche Bewertungspraxis7 betreffend die Erteilung und Berichtigung von Zeugnissen auf den Wert eines Monatseinkommens abzustellen.8 – Klage auf Zustimmung zum Realsplitting (Anlage U). Wertbestimmend sind die mit der Abgabe angestrebten steuerrechtlichen Vorteile.9 – Klage auf Zustimmung zur Geltendmachung eines fremden Anspruchs in eigenem Namen (Ermächtigung zur Prozessstandschaft). Hier entspricht das Interesse des Klägers in der Regel nicht dem Klageziel des beabsichtigten Prozesses, zumal dieses auf Leistung an den Rechteinhaber gerichtet ist. So dient die Klage des Versicherungsnehmers gegen seinen Kaskoversicherer auf Zustimmung zur Prozessführung gegen den Schädiger meist dazu, die Rückstufung im Versicherungsvertrag zu verhindern.10 Die Klage des Handelsvertreters auf Zustimmung zur Klage gegen Kunden auf Vertragserfüllung regelmäßig dazu, die Abschlussprovision zu sichern.

2.5978 Im Übrigen ist bei den einschlägigen Stichwörtern nachzuschlagen. Einige Einzelheiten finden sich ferner bei den Stichwörtern „Abgabe einer Willenserklärung“, Rz. 2.18 und „Zustimmung“, Rz. 3.2807 ff. im FamR-Teil. 1 BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – V ZR 174/13, ZfIR 2014, 492 (Beschwer); BGH, Beschl. v. 18.9.2013 – V ZR 296/12, Grundeigentum 2014, 318. 2 BGH, Beschl. v. 15.5.2014 – V ZB 2/14, Grundeigentum 2014, 1334. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, MDR 2002, 379; LG Stuttgart, Urt. v. 27.10.2006 – 27 O 356/06, FamRZ 2007, 1034: Interesse an der Aufhebung der Gemeinschaft bei Löschungsbewilligungsverlangen zur Ermöglichung der Teilungsversteigerung. 4 BGH, MDR 1967, 280; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16.95. 5 BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – IV ZR 7/13, AGS 2013, 524. 6 OLG Köln, BB 1971, 1005: 1/10. 7 Vgl. etwa LAG Düsseldorf, JurBüro 1988, 725; LAG Hamm, Beschl. v. 23.2.1989 – 8 Ta 3/89, MDR 1989, 572; LAG Hamm, JurBüro 1990, 39; LAG Köln, Beschl. v. 26.8.1991 – 10 Ta 61/91, JurBüro 1992, 24; LAG Köln, Beschl. v. 27.7.1995 – 13 Ta 144/95. 8 LG Bayreuth, Beschl. v. 14.3.1990 – 2 O 287/90, JurBüro 1990, 772, 773. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254; OLG München, Beschl. v. 25.11.1994 – 16 WF 1065/94, OLGR 1995, 72. 10 BGH, Beschl. v. 11.9.2019 – IV ZB 13/19, NJW-RR 2019, 1451: gem. § 9 ZPO der 3,5-fache Jahresbetrag.

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Wirtschaftliche Identität

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2. Teil

Hier wird aufseiten des unterliegenden Beklagten darauf abzustellen sein, ob die Abgabe der Willenserklärung die rechtliche (oder wirtschaftliche) Position des Beklagten gleichermaßen beeinflusst wie die des Klägers. Maßgebend ist gem. § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse an dem Nichteintritt der mit der Erklärung verbundenen Folgen.1

2.5979

Wirtschaftliche Identität A. Allgemeines Hat die Rechtsverfolgung eine Mehrheit von Ansprüchen zum Inhalt, dann ist für eine zutreffende Bestimmung von Streit- und/oder Gegenstandswert zunächst danach zu unterscheiden, ob das Begehren nur auf verschiedene Klagegründe gestützt oder eine Mehrheit von Streitgegenständen geltend gemacht wird.

2.5980

Von rechtlicher Identität und nur einem zu bewertenden prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) ist auszugehen, wenn das Klagebegehren auf verschiedene materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen oder auf ein (unselbständiges) Haupt- und Hilfsvorbringen gestützt wird. Sind infolgedessen verschiedene Bewertungsvorschriften anwendbar, dann bestimmt sich der Wert nach der vorrangig anwendbaren und bei gleichrangig anwendbaren nach der höchsten Bewertungsvorschrift.

2.5981

Beispiel: Der auf Herausgabe klagende Vermieter eines Wohnhauses, der zugleich Eigentümer des Hausgrundstückes ist, stützt seine Klage auf die Beendigung des Mietvertrages und auf sein Eigentum.

2.5982

Es handelt sich um einen Fall der rechtlichen Identität, denn der Herausgabeanspruch wird nur auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen, hier § 546 Abs. 1 BGB bzw. § 985 BGB gestützt. Der Gebührenstreitwert richtet sich nach dem Wert der Jahresmiete und nicht nach dem Wert des Hausgrundstücks, da § 41 Abs. 2 GKG als speziellere Norm einer Bewertung nach § 6 ZPO i.V.m. § 48 GKG vorgeht.

Bei einer Mehrheit von prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) sind diese grundsätzlich einzeln zu bewerten und für die Ermittlung des Streit- und Gegenstandswertes im Regelfall zu addieren. Das folgt für den Zuständigkeitsstreitwert aus § 5 Satz 1 ZPO, für den Gebührenstreitwert aus § 39 Satz 1 GKG und für den Gegenstandswert aus § 23 RVG.

2.5983

Eine Ausnahme besteht nur für Nebenforderungen, d.h. von einer in demselben Rechtsstreit verfolgten Hauptforderung abhängige, jedoch von ihr getrennt zu berechnende Forderungen. Diese bleiben, von gesetzlich geregelten Einzelfällen (Art. 45 ScheckG und Art. 48 WG) abgesehen, bei der Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts grundsätzlich unberücksichtigt, § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (vgl. im Einzelnen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“, Rz. 2.3526 ff.).

2.5984

Vor einer Zusammenrechnung muss jedoch geprüft werden, ob die prozessualen Ansprüche wirtschaftlich identisch sind. Denn betreffen diese „denselben Gegenstand“, weil der eine Anspruch aus dem anderen folgt, auf dasselbe (wirtschaftliche) Interesse zielt oder nur den Zweck verfolgt, den anderen Anspruch zu rechtfertigen, dann scheidet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nach einhelliger Auffassung aus.2 In diesen Fällen der wirtschaftlichen Identität bestimmt sich der Wert nach dem höherwertigeren Einzelanspruch.

2.5985

1 BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – V ZR 247/10, Grundeigentum 2012, 558. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.2.2020 – 5 W 10/20, JurBüro 2020, 302; zustimmend auch OVG Hamburg, Beschl. v. 4.2.2015 – 2 S 13/14; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2010 – 6 W 3/10.

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B. Rechtsmittel und Beschwer

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2. Teil

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Wirtschaftliche Identität

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2.5986 Der Grundsatz, dass eine Addition wirtschaftlich identischer Ansprüche oder Gegenstände unterbleibt, hat in die Wertvorschriften nur für einzelne, wenngleich wesentliche Fallgestaltungen, Eingang gefunden: – für die Anträge bei der Stufenklage (§ 44 GKG), s. hierzu das Stichwort „Stufenklage“, Rz. 2.4618 ff. – bei Haupt- und Hilfsantrag, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Hilfsantrag“, Rz. 2.2243 ff. – bei Klage und Widerklage, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 u. 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2529 ff. – bei dem Zusammentreffen eines nichtvermögensrechtlichen mit einem daraus abgeleiteten vermögensrechtlichen Anspruch (§ 48 Abs. 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2933 ff. und 2.2945 ff. – bei wechselseitigen Rechtsmitteln, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 2 GKG), s. hierzu das Stichwort „Rechtsmittel“, Rz. 2.4242 ff. – bei einem Prozesskostenhilfeverfahren und nachfolgender Hauptsache (Nr. 3335 Abs. 2 VV RVG).

B. Fallkonstellationen 2.5987 Verfolgt der Kläger bei der objektiven Klagehäufung mehrere Leistungsansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, so scheidet eine Zusammenrechnung aus, wenn diese auf Erreichung des gleichen wirtschaftlichen Ziels gerichtet sind.

2.5988 Beispiele: Der Kläger begehrt neben der Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung die Rückzahlung des aus dem Titel bereits vollstreckten Betrages.1 oder Der Käufer eines Pkw verlangt vom Verkäufer die Herausgabe des Fahrzeuges sowie die Herausgabe der Fahrzeugpapiere und Originalschlüssel.2 Trotz Mehrzahl von Anträgen geht es – wirtschaftlich betrachtet – in beiden Fällen jeweils um die dieselbe Pflicht, die Zahlung des titulierten Betrages bzw. die Verschaffung von Besitz und Eigentum am Pkw.

2.5989 Ebenso scheidet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus, wenn der Kläger zugleich auf Leistung und auf Sicherung seines Leistungsinteresses klagt. In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn neben dem Leistungsantrag vorbereitende, unterstützende oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt werden.

2.5990 Beispiele: Der Werkunternehmer klagt gegen den Auftragsgeber (und Grundstückseigentümer) auf Werklohn und Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek.3 oder Der Verkäufer klagt auf Kaufpreiszahlung Zug-um-Zug gegen Übereignung der Kaufsache und auf Feststellung des Annahmeverzuges bzgl. der Gegenleistung.4 In beiden Fällen sind die nebeneinander gestellten Klageanträge – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Erfolg gerichtet, die Durchsetzung des Leistungsinteresses. 1 OLG Schleswig, JurBüro 1969, 1195. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2010 – 28 U 2/10. 3 OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09, IBR 2010, 370; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322: Addition. 4 KG, Beschl. v. 21.3.2005 – 8 W 65/04, MDR 2005, 898; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.7.2008 – 24 W 46/08, MDR 2009, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648 = AGS 2008, 402; a.A. OLG Bremen, Beschl. v. 21.6.2007 – 2 U 5/07, ZGS 2007, 471: zusätzlicher Wert.

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Wirtschaftliche Identität

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2. Teil

2.5991

Beispiel: Der Verletzte verlangt Zahlung von Schadensersatz über insgesamt 5.000 t und die Feststellung, dass der Zahlungsanspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

2.5992

ZPO

Wird auf Leistung und daneben auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses geklagt, scheidet Wertaddition regelmäßig aus, wenn der Leistungsanspruch aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis resultiert. Wertbestimmend ist der regelmäßig höhere Leistungsantrag, wenn dieser die möglichen Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis abdeckt.

Der Anspruch auf Schadenersatz ist Folge der unerlaubten Handlung, deren Feststellung wertmäßig daher nicht über den Betrag der möglichen Ersatzansprüche hinausgehen kann. Dient doch die Feststellung ohnehin nur dazu, die Vollstreckungsmöglichkeiten auch bei einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu erhalten. Ungeachtet des Streits über die Einzelbewertung derartiger Feststellungsanträge,1 beruhen beide Klageanträge – wirtschaftlich betrachtet – auf demselben klägerischen Interesse, dem Ausgleich erlittener Einbußen. Eine Zusammenrechnung scheidet daher aus.2

Ist die Klage (neben dem Feststellungsantrag) dagegen nur auf eine Teilleistung gerichtet oder betrifft der Feststellungsantrag ein Dauerschuldverhältnis, muss differenziert werden.

2.5993

Beispiel: Der Verkäufer einer Sache klagt gegen den Käufer auf Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Kaufvertrages und Zahlung des hälftigen Kaufpreises.

2.5994

Der Wert des Feststellungsantrages bemisst sich nach dem Wert des Kaufvertrages, mithin für den Verkäufer nach dem daraus resultierenden Kaufpreisanspruch, wegen der fehlenden Vollstreckbarkeit gekürzt um 20 % (s. unter dem Stichwort „Feststellungsklage“, Rz. 2.1484 ff.). Da die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung den Bestand des festzustellenden Kaufvertrages voraussetzt, kommt eine Addition grundsätzlich nicht in Betracht. Der Streitwert bestimmt sich nach dem höherwertigen Leistungsantrag. Wird dagegen – wie hier – nur auf Zahlung eines Teils des Kaufpreises geklagt, beispielsweise 5.000 t, ist für die Bewertung der höherwertige Feststellungsantrag maßgebend. Hier muss jedoch beachtet werden, dass dieser – aufgrund der Kürzung um 20 % – das wirtschaftliche Interesse nicht vollständig abdeckt. Zum Wert des Feststellungsantrages sind daher 20 % des Leistungsantrages zu addieren. Der Streitwert beläuft sich daher auf 8.000 t (10.000 t minus 20 %) zzgl. 1.000 t (20 % von 5.000 t), mithin auf 9.000 t. Siehe hier auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2951. Begehrt ein Versicherungsnehmer neben Versicherungsleistungen die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag fortbesteht, so kommt dieser aufgrund der Möglichkeit künftiger Versicherungsfälle eine eigene wirtschaftliche Bedeutung zu. Die jeweiligen Einzelwerte sind folglich zusammenzurechnen.3

Ist die Klage gegen mehrere Beklagte gerichtet (subjektive Klagehäufung), scheidet eine Zusammen- 2.5995 rechnung der jeweiligen Klageanträge aus, wenn diese – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet sind, etwa weil die Leistung materiell-rechtlich nur einmal verlangt werden kann. Beispiel: Der Vermieter verklagt mehrere Mieter einer Wohnung als Gesamtschuldner auf Zahlung rückständiger Miete.

2.5996

Da der Gläubiger die Leistung zwar von jedem Gesamtschuldner, insgesamt jedoch nur einmal verlangen kann (§ 421 BGB), liegt wirtschaftliche Identität vor.4

In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn Klage und Widerklage „denselben Gegenstand“ betreffen. Denn der „Gegenstand“ i.S.v. § 45 GKG ist nicht identisch mit dem (zweigliedrigen) Streitgegenstand

1 Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594 = ZIP 2009, 435 m.w.N. 2 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.8.2009 – 5 Ta 61/09, NZI 2009, 695; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648. 3 OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, MDR 2010, 990. 4 BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, BGHR 2004, 638 = MDR 2004, 406; ebenso für Räumungsklage gegen Haupt- und Untermieter: OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2010 – 3 U 146/09; ebenso für Gesamtgläubigerschaft: OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2010 – 6 W 3/10.

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ZPO

2. Teil

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Wohnrecht

des Prozessrechts.1 Hier kommt eine Wertaddition wegen wirtschaftlicher Identität nicht in Betracht, wenn der Gegenstand von Klage und Widerklage dieselbe körperliche Ausprägung findet bzw. auf dessen Wert gerichtet ist oder die Erfüllung bzw. den Bestand ein und derselben vertraglichen Leistungspflicht zum Gegenstand hat.

2.5998 Beispiel: Kläger und Widerkläger verlangen wechselseitig die Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages.2

2.5999 Eine Zusammenrechnung ist dagegen geboten, wenn Klage und Widerklage trotz desselben zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zeitlich, bezogen auf den Inhaber oder den Gesamtbetrag, unterschiedliche Vermögenspositionen bzw. Ansprüche betreffen (vgl. im Einzelnen unter den Stichwort „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2529 ff.).

2.6000 Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall verlangen beide Unfallbeteiligte jeweils ihren eigenen Schaden.3 oder Einer Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung, etwa wegen Rücktritts vom Vertrag, wird mit einer Widerklage auf Erstattung bereits geleisteter Anzahlungen begegnet.4 Trotz materiell-rechtlichem Gleichlauf der Entscheidung über die jeweiligen (Wider-)Klageansprüche geht es doch um unterschiedliche Vermögenspositionen, im erstgenannten Fall um die verschiedenen Anspruchsinhaber und im zweitgenannten Fall um verschiedene Teile einer vereinbarten Vergütung. Gleiches gilt, wenn beide Unfallbeteiligte in der Rechtsmittelinstanz unter Zugrundelegung einer gegenüber dem Urteil abweichenden Haftungsquote eine Abänderung der Entscheidung über die Schadensersatzklage eines Unfallbeteiligten begehren.5

2.6001 Eine Vielzahl weiterer Rechtsprechungsnachweise findet sich bei den Stichwörtern „Mehrere Ansprüche (Klagehäufung)“, Rz. 2.2921 und „Klage und Widerklage“, Rz. 2.2511.

Wohnrecht A. Überblick 2.6002 Gegenüber § 8 ZPO ist der Anwendungsbereich nach § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG auf Nutzungsverhältnisse erweitert, die miet- oder pachtähnlichen Charakter haben. Darunter fallen auch das Dauerwohnrecht nach § 31 WEG und das dingliches Wohnrecht.6 Daher ist bei der Bewertung von Wohnrechten zu unterscheiden zwischen „mietähnlichen Wohnrechten“ und „sonstigen Wohnrechten“. Bei den mietähnlichen Wohnrechten ist das Wohnrecht von einer Gegenleistung abhängig, bei den sonstigen Wohnrechten erfolgt die Ausübung unentgeltlich. Bei unentgeltlichen Wohnrechten ist der Gebührenstreitwert nach überwiegender Rechtsauffassung gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.7 Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, woran sich die Bewertung nach freiem Ermessen orientieren soll. 1 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, AGS 2009, 42. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868; KG, Rpfleger 1962, 120. 3 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, VersR 1991, 1429. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1985 – 3 W 46/85, JurBüro 1985, 1212; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983, 105. 5 OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2019 – 1U 19/19, JurBüro 2020, 37. 6 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NZM 2000, 1227; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477. 7 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477.

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Kurpat und Monschau

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Wohnrecht

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2. Teil

Auf die mietähnlichen Wohnrechte ist § 41 Abs. 1 GKG anzuwenden.1 Insofern ist der Jahresbetrag 2.6003 des geschuldeten Entgelts maßgebend. Die Einräumung eines Wohnrechts in einem Testament erfolgt aufgrund Vermächtnisses.2 Ein solches Wohnvermächtnis, das in einer letztwilligen Verfügung angeordnet ist, stellt kein den Miet- oder Pachtverhältnissen „ähnliches Nutzungsverhältnis“ i.S.d. § 41 Abs. 1 GKG dar.3 Das Wohnrecht selbst ist als Leihe zu qualifizieren.4 Der Streitwert bei einem Streit über ein durch Testament eingeräumtes Wohnrecht richtet sich nach § 9 ZPO und ist nach dem 3 1/2-fachen Wert des einjährigen Wertes des Wohnrechts – der zu schätzen ist – zu bestimmen.5

2.6004

Bei einem Streit über die Bestellung und Eintragung eines dinglichen Wohnungsrechts bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach § 3 ZPO. Ist die Klage auf die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnungsrechts gerichtet, bietet die Vorschrift des § 52 GNotKG einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung.6 Bei der Bewertung ist daher zunächst von dem Jahreswert des Wohnungsrechts auszugehen. Zur Ermittlung des Gesamtwertes eines auf die Lebensdauer der Person beschränkten Rechts ist sein Jahreswert nicht mit der statistischen Lebenserwartung, sondern mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 52 Abs. 4 GNotKG zu entnehmen ist.7

2.6005

Der Streitwert einer Klage auf Löschung eines Dauerwohn- und Nutzungsrechts und auf Räumung 2.6006 und Herausgabe der genutzten Räume bestimmt sich nach § 16 GKG, wenn ein wiederkehrendes Entgelt für die Ausübung des Nutzungsrechts gezahlt wird.8 Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Wohnrechts richtet sich nach dem Löschungsinteresse des Klägers. Sofern das dingliche Wohnrecht nicht einem mietähnlichen Dauerwohnrecht gleichkommt, ist das Löschungsinteresse