Strafwürdiges Versuchen: Eine Analyse zum Begriff der Strafwürdigkeit und zur Struktur des Versuchsdelikts [1 ed.] 9783428450251, 9783428050253

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Strafwürdiges Versuchen: Eine Analyse zum Begriff der Strafwürdigkeit und zur Struktur des Versuchsdelikts [1 ed.]
 9783428450251, 9783428050253

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Heiner Alwart / Strafwürdiges Versuchen

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Redite an der Universität Hamburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 44

Strafwürdiges Versuchen Eine Analyse zum Begriff der Strafwürdigkeit und zur Struktur des Versuchsdelikts

Von Dr. Heiner Alwart

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

I n die Reihe aufgenommen von Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser, Hamburg

Alle Rechte vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in GermanyISBN 3 428 05025 8

Für Α. und L. Alwart

Vorwort Die vorliegende Schrift ist meine i m A p r i l 1980 abgeschlossene Dissertation, die der Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg angenommen und deren Druck er subventioniert hat. Ich möchte anläßlich der Publikation einigen Personen öffentlich danken: Als meinem Lehrer, den ich herzlich verehre, danke ich Herrn Professor Eberhard Schmidhäuser. Er hat das Entstehen der vorliegenden Arbeit wesentlich gefördert, und zwar i m ganzen wie zu verschiedenen einzelnen Punkten. I m übrigen ist sein wissenschaftliches Werk für mein Denken insgesamt von grundlegender Bedeutung. Das kann unmittelbar, etwa durch Belege i n den Fußnoten, nur zu einem geringen Teil zum Ausdruck kommen. Vorlesungen und Seminaren von Herrn Professor Joachim Hruschka verdanke ich wichtige Hinweise für meine rechtsphilosophische Orientierung. So machen es sich die folgenden juristischen Überlegungen zum Problem des strafwürdigen Versuchens zur Aufgabe, die philosophischen Grundlagen der Rechtswissenschaft i n fruchtbarer Weise mitzubedenken. Durch Herrn Professor Norbert Hoerster habe ich den spezifischen Charakter analytisch-rechtstheoretischer Argumentation näher kennengelernt. Möge meine Untersuchung den Maßstäben der analytischen Vernunft genügen. Dieses Buch ist meinen Eltern gewidmet als Zeichen des Dankes dafür, daß sie m i r stets Wohlwollen und Hilfe entgegenbrachten. Meiner Mutter danke ich außerdem für die große Zuwendung, m i t der sie das Manuskript der Arbeit betreut hat. Hamburg, i m August 1981 Heiner

Alwart

In halts Verzeichnis Einleitung (Gegenstand, Grundgedanken u n d Gang der Untersuchung)

Erster

15

Teil

Der Begriff der Strafwürdigkeit

1. K a p i t e l : Propädeutische K l ä r u n g des Begriffs der Strafwürdigkeit u n d seiner F u n k t i o n i m S traf recht I. Grundlegung I I . Veranschaulichende

21 21

Beispiele

24

2. K a p i t e l : Der Begriff der Strafwürdigkeit i n der neueren strafrechtsdogmatischen Diskussion

30

3. K a p i t e l : Straf Würdigkeitsbegriff u n d Straf Würdigkeitsprinzip

37

4. K a p i t e l : Strafwürdigkeit, Straf bedürftigkeit u n d Straf bedürfnis

50

I. Z u r konzeptionellen Freiheit v o n Strafbedürfnissen

der

Strafrechtsdogmatik

I I . Die begriffliche Trennung von „Strafbedürftigkeit" „Strafwürdigkeit"

und

50 55

1. K r i t i k der Aussage „die Straf bedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus"

57

2. K r i t i k der Aussage „die Strafwürdigkeit Strafbedürftigkeit voraus"

69

setzt die

3. Abschluß

5. K a p i t e l : Über das Verhältnis von Strafwürdigkeit u n d Strafbarkeit . .

75

77

10

nsverzeichnis Zweiter

Teil

Die Begriffe „Versuch" und „Versuchsdelikt" 6. K a p i t e l : Exposition der Frage nach den begrifflichen u n d normativen Grundlagen sowie nach der gesetzlichen Regelung des V e r suchsdelikts

84

7. K a p i t e l : Z u L o g i k u n d straf rechtsdogmatischem Standort des T e r minus „Versuchsdelikt"

89

8. K a p i t e l : Der Begriff des Versuchs i n seiner F u n k t i o n f ü r den Begriff des Versuchsdelikts 100 I. „Formeller" u n d „materieller" Versuchsbegriff — Über die Unternehmensdelikte 100 1. Irrwege der Begriffsbildung

101

2. „Unechte" Unternehmensdelikte

109

3. „Versuch des Versuchs"?

112

I I . Vorbereitung, Versuch u n d Versuchsdelikt

115

I I I . Der Begriff des Versuchs

122

1. „Versuch" als „Anfang"?

125

2. Konsequenzen f ü r die Strafrechtsdogmatik

131

3. Elemente des Versuchsbegriffs (intentionales u n d nicht-intentionales, gefährliches u n d ungefährliches, zukunftsbezogenes u n d gegenwartsbezogenes V e r suchen) 140 4. „Fahrlässiger Versuch"?

154

5. Schlußbemerkung

157

Dritter

Teil

Das Versuchsdelikt in der Perspektive einer Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens

9. K a p i t e l : Der Versuchsunwert Versuchsdelikt)

(über die Unrechtsbegründung

I. Strafwürdige Versuchsarten

beim

158 158

11

nsverzeichnis

I I . W i l l e u n d Gefahr als Anknüpfungspunkte des unrechtsbegründenden Unwerturteils 160 1. Zielunwert

163

2. Gefährdungsunwert

172

3. Abschließende Bemerkungen

182

10. K a p i t e l : Z u m näheren Verständnis F u n k t i o n des Zielunwerts

der

strafbarkeitsbegrenzenden

I . Der Zielunwert bei einzelnen Versuchsdelikten

185 186

1. Die f ü r die Problemlösung relevanten Gesichtspunkte (am Beispiel der §§ 212 I, 176 I) 187 2. Weitere Beispiele

194

3. Die Lehre v o m „Mangel a m Tatbestand"

197

I I . Der irreale Versuch

201

1. Die Nicht-Strafwürdigkeit des irrealen Versuchs gemäß der hier vertretenen Konzeption des Versuchsdelikts 205 2. Über die „Eindruckstheorie"

208

11. K a p i t e l : Eine K r i t i k der Ausgangspunkte verbreiteter Konzeptionen des Versuchsdelikts 214 I. Z u r K r i t i k der am herkömmlichen Vorsatzbegriff orientierten „subjektiven Versuchstheorie" 215 I I . Z u r K r i t i k der am Adäquanzgedanken orientierten „obj e k t i v e n Versuchstheorie" 220

12. K a p i t e l : Über das Verhältnis des vorgeschlagenen Versuchsdeliktsbegriffs zur gesetzlichen Regelung der Versuchs-Straftat, insbesondere zum grob unverständigen Versuch nach § 23 I I I StGB 228 Abschluß (Offene Fragen der Strafwürdigkeit des Versuchens)

237

Literaturverzeichnis

245

Abkürzungsverzeichnis AcP AE AöR ARSP AT BayObLG BGB BGBl BGE BGH BGHSt BT BVerfG BVerfGE CT Diss. EheG Fg Fs GA GG Gs GS HESt HRR JA JB1 J GG JR JuS JZ L K StGB MDR N. F. NJW Ν . N. OGH ÖJZ ÖRiZ östStGB OLG p., PP. RG

Archiv f ü r die civilistische Praxis A l t e r n a t i v - E n t w u r f eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. A u f l . Tübingen 1969 A r c h i v des öffentlichen Rechts A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie Allgemeiner T e i l Bayerisches Oberstes Landesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Strafsachen Besonderer T e i l Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Codex Theodosianus (zitiert nach der Ausgabe von Th. Mommsen u n d P. M. Meyer, Nachdruck B e r l i n 1954) Dissertation Ehegesetz Festgabe Festschrift Goltdammer's Archiv f ü r Strafrecht Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland Gedächtnisschrift Der Gerichtssaal Höchstrichterliche Entscheidungen i n Strafsachen Höchstrichterliche Rechtsprechung Juristische Arbeitsblätter Juristische B l ä t t e r (Österreich) J ugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar Monatsschrift f ü r deutsches Recht Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift nomen nescio österreichischer Oberster Gerichtshof österreichische Juristenzeitung österreichische Richterzeitung österreichisches Strafgesetzbuch Oberlandesgericht page, pages Reichsgericht

Abkürzungsverzeichnis RGSt Rn. SchlHAnz SchwStGB SchwZStrR SK StGB StGB StGB der D D R StPO StrÄndG StRG StVÄG Verf. ZRP

zstw

Entscheidungen des Reichsgerichts i n Strafsachen Randnummer Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schweizerisches Strafgesetzbuch Schweizerische Zeitschrift f ü r Strafrecht Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Strafprozeßordnung Strafrechtsänderungsgesetz Strafrechtsreformgesetz Strafverfahrensänderungsgesetz der Verfasser der vorliegenden Abhandlung Zeitschrift f ü r Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

13

Einleitung (Gegenstand, Grundgedanken und Gang der Untersuchung) Wer sich heute strafrechtswissenschaftlich m i t Fragen des Versuchsdelikts oder i n der üblichen Terminologie: m i t Fragen „des Versuchs" befaßt, dem geht es i m allgemeinen um Rätsel, die i n der vorliegenden Arbeit nicht behandelt werden. Man pflegt vornehmlich Probleme zu untersuchen wie beispielsweise die begriffliche Trennung von Vorbereitung und Versuch, den „Rücktritt" vom Versuch oder den Versuch eines „untauglichen Täters". Wenn aber von all dem hier nicht die Rede sein soll, bleibt dann überhaupt noch ein problematischer Gegenstand übrig? Verspricht diese Abhandlung zumindest vom Thema her, ein lohnendes wissenschaftliches Unternehmen darzustellen? Nach Ansicht des Verf. ist das unter der Bedingung der Fall, daß die Bereitschaft besteht, die Frage nach den begrifflichen und normativen Grundlagen des Versuchsdelikts neu zu stellen. Es soll also nach A n t worten fundamentaler A r t gesucht werden, die dann erst ermöglichen, die eben erwähnten und ähnliche Einzelprobleme von einer relativ gesicherten Basis aus zu bearbeiten. Wollte man unser Thema i n strafrechtsdogmatisch gewohnter Weise klassifizieren, so spräche man gewiß von einer Untersuchung über den „untauglichen Versuch". Womöglich würde man unter Hinweis auf §§ 22, 23 I I I , die durch das am 1. 1. 1975 i n K r a f t getretene 2. StRG (BGBl I 1969, S. 717 ff.) i n das StGB gelangt sind 1 , meinen, der Gesetzgeber habe den Streit über Strafwürdigkeit und Strafbarkeit des sog. untauglichen Versuchs i n dem Sinne „entschieden", daß der untaugliche Versuch heute ohne weiteres strafbar und neuerliches Problematisieren nicht angezeigt sei. Aber i n dieser Monographie w i r d es gerade u m das aktuelle Problem einer Gesamtkonzeption der Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt i m Rahmen des heutigen Strafgesetzes gehen, oder anders ausgedrückt: um die — nicht etwa rechtspolitisch gemeinte — Frage, wegen welcher Versuchsarten gestraft werden sollte. Der sachgerechte Standort gerade des „untauglichen Versuchs" muß innerhalb dieser Gesamtkonzeption deutlich werden. Dabei beziehen sich die Überlegungen allerdings von vornherein nur auf das Handlungs-, nicht auch auf das Unterlassungsdelikt. 1 § 22 hat den alten, über einhundert Jahre unverändert gebliebenen § 43 I abgelöst. Die Regelung des § 23 I I I besitzt kein Gegenstück i m StGB, w i e es vor I n k r a f t t r e t e n des 2. StRG galt.

Einleitung

16

Unser Frageziel soll sich i n dem Titel „Strafwürdiges Versuchen" ungebrochen widerspiegeln. Dieser Titel mag den juristisch vorbelasteten Leser zunächst etwas befremden. Er hat jedoch den Vorzug, keine schablonenhaften Assoziationen zu wecken und die Einnahme eines möglichst unbefangenen Standpunktes zu erleichtern. Auch deutet er die beiden methodischen Maximen an, die der hier vorgelegten Untersuchung zugrundeliegen und die nunmehr zu skizzieren sind: Eine ihrer wesentlichen Komponenten i n methodischer Hinsicht ist die Begriffsanalyse, wie sie i n der Nachfolge Wittgensteins vorwiegend i m angelsächsischen Raum von der analytischen Sprachphilosophie betrieben wird. Hier ist nicht der Ort, diese Methode i m einzelnen abstrakt zu entfalten. Die Technik ihres Fragens besteht i n einer i m weitesten Sinne logischen Analyse von Begriffen auf der Basis der Umgangssprache 2 ; sie ist bestrebt, Begriffe und deren Implikationen aus einem allgemeinen Sprachgebrauch heraus zu klären, und schlägt gewisse sprachliche Normierungen vor, wenn nur auf diese Weise logische Konsistenz und begriffliche Präzision hergestellt werden können. M i t dem Wort „Versuch" bedient sich das Strafrecht eines Ausdrucks der Umgangssprache. Die Analyse dieses Ausdrucks i m zweiten Teil der Arbeit konstituiert nicht nur die Ausgangsposition für eine strafrechtliche Theorie des Versuchsdelikts, sondern stellt zugleich einen Beitrag zur philosophischen Handlungstheorie dar. Außerdem wird, i m ersten Teil der Arbeit, ein Grundbegriff der allgemeinen Strafrechtslehre analysiert, über den man bisher zwar kaum als solchen reflektiert hat, der sich aber eines immer häufigeren Gebrauchs i m strafrechtlichen Kontext erfreut. Gemeint ist der Begriff der Strafwürdigkeit, dessen übliche Handhabung durchleuchtet wird. Die kritischen Bemühungen laufen auf den Vorschlag hinaus, die Strafwürdigkeit als methodisches Prinzip zu begreifen. Damit ist die zweite methodische Komponente dieser Untersuchung angesprochen: Sie besteht i n der Forderung nach einem normativ-ethischen oder „teleologischen" Vorgehen 3 . D. h. straf rechtsdogmatische Theorienbildung, wie sie hier verstanden wird, beruht nicht zuletzt auf ethischen Werturteilen. Sie ist sich dabei dieses Umstandes nicht nur bewußt, sondern bekennt sich nachdrücklich zu i h m und postuliert gegenüber anderen Grundauffassungen, den moralischen Gehalt der Strafrechtsdogmatik nicht begriffsjuristisch zu verhüllen. Selbstverständlich drängt sich die Frage auf, i n welchem Verhältnis eine solche Theorien2

„Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch i n der Sprache" (Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Nr. 43). 3 Z u m Verhältnis der i m Sinne eines methodischen Prinzips interpretierten Strafwürdigkeit zur teleologischen Methode der Rechtsanwendung vgl. noch unten, S. 86.

Einleitung

bildung zum geltenden Recht steht. Bezüglich dieser Frage w i r d sich zeigen, daß sie i n das Problemfeld einer Theorie der juristischen A r gumentation führt. Aus der Anwendung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips w i r d i m dritten Teil der Arbeit eine bestimmte Konzeption des Versuchsdelikts abgeleitet. Ziel ist die Bildung eines sachgerechten Versuchsdeliktsbegriffs; auf der Grundlage eines klaren, unverzerrten Begriffs des Versuchens geht es dort darum, unter wertender Stellungnahme das strafwürdige (und strafbare) Versuchen zu ermitteln: Wegen welcher Versuche sollte gestraft werden? — Wenn der Untertitel dieser A b handlung eine Analyse der Struktur des Versuchsdelikts ankündigt, so bedeutet „ S t r u k t u r " i n etwa dasjenige, was man i n der Logik m i t der „Struktur eines Begriffs" meint. Ferner ist der von uns verwendete Strukturbegriff, der nicht für ein bestimmtes philosophisches Programm stehen soll, m i t dem i n der Strafrechtsdogmatik gebräuchlichen Begriff des Verbrechens- oder Delikts-,,Aufbaus" zu vergleichen. — Ohne daß schon Details sichtbar werden, zeigt die hier vorgelegte Arbeit folgenden Gedankengang: Die ersten fünf Kapitel befassen sich m i t den Begriffen der Strafwürdigkeit, der Strafbedürftigkeit, des Strafbedürfnisses sowie der Strafbarkeit. I m Zentrum steht der Begriff der Strafwürdigkeit. Die Einbeziehung der anderen Begriffe soll nur dazu dienen, dem möglichst klare Konturen zu verschaffen, was m i t „Strafwürdigkeit" gemeint ist. Das 5. Kapitel behandelt das Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit, u m die zuvor entwickelte Auffassung zum Begriff der Strafwürdigkeit und zu dessen Funktion für die Lösung strafrechtlicher Probleme gegen den nicht fern liegenden Einwand zu verteidigen, diese Auffassung stehe i m Gegensatz zu einer wünschenswerten Unterscheidung von Recht und Moral und widerspreche den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Gesetzesanwendung. Das 12. Kapitel erörtert dann speziell die Frage — nachdem bereits i m 6. Kapitel einiges zu ihr ausgeführt wurde —, i n welchem Verhältnis die unten dargestellte Theorie des Versuchsdelikts zu den einschlägigen Normen des StGB, insbes. zu § 23 I I I steht. Das 6. Kapitel bezweckt vor allem, von den allgemeinen Betrachtungen zur Strafwürdigkeit i m ersten Teil der Arbeit, die auf die verschiedensten Einzelprobleme applizierbar sind, zum Problem des strafwürdigen Versuchens überzuleiten. Der Verf. hofft auf eine gewisse Wechselwirkung zwischen Gegenstand und Methode, und zwar dergestalt, daß einerseits anhand des gewählten konkreten Gegenstandes die Qualität der Methode erkennbar w i r d und daß andererseits die angewandte Methode eine sachgerechte inhaltliche Konzeption für diesen 2 Alwart

18

Einleitung

G e g e n s t a n d h e r v o r b r i n g t . D i e K a p i t e l 7 u n d 8 a n a l y s i e r e n das b e g r i f f liche M a t e r i a l 4 , m i t d e m d a n n eine n o r m a t i v e T h e o r i e des Versuchsdel i k t s e n t w i c k e l t w e r d e n k a n n . D i e d a d u r c h erreichte d e u t l i c h e T r e n n u n g zwischen „ w e r t f r e i e m " begrifflichem M a t e r i a l u n d wertender Stell u n g n a h m e t r ä g t d a z u bei, K o n f u s i o n e n v o n v o r n h e r e i n z u v e r m e i d e n , ζ. B . die V e r w e c h s l u n g d e s k r i p t i v - b e g r i f f l i c h e r A r g u m e n t e m i t n o r m a t i v e n A r g u m e n t e n u n d u m g e k e h r t — e i n G e s i c h t s p u n k t , v o n d e m sich noch zeigen w i r d , daß e r es v e r d i e n t , gerade bzgl. d e r wissenschaftlichen A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die V e r s u c h s - S t r a f t a t h e r v o r g e h o b e n z u w e r den. G e g e n s t a n d des 9. u n d 10. K a p i t e l s ist die B i l d u n g des Versuchsdel i k t s b e g r i f f s . D i e d o r t e x p l i z i e r t e u n d v e r t r e t e n e T h e o r i e des i n t e n t i o n a l e n u n d des g e f ä h r l i c h e n Versuchens h a t S c h m i d h ä u s e r i n seinem L e h r b u c h z u m A l l g e m e i n e n T e i l des Strafrecht s als K o n z e p t i o n v o n Ziel- und Gefährdungsunwert entwickelt5. Allein „Ziel"- u n d „Gefährd u n g s u n w e r t " s t e l l e n j e w e i l s eine h i n r e i c h e n d e B e d i n g u n g f ü r d i e A n n a h m e des Unrechtstatbestandes eines V e r s u c h s d e l i k t s dar. Das große H i n d e r n i s f ü r eine solche dualistische A u f f a s s u n g , i n die wissenschaftliche D i s k u s s i o n ü b e r h a u p t n u r e i n z u d r i n g e n , besteht v o r a l l e m i m herkömmlichen juristischen Vorsatzbegriff. I n i h m k a n n m a n unter A n l e h n u n g a n die b e k a n n t e n , v o r w i e g e n d a u f die N a t u r w i s s e n s c h a f 4 Besonders i n älteren wissenschaftlichen Untersuchungen zur VersuchsStraftat findet man ausdrückliche Hinweise auf die Relevanz der Alltagssprache f ü r die Sacherkenntnis; vgl. z.B. Cohn, Z u r Lehre v o m versuchten u n d unvollendeten Verbrechen, S. 333, u n d Georg Ernst Otto, V o m Versuch der Verbrechen, S. 1 ff. Eine zumindest tendenziell andere Sicht ist bei B i n ding, Handbuch des Strafrechts, S. 463 f., angelegt, der allgemein hervorhebt, daß „das Recht seine eigene Sprache spricht" (zitiert bei Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 78). Bezogen auf den „Begriff des Versuchs" ziehen v. Liszt / Schmidt, S. 300, A n m . 5 (gegen Einteilungen Mezgers, S. 395 ff.), eine scharfe Grenze zwischen einem (irrelevanten) „vorjuristischen Versuchsbegriff'" einerseits u n d „,Versuch' als strafrechtlicher Wertbegriff" andererseits. — Ganz auf unserer L i n i e liegt die K r i t i k , die A l f Ross i n einer neueren rechtsvergleichenden Studie „Über den Vorsatz" an der deutschen Strafrechtslehre übt, daß diese nämlich die moderne semantisch-philosophische Analyse als Instrument zur Klarstellung dessen, was m i t gewissen W ö r tern u n d Phrasen tatsächlich gemeint ist, überhaupt nicht zu kennen scheine (S. 82). Jüngst sind zwei Arbeiten publiziert worden, die diesen Mangel ebenfalls beklagen u n d die hier wenigstens noch erwähnt werden sollen. Es handelt sich u m einen programmatischen Aufsatz des amerikanischen Rechtswissenschaftlers George P. Fletcher m i t dem T i t e l „ ,Ordinary Language Philosophy' u n d die Neubegründung der Strafrechtsdogmatik" (in: Lüderssen/Sack [Hrsg.], Seminar: Abweichendes Verhalten, Bd. I V , S. 181 ff.) u n d u m eine Dissertat i o n von Kindhäuser: Intentionale Handlung, Sprachphilosophische U n t e r suchungen zum Verständnis von Handlung i m Strafrecht. Leider verzichtet Kindhäuser darauf, die überkommenen Grundbegriffe der Strafrechtsdogmat i k , namentlich den Vorsatzbegriff, i n die sprachanalytische K r i t i k einzubeziehen (vgl. z. B. S. 210). 5 Die 1. Aufl. von 1970 u n d die 2. Aufl. von 1975, 15. K a p i t e l : „Das V e r suchsdelikt (Der »Versuch')".

Einleitung

19

ten bezogenen wissenschaftsgeschichtlichen Analysen T. S. Kuhns („Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen") ein Paradigma heutigen Strafrechtsdenkens sehen. Aber dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Ein Begriff wie „Paradigmawechsel" droht i m übrigen auch i n der Jurisprudenz bereits zum Schlagwort zu degenerieren. A n dieser Stelle ist lediglich festzuhalten, daß die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens nicht i m Einklang steht m i t dem traditionellen Vorsatzbegriff. Sie läßt sich sogar als spezifische K r i t i k an diesem „Vorsatz"-Dogma interpretieren 6 . Besonders das 11. Kapitel steht i m Zeichen der Auseinandersetzung m i t den — vom Begriff des Vorsatzes („Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung") nicht zu trennenden — Grundgedanken weithin anerkannter Konzeptionen des Versuchsdelikts. Ein Problembewußtsein hinsichtlich der Grundlagen der VersuchsStraftat ist i n der heutigen Strafrechtstheorie weitgehend nicht mehr vorhanden. Das hängt nicht damit zusammen, daß man eine „endgültige" Einsicht i n die richtige Lösung des Problems gewonnen hätte, sondern u. a. etwa damit, daß man sich durch Rekurs auf die „Herrschaft" und sogar auf ein (vermeintliches) gesetzliches Gebotensein einer am Vorsatzbegriff orientierten, modifizierten „subjektiven Versuchstheorie", der „Eindruckstheorie", des Zwanges zur Legitimation enthoben glaubt. Aber eine derartige Situation w i r d letztlich niemanden wissenschaftlich zufriedenstellen. Auch unter der allseits geteilten Maxime, Strafbarkeit überall dort einzuschränken, wo dies vernünftigerweise möglich ist, erscheint es angezeigt, die Frage nach den strafwürdigen Versuchsarten wieder zu stellen und nach einem leistungsfähigeren Standpunkt als dem gewohnheitsmäßig eingenommenen zu suchen. Die neue Gesetzeslage seit Inkrafttreten des 2. StRG ist ein w i l l k o m mener aktueller Anlaß, die Problematik des Versuchsdelikts aufzuwerfen. I n einem kurzen Schlußteil der Abhandlung werden dann noch einige offen gebliebene, i m Zusammenhang m i t dem Versuchsdelikt aber nicht unwichtige Wertungsfragen behandelt, ζ. B. die Frage, ob wegen eines Versuchsdelikts milder als wegen eines entsprechenden Vollendungsdelikts gestraft werden sollte. — A n das Ende dieser Einleitung seien folgende Hinweise auf das gestellt, was man i m weitesten Sinne als Stil der vorliegenden Untersu6 Schmidhäuser kritisiert seit geraumer Zeit die durch den herkömmlichen Vorsatzbegriff geprägte Strafrechtswissenschaft, zuerst i n dem Aufsatz „ W i l l kürlichkeit u n d F i n a l i t ä t als Unrechtsmerkmal i m Strafrechtssystem", ZStW 66 (1954), S. 27 ff., dann v o r allem i n der Schrift „Vorsatzbegriff u n d Begriffsjurisprudenz i m Strafrecht" (1968) u n d schließlich i n dem Lehrbuch „Strafrecht, Allgemeiner Teil", das eine Straftatsystematik unter A b k e h r von dem Willens- u n d Vorstellungsmomente verschmelzenden Vorsatzbegriff entfaltet.

2*

20

Einleitung

chung bezeichnen könnte: Es w i r d angestrebt, die spezifischen Chancen einer Monographie zu nutzen, d.h. insbes. von dem eingeschlagenen Denkweg nicht abzuweichen und Seitenwege möglichst nicht zu betreten. Das führt notwendig zur Vernachlässigung gesamtsystematischer Zusammenhänge, etwa des Problems eines einheitlichen Unrechtsbegriffs für alle Arten von Straftaten. Dieses Vorgehen beeinflußt ferner die A r t und Weise, auf die andere, i n Literatur und Rechtsprechung vertretene Ansichten erörtert werden. Die betreffenden Ansichten werden hier nämlich vor allem i m Hinblick auf eine möglichst plastische Darstellung der eigenen Auffassung herangezogen, die durch kritische Diskussion divergenter Meinungen schärfere Konturen erhält und sich von vornherein gegen mögliche Einwände verteidigt. Dem Gebot wissenschaftlicher Kommunikation w i r d auch durch diese Form der Auseinandersetzung hinreichend Rechnung getragen. I m übrigen verstehen w i r unsere Aufgabe nicht dahin, Meinungen zu verwalten, und halten die Jurisprudenz nicht für eine Institution, deren wesentlicher Zweck darin bestünde, eine solche Aufgabe zu erfüllen.

Erster

Teil

Der Begriff der Strafwürdigkeit 1. Kapitel Propädeutische Klärung des Begriffs der Strafwürdigkeit und seiner Funktion im Strafrecht I. Grundlegung

Der Ausdruck „strafwürdig" dient i n Umgangssprache und juristischer Fachsprache dazu, menschliches Verhalten auf spezifisch normative Weise zu beurteilen. Das Strafwürdigkeitsurteil statuiert ein Sollen, das durch einen moralischen bzw. rechtlichen Verbindlichkeitsanspruch charakterisiert ist. Behauptet jemand, daß eine Handlung strafwürdig sei, so meint er, daß wegen der betreffenden Handlung gestraft werden sollte. Diese knappen Hinweise werfen Fragen auf, die nur zum Teil i m weiteren Verlauf der Untersuchung beantwortet werden 1 . Man kann sich nicht sinnvoll auf ein Thema konzentrieren und gleichzeitig alle Fragwürdigkeiten behandeln. Es muß dabei sein Bewenden haben, daß versucht wird, diejenigen Probleme zu erhellen, die für unser Thema unmittelbar erheblich sind. Ebensowenig wie beispielsweise auf den Begriff der Strafe 2 , den der Begriff der Strafwürdigkeit offenkundig voraussetzt, kann — über die Analyse des Strafwürdigkeitsbegriffs hinaus — auf die weitgespannte metaethische Problematik der Moralsprache 8 eingegangen werden. Das betrifft zum einen etwa die Einordnung des normativen Strafwürdigkeitsurteils i n eine bestimmte Systematik verschiedener Arten von Werturteilen 4 und zum anderen die 1 Dazu gehört ζ. B. das Problem der begrifflichen Trennung von Hecht u n d Moral, das oben i m ersten Absatz anklang. Es w i r d i n dem von unserer A u f gabenstellung gesteckten Rahmen als D i s t i n k t i o n zwischen Strafbarkeit u n d Strafwürdigkeit unten, i n Kap. 5, erörtert. 2 Vgl. etwa den Definitionsvorschlag Harts, Recht und Moral, S. 61 f.; die Darstellung Schmidhäusers, Rn. 2/7. — Siehe auch noch unten, Kap. 3, i n u n d bei Anm. 35, Kap. 3, A n m . 37 (den Exkurs), Kap. 4, A n m . 27. 3 Exemplarisch sei dazu das Werk „Die Sprache der M o r a l " von Hare angeführt. 4 Siehe aber noch unten, Kap. 9, A n m . 13.

22

1. Teil. Strafwürdigkeit 1. Kapitel:

Frage nach der Bedeutung insbes. moralischer oder ethischer Begriffe und Urteile sowie — damit verknüpft 5 — die Frage nach der wissenschaftlich-rationalen Begründbarkeit derartiger Urteile. Gerade der zuletzt genannte Gesichtspunkt ist von zentraler Relevanz für die Wissenschaftlichkeit des dritten Teils dieser Abhandlung, i n dem es primär u m Wertungsfragen geht. Ganz allgemein formuliert gestaltet sich die Problemsituation aus unserer Sicht derart, daß die Natur der Rechtswissenschaft als Wissenschaft daran hängt, ob praktische Vernunft i n moralischen bzw. rechtlichen Urteilen möglich ist 6 . Gleichwohl stellen w i r uns der metaethischen Begründbarkeitsfrage nicht, sondern setzen die Möglichkeit praktischer Vernunft voraus 7 . Es bleibt aber zu hoffen, daß die später folgenden einzelnen Werturteile Rationalität spürbar machen. Kehrt man nun zum Ausgangspunkt zurück, wonach die Sätze „die Handlung H ist strafwürdig" und „wegen H sollte gestraft werden" äquivalente normative Aussagen sind, dann läßt sich dazu von unserem eben explizierten Vorverständnis aus noch einiges erläuternd bemerken: Die beiden Aussagen wollen so verstanden werden, daß sie jenen spezifischen Geltungsanspruch praktischer Vernunft erheben, der gerade angesprochen wurde. Der zuerst aufgeführte Satz fungiert lediglich als Abkürzung 8 gegenüber dem an zweiter Stelle genannten. Zudem verkörpern diese Sätze kein rein instrumentales, auf einer bestimmten Mittel-Zweck-Relation fußendes Urteil, wie ζ. B. der Satz „ H ist zweckmäßig". W i r befinden uns m i t ihnen jenseits von „naturalistischen Fehl5

Vgl. ζ. B. A l e x y , Theorie der juristischen Argumentation, S. 53. Demgegenüber meint B u l l (bezogen auf die Reform der Juristenausbildung), daß der Sozialwissenschaft eine ähnliche F u n k t i o n für die Rechtswissenschaft zuwachse, w i e sie lange Zeit von der Philosophie erfüllt worden sei (JuS 1974, S. 268). Eine solche Ansicht, die noch dazu bestimmt ist, den G r u n d stein für ein Ausbildungskonzept zu legen, muß sich gerade heute, da sich die Rechtswissenschaft die vielzitierte „Rehabilitierung der praktischen Philosophie" (so der T i t e l zweier von Manfred Riedel 1972 u n d 1974 herausgegebener Sammelbände) zunutze machen kann, eine ablehnende K r i t i k gefallen lassen. Vielleicht ist i n diesem Zusammenhang ganz bemerkenswert, daß die gebotene K r i t i k auch auf Vorstellungen von Habermas zurückgreifen kann, bei dem es jetzt ausdrücklich heißt, daß das Problem der Begründungsfähigkeit von Handlungs- u n d Bewertungsnormen m i t soziologischen M i t t e l n nicht gelöst werden könne (Legitimationsprobleme i m Spätkapitalismus, S. 139). 7 Hoerster w i l l dem ethischen Skeptiker die Beweislast für dessen Relativismus aufbürden (Philosophisches Jahrbuch 1974, S. 252). — Z u einem Begründungsverfahren für moralische Urteile siehe Rawls i n : Texte zur Ethik, S. 124 ff. Von der Möglichkeit moralischer oder ethischer rationaler Begründung auszugehen, bedeutet nicht etwa notwendig, einer metaphysischen „Letztbegründung" das W o r t zu reden; gegen einen derartigen Versuch wendet sich ζ. B. Albert, Transzendentale Träumereien, S. 60 ff. (78), 98 ff. 8 F ü r ein anderes Beispiel des Abkürzungseffekts einer „ i s t " - K o n s t r u k t i o n siehe Stegmüller, Studium Generale 1956, S. 64 (überhaupt zur A m b i g u i t ä t des unscheinbaren Wörtchens „ist", aaO, S. 57 ff.). β

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schlüssen" und überhaupt jenseits von unsachgerechten Verkürzungen des moralischen bzw. rechtlichen (nicht bloß deskriptiven) Standpunktes 9 . Die bisherige Bestimmung des Begriffs „strafwürdig" ist so vage und trivial, daß sie für wissenschaftliche Zwecke kaum genutzt werden kann. Sie bezieht auch „Straf urteile" außerhalb staatlichen Straf ens ein. Von daher muß ausdrücklich klargestellt werden, daß es i n dieser Untersuchung nur u m Strafwürdigkeitsaspekte i m Kontext der staatlich-institutionalisierten Strafe geht. Die Sanktionierung anderer Regelverstöße, ζ. B. von Regelverstößen i m moralisch-pädagogischen Bereich („Die Strafe i n der Erziehung" 1 0 ) w i r d ausgeklammert. Ferner sollte man nicht übersehen, daß der Begriff der Strafwürdigkeit i m folgenden oftmals kategorial 1 1 verwendet wird, d. h. er umfaßt dann auch die Negation seines affirmativen Bedeutungsgehaltes: die Strafunwürdigkeit — ein Begriff, der Umgangs- und fachsprachlich 12 nicht geläufig ist. Das mag damit zusammenhängen, daß sein Gebrauch die Annahme nahelegen würde, es solle behauptet werden, die betreffende Tat (genauer: der Täter) sei i n dem Sinne zu qualifizieren, daß sie (er) selbst der Strafe unwürdig sei, d. h. daß es der Täter nicht einmal verdiene, — etwa i m Sinne Hegels — durch die Strafe „als Vernünftiges geehrt u zu werden 1 3 . I m Rahmen dieser Abhandlung ist „Strafunwürdigkeit" gleichbedeutend m i t „Nicht-Strafwürdigkeit" 1 4 . 9 Vgl. Frankena i n : Seminar: Sprache u n d Ethik, S. 83 ff., u n d Analytische Ethik, S. 117 ff.; dort sind jeweils Auseinandersetzungen m i t Moores V o r w u r f des „naturalistischen Fehlschlusses" gegenüber bestimmten moralphilosophischen Konzeptionen (siehe Principia Ethica, S. 41 ff. u n d passim) zu finden. 10 So der T i t e l einer Textsammlung (bearbeitet von Hans Netzer, erschienen i n der 8. Aufl. 1971). — Pädagogisch-wissenschaftliche Fragen hinsichtlich des erzieherischen Straf ens: Wann darf (oder sollte), wenn überhaupt, zum Zwecke der Erziehung (zu welchem Ziel?) w i e u n d i n welchem Grade gestraft werden? 11 Z u r gemeinten Bedeutung von „kategorial" vgl. Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 59, A n m . 5. 12 Siehe aber Triffterer, Bockelmann-Fs, S. 202. 13 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 100. — Obgleich der Hegeische Gedanke heute w o h l i m Prinzip unnachvollziehbar erscheint (siehe aber Seelmann, JuS 1979, S. 687 ff., der eine aktuelle Interpretation der Straftheorie Hegels entfaltet), steht er doch i m Hintergrund, w e n n w i r eine zusätzliche Perfidität darin sehen (und zwar sowohl gegenüber den Straftätern als auch gegenüber den Kranken), daß man i n diversen Staaten z. B. Angehörige der Menschenrechtsbewegung, die sich „abweichend verhalten" mögen, i n psychiatrischen Krankenhäusern unterbringt. I m übrigen ist anzumerken: Dem Umstand, daß das W o r t „ s t r a f w ü r d i g " m i t dem W o r t „ W ü r d e " zusammenhängt, w i r d hier keine besondere, über das bisher Gesagte hinausgehende Bedeutung beigemessen. V o r allem k a n n dieser Zusammenhang keine A n l e h n i m g an absolute Straftheorien, w i e sie etwa K a n t u n d Hegel repräsentieren, zur Folge haben.

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1. Teil. Strafwürdigkeit 1. K a p i t e l :

Der insoweit umrissene Vorbegriff der Strafwürdigkeit erfüllt trotz aller bestehengebliebenen Unschärfe bereits eine wesentliche Aufgabe. Er macht deutlich, daß es bei der Frage nach der Strafwürdigkeit bestimmter individueller Handlungen oder bestimmter — allgemein betrachteter — Verhaltensweisen nicht u m das Problem geht, das die Straftheorien zu lösen versuchen; die Frage nach einem moralischen Recht, von Staats wegen überhaupt zu strafen, w i r d nämlich nicht gestellt 1 5 . Vielmehr setzt das Problem der Strafwürdigkeit — aus heutiger Sicht — zumindest das Faktum einer staatlichen Strafordnung als solcher voraus. Das i n dieser Untersuchung gemeinte Strafwürdigkeitsurteil stellt sich als A n t w o r t auf folgende Frage dar: Welche Verhaltensweisen sind — unter der Voraussetzung einer Berechtigung, überhaupt zu strafen — strafwürdig? Ebensowenig wie ein Strafwürdigkeitsurteil die Befürwortung einer bestimmten Straftheorie impliziert, enthält es eine A n t w o r t auf die Frage danach, in welcher Form gestraft werden sollte. Also kann ζ. B. unerörtert bleiben, ob die lebenslange Freiheitsstrafe moralisch und (im Hinblick auf Verfassungsnormen) rechtlich vertretbar ist oder gar die Todesstrafe i n Einklang m i t Recht und Moral eingeführt werden könnte. I I . Veranschaulichende Beispiele

Der Vorbegriff der Strafwürdigkeit ist zu veranschaulichen. Dem sollen die folgenden Beispiele dienen, an die sich ferner ein erster Hinweis darauf knüpfen läßt, daß die Strafwürdigkeit i m Gesamtbereich des Strafrechts bedeutsam ist. Die Beispiele beziehen sich auf § 173 (Beischlaf zwischen Verwandten) : Beispiel

( Α): Ν . Ν . verkehrt geschlechtlich m i t der Frau F. — Es bestehen jeweils folgende verwandtschaftliche Beziehungen. (a) Ν . N. ist Vater der F. (b) Ν . N. ist nicht der leibliche Vater der F., aber seine Vaterschaft w i r d gemäß § 1591 B G B vermutet. (c) Ν. N. ist Bruder der F.

14 I n diesem Sinne taucht bei Maurach/Gössel, Straf recht-AT 2, S. 17, folgende Wendung auf: „nichtstrafwürdige Betätigungsweisen eines verbrecherischen Entschlusses" (Hervorhebung v o m Verf.). Vgl. ferner Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 41, A n m . 191; Eser, Die Abgrenzung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (Diss.), S. 182 u n d passim; Sax i n : Die G r u n d rechte, Bd. III/2, S. 933; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen i m Nebenstrafrecht, S. 142; BGHSt 1, 13 (18). 15 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 2/17. — Über die logische Unabhängigkeit einer Theorie der K r i t e r i e n der Strafwürdigkeit von der A r t der Legitimation des institutionalisierten staatlichen Straf ens selbst siehe Hoerster, „Strafe" i n : Handlexikon zur Rechtswissenschaft, S. 464.

Propädeutische K l ä r u n g (d) Wie (c), n u r : Ν . N. u n d F. sind miteinander (wenn auch nichtig gemäß §§ 21, 16, 4 EheG).

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(e) Ν. N. ist der Schwager von F. Beispiel

(Β): Ν. N. verkehrt geschlechtlich m i t einer Frau. Fälschlicherweise glaubt Ν . N., daß es sich u m seine Tochter handle.

Beispiel

(C): Ν. N. u n d seine Tochter wollen miteinander geschlechtlich v e r kehren. Aber das Vorhaben mißlingt.

Gemäß § 173 I, I I werden wegen Verwandtenbeischlafs bestraft, 1. „wer m i t einem leiblichen Abkömmling" und 2. „wer m i t einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie" „den Beischlaf vollzieht" sowie 3. „leibliche Geschwister..., die miteinander den Beischlaf vollziehen". (Zu beachten ist § 173 I I I , wonach Abkömmlinge und Geschwister, die zur Tatzeit unter achtzehn Jahre alt waren, nicht bestraft werden.) Nach dem Gesetzestext leuchtet immittelbar ein, daß das Verhalten der Personen i n den Varianten (a) und (c) des Beispiels (A) die Voraussetzungen von § 173 I, I I erfüllt. Offenbar hat der Gesetzgeber diese Verhaltensweisen für strafwürdig gehalten. Anders ist es bei der Variante (e). Nachdem die Strafbarkeit des Verschwägertenbeischlafs bereits durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. 8. 1953 le eingeschränkt worden war, wurde sie durch das 4. StRG vom 23. 11. 197317 abgeschafft. Diese Strafbarkeitsänderung spiegelt eine Änderung des Strafwürdigkeitsurteils der für die Gesetzgebung zuständigen Organe wider. Bei Lektüre der einschlägigen Lehrbuch- und Kommentarliteratur gewinnt man den Eindruck, daß die Frage nicht eindeutig beantwortbar ist, ob die Varianten (b) und (d) von § 173 I, I I erfaßt werden. Durch die Formulierung zu (b), wo es heißt, daß Ν. N. „nicht der leibliche Vater der F." sei, scheint klargestellt zu sein, daß eine A n wendung von § 173 ausscheidet. Gleichwohl w i r d folgendes vertreten: „Da hier eine Annahme des § 173 m i t dem Wortlaut des Gesetzes noch vereinbar ist, erscheint es sachgerecht, § 173 (beachte geschütztes Rechtsgut!) auch hier anzuwenden" 18 . Dagegen w i r d vorgebracht, daß diese Ansicht nicht mehr vertretbar sei, weil der Gesetzgeber m i t der Änderung von § 173 durch das Adoptionsgesetz vom 2. 7. 197619 i m Abstellen auf die „Leiblichkeit" der Verwandtschaft den Weg versperrt habe, die Vermutungen und Fiktionen des bürgerlichen Rechts i m Rahmen der Strafvorschrift über den Verwandtenbeischlaf zur Geltung zu brin16 17 18 19

B G B l I 1953, S. 735 ff. B G B l I 1973, S. 1725 ff. Otto, Grundkurs Strafrecht-BT, S. 308. B G B l I 1976, S. 1749 ff.

1. Teil. Strafwürdigkeit 1. Kapitel:

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gen 20 . Bei diesem wissenschaftlichen Streit steht dort die Frage nach dem zugrundezulegenden Rechtsgut und hier die Rücksichtnahme auf den Gesetzestext i m Vordergrund. Die eine Ansicht hält das K r i t e r i u m der „Leiblichkeit" der Verwandtschaft i m Rahmen der Beurteilung der Strafwürdigkeit, die hier die nähere Analyse des Rechtsguts einbezieht, für unerheblich. Die andere Ansicht sieht diesbezüglich von vornherein eine unüberwindliche Schranke des Gesetzestextes (Art. 103 I I GG, § 1 StGB: „Analogieverbot"!). Die Unsicherheit i n der Rechtsgutsanalyse durch die Rechtswissenschaft entspricht der Unsicherheit des Gesetzgebers bei Bildung und Formulierung seines Strafwürdigkeitsurteils. Hat er noch 1973 i m 4. StRG § 173 i n den zwölften Abschnitt des StGB eingefügt, also den Sammelbegriff der „Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie" für rechtsgutskennzeichnend gehalten, so scheint das drei Jahre jüngere Adoptionsgesetz die „blutsmäßige" Verbindung („Blutschande") der am Verwandtenbeischlaf Beteiligten als den entscheidenden Gesichtspunkt zu vermitteln. Ebenso wie die Variante (b) des Beispiels (A) verdeutlicht auch (d), daß sich das Problem der Strafwürdigkeit nicht nur für den Gesetzgeber stellt 2 1 , sondern ebenso für den Rechtswissenschaftler sowie für denjenigen Rechtsanwender, der sich lediglich fragt, ob wegen einer individuellen Handlung nach einer bestimmten Strafnorm zu strafen ist oder nicht. Zur Konstellation des Beispiels (A, d) w i r d im Sinne einer teleologischen Reduktion 2 2 vorgebracht, daß der eheliche Verwandtenbeischlaf „nach dem Schutzzweck des § 173" ausscheide23. Diese Aussage bezieht sich auf bestimmte Kriterien des strafwürdigen Verwandtenbeischlafs. Es kann hier weder gefragt werden, ob der Vorschrift des § 173 ein strafrechtlich beachtenswertes Gut zugrundeliegt (und wenn ja welches), noch, ob überhaupt eine widerspruchsfreie Konzeption des Gesetzgebers auszumachen ist, und ebensowenig, wie die methodologischen Probleme gelöst werden sollten. Das trüge dem der Klärung des Strafwürdigkeitsbegriffs verpflichteten Argumentationszusammenhang nichts zu. Vielmehr soll der Blick nunmehr auf die Beispiele (B) und (C) gelenkt werden.

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Vgl. Schreiber, SK StGB, § 173, Rn. 4. Demgegenüber meint Sax i n der Laufke-Fs, S. 327 (vgl. auch ZStW 90, S. 936 f., A n m . 32), daß die Strafwürdigkeit „allein für den Strafgesetzgeber" ein „Maßprinzip" sei. 22 Z u m Begriff der teleologischen Reduktion siehe Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 86 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 377 ff. 23 Lackner, § 173, A n m . 3. Vgl. Maurach, Strafrecht-BT, S. 431. A. A. Otto, Grundkurs Strafrecht-BT, S. 308. 21

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Die dort geschilderten Taten sind nach heute geltendem Recht nicht strafbar. Z u dieser Schlußfolgerung gelangt man nicht schon aufgrund des oben (S. 25) gebrachten, auszugsweisen Zitats von § 173; denn die beiden Beispiele beschreiben Konstellationen, deren strafrechtliche Relevanz sich nicht allein aus der tatbestandlichen Geschehensschilderung von § 173 herleiten läßt. So w i r d i m Beispiel (B) zwar die i n § 173 vorausgesetzte Tätigkeit des Beischlafs ausgeübt, aber die Partner sind nicht miteinander verwandt. Genau umgekehrt liegt die Sache i m Beispiel (C). Dort besteht zwar die verwandtschaftliche Beziehung, aber es kommt nicht zu der erwähnten Tätigkeit. A n diese Sachverhalte knüpft sich die Frage nach der Strafbarkeit des Versuchs. I n § 22 heißt es: „Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt." Diese Umschreibung des Allgemeinen Teils kann zusammen m i t der einzelnen Deliktsschilderung des Besonderen Teils den Straftatbestand eines bestimmten Versuchsdelikts ergeben. Mag zwar zu jedem (vorsätzlichen Vollendungs-)Delikt ein Versuch denkbar sein, so ist doch nicht jeder Versuch strafbar und damit ein Versuchsdelikt. I m Falle von § 173 hat das 4. StRG die bis dahin bestehende Strafbarkeit desjenigen abgeschafft, der als Verwandter aufsteigender Linie versucht, m i t einem Verwandten absteigender Linie geschlechtlich zu verkehren. I m StGB ist die Strafbarkeit eines Versuchs i n § 23 I geregelt: „Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt." Aus § 12 i n Verbindung m i t den i n § 173 vorgesehenen Strafhöhen ergibt sich, daß es sich bei den Straftaten gemäß §173 ausnahmslos u m Vergehen handelt. Da die Versuchsstrafbarkeit i n § 173 nicht ausdrücklich normiert ist, bleibt hier der Versuch i n jedem Fall straflos. Diese Überlegungen verdeutlichen, daß sich für den Gesetzgeber nicht nur die Frage nach der Strafwürdigkeit bestimmter Verhaltensweisen, wie z.B. des Beischlafs zwischen Verwandten stellt, also die Frage danach, ob wegen solcher Verhaltensweisen gestraft oder eine bestehende Strafbarkeit abgeschafft werden sollte, sondern auch die Frage, ob das jeweilige Versuchen pönalisiert oder eine vorhandene Pönalisierung des Versuchs abgeschafft werden sollte. Für die Verbrechen i m Sinne von § 12 I hat der Gesetzgeber die Strafbarkeit des Versuchs generell normiert, für die Vergehen i m Sinne von § 12 I I hat er sich die Entscheidung für jede einzelne Straftat vorbehalten. Die Parallelen zu dem, was unter dem Aspekt der Strafwürdigkeit zu Beispiel (A) ausgeführt wurde, lassen sich noch weiter ziehen. Geht man bzgl. § 173 einmal von der Rechtslage vor Inkrafttreten des 4. StRG aus, als nämlich der betreffende Versuch unter Strafe stand, dann

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1. Teil. Strafwürdigkeit 1. K a p i t e l :

stellt sich i m Rahmen der Rechtsanwendtmg die Frage, ob i n den Beispielen (B) und (C) die Kriterien eines strafwürdigen Versuchs erfüllt sind. Denn zum Problem, ob — i n Beispiel (B) — die Vorstellung des Täters das faktische Nichtverwandtsein gewissermaßen zu ersetzen vermag, ließ der Gesetzestext die Lösung offen; es wurden beide Möglichkeiten vertreten 2 4 . Ebensowenig w a r dem Gesetz etwas Näheres über die (Strafwürdigkeits-)Grenze^ 5 von (strafloser) Vorbereitung und (strafbarem) Versuchsdelikt zu entnehmen 2 *, um die es i n Beispiel (C) geht, die aber hinsichtlich des dort geschilderten Falles kaum bestimmt werden kann, weil zu wenig Informationen mitgeteilt sind 2 7 . Es hat sich gezeigt, daß ein Urteil des Inhalts „wegen dieser Handlung sollte gestraft werden" an ganz unterschiedlichen Stellen i m Gesamtbereich des Strafrechts auftauchen kann. Für den Gesetzgeber stellt sich das Problem dergestalt, ob bestimmte Gutsverletzungen strafwürdig erscheinen und ob ζ. B. ein entsprechendes Versuchsdelikt geschaffen werden sollte. — Rechtsanwendung und Rechtswissenschaft vollziehen i m Rahmen der vom Gesetzgeber formulierten Strafwürdigkeitsurteile, nämlich der Straftatbestände, ebenfalls Strafwürdigkeitserwägungen; zum einen i m Besonderen Teil: wenn es ζ. B. darum geht zu begründen, warum die eine als Straftat i n Betracht kommende Handlung für strafwürdig (und strafbar) gehalten w i r d und die andere nicht; zum anderen i m Allgemeinen Teil: wenn ζ. B. die Frage erörtert wird, ob — unter der Prämisse der Strafbarkeit des betreffenden Versuchs — ein Sachverhalt sämtliche Kriterien eines strafwürdigen Versuchens aufweist, die die (Strafwürdigkeits-)Analyse entwickelt hat und die nicht etwa als solche notwendig i m Gesetzestext angeführt sind. U m Mißverständnisse von vornherein zu vermeiden, sei noch betont, daß sich die vorstehenden Überlegungen zur Funktion des Strafwürdigkeitsbegriffs i m Strafrecht selbstverständlich den verfassungsrechtlichen Schranken jeder Rechtsanwendung nicht entziehen wollen. Gemeint ist vor allem das sog. „Analogieverbot" („nullum crimen sine lege stricta"), das als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips von Art. 103 I I GG ( = § 1 StGB) normiert wird. Allerdings hat sich gezeigt, daß Urteilen über Strafwürdigkeit eine zentrale Rolle innerhalb der Dogmatik des geltenden Strafrechts eingeräumt werden muß 2 8 . 24 F ü r die Strafbarkeit: RGSt 47, 189 (190 f.); Stratenwerth, Rn. 678. Dagegen: Schmidhäuser, Rn. 15/29; Welzel, S. 440. 25 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/50. 28 Bezogen auf die heutige Regelung des § 22 heißt es bei Stratenwerth, Rn. 665: „Die gesetzliche Formel bleibt jedoch interpretationsbedürftig; sie enthält keinen w i r k l i c h exakten Maßstab. Deshalb ist noch durchaus offen, ob sich nunmehr größere Einigkeit auch i m praktischen Ergebnis einstellen wird." 27 Vgl. demgegenüber ζ. B. die detaillierten Ausführungen i n R G H R R 37, 1426.

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D a m i t s i n d die p r o p ä d e u t i s c h e n B e t r a c h t u n g e n z u m S t r a f w ü r d i g k e i t s b e g r i f f u n d seiner F u n k t i o n i m S t r a f r e c h t beendet. I n d e n f o l g e n d e n K a p i t e l n des ersten T e i l s d e r U n t e r s u c h u n g w e r d e n w i r uns e i n g e h e n d diesem B e g r i f f w i d m e n , d e r — w o r a u f e i n i g e j ü n g e r e S t e l l u n g n a h m e n aus d e r Wissenschaft schließen lassen 2 9 — eine e r h ö h t e B e d e u t u n g i n der systematischen E r f a s s u n g d e r S t r a f t a t z u g e w i n n e n scheint.

28 Eine tendenziell andere Sicht bei Roxin, K r i m i n a l p o l i t i k u n d Strafrechtssystem, S. 15, A n m . 41: „ F ü r die dogmatische A r b e i t sind die Tatbestände vorgegeben. Sie hat sich bei der Systematisierung n u n nicht mehr p r i m ä r von Strafwürdigkeitserwägungen, sondern vom nullum-crimen-Grundsatz leiten zu lassen: Eine den möglichen Wortsinn überschreitende Analogie ist unzulässig, auch wenn die ratio der gesetzgeberischen Pönalisierung für sie spricht." 29 Siehe ζ. B. die Aufsätze von Otto, Strafwürdigkeit u n d Strafbedürftigkeit als eigenständige Deliktskategorien?, i n der Schröder-Gs, S. 53 ff., u n d Probst, Überlegungen zu den Begriffen Strafwürdigkeit, Strafbedürftigkeit und Strafbedürfnis — E i n Vorschlag zur Sprachregelung —, ÖRiZ 1979, S. 109 ff.

2. Kapitel Der Begriff der Strafwürdigkeit in der neueren strafrechtsdogmatischen Diskussion Hat das vorhergehende Kapitel dazu gedient, einen ersten Zugang zum Begriff der Strafwürdigkeit zu öffnen, so sollen jetzt neuere strafrechtsdogmatische Bemühungen u m diesen Begriff i n die Analyse einbezogen, der Problemhorizont erweitert und die Fragestellung der vorliegenden Abhandlung präzisiert werden. Sauer beginnt i n seinem Werk „Allgemeine Straf rechtslehre" die Darstellung des Straftatbegriffs m i t folgendem Satz: „ A m Anfang der Verbrechenslehre steht der bisher i n der Wissenschaft völlig vernachlässigte Begriff der Strafwürdigkeit" 1 . Etwas weiter unten an derselben Stelle heißt es dann, daß Strafwürdigkeit der Inbegriff derjenigen Straf Voraussetzungen sei, die i m Gesetz und Urteil verwirklicht werden sollen, damit der Rechtsidee genügt werde 2 . Diese Sätze bezeichnen zunächst ein besonderes strafrechtliches Programm, ohne schon i m einzelnen erkennen zu lassen, inwieweit die Straftatsystematik den Begriff der Strafwürdigkeit heranziehen sollte. Die hier durchgeführte Untersuchung hat zum Ziel, am Beispiel 3 , das sich aus dem gestellten Thema ergibt, Sachgemäßheit und Fruchtbarkeit einer — noch näher zu charakterisierenden — Strafwürdigkeitsbetrachtung für die Begriffsbildung i n der Strafrechtsdogmatik aufzuzeigen. Ginge es der vorliegenden Abhandlung um Fragen des Besonderen Teils des Strafrechts, ζ. B. darum, ob eine bestimmte Gutsverletzung unter Strafe gestellt (bzw. zu pönalisieren) sei oder nicht, bedürfte es keines nachdrücklichen Hinweises auf die Relevanz von Strafwürdigkeitsaspekten 4 . Sowohl i n der wissenschaftlichen als auch i n der rechts1 Sauer, S. 19; siehe auch Mezger-Fs, S. 119. — Schmidhäuser, Rn. 2/16 (siehe bereits Gesinnungsmerkmale i m Strafrecht, S. 210 ff.), schreibt: „ O b w o h l die Strafwürdigkeit ein Grundbegriff der allgemeinen Strafrechtslehre ist, w i r d sie i m Schrifttum noch immer relativ wenig erörtert." Vgl. Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, S. 111. Der Richtigkeit dieser Behauptung kann m a n sich schon durch Einsichtnahme i n Inhaltsverzeichnisse und Sachregister von Lehrbüchern u n d Kommentaren versichern. 2 Sauer, S. 19. 3 F ü r ein argumentatives Abstellen auf „ S t r a f w ü r d i g k e i t " zur Lösung eines anderen Problems aus dem Allgemeinen T e i l des Strafrechts siehe etwa Hardwig, G A 1957, S. 172: „Der Versuch bei untauglichem Subjekt". 4 Vgl. bereits Sauer, S. 21 f. Ä h n l i c h Schmidhäuser, Würtenberger-Fs, S. 94 f., 96 f., 101, u n d Vorsatzbegriff u n d Begriff s jurisprudenz i m Strafrecht, S. 15, der nach der „teleologischen Methode" i n der Strafrechtsanwendung fragt. Die Darstellung oben i m Text ist ebenfalls auf rechtsgutsorientierte Gesetzesanwendung zu beziehen.

Die neuere strafrechtsdogmatische Diskussion

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politischen Diskussion sowie i m Bereich der öffentlichen Meinungsmedien ist der Rekurs auf „Strafwürdigkeit" i n jenem Kontext geläufig. Die Auseinandersetzungen etwa um das Sexualstrafrecht oder auch das Abtreibungsverbot seien hier als einschlägige, ohne weiteres einleuchtende Beispiele genannt. Was zu Recht insoweit als herausragendes Problem gesehen wird, das sind die Kriterien der Strafwürdigkeit (Stichwort: „Sozialschädlichkeit"). Die Feststellung, daß die Strafrechtswissenschaft den Begriff der Strafwürdigkeit vorwiegend i m Hinblick auf Probleme des Besonderen Teils verwendet, steht i m Kontrast dazu, daß bei unbefangener Betrachtung der i n Kap. 1 i n den Beispielen (A) - (C) geschilderten Rechtsfälle gleichermaßen die Frage nach der Strafwürdigkeit aufzuwerfen ist. Die dortige nähere Analyse hat dann gezeigt, daß die Sachverhalte zwar unterschiedlich strukturiert sind, was die Differenzierung nach Allgemeinem und Besonderem Teil angeht, daß sie aber alle eine Stellungnahme i m Sinne eines Strafwürdigkeitsurteils verlangen. Auch von daher erscheint die Forderung plausibel, dem Gesichtspunkt der Strafwürdigkeit i m Rahmen der strafrechtsdogmatischen Begriffsbildung eine entscheidende Funktion einzuräumen. Gewiß w i r d i n Äußerungen zu verschiedenen strafrechtlichen Fragen des Allgemeinen Teils dann und wann der Begriff der Strafwürdigkeit i n Literatur und Rechtsprechung verwendet 5 ; und das gerade auch i n Zusammenhängen, die für das hier zu behandelnde Thema von unmittelbarer Bedeutung sind, nämlich ζ. B. bei Diskussion der „Strafwürdigkeit des sog. untauglichen Versuchs" 6 . Jedoch ist dieser Umstand für eine Konzeption, die i n der Erfassung der Phänomene prinzipiell auf „Strafwürdigkeit" abstellen w i l l , eher ein Zufallsprodukt; die i n dem Gedanken der Strafwürdigkeit liegenden Möglichkeiten werden nicht voll ausgeschöpft. Die vorstehenden Ausführungen sind jedoch einzuschränken. Der Begriff der Strafwürdigkeit (oder auch der Strafbedürftigkeit oder des Strafbedürfnisses 7 ) spielt in der heutigen Diskussion des allgemeinen Straftatbegriffs dann eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, die Problematik, die m i t Ausdrücken wie „objektive Strafbarkeitsbedingung", „Strafausschließungsgrund" oder „Strafaufhebungsgrund" bezeichnet wird, straftatsystematisch i n den Griff zu bekommen 8 . Es sei i n aller Kürze referiert: 5

Vgl. den Hinweis Langers, G A 1976, S. 204, A n m . 55. Vgl. nur Jescheck, S. 414, 429; Schönwandt, Grundlagen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (Diss.), S. 3. 7 Der differenzierende Gebrauch dieser drei Ausdrücke i n Teilen der Wissenschaft w i r d i m übernächsten K a p i t e l behandelt. Erst dann spiegelt sich der gegenwärtige Diskussionsstand genauer wider. 8 Siehe Jescheck, S. 109, 446, 449 f.; Sax, JZ 1976, S. 16; Schönke/Schröder/ Lenckner, vor § 13, Rn. 124; Stratenwerth, Rn. 186 ff., und ZStW 71, S. 567; 6

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

I n der Darstellung Schmidhäusers sind die „zusätzlichen Straftatmerkmale" und „Straftatausschließungsgründe" (Oberbegriff zu „Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe") als „besondere Strafwürdigkeitsmomente" neben (den allgemeinen Straf Würdigkeitsmomenten) Unrecht und Schuld i n den Verbrechensaufbau integriert 9 . — Langer ordnet die Strafwürdigkeit den Elementen Unrecht und Schuld als weiteres eigenständiges „Sachelement des Verbrechens" zu, das nur dann gegeben sei, wenn das rechtswidrige und schuldhafte T u n eine „Gemeinschaftszerstörung" bewirke, d. h. wenn ein Verhalten vorliege, das „zugleich einen Angriff auf die Grundlagen des gedeihlichen Zusammenlebens enthält, wenn also der sozialethische Unwert des widerrechtlich schuldhaften Handelns durch diesen weiteren Unwertsachverhalt so vertieft wird, daß er für die Rechtsgemeinschaft unerträglich ist" 1 0 . — Für Bloy dagegen ist die Bildung eines besonderen Verbrechenselements außerhalb von Unrecht und Schuld „systemfremd" 1 1 . Vielmehr entdeckt er i m Bereich von Unrecht und Schuld jeweils ein „Wertungs-" und ein „Zweckmoment". Die „Strafwürdigkeit" stelle ein „Gesamtunwerturteil" dar, die „Strafbedürftigkeit" ein „Gesamtzweckmäßigkeitsurteil" 1 2 . Diese Differenzierung ermöglicht Bloy eine straftatsystematische Einordnung bestimmter Bestrafungshindernisse. — Bloy, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 227, m. w. N. i n A n m . 45. Vgl. bereits Schultheisz, SchwZStrR 64, S. 338 ff. (insbes. S. 338 f., 342 f.). 9 Schmidhäuser, Rn. 6/27, 12/1, 13/1. Z u erwähnen ist noch, daß Schmidhäuser der Strafwürdigkeit i m Rahmen des Unrechtstatbestandes von E r folgsdelikten eine spezifische Begründungsfunktion zuweist, nämlich für das Erfordernis eines „Erfolgsunwertes" neben dem „Handlungsunwert" (Rn. 8/47). D a r i n zeigt sich i n gewisser Weise eine Konsequenz der von Schmidhäuser i n seiner Schrift „Gesinnungsmerkmale i m Strafrecht", S. 210 ff., 242, A n m . 73, angelegten Sicht, zwischen dem „sittlichen U n w e r t " der Tat einerseits u n d „sonstigen Momenten" der Tat andererseits zu unterscheiden. A l l e r dings ordnet Schmidhäuser, aaO, nicht n u r ζ. B. den „Erfolgsunwert" („sonstiges Moment"), sondern auch den „sittlichen U n w e r t " dem Strafwürdigkeitsaspekt unter, begrenzt also den Begriff der Strafwürdigkeit letztlich nicht. — I m übrigen fragen alle allgemeinen Strafrechtslehren nach der Rolle des „Erfolgsunwertes" i m Straftatbegriff. Uns w i r d diese Problematik sowohl i m Hinblick auf gewisse, auf sie bezogene Verwendungen des Ausdrucks „strafwürdig" als auch i n Gestalt der Frage interessieren, ob wegen eines Versuchsdelikts m i l d e r gestraft werden sollte als wegen eines Vollendungsdelikts. 10 Langer, Das Sonderverbrechen, S. 327. Vgl. auch die Bemerkung Schaffsteins, ZStW 57, S. 297, zu einer „,materiellen Strafwürdigkeit' " ; darüber Langer, aaO, S. 328, A n m . 183. — I n w i e w e i t Langer die Strafausschließungsund Strafaufhebungsgründe auf dieser Stufe des Verbrechensaufbaus einordnen w i l l , w i r d nicht ganz k l a r ; vgl. die Bemerkung Bloys, Strafausschließungs» u n d Strafaufhebungsgründe, S. 230. 11 Bloy, aaO, S. 242. 12 Bloy, aaO, S. 243 f. Allerdings kennt Bloy auch „materiellrechtliche Bestrafungshindernisse außerhalb von Unrecht u n d Schuld"; aaO, S. 213, 224 ff., 250 f.

Die neuere strafrechtsdogmatische Diskussion

33

Weniger durch Probleme der allgemeinsystematischen Erfassung von — i m Sprachgebrauch Schmidhäusers — zusätzlichen Straftatmerkmalen und Straftatausschließungsgründen, als mehr durch praktische Rechtsanwendungsfragen i m Bereich des Besonderen Teils des Strafrechts, sehen sich die strafrechtsdogmatischen Ausführungen von Sax veranlaßt 1 3 . Er stellt i m Rahmen des Unrechtstatbestandes dem „gesetzlichen Tatbestand" „objektive" und „subjektive Strafwürdigkeitsvoraussetzungen" gegenüber 14 und hält den Strafwürdigkeitsgedanken ausschließlich innerhalb eines so verstandenen Unrechtstatbestandes für einschlägig 15 . I m Hinblick auf die Thematik dieser Abhandlung kann es nicht sinnvoll sein, die unterschiedlichen Vorschläge auf der Grundlage einer gesamtsystematischen Analyse zu kritisieren. Hingegen sollen i m folgenden i n Anbetracht der zitierten Beiträge aus der neueren strafrechtsdogmatischen Diskussion zum Begriff der Strafwürdigkeit die Ziele unserer Untersuchung erläutert und verbunden damit die K r i t i k an unsachgerechter Begriffsbildung vorbereitet werden: Die Frage nach der Strafwürdigkeit bezieht sich i m Rahmen der vorliegenden Arbeit auf dasjenige Tatgeschehen, welches das Unrecht der Tat ausmacht und woran die Schuld anknüpft. Die herausragende Bedeutung von Strafwürdigkeitsanalysen für den Kernbereich einer Straftat, eben die Unrechtmäßigkeit und deren nähere Struktur, sollte nicht verdeckt werden. So w i l l Langers Verselbständigung des „StrafWürdigkeitselements" (gegenüber Unrecht und Schuld) vielleicht auch gar nicht so verstanden werden, daß sie m i t der gemeinten Fragestellung dieser Untersuchung unvereinbar ist. Darauf deuten jedenfalls einige Bemerkungen dieses Autors hin 1 6 . — Die Thesen von Bloy und Sax räumen zwar der Straf13

Sax, J Z 1976, S. 9 ff., 80 ff., 429 ff. Siehe insbes. die Übersicht bei Sax, aaO, S. 85. 15 Neben der i n A n m . 13 angeführten Aufsatzreihe vgl. v o r allem noch Sax i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 933 f. u n d JZ 1977, S. 332. Gerade auf Sax' Ausführungen i n „ D i e Grundrechte" w i r d i n den beiden nächsten K a p i t e l n noch wiederholt zurückzukommen sein. — A m Rande verdient die Tatsache erwähnt zu werden, daß das sog. „Internationale Strafrecht" eine Vorschrift enthielt, nach der die Nichtanwendbarkeit deutschen Strafrechts davon abhing, ob „die Tat wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht ist" (§ 3 I I a. F.). Eine derartige Norm, m i t welcher der Gesetzgeber ein verneinendes Strafwürdigkeitsurteil vollständig i n die Hände des Richters legte, w a r verfassungsrechtlichen Bedenken i m Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 I I GG) auszusetzen; vgl. Tröndle, L K StGB, 9. Aufl., § 3, Rn. 2, m. w. N. 16 Vgl. Langer, Das Sonderverbrechen, S. 330: „ S t r a f w ü r d i g ist daher dasjenige Verhalten, welches" „die Grundlagen der Gemeinschaft" „angreift und deshalb zurückgedrängt werden muß, u n d zwar i n dem Maße, i n dem es jene Grundlagen verletzt u n d deshalb der Zurückdrängung bedarf. F ü r diesen U n w e r t u n d den Grad seiner Unerträglichkeit sind . . . auch Unrecht u n d 14

3 Alwart

34

1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Würdigkeit unmittelbare Bedeutung für die Bestimmung des Unrechts selbst ein, treffen aber, wie oben geschildert, Differenzierungen innerhalb des Unrechts. Ob nun die Distinktion zwischen „Wertungs-" ( = „Strafwürdigkeits-") und „Zweckmoment" ( = „Strafbedürftigkeitsmoment") 1 7 eine sinnvolle Konzeption enthält oder die Trennung von „gesetzlichem Tatbestand" und „StrafWürdigkeitsvoraussetzungen" der Sache angemessen ist 1 8 und nicht vielmehr fälschlich voraussetzt, daß bei der Auslegung des „gesetzlichen Tatbestandes" auf den Aspekt der Strafwürdigkeit verzichtet werden könne 1 9 , braucht hier nicht näher geprüft zu werden. Es genügt, an dieser Stelle eine kritische Frage zu stellen, die erst später (im nächsten sowie — unter Einbeziehung der Begriffe „Strafbedürftigkeit" und „Strafbedürfnis" 2 0 — i m übernächsten Kapitel) genau expliziert und beantwortet werden kann: Verträgt der Ausdruck „Strafwürdigkeit" i n dem Sinne eine Restriktion seiner als zulässig anzusehenden Verwendungsmöglichkeiten, daß er m i t ganz bestimmten strafrechtlich-normativen Problemen und Lösungen belastet, nur m i t Unwerturteilen spezifischen normativen Gehalts aufgefüllt wird? Vermutlich vermeidet man eine Fülle von Konfusionen, Scheinbegründungen und Mißverständnissen, wenn man durch die Bezeichnung gewisser, das Vorliegen einer Straftat mitbestimmender Umstände als „besondere Strafwürdigkeitsmomente" 2 1 keinen Zweifel daran aufkommen läßt, daß die Straftatmerkmale „Unrecht" und „Schuld" ebenfalls — und zwar i n allen normativen Aspekten — als (allgemeine) Strafwürdigkeitsmomente betrachtet werden können; z.B. i n Fällen, i n denen nicht alle erforderlichen unrechtsrelevanten Umstände gegeSchuld der Tat bedeutsam". Ferner: S. 156 („das vorsystematische... Strafwürdigkeitsurteil"), 206, 335, 361. Siehe auch G A 1976, S. 204. 17 Dazu siehe Otto, Schröder-Gs, S. 57, A n m . 15. Vgl. noch unten, Kap. 4, A n m . 27. 18 Die Problemsituation, i n welche die Vorschläge von Sax eingebettet sind, mag das folgende Zitat erhellen: „ Z u m »gesetzlichen Tatbestand' gehören nicht diejenigen Merkmale der gesetzlichen Verhaltensumschreibung, die nicht v o r satzbezogen sein können oder — aus kriminalpolitischen Gründen — nicht vorsatzbezogen sein dürfen (Sax, J Z 1976, S. 84 — vgl. v o r allem auch S. 14 f. —, J Z 1977, S. 332; dazu Otto, Schröder-Gs, S. 62 ff.). 19 So ebenfalls Otto, aaO, S. 61 f. Vgl. Ulsenheimer, Grundfragen des Rückt r i t t s v o m Versuch i n Theorie u n d Praxis, S. 122. 20 Siehe bereits oben, A n m . 7. 21 D a m i t w i r d auf Schmidhäusers Konzeption Bezug genommen; vgl. oben, S. 32. Allerdings verwendet Schmidhäuser den Begriff der Strafwürdigkeit bezogen auf die „besonderen Strafwürdigkeitsmomente" so, als gäbe es für „zusätzliche Straftatmerkmale" u n d „Straftatausschließungsgründe" einen spezifischen gemeinsamen Wertungsnenner der „ S t r a f w ü r d i g k e i t " (vgl. n u r die Inhaltsübersicht des Lehrbuchs, S. V, u n d Rn. 12/1, 13/1). Anders etwa Jescheck, der die „persönlichen Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe" sowie die „objektiven Bedingungen der Strafbarkeit" unter die bloß negativ abgrenzende Uberschrift „Voraussetzungen der Strafbarkeit außerhalb von Unrecht u n d Schuld" (S. 445) stellt.

Die neuere strafrechtsdogmatische Diskussion

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ben sind, sollte man die betreffenden Taten stets eindeutig „nicht strafwürdig" nennen können. Auch bei Sauer steht der unmittelbare Bezug der Strafvoraussetzungen Unrecht und Schuld zur Strafwürdigk e i t 2 2 i m Zentrum der theoretischen Grundlegung. Vor dem Hintergrund seiner Ausführungen, i n denen sogar vom „Geist" der Straf"würdigkeit die Rede ist 2 3 , könnten Unrecht und Schuld gewissermaßen als Emanationen der Strafwürdigkeit bezeichnet werden. Diese Charakterisierung und Sauers — bereits oben (S. 30) erwähnte — Verknüpfung von „Strafwürdigkeit" und „Rechtsidee" zeigen allerdings, daß er, anders als w i r , den Begriff der Strafwürdigkeit von vornherein i n einer gewissen inhaltlichen Verdichtung sieht 2 4 . U m weiter zu verdeutlichen, sei auf die schlichte Definition der Strafwürdigkeit zurückgekommen, wie sie eingangs von Kap. 1 gebracht wurde: Eine Handlung für „strafwürdig" befinden heißt ein Urteil des Inhalts abgeben „wegen dieser Handlung sollte gestraft werden". Gemäß dieser weiten Begriffsbestimmung ist nicht nur die Anwendung des Begriffs der Strafwürdigkeit z. B. auf alle Aspekte des Unrechts der Tat zu fordern. (Gerade dieses Postulat ist soeben gegenüber neueren Diskussionsbeiträgen zum Begriff der Strafwürdigkeit zur Geltung gebracht worden.) Vielmehr hat sich darüber hinaus schon gezeigt, daß das (abschließende) Strafwürdigkeitsurteil nicht lediglich auf Momente des Gesamt-Tatgesçhehens 25 Rücksicht zu nehmen hat, die zum Bereich von Unrecht und Schuld gehören, sondern auch auf zusätzliche Straftatmerkmale und Straftatausschließungsgründe 20 . Außerdem können besondere Umstände i m Rahmen der Strafverfolgung (vgl. z.B. § 153 StPO), und zwar sowohl i m Ermittlungsverfahren, als auch i m Erkenntnisverfahren — vgl. etwa das Institut des „Absehens von Strafe" (z. B. § 23 I I I StGB) —, zu einem verneinenden Strafwürdigkeitsurteil führen, d. h. die Straflosigkeit einer gegebenen

22

Vgl. Sauer, S. 20. Sauer, S. 20. 24 F ü r eine K r i t i k an Sauer s. Hilde Kaufmann, Strafanspruch Strafklagrecht, S. 104 ff. (bzgl. der Frage nach der Brauchbarkeit des Strafwürdigkeitsbegriffs zur Abgrenzung zwischen formellem u n d materiellem Straf recht). 25 Z u m „erweiterten Tatbegriff" s. Lang-Hinrichsen, Engisch-Fs, S. 353 ff. (z.B. S. 360, 374); Roxin, K r i m i n a l p o l i t i k u n d Straf rech tssystem, S. 35; Schmidhäuser, Rn. 12/6, 13/2. 26 Otto, Schröder-Gs, S. 68 ff., sondert zwar „Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe" von Unrecht u n d Schuld ab, ist aber gleichwohl der Ansicht, daß es neben „Tatbestandsmäßigkeit", „Rechtswidrigkeit" u n d „Schuld" kein weiteres „selbständiges Verbrechenselement" gebe. Z u r K r i t i k von Ansichten, die den Straftatbegriff ausschließlich m i t Unrechts- u n d Schuldmerkmalen definieren, obwohl sie weitere, materiellrechtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen kennen, siehe Schmidhäuser, Rn. 13/5; 15/69, A n m . 2. 23



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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Straftat zur Folge haben 27 . Selbst die Tätigkeit der Gnadeninstanz läßt sich als (erneute) Beurteilung der Strafwürdigkeit eines Verhaltens verstehen 28 . Strafwürdigkeitsurteile können also i m Bereich der Prüfung dessen angesiedelt sein, ob Unrecht und Schuld vorliegen, ob (bei Gegebensein von Unrecht und Schuld) eine Straftat vorliegt oder ob trotz gegebener Straftat Straflosigkeit zu fordern ist. So kann man ζ. B. die Rauschtat i m Sinne von § 323 a als notwendige Bedingung der Strafwürdigkeit eines Geschehens bezeichnen, wie es i m übrigen i n § 323 a beschrieben ist 2 9 ; i n diesem Sinne kann gesagt werden, die Rauschtat „begründe" — bei Vorliegen der sonstigen (Strafwürdigkeits-)Voraussetzungen — die Strafwürdigkeit 3 0 . Daß unter einem anderen Blickwinkel, nämlich dem der Rechtsgutsverletzung, das zusätzliche Straftatmerkmal (die Rauschtat) als Strafbarkeitseinschränkung erscheint, steht dazu nicht i m Widerspruch 31 . Als Zwischenergebnis sei festgehalten, daß neuere Theorien, welche die Strafwürdigkeit als eigenständiges Verbrechensmerkmal begreifen bzw. m i t i h m ein ganz spezifisches Unwerturteil innerhalb der herkömmlichen Verbrechensmerkmale „Unrecht" und „Schuld" verknüpfen wollen, kritisch zu betrachten sind. Sie werden wohl, bei konsequentem Vorgehen, einer Themenstellung, die nach der Strafwürdigkeit des Versuchsdelikts fragt, kein sachgerechtes Verständnis entgegenbringen. Über die Weite des hier bestimmten Strafwürdigkeitsbegriffs, die seiner wissenschaftlichen Brauchbarkeit gerade keinen Abbruch tut, w i r d i n den folgenden Kapiteln noch einiges präzisierend zu sagen sein.

27 Schmidhäuser, Rn. 12/3 ff., 13/3 f.; siehe auch die Übersichten i n „Gesinnungsmerkmale i m Strafrecht", S. 211 f. Vgl. § 42 ÖstStGB („Mangelnde Strafw ü r d i g k e i t der Tat"); dazu Zipf, Die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB), bes. S. 15; kritisch Sax, J Z 1977, S. 332, A n m . 61. 28 Schmidhäuser, Rn. 2/16. 29 Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche F u n k t i o n dem erheblichen Sichberauschen neben der Rauschtat i m Rahmen von § 323 a zukommt. Die Frage bezieht sich einerseits auf die Gestalt, die das zugrundeliegende Rechtsproblem i n der gesetzgeberischen Regelung erhalten hat, u n d andererseits auf die Strafwürdigkeitsanalyse durch den Rechtsanwender. Dazu, daß § 323 a eine „Fehletikettierung" bedeute (weil der Täter n u r „ n o m i n e l l nicht wegen der i m selbst verschuldeten Affektzustand begangenen rechtswidrigen Tat bestraft" werde), vgl. Hruschka, S t r u k t u r e n der Zurechnung, S. 68 ff. 30 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 1276. 31 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 12/6, unter Hinweis auf ZStW 71, S. 560. (Beachte aber oben, A n m . 29.)

3. Kapitel Strafwürdigkeitsbegriff und Strafwürdigkeitsprinzip Wie es scheint, besitzt der Vorbegriff der Strafwürdigkeit, der i n Kap. 1 skizziert wurde, eine erhebliche Durchschlagskraft. — Ohne daß angestrebt wurde, den Straftatbegriff selbst zu klären, also etwa die Frage zu beantworten, ob dieser Begriff (zumindest) alle materiellrechtlichen Strafwürdigkeitsprämissen enthalten sollte, hat der bisherige Gedankengang ergeben, daß der Begriff der Strafwürdigkeit an ganz unterschiedlichen Stellen i m Gesamtbereich des Strafrechts einschlägig ist. Man kann ihm nicht nur Probleme des Besonderen, sondern auch des Allgemeinen Teils zuordnen. Ferner kann er innerhalb des Allgemeinen Teils i m Rahmen verschiedenartiger straftatsystematischer Zusammenhänge gebraucht werden und zudem außerhalb des materiellen Strafrechts, nämlich i m Prozeßrecht, sowie außerhalb der rechtlichen Institution der Strafe überhaupt, nämlich i m Gnadenbereich, dazu dienen, die Bestrafung oder Nichtbestrafung einer Tat zu fordern. Ein Strafwürdigkeitsurteil verlangt eine Begründung, die durch den Kontext mitbestimmt wird, i n den es jeweils gestellt ist. Sieht man demgegenüber i m Gedanken der Strafwürdigkeit ganz bestimmte moralische bzw. rechtliche Bewertungen, dann liegt es nahe, ähnlich wie vom Schuldprinzip oder Gerechtigkeitsprinzip auch vom „Strafwürdigkeitsprinzip" zu sprechen. Was davon zu halten ist, soll dieses Kapitel zeigen. Zuvor aber muß der Begriff der Strafwürdigkeit, wie er sich aus unserer Sicht darstellt, i n einem weiteren Schritt präzisiert werden. Bisher wurden unterschiedliche Anwendungen des Strafwürdigkeitsbegriffs gewissermaßen bloß topologisiert und bei weitem noch nicht alle Vagheiten und Mehrdeutigkeiten zur Sprache gebracht, die m i t Strafwürdigkeitsurteilen zusammenhängen: 1. Der Satz „wegen der Handlung H sollte 1 gestraft werden" enthält — jedenfalls i n aller Regel 2 — neben dem an den potentiellen „Bestrafer" (Gesetzgeber, Richter, Gutachter) adressierten Gebot ein abwertendes Urteil über H („es ist moralisch bzw. rechtlich falsch gehandelt worden"). Man kann nicht ohne Selbstwiderspruch H zugleich für strafwürdig und nicht mißbilligenswert halten. I m dritten Teil dieser Abhandlung w i r d zu begründen sein, welche Eigenschaften 1 I n d e m das W o r t „sollte" u n d nicht das W o r t „soll" verwendet w i r d , v e r suchen w i r , den m i t dem U r t e i l erhobenen normativen Geltungsanspruch sprachlich einwandfrei auszudrücken. Z u diesem Geltungsanspruch u n d dazu, daß metaethische Probleme nicht behandelt werden können, siehe oben, S. 21. 2 U n d zwar stets dann, w e n n m a n der oben (siehe A n m . 1 u n d folge der dortigen Verweisung) skizzierten N a t u r des Strafwürdigkeitsurteils Rechnung trägt.

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

die Versuchshandlungen aufweisen müssen, deretwegen gestraft werden sollte. 2. Die Analyse des Strafwürdigkeitsurteils führt zu der Frage, ob „ H ist strafwürdig" nicht wenigstens dann und wann lediglich bedeuten kann: „wegen H darf (und nicht auch: sollte) gestraft werden", also ausschließlich die Modalität der Erlaubnis meinen kann. Soweit Strafwürdigkeitsurteile gefällt werden, sind i n der Regel — so auch i m dritten Teil der vorliegenden Abhandlung — Sollensurteile, d. h. Gebote, gemeint 3 . Aber diesem Gesichtspunkt w i r d hier nicht weiter nachgegangen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß eine Rechtsordnung, die alles Strafwürdige pönalisiert und alles Nichtstrafwürdige nicht pönalisiert, utopisch ist. Ob diese Utopie eine Idealvorstellung enthält, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls wäre der Gedanke des „fragmentarischen Charakters" des Strafrechts i n Relation zu dieser Problematik zu setzen. — I m übrigen hat ein Verständnis des Strafwürdigkeitsurteils als eines Gebots nichts mit der verfassungsrechtlichen Frage zu tun, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, wegen bestimmter Handlungen zu strafen. Sicherlich kann der Verfassungsgeber prinzipiell auch selbst ein Strafwürdigkeitsurteil fällen und so den einfachen Gesetzgeber zum Strafen verpflichten. Ob das i m geltenden Grundgesetz geschehen ist, bleibt offen 4 . 3. Teilweise geläufige Unterscheidungen werden thematisiert, wenn man untersucht, wie das Prädikat „strafwürdig" i n Form eines Komparativs 5 gebraucht wird, etwa i n dem Satz: „ H i ist strafwürdiger als H2." Eine derartige, als Abkürzung fungierende Aussage bedeutet 3 Bzgl. gesetzgeberischer Entscheidungen stellt Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, S. 111, 190, „ S t r a f w ü r d i g k e i t " u n d „kriminalpolitische Notwendigk e i t " einander gegenüber. Vgl. auch Sax i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 930. 4 Vgl. dazu das B V e r f G i n seiner Entscheidung über die Reform des § 218 (BVerfGE 39, 1 [46 f.]). Leitsatz 4 lautet: „Der Gesetzgeber k a n n die grundsätzlich gebotene rechtliche M i ß b i l l i g u n g des Schwangerschaftsabbruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen als m i t dem M i t t e l der Strafdrohung Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der dem Schutz des ungeborenen Lebens dienenden Maßnahmen einen der Bedeutung des zu sichernden Rechtsgutes entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährleistet. I m äußersten Falle, wenn der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht w e r den kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Sicherung des sich entwickelnden Lebens das M i t t e l des Straf rechts einzusetzen." Dagegen das Sondervotum von zwei Richtern, BVerfGE 39, 1 (73 ff.). Z u m Problem siehe auch Kriele, JZ 1975, S, 222; ferner Sax i n : Die Grundrechte, Bd. I I I / 2 , S. 930. Jescheck, L K StGB, Einl., Rn. 9, spricht von „Pönalisierungsgeboten", die aus dem Grundgesetz abgeleitet werden; ebenso Lackner, vor § 218, Anm. 2 b m. w. N. 5 Z u r Begriffsform des Komparativs siehe Stegmüller, Wissenschaftstheorie, Bd. I I , S. 27 ff. Ferner: B u r k h a r d t , Der „ R ü c k t r i t t " , S. 166 ff.; Kuhlen, Typuskonzeptionen i n der Rechtstheorie, S. 35 ff.; Otte, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. I I , S. 301 ff.

Begriff und Prinzip der Strafwürdigkeit

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entweder, daß bei Feststehen einer Bestrafung als solcher wegen H i vergleichsweise höher (härter) zu strafen ist (a), oder, daß sich für H i das Gebot der Strafbarkeit dringlicher stellt als für H2, was i m Rahmen einer alternativen Bestrafungsmöglichkeit dazu führt, daß nur wegen der strafwürdigeren Tat gestraft w i r d (b). a) Fragt etwa ein Gesetzgeber vor dem Hintergrund einer als solche feststehenden Bestrafung nach deren Ausmaß, so w i r d diese Fragestellung zum Teil als ein Problem relativer (relativ-höherer oder relativ-niedrigerer) Strafwürdigkeit bezeichnet; i m Gegensatz zur absoluten, das „Ob" betreffenden Strafwürdigkeit geht es hier darum, wie wegen einer Tat „ i m Vergleich zu anderen Taten und Strafen" zu strafen ist 6 . Ebenso wie das Problem der absoluten Strafwürdigkeit (vgl. Kap. 1) stellt sich dasjenige der relativen Strafwürdigkeit nicht lediglich für den Gesetzgeber, sondern auch für den Richter bei Bestrafung der einzelnen Tat — zumindest dann, wenn der Gesetzgeber einen Strafrahmen zur Verfügung gestellt hat 7 ; ferner stellt sich dieses Problem für den Richter und sonstige Rechtsanwender bei einer Frage wie der folgenden: Sollte ein bestimmter Totschlag als heimtückischer Totschlag, also als Mord, angesehen werden? Mehr aus der Sicht des Straf rechtswissenschaftlers formuliert: Wie ist der Begriff der Heimtücke zu bilden? Welche Eigenschaften muß ein Totschlag aufweisen, dessentwegen als heimtückischer Totschlag (Mord) vergleichsweise höher gestraft werden sollte als wegen anderer Totschlagsfälle 8 ? Man mag von genereller (oder allgemeiner, abstrakter 9 ) Strafwürdigkeit sprechen, wenn Urteilsgegenstand eine Verhaltensweise und nicht ein Einzelfall ist, ® Schmidhäuser, Rn. 2/14. — Vgl. auch Jescheck, S. 38 f. („Ob" u n d „ W i e " der Straf drohung); Dieter Meyer, JuS 1977, S. 519; M a r i a - K a t h a r i n a Meyer, Die Strafwürdigkeit der A n s t i f t u n g dem Grade nach (Diss.), S. 133; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 122. 7 I m übrigen ist es möglich, eine diesbezügliche komparative Abwägung verdeckt zur Geltung zu bringen, ζ. B. indem ein Richter die Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 i n concreto n u r deswegen bejaht, u m von der absoluten Strafdrohung des § 211 (Mord) herunterzukommen. Kreuzer, ZRP 1977, S. 51, berichtet, daß 1974 jeder dritte wegen eines Morddelikts verurteilte Erwachsene als vermindert schuldfähig galt. Darauf n i m m t das B V e r f G (E 45, 187 [261 f.]) i n seiner Entscheidung über die V e r fassungsgemäßheit der lebenslangen Freiheitsstrafe Bezug, wobei aber nicht recht k l a r w i r d , ob diese statistische Angabe als Argument für die rechtliche Vertretbarkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe dienen soll. Gegebenenfalls müßte daran eine ablehnende K r i t i k anknüpfen. — Vgl. Jescheck/Triffterer (Hrsg.), Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 258. 8 Vgl. Schmidhäuser, Würtenberger-Fs, S. 104. 9 Z u diesen Begriffen u n d ihren Gegenbegriffen siehe M a r i a - K a t h a r i n a Meyer, Die Strafwürdigkeit der A n s t i f t u n g dem Grade nach (Diss.), S. 133 f., m. w . Ν .

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

und von spezieller (oder besonderer, konkreter) Strafwürdigkeit, wenn eine individuelle Handlung beurteilt wird, um dadurch die getroffenen Unterscheidungen prägnant zu benennen. Es lassen sich dann folgende Kombinationen i m Hinblick auf die zugrundegelegte Distinktion zwischen absoluter und relativer Strafwürdigkeit bilden: absolut-generelle, absolut-spezielle, relativ-generelle und relativ-spezielle Strafwürdigkeit 1 0 . Ein besonderer Erkenntnisgewinn ist m i t dieser Klassifikation aber nicht verbunden. b) Bezogen auf H2 kann der Satz „ H i ist strafwürdiger als H2" eine Nichtbestrafung von H2 bedeuten 11 . Gesetzt den Fall, es soll, aus welchem Grunde auch immer, von zwei Straftaten — i m Sinne des Vorliegens der materiellstrafrechtlichen Prämissen — eine Tat straflos gelassen werden, so drückt die zitierte Behauptung eine Ansicht darüber aus, wegen welcher Tat gestraft bzw. nicht gestraft werden sollte. Eine solche Alternative hat der Gesetzgeber i n abstracto i n der Weise aufgestellt, daß er die Strafverfolgungsorgane zu einer Ermessensentscheidung i n concreto ermächtigt hat 1 2 . — I m übrigen kann man den Satz „ H i ist strafwürdiger als H2" i n Zusammenhängen verwenden, die weder zum Problembereich der sog. relativen Strafwürdigkeit gehören noch etwas m i t der eben umrissenen Bestrafungsalternative zu t u n haben: Ζ. B. kann sich jemand, der Homosexualität i n jeder Form als nicht strafwürdig betrachtet, m i t jemandem, der ganz i m Gegenteil jede Form von Homosexualität für strafwürdig hält, darüber einigen, daß die Vornahme homosexueller Handlungen von Erwachsenen an Jugendlichen strafwürdiger ist als Homosexualität unter Erwachsenen. Daraus, daß es sinnvoll ist, auch dann i n der dargestellten Weise zu vergleichen, wenn man das miteinander Verglichene überhaupt nicht für strafwürdig an10 Die absolut-spezielle Variante des Strafwürdigkeitsurteils fehlt bei M a r i a - K a t h a r i n a Meyer, aaO, S. 133 f. 11 Das Prädikat „ s t r a f w ü r d i g " w i r d demnach analog einem Prädikat wie ζ. B. „groß" u n d nicht w i e ζ. B. „ g r ü n " begriffen. M a n k a n n k a u m sagen „ X ist grüner als Y " , ohne zu meinen, daß Y grün ist. A b e r man kann sagen „ X ist größer als Y " , w e n n man weiß, daß Y, ein erwachsener Mensch, lediglich 140 Zentimeter mißt. — Siehe noch sogleich i n u n d bei A n m . 13. 12 Vgl. § 154 StPO; diese Vorschrift w i r d i n der Praxis „nicht n u r angewendet, u m leichtere Straftaten auszuscheiden" (Löwe/Rosenberg/Meyer-Goßner, § 154, Rn. 2). Handelt es sich bei H 2 u m eine Straftat gleichen oder größeren Gewichts w i e bzw. als H i , müssen andere Gründe als ζ. B. die Bedeutung des verletzten Rechtsguts angeführt werden, u m den Satz „ H i ist s t r a f w ü r d i ger als H2" zu rechtfertigen. Jedenfalls impliziert dieser für diverse Begründungen offene Satz nicht etwa, daß H i schwerer wiegt als H2. (Der A n w e n dungsbereich von § 154 StPO ist durch das S t V Ä G v o m 5.10.1978 [in K r a f t seit 1.1.1979] noch insofern erweitert worden, als nunmehr die wegen der nicht verfolgten Tat zu vermutende Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen darf.) — Siehe ferner § 154 a StPO,

Begriff u n d Prinzip der Strafwürdigkeit

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sieht, erhellt außerdem, daß hier nicht i n jedem Fall ein Problem absoluter Strafwürdigkeit berührt sein muß 1 3 . Abschließend zum komparativen Gebrauch des Ausdrucks „strafwürdig" ist noch auf die Gefahr von Scheinbegründungen hinzuweisen 14 : Unter a) war der Satz „ H i ist strafwürdiger als H2" gleichbedeutend m i t „wegen H i sollte höher gestraft werden als wegen H2" und unter b) m i t „wegen H i sollte eher 15 gestraft werden als wegen H2". Wann aber wegen einer Tat „höher" und wann „eher" als wegen einer anderen zu strafen ist, kann nicht etwa damit begründet werden, daß man sagt, „ w e i l sie strafwürdiger ist". Vielmehr muß gerade aufgezeigt werden, unter welchen Prämissen das jeweils der Fall ist 1 6 . 4. Das Strafwürdigkeitsurteil über ein bestimmtes Verhalten verweist nicht nur auf die Tat, sondern auch auf den zu bestrafenden Menschen, den Täter. Soll das hervorgehoben werden, lautet das Urteil: „Der Täter sollte bestraft werden." — I m Rahmen dieser Untersuchung führte es vom eigentlichen Gegenstand zu weit ab, wenn ausführlich behandelt würde, ob ein täterbezogenes Strafwürdigkeitsurteil gegenüber einem i n der Weise handlungsbezogenen, wie es eingangs von Kap. 1 formuliert und bisher erörtert wurde, einen spezifischen Anwendungsbereich besitzt oder doch zumindest gewisse normative Gesichtspunkte akzentuiert, an denen die bloß handlungsbezogene Aussage „wegen H sollte gestraft werden" vorbeigeht; man denke hier ζ. B. an die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56, wo es i n Abs. 1 heißt: „Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Ver13

Auch w e n n man i m Sinne sog. relativer Strafwürdigkeit meint, daß w e gen Homosexualität unter Erwachsenen geringer gestraft werden sollte als i m anderen oben angeführten F a l l homosexueller Handlungen, ist man nicht notwendig davon überzeugt, daß wegen Homosexualität überhaupt gestraft werden sollte. 14 Vgl. ferner unten, S. 44 f. 15 Die Bedeutungsvariante des Satzes „ H i ist strafwürdiger als H2" i m K o n t e x t der aufgezeigten Bestrafungsalternative könnte man präziser f o r m u lieren, indem man „ H i ist strafwürdiger als H 2 " hier übersetzt i n „ n u r wegen H i und nicht wegen H2 sollte gestraft werden". 16 Es liegt auf der Hand, daß die Vorschrift des § 154 StPO, die darauf abstellt, ob eine Strafe, „zu der die Verfolgung führen kann", gegenüber einer anderen verhängten oder erwarteten Strafe „nicht beträchtlich ins Gewicht fällt", innerhalb ihres Problemzusammenhangs k a u m Anhaltspunkte für eine Lösung bietet. — Z u den Anforderungen, die an „ H i ist strafwürdiger als H2" innerhalb eines komparativen Begriffs zu stellen sind, vgl. Eike v. Savigny, Grundkurs i m wissenschaftlichen Definieren, S. 98 („Damit m a n einen komparativen Begriff einführen u n d benutzen kann, muß man vorher schon i n h a l t liche Feststellungen getroffen haben.")

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urteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten . . . und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind." I n der Anwendung von § 56 auf den Einzelfall könnte ein verneinendes Strafwürdigkeitsurteil gesehen werden, das i n bestimmter Hinsicht gerade auf den Täter bezogen ist 1 7 : Man würde zu Formulierungen greifen wie „dieser Täter sollte nicht bestraft (oder: »letztlich' nicht bestraft) werden", „gegen diesen Täter sollte die Strafe nicht vollstreckt werden". Die Frage nach der Strafwürdigkeit des Versuchs bzw. Versuchsdelikts erfragt aber zunächst einmal 1 8 nicht spezifisch tätercharakteristische Eigenschaften als Grund für Strafwürdig- oder Nichtstrafwürdigkeit, sondern Strafwürdigkeitskriterien, die sich auf die Beschaffenheit von Handlungen beziehen. Demnach soll hier m i t dem Urteil „dieser Täter sollte bestraft werden" kein eigenständiger normativer Bedeutungsgehalt anvisiert werden. Vielmehr ist es an dieser Stelle lediglich als Hinweis auf das Selbstverständliche zu verstehen, daß nämlich nicht eine Tat als solche, sondern nur ein Mensch, i n der Regel der Täter dieser Tat (dazu unten, S. 47), bestraft wird, da nur er Strafe erleiden kann 1 9 . Der Täter w i r d wegen der Tat bestraft, an die das Strafwürdigkeitsurteil anknüpft 2 0 . Gleichwohl ist für eine 17 Welcher Begriff von „Täterstrafrecht" auf § 56 paßt, k a n n hier dahingestellt bleiben. Z u § 56 als Beispiel f ü r einen „täterstrafrechtlichen Zug" i m geltenden StGB siehe Schmidhäuser, Rn. 7/47, 19/7; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13, Rn. 6. 18 Es w i r d sich noch weiter unten zeigen, daß auch spezialpräventive, insofern also täterbezogene Argumente i n der Diskussion u m die richtige A n t w o r t auf diese Frage eine Rolle spielen. 19 Diese Einsicht ist doch nicht so t r i v i a l , als daß sie nicht i n der Parole verschüttet worden wäre „Nicht die Tat, sondern der Täter ist zu bestrafen", die i n früherer Auseinandersetzung das täterstrafrechtliche Programm Franz von Liszts charakterisieren sollte (vgl. etwa E r i k Wolf, V o m Wesen des Täters, S. 7). Z u r K r i t i k des angeführten Zitats siehe H e l l m u t h Mayer, Strafrecht (1967), S. 55; Schmidhäuser, Rn. 2/27. — Auch die Gegenüberstellung von „ T a t - " u n d „Täterstrafe" (vgl. das Thema, zu dem sich Mezger, Gallas u n d Bockelmann i n ZStW 60, S. 353 ff., S. 374 ff. u n d S. 417 ff., äußern; ferner Schönke/Schröder/Lenckner, v o r § 13, Rn. 6) ist eher irreführend. 20 I n diesem Sinne ist das geltende Recht — abgesehen von den Besonderheiten des Jugendstrafrechts (vgl. aber § 17 I I a. E. JGG) — „Tatstrafrecht" (siehe z. B. Jescheck, S. 42; Schmidhäuser, Rn. 2/27), jedenfalls soweit es Strafrecht ist. Bei den Maßregeln der Besserung u n d Sicherung stellt der jeweilige Täter den entscheidenden Anknüpfungspunkt f ü r die Verhängung der Maßnahme dar. Die Frage, ob jemand einer Maßnahme unterworfen werden sollte oder nicht, ist dann selbstverständlich kein Problem der Strafwürdigkeit, sondern — w e n n man so w i l l — der „Maßnahmewürdigkeit". Dem auch begrifflich notwendigen Verbundensein von „ T a t " u n d „Täter" (d.h. es gibt keine „ T a t " ohne „ T ä t e r " u n d umgekehrt) korrespondiert gewissermaßen, daß das Recht der an Taten anknüpfenden Strafe Bedingungen enthält, die spezifisch täterbezogen sind, u n d daß das an Eigenschaften der betreffenden

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Analyse von Verwendungszusammenhängen des Strafwürdigkeitsbegriffs immerhin bemerkenswert, daß Gegenstand von Strafwürdigkeitsurteilen nicht nur Taten, sondern auch Täter sein können, und zwar eben nicht nur i n diesem trivialen Sinn einer bloßen Betonung dessen, daß nur ein Mensch (der Täter) und nicht eine Tat bestraft werden kann, sondern auch i n dem Sinne, daß ein Strafwürdigkeitsurteil nicht immer unter (alleinigem) Hinweis auf gewisse Handlungseigenschaften begründbar ist, sondern (zumindest auch) nach bestimmten Eigenschaften des betroffenen Individuums fragen kann. Das bedeutet unter Umständen, daß von zwei Tätern, die beide die gleiche Tat verübt haben, nur einer i n ein Strafwürdigkeitsurteil einbezogen w i r d 2 1 . Hieran anknüpfend sind noch weitere Distinktionen möglich, die u. a. mit der Mehrdeutigkeit des Tatbegriffs zusammenhängen: Zum einen kann „ T a t " i n dem genannten Kontext eine Tat meinen, die alle materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Straftat erfüllt (vgl. ζ. B. die von der Anwendung des eben zitierten § 56 vorausgesetzte „Tat"). Zum anderen kann „Tat" ζ. B. eine „rechtswidrige Tat" meinen, d. h. man würde diese Tat gemäß den Straf Würdigkeitskriterien, die sich auf den Unrechtsgehalt beziehen, als strafwürdig bezeichnen, sie aber gleichwohl straflos lassen, wenn Strafwürdig- und Strafbarkeitsprämissen, die an Tätereigenschaften anknüpfen (ζ. B. die Schuldfähigkeit), nicht gegeben sind, und letzten Endes die Strafwürdigkeit (der Tat und des Täters) insgesamt verneinen 22 . Es hat sich auch i n diesen weiteren Erläuterungen gezeigt, daß die nähere Bedeutung des Begriffs der Strafwürdigkeit abhängig ist vom Kontext, i n dem er verwendet wird, d. h. vom Begründungszusammenhang, auf den er verweist. So kann ein bestimmtes Urteil über StrafMenschen anknüpfende Recht der Maßregeln der Besserung u n d Sicherung für die Verhängung einer Maßnahme an einem „Täter" eben auch die näher umschriebene „ T a t " voraussetzt. Wer eine Tat i n den Blick n i m m t , muß den Täter mitdenken u n d umgekehrt. Allerdings ist die eben angedeutete Ausgestaltung von Strafrecht zum einen u n d Maßregelrecht zum anderen i h r e r seits nicht etwa begrifflich notwendig, sondern vielmehr schon Ausdruck bestimmter moralischer u n d rechtlicher Grundsätze. D a m i t soll aber selbstverständlich nicht gesagt sein, daß man bei einer Definition des Ausdrucks „ T a t " völlig v o m Täter abstrahieren könnte. 21 Z u derartigen A u s w i r k u n g e n eines am „Täterprinzip" ausgerichteten Strafrechts siehe Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale i m Strafrecht, S. 216 f. 22 M a n w i r d ohne Selbstwiderspruch folgenden Satz bilden können: Wenn der Täter bei Ausführung der Tat schuldunfähig war, also die Tat nicht schuldhaft beging, dann liegt insgesamt kein strafwürdiges Verhalten vor, obwohl der Täter etwas „ a n sich Strafwürdiges" getan hat. (Dieser differenzierende Gebrauch der Begriffe „Verhalten" u n d „ T a t " dient hier n u r dazu, das Gemeinte, nämlich die Unterschiedlichkeit des Gegenstandsbereichs der gefällten Strafwürdigkeitsurteile zu verdeutlichen. I m übrigen bleibt er f ü r die Darstellung oben i m T e x t außer Betracht.)

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Würdigkeit ζ. B. eine am Tatunrecht orientierte Legitimation erfordern. Generell kann jedoch nicht mehr gesagt werden, als daß ein (primär tatbezogenes) Strafwürdigkeitsurteil den Sinn hat, die Ansicht des Urteilenden darüber auszudrücken, daß wegen eines bestimmten Verhaltens gestraft werden sollte. Es bleibt also dabei, was sich schon anfangs von Kap. 1 andeutete, daß nämlich der Begriff der Strafwürdigkeit als solcher für die Lösung von Legitimationsproblemen unergiebig ist. Man führe sich noch einmal vor Augen: Z u sagen, diese Handlung ist strafwürdig, bedeutet zu sagen, wegen dieser Handlung sollte gestraft werden. (Die gegenüber dem Definiendum veränderte Syntax i m Definiens beruht darauf, daß die Nähe zur Umgangssprache nicht verlorengehen soll. Man könnte selbstverständlich auch formulieren: Diese Handlung ist eine, deretwegen gestraft werden sollte. I m übrigen verläuft der Weg der Sprache andersherum. Der Satz „ H ist strafwürdig" verkürzt und vereinfacht den Satz „wegen H sollte gestraft werden". Gerade das w i r d ja leider vielfach verkannt.) Aus dieser Definition des Strafwürdigkeitsbegriffs ergibt sich eine ablehnende K r i t i k an einem Satz wie dem folgenden: „Diese Handlung ist strafwürdig, weil ihretwegen gestraft werden sollte." Eine derartige Feststellung enthält eine reine Tautologie und vermittelt keinerlei Erkenntnis darüber, warum diese Handlung strafwürdig ist. Das w i r d durch die Konjunktion „ w e i l " verdeckt, die eine rechtfertigende Begründung erwarten läßt. Ähnliches gilt für den Satz „wenn eine Handlung strafwürdig ist, dann sollte ihretwegen gestraft werden"; denn er gibt vor, etwas über Strafwürdigkeit zu behaupten. I h m kann aber nur dann Sinn abgewonnen werden, wenn man i h n nicht als Aussage über die Strafwürdigkeit der Handlung versteht, sondern vielmehr seinen rein analytischen Charakter hervorhebt, der ζ. B. durch folgende Formulierung nicht verhüllt w i r d : „Wenn man eine Handlung als »strafwürdig 4 bezeichnet, dann meint man, daß ihretwegen gestraft werden sollte." Über die Strafwürdigkeit selbst w i r d eben nichts dargetan, vielmehr w i r d nur der spezifische Verbindlichkeitsanspruch verdeutlicht (aber nicht etwa eingelöst), den ein Strafwürdigkeitsurteil — „diese Handlung ist strafwürdig" — erhebt. Die Inhaltsleere des Strafwürdigkeitsbegriffs zeigt sich auch, wenn man aufgrund der Austauschbarkeit von Definiendum und Definiens 23 die eben angeführten Sätze, ohne ihren Sinngehalt zu verändern und den kritischen Punkt zu vergessen, folgendermaßen umgestaltet: „Wegen dieser Handlung sollte gestraft werden, weil sie strafwürdig ist", „wenn wegen einer Handlung gestraft werden sollte, dann ist sie strafwürdig" und „wenn man von einer Handlung 23

Vgl. etwa K l u g , Juristische Logik, S. 91.

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sagt ,ihretwegen sollte gestraft werden', dann meint man, daß diese Handlung strafwürdig ist". 2 4 Ohne nähere definitionstheoretische Analysen oder logische Formalisierungen ist deutlich, daß der Begriff der Strafwürdigkeit eben nur auf einen Begründungszusammenhang verweist, nicht aber selbst schon eine Begründung für den erhobenen Verbindlichkeitsanspruch darstellt. Die Frage nach der Legitimation eines Strafwürdigkeitsurteils dagegen fragt nach den Kriterien der Strafwürdigkeit. Streiten zwei Personen darüber, ob eine Handlung strafwürdig sei, ob ihretwegen gestraft werden sollte oder nicht, geht es nicht darum, ob ein Begriff richtig angewandt wird, sondern darum/welches der beiden Strafwürdigkeitsurteile das (moralisch oder rechtlich) richtige ist. (Ein Vergleichsbeispiel aus der Welt der Tatsachen: Man kann die Verwendungsregeln ζ. B. des Wortes „Rabe" genau kennen und sich trotzdem darin irren, daß der i n großer Entfernung fliegende Vogel ein Rabe sei.) Kommen zwei Personen trotz unterschiedlicher Prämissen bezüglich der Kriterien der Strafwürdigkeit i n einem konkreten Fall i m Ergebnis zum selben Urteil, so verstößt keiner von beiden gegen Sprachregeln, wenn er die Handlung als „strafwürdig" bezeichnet; denn jeder drückt ja aus, daß wegen der Handlung (seiner Meinung nach) gestraft werden sollte. Sie streiten nicht darüber, was „Strafwürdigkeit" bedeutet, sondern warum eine Handlung strafwürdig ist 2 5 . Die Kriterien für die Verifikation eines Strafwürdigkeitsurteils sind demgemäß von den semantischen Kriterien des Begriffs der Strafwürdigkeit zu unterscheiden. 24

Z u r weiteren Veranschaulichung sei eine Analogie zu einem ganz anderen Beispiel gezogen. Die Definition des Wortes „Junggeselle" lautet: „ E i n »Junggeselle' ist ein unverheirateter Mann." Dieser Satz könnte als A n t w o r t auf eine Frage w i e „was ist das, ein ,Junggeselle'?" dienen. — A n t w o r t e t aber jemand auf die Frage „ w a r u m ist A Junggeselle?", die i m Sinne von „warum ist A unverheiratet?" u n d nicht „was ist ein ,Junggeselle' " gemeint ist, m i t dem Satz „ A ist (ein) Junggeselle, w e i l er unverheiratet ist", so verfehlt er die Frage. Aus der Sicht des Fragenden ist diese A n t w o r t sinnlos, da seine Frage nicht auf die i h m ohnehin bekannte Definition des Junggesellenbegriffs abzielte. Eine angemessene A n t w o r t müßte etwa folgendermaßen aussehen: „ A ist deswegen Junggeselle, w e i l er sich unverheiratet freier fühlt." Über den genannten G r u n d k a n n dann Streit entstehen, der aber weder die gemeinsame Gewißheit darüber berührt, daß A Junggeselle ist, noch den übereinstimmenden Gebrauch des Wortes „Junggeselle" i n Frage stellt. Die Aussage „ A ist ein Junggeselle, w e i l er unverheiratet ist" hat n u r Gehalt, wenn sie als (unter Umständen irreführende) Formulierung einer Definition — „ich bezeichne den dreißigjährigen A als Junggesellen 4 , w e i l er unverheiratet ist" — u n d nicht als Reaktion auf die umrissene Warum-Frage, also nicht objektsprachlich (sondern metasprachlich) verstanden w i r d . 25 Während Strafwürdigkeitstheorien begrifflich n u r das besagte Sollensu r t e i l voraussetzen, müssen sich Gerechtigkeitstheorien i n dem Wertungshorizont bewegen, den der Begriff der Gerechtigkeit konstituiert (zum Verhältnis von Gerechtigkeitsbegriff u n d Gerechtigkeitsvorstellungen vgl. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 21 f.).

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1. Teil. Strafwürdigkeit

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I m Hinblick auf die begrenzte Aussagekraft des weiten Strafwürdigkeitsbegriffs leuchtet unmittelbar ein, daß es nicht sinnvoll sein kann, von einem Strafwürcügkeitsprinzip i m Sinne eines rechtlichen oder normativ-ethischen Prinzips, wie ζ. B. das Gerechtigkeitsprinzip, zu sprechen und womöglich zu fordern, daß nur wegen strafwürdiger Handlungen gestraft werden sollte 26 . Der Begriff der Strafwürdigkeit dient — wie gesagt — überhaupt nur zur verkürzenden und vereinfachenden Formulierung eines Urteils, das der Rechtfertigung mittels Prinzipien bedarf, die man m i t dem Sammelbegriff „StrafWürdigkeitsprinzipien" (Kriterien der Strafwürdigkeit) bezeichnen kann. Aber „das Strafwürdigkeitsprinzip" i m Sinne eines durch eine spezifische normative Aussagekraft ausgezeichneten Strafwürdigkeitsprinzips gibt es nicht. Der Begriff der Strafwürdigkeit führt nicht zu einem Prinzip (Kriterium) für die Entscheidung dessen, ob Urteile wie „wegen H sollte gestraft werden" gerechtfertigt sind. Dieser Befund steht i m Gegensatz zu einigen Äußerungen i n der Strafrechtswissenschaft, i n denen nachdrücklich m i t „dem Strafwürdigkeitsprinzip" argumentiert w i r d 2 7 . Man glaubt, anhand dieses Prinzips einen qualitativen Unterschied zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufzeigen zu können 2 8 , und sieht i n i h m — gerade anders als w i r — einen spezifischen sachlichen Gehalt zur Geltung gebracht. Es soll i m nächsten Kapitel versucht werden, dem damit nur angedeuteten Vorschlag einer bestimmten Definition des Begriffs der Strafwürdigkeit, die ein Strafwürdigkeitsprinzip selbstverständlich voraussetzt, durch weitere Diskussion besser gerecht zu werden. Aus unserer Sicht könnte ζ. B. das Gerechtigkeitsprinzip ein 29 Kriterium der Strafwürdigkeit abgeben 30 . Eine Aussage wie „diese Handlung 26 Umgangssprachlich mag man allenfalls fordern, daß n u r wegen „ w i r k lich" strafwürdiger Handlungen gestraft werden sollte. Dann werden nämlich bestimmte K r i t e r i e n (Prinzipien) der Strafwürdigkeit implizite geltend gemacht. 27 Siehe vor allem Sax i n : Die Grundrechte, Bd. I I I / 2 , S. 919 ff.; ferner Eser, Die Abgrenzung von Straftaten u n d Ordnungswidrigkeiten (Diss.), S. 128 ff.; Günther, JuS 1978, S. 12 f.; Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 25 ff. Inhaltliche K r i t i k bei Gallwas, M D R 1969, S. 894 f. 28 Übrigens ein Vorhaben, das angesichts der heutigen Realität des Ordnungswidrigkeitenrechts von vornherein fragwürdig erscheint. So unterscheiden sich z. B. die Steuerordnungswidrigkeit gem. § 378 A O (leichtfertige Steuerverkürzung) u n d die Steuerstraftat gem. § 370 A O (Steuerhinterziehung) ausschließlich i m Hinblick auf „Leichtfertigkeit" einerseits u n d „ V o r satz" andererseits. 29 Anders Arzt, J A 1978, S. 562, der an dieser Stelle „Gerechtigkeitsüberlegungen" erwähnt u n d i n Parenthese gleichsetzend hinzufügt: „ S t r a f w ü r d i g keitsüberlegungen". 30 Gerade umgekehrt räumt Kriele, der nach „ K r i t e r i e n der Gerechtigkeit" fragt, aus seiner Sicht „Würdigkeitsurteilen", z.B. dem U r t e i l über Strafwürdigkeit, eine Begründungsfunktion f ü r Gerechtigkeitsurteile ein (Kriterien

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ist strafwürdig, weil es die Gerechtigkeit erfordert, ihretwegen zu strafen" ist sinnvoll, auch wenn sie ihrerseits mannigfache Fragen aufwirft, etwa die, ob sie einen Absolutheitsanspruch der Gerechtigkeit gegenüber der Ausgestaltung der Rechtsordnung erheben w i l l . Von einem bereits weiter oben behandelten Gesichtspunkt aus ergibt sich ein unmittelbarer, ohne weiteres nachzuvollziehender Bezug zu Begriff und Prinzip der Gerechtigkeit, die i m übrigen mehrdeutig und erläuterungsbedürftig sind: Das Urteil über Taten als relativ-höher oder relativniedriger strafwürdige Taten 3 1 ist nämlich darauf angewiesen, das Gerechtigkeitsprinzip heranzuziehen, um die unterschiedliche Bestrafung zu rechtfertigen 32 . Als einen Grundsatz der Strafwürdigkeit kann man ζ. B. ferner das Schuldprinzip verstehen, das fordert, daß nur wegen schuldhaften Verhaltens gestraft („absolute Strafwürdigkeit") und für die Strafhöhe das Ausmaß der Schuld berücksichtigt („relative Strafwürdigkeit") werden sollte. Es sei hier dahingestellt, ob das Schuldprinzip ein abgeleitetes Prinzip ist. Zumindest der Gerechtigkeitsgrundsatz kommt hier i n Frage, und zwar hinsichtlich beider Ausprägungen des Schuldprinzips. Aber auch Normen wie etwa das „Analogieverbot" sind i n Betracht zu ziehen, wenn es darum geht, alle Kriterien der Strafwürdigkeit aufzuzählen. I n diesem Zusammenhang sollte noch das folgende Strafwürdigkeitsprinzip erwähnt werden: Nur diejenige Person ist zu bestrafen, die selbst eine (Täter- oder Teilnehmer-)Tat verübt hat! 3 3 Das ist zunächst ein moralisches Postulat, das sich an das Strafen richtet, dem sich aber die liberal-rechtsstaatlichen Ordnungen der Gegenwart prinzipiell unterworfen haben; (die indirekte Mitbetroffenheit anderer Personen, ζ. B. von Angehörigen des Bestraften, w i r d man i m übrigen aber nicht aus der Welt schaffen können). Die i n diesem Text vertretene weite Definition des Strafwürdigkeitsbegriffs ermöglicht es, den genannten Grundsatz, ohne daß hier dessen Deduktion aus allgemeineren Prinzipien nachgegangen zu werden braucht, auch als solchen zu formulieren. Bezöge man i h n nämlich als Bedingung des richtigen Gebrauchs i n den der Gerechtigkeit, S. 48 ff.). Das hängt w o h l damit zusammen, daß Kriele den Strafwürdigkeitsbegriff v o m Begriff der „ W ü r d i g k e i t " — i m Sinne von W ü r de, Wert — her bestimmt, i h n gleichsam inhaltlich „auflädt" (aaO, S. 48; vgl. demgegenüber oben, Kap. 1, A n m . 13) u n d damit letztlich dessen Anwendungsbereich unsachgerecht einengt. — Auch Karsten, Die Strafwürdigkeit von Fahrlässigkeitsdelikten (Diss.), S. 8, nähert sich dem Strafwürdigkeitsbegriff v o m Begriff der Würde her. 31 Dieses U r t e i l wurde oben (S. 39) unter dem Begriff einer „relativen Strafwürdigkeit" näher beschrieben. 32 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 122. 33 Z u diesem Prinzip s. A l f Ross, On Guilt, Responsibility and Punishment, pp. 55 - 56 (Hinweis auf diese Stelle bei Ross, Uber den Vorsatz, S. 12, Anm. 5).

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Begriff der S t r a f w ü r d i g k e i t m i t e i n 3 4 , so w ä r e d e r W e g v e r s p e r r t , eine R e c h t f e r t i g u n g s f r a g e a u c h als n o r m a t i v e s P r o b l e m z u d i s k u t i e r e n , d. h. das aufgestellte P o s t u l a t a b w e i c h e n d e n Ü b e r z e u g u n g e n oder P r a k t i k e n (etwa einer I n s t i t u t i o n der „Sippenhaft") m i t moralischem Anspruch e n t g e g e n z u h a l t e n . M a n w ü r d e sich v o m S t r a f b e g r i f f h e r m i t d e r B e m e r k u n g b e g n ü g e n , daß es i n diesen F ä l l e n e i n e r S t r a f w ü r d i g k e i t s debatte g a r n i c h t b e d ü r f e , da S c h a f f u n g v o n L e i d f ü r T a t u n b e t e i l i g t e schon gewisse b e g r i f f l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n f ü r das V o r l i e g e n v o n S t r a f e n i c h t e r f ü l l e 3 5 . A l s B e i s p i e l f ü r die Bestrafung T a t u n b e t e i l i g t e r sei aus d e r Rechtshistorie die R e g e l u n g e i n e r r ö m i s c h e n K o n s t i t u t i o n , d e r L e x Q u i s q u i s ( C T 9.14.3) des Jahres 397 n . C h r . , a n g e f ü h r t 3 6 , w o i m F a l l e eines C r i m e n M a i e s t a t i s vorgesehen ist, auch die K i n d e r des T ä t e r s z u bestrafen 37. — G i b t es also k e i n S t r a f w ü r d i g k e i t s p r i n z i p i m S i n n e eines i n h a l t l i c h e n M o r a l - oder Rechtsprinzips, so sei doch schon a n dieser S t e l l e festgehal34 I n dieser Weise definieren etwa Schmidhäuser, Rn. 2/14, u n d Bloy, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 173, A n m . 109. Bei Bloy heißt es (aaO): „Seinem Wortsinn nach bedeutet der Begriff der Strafwürdigkeit nicht mehr als das Urteil, daß der Täter (sie !) wegen der von i h m begangenen Tat bestraft werden soll." 35 Als drittes Begriffselement des „Standardfalls" der Strafe verlangt Hart, Recht u n d Moral, S. 62, daß sie sich gegen denjenigen richtet, „der tatsächlich oder vermutlich den Verstoß begangen hat". Unter Hinweis auf die sonst bestehende Gefahr einer „Definitionssperre" gibt er aber, aaO, als „sekundäre Verwendung" des Strafbegriffs u. a. folgende Möglichkeiten an: ,,c) Die stellvertretende oder kollektive Bestrafung von Mitgliedern einer sozialen Gruppe für Taten, die andere ohne ihre Ermächtigung, Anstiftung, Kontrolle oder Erlaubnis begangen haben." „d) Die Bestrafung von Personen (außer solchen, die unter c) fallen), die weder tatsächlich noch vermutlich eine N o r m Verletzung begangen haben." 36 Vgl. auch noch die Goldene Bulle aus dem Jahre 1356, Cap. X X I V . 37 Hart, Recht u n d Moral, S. 60 erwähnt diese Konstitution u n d stellt zutreffend fest, daß es i m E x t r e m f a l l auch heute noch viele für richtig hielten, derartige M i t t e l einzusetzen. Siehe ferner: Dieck, Historische Versuche über das Criminalrecht der Römer, S. 150 ff., insbes. S. 161 ff.; Feuerbach, § 169; Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts, Bd. I I , 2. Stück (1799), S. 39 ff., insbes. S. 40 - 42. — (Angefügt sei ein kleiner Exkurs zum Begriff der Strafe bei Hobbes: Hobbes zieht i m Rahmen seiner staatsphilosophischen Begründung der Strafe dem Anwendungsbereich des Strafbegriffs enge Grenzen. Er beschränkt i h n u.a. auf Leidzufügungen an Staatsbürgern [„subjects"]. Staatsf einde [„enemies"], zu denen auch rebellierende Staatsbürger gehören, werden seiner Ansicht nach nicht „bestraft", sondern kriegerisch bekämpft, u n d zwar bis i n die dritte oder vierte — schuldlose — Generation [Hobbes, Leviathan, part 2, chapter 28]. Hobbes' begriffliche Trennung zwischen Strafe [„punishment"] einerseits u n d Rache [„vengeance"], „hostile act", bloßem „inflicting evil" oder „ m a k i n g t h e m suffer" andererseits geht i n den beiden von m i r herangezogenen deutschen Übersetzungen des Leviathan teilweise verloren [gemeint ist die Übersetzung von J. P. Mayer, die — revidiert — der ReclamAusgabe, Stuttgart 1974, zugrundeliegt, u n d diejenige von Walter Euchner, die i n der Reihe „Politica" des Luchterhand-Verlages, Neuwied u n d B e r l i n 1966, inzwischen auch als Ullstein-Taschenbuch, Frankf./M. - B e r l i n - Wien 1976, erschienen ist].)

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ten, i n welchem Sinne doch von dem strafrechtlichen Strafwürdigkeitsprinzip gesprochen werden kann. Diese Möglichkeit liegt sehr nahe nach allem, was hier bisher zum Begriff der Strafwürdigkeit ausgeführt wurde. Man kann nämlich die Strafwürdigkeit als methodisches Prinzip postulieren. Das läuft ζ. B. auf die Forderung hinaus, die Begriffe i m Strafrecht i n der Weise zu bilden, daß daraus Ergebnisse i n der Rechtsanwendung gefolgert werden können, die m i t den jeweiligen Strafwürdigkeitsurteilen übereinstimmen. Dieser Gedanke w i r d später wieder aufzugreifen sein.

4 Alwart

4. Kapitel Strafwürdigkeit, Strafbedürftigkeit und Strafbedürfnis Bereits oben 1 deutete sich an, daß die i n der Überschrift aufgereihten Begriffe der Strafwürdigkeit, Strafbedürftigkeit und des Strafbedürfnisses gemeinsam zu sehen sind. Dieser Faden sei nunmehr wieder aufgenommen; die betreffenden Begriffe seien i n Relation gesetzt zur Weite des Strafwürdigkeitsbegriffs, die unsere Analyse offenbart hat. I m folgenden werden w i r zunächst den Begriff des Strafbedürfnisses behandeln. Das ist deswegen zweckmäßig, weil die These lauten wird, daß der Ausdruck „Strafbedürfnis" gänzlich aus dem Vokabular der Strafrechtsdogmatik zu verschwinden habe. Dann bleibt noch das Verhältnis von „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" zu klären. Diese Klärung w i r d sich i n besonderem Maße darum bemühen, einerseits den i n der wissenschaftlichen Literatur hierzu vorhandenen Vorschlägen gerecht zu werden 2 und andererseits für konsistente begriffliche Lösungen einleuchtend zu argumentieren. I . Zur konzeptionellen Freiheit der Strafrechtsdogmatik von Strafbedürfnissen

Es ist merkwürdig, daß i n strafrechtlichen Problembereichen nicht selten m i t „Strafbedürfnissen" argumentiert w i r d 3 . Denn als unbefangener Betrachter muß man davon ausgehen, daß der Rechtsanwender seine Werturteile gerade nicht auf bloße festgestellte „Bedürfnisse" zu stützen sucht, sondern vielmehr auf eine Weise begründet, die einen erhobenen Anspruch auf Rationalität auch einlösen kann. Der eingangs von Kap. 1 erwähnte Wissenschaftscharakter strafrechtlicher Theorie, der dort — kantisch gesprochen — von der Möglichkeit praktischer Vernunft abhängig gemacht wurde, spiegelt sich nämlich dann nicht wider, wenn man normative Schlüsse aus Prämissen zieht, die ausschließlich deskriptiver Natur sind. Seit Hume und Kant, Max Weber und — aus 1

Kap. 2, jeweils i n u n d bei A n m . 7 u n d A n m . 20. Vorweg w i r d der Aufsatz von Probst, ÖRiZ 1979, S. 109 ff. (S. 111 ff.), angeführt, der Bedeutungsgehalte recht beliebig u n d schablonenhaft unter den drei hier interessierenden Ausdrücken verteilt, ohne eigentlich die Begriffe zu klären. „ S t r a f w ü r d i g k e i t " ist für Probst eine tatbezogene Kategorie (näheres siehe unten, A n m . 68); „Strafbedürftigkeit" hingegen sei ausschließlich i n der Person des Täters begründet (Bedarf er der Strafe, damit sein zukünftiges W o h l verhalten gewährleistet werden kann?), während das „ Strafbedürfnis" i n dem Sinne staatsbezogen sei, als es m i t der Ordnungsfunktion des Staates zusammenhänge u n d aus der Strafbedürftigkeit des Täters und der Notwendigkeit der Bewährung der Rechtsordnung resultiere. 3 Nachweise weiter unten i n diesem Abschn. 2

I. Strafbedürfnis

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dem Bereich der Rechtstheorie — etwa Kelsen, sowie i m Hinblick auf neuere normenlogische und metaethische Analysen muß als selbstverständliches Fundament allen rationalen Denkens und Redens die Dichotomie von Sein und Sollen eingehalten werden 4 , d. h. für den Bereich von Recht und Ethik, daß es unzulässig ist, „naturalistische (Fehl-) Schlüsse" 5 zu ziehen. Gewiß können auch deskriptive (genauer: empirische) Sätze eine wichtige Funktion innerhalb der Rechtfertigung von Werturteilen erfüllen; aber i n jedes Werturteil muß zumindest eine normative Prämisse eingehen 6 . Stützt man Strafwürdigkeitsurteile (in der von uns bezeichneten Bedeutung) auf bestimmte eigene oder fremde, individuelle (möglicherweise tätereigene) oder gesellschaftlich-kollektive „Straf bedürfnisse", die als Bedürfnisse i m Sinne psychischer Phänomene der empirischen Verifikation unterliegen und einen affektiven, irrationalen Charakter besitzen, so ist dagegen zweierlei einzuwenden. Zum einen kann eine bloße Konstatierung von Fakten das Werturteil der Strafwürdigkeit — wie eben schon angedeutet — nicht rechtfertigen. Zum anderen aber kann ein derartiger Legitimationsversuch selbst dann nicht ernst genommen werden, wenn man von diesem prinzipiellen Argument der Unableitbarkeit eines Sollens aus einem Sein einmal absieht. Denn die A r t und Weise, i n der „Strafbedürfnisse" ins Feld geführt werden, läßt nicht die Methoden einer empirischen Wissenschaft erkennen. So schwebt dieses Vorgehen gleichsam i m luftleeren Raum, da es zwar einen (deskriptiven) Standpunkt außerhalb der Rechtsordnung einzunehmen scheint, aber einen solchen Standpunkt letztlich doch nicht m i t Entschiedenheit durchhält, ja nicht durchhalten kann 7 . Der Begriff des Strafbedürfnisses und das Faktum von „Strafbedürfnissen" nimmt dort eine zentrale Position ein, wo es darum geht, etwa aus psychoanalytischer Sicht eine „Psychologie des Straf rechts und der strafenden Gesellschaft" 8 zu entfalten. Strafwürdigkeitsurteile können 4 Dazu siehe etwa Hoerster, Einleitung i n : Frankena, Analytische Ethik, S. 7 ff., sowie Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. 2, S. 115 ff.; Strömholm, Allgemeine Rechtslehre, S. 32 ff. ; das kritische Referat HansW i l h e l m Schünemanns, Sozialwissenschaf ten u n d Jurisprudenz, S. 13 ff. Bemerkenswert hier auch die „Allgemeine Staatslehre" von Zippelius, die i n ihrem Anfangsabschnitt dem Leser die prinzipielle Diskrepanz zwischen normativen u n d deskriptiven Aspekten v o r Augen führt. — Radbruch etwa stellt i n seiner „Rechtsphilosophie" (§ 2) dem „Methodendualismus" eine „ r e l a t i v i stische Rechtsphilosophie" an die Seite. Gerade diesen Relativismus, der i n der Philosophiegeschichte keineswegs selten ist, teilen w i r nicht (siehe oben, Kap. 1, A n m . 7). 5 Siehe oben, S. 22 f. 6 Bzgl. Imperative siehe Hare, Die Sprache der Moral, S. 50 u n d passim. 7 Wie ζ. B. sähe ein „Strafverfahren" aus, das dieser Perspektive entspricht? 8 So der T i t e l eines Aufsatzes von Jäger, der einer Neuausgabe von Reiwalds Buch „Die Gesellschaft und ihre Verbrecher" (hrsg. v. Jäger und Moser)

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

dann allenfalls i n der Hinsicht einen Forschungsgegenstand abgeben, daß sie als erklärungs- und nicht als rechtfertigungsbedürttige menschliche Äußerungen aufgefaßt werden. Damit w i r d ein Standort außerhalb der Rechtsordnung bezogen, den derjenige Urteiler gerade nicht einnimmt, der behauptet, daß wegen einer Handlung gestraft werden sollte. Der Strafwürdigkeitsurteiler sägt selbst den Ast ab, auf dem er sitzt, wenn er ausschließlich ein „ Straf bedürfnis" anführt, wo eine Bewertung einsichtig zu machen ist. Als Strafrechtsdogmatiker betreibt er — unbewußt — die Auflösung der eigenen Wissenschaftsdisziplin. Es kann nicht Intention einer Strafrechtswissenschaft (ebensowenig wie der Strafrechtsordnung überhaupt) sein, „Bedürfnisse" zu befriedigen 9 . Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei nachdrücklich betont, daß psychologischen und soziologischen Untersuchungen über „ Strafbedürfnisse" nicht etwa jede Relevanz für das Strafrecht abgesprochen werden soll. I m Gegenteil, es erscheint durchaus vorstellbar, daß Ergebnisse solcher Untersuchungen, indem sie ζ. B. sachfremde Bedingtheiten bewußt machen, Strafwürdigkeitsurteile beeinflussen können und sollten. N u r vermögen sie nicht, normative Prämissen dieser Urteile zu ersetzen. Auch umgekehrt darf die Einnahme eines psychologischen Standpunktes nicht dazu führen, dem rechtlichen und moralischen Standpunkt jede Berechtigung abzusprechen, also insofern das Gespräch zu beenden, und lediglich die These aufzustellen, „daß irrationale Bedürfnisse sich juristischer Denkformen immer wieder (bzw. stets oder notwendig, der Verf.) zur nachträglichen Rationalisierung bedienen" 10 . Eine solche vorangestellt ist. Siehe ferner Haffke, G A 1Θ78, S. 35 ff. (mit Hinweis auf die Konzeption Reiks, Geständniszwang u n d Strafbedürfnis, abgedruckt i n : Moser [Hrsg.], Psychoanalyse u n d Justiz, S. 29 ff.; kritisch zu Reik Haffke, Tiefenpsychologie u n d Generalprävention, S. 105 ff.); Jäger, Henkel-Fs, S. 125 ff. 9 Das heißt selbstverständlich nicht, daß — bewertete — menschliche Bedürfnisse, etwa Schutzbedürfnisse oder überhaupt individuelle Interessen ohne F u n k t i o n für die Strafgesetzgebung u n d die Anwendung von Strafrechtsnormen seien. Vgl. Lampe, Welzel-Fs, S. 151 ff. (auf S. 163 allerdings den Ausdruck „Schutzbedürfnis" i m Sinne von „Schutzbedürftigkeit" — vgl. die Z w i schenüberschrift auf S. 162 — verwendend; eine K r i t i k an einem solchen Sprachgebrauch folgt noch i n diesem Abschn.); Probst, ÖRiZ 1979, S. 110 f. (mit besonderem Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber nicht n u r über strafrechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf Schutzbedürfnisse verfüge). — M a n denke hier auch an Harts Lehre v o m „ M i n i m a l i n h a l t des Naturrechts", der — unter der Prämisse eines Uberlebensziels des Menschen — i n eine Rechtsordnung eingehen müsse, w e n n diese Bestand haben solle (Hart, Der Begriff des Rechts, S. 256 ff. — die betreffende Passage ist neu übersetzt i n : Hoerster [Hrsg.], Recht u n d Moral, Texte zur Rechtsphilosophie, S. 94 ff. —). Z u dieser Lehre siehe Eckmann, Rechtspositivismus und sprachanalytische Philosophie, S. 45 ff.; Ott, Der Rechtspositivismus, S. 92 ff. 10 Jäger i n : Reiwald, Die Gesellschaft u n d ihre Verbrecher (hrsg. v. Jäger u n d Moser), S. 31; Jäger betont die Gefahr der nachträglichen Rationalisierung. I m übrigen sei bestimmten — nicht zuletzt auch ideologiekritischen — Vorurteilen folgendes Radbruch-Zitat (Rechtsphilosophie, S. 95) entgegenge-

I. S t r a f b e d ü r f i

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These würde m. E. eine Verabsolutierung einer am Ursache-WirkungKonnex orientierten Betrachtungsweise darstellen und die Möglichkeit regelgeleiteten, moralischen Handelns verkennen. Als Quintessenz für den Strafrechtsdogmatiker, der sich eines „Strafbedürfnisses" als Argument bedient, um Strafwürdigkeitsurteile zu begründen, sei festgehalten, daß er sich i n erheblichem Maße dem Verdacht aussetzt, „ m i t Hilfe unwissenschaftlicher Scheinargumentationen lediglich Straf bedürfnisse realisieren zu wollen" 1 1 . I n der Regel sind nun diese Zusammenhänge auch denen letztlich nicht verborgen, die für strafrechtsdogmatische Problemlösungen auf „Strafbedürfnisse" abheben. Unsere bisherigen Ausführungen betreffen ja einen Begriff des Strafbedürfnisses, der — wie gesagt — ein rein psychisches Phänomen meint (auf das hier i m übrigen nicht weiter eingegangen werden kann). Der Ausdruck „Strafbedürfnis" ist aber mehrdeutig. Man kann m i t i h m auch ein „Bedürfnis nach Bestrafung" i m Hinblick auf die Realisierung eines bestimmten Zweckes bezeichnen, z.B.: Es ist erforderlich, ein bestimmtes Verhalten zu pönalisieren, um es wirksam zu bekämpfen. A u f einen derartigen Mittel-Zweck-Konnex wendet man i n der Strafrechtsdogmatik vielfach auch den Ausdruck „Strafbedürftigkeit" 1 2 an: Ein Verhalten bedarf der Strafe, damit es i n der Gesellschaft zurückgedrängt werde. I n dem häufig zu beobachtenden Hinüberrutschen i m Gebrauch des Wortes „Strafbedürftigkeit" zum Wort „Strafbedürfnis" (und umgekehrt) spiegelt sich die einen MittelZweck-Konnex anführende Bedeutung des Ausdrucks „Strafbedürfnis", also ein anderer Begriff als der eines bestimmten psychischen Phänomens wider 1 3 . halten: „ E i n ganzes ethisches Gedankengebäude k a n n aus dem Klassenressentiment seines Begründers entstanden sein; aber i m System seiner E t h i k hat dieses Ressentiment keine Stätte, u n d die systematische Begründung dieser E t h i k ist nicht schon dadurch widerlegt, daß ihre Entstehung aus Ursachen entlarvt w i r d , die sich m i t ihrer Begründung nicht decken." 11 Jäger, Henkel-Fs, S. 138; demnach meint Jäger zutreffend, daß das Strafrecht keine Strafbedürfnisse realisieren sollte. Dazu kritisch Haffke, G A 1978, S. 35 ff. 12 Deswegen schreibt Bloy, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 242, daß die Begriffe der Strafbedürftigkeit u n d des Strafbedürfnisses gleichbedeutend seien. 13 Beispielhaft genannt werden: Baumann, S. 491; B u r k h a r d t , Der „Rückt r i t t " , S. 1341; Günther, JuS 1978, S. 11 f.; H i l d e Kaufmann, Strafanspruch Strafklagerecht, S. 124 ff.; Otto, Schröder-Gs, S. 56f.; Rudolphi, SK StGB, vor § 19, Rn. 12 ff.; Schünemann, Bockelmann-Fs, S. 131 f.; Stratenwerth, ZStW 71, S. 567 ff. (in seinem Lehrbuch verwendet Stratenwerth dann n u r noch den Ausdruck „ S t r a f - " bzw. „Schutzbedürfnis", etwa Rn. 159, 164, 186). Ferner findet sich das W o r t „Strafbedürfnis" z.B. bei Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Straf rechts, S. 83 (S. 34: „Strafbedürftigkeitsmerkmale"); Gallas i n : Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 5, S. 104; Jescheck, S1. 430, 446, 450; Letzgus, V o r -

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Gleichwohl m u ß nachdrücklich dafür plädiert werden, i n der Strafr e c h t s d o g m a t i k ü b e r h a u p t n i c h t v o n „ S t r a f b e d ü r f n i s s e n " z u sprechen, u n d z w a r n i c h t n u r aus G r ü n d e n d e r aufgezeigten A m b i v a l e n z dieses A u s d r u c k s , s o n d e r n v o r a l l e m deswegen, w e i l er z u F e h l a r g u m e n t a t i o n e n v e r f ü h r t u n d geeignet ist, methodische K l a r h e i t zu v e r n i c h t e n . N i c h t v o n u n g e f ä h r finden sich S t e l l e n i n d e r j u r i s t i s c h e n L i t e r a t u r , w o i m j e w e i l i g e n Z u s a m m e n h a n g o f f e n die „ B e f r i e d i g u n g des S t r a f b e d ü r f nisses" p o s t u l i e r t w i r d 1 4 . U n d auch b e i g r u n d s ä t z l i c h e r E i n s i c h t i n die M ö g l i c h k e i t eines z u z w e c k r a t i o n a l e r L e g i t i m a t i o n v e r w e n d e t e n S t r a f b e d ü r f n i s b e g r i f f s d r o h t i m m e r die G e f a h r , daß eine wissenschaftliche B e g r ü n d u n g d u r c h d e n A p p e l l a n e i n „ S t r a f b e d ü r f n i s " ersetzt w i r d .

stufen der Beteiligung, S. 115 u n d passim; Nowakowski i n : Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung, S. 156 f.; Roxin i n : Einführung i n das neue Strafrecht, S. 21; Schönke/Schröder/Stree, § 257, Rn. 15; § 283 b, Rn. 1; i n Anführungszeichen bei Spendel, JuS 1 1969, S. 315; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht u n d Wirtschaftskriminalität, Bd. 1, S. 235; Zielinski, Handlungsu n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 134, A n m . 14, S. 205 ff.; Zipf, Die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB), S. 9 ff. — Schünemann gebraucht i n der Bruns-Fs, S. 241, die Wendung „objektives Strafbedürfnis" ausdrücklich i n einem normativen, nicht sozialpsychologischen Sinn. — Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, benutzt an verschiedenen Stellen das W o r t „Sanktionsbedürfnis", wobei jeder Bezug auf das Sanktionsbedürfnis Bezug auf eine Bewertung sei (aaO, S. 106); i n „Schuld u n d Prävention" ist bei Jakobs die Rede von einem „Präventionsbedürfnis" (z. B. S. 6), auch hier zeigt sich eindeutig der normative Bezug (z. B. S. 8 f.). — Lüderssen, Bockelmann-Fs, S. 192 f., bezeichnet das „Strafbedürfnis" zu Recht als einen „ u n klarein), offenkundig als Lückenbüßer verwendete(n)" Begriff (vgl. ferner Lüderssen i n : Lüderssen/Sack [Hrsg.], Seminar: Abweichendes Verhalten, Bd. I I / l , S. 221). Allerdings stimmt der Hinweis (in A n m . 52) auf Schmidhäuser als einem Exponenten einer „großzügige(n) Verwendung" des Ausdrucks „Strafbedürfnis" nicht. Offensichtlich meint Lüderssen Schmidhäusers Gebrauch des Ausdrucks „StrafwürdigkeitDieser Sprachgebrauch sollte jedoch gerade i n dem Sinne großzügig sein, als er der Weite des Strafwürdigkeitsbegriffs Rechnung tragen, also keine Begründung vorspiegeln sollte, wo noch nichts begründet ist. — F ü r Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt i m Strafrecht, S. 70, A n m . 25, sind „die Gesichtspunkte Strafwürdigkeit u n d Strafbedürfnis" „Rechtsprinzipien". — Wie oben der Text Bloy, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 186 f. 14 Bockelmann, Strafrechtliche Untersuchungen, S. 33, u n d i n : Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 5, S. 84, 85. Vgl. auch Blei, Henkel-Fs, S. 118; M a r i a - K a t h a r i n a Meyer, G A 1979, S. 269; die Formulierungen bei Stratenwerth, Schaffstein-Fs, S. 188; die Ansichten A r t h u r Kaufmanns (Das Schuldprinzip, S. 164; JZ 1963, S. 433), der etwa i n Fällen „unbewußter Fahrlässigkeit" u n d bei Straftatbeständen m i t „objekt i v e n Strafbarkeitsbedingungen" eine Bestrafung f ü r ethisch nicht gerechtfertigt, aber gleichwohl „notwendig" h ä l t (in ZStW 76, S. 561, fordert A r t h u r K a u f m a n n dann allerdings, Bestimmungen w i e § 330 a [jetzt § 323 a] außer K r a f t zu setzen. Das B V e r f G (E 6, 389 [434]) b r i n g t das „Bedürfnis nach Bestrafung" i n Verbindung m i t einer diesbezüglichen Stellungnahme der „soziale(n) Gemeinschaft", m i t einem Postulat des Rechtsgefühls. Fragwürdig auch Schünemann, JR 1979, S. 180 u n d passim, der ein i n der Bevölkerung vorhandenes, „ e i n generalpräventives Strafbedürfnis auslösendes Bedrohungserlebnis" f ü r normativ relevant hält.

I I . Strafbedürftigkeit

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I I . Die begriffliche Trennung von „Strafbedürftigkeit" und „Strafwürdigkeit"

Gegen Ende des letzten Abschnitts wurde der Ausdruck „Strafbedürftigkeit" i n der Funktion eines Zweckmäßigkeitsurteils gesehen: Eine Handlung H ist strafbedürftig, d.h. es dient einem bestimmten (zu realisierenden oder bloß faktisch angestrebten) Ziel, wegen H zu strafen; (auf diese Zweckdienlichkeit kann eine technische Norm aufbauen). Bei Vergleich der beiden äquivalenten Aussagen zeigt sich ein ähnlicher Abkürzungseffekt der Konstruktion „ist strafbedürftig" wie beim Gebrauch von „ H ist strafwürdig" für „wegen H sollte gestraft werden" 1 5 . Welcher von beiden jeweils äquivalenten Sätzen als der stilistisch schönere erscheint, w i r d nicht gefragt. Eine Wissenschaft benötigt wohl solche Wortbildungen und die entsprechenden Substantive (hier „Strafbedürftigkeit" und „Strafwürdigkeit"). Der damit verbundene Nominalstil dürfte zu verkraften sein. Man sollte meinen, daß diese zweckbezogene Bedeutung des Strafbedürftigkeitsbegriffs ohne weiteres als i m Grunde t r i v i a l festgehalten werden kann. Schaut man jedoch genauer hin, wie die Fachliteratur 1 6 den Ausdruck „Strafbedürftigkeit", oder eben auch „Strafbedürfnis", verwendet, so w i r d erkennbar, daß eine solche Annahme an dieser Stelle verfrüht wäre und i n jedem Fall näher zu erläutern ist. Zwischen den oftmals i n einem Atemzug genannten Begriffen von Strafbedürftigkeit und Strafwürdigkeit differenziert man nämlich i n ganz unterschiedlicher A r t und Weise. Was mancher für ein Problem der Strafwürdigkeit hält, stellt ein anderer als Problem der Strafbedürftigkeit dar (und umgekehrt). Allerdings kann das auch einmal damit zusammenhängen, daß der eine das betreffende Problem unter „Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten" abhandelt, während der andere die Sache i n einem anderen Lichte sieht. Eine Divergenz i m Gebrauch der Ausdrücke „Strafbedürftigkeit" und „Strafwürdigkeit" besteht dann i n diesem Punkte nicht. Ferner sind die Vorstellungen hinsichtlich eines Implikationsverhältnisses bzw. überhaupt hinsichtlich der Zuordnung der behandelten Begriffe verschieden. Es w i r d vertreten, daß die Strafwürdigkeit einer Handlung nicht bejaht werden könne, ohne die Strafbedürftigkeit zu bejahen, aber auch, daß die Straf bedürftigkeit die Strafwürdigkeit voraussetze oder daß die Bedeutungsfelder 17 dieser Begriffe sich überschneiden, daß also Gegenstände sowohl dem Strafwürdigkeits- als auch dem Strafbedürftigkeitsbegriff oder jeweils nur einem von beiden Begriffen unterfallen. 15 16 17

Vgl. oben, S. 22. Nachweise weiter unten i n den Abschnitten 1 u n d 2. Z u dieser Metapher siehe Strömholm, Allgemeine Rechtslehre, S. 28 f.

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Auch wenn diese Beobachtung noch keine besondere Sacherkenntnis vermittelt — die Unterschiede könnten letztlich bloß terminologisch sein —, macht sie doch deutlich, daß man i m Umgang m i t „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" sehr unsicher ist. Die Unsicherheit könnte dazu führen, daß Scheinprobleme konstruiert bzw. Scheinbegründungen geliefert werden. Eine Redeweise, die — ursprünglich verwendet — einem vereinfachten, verkürzten (wenn auch nicht schönen) Sprechen dient, gewänne ein Eigenleben, das begrifflicher und argumentativer Klarheit abträglich wäre 1 8 . Als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sei an den bisher herausgearbeiteten Strafwürdigkeitsbegriff erinnert, indem noch einmal die folgenden Sätze angeführt werden: „die Handlung H ist strafwürdig" heißt „wegen H sollte gestraft werden". Was könnte i n diesem Zusammenhang ein Hinweis auf „Strafbedürftigkeit" bedeuten? — Hier drängt sich geradezu auf, die Strafbedürftigkeit einer Handlung als Begründung für ein auf diese Handlung bezogenes Strafwürdigkeitsurteil heranzuziehen: „Wegen H sollte gestraft werden, weil es zweckmäßig ist, wegen H zu strafen ( = weil H strafbedürftig ist) 1 9 ." Zwar könnte eine solche A n t w o r t jemanden, der kritisch nach der Legitimation eines bestimmten Strafwürdigkeitsurteils fragt, evidentermaßen nicht zufriedenstellen, sondern der Betreffende würde weiterfragen, und zwar — je nach Sachzusammenhang der Äußerungen — auch danach, ob die auf einer bewertenden Zweckbetrachtung beruhende A n t w o r t prinzipiell zutreffen kann. Immerhin dreht man sich m i t einer solchen Begründung aber nicht im Kreis, sondern befindet sich auf dem Weg, den Verbindlichkeitsanspruch des Strafwürdigkeitsurteils einzulösen. Oben (S. 44 f.) wurde gezeigt, daß der Satz „wegen H sollte gestraft werden, weil H strafwürdig ist" rein tautologisch ist und eine Begründung des Behaupteten nur vorspiegelt. W i l l man sich für die „Strafbedürftigkeit" i n einen ähnlichen Zirkel begeben, so kommt dabei folgende Aussage heraus: „Es ist zweckmäßig, wegen H zu strafen, weil H strafbedürftig ist". Oder i n der Umkehrung: „ H ist strafbedürftig, w e i l es 18 Diese Einsichten schüren von vornherein Mißtrauen sowohl gegenüber einem unreflektierten „bedeutungsschweren" Gebrauch der Ausdrücke „ S t r a f w ü r d i g k e i t " u n d „Strafbedürftigkeit" als auch gegenüber den verschiedenen Aussagen zum jeweils eigenen Standort und zum Standort anderer i n der Frage des begrifflichen ZuordnungsVerhältnisses. 19 Von einer ganz anderen terminologischen Basis geht Treplin, ZStW 76, S. 457 ff., aus, der den Ausdruck „Strafbedürftigkeit" so verwendet, daß nach dem von uns vorgeschlagenen Sprachgebrauch eher von „ S t r a f w ü r d i g k e i t " die Rede sein müßte. Sauer, Mezger-Fs, S. 119, 124, gebraucht „ S t r a f w ü r d i g k e i t " u n d „Strafbedürftigkeit" synonym; dazu kritisch aus seiner Sicht Bloy, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 243, auch Schlosser, Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld" als Verfassungsnorm (Diss.), S. 101, A n m . 37Ç.

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I I . Strafbedürftigkeit

zweckmäßig ist, wegen H zu strafen." Hingegen kann die Straf bedürftigkeit — wie gesagt — ein Strafwürdigkeitsurteil legitimieren. Nähere Angaben lassen sich dazu vom Standpunkt reiner Begriffsanalyse aus allerdings nicht machen. 1. Kritik der Aussage „die Strafbedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus" Es hat sich angedeutet, daß i n unserer Sicht die Strafbedürftigkeit keinesfalls die Strafwürdigkeit voraussetzt. Das damit festgehaltene Zwischenergebnis muß weiter erhellt werden, zumal man vielfach das Gegenteil behauptet 20 . Für dieses Ziel ist vor allem zu klären, was die Aussage „die Strafbedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus" überhaupt bedeuten kann. — Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. a) Geht man davon aus, daß das Strafbedürftigkeitsurteil ein Zweckmäßigkeitsurteil— Strafe als M i t t e l zu einem Zweck — darstellt, so könnte m i t dieser Aussage betont werden, daß ein Strafbedürftigkeitsurteil M i t t e l und Zweck empfiehlt. Ein Zweckmäßigkeitsurteil muß ja nicht immer i n einen moralischen Zusammenhang gestellt sein, sondern kann auch i m Sinne eines hypothetischen Imperativs die Nützlichkeit von Mitteln für vorgegebene, nicht bewertete Zwecke bezeichnen. (Wenn ζ. B. mein Auto reparaturbedürftig ist, heißt das noch nicht, daß ich es reparieren lassen sollte; ich könnte es auch verschrotten. Oder: Hält man Ν . N. für einen guten Einbrecher, dann w i r d man „gut" i n der Regel i n einem rein instrumentalen Sinn verwenden, also meinen, daß Ν. N. versteht, seine Einbruchsvorhaben durch geschickt ausgewählte Mittel erfolgreich zu realisieren.) Demgegenüber könnte der Begriff der Strafbedürftigkeit eben nur solche Handlungen erfassen, i n denen die zweckmäßige Strafe auch moralisch bzw. rechtlich empfohlen wird. Nicht immer, wenn Strafe sich eignet, ein sogar an sich wünschenswertes Ziel zu erreichen, ist sie schon deswegen moralisch erlaubt. Man denke nur daran, daß sich etwa der Ladendiebstahl durch drakonische Strafen sicherlich besser bekämpfen ließe, als das heute der Fall ist, und daß das Strafgesetz trotzdem nicht deswegen verschärft werden sollte; aktuelle Vorschläge für eine zukünftige Gesetzgebung laufen bekanntlich auf das genaue Gegenteil hinaus („Bagatellkriminalität"). N i m m t das Strafbedürftigkeitsurteil den spezifischen Verbindlichkeitsanspruch, den w i r dem Strafwürdigkeitsurteil zugeschrieben haben, i n sich auf, so erschöpft es sich demnach nicht i n einem rein instrumentalen Urteil, sondern bedeutet, daß Strafe legitimiert sei. A n 20 Siehe etwa Jescheck, S. 28, Letzgus, Vorstufen Otto, Schröder-Gs, S. 56 f., 69 f., u n d N J W 1979, S. schaftsstrafrecht u n d Wirtschaftskriminalität, Bd. Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S.

der Beteiligung, S. 114; 683; Tiedemann, W i r t 1, S. 235 f.; Zielinski, 206, A n m . 22.

1. Teil. Strafwürdigkeit

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. Kapitel:

dieser Stelle ist noch zu ergänzen, daß das Auftauchen eines — nicht etwa sinnlosen — Satzes wie „ H ist straf bedürftig, w e i l das Ziel, eine gerechte Gesellschaftsordnung zu schaffen, eine Bestrafung erfordert" die Analyse nicht aus den Angeln hebt, obwohl das Gerechtigkeitsprinzip oben (S. 46) ja gerade als mögliches K r i t e r i u m der Strafwürdigkeit vorgestellt wurde. Man muß sich nur vor Augen führen, daß Prämissen über Mittel-Zweck-Relationen auch dort unverzichtbar sind, wo ein Urteiler von solchen Kriterien moralischen Handelns ausgeht, die unabhängig von der empirischen Nützlichkeit der einzelnen Handlung über deren Moral oder Unmoral entscheiden; denn ζ. B. auch das Ideal der Gerechtigkeit kann nur auf realen Fundamenten verwirklicht werden 2 1 . b) M i t dem eben dargestellten Strafbedürftigkeitsbegriff vereinbar, vielleicht auch als dessen bloße Präzisierung einzuordnen, ist die folgende Ansicht: Die Strafbedürftigkeit setze die Strafwürdigkeit i n dem Sinne voraus, daß die Zweckmäßigkeitsfrage sich erst stellt, nachdem die Strafwürdigkeit als (gravierende) „sozialethische Unwerthaftigkeit" konstatiert wurde 2 2 . Wenn das „sozialethische Unwerturteil" gefällt und die Straf bedürftigkeit bejaht ist, dann sollte wegen der betreffenden Handlung auch gestraft werden. Eine lediglich instrumentale „Strafbedürftigkeit", die nicht diese besonderen Implikationen hat, interessiert hiernach nicht. Diese Sicht kann darauf hinauslaufen, die un21

Vgl. Hoerster i n : Texte zur Ethik, S. 19. Vgl. Jescheck, S. 38; Otto, Schröder-Gs, S. 56, u n d N J W 1979, S. 683; auch Rudolphi, SK StGB, vor § 19, Rn. 12, u n d Stratenwerth, Rn. 186. — I n gewisser Hinsicht ist an dieser Stelle auch Schmidhäuser zu nennen, der allerdings eine andere Terminologie benutzt. Bereits oben, Kap. 2, Anm. 9, w u r d e berichtet, daß Schmidhäuser zwischen dem „sittlichen U n w e r t " u n d „sonstigen Momenten" der Strafwürdigkeit einer Handlung differenziert. Schmidhäuser findet die Strafwürdigkeit vorwiegend nicht i n dem bloß (gravierend) U n moralischen, sondern stellt unter dem Stichwort „ S t r a f w ü r d i g k e i t " gerade Zweckmäßigkeitsüberlegungen (!) an: — zum Erfolgsunwert s. Rn. 8/47 (vgl. auch Wolter, G A 1977, S. 264 u n d passim, der, was hier nicht näher zu erläutern ist, von einem „Prinzip der ,objektiven Zurechenbarkeit' [,Unrechtsbzw. Strafwürdigkeit']" spricht; gegen Schmidhäuser siehe Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 206, A n m . 22); — zum „ R ü c k t r i t t " v o m Versuch siehe Rn. 15/69. Z u r Trennung zwischen „ U n m o r a l " u n d „ S t r a f w ü r d i g k e i t " vgl. Sauer, Mezger-Fs, S. 120. — F ü r einen an ethischen u n d rechtlichen Überlegungen orientierten, gleichwohl unabhängig v o m Verbrechens-„Sachelement" der Strafwürdigkeit gebildeten Unrechts- u n d Schuldbegriff s. Langer, Das Sonderverbrechen, S. 276 ff. — Larenz, Richtiges Recht, S. 89, schreibt: „ . . . n u r solche Handlungen (oder Unterlassungen) sind m i t einer Strafdrohung zu belegen, die — i m Sinne der jeweils herrschenden Sozialmoral — einen moralischen Tadel verdienen u n d — wegen ihrer Gemeinschädlichkeit oder der sich i n ihnen ausdrückenden Mißaehtung des Rechts — strafwürdig sind . . . " . D a m i t postuliert Larenz zwei Werturteile, die für Strafdrohungen Relevanz besitzen sollen. Z u m einen den aus dem vorgestellten F a k t u m einer „herrschenden Sozialmoral" abgeleiteten m o r a l i schen Tadel, zum anderen das auf anderen Gründen beruhende Strafwürdigkeitsurteil. 22

I I . Strafbedürftigkeit

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rechte und schuldhafte Handlung als (gravierend) ethisch unwerthafte, somit als „strafwürdige" Handlung einzustufen und die weiteren materiellrechtlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen dem Begriff der Strafbedürftigkeit zu subsumieren 23 . Eine derartige Konzeption beruht auf — unausgesprochenen — Grundannahmen, die nicht haltbar sind. Die Trennung von „sozialethischem Unwerturteil" einerseits und einer sozialethisch angeblich stets irrelevanten, eine andere Betrachtungsweise ausmachenden „Zweckmittelrationalität" andererseits wurzelt vermutlich (u. a.) i n traditionell bedingten Vorurteilen gegenüber „diesseitigen", empirisch-zweckbezogenen ethischen Theorien. Soweit diese überhaupt i n die Reflexion einbezogen werden, hält man sie oftmals für ein Spezifikum angelsächsischen Philosophierens, dem man sich von vornherein nicht verpflichtet fühlt. Trotz zahlreicher Übersetzungen etwa utilitaristischer — klassischer oder zeitgenössischer — Schriften ins Deutsche und einiger originärer Beiträge zum Utilitarismus aus dem deutschen Sprachraum 2 4 , vor allem aber trotz der Verwendung prinzipiell teleologischutilitaristischer Argumentationsmuster i n der Strafrechtswissenschaft wie „Rechtsgutsbetrachtung", „Güterabwägung", „Generalprävention", „ K r i m i n a l p o l i t i k " o. ä. nähert man sich dem „Utilitaristischen" nicht selten pejorativ 2 5 , meint vielleicht, auf diese Weise i n Anbetracht der eigenen Fundamente, die eher idealistischer oder wertphilosophischer 26 23 Schmidhäuser, Rn. 15/71, k r i t i s i e r t diese Auffassung zutreffend damit, daß sie schwer tue zu begründen, daß das strafwürdige Tatgeschehen dann unter Umständen doch nicht bestraft werden sollte. Allerdings setzt sich Schmidhäuser seinerseits einem ähnlichen E i n w a n d aus, ζ. B. w e n n er i m Bereich des Versuchsdelikts meint, daß m i t dem Strafgrund zunächst n u r der moralische U n w e r t des Versuchs dargetan sei, nicht auch schon dessen Strafwürdigkeit u n d daß lediglich i n der Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung eine Straf Würdigkeitsgrenze m a r k i e r t sei (Rn. 15/18). Wie k a n n man begründen, daß wegen eines Versuchs, w e i l der Versuchsunwert fehle, zwar nicht gestraft werden sollte, daß aber m i t diesem U r t e i l zur Frage der Strafw ü r d i g k e i t gar nicht Stellung genommen worden sei? — Baumann, S. 491, h ä l t es f ü r „gekünstelt" u n d nicht „durchhaltbar", die strafwürdige Straftat bei Vorliegen v o n Unrecht u n d Schuld zu bejahen u n d ζ. B. die sog. „objekt i v e n Strafbarkeitsbedingungen" als Strafbedürftigkeitsmerkmale zu bezeichnen. Allerdings meint Baumann, daß es sinnvoll sei, bei Eingreifen der §§ 153 ff. StPO eine Strafwürdigkeit des Täters zu behaupten (anders unser Vorschlag oben, S. 35), aber ein Strafbedürfnis der Rechtsgemeinschaft zu verneinen; es gehe bei diesen Vorschriften nicht u m den Täter u n d seine Tat, sondern u m die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung, u m Gemeinschaftsgesichtspunkte. Ä h n l i c h v. Weber, M D R 1956, S. 706, bzgl. V o r schriften, welche Interessen dienen, die außerhalb der Ziele der Strafrechtspflege liegen. 24 Es sei n u r die Monographie Hoersters erwähnt: „Utilitaristische E t h i k u n d Verallgemeinerung". 25 z.B. Bockelmann, Radbruch-Gs, S. 253; Sax i n : Die Grundrechte, Bd. I I I / 2, S. 923, A n m . 44. Anders z. B. B u r k h a r d t , G A 1976, S. 321 ff. 28 Gewiß w a r Scheler als Exponent einer „ W e r t e t h i k " nicht frei von M i ß verständnissen gegenüber der utilitaristischen Lehre. So geht er offenbar da-

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

P r o v e n i e n z seien, v e r f a h r e n z u d ü r f e n . Das i s t aber n i c h t d e r F a l l . S o l l — w i e o b e n geschildert — zwischen solchen U r t e i l e n ü b e r H a n d l u n g e n d i f f e r e n z i e r t w e r d e n , die a u f U n w e r t h a f t e s bezogen sind, u n d solchen, d i e a u f z w e c k o r i e n t i e r t e n Ü b e r l e g u n g e n b e r u h e n , d a n n m ü ß t e die v o r geschlagene D i s t i n k t i o n eine eingehende A n a l y s e u n d e i n e n e x p l i z i t e n L e g i t i m a t i o n s v e r s u c h i h r e r V e r f e c h t e r e r f a h r e n , oder es m ü ß t e diese A n a l y s e i n die E r k e n n t n i s eines I r r t u m s m ü n d e n . W i r g l a u b e n i n der T a t n i c h t , daß e i n R e c h t f e r t i g u n g s v e r s u c h e r f o l g r e i c h w ä r e , sondern h a l t e n die g e n a n n t e T r e n n u n g f ü r e x t r e m u n p l a u s i b e l : E i n moralisches W e r t - oder U n w e r t u r t e i l , d. h. die m o r a l i s c h e B e w e r t u n g e i n e r H a n d l u n g , sollte d i e F o l g e n dieser H a n d l u n g , also b e w e r t e t e Z i e l e u n d Zwecke, b e r ü c k s i c h t i g e n 2 7 , z u m i n d e s t aber k a n n j e m a n d e m , d e r e i n Z w e c k m ä ß i g k e i t s u r t e i l als moralisches W e r t u r t e i l meint, n i c h t z u t r e f f e n d e n t g e g e n g e h a l t e n w e r d e n , er v e r f e h l e schon d e n B e r e i c h d e r M o r a l als solchen u n d gebe ü b e r h a u p t k e i n „sozialethisches U n w e r t u r t e i l " ab, das m a n v o m m o r a l i s c h e n S t a n d p u n k t aus k r i t i s i e r e n k ö n n e 2 8 .

v o n aus, daß der Utilitarismus „den Nutzen" als höchsten Wert ansehe (Der Formalismus i n der E t h i k u n d die materiale Wertethik, S. 65). Gleichwohl n i m m t er den Utilitarismus gegen seine „meist sehr oberflächlichen u n d von unechter .Biederkeit 4 strotzenden" K r i t i k e r i n Schutz (aaO, S. 189). Bemerkenswert ist auch Schelers auf den ersten Blick überraschender Hinweis darauf, daß der englische Philosoph G. E. Moore eine Auffassung des W e r t problems vertreten habe, die der seinen ähnlich sei (aaO, S. 13 — V o r w o r t zur 2. Auflage —). Es ist der heutigen Forschung noch aufgegeben, diese L i n i e n nachzuzeichnen. 27 Langer, Das Sonderverbrechen, S. 277, betont hingegen, daß ausschließlich das Recht nicht n u r eine Wert-, sondern auch eine Zweckordnung sei, u n d daß diese beiden Komponenten unauflöslich miteinander verbunden seien. Auch Otto, Schröder-Gs, S. 57, A n m . 15, meint, daß „Wertungs- u n d Zweckmoment . . . nicht absolut getrennt werden" können, „da der f u n k t i o nale Zusammenhang m i t dem Strafbegriff sowohl i m Wertungs- als auch i m Zweckmoment vorhanden ist". Otto k r i t i s i e r t m i t dieser These die Einteilungen Bloys, Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 243. A l l e r dings v e r k n ü p f t Bloy das „Gesamtzweckmäßigkeitsurteil" der Straf bedürftigk e i t ebenfalls m i t der „ V e r w i r k l i c h u n g eines Unwerts", indem er einen „ U n w e r t " als die erste Prämisse der Zweckmäßigkeit der Strafe ansieht. Das wiederum begründet Bloy i n ähnlicher Weise, w i e Otto f ü r die funktionale Einheit v o n „Wertungs-" u n d „Zweckmoment" argumentiert, nämlich m i t dem Strafbegriff: Strafe sei dem Begriffe nach korrigierende Reaktion auf unwertes Verhalten. Demgemäß sei die Verfolgung eines Strafzwecks ohne das Vorliegen eines Unwerts nicht denkbar (aaO, S. 244 f.). D a m i t schreiben Otto und Bloy dem Begriff der Strafe eine Rolle zu, die diesem Begriff gar nicht zukommen kann. Z u m Begriff der Strafe können nämlich nicht die K r i t e r i e n gehören, die darüber entscheiden, w a n n wegen einer Handlung gestraft werden sollte (vgl. oben, S. 48). 28 Es ist nicht auszuschließen, daß unsere K r i t i k einer Doppeldeutigkeit des Wertbegriffs nicht gerecht w i r d . Weitere Überlegungen setzen aber voraus, daß die Vertreter der kritisierten Differenzierung zunächst ihre Position näher bestimmen. — Über „Wertungen u n d Werte i m Recht" siehe Podlech, AöR 95, S. 185 ff. (insbes. S. 195 ff. u n d S. 201 ff.).

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Dieser Gedankengang führt unmittelbar zu der Frage nach dem begrifflichen Unterschied zwischen Recht und Moral, die schon zu Beginn dieser Monographie (Kap. 1, Anm. 1) anklang und für deren Behandlung wiederum auf die Skizze zu „Strafbarkeit und Strafwürdigkeit" i m nächsten Kapitel zu verweisen ist. Gleichwohl kann bereits hier festgehalten werden, daß der methodische Weg, zunächst ein sozialethisches Unwerturteil zu fällen, um dann spezifisch rechtlichen A n forderungen Genüge t u n zu wollen, i n die Irre führt. Der Straftatbegriff beantwortet die Frage, welche Kriterien eine Handlung aufweisen muß, wegen der gestraft werden sollte, d. h. seine Sachgerechtheit beurteilt sich — u. a. — nach dem Maßstab, ob die Handlung des Strafens (!) i n den von i h m erfaßten Fällen (ethisch bzw. rechtlich) begründet ist. Von dieser Problemstellung, die den Kern dessen ausmacht, was teleologisches Denken i n der Strafrechtsanwendung bedeutet 20 , sollte von vornherein ausgegangen und nicht als erstes das sozusagen allgemein-ethische Problem des moralisch Guten oder Schlechten einer Handlung aufgeworfen, dann dem Moralwidrigen das A t t r i b u t des besonders „Gravierenden" hinzugefügt werden 3 0 , um so zu einem Strafwürdigkeitsurteil zu gelangen, zu dem schließlich das Strafbedürftigkeitsurteil ergänzend hinzutritt. Gewiß impliziert ein Urteil über Strafwürdigkeit eine Abwertung der betreffenden Handlung 3 1 , aber soweit ζ. B. de lege lata geurteilt wird, sind auch die gesetzgeberischen Entscheidungen zu berücksichtigen. I m übrigen: Warum sollte der Straftatbegriff damit belastet werden, daß man ein ganz allgemeines, nicht sanktionsbezogenes sozialethisches Unwerturteil zu seinem (Teil-)Gegenstand macht, wo doch ausschließlich eine Aufgabe zu erfüllen ist, nämlich Strafe zu begründen? Die Strafrechtswissenschaft, die einen solchen Begriff der Straftat bildet, und die Strafrechtsjudikatur, die ihn anwendet, erheben damit, wenigstens verbal, einen Anspruch, den beide — Theorie und Praxis — letztlich ohnehin nicht einlösen, und zwar schon deswegen nicht, weil dieser Anspruch an der Funktion des Strafrechts und den Zielen der Strafrechtswissenschaft vorbeigeht. c) Ein anders akzentuiertes Verständnis der geschilderten begrifflichen Unterscheidung zwischen „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" ergibt sich, wenn man die Ziele und Zwecke inhaltlich berücksichtigt, auf welche die gemeinten Strafbedürftigkeitsurteile i n der Regel Bezug nehmen. Gemeint sind die sog. „Strafzwecke" von General- und Spezialprävention. Die Differenzierung zwischen „sozialethischem Un29

Vgl. Schmidhäuser, Rn. 6/2 ff.; Würtenberger-Fs, S. 91 ff. V. Weber, M D R 1956, S. 707, spricht van der „»Höhenmarke' der Strafw ü r d i g k e i t " ; Günther, JuS 1978, S. 13, v o m „Grad an Sozialschädlichkeit", der zur Bejahung der Strafwürdigkeit führe. 31 Vgl. oben, S. 37. 30

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Werturteil" einerseits und einem — diese „Unwerthaftigkeit" voraussetzenden — Zweckmäßigkeitsurteil andererseits w i r d man dann vor allem so deuten, daß das zweckbezogene Urteil über Strafbedürftigkeit nur insofern kein moralisch relevantes Urteil sei, als es nicht die „strafwürdige" Handlung bewerte, also nicht nach deren Zweckwidngkeit frage; hinsichtlich der Bestrafungshanâlung jedoch, deren Zweckdienlichkeit festgestellt werde, handle es sich bei dem Strafbedürftigkeitsurteil durchaus u m ein moralisches Werturteil. Danach ist das Charakteristische eines Strafbedürftigkeitsurteils, daß der von ihm repräsentierte Zweckgesichtspunkt sich nicht auf einen Unwert i n der „strafwürdigen" Handlung bezieht, sondern eine positive Bewertung der Handlung des Strafens erfragt und so letztlich darüber entscheidet, ob wegen der „strafwürdigen" Handlung gestraft werden sollte oder nicht: Bedarf die Tat auf der Grundlage wünschenswerter Abschreckungseffekte general- oder spezialpräventiver A r t der Strafe? Aus unserer Sicht sind erhebliche Bedenken gegen solche Vorschläge einer Trennung zwischen Legitimation des Strafens („Strafbedürftigkeit") einerseits und Tadel der zu bestrafenden Handlung („Strafwürdigkeit") andererseits anzumelden. Sie spiegeln tiefgreifende Aporien heutiger Strafrechtsdogmatik wider; denn man kann die Probleme nicht dadurch lösen, daß man Ausdrücke wie „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" i n der geschilderten Weise befrachtet. Vielmehr ist um eine sachbezogene, das Konglomerat verschiedenartiger Gesichtspunkte aufbrechende Neubesinnung nicht herumzukommen — eine Neubesinnung, welche die normativen Prinzipien entfaltet, die strafrechtliche Begriffsbildung leiten sollten. Darf etwa der Gedanke der Generalprävention die A n t w o r t auf die Frage beeinflussen, ob eine Straftat vorliegt? Wenn ja, i n welcher Weise? I n welchem Verhältnis steht dieser Gedanke an dieser Stelle zum Prinzip der Gerechtigkeit? Bedenkt man, daß die Generalpräventionstheorie zunächst beansprucht, die Institution staatlichen Strafens als solche zu legitimieren, und gerade — was leider oft verkannt w i r d — nicht fordert, i n einem individuellen Fall z. B. wegen eines zu erwartenden Abschreckungseffekts besonders hart zu strafen („ein Exempel zu statuieren"), so wäre eine die Frage bejahende Antwort alles andere als selbstverständlich. I m übrigen ist es ein merkwürdiges Phänomen, daß das Argument der generalpräventiven Wirksamkeit der Strafe ausgerechnet für die begrifflichen Grundlagen des Strafrechts relativ unbefangen verwendet wird, während dort, wo die Generalpräventionstheorie ihren eigentlichen Ort hat, nämlich bei Begründung der Institution „Strafe" selbst, man allgemein eher schwer tut, der fundamentalen These von der Generalprävention als dem Legitimationsgrund für das staatliche Strafen gerecht zu werden 3 2 . (Mit dieser Bemerkung soll keineswegs gesagt

I I . Strafbedürftigkeit

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sein, daß ein generalpräventiver Ansatz ohne wünschenswerte Konsequenzen für die strafrechtsdogmatische Begriffsbildung bzw. Legitimation allgemeiner, d.h. nicht auf Zufällen individuell-empirischer Natur beruhender Strafbarkeits- oder Straflosigkeitsgründe ist. Diese Problematik bleibt vielmehr unerörtert. Beispielhaft erwähnt sei nur die Struktur des Straftatausschlusses bei Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes gemäß § 35, die sich so beschreiben läßt, daß das Maß der Motivierbarkeit eines Täters durch die Strafdrohung i n solchen Fällen i m allgemeinen sehr gering ist.) Weniger überrascht der Sachverhalt, daß ein Strafbedürftigkeitsurteil auf spezialpräventive, also auf den betreffenden Täter bezogene Strafziele abstellt; denn damit w i r d einem Gedanken entsprochen, der sich heute i n den Wissenschaften, die sich m i t der Strafe befassen, aber auch i n sonstigen publizierten Meinungsäußerungen allgemein großer Wertschätzung erfreut. Daß ihm irgendwo i m Gesamtzusammenhang des Problems staatlichen Strafens eine wichtige Funktion beizumessen sei, dürfte nach allen heute vertretenen Straftheorien unstreitig sein. Allerdings drängt sich die Frage auf, ob man das Vorliegen einer Straf tat sachgerechterweise davon abhängig machen kann, welcher spezialpräventiven Prognose der jeweilige Täter unterliegt. Man mag gegen ein solches Bedenken einwenden, daß der Zweck der Unterscheidung von Strafwürdigkeit und Straf bedürftigkeit ja gerade sei, den Begriff der Straftat ausschließlich m i t Strafwürdigkeitsaspekten zu verknüpfen und das auf den Einsatz von Strafe bezogene Zweckmäßigkeitsurteil außerhalb des Strafwürdigkeitskontextes anzusiedeln, so daß die der Strafbedürftigkeit zugeordneten Momente außerhalb des Straftatbegriffs liegen. M. E. wäre das aber ein rein terminologischer, bloß scheinbarer Ausweg. Ohne daß i n dieser Abhandlung der Straftatbegriff als solcher umfassend zum Gegenstand gemacht werden kann 3 3 — das hieße ja, eine Systematik der Straftat insgesamt zu entfalten —, muß man es als Augenwischerei bezeichnen, wenn mittels 32

Z u r Generalpräventionstheorie siehe Hoerster, G A 1970, S. 272 ff., u n d unter „Strafe" i n : Handlexikon zur Rechtswissenschaft, S. 456 ff. (dort i m Rahmen einer Behandlung der verschiedenen Straftheorien insgesamt); M ü l ler-Dietz i n : Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 91 ff.; Schmidhäuser, V o m Sinn der Strafe, S. 24 ff., 53 ff., u n d i m Lehrbuch, Rn. 3/ 15 f. Auch auf die A r b e i t Haffkes, Tiefenpsychologie und Generalprävention, k a n n hier n u r pauschal hingewiesen werden. E r w ä h n t sei noch, daß Hoerster die einschlägigen Ansichten Schopenhauers, dessen philosophischen Beitrag man bisher i n der strafrechtswissenschaftlichen Diskussion der ethischen Rechtfertigung des Strafens übersehen hat, als Stellungnahme f ü r die Generalpräventionstheorie interpretiert (siehe 53. Schopenhauer-Jahrbuch 1972 [Hübscher-Fs], S. 101 ff.; ARSP 58 [1972], S. 555 ff.; ARSP 59 [1973], S. 242 — Replik auf den Diskussionsbeitrag Ostermeyers, ARSP 59 [1973], S. 237 ff. —). 33 Vgl. bereits oben, S. 37, u n d Kap. 2, i n u n d bei Anm. 25, 26. Auch der Tatbestandsbegriff w ä r e dann näher zu behandeln.

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1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

eines terminologischen Tricks ein Sachproblem zum Verschwinden gebracht, jedoch nicht seiner Lösung zugeführt wird. Gelangt man ζ. B. zur Straflosigkeit eines bestimmten Versuchs, weil der Handelnde von diesem Versuch gem. § 24 zurückgetreten ist, dann bewegt sich die Argumentation nicht i n einem prinzipiell anderen Sachzusammenhang, als wenn ein strafbarer Versuch ζ. B. deswegen verneint werden müßte, weil eine Rechtsgutsverletzung fehlt, und zwar auch unter der Prämisse nicht, daß man den Grund der jetzigen gesetzlichen Rücktrittsregelung i n (paradoxerweise vom individuellen Täter abstrahierenden) spezialpräventiven Belangen findet. Die beiden Straflosigkeits- (Nichtstrafwürdigkeits-)Urteile sind der Funktion nach 34 identisch. Es geht jeweils um die Legitimation des Straf ens i m Rahmen eines einheitlichen Straftatbegriffs. Z u behaupten, daß nur i n einem Fall die Strafwürdigkeit, i m anderen aber die Strafbedürftigkeit einer Handlung betroffen sei, kann da nur zu Konfusionen führen und Argumentationen provozieren, die sich bei genauer Analyse als Spiel m i t Wörtern entlarven, ohne daß die jeweiligen sachlichen Gründe für die Strafbarkeits- oder Straflosigkeitsvorschläge zur Sprache kämen. Den Begriff der Straftat gewissermaßen verdoppeln (das müßte man konsequenterweise vorschlagen), hieße die Probleme verschieben, aber nicht lösen. I m übrigen mag es i n einem sog. „Tatstrafrecht" 3 5 durchaus möglich sein, Gesichtspunkte der Spezialprävention widerspruchsfrei i n das System einzubauen, gerade auch indem dafür ein anderer Anknüpfungspunkt gewählt w i r d als derjenige, bei dem es darum geht, die Tatbestands Voraussetzungen einer Straftat festzustellen 36 . Die referierte Trennung zwischen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit jedoch läuft auf eine Scheinlösung hinaus, die das Aporetische verhüllt, das sich daraus ergibt, daß ganz heterogene Grundgedanken — die gerechte Strafe einerseits und die Strafe, die zum einen general- oder zum anderen spezialpräventiven Erfordernissen genügt, andererseits — unreflektiert verschmolzen werden. Man muß die Frage einmal grundsätzlich aufwerfen, welche ethischen Argumente für die Bildung des Straftatbegriffs maßgeblich sein sollten, also ζ. B. nur auf die Vergangenheit bezogene Ge34

Schmidhäuser, Rn. 13/5. Siehe oben, S. 41 ff. 38 Anzuführen ist hier etwa die Konzeption Burkhardts, Der „ R ü c k t r i t t " , S. 184 ff.; siehe dazu auch unten, Kap. 12, A n m . 29. — Erkenntnisgewinn über die eigentlich straftheoretische Frage hinaus („Darf der Staat überhaupt strafen?") verspricht der Ansatz, zwischen den Stufen des S träfe-Androhens, Strafe-Verhängens u n d Strafe-Vollziehens zu unterscheiden. Vgl. etwa Hoerster, „Strafe" i n : Handlexikon zur Rechtswissenschaft, S. 463 f.; M a x Ernst Mayer, S. 419; Roxin, JuS 1966, S. 381; Schmidhäuser, V o m Sinn der Strafe, S. 87 ff., u n d Lehrbuch, Rn. 3/16 ff. U m i n die angedeuteten Probleme helleres Licht zu bringen, wäre eine Analyse des Verhältnisses von Straftheorie u n d Straf ta tsystematik notwendig; zu dieser Aufgabe siehe bereits Gallas, K r i m i n a l p o l i t i k u n d Strafrechtssystematik, S.. 1 ff. 35

I I . Strafbedürftigkeit

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rechtigkeitsaspekte oder nur zukunftsorientierte Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder auch — aber wie miteinander verknüpft? — beide Betrachtungsweisen. Daß der den Ausdrücken „StrafWürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" von uns zugewiesene begriffliche Ort auch der sachgerechte Ort ist, w i r d sich dann sozusagen „wie von selbst" erweisen. Der i n dieser Abhandlung entwickelte Begriff der Strafwürdigkeit ist durchgängig verwendbar, d. h. stets dann, wenn die Frage zu prüfen ist, ob wegen einer Handlung gestraft werden sollte, und ohne daß diese Frage i n einen bestimmten Kontext eingebettet sein müßte. Die fehlende inhaltliche Aussagekraft muß i h m gerade als Stärke angerechnet werden, w e i l so kein I r r t u m darüber entstehen kann, daß das Strafwürdigkeitsurteil der Legitimation bedarf, diese also nicht schon selbst enthält (ebensowenig wie etwa das Urteil „der Zeuge ist glaubwürdig" eine Begründung dafür enthält, daß dem Zeugen geglaubt werden sollte). Selbstverständlich ist es möglich, für „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" bestimmte Nominaldefinitionen einzuführen. Aber nach allem, was unsere bisherige Analyse dieser Ausdrücke ergeben hat, spricht nichts dafür, einen solchen Weg einzuschlagen. Vielmehr drängt sich als Desiderat die Entwicklung einer umfassenden Theorie der Straf Würdigkeit auf, welche diejenigen Prinzipien verarbeitet und unter ihnen abwägt, die als Orientierungspunkte für normatives Denken in der Strafrechtswissenschaft i n Betracht kommen. U m Mißverständnisse zu vermeiden, sei noch ergänzend angemerkt, daß unsere Thesen nicht dadurch widerlegt werden können, daß man vorführt, wie dem Ausdruck „Strafwürdigkeit" i n gewissen Verwendungszusammenhängen doch eine begründende Funktion für den Satz „wegen dieser Handlung sollte gestraft werden" beizumessen ist. Hierzu stelle man sich etwa vor, daß jemand seinen strafrechtlichen Ausführungen die Angabe von Kriterien der Strafwürdigkeit voranstellt und dann bestimmte Werturteile schlicht unter Hinweis auf „Strafwürdigkeit" begründet, um die herangezogenen Kriterien nicht jeweils erneut anführen zu müssen. Es ist unserem methodischen Ansatz gerade immanent, sich der Mannigfaltigkeit möglicher Sprechweisen nicht zu verschließen. Und m i t „Mannigfaltigkeit möglicher Sprechweisen" meinen w i r eben auch, daß ein Satz, der an einer Stelle sinnvoll ist, nicht ohne weiteres i n andere Zusammenhänge übertragen werden kann, ohne seinen Sinn zu verlieren (oder fundamental zu verändern). Es ist hier noch einmal kurz auf unsere Ansicht zurückzukommen, daß die Bildung eines Begriffs der Straftat, der ausschließlich „Strafwürdigkeitsmomente" i m geschilderten Sinn erfassen soll, die wesentlichen Fragen nicht erhellt, sondern verdunkelt, also keine Lösung der 5 Alwart

1. Teil. Strafwürdigkeit 4. K a p i t e l :

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aufgezeigten P r o b l e m e a n b i e t e t 3 7 . Diese A n s i c h t w i r d n ä m l i c h w e i t e r b e s t ä r k t , w e n n m a n d i e j e n i g e n K o n z e p t i o n e n ins B l i c k f e l d r ü c k t , die daf ü r plädieren, general- u n d spezialpräventive Zweckmäßigkeitsurteile a u f U n r e c h t 3 8 u n d S c h u l d 3 9 , also klassische Straftatmerkmale z u beziehen. D a m i t d r ä n g t sich d a n n w e i t e r die F r a g e nach d e m V e r h ä l t n i s v o n Kriminalpolitik u n d S t r a f t a t s y s t e m a t i k a u f — eine F r a g e s t e l l u n g , die i n d e r h e u t i g e n Strafrechtswissenschaft e i n e n beachtlichen R a u m e i n n i m m t u n d d i e i m Z u s a m m e n h a n g dieser U n t e r s u c h u n g l e d i g l i c h als Problempunkt erwähnt werden kann. Ebensowenig können w i r hier d i e F r a g e anpacken, ob k r i m i n a l p o l i t i s c h e „ T e l e o l o g i e " — vorausgesetzt, i h r d a r f f ü r d i e D o g m a t i k des Strafrechts ü b e r h a u p t Relevanz z u k o m m e n 4 0 — zur B i l d u n g einer „eigenständigen Deliktskategorie" f ü h r t 4 1 oder i n d e n h e r k ö m m l i c h e n V e r b r e c h e n s m e r k m a l e n v o n U n r e c h t u n d S c h u l d a u f g e h t . I m ü b r i g e n ist z u e r w ä h n e n , daß m a n die A u s d r ü c k e „Strafbedürftigkeit" u n d „kriminalpolitische Notwendigkeit" bzw. „ k r i m i n a l p o l i t i s c h e s B e d ü r f n i s " zu s t r a f e n v i e l f a c h s y n o n y m v e r w e n d e t 4 2 . 37

Siehe oben, S. 63 f. Dazu w i r d der dritte T e i l dieser Abhandlung noch Beispiele geben. 39 Genannt seien hier n u r folgende Abhandlungen Roxins: i n der Bockelmann-Fs, S. 279 ff. (m. w . N.), u n d i n der Henkel-Fs, S. 171 ff., sowie Roxin, K r i m i n a l p o l i t i k u n d Strafrechtssystem, S. 33 ff. — Vgl. die Schrift von Jakobs „Schuld u n d Prävention". Z u r Problematik siehe ferner Burkhardt, G A 1976, S. 321 ff., der aaO, S. 338 ff., insbes. den Zusammenhang von Schulderfordernis u n d Gerechtigkeitsprinzip betont; auch Rudolphi, S K StGB, vor § 19, Rn. 1 b, u n d Stratenwerth, Die Z u k u n f t des strafrechtlichen Schuldprinzips, S. 21 ff., 30 ff., 42 ff. 40 I n „ K r i m i n a l p o l i t i k u n d Strafrechtssystem" zeigt Roxin Grundlinien einer kriminalpolitisch-teleologischen Straftatsystematik auf. Bemerkenswert u n d gleichzeitig k r i t i k w ü r d i g ist es, daß Strafrechtsdogmatik nach einer solchen Konzeption m i t Gerechtigkeit allenfalls am Rande zu t u n hat. So findet sich aaO, S. 41, ganz u n v e r m i t t e l t eine n u r vereinzelte Bezugnahme auf Gerechtigkeit. F ü r eine Relativierung des kriminalpolitischen Standpunktes i m Hinblick auf ein unabhängig von i h m ausgelegtes Schuldprinzip Schmidhäuser, J Z 1979, S. 367 f. — I n diesen Zusammenhang gehört auch die verbreitete Redeweise v o m „geschützten Rechtsgut", m i t der man oftmals ganz pauschal u n d unkritisch vorgibt, den Rechtsgüterschutz durch bestimmte V o r schläge zur Rechtsanwendung beeinflussen zu können (der Systematische Kommentar zum Strafgesetzbuch hat sich i m V o r w o r t seines zweiten Bandes ausdrücklich zu einem solchen Z i e l bekannt u n d w i l l „die konkrete [ k r i m i n a l politische] Schutzaufgabe der einzelnen Strafdrohungen" — Hervorhebung v o m Verf. — genau bestimmen). Schmidhäuser, Rn. 5/15, schreibt dagegen richtig, daß m a n (meistens) nicht von einem unmittelbaren Schutz der Rechtsgüter durch Strafdrohungen ausgehen dürfe. 41 Vgl. die Fragestellung Ottos, Schröder-Gs, S. 53. Siehe Sax, JZ 1976, S. 14 f., i n u n d bei A n m . 41. 42 Siehe n u r Rudolphi, S K StGB, v o r § 19, Rn. 12. — Festzuhalten ist noch, daß der Begriff der Straf bedürftigkeit zum T e i l gerade auf außerstrafrechtliche Interessen bezogen w i r d u n d nicht auf kriminalpolitische Ziele (in dieser Richtung etwa Lange, ZStW 63, S. 458, der i m übrigen, aaO, S. 457 f., anläßlich einer Besprechung der „Allgemeine(n) Straf rechtslehre" Sauers einen „allzu ausschließlich sozialethisch" geprägten Begriff der Strafwürdigkeit kritisiert u n d fragt, ob dieser Begriff nicht durch den der Strafbedürftigkeit 38

I I . Strafbedürftigkeit

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Wissenschaftlich akzeptabel können allenfalls solche Äußerungen sein, die m i t einer „kriminalpolitischen Notwendigkeit" ein rationales Zweckmoment meinen und nicht etwa davon auszugehen, daß Strafe bezüglich bestimmter Konstellationen „an sich" illegitim, aber wegen gewisser „Notwendigkeiten" gleichwohl anzudrohen sei 43 . Ausgangsbasis unserer analytischen Betrachtungen auf den letzten Seiten war der Satz „die Straf bedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus". Die i n i h m zum Ausdruck kommende Bestimmung des Verhältnisses von „Strafbedürftigkeit" und „Strafwürdigkeit" hat sich i n den zuletzt behandelten Interpretationen dieses Satzes als unsachgerecht erwiesen. d) Abschließend soll der Blick auf folgende weitere Interpretationsvariante gelenkt werden: Kriminalpolitisch zweckmäßig sei Strafe nur dann, wenn wegen strafwürdiger Handlungen gestraft werde. Oder anders ausgedrückt: Die kriminalpolitischen Ziele lassen sich nur unter der Bedingung erreichen, daß das Strafen — mindestens zu einem gewissen Grade — ethisch bzw. rechtlich legitimiert ist 4 4 . Würde die Rechtsordnung etwa schuldlos Handelnde m i t Strafe bedrohen oder moralisch wertvolle Handlungen pönalisieren, wären die Wirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben langfristig gesehen verhängnisvoll. A n das Strafen geknüpfte kriminalpolitische Erwartungen würden letztlich enttäuscht. Diese Interpretation zielt auf einen ganz bestimmten Mittel-ZweckZusammenhang. Man w i l l die Gesellschaft vor bestimmten Verhaltensweisen schützen und nimmt an, daß Strafe ein geeignetes M i t t e l sei, das Gewollte zu realisieren. Allerdings soll das bloße Vorhandensein der Institution staatlicher Strafe dazu nicht genügen, sondern die gesellschaftliche Situation ist m i t Strafe — so die These — nur dann gegenüber derjenigen ohne Strafe vorzugswürdig, wenn die Strafordnung bestimmten normativ interpretierbaren Anforderungen genügt. Ob diese These wahr ist, soll hier nicht geprüft werden. Sie hat auf den ersten Blick immerhin einige Plausibilität für sich 45 . Es handelt sich bei ihr allerdings nicht u m eine strafrechtsdogmatische Aussage, sondern um eine zu ergänzen oder sogar zu ersetzen wäre; etwa Bloy, Strafausschließungsu n d Strafaufhebungsgründe, S. 224 ff., 243 f., v e r k n ü p f t demgegenüber den Begriff der Strafbedürftigkeit gerade m i t kriminalpolitischen Gesichtspunkten). 43 So aber A r t h u r K a u f m a n n an den oben, A n m . 14, zitierten Stellen. — Zutreffend Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, S. 111, m i t dem Hinweis, daß das Schlagwort der kriminalpolitischen Erfordernisse die Strafbarkeit k e i neswegs ausreichend begründe. 44 Vgl. Letzgus, aaO, S. 111: „Die Strafwürdigkeit selbst bleibt aber ein wesentliches Element jeder kriminalpolitischen Forderung nach Strafbarkeit, an welchem auch der Gesetzgeber nicht vorbeigehen kann." 45 Siehe Hoerster, G A 1970, S. 273 ff. 5*

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1. Teil. Strafwürdigkeit 4. K a p i t e l :

empirisch-sozialpsychologische, deren Konsequenzen für die Gestaltung der Strafrechtsordnung und die Aussagen der Strafrechtsdogmatik offen bleiben. Auch wenn der Satz „es ist kriminalpolitisch zweckmäßig, wegen strafwürdiger Handlungen zu strafen" wahr ist, sind m i t i h m nicht diejenigen Handlungen bezeichnet, deretwegen gestraft werden sollte, und zwar weder die besonderen einzelnen Handlungen noch die allgemeine Struktur der strafwürdigen Handlungen. Die Kriterien der Strafwürdigkeit könnten allerdings wiederum von kriminalpolitischen Aspekten (mitbestimmt werden. Der Gebrauch der Ausdrücke „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" zur Formulierung der These, die kriminalpolitisch zweckmäßige Strafe setze voraus, daß wegen der faktisch pönalisierten Handlungen gestraft werden sollte, ist nach den von uns vorgeschlagenen Begriffen unproblematisch. Gewisse Schwierigkeiten müßten sich für diejenigen einstellen, die i m Rahmen einer solchen kriminalpolitischen Forderung (Strafbedürftigkeit) konsequenterweise nicht schlicht auf die Strafwürdigkeit von Handlungen abheben könnten, sondern zwischen „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" der betreffenden Handlung differenzieren müßten, so daß „Strafbedürftigkeit" i n zwei verschiedenen Bedeutungen angesprochen wäre. A n diese Formulierungsprobleme läßt sich selbstverständlich kein sachlicher Einwand knüpfen. Entscheidend ist, daß es gelingt, das Gemeinte irgendwie deutlich zu machen. Als Resümee kann konstatiert werden, daß gegen den Satz „die Strafbedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus" i n der soeben vorgeführten Interpretation keine prinzipiellen Bedenken bestehen 46 . Jedoch ist diese Interpretation für den uns interessierenden strafrechtsdogmatischen Kontext bedeutungslos. e) Blicken w i r zurück auf die i n diesem Abschnitt bisher dargestellte und kritisierte Konzeption und Handhabung der Ausdrücke „Strafbedürftigkeit" als Implikans und „Strafwürdigkeit" als Implikat, so sehen w i r das Bemühen einer Strafrechtsdogmatik, einen für relevant gehaltenen „Zweckgedanken" i n die begrifflichen Grundlagen einzubauen, ohne daß man sich über Inhalt und Tragweite dieses „Zweckgedankens" hinreichend i m klaren ist. Das zeigt sich ein weiteres Mal sehr deutlich, wenn das i m folgenden beschriebene Vorgehen zur Kenntnis genommen w i r d : Man setzt zunächst voraus, daß die Strafbedürftigkeit zusätzliche Straftatmerkmale (ζ. B. die rechtswidrige Rauschtat des § 323 a) und Straftatausschließungsgründe (ζ. B. den Rücktritt gem. § 24) erfasse, dann, daß nicht alle (Straf-)Taten solche Strafbedürftigkeitselemente enthalten. A u f dieser Grundlage beantwortet man die Frage, 48 Meinte m a n allerdings, daß sich die Strafwürdigkeit i n k r i m i n a l p o l i t i scher Zweckmäßigkeit erschöpfe, liefe die obige Interpretation auf eine bloße Tautologie hinaus.

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ob Handlungen, die ohne das Vorhandensein „zusätzlicher Straftatmerkmale" — und ohne daß „Straftatausschließungsgründe" überhaupt i n Betracht kommen — strafbar sind, ebenfalls dem Strafbedürftigkeitskriterium genügen oder als strafbar und strafwürdig bezeichnet werden können, ohne strafbedürftig zu sein. — Bei solchem Vorgehen scheint nämlich entgegen der eigenen Aussage nicht mehr zu gelten, daß die Strafbedürftigkeit die Strafwürdigkeit voraussetze, sondern daß umgekehrt die Strafbedürftigkeit Implikat der Strafwürdigkeit sei. So heißt es i n Jeschecks Lehrbuch zunächst: „Die Straf bedürftigkeit s e t z t . . . die Strafwürdigkeit der Tat voraus" 4 7 und an späterer Stelle: „ M i t der Strafwürdigkeit der Tat i s t . . . i n der Regel auch das Strafbedürfnis zu bejahen.. ." 4 8 , (aber ζ. B. bei § 323 a nicht). Wenn jedoch beide Sätze richtig sein sollen, dann nähert man sich der Annahme einer gegenseitigen Implikation 4 9 , so daß Strafbedürftigkeit und Strafwürdigkeit als äquivalente Begriffe einzuordnen wären, was gewiß nicht der ursprünglichen, auf differenzierende Begriffseinteilung gerichteten Intention entspräche. M i t diesen letzten Bemerkungen haben w i r uns auf die Grenze dessen zubewegt, was überhaupt noch i m weitesten Sinne rational diskutierbar ist. Das Aporetische der erörterten Konzeption mündet i n eine Begriffsverwirrung. — Hat man ein zweckbezogenes Strafbedürftigkeitsurteil i m Bereich der Strafrechtsdogmatik erst einmal als solches isoliert erfaßt, meint man, ohne es bei der Begründung von Strafe an keiner Stelle mehr auskommen zu können (nur wegen Strafbedürftigem solle gestraft werden!). Eine solche Annahme ist aber alles andere als unmittelbar einleuchtend. Der Gedanke der Strafe als „ultima ratio" bedarf kritischer Überprüfung, wenn er auf die Bildung des Begriffs der Straftat zentralen Einfluß nehmen soll. Irgendwo sträubt sich (noch?) der Begriff gegenüber Vorschlägen, die darauf hinauslaufen, die Strafrechtsdogmatik dem Denkschema verwaltender Vernunft unterzuordnen: Ziel sei die wirksame Verbrechensbekämpfung, M i t t e l dazu die Strafe, und zwar auch stets dort, wo es um begriffliche Probleme innerhalb der bestehenden Strafrechtsordnung geht. 2. Kritik der Aussage „die Strafwürdigkeit setzt die S traf bedürftigkeit voraus" Bevor w i r zur K r i t i k der Aussage „die Straf bedürftigkeit setzt die Strafwürdigkeit voraus" übergingen, hatten w i r festgestellt, daß eine 47

Jescheck, S. 38. Jescheck, S. 450, siehe auch S. 445 u n d 446. Vgl. Rudolphi, SK StGB, vor § 19, Rn. 12; Stratenwerth, Rn. 186; i n ZStW 71, S. 567, stellt Stratenwerth das Erfordernis der S traf bedürftigkeit neben das der Strafwürdigkeit. 49 Z u diesem Begriff K l u g , Juristische Logik, S. 42. 48

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1. Teil. Strafwürdigkeit 4. Kapitel:

vorhandene Strafbedürftigkeit ein Strafwürdigkeitsurteil über eine Handlung unter Umständen legitimieren könne 50 . Man geht einen Schritt weiter, wenn man behauptet, daß die Strafwürdigkeit die Strafbedürftigkeit impliziere, daß also Strafwürdigkeit stets das Vorliegen von Strafbedürftigkeit voraussetze 51 — „Strafbedürftigkeit" so verstanden, daß sie inhaltlich m i t den Zielen und Zwecken aufgefüllt ist, die w i r bereits i m letzten Abschnitt auf diesen Begriff gebracht haben. Konzipiert man i n dieser Weise die Strafbedürftigkeit als notwendige Bedingung der Strafwürdigkeit, dann stellt sich sofort die Frage, welche zusätzlichen Bedingungen erfüllt sein müssen, um zur Strafwürdigkeit zu gelangen. I n diesem Zusammenhang stößt man nun auf dieselben (vagen) Gesichtspunkte, die schon i m letzten Abschnitt von der Strafbedürftigkeit unterschieden wurden, nur daß die dort referierten Vorschläge diese Gesichtspunkte dem Aspekt der Strafbedürftigkeit nicht gleichordneten und m i t i h m unter einem gemeinsamen Terminus zusammenfaßten. Allerdings verwischen sich die Unterschiede deswegen, w e i l einerseits — wie oben gezeigt — die Subordination des Strafbedürftigkeitsbegriffs unter den Strafwürdigkeitsbegriff nicht durchgehalten und weil andererseits — wie noch zu zeigen ist — die Strafbedürftigkeit besagten Gesichtspunkten nicht strikt gleichgeordnet wird. Von daher sind die Abweichungen der beiden angesprochenen Konzeptionen voneinander i n der Tat vor allem terminologischer Natur 5 2 . Das verblüfft natürlich sehr, wenn man die Ausgangspunkte betrachtet, die — repräsentiert durch die verschiedenen Aussagen, die i n direkter Rede in den Uberschriften der Unterabschnitte 1 und 2 (S. 57 und S. 69) zitiert sind — eine fundamentale, logische Unvereinbarkeit bedeutende Divergenz der Auffassungen nahelegen. Dieser Umstand spricht entschieden dafür, daß das Grundpostulat jeder Wissenschaft, nämlich den Standards logischer Begriffsbildung zu genügen, an dieser Stelle nicht erfüllt ist, und zwar auch von denen nicht, welche die „Strafwürdigkeit" i n noch näher zu erläuternder Weise als umfassenden Begriff konzipieren. Als Verfechter einer solchen Auffassung ist vor allem Sax zu nennen, der den Begriff der „Strafwürdigkeit" i n die Kriterien des „StrafeVerdienens" und „Strafe-Bedürfens" (Strafbedürftigkeit) auffächert. Strafe sei unter der Voraussetzung „verdient", daß der „Wertbezug" der „Wertverletzung" „hinreichend erkennbar nachhaltig ist, um zu der nachhaltigen Unwertbeurteilung des Täters durch die Strafe i n eine erträgliche Proportion zu treten und daher den Eingriff i n seine Men50

Oben, S. 56. So ausdrücklich Munoz-Conde, ZStW 84, S. 289; Sax i n : Die G r u n d rechte, Bd. III/2, S. 924. 52 Vgl. Otto, Schröder-Gs, S. 56, A n m . 13; Schlosser, Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld" als Verfassungsnorm (Diss.), S. 101, A n m . 376. 51

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s c h e n w ü r d e zu r e c h t f e r t i g e n " 5 3 ; d e r S t r a f e b e d ü r f e es d a n n , w e n n sie „das e i n z i g z w e c k m ä ß i g e M i t t e l ist, u m die G e m e i n s c h a f t s o r d n u n g geg e n ü b e r solchen W e r t v e r l e t z u n g e n z u schützen u n d z u b e w ä h r e n , u n d d a h e r t r o t z i h r e s n a c h h a l t i g e n E i n g r i f f s i n die M e n s c h e n w ü r d e des B e troffenen nicht entbehrt werden k a n n " 5 4 . E i n e solche U n t e r t e i l u n g d e r „ S t r a f w ü r d i g k e i t " ( i m w e i t e r e n S i n n ) i n die S t r a f b e d ü r f t i g k e i t u n d d e n A s p e k t des „ S t r a f e - V e r d i e n e n s " e r w e c k t a u f d e n ersten B l i c k d e n Anschein, als k ö n n e m a n sich d e r S t r a f b e d ü r f t i g k e i t h i e r zunächst i m V e r s t ä n d n i s h o r i z o n t r e i n i n s t r u m e n t a l e r V e r n u n f t n ä h e r n 5 5 . Das ist aber n i c h t d e r F a l l . Genaues H i n s e h e n l ä ß t 53 H i e r könnte man gewissermaßen von „ S t r a f w ü r d i g k e i t i m engeren Sinne" sprechen. 54 Sax i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 933. Siehe ferner Eser, Die A b grenzung von Straftaten u n d Ordnungswidrigkeiten (Diss.), S. 148 ff.; G a l l was, M D R 1969, S. 894 f.; Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 27 ff.; Schlosser, Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld" als Verfassungsnorm (Diss.), S. 101. Vgl. Gallas, Beiträge zur Verbrechenslehre, S. 16 f. 55 I n diese Richtung geht die Sicht Günthers, JuS 1978, S. 11 f., 14, der allerdings v o m Standpunkt des Gesetzgebers aus argumentiert. Kriminalpolitischlegislativ spielen Zweckmäßigkeitsüberlegungen beispielsweise i m Bereich eines Kartellstraf rechts eine wichtige Rolle: Vgl. Selmer, Verfassungsrechtliche Probleme einer K r i m i n a l i s i e r u n g des Kartellrechts, S. 33 ff. — unter betonter Verknüpfung des Strafbedürftigkeitsgedankens m i t dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Tiedemann, Kartellrechtsverstöße u n d Strafrecht, S. 164 ff. — welcher A r t die v o n uns geforderten Überlegungen sein müssen, die versuchen, Strafbedürftigkeitsargumente m i t sonstigen dem Strafrecht zugrundeliegenden normativen Prinzipien i n E i n k l a n g zu bringen bzw. deren Verhältnis sachgerecht zu problematisieren, zeigt Tiedemanns auf die (Ir-)Relevanz des Maßstabs der Zweckmäßigkeit bezogene Äußerung (aaO, S. 177, auch S. 176), daß gravierend sozialschädliches Verhalten außerhalb des traditionellen Kernbereichs v o n K r i m i n a l strafrecht n u r dann nicht zu kriminalisieren sei, w e n n die K r i m i n a l i s i e r u n g dazu führen würde, daß die Ahndungs- u n d Präventionsmöglichkeiten i m Verhältnis zu dem Einsatz v o n Ordnungswidrigkeitenrecht entscheidend v e r schlechtert w ü r d e n (das B V e r f G [NJW 1979, S. 1100] betont, daß der v e r fassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht duròh generalpräventive Erfordernisse eingeschränkt werden dürfe). — Ferner denke m a n an die Ausführungen des B V e r f G i n seiner Entscheidung zur Reform des § 218 (siehe oben, Kap. 3, A n m . 4). A u c h Bloys Differenzierung zwischen der Strafw ü r d i g k e i t als „Gesamtunwerturteil" u n d der Strafbedürftigkeit als „Gesamtzweckmäßigkeitsurteil" (siehe oben, S. 32) scheint darauf hinauszulaufen, m i t der Strafbedürftigkeit einen reinen M i t t e l - Z w e c k - K o n n e x bezeichnen zu wollen. Tatsächlich ist das jedoch nicht der F a l l ; vgl. bereits oben, A n m . 27. I m übrigen ist Bloy entgegenzuhalten, daß — anders als er behauptet (Strafausschließungs- u n d Strafaufhebungsgründe, S. 243) — die v o n i h m vorgeführte, nach Strafwürdigkeit u n d Strafbedürftigkeit differenzierende Begriffsbüdung nicht etwa „weitergehende Einblicke i n die S t r u k t u r des V e r brechensbegriffs" ermöglicht. M a n w i r d die Dinge vielmehr genau andersherum sehen müssen: Wenn man die „ S t r u k t u r des Verbrechensbegriffs" erfaßt, also v o r allem die maßgeblichen normativen Aspekte herausgearbeitet hat, werden die Ausdrücke „ S t r a f w ü r d i g k e i t " u n d „Strafbedürftigkeit" automatisch ihren sachgerechten Ort i n dem geschaffenen K o n t e x t einnehmen (vgl. oben, S. 65), v o r allem werden keine Bedenken entstehen, den v o n uns vorgeschlagenen weiten Strafwürdigkeitsbegriff anzuwenden. W a r u m soll es

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1. Teil. Strafwürdigkeit 4. K a p i t e l :

erkennen, daß Sax die Frage nach der Strafbedürftigkeit, also danach, ob „Strafe auch w i r k l i c h das einzige Mittel ist, um die Gemeinschaftsordnung hinreichend zu schützen", nur auf Verhaltensweisen bezieht, „die unmittelbar oder mittelbar Werte verletzen und daher Strafe an sich verdienen" 5 6 . — Aber dieser Punkt soll nicht weiter vertieft werden. Das Maß an begrifflicher Verwirrung erscheint genügend ausgelotet. Soweit man von hier aus Brücken zu Thesen schlagen könnte, die i m letzten Abschnitt diskutiert wurden, sei auf unsere dortige K r i t i k verwiesen. Was für den weiteren Verlauf des Gedankengangs interessiert, ist die von sonstigen Festlegungen losgelöste These von der Strafbedürftigkeit als notwendige (oder gar hinreichende?) Bedingung der Strafwürdigkeit. Die Fragestellung wurde bereits i m voraufgegangenen Abschnitt angerissen: Sollte Strafe nur dort angedroht, verhängt und vollzogen werden, wo sie — i n welchem präzisen Sinn auch immer — dazu dient, Kriminalität i n der Gesellschaft zurückzudrängen? Kann das Gerechtigkeitsprinzip an keiner Stelle innerhalb der Strafrechtsordnung — auch entgegen kriminalpolitischer Zweckmäßigkeit — allein den Ausschlag pro oder contra Strafe geben? — Diese Fragen zu beantworten, hieße unser auf begriffliche Klärungen gerichtetes Ziel zu überschreiten. Sie betreffen nämlich ein Sachproblem, das i m Rahmen dieser Abhandlung nicht gelöst werden kann. Worauf es hier ankommt ist folgendes: Der von uns vorgeschlagene weite Strafwürdigkeitsbegriff öffnet den Weg für eine vorurteilsfreie Analyse dieses Problems; durch die zuvor geschilderte Konzeption, die auch die These von der Strafbedürftigkeit als Implikat der Strafwürdigkeit enthält, macht man sich eine solche Analyse hingegen von vornherein unmöglich. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß die Auffassung von dem aus den Komponenten des „Strafe-Verdienens" und „Strafe-Bedürfens" zusammengesetzten Strafwürdigkeitsurteils die geforderte Analyse geleistet hätte. A u f den ersten Blick, den eine genauere Überprüfung voraussichtlich bestätigen würde, spricht i m übrigen alles dafür, daß die These, es komme bei Strafwürdigkeitsurteilen (in unserem Sinne) stets zumindest auch auf Straf bedürftigkeit an, falsch ist. Nicht jedes normative Problem der Strafwürdigkeit kann durch Zweckmäßigkeitsargumente zufriedenstellend gelöst werden. Bei einer konsequent eingehaltenen Verabsolutierung des zweckrationalen Standpunktes auch für den Bereich strafrechtsdogmatischer Begriffsbildung dürfte man weder i n der Lage sein, Ergebnisse zu erzielen, die durchweg plausibel sind, noch jeweils plaunicht, was den Begriff der Strafwürdigkeit angeht, i m wesentlichen bei dem „ W o r t s i n n " bleiben, den Bloy selbst an anderer Stelle i n einem von uns bereits zitierten Satz (oben, Kap. 3, A n m . 34) anführt? 58 Beide Zitate: Sax i n ; Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 925.

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sible Begründungen anbieten können. Es w i r d der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man „Strafwürdigkeit" und (instrumental verstandene) „Strafbedürftigkeit" begriffslogisch i n einem Verhältnis der Trennung, so daß sich diese Begriffe also faktisch vertragen, und nicht i n einer Implikationsbeziehung sieht; als extensional 57 -sachhaltige Hypothese leuchtet ein, daß es Handlungen gibt, die sowohl strafwürdig als auch strafbedürftig sind, sowie solche Handlungen, die entweder nur strafwürdig oder nur straf bedürftig sind. Die Gesichtspunkte „Strafwürdigkeit" und „Zweckmäßigkeit der Strafe" sollten i n dieser Weise auseinandergehalten werden. Das heißt selbstverständlich nicht, daß Zweckmäßigkeitserwägungen nicht i n manchen Fällen zum Urteil der Strafwürdigkeit führen können. Der Blick muß noch einmal auf die soeben angeführte Ansicht von Sax gelenkt werden. Diese Ansicht kann als Theorie der Strafwürdigkeit nicht zufriedenstellen. I h r geht es vorwiegend um die „Verfassungsrechtliche Sicherung der Grenze strafrechtlichen Unrechts" 58 . Sax' Definition läuft i m wesentlichen auf die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hinaus 5 9 , der als Bestandteil der Verfassungsordnung anzusehen ist 6 0 . Evidentermaßen verbleibt dieser Vorschlag zu sehr i m Formalen. Er leistet nicht das, was von einer umfassenden inhaltlichen Theorie der Strafwürdigkeit zu erwarten ist. Der vorgeschlagene Begriff des „Strafe-Verdienens" muß seinerseits inhaltlich ausgefüllt werden, um ein praktikables K r i t e r i u m der Strafwürdigkeit abgeben zu können. I m übrigen teilen w i r insoweit die Auffassung von Sax, als die Strafbedürftigkeit als Zweckbezug der Strafe ein Moment der Strafwürdigkeit ausmachen kann 6 1 , aber meinen — wie gesagt — nicht, daß die Strafwürdigkeit die Strafbedürftigkeit impliziere. Das Verhältnis von Verfassungsrecht und Strafrecht, dessen Klärung das zentrale Anliegen der Konzeption Sax' ist, w i r d hier nicht thematisiert. Die von uns i n dieser Untersuchung noch vorzuschlagenden einzelnen, nicht etwa eine umfassende Theorie ausmachenden Strafwürdigkeitskriterien werden nicht durch eine spezifisch verfassungsrechtliche, sondern durch eine ethisch-rechtliche Argumentation gewonnen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß sich ein Widerspruch zur 57 Über „Extension" u n d „Intension" sprachlicher Ausdrücke siehe HansJoachim Koch i n : Seminar: Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 33 ff. 58 Sax i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 930. 59 Vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen i m Nebenstrafrecht, S. 140 ff. — Günther, JuS 1978, S. 13, spricht v o m „Erfordernis der S t r a f w ü r d i g k e i t " als einer Konsequenz des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 60 Siehe n u r Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, S. 671 ff., m i t Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG. 61 I m Hinblick darauf verwendet Otto, Schröder-Gs, S. 56, A n m . 13, den Ausdruck „Gesamtwürdigung".

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V e r f a s s u n g ergeben m u ß ( w i e sollte es sich d a n n u m eine „ e t h i s c h rechtliche A r g u m e n t a t i o n " handeln?). N u r s o l l h i e r n i c h t b e a n s p r u c h t w e r d e n , daß das V e r t r e t e n e verfassungsrechtlich geboten u n d a b w e i chende A u f f a s s u n g e n verfassungswidrig u n d d a m i t de lege l a t a u n v e r t r e t b a r seien. N i c h t alles, w a s ethisch r i c h t i g ist, s t e l l t e i n e n V e r f a s sungssatz d a r , o b w o h l das Bundesverfassungsgericht e i n e m solchen V e r s t ä n d n i s m a n c h m a l V o r s c h u b l e i s t e t 6 2 . M a n i s t gehalten, b e i E r m i t t l u n g d e r g e l t e n d e n V e r f a s s u n g auch das k o m p l e x e V e r h ä l t n i s z u berücksichtigen, i n d e m das Bundesverfassungsgericht einerseits z u r legisl a t i v e n G e w a l t u n d andererseits z u d e n obersten B u n d e s g e r i c h t s h ö f e n steht. J e d e n f a l l s k o m m t h i e r e i n besonderes faktisches M o m e n t i n die B e s t i m m u n g d e r Verfassungsrechtssätze h i n e i n , das ebenfalls u n t e r rechtstheoretischem A s p e k t sehr i n t e r e s s a n t ist, aber a n dieser S t e l l e n i c h t a n a l y s i e r t w e r d e n k a n n . Ebenso w ü r d e es d e n R a h m e n dieser A b h a n d l u n g sprengen, sich d e m P r o b l e m e i n e r m a t e r i a l e n Verfassungst h e o r i e n ä h e r n zu w o l l e n . W e n n w i r i m nächsten K a p i t e l eine Skizze z u m V e r h ä l t n i s v o n Recht u n d E t h i k versuchen, d a n n s t e h t a u f d e r Seite des „ R e c h t s " s e l b s t v e r s t ä n d l i c h auch das Verfassungsrecht. N u r w i r d d a m i t eben n o c h n i c h t gefragt, w e l c h e Strafrechtssätze v o n Verfassungs w e g e n geboten s i n d 6 3 . 62 Z u denken ist an das U r t e i l des B V e r f G zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe f ü r Mord, wo f ü r das Gebiet der Strafrechtspflege „höchste Anforderungen an die Gerechtigkeit" gestellt werden (BVerfGE 45, 187 [228]). Bzgl. der Ausgestaltung der Strafrechtsordnung pflegt das B V e r f G sonst einen anderen Maßstab anzulegen. So konstatiert es etwa i m Beschluß zur Verfassungsmäßigkeit von § 17, daß es nicht zu untersuchen habe, ob der Gesetzgeber die „ »gerechteste' denkbare Lösung" gew ä h l t habe (BVerfGE 41, 121 [125]; kritisch Schmidhäuser, J Z 1979, S. 368, A n m . 52 a), u n d hält damit die auch sonst von i h m verfolgte L i n i e ein, auf die W a h r u n g „äußerster Grenzen" oder die „schlechthinnige Untragbarkeit" der betreffenden Ergebnisse abzustellen (vgl. BVerfGE 38, 154 [166], m. w . N.; aus der jüngeren Zeit B V e r f G N J W 1979, S. 1039, l i n k e Spalte; S. 1040; S. 1447; nachdrücklich befürwortet diese L i n i e z. B. K u n i g , JR 1976, S. 15 f. — i m Rahmen der Diskussion eines privatrechtlichen Rechtsanwendungsproblems, dessen Lösung K u n i g gleichwohl dem Grundgesetz e n t n i m m t —). — Vermutlich muß m a n die zitierte Wendung von den „höchsten A n f o r derungen an die Gerechtigkeit" als (kompetenten?) moralischen A p p e l l des BVerfG an die Strafrechtspflege interpretieren. 63 Exemplarisch sei „das" Schuldprinzip angeführt, das als Verfassungsprinzip anerkannt ist (BVerfGE 45, 187 [259f.]; 20, 323 [331]; jeweils m . w . N . ) . Es fragt sich, welchen Inhalt das Schuldprinzip hat, soweit es als VerfassungsRechtsprinzip i n der Gegenwart anerkannt w i r d ; dieser I n h a l t k a n n von demjenigen abweichen, der i h m i n der Dogmatik des geltenden Straf rechts zulässigerweise beigemessen w i r d (bzgl. des Problems, ob aktuelles U n rechtsbewußtsein für die Annahme einer vorsätzlichen Straftat vorauszusetzen ist, vgl. einerseits BVerfGE 41, 121 [125 f.], u n d andererseits Schmidhäuser, J Z 1979, S. 366 f., 368 f.). Bei abweichendem I n h a l t ist dieses Schuldprinzip dann aber nicht lediglich ein Grundsatz der Ethik, sondern ein Rechtsprinzip, dem Strafgesetzgebung u n d Strafrechtsanwendung n u r nicht m i t diesem I n h a l t von Verfassungs wegen verpflichtet sind. ( I m übrigen muß der

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Es k a n n sich eine d u r c h ethische A n a l y s e herausgefundene r e c h t l i c h r e l e v a n t e K o n z e p t i o n (ζ. B . eine T h e o r i e des Versuchsdelikts) als K o n z e p t i o n des g e l t e n d e n Rechts erweisen, ohne daß die z u g r u n d e l i e g e n d e n spezifischen n o r m a t i v e n A r g u m e n t e aus d e r Verfassungs- u n d sonstigen R e c h t s o r d n u n g unmittelbar ableitbar sind, so daß also auch andere e i n schlägige A n s i c h t e n de lege l a t a v e r t r e t e n w e r d e n k ö n n e n . 3.

Abschluß

Was sich b e r e i t s i n d e n e r s t e n d r e i K a p i t e l n abgezeichnet h a t , ist b e stätigt worden: Der weite (formale 64) Begriff der S t r a f w ü r d i g k e i t 8 5 , m i t d e m m a n eine Aussage w i e „ w e g e n dieser H a n d l u n g sollte g e s t r a f t w e r d e n " k ü r z e r f o r m u l i e r e n , aber n i c h t e t w a b e g r ü n d e n k a n n 6 6 , e n t s p r i c h t den Postulaten nach begrifflicher Einfachheit u n d K l a r h e i t 6 7 . Enge ( m a t e r i a l e 6 8 ) S t r a f w ü r d i g k e i t s b e g r i f f e s i n d z w a r i n der S t r a f r e c h t s w i s senschaft gebräuchlich, a b e r i n s o f e r n g e f ä h r l i c h , als sie das, w a s v o r gespiegelt w i r d , gerade n i c h t leisten, n ä m l i c h W e r t u r t e i l e zu l e g i t i m i e r e n 6 9 . D i e B e g r i f f s a n a l y s e h a t sie w i e Seifenblasen p l a t z e n lassen. Was Blick auch f ü r die Möglichkeit einer verfassungswidrigen Verfassungsrechtsprechung offengehalten werden; dazu — bezogen auf das A b h ö r - U r t e i l des BVerfG [E 30, 1 ff.] — Häberle, J Z 1971, S. 156.) 64 Siehe etwas weiter unten, A n m . 68. 85 E r steht z.B. auch hinter der Bemerkung Ulsenheimers, Grundfragen des Rücktritts v o m Versuch i n Theorie u n d Praxis, S. 122, daß der Begriff der Strafwürdigkeit „ v i e l zu undifferenziert u n d allgemein" sei, als daß damit eine konkrete positive Sachaussage gemacht wäre". — Die Angemessenheit dieses weiten Begriffs drückt Schmidhäusers Frage (ZStW 71, S. 550) — w a n n soll etwas als „ s t r a f w ü r d i g " anzusehen sein, w e n n es letztlich doch nicht bestraft w i r d ? — schlaglichtartig aus (vgl. H i l d e Kaufmann, Strafanspruch Strafklagrecht, S. 109). — Nicht uninteressant ist übrigens, daß rechtsphilosophische Theorien selbst i n einem W o r t w i e „ b i l l i g " („aequus"), das auf den ersten Blick ein Wertprädikat m i t ähnlicher normativer Substanz zu sein scheint w i e „gerecht" oder „gut", nicht selten lediglich eine bestimmte Methode zum Ausdruck gebracht sehen; vgl. dazu Strangas, Die B i l l i g k e i t u n d i h r Standort i m Rechtssystem, S. 71 ff., m. w . N. 88 Die fehlende Begründungsfunktion zeigt sich etwa i n dem oben, A n m . 22 a. E., angeführten Larenz-Zitat, w o der Ausdruck „ s t r a f w ü r d i g " m i t einem i n Gedankenstrichen postierten begründenden Zusatz verwendet w i r d . 87 M i t der These Burkhardts, die er allerdings auf den v o n i h m hergestellten Sachzusammenhang begrenzt, m a n dürfe sich an dem inhaltlich wenig übereinstimmenden Gebrauch der Begriffe Strafwürdigkeit u n d Strafbedürf-, t i g k e i t i n der Strafrechtslehre nicht stoßen (Der „ R ü c k t r i t t " , S. 134, A n m . 48) sollte m a n sich nicht beruhigen. 88 Ganz andere Begriffe v o n „formeller Strafwürdigkeit", die bei Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit u n d Schuld vorliege, u n d „materieller Strafwürdigkeit", die sich aus der Gewichtung v o n Handlungs- u n d Erfolgsu n w e r t ergebe u n d Grundmaßstab f ü r die zuzumessende Strafe sei, finden sich bei Probst, ÖRiZ 1979, S. 112. 89 Soweit das erkannt w i r d , kritisieren manche die „Konturlosigkeit" u n d „ S u b j e k t i v i t ä t " des Begriffs der Strafwürdigkeit (Hilde Kaufmann, Strafanspruch Strafklagrecht, S. 127; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 28;

76

1. Teil. Strafwürdigkeit 4. K a p i t e l :

sich nunmehr als Aufgabe stellt, die es aber i n dieser Monographie so generell nicht zu erfüllen gilt, ist, auf der Basis geklärter begrifflicher Grundlagen eine inhaltliche Theorie der Strafwürdigkeit zu entwickeln („materieller Verbrechensbegriff"), die sich sowohl auf die allgemeine Dogmatik des Strafrechts als auch auf die einzelnen Delikte des Besonderen Teils bezieht. Dieser Aufgabe öffnet man sich, wenn man von den aufgezeigten gebräuchlichen Verwendungsweisen des Ausdrucks „strafwürdig" Abschied nimmt.

vgl. ferner Schröder, Sauer-Fs, S. 207, 229, 232, 238, der das Argumentieren m i t Strafwürdigkeitsgesichtspunkten u n d die Bemühung u m klare Begriffe geradezu als unvereinbar einander gegenüberstellt). Jedoch übersieht m a n die hier vertretene A l t e r n a t i v e zu diesem Fehlgebrauch.

5. Kapitel Über das Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit I m folgenden gilt es, den i n den bisherigen Kapiteln bereits mehrfach ausgelegten Faden aufzunehmen und die Frage nach dem Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit zu beantworten. Diese Antwort ist für das Gesamtverständnis unseres Gedankenganges sehr wichtig. Gleichwohl muß hier eine bescheidene Skizze genügen. Denn die Frage nach der Unterscheidung von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit hängt eng zusammen m i t einer auf den Bereich des Strafrechts bezogenen Frage nach der Unterscheidung von Moral und Recht schlechthin 1 ; und damit ist letztlich auch das rechtsphilosophische Fundamentalproblem des Widerstreits von „Rechtspositivismus" und „Naturrechtstheorie" berührt. Die Explikation dieses Problems bedürfte eines Bemühens, auf das die vorliegende Arbeit nicht gerichtet sein kann, auch wenn die folgenden Überlegungen diesem Problem gegenüber i n gewisser Weise Farbe bekennen müssen. Hier soll i m wesentlichen nur gezeigt werden, daß eine Applikation des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips die begriffliche Trennung von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit (von Moral und Recht) nicht negiert, sondern sich vielmehr i n eine Konzeption einfügt, die von der Fruchtbarkeit und sachlichen Gebotenheit einer solchen Begriffsbildung ausgeht. Das gemeinte sachliche Gebot sei zunächst durch einige zufällig aufgefundene Zitate illustriert, bevor der hier eingenommene Standpunkt präziser dargelegt wird. I n dem Aufsatz „Reflexionen vor einem Glaskasten" aus dem Jahre 1964 formuliert der Schriftsteller H. M. Enzensberger i n kritischer Absicht folgende Tautologien: „Was bestraft wird, ist ein Verbrechen, was ein Verbrechen ist, w i r d bestraft; strafwürdig ist alles Strafbare und vice versa." — Rousseau zeichnet i m Zweiten Buch des Émile, i n dem Abschnitt „ M i t Kindern räsonieren", folgenden Verlauf eines Moralunterrichts auf (Übersetzung von L u d w i g Schmidts): „Der Lehrer: Das darf man nicht tun. Das K i n d : Warum darf man das nicht tun? Der Lehrer: Weil es unrecht ist. Das K i n d : Unrecht? Was ist Unrecht? Der Lehrer: Was man verbietet. . . . " — Und bei Hölderlin findet sich i n dem Aufsatzfragment „Uber den Begriff der Strafe" der Hinweis auf die Notwendigkeit, von Prinzipien auszugehen, damit man m i t gewissen 1

Engisch, 51. Schopenhauer-Jahrbuch, S. 107, betont, daß der Themenkreis „Recht u n d M o r a l " der vielleicht meist behandelte rechtsphilosophische Problembereich sei. Diese Diskussion k a n n i m vorliegenden K a p i t e l nicht dokumentiert werden. Z u i h r vgl. jüngst die Beiträge von Höffe, Ellscheid, Ellul, Hoerster, Dove u n d Bubner i n : neue hefte für philosophie, Nr. 17 („Recht u n d Moral"), Göttingen 1979.

78

1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

Behauptungen nicht i n einen Zirkel gerate: „Böse Handlungen sind aber solche, worauf Strafe folgt. Und Strafe folgt da, wo böse Handlungen sind." Der triviale Gehalt dieser Zitate verdeutlicht, daß die begriffliche Trennung von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit ein i m Grunde selbstverständliches Postulat für die wissenschaftliche Begriffsbildung i n diesem Punkt darstellt. Würde man die Aspekte der — normativen — Strafwürdigkeit und der — (primär) deskriptiven — Strafbarkeit konfundieren, so verstrickte man sich i n zirkuläre Scheinlegitimationen. Die Begründung einer Strafwürdigkeitsbehauptung m i t dem Hinweis auf Strafbarkeit, und umgekehrt, könnte niemandem einleuchten. Wenn man nämlich ein Strafwürdigkeitsurteil auf „Strafbarkeit" gründet, dann w i r d der besondere Verbindlichkeitsanspruch des Werturteils nicht eingelöst; und wenn ein Strafbarkeitsurteil auf bloßer „Strafwürdigkeit" basieren soll, dann w i r d das Spezifikum vorgegebenen, positiven Rechts verfehlt. Strafwürdigkeit und Strafbarkeit sind demnach keine äquivalenten Begriffe. Es besteht auch keine Implikationsbeziehung 2 . Die folgende Aussage ordnet diese selbstverständlich nicht logisch gegensätzlichen, aber doch getrennt zu haltenden Begriffe zutreffend einander zu: Es kann aus begriffslogischer Sicht tatsächlich der Fall sein, a) daß eine strafwürdige Handlung strafbar ist; b) daß eine nichtstrafwürdige (strafunwürdige) Handlung nicht strafbar ist; c) daß eine strafwürdige Handlung nicht strafbar ist; d) daß eine nichtstrafwürdige (strafunwürdige) Handlung strafbar ist. Diese Zuordnung der Begriffe hängt m i t einem rechtspositivistischen Grundgedanken zusammen. Wenn nämlich eine nichtstrafwürdige Handlung strafbar und eine strafwürdige Handlung nicht strafbar sein kann 3 , so heißt das, daß zum einen Strafrechtsregeln gelten können, die nicht gelten sollten, und zum anderen eine Strafrechtsordnung möglicher2

So ist der Begriff der Strafbarkeit dem der Strafwürdigkeit nicht etwa untergeordnet. I n diesem Falle der Subordination (allgemein zu i h r siehe unten, Kap. 7, A n m . 28) könnten ausschließlich strafwürdige Handlungen strafbar sein (und nicht umgekehrt). 3 I m allgemeinen werden Rechtsordnungen auch Nichtstrafwürdiges pönalisieren u n d nicht alles Strafwürdige erfassen, d. h. sie sind v o m moralischen Standpunkt aus betrachtet verbesserungsfähig. Dieser Beurteilung liegt die kontingent-empirische Beschaffenheit von Rechtsordnungen zugrunde, w e l che die Begriffsbildung naturgemäß nicht beeinflußt. I n der Regel werden sich also auch die Extensionen (zu diesem Terminus siehe den Hinweis Kap. 4, A n m . 57) der Begriffe „ s t r a f w ü r d i g " u n d „strafbar" nicht decken; vielmehr werden sie sich überschneiden; siehe dazu Kuhlen, Die O b j e k t i v i t ä t von Rechtsnormen, S. 98 f.

Strafwürdigkeit u n d Strafbarkeit

79

weise bestimmte Regeln nicht enthält, die sie enthalten sollte. Eine Norm, die eine Handlung pönalisiert, wegen der nach moralischem U r teil nicht gestraft werden sollte, stellt also geltendes Recht dar — es sei denn, die Norm verstößt gegen die höherrangigen Vorschriften der Verfassung. Geltendes Recht kann von daher moralisch wertvoll oder wertwidrig sein. Eine solche Sicht w i r d für den Bereich des Strafrechts nicht zuletzt durch das Rechtsprinzip „nulla poena sine lege" nahegelegt 4 . I m übrigen behaupten auch Naturrechtler gewöhnlich nicht, daß bestimmte Handlungen schon aus rein moralischen Gründen strafbar seien, sondern beschränken sich darauf, bestimmten Normen die Geltung als Recht abzusprechen 5. I n einer derartig allgemeinen Charakterisierung ist diese Form des Rechtspositivismus heute wohl weitgehend konsensfähig. Die skizzierte Auffassung besitzt eine Affinität zur positivistischen Trennung von Recht und Moral, wie sie i n der sprachanalytisch orientierten Philosophie — etwa i n der Prägung H. L. A. Harts — vertreten wird. Die analytische Trennungsthese unterscheidet streng zwischen dem Recht, wie es ist, und dem Recht, wie es sein sollte 6 . Erst eine Stellungnahme zu konkreteren, hier zu vernachlässigenden Fragen, ζ. B. zu den Fragen, i n welchem Verhältnis der Begriff des Rechts zu Gesetzesregeln eines „Unrechtsstaates" stehe 7 , ob eine Rechtsordnung i m Hinblick auf ihren Geltungsanspruch, Rechtsordnung zu sein, „als ganzes auf dem Wege zum Richtigen hin" sein müsse 8 , ob alles „Recht" (als Kategorie) ein extrapositives „Prinzip Recht" voraussetze 9 , würde i m rechtsphilo4

Vgl. Schünemann, Bruns-Fs, S. 226. Vgl. Hoerster, neue hefte f ü r philosophie 17, S. 79. Z u r „ F u n k t i o n des Naturrechtsgedankens" siehe E r i k Wolf, Das Problem der Naturrechtslehre, S. 197. 6 Siehe Hart, Der Begriff des Rechts, S. 285 ff. u n d passim; H a r t i n : Recht u n d Moral, S. 15 ff.; Hoerster, Jahrbuch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. 2, S. 122 ff. Z u m Rechtspositivismus Harts vgl. die Monographie Eckmanns, Rechtspositivismus u n d sprachanalytische Philosophie; ferner die Ausführungen bei Krawietz, Juristische Entscheidung u n d wissenschaftliche Erkenntnis, S. 89 ff., u n d Ott, Der Rechtspositivismus, S. 89 ff. Die U n t e r suchung von Kunz, Die analytische Rechtstheorie: Eine „Rechts"-theorie ohne Recht?, z.B. S. 12, 116, w i r d der Trennungsthese Harts u n d anderer analytischer Rechtspositivisten nicht gerecht (eine zutreffende K r i t i k an K u n z findet sich bei Dornseifer, Rechtstheorie und Strafrechtsdogmatik Adolf M e r kels, S. 72 f.). 7 Z u dieser Frage i n neuerer Zeit aus pragmatischer Sicht Ott, Der Rechtspositivismus, S. 183 ff. Gegen Otts Vorschlag, dem unmenschlichen Gesetz den Rechtscharakter deshalb abzusprechen, w e i l ein Richter dann die A n wendung eines solchen Gesetzes eher verweigern würde, als w e n n er darauf angewiesen wäre, sich auf nichtrechtliche, moralische Gründe zu berufen, wendet sich Hoerster, J Z 1979, S. 824: die Zweckmäßigkeit der Definition des Rechtsbegriffs sei n u r an dem Z i e l einer möglichst eindeutigen intersubj e k t i v e n Verständigung zu messen. 8 Larenz, Richtiges Recht, S. 20, 25. 5

80

1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

sophischen Streitgespräch sicherlich nicht ohne nachhaltige Gegenrede bleiben. I n unserem Sachzusammenhang ist lediglich folgende Frage zu beantworten: Verträgt es sich, einerseits die oben formulierte Trennungsthese zu befürworten und andererseits innerhalb der Rechtsamuendung m i t einem an sozialethischen Werturteilen ausgerichteten methodischen Strafwürdigkeitsprinzip zu operieren? — Damit ist nicht gefragt, ob die hier vertretene Konzeption m i t der Theorie Harts oder der eines anderen Positivisten zur Trennung von Recht und Moral übereinstimmt 1 0 . Vielmehr geht es u m das Problem, ob man zwischen dem Recht, wie es ist, und dem Recht, wie es vom Moralstandpunkt aus sein sollte, überhaupt noch unterscheiden kann, wenn ζ. B. normative Gründe für einen bestimmten Vorschlag zur Strafrechtsanwendung nicht den Rechtsregeln, sondern der Moral entlehnt werden. Die Untersuchung der aufgezeigten Problematik hat zunächst den Umstand zu berücksichtigen, daß (Straf-)Gesetze partiell unbestimmt sind. Der poröse Charakter der Umgangssprache w i r k t sich auch auf die Sprache des Rechts aus, die an diese vagen Ausdrücke anknüpft 1 1 . Heutzutage ist die Einsicht Allgemeingut, daß anzuwendende Gesetze, ζ. B. wegen der Vagheit der i n ihnen vorkommenden Begriffe, die Tätigkeit des Juristen nicht total determinieren können. Wer aber anerkennt, daß der Gesetzesanwendung Spielräume offenstehen, dem w i r d die Forderung einleuchten, „daß der Entscheidende sich i n einem rechtlich bedeutsamen Sinne an moralisch richtigen Wertungen orientieren soll" 1 2 . Gewiß lassen sich normative Argumente grundsätzlich aus der Verfassung oder der sonstigen Rechtsordnung herleiten, so daß unter Umständen ein bestimmtes Vorgehen als rechtlich geboten erscheint. Aber das ist eben nicht immer, vielleicht sogar nur selten der Fall 1 3 . Wenn 9 So aus hermeneutischer Sicht Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 56 ff. 10 Harts Position zum Problem einer Verbundenheit von Recht u n d M o r a l bei der Interpretation von Gesetzen w i r d etwa an folgenden Stellen deutlich: Hart, Der Begriff des Rechts, S. 281 ff. (neu übersetzt i n : Hoerster [Hrsg.], Texte zur Rechtsphilosophie, S. 58 ff.), u n d in: Recht u n d Moral, S. 31 ff. Vgl. auch Hoerster, Jahrbuch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. 2, S. 123. A u f Referat u n d K r i t i k dieser Position w i r d an dieser Stelle verzichtet. 11 Siehe Hart, Der Begriff des Rechts, S. 173 ff., der an Waismann i n : Bubner (Hrsg.), Sprache u n d Analysis, S. 156 ff., anknüpft (Waismann unterscheidet aaO, S. 158, noch zwischen der Unbestimmtheit u n d der Porosität von Begriffen); i m Anschluß daran Schünemann, N u l l a poena sine lege?, S. 10, u n d Bockelmann-Fs, S. 127. Z u Waismanns Idee vgl. Koch, ARSP 61 (1975), S. 37 f.; Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. I, S. 620 f. 12 A l e x y , Theorie der juristischen Argumentation, S. 26; siehe auch Kriele, Ritter-Fs, S. 112. 13 Vgl. oben, S. 74.

Strafwürdigkeit u n d Strafbarkeit

81

das Gesetz nicht weiterhilft, sollte versucht werden, auf das sozialethisch Richtige zu rekurrieren 1 4 . Die (Mit-)Einnahme des moralischen Standpunktes steht jedoch dem Charakter der getroffenen Entscheidung als einer juristischen Entscheidung nicht entgegen 15 . Die Verknüpfung der Standpunkte der Moral und des Rechts bedeutet nur, daß die juristische Entscheidung auch m i t einer moralischen Entscheidung begründet wird. Eine juristische Entscheidung setzt voraus, daß das Werturteil des Juristen den inhaltlichen Wertungen der betreffenden Rechtsordnung (ζ. B. den i m Grundgesetz gewährleisteten Menschenrechten) nicht widerspricht. Außerdem hat der vom Rechtsanwender gebildete Rechtssatz den formellen A n forderungen der juristischen Argumentationstheorie (bzw. den K r i t e rien der Methodenlehre 16 ) zu genügen, z.B.: Greift das „Analogieverbot" ein? Darf der Wille des historischen Gesetzgebers vernachlässigt werden? — Von daher ist es miteinander vereinbar, zum einen zwischen dem Recht, wie es ist (hier: Strafbarkeit), und dem Recht, wie es sein sollte (hier: Strafwürdigkeit), zu unterscheiden und zum anderen für ethische Werturteile einen gewissen Raum innerhalb der Strafrechtsanwendung offenzuhalten. Dieser Raum w i r d — wie gesagt — insofern begrenzt, als das eigene Werturteil des subsumierenden Juristen 1 7 den materialen und formalen Bedingungen einer Rechtsanwendung nicht entgegenstehen darf. Obwohl „Strafbarkeit" und „Strafwürdigkeit" also einerseits unterschiedliche Urteile darstellen, die auf denselben Sachverhalt zutreffen können (aber nicht müssen), können doch andererseits Handlungen — i m Rahmen des Rechts! — aufgrund ihrer Strafwürdigkeit, die i m Falle eines Schweigens des Gesetzes ethisch zu begründen ist, strafbar sein. Insoweit kommen Strafwürdigkeit und Strafbarkeit

14 I n w i e f e r n die Rechtsanwendung i m allgemeinen dazu verpflichtet ist (möglicherweise sogar aus verfassungsrechtlichen Gründen der Gewaltenteilung), gesetzgeberische Intentionen zu verwirklichen, bleibt dahingestellt. I m übrigen k a n n diese Frage vermutlich nicht einheitlich beantwortet w e r den, sondern n u r von Rechtsnorm zu Rechtsnorm verschieden; vgl. noch unten, S. 85. 15 Vgl. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 26. 16 Z u m Unterschied zwischen „Methodenlehre" u n d „Argumentationstheorie" s. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 501 f. 17 A n dieser Stelle sei angemerkt, daß der Jurist durch einen E t h i k u n t e r richt zum eigenen Werten angeleitet sein sollte, damit die Chancen v e r bessert werden, daß seine Wertungen intersubjektive Verbindlichkeit beanspruchen können oder doch zumindest m i t den i n der Gesellschaft verbreiteten Wertvorstellungen übereinstimmen. Jurisprudenz ist auf (Moral-)Philosophie angewiesen. Diesen wesentlichen Gesichtspunkt verfehlen Absolutheitsansprüche empirischer Wissenschaften (vgl. schon oben, Kap. 1, A n m . 6). I m übrigen sollte der Jurist, der sich der A n w e n d u n g von bis zu einem gewissen Grade vorgegebenem Recht verschrieben hat, dessen moralische Qual i t ä t aus aufgeklärter, wissenschaftlicher Sicht beurteilen können.

6 Alwart

82

1. Teil. Strafwürdigkeit

. Kapitel:

dann zur Deckung 18 . Bei Vereinbarkeit der vom Rechtsanwender gebildeten Norm m i t dem geltenden Recht (wenn also diese Norm die Eigenschaft besitzt, selbst Recht zu sein) ist die Wertung des Rechtsanwenders nicht mehr lediglich eine ethische lö, sondern eben auch eine rechtliche, obgleich nicht unmittelbar aus der Rechtsordnung deduzierte Wertung. Läßt man die Unterscheidung zwischen Strafwürdigkeit und Strafbarkeit (Moral und Recht) i n der geschilderten Weise i n eine juristische Argumentationstheorie münden, ergibt sich folgende erwähnenswerte Konsequenz. Eine Rechtsordnung kann dann zu einem Rechtsproblem verschiedene Lösungen erlauben, nämlich die de lege lata vertretbaren Lösungen. Nach der hier zugrundegelegten Konzeption kann also derjenige, der eine bestehende Rechtsordnung bloß neutral beschreibt, zu dem Ergebnis gelangen, daß das Recht b?gl. gewisser Einzelprobleme keine eindeutige Lösung trifft, sondern daß innerhalb derselben Gesetzeslage divergente Vorschläge rechtens sindf 0 . Auf eine nähere Analyse dieses Befundes muß verzichtet werden. Es sei nur noch folgender Vergleich zum Zweck der Veranschaulichung angeführt: Die Situation des Rechtsanwenders ist i n gewisser Hinsicht der Situation eines Spielers, ζ. B. eines Schachspielers, ähnlich; so gibt es etwa verschiedene Varianten, eine Schachpartie zu eröffnen, und mit jeder Variante folgt ein Spieler den Regeln des Schachspiels. Die Präzisierung des Begriffs der Strafbarkeit ist abschließend noch ein Stück weiterzutreiben. Dies geschieht i n der Weise, daß als ein zweckmäßiger Sprachgebrauch hervorgehoben wird, den Ausdruck „strafbar" auch so zu verwenden, daß man sich wegen einer Tat „strafbar" gemacht haben kann, ohne ihretwegen „bestraft" zu werden. Ζ. B. ist es zulässig, i n einem strafrechtlichen Gutachten zu formulieren, jemand habe sich, etwa wegen eines Diebstahls, strafbar gemacht, ohne 18 So gesehen ist es nicht zu beanstanden, w e n n Werner Schmid, SchröderGs, S. 19, von der „Abgrenzung zwischen strafbarem, w e i l strafwürdigem Versuch u n d straflosem, w e i l i n concreto nicht strafwürdig erscheinendem Verhalten" schreibt. 19 Es k o m m t hier nicht darauf an, ob das W e r t u r t e i l ethisch richtig ist! 20 Vgl. oben, S. 73 f. — Die Relevanz der v o n der I u d i k a t i v e n geschaffenen „rechtlichen Fakten" wäre eigens zu beleuchten. Z. B. folgt aus dem U r t e i l des B V e r f G zu § 17 Satz 2 (BVerfGE 41, 121 ff.), daß ein Vorgehen gem. den sog. „Schuldtheorien" dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip entspricht u n d erlaubt ist (vgl. oben, Kap. 4, A n m . 63); beachte aber: Schmidhäuser, J Z 1979, S. 365 ff., begründet eingehend, w a r u m der Anwendung des geltenden Rechts — entgegen dem Wortsinn des § 17 u n d dem W i l l e n des Gesetzgebers — die sog. „Vorsatztheorie" zugrundegelegt werden sollte. Den Argumenten Schmidhäusers w i r d m a n n u r gerecht, w e n n man sie insgesamt diskutiert. Hinweise auf „ W o r t s i n n " u n d „ W i l l e n des Gesetzgebers" genügen nicht, die „Vorsatztheorie" f ü r nach geltendem Recht unvertretbar zu erklären. Diese Aspekte der Frage nach der Zulässigkeit der vorgeschlagenen Rechtsanwendung hat Schmidhäuser ja i n seiner Argumentation berücksichtigt.

Strafwürdigkeit und Strafbarkeit

83

daß man damit meint, an dem Betroffenen, der bei einem der Ausbildung des Juristen dienenden „Papierfall" ja ohnehin fingiert ist, werde eine Strafe auch vollzogen. „Strafbarkeit" bezieht sich hier also nicht auf die Möglichkeit eines Vollzugs der Strafe, sondern auf die bloße Verhängung der Strafe (bzw. auf den Vorschlag, Strafe zu verhängen oder deren Verhängung zu fingieren). Dem Begriff der Strafbarkeit liegt „die an das verhängende Staatsorgan adressierte Norm zugrunde" 2 1 . Weil die Norm relativ unbestimmt ist, fällt allerdings auch der Rechtsanwender Strafwürdigkeitsurteile. I m übrigen läßt sich der Begriff der Strafbarkeit — ebenso wie der Begriff der Strafwürdigkeit — i n den jeweils relevanten Kontext einbetten. D. h. eine Frage der „Strafbarkeit" kann, ζ. B. i m Strafverfahren, auch dann noch aufgeworfen werden, wenn die Begehung einer Straftat feststeht. Der Strafbarkeitsbegriff ist ähnlich inhaltsleer wie der Strafwürdigkeitsbegriff. Genausowenig wie der Begriff der Strafwürdigkeit besagt, wann wegen einer Handlung gestraft werden sollte, legt der Begriff der Strafbarkeit die Kriterien für das Vorliegen einer Straftat fest. Damit gelangen die Überlegungen zum Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit an ihr Ende. I h r Ziel war, die Analyse des Strafwürdigkeitsbegriffs abzurunden und die Trennung vom Begriff der Strafbarkeit zu zeigen 22 . Soweit das Verhältnis von Recht und Moral berührt wurde, war um eine gewisse Oberflächlichkeit der Betrachtung naturgemäß nicht herumzukommen. Als greifbares Ergebnis bleibt zu konstatieren, daß das methodische Strafwürdigkeitsprinzip als Bestandteil einer Konzeption ausgewiesen werden konnte, welche die prinzipielle begriffliche Trennung von Strafwürdigkeit und Strafbarkeit nachdrücklich bejaht.

21

Rödig, Lange-Fs, S. 42. Eine ganz andere Einteilung findet sich bei Maihofer (Henkel-Fs, S. 76) u n d Calliess (Theorie der Strafe i m demokratischen u n d sozialen Rechtsstaat, S. 186, 192), die innerhalb einer „Systematik der Strafzumessung" (Maihofer, aaO) die „ S t r a f w ü r d i g k e i t " m i t „dem Täter" u n d die „Strafbarkeit" m i t „der T a t " zusammenbringen. 22

6*

Zweiter

Teil

Die Begriffe „Versuch" und „Versuchsdelikt" 6. Kapitel Exposition der Frage nach den begrifflichen und normativen Grundlagen sowie nach der gesetzlichen Regelung des Versuchsdelikts Gegenstand der ersten fünf Kapitel waren allgemeine Probleme, die als schlechthin fundamental für die Strafrechtswissenschaft einzustufen sind. I m folgenden geht es nun um einen ganz bestimmten Sachbereich strafrechtsdogmatischer Analyse, nämlich um das Versuchsdelikt. D . h . die i m ersten Teil der Arbeit gewonnenen Einsichten werden hier auf die Bestimmung des Begriffs des Versuchsdelikts angewandt. Das führt dazu, daß sie exemplifiziert, weiter verdeutlicht und i n ihrer wissenschaftlichen Fruchtbarkeit vorgeführt werden. Zugleich w i r d auf einem zentralen Gebiet der Strafrechtswissenschaft die Notwendigkeit einer sachlichen Neubesinnung aufgezeigt. M i t „Versuchsdelikt" greifen w i r den Terminus und Begriff auf, den Schmidhäuser i m 15. Kapitel seines Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil des Straf rechts verwendet. Es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff, dessen Bildung auf spezifischen Werturteilen beruht. Diesem Rechtsbegriff widmet sich der dritte Teil der Arbeit unter Anwendung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips. Die sich aus dem vorherigen Kapitel ergebende Erkenntnis, daß das Postulat der Gesetzesbindung i m Hinblick auf das Auftreten semantischer Spielräume unausweichlich zu relativieren ist 1 , zwingt nicht zur Annahme eines normativen Vakuums, sondern führt dazu, von dem Rechtsdogmatiker und -anwender den Gebrauch praktischer Vernunft zu fordern 2 . Zugleich verlangt der charakterisierte methodische Ansatz aber, — i n einer auf die Problematik des Versuchsdelikts konkretisierten Weise — zur Funktion von 1 Nach weiteren Gründen f ü r eine solche Relativierung braucht i m vorliegenden Zusammenhang nicht gefragt zu werden. 2 Diesen zuletzt genannten Aspekt berücksichtigt Hans-Joachim Koch i n seinen Überlegungen zu den Konsequenzen der Möglichkeit und Unmöglichk e i t v o n Gesetzesbindung nicht (in: Seminar: Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 56 ff.).

Exposition

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Gesetzesregeln für strafrechtswissenschaftliche Konzeptionen Stellung zu nehmen, so daß hier überhaupt ein sachgerechter Begriff von Rechtsanwendung i m Gegensatz zu einer rechtspolitischen Argumentation sichtbar wird. Was bedeutet Gesetzesbindung i m Kontext einer Theorie des Versuchsdelikts? Die gesetzliche Regelung der Versuchs-Straftat i n den §§ 22 ff. knüpft an den Begriff des Versuchs an, wie er sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt. Daher kann die Analyse dieses umgangssprachlichen Ausdrucks i n den folgenden Kapiteln 7 und 8, die auch einen Beitrag zur analytischen Handlungstheorie darstellen, dazu dienen, den sprachlichen Rahmen für das Vorliegen von Versuchsdelikten abzustecken und damit dem rechtsstaatlichen Postulat der Bindung des Rechtsanwenders an das Gesetz Genüge zu tun. Die Definition des strafwürdigen und strafbaren Versuchens, des Versuchsdelikts, setzt zunächst voraus, daß man sich überhaupt darüber i m klaren ist, was es bedeutet zu sagen, jemand versuche etwas zu tun. Diese Fragestellung zielt nicht ab auf das Problem der Strafwürdigkeit einzelner Versuchshandlungen, nicht auf das, was jeweils versucht w i r d (ζ. B. Körperverletzungsversuch, Tötungsversuch etc.)3, sondern auf das Problem der Strafwürdigkeit der verschiedenen Versuchsarten. Bei den Versuchsarten — i m Sinne unseres terminologischen Vorschlags — geht es u m das jeweilige Wie des Versuchens, das sich als Möglichkeit aus den Merkmalen des Versuchsbegriffs ergibt (ζ. B. gefährliches und ungefährliches Versuchen). Das einschlägige Strafgesetz selbst enthält keine Kriterien des strafwürdigen Versuchs. Das bedeutet, daß die Bildung des Versuchsdeliktsbegriffs i m besonderen Maße Aufgabe von Wissenschaft und Rechtsprechung ist. Das Strafwürdigkeitsprinzip verdient Anerkennung als der zur Lösung dieser Aufgabe adäquate methodische Leitfaden. I n anderen Bereichen rechtsanwendenden Argumentierens mag der Kontakt zum Gesetz von vornherein enger gestaltet sein, so daß der kürzeste und rechtsstaatlichen Prinzipien genügende Weg zum richtigen Ergebnis über die herkömmlichen „Auslegungsmethoden" führt. Man denke nur an Straftatbestände des Besonderen Teils wie ζ. B. an die Regelung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs (§§ 218 ff.). Auch kann es als rechtlich geboten erscheinen, sich i m Rahmen einer Rechtsanwendung einer bestimmten kriminalpolitischen Intention des Gesetzgebers zu verpflichten, etwa wenn man sich m i t dem Konkurrenzverhältnis des Subventionsbetruges (§ 264) zum Betrug (§ 263) befaßt 4 . Aber derartige Phänomene brauchen hier nicht vertieft zu werden. Die gerade der B i l 3 Z u m Problem der Strafwürdigkeit einzelner Versuchshandlungen vgl. die wenigen Notizen i m Schlußteil dieser Arbeit. 4 Vgl. n u r Tiedemann, L K StGB, § 264, Rn. 134.

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2. Teil. Versuchen

. Kapitel:

dung des Versuchsdeliktsbegriffs zugrundegelegte Methode entspricht der besonderen Struktur der Rechtsanwendungssituation, wie sie dieser konkrete Gegenstand aufweist. Eine Verallgemeinerbarkeit unseres Vorgehens für die Lösung von beliebigen Problemen der Strafrechtsoder gar der Rechtsanwendung schlechthin (dann aber selbstverständlich nicht von »Strafwürdigkeitsproblemen, da ja andere Rechtsfolgen betroffen sind) w i r d nicht behauptet. Der i m dritten Teil der Arbeit eingeschlagene Weg eines Rechtsdenkens, der als Strafwürdigkeitsargumentation charakterisiert wird, entspricht i n gewisser Weise der Idee, teleologischen Aspekten auch bei der Gesetzesanwendung i m Allgemeinen Teil des Strafrechts den angemessenen Raum zu verschaffen und begriffsjuristischen Verzerrungen abzuhelfen 5 . Jedoch darf nicht verkannt werden, daß es bei der i m Sinne eines methodischen Prinzips verstandenen Strafwürdigkeit vor allem darum geht, — ohne Blick auf das einschlägige Gesetz und dessen immanente „Teleologie" — das breite Spektrum verschiedenster ethischer Argumente innerhalb der Strafrechtsanwendung zu berücksichtigen. Diese methodologische Konzeption steht nicht unmittelbar i m traditionellen Kontext der „canones der Auslegung" 6 , der zunächst hergestellt würde, falls man die applizierte Methode eine teleologische nennen wollte. Das Spezifikum „teleologischer Auslegung" oder überhaupt „teleologischer" Rechtsanwendung i m Unterschied zu anderen Auslegungsarten und zur Anwendung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips kann i m Rahmen der vorliegenden Arbeit, deren Interesse sich nicht vorrangig auf Probleme der allgemeinen juristischen Methodenlehre oder Argumentationstheorie richtet, allerdings nicht thematisiert werden. Der Terminus „methodisches Strafwürdigkeitsprinzip" erscheint jedenfalls geeignet, den formalen Leitgedanken unserer Untersuchurçg möglichst eindeutig zu bezeichnen. Die Befolgung des Postulats der Gesetzesbindung w i r d dadurch ermöglicht, daß — allgemein gesprochen — eine Relation hergestellt w i r d zwischen vorgegebenem Wortsinn einerseits, für dessen Verständnis auch der jeweilige Satzzusammenhang und der systematische Standort der betreffenden Norm innerhalb des Gesetzbuches heranzuziehen sind, und der als Erfassung geltenden Rechts gemeinten strafrechtsdogma5 Schmidhäuser hat die Idee prinzipiell teleologischen Vorgehens der von i h m entwickelten teleologischen Straftatsystematik zugrundegelegt, die er insbes. i n seinem Lehrbuch zum Allgemeinen T e i l darstellt; ausführlich über die i n A n k n ü p f u n g an die überkommene rechtswissenschaftliche Methodenlehre konzipierte teleologische Methode siehe Schmidhäuser, WürtenbergerFs, S. 91 ff. 8 Z u den „canones der Auslegung" als einem „System von Begründungsregeln" f ü r juristische Urteile vgl. Alexy, Theorie der juristischen A r g u m e n tation, S. 17 ff.

Exposition

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tischen Konzeption (Theorie) andererseits. Wichtig sind die Fälle, i n denen das Gesetz vage umgangssprachliche Ausdrücke verwendet 7 . Die dadurch gegebene Situation der Rechtsanwendung kann folgendermaßen strukturiert werden: „Hinsichtlich einiger Gegenstände kann klar entschieden werden, daß der fragliche Ausdruck auf sie anwendbar ist (positive Kandidaten); auf einige andere kann der Ausdruck ebenso unzweifelhaft nicht angewendet werden (negative Kandidaten); schließlich verbleibt eine Klasse von Gegenständen, hinsichtlich derer über Anwendung bzw. Nichtanwendung nicht entschieden werden kann (neutrale Kandidaten)" 8 . Für die juristische Methodenlehre bieten sich jetzt folgende Unterscheidungen an: Der mögliche Wortsinn als Grenze einer Auslegung des Gesetzes ist dann überschritten, wenn positive Kandidaten dem Anwendungsbereich des Begriffs entzogen oder negative Kandidaten i h m einverleibt werden; die extensive Auslegung ordnet die neutralen Kandidaten den positiven, die restriktive Auslegung ordnet sie den negativen Kandidaten zu 9 . Das für die Gesetzesbindung i m Strafrecht zentrale „Analogieverbot" („nullum crimen sine lege stricta") 1 0 , das als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips von A r t . 103 I I GG ( = § 1 StGB) normiert wird, besagt, daß Rechtsanwendung (im weitesten Sinne) eine Strafbarkeit nicht über den Wortsinn eines Gesetzestextes hinaus begründen darf 1 1 . Dabei kann hier dahingestellt bleiben, 7

Vgl. oben, S. 80. Hans-Joachim Koch i n : Seminar: Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 43. — Strömholm, Allgemeine Rechtslehre, S. 28 f., gebraucht das B i l d v o m „Bedeutungsfeld" eines Begriffs, das i n „ K e r n " - u n d „Außenfeld" aufzuspalten sei. Verbreitet ist die Unterscheidung P h i l i p p Hecks von Begriffskern u n d Begriffshof (vgl. dazu unten, Kap. 8, A n m . 190 m i t Hinweisen). 9 Herberger/Koch, JuS 1978, S. 813. — Das angesprochene „Auslegungs"Problem ist v o n ganz anderer A r t als dasjenige, dem sich die (objektiv- oder subjektiv-) teleologische „Auslegung" zuwendet. Wenn man nämlich das spezifisch „Teleologische" zur Geltung bringt, sagt man nicht schon darüber etwas aus, ob dem Wortsinn des Gesetzes entsprochen w i r d oder nicht. Diese Frage ist i n derselben Weise zu stellen, w i e oben i m T e x t skizzenhaft geschehen. I m übrigen wäre teleologisches Argumentieren von der A n w e n dung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips abzugrenzen. Dazu w u r d e weiter oben i n diesem K a p i t e l bereits ausgeführt, daß diese (spezifisch methodologische bzw. argumentationstheoretische) Aufgabe i m Rahmen der v o r liegenden Untersuchung nicht gelöst werden kann. I m m e r h i n erscheint aber ohne weiteres evident, daß die Anerkennung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips nicht zu einem Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze der Rechtsanwendung führt. Sie hebt die eigene normative Verantwortung des Rechtsanwenders i m besonderen Maße hervor. 10 Z u m Problem seiner Geltung i m Allgemeinen T e i l siehe Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt i m S traf recht, S. 33 ff. 11 Schünemann (Nulla poena sine lege?, S. 19 ff.) verwendet f ü r eine Rekonstruktion des Analogieverbots die Unterscheidung zwischen O b j e k t - u n d Metasprache i n nicht adäquater Weise: Objektsprache sei die juristische Fachsprache, Metasprache die Umgangssprache; daraus ergebe sich die logische Durchführbarkeit des strafrechtlichen Analogieverbots. — Die Durch8

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2. Teil. Versuchen

. Kapitel

ob man beide soeben genannten Varianten der Überschreitung einer Auslegungsgrenze i n den Begriff des Analogieverbots einbeziehen sollte 12 , also auch den Fall der i m Endeffekt strafbarkeitsbegründenden „teleologischen" Reduktion 1 3 einer Vorschrift. Das hieße, i n jeder Form der verbotenen strafbarkeitsbegründenden „Rechtsfindung praeter legem" (im Unterschied zur „Rechtsfindung secundum legem") einen Verstoß gegen das Analogieverbot zu sehen1*4. Unsere Anwendung des methodischen Strafwürdigkeitsprinzips verlangt also eine ausdrückliche A n t w o r t auf die Frage, ob die i m dritten Teil dieser Arbeit entfaltete, nicht aus den rudimentären Regeln der §§ 22 ff. deduzierte Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens m i t diesen Gesetzesregeln vereinbar ist. Diese Frage w i r d i m einzelnen i m 12. Kapitel behandelt werden. Es sei jedoch unmittelbar an die gerade definierten Termini angeknüpft und schon hier gesagt, daß die betreffende Relation von Theorie und Gesetz eine solche restriktiver Auslegung ist. Soweit man sogar die Grenze zur „Analogie" bzw. „teleologischen Reduktion" überschritten sehen w i l l , ist das jedenfalls insoweit nicht bedeutsam, als die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens keine strafbarkeitsausdehnende, sondern eine strafbarkeitsbegrenzende Funktion besitzt.

führbarkeit des Analogieverbots hängt aber von einem Vergleich der j u r i s t i schen Fachsprache (ζ. B.: Versuchsdelikt) m i t der Umgangssprache (ζ. B.: V e r suchen) — als Objektsprachen — ab. Den Vergleich n i m m t — metasprachlich — die juristische Methodenlehre bzw. Argumentationstheorie vor. 12 Eine besondere Bedeutung von „Analogie" zeigt sich, w e n n man betont, daß i n jeder Rechtsanwendung, also auch i n der Auslegung, ein „analogisches" Element stecke (siehe A r t h u r Kaufmann, Analogie u n d „ N a t u r der Sache", S. 3 ff., 13, 29 ff. m. w. N. — vgl. insbes. die A r b e i t von Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot" —; Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Strafrechts, S. 15 f.; Hassemer, Tatbestand u n d Typus, S. 160 ff.; Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 102 — auch unter Hervorhebung eines hermeneu tischen Auslegungsbegriffs —; kritisch Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt i m Strafrecht, S. 27 ff., 50 ff., sowie Schünemann, N u l l a poena sine lege?, S. 17 ff.). 13 Siehe oben, Kap. 1, A n m . 22. 14 Vgl. dazu Canaris, Die Feststellung von Lücken i m Gesetz, S. 193; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt i m Strafrecht, S. 27 f.

7. Kapitel Zu Logik und straf rechtsdogmatischem Standort des Terminus „Versuchsdelikt" M i t „Versuchsdelikt" soll i m folgenden ein Unterbegriff zum umgangssprachlichen Begriff des Versuchs bezeichnet sein 1 : Versuchsdelikte sind diejenigen Versuche, die sanktioniert, d.h. tatbestandlich erfaßt und m i t der Rechtsfolge Strafe versehen sind; Versuchsdelikte (Versuchs-Straftaten) sind strafbare (und strafwürdige) Versuche 2 . Da der Begriff des Versuchsdelikts, ebenso wie der Straftatbegriff überhaupt, nicht an Strafbarkeitsprämissen anknüpft, die sich aus dem Strafprozeßrecht ergeben, sind m i t der Annahme eines Versuchsdelikts noch nicht alle Fragen nach Strafbarkeit (und Strafwürdigkeit) beantwortet. So kann eine Versuchs-Straftat i m konkreten Fall ζ. B. deshalb letzten Endes straflos bleiben, weil sie i m Sinne von § 153 StPO geringfügig ist. Aber darauf kommt es hier nicht an 3 . — Wichtig ist die vorgeschlagene Einteilung der Begriffe „Versuch" und „Versuchsdelikt". Wie bereits i m letzten Kapitel angedeutet 4 , soll diese Klassifikation die Unterscheidung der nicht strafwürdigen und nicht strafbaren Versuche von den strafwürdigen und strafbaren widerspiegeln — und zwar als Klassifikation allgemeiner Kategorien von Versuch und Versuchsdelikt; d.h. Einteilungsprinzip ist das Strafwürdigkeitsurteil, das auf die Frage „wegen welcher Versuchsarten sollte gestraft werden?" antwortet, wobei eben Formen wie z.B. gefährliches oder ungefährliches Versuchen gemeint sind. Der Versuchsdeliktsbegriff ist dem Versuchsbegriff subordiniert, weil alle Versuchsdelikte auch Versuche darstellen (und nicht umgekehrt). Damit machen w i r i m kleinen Gebrauch von der Möglichkeit einer Begriffsdivision 5 . Diese schlichte Einteilung der Begriffe „Versuch" und „Versuchsdelikt" (sowie dessen Negation) w i r d sich als äußerst frucht1

Vgl. schon oben, S. 84 f. Vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/1 f. — Z u r gesetzestechnischen Besonderheit der Strafbarkeit bestimmter Versuche als Unternehmens-Vollendungsdelikte (z.B. i m Rahmen des § 81 der versuchte Hochverrat gegen den Bund) siehe unten, Kap. 8, Abschn. I. 3 A m Rande sei notiert, daß sich die Ausführungen dieses Kapitels w o h l partiell auf den Begriff des „ T e i l n e h m e r - " (Schmidhäuser, Rn. 14/2, 55) oder „Teilnahmedeliktes" (in Abhebung v o m Begriff der Teilnahme) sinngemäß übertragen lassen. 4 Oben, S. 85. 5 Über „Begriffseinteilung u n d Klassifikation" siehe Engisch, Larenz-Fs, S. 125 ff.; ferner den Hinweis Hruschkas, SchwZStrR 90, S. 59, A n m . 19, auf die Relevanz der Lehre von der Einteilung der Begriffe f ü r richtiges Begriffsverständnis. 2

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2. Teil. Versuchen

. Kapitel:

bar 6 erweisen. Sie ermöglicht eine scharfe Trennung zwischen dem vorausgesetzten begrifflichen Material einerseits und normativen Argumenten und Urteilen andererseits. Zudem führt sie ganz selbstverständlich zu einer sachgerechten, die Begriffe auf derselben Einteilungsstufe anordnenden Gegenüberstellung von „Versuchs-" und „Vollendungsdelikt". Die damit erreichte einfache Strukturierung des Gegenstandsbereichs scheint i m wissenschaftlichen Gespräch nicht stets akzeptiert zu werden. Jedenfalls führen oftmals verwendete Ausdrucksweisen i n die Irre. Wenn etwa von der „versuchten Straftat" oder dem „Verbrechensversuch" die Rede ist 7 , so setzen diese Formulierungen die Akzente ebenso falsch wie das Gesetz selbst, i n dem es unter der Titelüberschrift „Versuch" heißt: „Eine Straftat versucht, wer . . . " (§ 22). Zwar kann diesen Bezeichnungen nicht entgegengehalten werden, jeweils i n sich logisch widersprüchlich zu sein, denn „Versuch" oder „versuchen" w i r d hier i m Sinne des erwähnten nichtrechtlichen Begriffs und nicht i m Sinne eines strafbaren Versuchs, eines Versuchsverbrechens oder besser: Versuchsdelikts8 gebraucht 9 und „Straftat" zudem m i t „Vollendungsdelikt" gleichgesetzt; d. h. man sagt „versuchte Straftat" und meint „versuchtes Vollendungsdelikt". Aber es ist unsachgerecht, das Versuchsdelikt i n der Weise vom Vollendungsdelikt her begrifflich zu erfassen, daß das Vollendungsdelikt als „die" Straftat erscheint und das Versuchsdelikt als Versuch „der" Straftat 1 0 . Vielmehr sollte i m Hinblick auf die zugrundeliegende Strafrechtsordnung und die der Sache nach — wenn auch nicht mittels derselben Begriffe — letztlich allgemein akzeptierte Prämisse, daß das Versuchsdelikt als Delikt gerade selbst Straftat ist, von vornherein ins Auge gefaßt werden, daß es Straftaten gibt, die Vollendungsdelikte sind, und andere, die Versuchsdelikte darstellen 11 . 8 Generell zur Fruchtbarkeit von Begriffsdivisionen Engisch, Larenz-Fs, S. 147 ff. 7 Diese u n d ähnliche Wendungen finden sich etwa bei Busch, L K StGB, § 43, Rn. 6; Lackner, § 22, A n m . 2 d ; Langer, Das Sonderverbrechen, z.B. S. 493; M a x Ernst Mayer, S. 342; Spendel, Stock-Fs, S. 99 u n d passim; N J W 1965, S. 1883; Stratenwerth, Rn. 638, 643; Wolter, ZStW 89, S. 649. Aus der Rechtsprechung: Siehe n u r B G H S t 16, 351 — „versuchtes Verbrechen" (im Einklang m i t § 44 I a. F.) — u n d B G H S t 16, 353 — „Schwere des versuchten Rechtsbruchs" —. — Vgl. auch § 30 I : „Versuch des Verbrechens". 8 Nicht etwa: „Deliktsversuchs", so aber Stienen, Fälle einer begrifflichen Unmöglichkeit des Versuchs (Diss.), S. 8, A n m . 1. Vgl. den T i t e l der Monographie v o n Simon, „Der Deliktsversuch nach kanonischem Recht". 9 Die genannte gesetzliche Titelüberschrift als solche könnte man natürlich auch i m Sinne des hier eingeführten rechtlichen Versuchsdeliktsbegriffs i n terpretieren. 10 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/6. 11 M a n mag hier von „Erscheinungsformen des Verbrechens" sprechen; dazu Langer, Das Sonderverbrechen, S. 363 ff. m. w . N., 493. — E i n versuchtes Töten beispielsweise ist k e i n Töten, aber es k a n n — ebenso w i e das Töten — ein D e l i k t enthalten.

Versuchen u n d Versuchsdelikt

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Daraus ist i m übrigen zu folgern: Das zur Wortgruppe um „Versuch" gehörige Verb heißt „versuchen"; da aber zum Begriff des Versuchsdelikts dann kein passendes Verb zur Verfügung steht, muß zu einer Nominalkonstruktion gegriffen werden, damit die Verbfunktion ausgefüllt werden kann, ζ. B. zur Konstruktion „ein Versuchsdelikt verüben". Aus dieser Sicht ist die sprachliche Fassung von § 23 I unbedenklich, wonach der „Versuch eines Verbrechens . . . stets strafbar" ist, „der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt"; denn diese Vorschrift regelt gerade, ob der betreffende Versuch strafbar, d. h. ein Versuchsdelikt ist 1 2 , oder ob — bezogen auf den Einzelfall — überhaupt ein Versuchsdelikt i n Betracht kommt. Ebenso unterliegt es keiner ablehnenden K r i t i k , wenn das Gesetz dort, wo Straflosigkeit möglich ist, den Begriff „Versuch" verwendet (§§ 24, 31). Denn die Frage, ob ein Versuchsdelikt vorliegt, kann i n concreto nicht beantwortet werden, ehe man (wenn auch nur stillschweigend) geprüft hat, ob ζ. B. ein Rücktritt i m Sinne des § 24 gegeben ist. — Dagegen wäre es i m Rahmen von § 23 I I besser statt „Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat . . . " zu sagen „Wegen Versuchsdelikts kann milder gestraft werden als wegen Vollendungsdelikts . . . " , weil das Versuchsdelikt, also der strafbare Versuch, ja feststeht und nur noch das Strafmaß festzulegen ist. — Die Strafzumessungsregel des § 23 I I I 1 3 meint m i t „Versuch" — wiederum i n einleuchtendem Sprachgebrauch — eine bestimmte Versuchsart, die einem Versuchsdelikt zugrundeliegt. A u f die Frage, wie die wenig treffenden Ausdrucksweisen Verwendung finden konnten, sind verschiedene Antworten möglich 1 4 . Ζ. B. fällt 12

Vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/2. Siehe unten, S. 235. 14 Sicherlich spielen i n diesem Zusammenhang auch historische Gründe eine Rolle, da sich „der Versuch i m heutigen Sinne erst allmählich entwickelt h a t " (für viele: Blei, Strafrecht I, S. 192). Dem w i r d i n dieser Abhandlung, die keinen geschichtswissenschaftlichen Anspruch erhebt, aber nicht nachgegangen. Z u r historischen Seite der Problematik ist ζ. B. auf die Schriften Seegers, „Der Versuch der Verbrechen nach Römischem Recht" u n d „Die Ausbildung der Lehre v o m Versuch der Verbrechen i n der Wissenschaft des Mittelalters", u n d f ü r die Epoche der Wissenschaft des gemeinen Rechts auf Schaffstein, Die allgemeinen Lehren v o m Verbrechen i n ihrer E n t w i c k l u n g durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, S. 157 ff., zu verweisen. Wollte man die Genese des oben i m T e x t kritisierten Sprachgebrauchs aufzeigen, müßte auch folgende Stelle bei Feuerbach ( K r i t i k des Kleinschrodischen Entwurfs, S. 101 f.) beachtet werden, wo es — offenbar i n partiell traditioneller B i n dung an die gemeine Straf rechtswissenschaft (vgl. Schaff stein, aaO, S. 159 ff.) — unter der Uberschrift „ V o n dem Versuch zu einem Verbrechen" heißt: „Soll . . . der Staat durch Strafgesetze dem Verbrechen zuvorkommen, so muß er auch v o n denjenigen Handlungen durch Strafdrohungen abschrecken, die zwar noch nicht das Verbrechen selbst aber doch die Vorbereitung oder der Anfang des Verbrechens sind" (Hervorhebung v o m Verf.). 13

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2. Teil. Versuchen

. Kapitel:

auf, daß die Gegenüberstellung der Ausdrücke „Vollendungs-Straftat" und „Versuchs-Straftat" das Gemeinte sprachlich zutreffend erfaßt — indem nämlich gezeigt wird, daß es Vollendungs- und Versuchsdelikte gibt —, daß aber die attributive Gestalt dieser Ausdrücke, nämlich „vollendete Straftat" und „versuchte Straftat", die Akzente — wie bereits ausgeführt — entscheidend verschiebt. Aber in diese Richtung sei nicht weiter spekuliert. Aufschlußreich ist, daß i n der wissenschaftlichen Lehrbuchliteratur das Versuchsdelikt oftmals i n der Weise i n die Erörterung der „vorsätzlichen Straftat", i m Grunde der vorsätzlichen (Täter-)VollendungsStraftat, eingebunden wird, daß man nach Behandlung der allgemeinen Straftatmerkmale i n einem gesonderten Abschnitt nach den „ V e r w i r k lichungsstufen der vorsätzlichen Straftat" fragt; i n diesem Zusammenhang werden dann die spezifischen Merkmale des Versuchsdelikts angeführt. Demgegenüber treten „fahrlässige Straftat" und „Unterlassungsverbrechen" als „Sonderformen des Verbrechens" auf, die der „vorsätzlichen Straftat" an die Seite gestellt sind 1 5 . W i r d das Versuchsdelikt von vornherein i n dieser engen Abhängigkeit vom Vollendungsdelikt gesehen, dann liegt die Formulierung „versuchte Straftat" nahe, wo man das Versuchsdelikt meint. Den aufgezeigten irreführenden Charakter dieser Wendung 1 6 empfindet man nicht als störend. I m übrigen sei noch ausdrücklich hervorgehoben, daß die Terminologie der meisten Lehrdarstellungen das Wort „Versuchsdelikt" nicht enthält 1 7 , daß dort vielmehr aus der Kette der „Verwirklichungsstadien" 15 Darstellung gemäß Maurach, Strafrecht-AT, Inhaltsverzeichnis S. V I I I , S. 487 (anders — aber nicht plausibler, sondern von den zugrundegelegten Begriffen her eher inkonsequent — dann Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, Inhaltsverzeichnis S . V I I f . ) ; vgl. etwa Jescheck, Inhaltsverzeichnis S. X X I I I ff., S. 184, S. 412; Stratenwerth, Rn. 151, v o r Rn. 629. 16 Der Terminus „versuchte Straftat" erweckt ja den Eindruck, daß nicht etwa eine Versuchs-Straftat (ein Versuchsdelikt) bezeichnet werden soll, sondern i m Gegensatz zur „vollendeten Straftat" vielmehr eine Nicht-Straftat; vgl. dazu Schmidhäuser, Rn. 15/6. 17 Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Strafrechts, verwendet den Ausdruck „Versuchsdelikt" (aaO, S. 17, 39 ff., 90; siehe z.B. auch Bockelmann, Strafrechtliche Untersuchungen, S. 198; Stratenwerth, Rn. 641: „selbständiges Versuchsdelikt") — ähnlich w i e i n anderem Zusammenhang den Ausdruck „Teilnahmedelikt" (aaO, S. 17, 65 ff., 90; vgl. demgegenüber oben, A n m . 3) — u m Delikte des Besonderen Teils zu kennzeichnen, „ i n denen die formelle Vollendung schon erfaßt, was materiell erst als Versuch erscheint" (aaO, S. 39); andere sprechen von „Versuchstatbeständen" (siehe z.B. Burkhardt, J Z 1971, S. 353, 358; A r m i n Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 230). A b e r Fincke selbst h ä l t diesen Sprachgebrauch i m Hinblick auf gewisse Konsequenzen f ü r die Rechtsanwendung (ζ. B. Heranziehung von Rücktrittsvorschriften) f ü r „gefährlich" u n d „falsch" (aaO, S. 39 ff.). Zutreffend i m Sinne der hier vertretenen Ansicht — wenn auch i n Anführungszeichen — benutzt Fincke das W o r t „Versuchsdelikt", aaO, S. 64, A n m . 256 (siehe auch Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert

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Versuchen u n d Versuchsdelikt

V o r b e r e i t u n g , V e r s u c h u n d V o l l e n d u n g „ d e r V e r s u c h " 1 8 ausgegliedert w i r d . V o n dieser A u s d r u c k s w e i s e f ü h r t n u r e i n k u r z e r W e g z u d e n a n d e r e n v e r f e h l t e n F o r m u l i e r u n g e n . D a b e i v e r s i c h e r t sich d i e j e n i g e Sicht, die das V e r s u c h s d e l i k t v o n v o r n h e r e i n i n A b h ä n g i g k e i t v o m V o l l e n d u n g s d e l i k t erfaßt, i h r e r v e r m e i n t l i c h e n R i c h t i g k e i t i m m e r w i e d e r selbst, w e n n sie d e n T e r m i n u s „ d e r V e r s u c h " , w o es e i g e n t l i c h d a r u m gehen sollte, eine u n v o r e i n g e n o m m e n e A n a l y s e d e r M e r k m a l e des V e r suchsdelikts k e n n t l i c h z u machen, i n gewissermaßen suggestiv-selbstbes t ä r k e n d e r F o r m e l h a f t i g k e i t g e b r a u c h t 1 9 . Z w a r i s t selbstverständlich, daß die B e g r i f f s p a a r e „ V o l l e n d u n g " - „ V e r s u c h " u n d „ V o l l e n d u n g s d e l i k t " „ V e r s u c h s d e l i k t " i n i h r e m j e w e i l i g e n k o n t r ä r e n 2 0 Gegensatz f ü r eine S t r a f r e c h t s o r d n u n g n u r d a n n b e d e u t s a m sind, w e n n diese zwischen b e i d e n F o r m e n d e l i k t i s c h e n V e r h a l t e n s d i f f e r e n z i e r t . A b e r es d a r f n i c h t v e r k a n n t w e r d e n , daß diese G e g e n b e g r i f f e g l e i c h e r m a ß e n voneinander abhängig sind. M ö g e n diese G e d a n k e n z u m j u r i s t i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h a u f ersten B l i c k w i e bloße S p i e l e r e i erscheinen u n d k e i n e n

den

eigentlichen

i m Unrechtsbegriff, S. 136). — Näheres zur K r i t i k eines „formellen" u n d eines „materiellen" Versuchsbegriffs siehe unten, Kap. 8, Abschn. I. 18 Siehe die i n A n m . 15 angegebene Literatur. Ferner: Blei, Straf recht I, S. 192; Otto, Strafrecht-AT, S. 223; Welzel, S. 187. — Anders hingegen Schmidhäuser, Kap. 15 passim. 19 Siehe sogleich den folgenden Absatz. 20 Es handelt sich deswegen nicht u m einen kontradiktorischen Gegensatz, w e i l nicht die Regel g i l t : Wenn etwas keine Vollendung (kein Vollendungsdelikt) ist, dann ist es ein Versuch (Versuchsdelikt). „Etwas" k a n n nämlich z. B. auch bloße Vorbereitung, lediglich einen Plan, zwar einen Versuch, aber k e i n Versuchsdelikt darstellen. U m den springenden P u n k t noch k l a r e r zu machen: Die extensive I m p l i k a t i o n (zu diesem Begriff siehe K l u g , Juristische Logik, S. 26) „stets dann, w e n n etwas k e i n Vollendungsdelikt ist, so ist es ein Versuchsdelikt" g i l t nicht. Hingegen gilt die intensive I m p l i k a t i o n (Klug, aaO, S. 32) „ n u r dann, w e n n k e i n Vollendungsdelikt gegeben ist, liegt ein Versuchsdelikt v o r " ; anders ausgedrückt: für das Vorliegen eines Versuchsdelikts ist notwendige u n d nicht etwa hinreichende Bedingung (zum Unterschied vgl. K l u g , aaO, S. 41 f.), daß k e i n Vollendungsdelikt gegeben ist. F ü r ein Fallgutachten bedeutet das, daß aus dem bloßen Nichtvorliegen eines Vollendungsdelikts niemals das Vorliegen des betreffenden Versuchsdelikts logisch abgeleitet werden darf. Anderes gilt f ü r folgende Einteilung des Gegenstandsbereichs der Straftaten: A l l e Straftaten sind alternativ entweder Versuchs- oder Vollendungsdelikte. I n dieser Begriffsdivision stehen sich „Versuchs-" u n d „Vollendungsdelikt" als kontradiktorische Gegensätze gegenüber. A u f sie zielen ab M a x Ernst Mayer, S. 342, offenbar auch B u r k hardt, J Z 1971, S. 354, u n d Sauermann, Der Versuch als „delictum sui generis", S. 35 (Langer, Das Sonderverbrechen, S. 493, spricht bzgl. „Versuch" u n d „Vollendung" von einer „antithetische(n) Differenzierung i m tatbestandlichen Unrecht"). Eine solche Einteilung ist aber für die A r b e i t an einem konkreten Fall, wo es zunächst u m tatsächliche oder fingierte Geschehnisse, „Taten", geht, nicht u n m i t t e l b a r relevant. Schließlich stellt man nicht anfangs fest, daß eine Straftat vorliegt, u m dann erst zu fragen, ob es sich u m ein Versuchs- oder ein Vollendungsdelikt handelt. — Z u m Begriff des konträren gegenüber dem (spezielleren) des kontradiktorischen Gegensatzes siehe z. B. K a m i ah/Lorenzen, Logische Propädeutik, S. 73 f.

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2. Teil. Versuchen

. Kapitel:

wissenschaftlichen Ertrag versprechen, so liegt doch immer der Verdacht nahe, daß verfehlte Redeweisen m i t Irrtümern i n der Sache einhergehen. Dieser Verdacht verstärkt sich, wenn man genauer betrachtet, wie sich die Anbindung „des Versuchs" an das Vollendungsdelikt i n den strafrechtsdogmatischen Vorschlägen des Näheren gestaltet. Man definiert nämlich weithin den für ein Versuchsdelikt vorausgesetzten Handlungsentschluß als „Entschluß, eine Straftat zu begehen" 21 , zu dem die Gesamtheit der subjektiven Tatbestandselemente des jeweiligen Delikts gehöre, nämlich „der auf Verwirklichimg des objektiven Tatbestandes gerichtete Vorsatz und die besonderen subjektiven Momente . . . , die das Gesetz etwa verlangt" 2 2 . Damit w i r d der „Vorsatz" i m herkömmlichen Sinne 23 , nämlich als „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung", zur „Grundlage" 2 4 des „Versuchs". „Der Versuch" w i r d also vom „Vorsatz" getragen, der auf die „Verwirklichung des Tatbestandes" gerichtet ist, wobei nur der „Tatbestand" des Vollendungsdelikts gemeint sein kann: „Versuch" als „versuchte", als (in der Ausführung unvollendet gebliebener) „Entschluß", „Vorsatz" zur „Tatbestandsverwirklichung", eben als „versuchte Straftat". Der gewohnheitsmäßig eingenommene Standpunkt spiegelt sich jetzt auch i m Gesetz wider, demgemäß eine „Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt" (§ 22). Die fehlerhaften Konsequenzen dieser Betrachtungsweise für die Rechtsanwendung können i m einzelnen erst später i n dieser Abhandlung aufgezeigt werden. Ergänzend anzuführen ist noch eine weitere, sehr bedeutsame Interpretationsmöglichkeit für den Ausdruck „versuchte Straftat". I n deren Sicht meint „Straftat" nicht das Vollendungsdelikt, sondern vielmehr eine kontinuierliche A k t i v i t ä t , die prozeßhaft begriffen w i r d und nicht etwa punktuell i m Sinne eines Anknüpfungsgegenstandes für die Rechtsfolge Strafe. „Versuchte Straftat" bezeichnet dann den Ausschnitt aus einem „natürlichen Ablauf", der den Prämissen des Versuchsdelikts entspricht. Diese Interpretation bewegt sich i m Paradigma der „Verwirklichungsstufen einer Straftat" und w i r d erst i n Kap. 8, Abschn. I I I 2, voll verständlich werden.

21 ζ. B. Stratenwerth, Rn. 644. — § 43 a. F., der bis zum I n k r a f t t r e t e n des 2. StRG am 1.1. 1975 galt, sprach v o m „Entschluß, ein Verbrechen oder V e r gehen zu verüben". 22 Stratenwerth, a.a.O. — Vgl. Blei, Strafrecht I, S. 194; Busch, L K StGB, § 43, Rn. 5; Jescheck, S. 416 f.; Otto, Strafrecht-AT, S. 225; Welzel, S. 189; Wessels, Strafrecht-AT, S. 118. — Z u r K r i t i k Schmidhäuser, Rn. 15/23, 25 ff. 23 Z u r Geschichte dieses Begriffs finden sich einige Hinweise bei Stratenwerth, ZStW 71, S. 51 ff. m. w . N., u n d Hruschka, Bockelmann-Fs, S. 424. 24 Blei u n d Wessels, jeweils wie A n m . 22.

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Z u diesem Paradigma gehört auch die Vorstellung, daß dem Vollendungsdelikt stets ein „Versuchsstadium" zeitlich vorhergeht. Das ist aber nicht der Fall! Man betrachte nur jemanden, der unangefochten — ohne ein Hindernis überwinden zu müssen — einen hilflosen Säugling schlägt und eine so rohe Natur besitzt, daß i h m zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel kam, ob er das überhaupt werde t u n können: Würde die Aussage „der Rohling versuchte, den Säugling zu schlagen" irgendeinen Geschehensabschnitt zutreffend beschreiben? Die verneinende Antwort auf die Frage bedeutet nicht, daß es — ceteris paribus — i n dem Falle, i n dem das Opfer (der Säugling) gewiß oder vielleicht nicht getroffen wurde, falsch wäre, ein Versuchen anzunehmen. I n einem solchen Fall wäre ja (gewiß oder vielleicht) irgendeine Schwierigkeit hinsichtlich der Realisation der intendierten Handlung aufgetaucht. 25 — Aber auch an dieser Stelle haben w i r den Analysen des nächsten Kapitels vorgegriffen. I m jetzigen Kontext ist wichtig, daß selbst die häufigen, strafrechtlich relevanten Konstellationen, i n denen dem Vollendungsdelikt tatsächlich ein „Versuchsstadium" vorhergeht, nicht dazu berechtigen, das Versuchsdelikt quasi als Anhängsel des Vollendungsdelikts zu betrachten: Bezogen auf einen bestimmten Straftatbestand des Besonderen Teils kann die Schilderung eines bestimmten Geschehens nicht dem Begriff des Vollendungsdelikts und dem des Versuchsdelikts subsumierbar sein. Enthält die Geschehensschilderung das Vollendungsdelikt 2 8 , dann ist aufgrund der bereits erwähnten Unverträglichkeit der Begriffe die Subsumtion unter das entsprechende Versuchsdelikt nicht möglich; enthält sie hingegen das Versuchsdelikt, dann scheidet — bezogen auf den 25 Vgl. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Nr. 622 (auch Nr. 623) : „Wenn ich meinen A r m hebe, versuche ich meistens nicht, i h n zu heben." Dazu McCormick/Thalberg, Dialogue 6 (1967), pp. 30, 32 -34. Siehe ferner Heath, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume, X L V , 1971, pp. 198 - 199. — A u f der anderen Seite bedeutet „Versuch" nicht etwa „Fehlschlag". Eine solche Voraussetzung könnte man gar nicht machen, ohne den Begriff des Versuchens selbst aufzulösen (vgl. Heath, aaO, p. 194). Allerdings gäbe es diesen Begriff auch dann nicht, wenn dem Menschen stets alles „gelingen" würde (selbst der Begriff des Gelingens wäre v e r schwunden); i n diesem P u n k t ist Hall, Erik-Wolf-Fs, S. 458, zuzustimmen: „Wenn unser T u n i m m e r sogleich gelingen würde, hätte es keinen Sinn, v o m Versuchen zu sprechen." Der Versuch ist das Bemühen des Menschen i n seiner Welt. — Z u m Ausdruck „fahrlässiger Versuch" siehe unten, Kap. 8, Abschn. I I I 4. 26 O b w o h l i n den Straftatbeständen des Besonderen Teils der Ausdruck „Vollendung" nicht vorkommt, ist davon auszugehen, daß dort — i m U n t e r schied zu §§ 22 ff., wo explizit von „Versuch" gesprochen w i r d — gerade die Straftat als Vollendungsdelikt gemeint ist (vgl. auch § 23 I I u n d § 11 I Nr. 6). I m übrigen macht die „Tatbestandstechnik des StGB . . . eine allgemeine Formel f ü r den Vollendungszeitpunkt entbehrlich" (Busch, L K StGB, § 43, Rn. 22; vgl. Baumann, S. 507), d . h . ein Vollendungsdelikt liegt immer vor, wenn die Voraussetzungen des jeweiligen Straftatbestandes des Besonderen Teils gegeben sind (vgl. etwa BGHSt 3, 30 [43]; Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 2).

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2. Teil. Versuchen . K a p i t e l :

s u b s u m i e r t e n Gegenstand! — das entsprechende V o l l e n d u n g s d e l i k t aus. ( I m H i n b l i c k a u f e i n Gesamtgeschehen k ö n n e n s e l b s t v e r s t ä n d l i c h s o w o h l d i e P r ä m i s s e n des b e t r e f f e n d e n V e r s u c h s d e l i k t s als auch d i e j e n i g e n des b e t r e f f e n d e n V o l l e n d u n g s d e l i k t s gegeben sein.) Bezogen a u f e i n e n bes t i m m t e n S t r a f t a t b e s t a n d des B e s o n d e r e n T e i l s k a n n also d e r j e n i g e Gegenstand, d e r u n t e r d e n B e g r i f f des V e r s u c h s d e l i k t s f ä l l t , n i c h t u n t e r d e n B e g r i f f des V o l l e n d u n g s d e l i k t s f a l l e n u n d u m g e k e h r t . Das b e d e u t e t , daß die b e i d e n B e g r i f f e i m logischen V e r h ä l t n i s d e r H e t e r o g e n i t ä t 2 7 u n d n i c h t e t w a d e r S u b o r d i n a t i o n 2 8 oder I n t e r f e r e n z 2 9 s t e h e n 3 0 . Diese E i n s i c h t k a n n m a n n u r g e w i n n e n , w e n n m a n b e i S u b s u m t i o n u n t e r die beiden Begriffe den subsumierten Gegenstand nicht verä n d e r t — also j e w e i l s d e n i d e n t i s c h e n G e g e n s t a n d s u b s u m i e r t ! Das bedeutet, daß d a n n , w e n n i n concreto das V o l l e n d u n g s d e l i k t gegeben ist, d e r S a c h v e r h a l t (Gegenstand) v e r ä n d e r t w e r d e n m ü ß t e , u m i h n 27 Heterogenität bedeutet, daß „ e i n Gegenstand, der unter den Begriff A fällt, niemals unter den Begriff Β f ä l l t u n d umgekehrt"; Klug, ZStW 68, S. 403. 28 Subordination bedeutet, daß jeder Gegenstand, der unter den Begriff A fällt, auch unter den Begriff Β fällt, ohne daß zugleich das Umgekehrte g i l t " (andernfalls: Identität); K l u g , aaO, S. 404. — Z u Finckes Bemerkung (Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Strafrechts, S. 37), daß es m i t „dem A T - C h a r a k t e r unvereinbar" sei, „den Versuch als P r i v i l e gierung des Vollendungstatbestandes oder umgekehrt diesen als Qualifizier u n g des Versuchs aufzufassen", ist v o m logischen Standpunkt zweierlei zu sagen: 1. Da k e i n Subordinationsverhältnis gegeben ist, k a n n auch von Spezialität (in F o r m einer Privilegierung oder Qualifizierung) keine Rede sein. 2. Privilegierung u n d Qualifizierung sind nicht umkehrbar; es muß schon klargestellt werden, welcher Begriff der generelle u n d welcher der spezielle ist. — Auch der Unrechtsbegriff u n d das Denkschema der „Verwirklichungsstufen" geben nicht das Recht, „die Vollendung" als „Spezialfall des Versuchs" einzuordnen (siehe aber Germann, Über den G r u n d der Strafbarkeit des Versuchs [Diss.], S. 186 f.). Der Unrechtsbegriff könnte dazu insofern verleiten, als sich „die Vollendung" gegenüber „dem Versuch" lediglich durch einen „hinzukommenden" Erfolgsunwert zu unterscheiden scheint; das Modell der „Verwirklichungsstufen" suggeriert, daß bei „Vollendung" eine zusätzliche Stufe gegenüber „dem Versuch" erklommen ist u n d die anderen Stufen für „Versuch" u n d „Vollendung" identisch sind. Solche Sichtweisen verlassen aber unzulässigerweise die begriffliche Ausgangsbasis, die durch das umgangssprachliche W o r t „Versuch" konstit u i e r t w i r d . Neben Germann siehe dazu noch Engisch, Juristentags-Fs, Bd. 1, S. 436, u n d Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 52 f. Die erwähnten Literaturstellen geben fast ein Lehrstück dafür ab, w o h i n es führt, w e n n Logisch-Begriffliches u n d Normatives nicht sauber u n terschieden werden. 29 Interferenz bedeutet: „Mindestens ein Gegenstand, der unter den Begriff A fällt, f ä l l t auch unter den Begriff B, u n d mindestens ein Gegenstand, der unter den Begriff A fällt, f ä l l t nicht zugleich unter den Begriff B. Außerdem muß umgekehrt bezüglich der unter den Begriff Β fallenden Gegenstände das Gleiche i n bezug auf den Begriff A gelten"; K l u g , aaO, S. 404 f. 30 Die Heterogenität w a r schon oben, S. 93, mitbehauptet worden, als von der konträren Gegensätzlichkeit der Begriffe Vollendungs- u n d Versuchsdelikt die Rede war.

Versuchen u n d Versuchsdelikt

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u n t e r d e n B e g r i f f des V e r s u c h s d e l i k t s z u b r i n g e n — i n d e m m a n n ä m l i c h die V o l l e n d u n g verschwiege. Das hieße aber gerade u n t e r d i e b e i d e n B e g r i f f e unterschiedliche Gegenstände s u b s u m i e r e n , so daß sich daraus, daß i n e i n e m Gesamtgeschehen V o l l e n d u n g s - u n d V e r s u c h s d e l i k t e n t h a l t e n sein k ö n n e n , k e i n e K o n s e q u e n z e n f ü r das B e g r i f f s v e r h ä l t n i s e r geben. N u n k o m m t es g l e i c h w o h l z u e i n e m S u b s i d i a r i t ä t s u r t e i l , d. h. dazu, daß e i n T ä t e r b e i V o l l e n d u n g n i c h t e t w a auch w e g e n des T e i l - G e g e n standes b e s t r a f t w i r d , d e r u n t e r d e n B e g r i f f des V e r s u c h s d e l i k t s p a ß t 3 1 . Das zeigt, daß eine n o r m a t i v e (teleologische) B e t r a c h t u n g s w e i s e z u m e i n e n „ T e i l - G e g e n s t ä n d e " ( r e l a t i v e T e i l s a c h v e r h a l t e ) einerseits „schaff e n " u n d andererseits z u „ G e s a m t - G e g e n s t ä n d e n " ( r e l a t i v e n G e s a m t sachverhalten) z u s a m m e n z i e h e n k a n n 3 2 u n d daß z u m a n d e r e n auch b e i H e t e r o g e n i t ä t d e r eine d e r b e i d e n S t r a f t a t b e s t ä n d e n i c h t z u r A n w e n d u n g k o m m e n , S u b s i d i a r i t ä t gegeben sein k a n n , also n i c h t l e d i g l i c h die M ö g l i c h k e i t v o n T a t e i n h e i t (oder T a t m e h r h e i t ) b e s t e h t 3 3 . Diese Ü b e r l e g u n g e n e r h e l l e n i m ü b r i g e n , daß d e r gängige H i n w e i s , f ü r e i n V e r s u c h s d e l i k t sei b e g r i f f s n o t w e n d i g die „ N i c h t v o l l e n d u n g "

31 Vgl. n u r Schmidhäuser, Rn. 18/30; Schönke/Schröder/Stree, vor §§ 52 ff., Rn. 119 f. — Es sei lediglich erwähnt, daß es hier hinsichtlich der Frage nach Subsidiarität auch problematische Fallkonstellationen gibt; vgl. etwa M a i wald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 86 ff. Die Ausführungen oben i m T e x t w o l l e n sich aber vor dem Hintergrund ζ. B. folgenden einfachen Geschehens verstanden wissen: Ν . N. w i l l sein Gegenüber erschießen, zielt m i t einer Pistole auf ihn, drückt ab u n d t r i f f t tödlich. 32 Das Verhältnis von rechtlicher Beurteilung u n d Sachverhaltsbildung läßt sich einer näheren (im weitesten Sinne) methodologischen Analyse unterziehen. I n diesen Zusammenhang gehört das vielzitierte W o r t Engischs v o m „ H i n - u n d Herwandern des Blickes zwischen Obersatz u n d Lebenssachverh a l t " (Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 15). Vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 262 ff., u n d Hruschka, Die K o n s t i t u t i o n des Rechtsfalles, der insbes. die Bedeutung einer „Grundfrage" f ü r die angesprochene Problematik hervorhebt. 33 K l u g , ZStW 68, S. 412, 414 ff., sieht nicht, daß der normative Aspekt, der unter dem Stichwort „Subsidiarität" bei der Frage nach Gesetzeseinheit geltend gemacht w i r d , auch auf heterogene Tatbestände passen k a n n (allerdings hat K l u g nicht speziell das Verhältnis von Versuchsdeliktstatbestand zu entsprechendem Vollendungsdeliktstatbestand i m Blick). Gerade aufgrund dieses normativ-teleologischen Charakters ist die Anwendung des Gedankens der Subsidiarität nicht n u r auf Interferenzen beschränkt. I m Rahmen der Gesetzeseinheit ist entgegen K l u g , aaO, also ausschließlich die Spezialität einem bestimmten begriffslogischen Verhältnis, nämlich der Subordination, zuzuordnen. Die Frage, ob man innerhalb der Subsidiarität nach bestimmten K r i t e r i e n weiter differenzieren sollte, ob u n d inwiefern ζ. B. die „ K o n sumtion" als Unterfall von Subsidiarität auszumachen ist, oder ob die „ K o n sumtion" einen selbständigen F a l l der Gesetzeseinheit neben Spezialität u n d Subsidiarität darstellt (etwa i n dem Sinne, daß man sie auf Fälle der Gesetzeseinheit bei Heterogenität bezieht), kann hier nicht erörtert werden (vgl. dazu Samson, SK StGB, vor § 52, Rn. 64 ff.).

7 Alwart

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2. Teil. Versuchen . K a p i t e l :

vorausgesetzt 34 , insofern t r i v i a l ist, als er bedeutet, daß der dem Versuchsdelikt subsumierte Sachverhalt nicht die Prämissen des Vollendungsdelikts erfüllen darf; soweit man i n i h m aber auch das Postulat sieht, das Vorliegen eines Versuchsdelikts nicht zu erwähnen, wenn i m begutachteten Gesamtgeschehen das betreffende Vollendungsdelikt enthalten ist, beruht er auf einem Subsidiaritätsargument 35 , das i n den gemeinten Fällen (vernünftigerweise) nicht jedesmal ausgebreitet wird, da man hier die Frage nach der Subsidiarität bereits ganz allgemein so entschieden hat, daß das Versuchsdelikt „zurücktritt" 3 6 . Es wäre aber unzutreffend für den Fall, daß eine einzige Versuchshandlung gleich zur Vollendung führt, davon zu sprechen, daß der „Tatbestand des Versuches" fehle 3 7 ; denn es kommt eben darauf an, welchen (Teil-)Gegenstand man den Merkmalen des Versuchsdelikts subsumiert 38 . Aus den Einsichten i n die begrifflichen Zusammenhänge lassen sich keine Bedenken dagegen herleiten, das (Täter-)Vollendungsdelikt i m Hinblick auf die Schilderung der Straftaten i m Besonderen Teil als „Ausgangsform" gesetzlicher Unrechtsdeskription anzusehen und das Versuchsdelikt i m Hinblick auf die Verknüpfung von Regeln des Besonderen m i t Regeln des Allgemeinen Teils als „Sonderform" zu erfassen 39 . Schließlich sei für die Inhalte der hier behandelten Ausdrücke darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Differenzierung auch noch dort gegeben sein kann, wo unterschiedlichen Begriffen keine unterschiedlichen Wörter korrespondieren (weil es umständlich und unzweckmäßig wäre, sie einzuführen). Als Beispiel denke man an die Fallgestalt, die 34 Der genannte Hinweis findet sich ζ. B. bei Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 2. 35 F ü r die Prüfung, ob i n concreto ein Vollendungsdelikt gegeben ist, w i r d allgemein keine ausdrückliche Feststellung verlangt, daß ein Versuchsdelikt nicht vorliege. Bezogen auf den Aspekt der Subsidiarität wäre das auch widersinnig, da der Straftatbestand des Vollendungsdelikts j a gerade zur A n w e n d u n g kommen soll; bezogen auf die begriffliche Unverträglichkeit wäre das überflüssig, da das Versuchsdelikt unzweifelhaft dann ausscheidet, w e n n alle Voraussetzungen der i m Besonderen T e i l geschilderten Straftat erfüllt sind. 36 Z u r „Subsidiarität der Durchgangsdelikte" siehe n u r Vogler, Bockelmann-Fs, S. 724, u n d L K StGB, vor § 52, Rn. 122 f., sowie die Nachweise oben, i n A n m . 31. 37 So aber Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Straf rechts, S. 51. Vgl. Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 335: die Regeln des § 22 seien von vornherein unanwendbar, da ein Bedürfnis der Strafausdehnung nicht bestehe. 38 Es g i l t die folgende Aussage: I n der Regel gibt es dann, w e n n ein V o l l endungsdelikt vorliegt, etwas anderes, welches das betreffende Versuchsdelikt darstellt. 39 Siehe Schmidhäuser, Rn. 6/29 u n d vor Kap. 14. — Vgl. noch Blei, Strafrecht I, S. 191.

Versuchen u n d Versuchsdelikt

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wegen eines ausgebliebenen qualifizierenden Erfolgs als „Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts" 4 0 besonders problematisch ist. Zum einen ergibt sich für diejenigen Arten des „Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts", die als Versuchsdelikte anzuerkennen sind 4 1 , daß der verwendete Terminus zwanglos so verstanden werden kann, daß i m Rahmen der erfolgsqualifizierten Delikte (als Oberbegriff) der Versuch i m Gegensatz zur Vollendung (als Unterbegriffe) herausgehoben werden soll; demgegenüber brächte ein Terminus wie „'Versuchsde Ii kt des erfolgsqualifizierten Delikts" keine größere begriffliche Präzision m i t sich, sondern enthielte vielmehr i n dem doppelten Hinweis auf den Deliktscharakter einen Pleonasmus. Zum anderen läßt sich der verwendete Ausdruck für die straflosen Arten des „Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts", die also keine Versuchsdelikte darstellen, so verstehen, daß der Akzent auf „Versuch" zu legen ist. Das bedeutet, daß diese Redeweise — ohne einen Deliktscharakter mitzubehaupten — nur dazu dienen soll, bestimmte, i n gewisser Hinsicht problematisierte Versuchsfälle von anderen Versuchsfällen zu unterscheiden. A n das Ende dieses Kapitels werden zwei Zitate gestellt, die — innerhalb unseres Bezugsrahmens — als prägnante zusammenfassende K r i tiken an der üblichen strafrechtsdogmatischen Erfassung des Versuchsdelikts interpretierbar sind. Zunächst K a r l Binding 4 2 : „Es rächt sich hier die Äußerlichkeit der Beobachtungsweise, die den Versuch nie nach dem ins Auge faßt, was er ist, sondern nur nach dem, was er nicht ist: nämlich Vollendung." Und abschließend Oskar A. Germann 4 3 : „Der Versuch ist nach subjektiver Verbrechensauffassung i m wahren Sinn »Erscheinungsform 4 des Verbrechens, nicht nur Strafausdehnungsgrund*. Er darf deshalb nicht mehr als bloßer Erker dem Gebäude der Verbrechenslehre angefügt werden, sondern ist völlig einzubauen."

40 Siehe z.B. Lackner, § 18, A n m . 5; Schmidhäuser, Rn. 15/104; Schönke/ Schröder/Cramer, § 18, Rn. 10. 41 Welche A r t e n das sind, k a n n hier dahingestellt bleiben. 42 Die Normen u n d ihre Übertretung, Bd. I I I , S. 491. 43 Das Verbrechen i m neuen Strafrecht, S. 144.

8. Kapitel Der Begriff des Versuchs in seiner Funktion für den Begriff des Versuchsdelikts Was bisher zum Begriff des Versuchsdelikts ausgeführt wurde, kann als Bestimmung dieses Begriffs noch nicht zufriedenstellen. Getreu unserem Programm ist zunächst weiterzufragen, was denn „Versuch" bedeutet. Dabei muß über die bereits i m vorherigen Kapitel erfolgte K l ä rung der Unverträglichkeit der Begriffe „Versuch" und „Vollendung", die ebenso für das Begriffspaar „Versuchs- und Vollendungsdelikt" gilt, hinausgegangen werden. Weil sie die Analyse der Straftatmerkmale betreibt, richtet die Dogmatik i m sachlichen Bereich der vorliegenden Abhandlung ihr vorrangiges Interesse auf den Rechtsbegriff des Versuchsdelikts. Von daher leuchtet ein, warum die Frage nach der Bedeutung des nichtrechtlichen Versuchsbegriffs von vornherein m i t der Frage nach der Funktion dieses Versuchsbegriffs für den Begriff des Versuchsdelikts verbunden wird. Eine die Probleme so verknüpfende Fragestellung ergibt sich zwangsläufig, wenn man den strafbaren Versuch als Versuchsdelikt dem umgangssprachlichen Begriff des Versuchs unterordnet. I . „Formeller" und „materieller" Versuchsbegriff — Über die Unternehmensdelikte

Die i n dieser Arbeit getroffene Differenzierung für die Gebrauchsweise der Ausdrücke „Versuch" und „Versuchsdelikt" entspricht nicht der gängigen Sicht. So w i r d i n der Fachliteratur bei Bestimmung eines Versuchsbegriffs üblicherweise als erstes dessen „subjektiver" und „objektiver Tatbestand" erwähnt 1 — vom Standpunkt des hier vertretenen, nichtrechtlichen Charakters des Versuchsbegriffs ein auf den ersten Blick geradezu mystischer Vorschlag 2 , der i m übrigen auch nicht für alle als Versuchsphänomene begriffenen Regelungsformen der zugrundeliegenden Strafrechtsordnung einheitlich durchgehalten wird. 1 Vgl. etwa Lackner, § 22, A n m . 1; (wörtlich w i e Lackner definiert Jürgen Meyer, ZStW 87, S. 598); Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 11; Stratenwerth, Rn. 643 f.; Welzel, S. 189. 2 Eine Gegenkritik zur Ansicht des obigen Textes k a n n m. E. nicht § 22 als Argument heranziehen. Z u m einen enthält diese Vorschrift i n A n k n ü p fung an bestimmte wissenschaftliche Thesen lediglich eine Formel zur A b grenzung von Vorbereitung u n d Versuch (vgl. ζ. B. Blei, Straf recht I, S. 202 ff.; R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 15 f.; JuS 1979, S. 3). Z u m anderen ist die Wendung „Eine Straftat versucht, w e r . . . " zu verstehen als „ E i n Vollendungsdelikt versucht, w e r . . . " ( = „ E i n Versuchsdelikt verübt, w e r . . . " ; vgl. oben, S. 90) u n d nicht etwa als Legal-(Teil-)Definition des Begriffs „Versuch" (vgl. unten, S. 139).

I. Unternehmensdelikte

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Der fehlende Begriff des gemäß §§ 22, 12, 23 i n Verbindung m i t einem Straftatbestand des Besonderen Teils strafbaren Versuchs als Versuchsdelikt macht vielmehr (unsachgerechte) Distinktionen innerhalb „des Versuchsbegriffs" selbst erforderlich; man differenziert zwischen einem „formellen" oder „technischen" und einem „materiellen" Versuchsbegriff 3 . Dadurch w i r d ein Begriffswirrwarr geschaffen, der sich nur dadurch entwirren läßt, daß man dessen Ausgangspunkt kritisch überprüft. Zu diesem Zweck muß den Irrläufern ein großes Stück Wegs gefolgt werden, um sie einzufangen. Gleichwohl gehört die i n diesem Abschnitt geführte Auseinandersetzung i n den Gedankengang der vorliegenden Monographie; es w i r d an einem Einzelproblem symptomatisch deutlich, auf welche Wege man gerät, wenn man verbreitete Denkmodelle zugrundelegt, die eine wirkliche Strukturierung des strafrechtsdogmatischen Sachbereichs Versuch/Versuchsdelikt vermissen lassen. — Worum geht es? 1. Irrwege der Begriffsbildung Zunächst sind hier die Unternehmensdelikte i m Sinne der Legaldefinition von § 111 Nr. 6 anzuführen; sie geben der Rechtsanwendung verschiedene Probleme auf, ζ. B. die Frage nach der Heranziehbarkeit von Rücktrittsvorschriften oder danach, ob bei einem Unternehmensdelikt ein „Versuch" denkbar sei 4 . Nun kann es i m Kontext der an dieser Stelle intendierten begrifflichen Klärung nicht angezeigt sein, die Unternehmensdelikte umfassend zum Gegenstand zu machen, d. h. insbes. für oder gegen bestimmte Vorschläge zur Rechtsanwendung zu argumentieren. Hingegen soll die Frage näher untersucht werden, ob es i m Hinblick auf die Fassung von § 11 I Nr. 6, wo es heißt „ I m Sinne dieses Gesetzes i s t . . . Unternehmen einer Tat: deren Versuch und deren Vollendung", notwendig ist, einen eigenständigen, nicht-„technischen" 5 , „materiellen" 6 Versuchsbegriff zu konstruieren, um bestimmte Rechtsanwendungen zu vermeiden, die sich bei konseqentem Vorgehen dann zwangsläufig, begrifflich-notwendig ergeben sollen, wenn man „Versuch" i m Sinne von § 11 I Nr. 6 m i t „Versuch" i m Sinne von § 22 gleichsetzt 7 . So w i r d behauptet, daß die Rechtsprechung und die verbreitete Lehre widersprüchlich verfahren, wenn diese einerseits der Versuchsseite des Unternehmensdelikts alle Versuchsarten, d. h. insbes. den sog. untaug3 Vgl. Burkhardt, J Z 1971, S. 352 ff. passim; Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Straf rechts, S. 39 ff., 53 ff.; Schröder, Kern-Fs, S. 458, 466, 468. 4 Vgl. ζ. B. Rudolphi, SK StGB, § 11, Rn. 24 ff. 5 Burkhardt, aaO, S. 353 f. 6 Fincke, aaO, S. 53. 7 Vgl. Burkhardt, aaO, S. 354.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

liehen Versuch, zuschlagen, die nach üblicher Ansicht auch § 22 erfasse („Versuch i m Sinne von § 22"), andererseits aber ζ. B. die Vorschrift des § 24 für unanwendbar erklären. Man könne nur dann widerspruchsfrei vorgehen, wenn man einen für das Unternehmensdelikt spezifischen Versuchsbegriff entwickle, der i m Gegensatz zum „Tatbestandsverwirklichungsversuch" des § 22 als „Handlungsversuch" zu charakterisieren sei 8 . Damit ergebe sich dann zum einen die Unanwendbarkeit der §§ 22 ff. für den „Handlungsversuch", der bei den Unternehmensdelikten „technisch" ja „Vollendung" bedeute, und zum anderen die Anwendbarkeit der §§ 22 ff. für diejenigen Versuchsfälle, die gängigerweise unter diese Vorschriften subsumiert werden und keinen „Handlungsversuch" darstellen — soweit bei dem betreffenden Straftatbestand des Besonderen Teils der Versuch überhaupt pönalisiert sei (vgl. die verbrecherischen Unternehmensdelikte der §§ 81, 82, 310 b, 311a, 316 a, 316 c I Nr. 2 9 ) 1 0 . Diesen Gedankengängen sind folgende triviale Einsichten entgegenzuhalten, die dann als Grundlage detaillierter K r i t i k dienen sollen: Der Begriff des Unternehmensdelikts i m Sinne des StGB steht nicht gleichgeordnet neben den Begriffen des Versuchs- und des Vollendungsdelikts. Das Unternehmensdelikt stellt vielmehr eine Unterart des Vollendungsdelikts dar; man kann vom Unternehmens-Vollendungsdelikt sprechen. „Vollendungsdelikt" w i r d i m Gegensatz zum Versuchsdelikt, das i n den §§ 22 ff. seine gesetzlichen Regeln hat, verstanden als Delikt, bei dem sämtliche Prämissen des jeweiligen Straftatbestandes des Besonderen Teils erfüllt sind 1 1 . Ist das Merkmal des „Unternehmens" (vgl. §§ 81, 82, 184 I Nr. 4, 8, 9, I I I Nr. 3, 310 b, 311 a, 316 a, 316 c I Nr. 2, 357) gegeben, so liegt also i n jedem Fall ein Vollendungs- und kein Versuchsdelikt vor 1 2 . Wie ist nun von diesem Ausgangspunkt her der i n 8 Vgl. Burkhardt, aaO, S. 353 ff.; Fincke, aaO, S. 54 f. Diese These soll einer Anerkennung der Lehre v o m „Mangel am Tatbestand" f ü r die Versuchsseite der Unternehmensdelikte ähneln; so ausdrücklich B u r k h a r d t , aaO, S. 356 f., u n d Fincke, aaO, S. 54. Zumindest Fincke scheint aber den Gesamtbereich dessen, was unter dem Ausdruck „untauglicher Versuch" (im weitesten Sinn) diskutiert w i r d , seinem „materiellen" Versuchsbegriff entziehen u n d ihm, i m Gegensatz zu B u r k h a r d t , auch keine Fälle des „Versuchs m i t untauglichen M i t t e l n " zuordnen zu w o l l e n (vgl. aaO, S. 57 f.). — Z u r Lehre v o m „Mangel am Tatbestand" siehe die K r i t i k unten, Kap. 10, Abschn. I 3. 9 Unverständlicherweise w i l l Fincke, aaO, S. 56, den „formellen Versuch des Unternehmens" bei §§ 81, 82 wegen § 83 u n d bei §§ 310 b, 311a wegen § 311 b außer Betracht lassen. F ü r §§ 81, 82 bejaht demgegenüber Burkhardt, aaO, S. 357, A n m . 51, konsequent die „Versuchs"-Möglichkeit. 10 Vgl. Burkhardt, aaO, S. 357; Fincke, aaO, S. 54 ff. 11 Vgl. bereits oben, Kap. 7, A n m . 26. 12 Anstatt Unternehmensdelikte zu normieren, könnte man bestimmten Versuchen den Versuchsdeliktscharakter belassen u n d — u m gewisse Rechtsfolgen vorzuschreiben — als F i k t i o n anordnen, daß das Versuchsdelikt bei dem jeweiligen Straftatbestand als Vollendungsdelikt gelte.

I. Unternehmensdelikte

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§ 11 I Nr. 6 verwendete Begriff des Versuchs zu definieren? Unmöglich kann das i n § 22 erfaßte Versuchsdelikt gemeint sein, denn das Unternehmensdelikt kann aufgrund der Unverträglichkeit der Begriffe nicht sowohl dem Begriff des Vollendungs- als auch demjenigen des Versuchsdeliktes unterfallen. Das „Rätsel" ist gelöst, wenn man sieht, daß § 11 I Nr. 6 m i t seiner Legaldefinition für den i m Besonderen Teil dann und wann auftauchenden Begriff des Unternehmens der i m folgenden erläuterten, gesetzestechnisch umständlichen Regelung äquivalent ist: Man stelle sich zunächst vor, daß die Strafbarkeitserweiterung, die §§ 22 ff. dadurch erreichen, daß unter genereller Bezugnahme auf Straftatbestände des Besonderen Teils ein Versuchsdelikt dem Vollendungsdelikt gegenübergestellt wird, gesetzgeberisch auf andere A r t und Weise vorgenommen würde; nämlich so, daß der Allgemeine Teil keine Bestimmung über das Versuchsdelikt enthielte, sondern die einschlägigen Regelungen i n den Besonderen Teil, wenn auch unter mehrfachen Wiederholungen Eingang fänden 18 . Der heutigen Regelung der Unternehmensdelikte entspräche es, bei den betreffenden Tatbeständen i m Gegensatz zur Anordnung einer reinen Versuchsstrafbarkeit (dort: „Der Versuch ist strafbar", d. h. als Versuchsdelikt strafbar) zu formulieren: „Der Versuch ist als Vollendungsdelikt strafbar" und nicht: „Der Versuch ist strafbar. Das Versuchsdelikt gilt als Vollendungsdelikt" 1 4 . Die zuletzt gemeinte Differenz läßt sich auch folgendermaßen ausdrücken: Der Täter w i r d bestraft, weil er ein Vollendungsdelikt begangen hat, und nicht, wie wenn er eines begangen hätte 1 5 . Die referierte Auffassung vom „formellen" und „materiellen" Versuchsbegriff bzw. vom „Tatbestandsverwirklichungs-" und „Handlungsversuch" w i r d diesen Zusammenhängen nicht gerecht. Gegen diese Konzeption ist i m einzelnen folgendes vorzubringen 1 6 : 1. Sie schafft Scheinprobleme, wenn sie vorgibt, ein sachgerechtes Verständnis des § 11 I Nr. 6 müsse auf einem spezifischen Versuchsbegriff beruhen. 13 Vgl. n u r Sauermann, Der Versuch als „delictum sui generis", S. 2. — Daraus ergäbe sich übrigens auch eine Modifikation des oben, bei A n m . 11, definierten Vollendungsdeliktsbegriffs. 14 Vgl. oben, A n m . 12. 15 Vgl. Burkhardt, aaO, S. 357. — Ob die legislatorische Erfindung v o n U n ternehmensdelikten besonders gelungen ist, sei dahingestellt. Das Ziel, bestimmte rechtliche Konsequenzen zu erreichen, w i r d i m Grunde auf Kosten begrifflicher K l a r h e i t verfolgt. Die Wissenschaft sollte sich dadurch nicht zu inadäquaten Begriffsbildungen veranlaßt sehen. 16 D a m i t müssen auch Urteile wie „wegweisend" bzgl. der Ausführungen Burkhardts (vgl. Sax, J Z 1976, S. 434, A n m . 35) u n d „lehrreich" bzgl. Finckes Untersuchung (Wessels, Straf recht-AT, S. 8; zu Fincke siehe demgegenüber Dreher/Tröndle, v o r § 1, Rn. 1: „ m i t anfechtbaren Schlußfolgerungen") zumindest zum T e i l als f r a g w ü r d i g erscheinen.

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2. Teil. Versuchen 8. Kapitel:

2. Was sie der von ihr kritisierten Ansicht als Widersprüchlichkeit vorw i r f t , läßt sich gegen sie selbst wenden. 3. Sie entzieht einem Begriff des Versuchsdelikts von vornherein den „materiellen Boden" des nichtrechtlichen Versuchsbegriffs, verfehlt damit die strafrechtsdogmatische Kategorie und kann i m übrigen die von ihr vorgeschlagenen Begriffe nicht logisch einwandfrei klassifizieren. Zu 1.: Wenn Burkhardt der Rechtsprechung und der verbreiteten Lehre hinsichtlich der A r t des Gebrauchs des „technischen Versuchsbegriffs" bei den Unternehmensdelikten begriff s juristische Argumentation v o r w i r f t 1 7 , so ist u m so erstaunlicher, daß er selbst der Begriffsjuristerei anheimfällt, wenn er seine Rechtsanwendungsvorschläge von einem spezifischen, für § 11 I Nr. 6 gebildeten Versuchsbegriff abhängig macht, sie letztlich aus einem solchen Begriff als Prämisse ableitet 1 8 . Aber diese Begriffsbildung rückt die Problematik auf ein falsches Gleis; denn es geht i n den bezeichneten Zusammenhängen gar nicht um den Begriff des Versuchs 19 . Sondern zum einen ist ein Für und Wider vorzuführen, das die Möglichkeiten der rechtlichen Behandlung von Unternehmensdelikten abwägt und das durch reine, begrifflich nicht bedeutsame Strafwürdigkeitsargumente bestimmt ist; und zum anderen geht es u m die Frage, inwieweit wegen der gesetzlichen Regeln zu den Unternehmensdelikten bestimmte Rechtsansichten als de lege lata unvertretbar zu gelten haben 20 . Soll also ζ. B. das Unternehmensdelikt als Vollendungsdelikt nur bestimmte Versuchsarten erfassen und andere nicht, dann bedarf es einer Legitimation dafür, daß Versuchsarten unterschiedlich behandelt werden sollen, aber keines neuen (Versuchsbegriffs. Und soll ein Versuchsdelikt i m Hinblick auf den betreffenden (Unternehmens-)Straftatbestand nur bei ganz bestimmten Versuchsarten vorliegen können, dann wäre unter Umständen ein VersuchsdeüJetsbegriff zu bilden, der von demjenigen abweicht, der ansonsten innerhalb der Strafrechtsordnung verwendet w i r d 2 1 . Die Irrelevanz der 17

aaO, S. 354. Die Fragwürdigkeit der Vorgehensweise t r i t t besonders bei Fincke, aaO, S. 55, hervor, w o es heißt: „Richtig ist vielmehr, daß auch § 22 u n d damit der gesamte AT-Versuch ausscheidet, w e i l kein Versuch i. S. des A T vorliegt, w e n n »Versuch 4 i. S. § 11 I 6 gegeben ist." 19 Schmidhäuser, Rn. 15/100 (allerdings machen Schmidhäusers Ausführungen nicht eindeutig klar, daß bei den Unternehmensdelikten der Versuch per definitionem als Vollendungsdelikt strafbar ist). 20 Als besonderen Argumentationstopos f ü r die Frage der Zulässigkeit einer Rechtsanwendung hebt Fincke i n seiner hier vielfach zitierten Schrift den Gedanken hervor, daß die „Standortwahl" einer Regelung (Allgemeiner oder Besonderer T e i l des Strafrechts) eine „Sachentscheidung des Gesetzgebers" verkörpere (vgl. Fincke, aaO, S. 90, i n der Zusammenfassung seiner Ergebnisse); unterstützend Maurach/Schroeder, Strafrecht-BT 1, S. 2. 18

I. Unternehmensdelikte

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i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e n U n t e r n e h m e n s d e l i k t e n bestehenden Rechtsp r o b l e m e f ü r die einschlägigen b e g r i f f l i c h e n G r u n d l a g e n k a n n m a n sich auch d a d u r c h p l a u s i b e l machen, daß m a n sich f ü r d e n „ T a t b e s t a n d s v e r w i r k l i c h u n g s - " b z w . „ f o r m e l l e n V e r s u c h " ebenfalls e i n m a l a u f d e n B o d e n d e r L e h r e v o m „ M a n g e l a m T a t b e s t a n d " (oben A n m . 8) s t e l l t . W a s w ü r d e aus d e n f ü r n o t w e n d i g e r k l ä r t e n b e g r i f f l i c h e n D i s t i n k t i o n e n werden22? Zu 2.: B u r k h a r d t b e h a u p t e t : D e r „ H a n d l u n g s v e r s u c h " (der die F ä l l e des „ M a n g e l s a m T a t b e s t a n d " n i c h t umfassen soll) „ i s t i n e i n e m technisch v o l l e n d e t e n T a t b e s t a n d u n t e r S t r a f e gestellt u n d h a t z u d e n §§ 43 ff. (heute: §§ 22 ff., d e r Verf.) k e i n e B e z i e h u n g e n " 2 8 . Diese These ist i n s o f e r n falsch, als d i e j e n i g e n Versuchsarten, die als „ H a n d l u n g s v e r s u c h " e i n g e s t u f t w e r d e n , z u m i n d e s t d a n n u n t e r § 22 f a l l e n , d. h . e i n Versuchsdelikt darstellen können, w e n n k e i n Unternehmensdelikt vorl i e g t ; i n d e r T e r m i n o l o g i e Finckes: es s t e l l t sich heraus, daß das, w a s als „ m a t e r i e l l e r " V e r s u c h s b e g r i f f b e h a u p t e t w i r d , d e m „ f o r m e l l e n " Versuchsbegriff i n v o l l e m U m f a n g unterfällt, w e n n k e i n Unternehmens21 A n dieser Stelle zeigt sich übrigens, daß B u r k h a r d t u n d Fincke dort einen neuen Begriff bilden, w o sie es gar nicht recht merken: Da sie bestimmte Versuchsarten, die ansonsten unter den Begriff des Versuchsdelikts fallen, als Unternehmens-Vollendungsdelikte behandeln u n d n u r f ü r die anderen Versuchsarten (ζ. B. den „Versuch am untauglichen Objekt") die Möglichkeit des Versuchsdelikts nach § 22 offenhalten wollen, w i r d der Begriff des Versuchsdelikts bei den Unternehmenstatbeständen verändert. Stellt man sich aus normativen Gründen auf den Boden der unterschiedlichen Behandlung v o n Versuchsarten k a n n man auch die aufgezeigte begriffliche Konsequenz bedenkenlos akzeptieren. (Erwähnt sei, daß Fincke, aaO, S. 57 f., aber offenbar davon ausgeht, daß ein „formeller Versuch" des „materiellen »Versuchs'" möglich sei: Ist das überhaupt noch gedanklich nachvollziehbar? E n t behren die Worthülsen hier nicht jeden Begriffs?) 22 W e n n verbreitet die „Gleichstellung v o n Vollendung u n d Versuch" (Schönke/Schröder/Eser, § 11, Rn. 59; vgl. Dreher/Tröndle, § 11, Rn. 34; Lackner, § 11, A n m . 7; Tröndle, L K StGB, § 11, Rn. 71; aus der J u d i k a t u r m i t teilweise etwas anderen Formulierungen: RGSt 5, 60 [68]; 39, 321 [323]; 72, 80 [81]; B G H S t 15, 198) betont w i r d , so ist das i n dem Sinne zu verstehen, i n dem oben die gesetzliche Regelung der Unternehmensdelikte m i t dem Satz „Der Versuch ist als Vollendungsdelikt strafbar" interpretiert wurde, also (abgesehen v o m Unternehmensbegriff als solchen) nicht i m Sinne begrifflicher Besonderheiten. Demgegenüber ist es irreführend (und an dieser Stelle setzt die K r i t i k Burkhardts u n d Finckes j a zunächst ganz zutreffend an), wenn außerdem behauptet w i r d , daß es u m den „Versuch i m Sinne des § 22" gehe (vgl. Jescheck, S. 426; Lackner, aaO; Rudolphi, S K StGB, § 11, Rn. 23; Schönke/Schröder/Eser, aaO; Tröndle, L K StGB, § 11, Rn. 74; RGSt 5, 60 [68]); denn ein Versuchsdelikt nach § 22 liegt gerade nicht vor. Diese Behauptung meint aber i m Grunde, daß bei den Unternehmensdelikten alle Versuchsarten, die sonst als Versuchsdelikte strafbar wären, als Vollendungsdelikte strafbar seien. I n einer derartigen These liegt k e i n begrifflicher Widerspruch. Ihre sprachliche Gestalt ist deswegen mißglückt, w e i l ihre Vertreter nicht über die Begriffe „Versuch" u n d „Versuchsdelikt" i n dem i n Kap. 7 entwickelten Verhältnis verfügen. 23 aaO, S. 356.

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2. Teil. Versuchen 8. Kapitel:

delikt gegeben und der Versuch bei dem betreffenden Straftatbestand pönalisiert ist. Soll es nun widersprüchlich sein, alle Versuchsarten, die Versuchsdelikte darstellen können, bei den Unternehmensdelikten dem Vollendungsdelikt zuzuschlagen, und § 24 einheitlich nicht anzuwenden, dann ist es ebenso widersprüchlich, wenn man diejenigen Versuchsarten, die man bei den Unternehmensdelikten dem Versuchsdelikt entzieht und dem Vollendungsdelikt zuordnet, der Regelung des § 24 nicht unterwirft. Zu 3.: Wurde oben, i n Kap. 7, aufgezeigt, daß der Begriff des Versuchsdelikts schon i m Ansatz aus dem Blick gerät, wenn man „den Versuch" unmittelbar m i t der dogmatischen Erfassung des Vollendungsdelikts verknüpft, so ergibt die Diskussion um begriffliche Probleme der Unternehmensdelikte, daß m i t diesem ersten falschen Schritt der Ausgangspunkt für weiteres fehlerhaftes Vorgehen geschaffen worden ist. Die dargestellte Gegenüberstellung von „Tatbestandsverwirklichungs-" oder „formellem Versuch" einerseits und „Handlungs-" oder „materiellem Versuch" 2 4 andererseits verkennt die begrifflichen Zuordnungsverhältnisse, insbes. die Subordination des Versuchsdeliktsbegriffs unter den nichtrechtlichen Begriff des Versuchs 25 . Wer i m Rahmen des § 22 auf einen „Versuchsbegriff" zusteuert, sieht sich gezwungen, auf einen anderen „Versuchsbegriff" auszuweichen, wenn das Gesetz das Wort „Versuch" an anderem Ort so verwendet, daß nicht „der Versuchsbegriff des § 22" gemeint sein kann. Anzuführen sind hier ζ. B. folgende Äußerungen Burkhardts und Finckes: „ M a n sollte den Versuch i n § 46 a (heute: § 11 I Nr. 6, der V e r f . ) . . . nicht technisch als Versuch der Tatbestandsverwirklichung, sondern enger, i m Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs als Handlungsversuch verstehen" 26 bzw. „Dieser neue Standort (von § 11 I Nr. 6 i m Vergleich zur alten Regelung, der Verf.) ist richtig, da die Definition systematisch i n den ,AT' des B T gehört und m i t dem Versuch i. S. des A T nichts zu tun hat. § 22 meint den Versuch nämlich i m formellen, § 11 Nr. 6 i m materiellen Sinn" 2 7 . — A n diese Äußerungen knüpft sich die kritische Frage, ob nicht der Aspekt 24 Bemerkenswerterweise sieht sich Fincke, aaO, S. 53 ff., ausgerechnet immer dann genötigt, den Ausdruck „Versuch" i n Anführungszeichen zu setzen, wenn er den „materiellen /Versuch' " meint. Das hängt w o h l damit zusammen, daß der „materielle Versuch" ja gerade nicht „der" Versuch sein, d . h . — i n unsere Begriffe übertragen — gerade kein Versuchsdelikt darstellen soll. 25 ζ. B. an dieser Stelle zeigt sich, daß es falsch wäre zu behaupten, der „Tatbestandsverwirklichungs-" oder „formelle Versuch" entspreche dem Versuchsdelikt i n der Terminologie dieser Abhandlung u n d der „Handlungs-" oder „materielle Versuch" sei m i t dem sachlich identisch, was hier als Versuch i n der allgemein-umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes erscheint. 26 Burkhardt, aaO, S. 356. 27 Fincke, aaO, S. 53; vgl. auch S. 35, 41.

I. Unternehmensdelikte

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der Bedeutungsanalyse gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch — was den Versuchsbegriff angeht — auch i m Rahmen des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" gelten muß, ob also nach dem genannten Kriterium des allgemeinen Sprachgebrauchs der „Handlungsversuch" als „engerer" Begriff zutreffend charakterisiert ist 2 8 . Anders ausgedrückt: Darf man einen Sachverhalt überhaupt als „Tatbestandsverwirklichungsversuch" bezeichnen, wenn es nach den Regeln des allgemeinen Sprachgebrauchs ausgeschlossen ist, den betreffenden Sachverhalt „Versuch" zu nennen? 29 I n der Terminologie Finckes kann man fragen: Hat ein „materieller" Versuchsbegriff für § 22 keinerlei Bedeutung? Diese rhetorischen Fragen beantworten sich selbst. Bemerkenswert ist i n diesem Zusammenhang ferner, daß — entgegen der Sprechweise Finckes — der „materielle" Charakter von Taten als Versuchstaten dann und wann gerade dazu dient, auf deren Ähnlichkeit m i t einem Versuchsdel i k t nach § 22 hinzuweisen 30 . Es ist vom Standpunkt begrifflicher Konsistenz i m übrigen nichts dagegen einzuwenden, den formellen strafrechtlichen Kategorien des Versuchs- und Vollendungsdelikts materielle Begriffe von Versuch und Vollendung 3 1 gegenüberzustellen: „Versuchs-" und „Vollendungsdelikt" sind nämlich insofern gesetzestechnisch-formell ausgerichtet, als das Vollendungsdelikt vorliegt, wenn sämtliche i m betreffenden Straftatbestand des Besonderen Teils angeführten Voraussetzungen erfüllt sind 3 2 , und das Versuchsdelikt, wenn die Prämissen der §§ 22 ff. i n Verbindung m i t dem jeweiligen Straftatbestand des Besonderen Teils bejaht werden können. Materielle Begriffe von Versuch und Vollendung ergeben sich aus folgender Frage: Stellt das, was als Vollendungsdelikt strafbar ist, aus einer Perspektive, die ihre Grundlage außerhalb des Strafgesetzes hat — etwa aus der Sicht des Täters, der viel weitergehende Ziele verfolgt, oder i m Hinblick auf dasjenige, was als eigentlicher Unwertsachverhalt dem betreffenden Straftatbestand zugrundeliegt —, lediglich ein Vorstadium, etwa einen Ver28 Die beiläufige Bemerkung, daß der „Handlungsversuch" gegenüber dem „Tatbestandsverwirklichungsversuch" der „engere" Begriff sei, muß w o h l so verstanden werden (siehe aber noch unten, A n m . 35), daß dieser weniger Versuchsarten erfasse als jener, also eine geringere Extension habe. Generell über „Extension" (und „Intension") eines Begriffs siehe den Nachweis oben, Kap. 4, A n m . 57. — Der Frage, w i e B u r k h a r d t den Hinweis auf den „allgemeinen Sprachgebrauch" eigentlich genau meint, w i r d hier nicht nachgegangen. Das relativiert natürlich unsere K r i t i k bis zu einem gewissen Grade. 29 Nach den kritisierten Äußerungen soll die Umgangssprache f ü r den Begriff des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" j a w o h l nicht bedeutsam sein. 30 Vgl. Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 224; Sauermann, Der Versuch als „delictum sui generis", S. 1; Schönke/Schröder/Eser, § 11, Rn. 59. 31 Üblicherweise w i r d die „formelle Vollendung" noch von der „materiellen Beendigung" unterschieden; vgl. etwa Schmidhäuser, Rn. 8/102, 15/9. Dieser Sprachgebrauch k a n n hier aber außer Betracht bleiben. 32 Vgl. oben, Kap. 7, A n m . 26.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

such oder auch erst reine Vorbereitung dar 33 ? I m einzelnen braucht dem an dieser Stelle nicht nachgegangen zu werden, da klargeworden sein sollte, inwiefern die Vorschläge Burkhardts und Finckes zur Bildung von „Versuchsbegriffen" dazu führen, daß der Versuchs-Straftat der materielle begriffliche Gehalt gewissermaßen entzogen wird, jedenfalls wenn man die Thesen als ernst gemeinte versteht 34 . — Näher auszuführen bleibt eine Inkonsistenz dieser Vorschläge, die ja darauf abzielen, einheitliche Begriffe von „Handlungs-" und „Tatbestandsverwirklichungsversuch" zu bilden: Bezogen auf das Unternehmensdelikt sind — i n der Sprechweise Burkhardts — die Begriffe „Tatbestandsverwirklichungsversuch" und „Handlungsversuch" (als Vollendungsdelikt!) m i t einander unverträglich, bezogen aber auf Nicht-Unternehmensdelikte steht der Begriff des „Handlungsversuchs" dem Begriff des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" nicht unvereinbar gegenüber, sondern ist diesem vielmehr subordiniert; denn sämtliche Versuchsarten, die als „Handlungsversuche" bezeichnet werden, unterfallen bei den NichtUnternehmensdelikten, wenn der Versuch pönalisiert ist, dem Begriff des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" (ohne daß auch das Umgekehrte gilt) 3 5 . Wollte man die erörterten Termini unter Vermeidung dieser Inkonsistenz beibehalten, dürfte man bezogen auf die Unternehmensdelikte nicht zwei Versuchsbegriffe einander gegenüberstellen, sondern müßte etwa sagen: Diejenigen Versuchsarten, die „Handlungsversuche" darstellen und deretwegen, soweit es nicht um Unternehmensdelikte geht, als „Tatbestandsverwirklichungsversuch" gestraft wird, sind i m Rahmen der Unternehmensdelikte als Vollendungsdelikte zu behandeln; wegen der anderen Versuchsarten ist, wie sonst auch, gegebenenfalls als „Tatbestandsverwirklichungsversuch" zu strafen 36 . 33

Vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/9 f. Oben, S. 101 f., w u r d e n die abzulehnenden begrifflichen Thesen so dargestellt, daß der Eindruck entstanden sein könnte, der Ausdruck „Versuchsa r t " spiele i n der Argumentation Burkhardts und Finckes eine zentrale Rolle. Dem ist aber nicht so. M i t dem Rekurs unserer Darstellung auf Versuchsarten sollte die kritisierte Auffassung der Sache nach angemessen v e r m i t t e l t w e r den. Es w i r d nicht verkannt, daß die hier vorgenommene, nach Versuchsarten differenzierende Betrachtungsweise i m Grunde schon ein Verständnis nahelegt, das „materiellen Versuchsgehalt" auch (und zuallererst!) dort sieht, wo ein Versuch als Versuchsdelikt unter Strafe steht. 35 A u f dieser Basis k a n n die Annahme Burkhardts, aaO, S. 356, interpretiert werden (vgl. jedoch auch oben, A n m . 28), der „Handlungsversuch" sei gegenüber dem „Tatbestandsverwirklichungsversuch" der „engere" Begriff. 36 M a n könnte dann davon sprechen, daß bei den Unternehmensdelikten ein anderer Begriff des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" gelte. B u r k hardt, aaO, S. 358, deutet die Konsequenz seiner Ansicht f ü r den Begriff des „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" n u r vage an, w e n n er schreibt, daß bei den Unternehmensdelikten ein Versuch gemäß § 22 möglich sei, „insow e i t " k e i n „Handlungsversuch" vorliege. (Vgl. bereits oben, A n m . 21, w o darauf hingewiesen wurde, daß die Vorschläge Burkhardts u n d Finckes, was die 34

I. Unternehmensdelikte

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Damit wäre dann aber nicht nur die genannte Inkonsistenz beseitigt, sondern zugleich anerkannt, daß der „Versuchsbegriff" nicht der geeignete Ansatzpunkt ist, u m die Unternehmensdelikte i n den Griff zu bekommen, mag das auch durch die voreilige „Verrechtlichung" nahegelegt werden, die i h m bei der strafrechtsdogmatischen Erfassung des gemäß § 22 strafbaren Versuchs widerfährt 3 7 . Ein Gebrauch der Termini „Handlungs-" und „Tatbestandsverwirklichungsversuch" belastet die Strafrechtswissenschaft unnötig. Die kritisierte Konzeption ersetzt den einen Irrweg, nämlich i m Rahmen der Unternehmens-Vollendungsdelikte fälschlich von „Versuch i m Sinne von § 22" zu sprechen 38 , durch einen anderen, indem sie nämlich bzgl. der Fälle, die bei den Unternehmensdelikten als Vollendung strafbar sind, einen eigenständigen Versuchsbegriff ins Leben ruft und i h n dem „technischen" oder „formellen" oder „Tatbestandsverwirklichungs-"Versuch gegenüberstellt. Soweit diesen Bemühungen das Ziel zugrundeliegt, den Bereich der vollendeten Unternehmens-Straftat zu restringieren, kann es auf sachgerechtere Weise verwirklicht werden. Die Konzeption eines engeren als des weithin vertretenen Versuchsdeliktsbegriffs schlägt nämlich v o l l auf das Unternehmensdelikt durch, wenn man sämtliche Versuchsarten, die sonst als Versuchsdelikt strafbar sind, zu einem Unternehmens-Vollendungsdelikt führen läßt. Einem solchen Versuchsdeliktsbegriff widmet sich der dritte Teil der vorliegenden Arbeit. 2. „Unechte"

Unternehmensdelikte

Ebensowenig wie die Unternehmensdelikte erfordern diejenigen Straftatbestände begriffliches „Umdenken", die sich durch „finale Tätigkeitswörter" 3 9 besonders auszeichnen. begriffliche Seite angeht, darauf hinauslaufen, f ü r die Unternehmensdelikte einen anderen Versuchsdeliktsbegriff zu bilden. Eines eigenständigen V o l l endungsdeliktsbegriffs bedarf es demgegenüber nicht! Vgl. oben, Kap. 7, A n m . 26. — Allerdings haben diese Vorschläge selbstverständlich Folgen f ü r den Rechtsbegriff des Unternehmens.) 37 Vgl. oben, S. 100 f. 38 Vgl. oben, A n m . 22. 39 Vgl. v. Weber, Z u m A u f b a u des Strafrechtssystems, S. 8 ff., u n d G r u n d riß des deutschen Strafrechts, S. 53 f. — Bei den „finalen Tätigkeitswörtern" handelt es sich u m ein noch i m m e r bemerkenswertes, nicht hinreichend analysiertes Phänomen. Gemeint sind Handlungen, die überhaupt n u r als „finale", d. h. als intentionale Handlungen gedacht werden können (Näheres über „Intentionalität" — zum strafrechtsdogmatisch vorbelasteten Terminus „Finalität" siehe unten, A n m . 151 — folgt i n Abschn. I I I 3 dieses Kapitels). Ζ. B. k a n n m a n töten, ohne töten zu wollen, aber nicht Spazierengehen, ohne Spazierengehen zu wollen. Als weiteres Beispiel bietet sich aus dem geltenden Recht das (auf das W i l d bezogene) Wort „nachstellen" (§ 292) an: ich k a n n (dem Wilde) nicht nachstellen, ohne nachstellen zu wollen; allerdings k a n n ich (objektiv) einem Gegenstand nachstellen, ohne (subjektiv) diesem Gegenstand nachstellen zu wollen (ζ. B. stelle ich einem — i m Unterholz

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

Solche S t r a f t a t b e s t ä n d e s i n d o b e n ( K a p . 7, A n m . 17) bereits e r w ä h n t w o r d e n , u n d z w a r u n t e r H i n w e i s a u f d e r e n das Vollendungsdelikt verfehlende, g ä n z l i c h i r r e f ü h r e n d e E i n o r d n u n g als „ V e r s u c h s d e l i k t e " oder „ V e r s u c h s t a t b e s t ä n d e " ; die J u d i k a t u r s p r i c h t v o n „ V e r s u c h s h a n d l u n gen, die z u r s e l b s t ä n d i g e n S t r a f t a t e r h o b e n s e i e n " 4 0 . Es w ä r e n i c h t ohne Reiz, die e i n z e l n e n gesetzlichen S t r a f t a t s c h i l d e r u n g e n des Besond e r e n T e i l s a u f „ v e r s t e c k t e " I n t e n t i o n a l i t ä t s m e r k m a l e zu untersuchen. A b e r das k a n n h i e r n i c h t unsere A u f g a b e sein. I n t e r e s s a n t i s t a n dieser S t e l l e l e d i g l i c h d e r U m s t a n d , daß T a t b e s t ä n d e w i e e t w a § 113 ( „ a n g r e i fen"), § 257 ( „ H i l f e l e i s t e n " ) u n d § 292 ( „ n a c h s t e l l e n " ) als „ u n e c h t e " , w e i l d e n B e g r i f f des U n t e r n e h m e n s n i c h t v e r w e n d e n d e , Unternehmensdelikte* 1 bezeichnet w e r d e n 4 2 . Dieser N a m e d e u t e t an, daß solche D e l i k t e , ä h n l i c h w i e die „ e c h t e n " U n t e r n e h m e n s d e l i k t e 4 3 , d e r R e c h t s a n w e n d u n g spezifische P r o b l e m e a u f g e b e n : E t w a die Frage, ob u n d , w e n n j a , welche V e r s u c h s a r t e n als V o l l e n d u n g s d e l i k t e p ö n a l i s i e r t sind, u n d d i e F r a g e danach, ob R ü c k t r i t t s v o r s c h r i f t e n a n g e w a n d t w e r d e n d ü r f e n 4 4 . W ü r d e m a n ζ. B., d e m r e f e r i e r t e n V o r s c h l a g b e i d e n „ e c h t e n " U n t e r n e h m e n s delikten vergleichbar, bestimmte Versuchsarten (im Sinne m a t e r i e l l e r 4 5 noch nicht wahrnehmbaren — Wildschwein nach u n d glaube, es handle sich u m ein Reh); ich k a n n verschiedene zukünftige Ziele verfolgen, indem ich dem Wilde nachstelle, ζ. B. k a n n ich das W i l d erlegen oder aber auch lediglich photographieren wollen. Z u r Analyse solcher Besonderheiten siehe Anscombe, Intention, pp. 8 4 - 8 5 ; vgl. Hruschka, S t r u k t u r e n der Zurechnung, S. 10 f. (allerdings zeigt sich auf S. 27, daß Hruschka dem Spezifikum der I n tentionali tät von Handlungen nicht gerecht w i r d ; siehe unten, A n m . 188); Schmidhäuser, ZStW 66, S. 30 f. 40 Vgl. RGSt 35, 128 (129); 36, 76 (77 f.); 50, 364 (366); B G H S t 4, 221 (224). (Die angeführten Entscheidungen sind alle zur früheren Fassung von § 257 ergangen: „Beistand leisten".) 41 A m Rande sei erwähnt, daß das Verständnis des § 323 c als „unechtes Unternehmensdelikt" — bei Zugrundelegung des herkömmlichen Vorsatzbegriffs — zu einer alle vernünftigen Grenzen überschreitenden Extension des Strafbarkeitsbereichs f ü h r t : unterlassene Hilfeleistung auch dann, wenn sich der „Unterlassende" einen „Unglücksfall" bloß einbildet! Vgl. Schönke/ Schröder/Cramer, § 330 c, Rn. 2 a; Welzel, S. 471. Z u einer i n dieser Rechtsmeinung angelegten Aporie siehe die zutreffende K r i t i k Zielinskis, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 247. 42 Vgl. z.B. Rudolphi, SK StGB, § 11, Rn. 27 ff.; Schönke/Schröder/Eser, § 11, Rn. 64; Schröder, Kern-Fs, S. 465. 43 Die Behauptung dieser Ä h n l i c h k e i t soll sich j a gerade i m Ausdruck „unechte Unternehmensdelikte" widerspiegeln. 44 Dem Problem, ob die angedeutete Interpretation überhaupt (verfass u n g s r e c h t l i c h zulässig ist, soll hier nicht nachgegangen werden. Aus der Tatsache, daß ein Vergleich zu den Unternehmensdelikten i m Sinne von § 11 I Nr. 6 vorgenommen w i r d , erhellt i n jedem Fall, w a r u m bei den bezeichneten Straftatbeständen des Besonderen Teils (Vollendungsdelikten) überhaupt die Frage nach der Bestrafung von Versuchsarten als Vollendungsdelikte auftauchen kann. — Prinzipiell ablehnend gegenüber einer „materiellein) Gleichstellung" der „unechten" Unternehmensdelikte „als Versuch": Schmidhäuser, Rn. 15/101. 45 Vgl. oben, A n m . 34. — Der paradox klingende, auf einer — leicht ver-

I. Unternehmensdelikte B e t r a c h t u n g ) d e m V o l l e n d u n g s d e l i k t z u o r d n e n , d a n n h ä t t e das bei den „unechten" Unternehmensdelikten einen abweichenden s u c h s d e l i k t s b e g r i f f z u r K o n s e q u e n z (die S t r a f b a r k e i t des Versuchs m a l vorausgesetzt). W i e i m e i n z e l n e n v e r f a h r e n w e r d e n sollte, ist

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auch Vereineine

Frage, die p r i m ä r d e n j e w e i l i g e n S t r a f t a t b e s t a n d des Besonderen T e i l s u n d d i e d o r t beschriebene H a n d l u n g b e t r i f f t u n d h i e r n i c h t b e a n t w o r t e t z u w e r d e n b r a u c h t . V e r t r e t e n w e r d e n e t w a die Thesen, daß das „ u n e c h t e " U n t e r n e h m e n s d e l i k t d e n V e r s u c h s c h l e c h t h i n z u m V o l l e n d u n g s d e l i k t m a c h e 4 6 , daß sich die G l e i c h s t e l l u n g a u f d i e j e n i g e n V e r suchsarten beschränke, die o b e n als „ H a n d l u n g s v e r s u c h e " bezeichnet w u r d e n 4 7 , daß n i c h t a l l e F ä l l e des „ H a n d l u n g s V e r s u c h s " , s o n d e r n n u r der taugliche „Handlungsversuch" v o m Vollendungsdelikt erfaßt w e r de48. H i n s i c h t l i c h d e r u m die B e g r i f f e „ V e r s u c h " u n d „ V e r s u c h s d e l i k t " k r e i s e n d e n , n i c h t - n o r m a t i v e n P r o b l e m a t i k s t e l l e n sich d e m n a c h f ü r die „ u n e c h t e n " U n t e r n e h m e n s d e l i k t e k e i n e a n d e r e n F r a g e n als f ü r die meidbaren — Homonymie beruhende Satz v. Olshausens (§ 292, A n m . 12) : „Der Versuch ist schon mangels besonderer Strafdrohung . . . nicht strafbar, ganz abgesehen davon, daß der Begriff des Jagens den Versuch als solchen i n sich schließt" ist unter dem Postulat einer klaren Begriffsbildung allemal k r i t i k w ü r d i g (vgl. Sauermann, Der Versuch als „delictum sui generis", S. 23). Z u einer Begriffsverwirrung (vgl. Burkhardt, aaO, S. 353, A n m . 10) braucht er gleichwohl nicht zu führen, w e n n man sich verdeutlicht, daß lediglich gemeint ist, ein Versuchsdelikt gebe es nicht, vielmehr sei der Versuch als Vollendungsdelikt strafbar. Z u beachten ist vor allem, daß die Gleichsetzung des i m Z i t a t erstgenannten „Versuchs" m i t dem Versuchsdelikt u n d die Bezeichnung des zweitgenannten Versuchs als Vollendungsdelikt, also die Identifizierung einer T a t als Versuchstat i m materiellen Sinne, nicht zu dem T r u g schluß verleiten darf, der Begriff des Versuchsdelikts habe m i t einem nichtrechtlichen, materiellen Versuchsbegriff nichts zu tun. Das angedeutete V e r ständnis des betreffenden Vollendungsdeliktes soll j a gerade auf eine — näher zu begründende — Gemeinsamkeit m i t einem Versuchsdelikt aufmerksam machen. — Eine andere Interpretation des zitierten Satzes v. Olshausens ergäbe sich dann, w e n n man davon ausgeht, daß behauptet werden solle, erfolgloses u n d nicht erfolgversprechendes Jagen unterfalle dem Begriff des Jagens ebenso w i e erfolgreiches u n d erfolgversprechendes Jagen (vgl. auch Sauermann, aaO). Allerdings ist es dann unnötig und irreführend davon zu sprechen, daß der Begriff des Jagens den Versuch als solchen i n sich schließe, d. h. gedanklich wiederum zwischen erfolgreichem bzw. erfolgversprechendem Jagen als Jagen u n d erfolglosem bzw. nicht erfolgversprechendem Jagen als versuchtem Jagen zu differenzieren; denn der Begriff des Jagens soll ja gemäß dem geschilderten Verständnis unabhängig v o m Aspekt des Erfolges oder Mißerfolges den Sachverhalt des Jagens zutreffend erfassen können. 48 Vgl. i n diesem Sinne etwa Bockelmann, Strafrechtliche Untersuchungen, S. 198 ff. (für § 257); Waider, G A 1962, S. 183 ff. (für § 292). 47 Burkhardt, JZ 1971, S. 355; Fincke, S. 55, 57 f. (beachte aber den Hinweis oben, A n m . 8); Schönke/Schröder/Eser, § 11, Rn. 66 (mit Ausnahme für § 257, s. dort [Stree] Rn. 15); Schröder, Kern-Fs, S. 465 ff.; Tröndle, L K StGB, § 11, Rn. 80. 48 Rudolphi, SK StGB, § 11, Rn. 29; jeweils f ü r § 257: RGSt 36, 76 (77 f.); BGHSt 4, 221 (224); B G H N J W 1971, S. 525 (526).

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

„echten". Aus diesem Grunde braucht innerhalb der Unternehmensdelikte i m folgenden nicht differenziert zu werden. 3. „Versuch des Versuchs"? Wer i m Zusammenhang m i t den Unternehmensdelikten zu begrifflichen Problemen Stellung nimmt, pflegt i n der Regel eine Frage anzuschneiden, die i m Gewand der gängigen, pointiert-tiefsinnig klingenden Redeweise etwa so formuliert werden kann: Ist ein „Versuch des Versuchs" überhaupt begrifflich denkbar? D. h. bezogen auf die Unternehmensdelikte: Entfällt bei ihnen von vornherein die Möglichkeit eines Versuchsdelikts, wenn der Versuch als Vollendungsdelikt strafbar ist? — Die Frage nach der begrifflichen Möglichkeit eines „Versuchs des Versuchs" meint also das Problem, ob ein Versuchsdelikt i n bestimmten Fällen begrifflich notwendig ausscheidet. Diese Frage kann auf der Grundlage der eben dargelegten Deutung der Unternehmensdelikte klar beantwortet werden. U m den allgemeinen Rahmen abzustecken, soll aber zunächst untersucht werden, i n welchem Sinne man umgangssprachlich von „Versuch des Versuchs" sprechen könnte, ohne daß das Verständnis abreißen müßte. Diese Wendung vermag allenfalls, wenn man sie überhaupt für Kommunikationszwecke benötigt, den Fall zu umschreiben, daß eine Handlung, die i m Hinblick auf ein durch sie angestrebtes weitergehendes Ziel einen Versuch darstellt, ihrerseits versucht w i r d ; der Versuch dieser Handlung wäre dann i n diesem Sinne der Versuch eines Versuchs. Ein Beispiel: Der Sportverein X w i l l den Titel eines „Deutschen Fußballmeisters" erringen. A u f dem über weitere Spiele führenden Weg dorthin ist ein Sieg i m Spiel gegen den Sportverein Y erforderlich. Die Anstrengungen von X i m Spiel lassen sich beschreiben als der Versuch, es zu gewinnen. M i t dem Gewinn des Spiels wiederum w i r d versucht, Deutscher Fußballmeister zu werden; indem X versucht zu gewinnen, versucht er, an das weitere Ziel zu gelangen. Demgemäß liegt m i t dem Versuch, das Spiel zu gewinnen, der Versuch des Versuchs vor, die Fußballmeisterschaft zu erreichen. Dabei ist m i t einem Gewinn des Spiels gegen Y noch nichts darüber gesagt, ob letzten Endes die Fußballmeisterschaft errungen, also auch der weitergehende Versuch von Erfolg gekrönt sein wird. Von daher kann es auch keinen Einwand gegen unsere Interpretation bedeuten, daß X , indem er versucht, das Spiel zu gewinnen, zugleich schon versucht, die Fußballmeisterschaft zu gewinnen 49 . 49

McCormick/Thalberg, Dialogue 6 (1967), pp. 36 - 37. 41, w ü r d e n der hier vertretenen Interpretation von „ t r y i n g to t r y " möglicherweise zustimmen, ohne diese ihrerseits hinreichend exakt anvisiert zu haben. Ä h n l i c h wie McCormick/Thalberg Heath, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume X L V , 1971, pp. 202 - 203.

I. Unternehmensdelikte

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Für ein sachgerechtes Verständnis der Redewendung „Versuch des Versuchs" kommt es demnach darauf an, Zwischenziele von (relativen) Endzielen zu unterscheiden und das Zwischenziel i n seiner Doppelrolle als Ziel eines Versuchs und als vorläufigen Handlungsabschnitt, Versuch von etwas anderem, Weitergehendem zu sehen; vor allem aber darf nicht verkannt werden, daß jeweils ein anderer Versuch, ein Versuch von etwas anderem — nicht ein jeweils anderer Versuchsbegriff! — gemeint sein muß. Man kann, um i m Beispiel zu bleiben, etwa von einem Versuch des Versuchs, das Spiel zu gewinnen, nur sinnvoll reden, wenn der erstgenannte Versuch auf einen anderen Versuch verweisen soll als auf denjenigen, das Spiel zu gewinnen, also ζ. B. auf den Versuch eines erfolgreichen Torschusses beim Elfmeter; der Torschuß kann gelingen, ohne daß damit das Spiel gewonnen sein muß (jedenfalls soweit nicht die Spielzeit gerade abläuft und der Torschuß die letzte und entscheidende A k t i o n des gesamten Spiels darstellt). Bezöge man demgegenüber „Versuch" jeweils auf dieselbe Handlung, denselben Erfolg, dasselbe Ziel, liefe das auf eine unverständliche Annahme folgenden Musters hinaus: Der Versuch, das Spiel zu gewinnen, sei ein Versuch des Versuchs, das Spiel zu gewinnen. Formulierte jemand einen derartigen Satz, müßte man ihm entweder entgegenhalten, daß er sich i n einen Selbstwiderspruch verwickle, oder aber, daß er die Regeln nicht beherrsche, denen der Gebrauch des Wortes „Versuch" folgt. Der erste Einwand wäre dann angebracht, wenn dem Betreffenden die eben dargetane Interpretation der Redeweise „Versuch des Versuchs" einleuchtete; denn auf dieser Grundlage ist es begrifflich unmöglich, das Ziel eines Versuchs zugleich als dessen Versuch, als Versuch desselben Versuchs zu beschreiben. Der zweite Einwand wäre unter der Prämisse gerechtfertigt, daß der Betreffende den Begriff des Versuchs ambivalent verwendete, indem er m i t „Versuch" nicht nur das bezeichnete, was w i r i m allgemeinen unter „Versuch" verstehen, sondern etwa auch die Vorbereitung „Versuch" nennen würde. Dann wäre der angeführte Beispielsatz so zu lesen: Die Vorbereitung dafür, das Spiel zu gewinnen, sei eine Vorbereitung des Versuchs, das Spiel zu gewinnen — ein offensichtlich sinnvoller, zwar nicht gerade aufregender, aber i n Anbetracht gleich noch zu schildernder Sichtweisen von Strafrechtlern doch erwähnenswerter Satz. Gegen die Wendung „Vorbereitung des Versuchs" bestehen keine Bedenken, wenn sich sowohl „Vorbereitung" als auch „Versuch" auf dasselbe Ziel beziehen. Das braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Auch i m strafrechtlichen Kontext läßt sich der Anspruch, daß die Redewendung vom „Versuch des Versuchs" sinnvoll sei, nur dann aufrechterhalten, wenn sie dahin ergänzt wird, daß verschiedene Versuche bezeichnet werden. Aus diesem Grunde kann es begrifflich keinen Ver8 Alwart

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

such (und damit auch kein Versuchsdelikt) des Versuchsdelikts geben; das Versuchsdelikt stellt nicht auf spezifische Handlungen ab, die ihrerseits versucht werden könnten, sondern setzt vielmehr irgendwelche Betätigungen voraus, die — i m Unterschied zur Vorbereitung — als Versuch des als Vollendung Verpönten angesehen werden können 5 0 . Anders ist der Fall zu beurteilen, daß der Gesetzgeber, wie z.B. i n § 229 m i t der Vergiftung i m Hinblick auf die Körperverletzung 6 1 , eine spezifische Versuchshandlung als Vollendungsdelikt unter Strafe stellt. Die herausgehobene Versuchshandlung (als Versuch der Körperverletzung) kann zweifellos ihrerseits versucht werden (als Versuch der Vergiftung): der Versuch der Vergiftung als Versuch eines Versuchs, nämlich der Vergiftung als Versuch der Körperverletzung. Von daher ist auch ein Versuchsdelikt begrifflich möglich 52 . Werden nun aber gewisse Versuchsarten — nicht etwa spezifische Versuchshandlungen! —, die sonst allenfalls als Versuchsdelikte strafbar sind, dem Vollendungsdelikt zugeordnet, wie man es bei den Unternehmensdelikten vorschlägt, dann ist insoweit kein Versuchsdelikt möglich 5 3 , und zwar begrifflich nicht; denn für die begriffliche Möglichkeit eines Versuchsdelikts kann sich keine andere Beurteilung daraus ergeben, daß eine Versuchsart als Vollendungsdelikt strafbar ist. V e r t r i t t man demgegenüber die bei den „echten" Unternehmensdelikten weit verbreitete Ansicht, daß sämtliche Versuchsarten jeweils als Vollendungsdelikt zu bestrafen seien, dann gibt es — begriffslogisch notwendig — zu dem betreffenden Straftatbestand des Besonderen Teils kein Versuchsdelikt 54 . Dagegen ist es verfehlt, die Straflosigkeit des Versuchs damit zu begründen, daß „der Gesetzgeber durch die Schaffung der Unternehmenstatbestände die Strafbarkeit nicht i n das Vorbereitungsstadium erstrecken w o l l t e " 5 5 ; denn selbst wenn der Gesetz50

Ä h n l i c h Sauermann, Der Versuch als „ d e l i c t u m sui generis", S. 27 f. So z . B . Dreher/Tröndle, § 229, Rn. 1; Hirsch, L K StGB, § 229, Rn. 2; Lackner, § 229, A n m . 1. 52 Darauf laufen auch die Überlegungen Sauermanns, aaO, S. 33, 19 (zu § 229), hinaus. — Der Terminus „delictum sui generis" (allgemein kritisch zu i h m Haffke, JuS 1973, S. 402 ff.) besitzt i n unserer Analyse keine Funktion. Vgl. noch unten, A n m . 71. 53 So auch B u r k h a r d t , J Z 1971, S. 357, 358. 64 Vgl. Dreher/Tröndle, § 11, Rn. 34; Lackner, § 11, A n m . 7; Maurach/ Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 21, u n d (sehr eindeutig) Maurach, Strafrecht-BT, S. 559 (für §§ 81, 82); Tröndle, L K StGB, § 11, Rn. 74. 55 Rudolphi, SK StGB § 11, Rn. 24; vgl. noch Burkhardt, J Z 1971, S. 357; Jescheck, S. 426; Stienen, Fälle einer begrifflichen Unmöglichkeit des V e r suchs (Diss.), S. 10. — Auch die These des RG (St 58, 392 [394]), daß es einen „strafbaren Versuch des Versuchs" nicht geben könne, w e i l „Versuch i m Sinne des Strafgesetzbuchs" begrifflich die Absicht erfordere, „das geplante V e r brechen oder Vergehen zu vollenden, nicht bloß es zu versuchen", t r i f f t nicht den K e r n der Sache. Es w i r d nämlich nicht erkannt, daß sich ein „Vollen51

I I . Vorbereitung, Versuch und Versuchsdelikt

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geber das gewollt hätte, hätte er die betreffenden Straftatbestände anders ausgestalten müssen, um sein Ziel zu erreichen. Das angeführte Zitat, das die Redewendung vom „Versuch des Versuchs" rein zeitlichlinear i m Sinne einer Vorverlegung der Strafbarkeit interpretiert, läuft auf den eben dargestellten eigentümlichen Gebrauch des Wortes „Versuch" i n der doppelten Bedeutung als „Versuch" i m üblichen Sinne und als „Vorbereitung" hinaus. Weiteren Fällen von begrifflicher Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Versuchsdelikts ist bei der nun folgenden Analyse der Begriffe „Vorbereitung", „Vorbereitungshandlung" und „Vorbereitungsdelikt" nachzugehen. I I . Vorbereitung, Versuch und Versuchsdelikt

Der Weg zum Versuchsbegriff erweist sich als ausgesprochen lang. Es hat sich sogar die Gefahr gezeigt, daß er i n ein Labyrinth führen kann, aus dem kein Schlupfloch die Rückkehr zu begrifflicher Konsistenz und Klarheit ermöglicht. Aber dieses Labyrinth braucht man nicht zu betreten, wenn man den Wegweisern eines nichtrechtlichen Versuchsbegriffs und eines rechtlichen Versuchsdeliktsbegriffs folgt. Nun sind diese Wegweiser bisher überhaupt nur undeutlich erkennbar geworden, da w i r uns ihnen noch nicht ausreichend genähert haben. Ein weiterer Schritt i n ihre Richtung soll dadurch getan werden, daß die gegenüber den Begriffen „Vollendung" und „Vollendungsdelikt" erfolgte negative Begrenzung der Begriffe „Versuch" und „Versuchsdelikt" gewissermaßen auf der anderen Seite ergänzt wird, indem die Begriffe „Vorbereitung" und „Vorbereitungsdelikt" i n den Überlegungen berücksichtigt werden. Dies geschieht i n einer Weise, die genau auf der schon bisher eingehaltenen Linie liegt 5 6 . Bereits oben, i n Abschn. I, wurde der Begriff der Vorbereitung ganz selbstverständlich so verwendet, wie es dem üblichen Umgangs- und fachsprachlichen Gebrauch entspricht: Die „Vorbereitung" irgendeiner Tat findet statt, bevor diese Tat versucht und — damit auch zwingend — dungsvorsatz" auf etwas richten kann, was unter einem anderen Aspekt nicht als Vollendung, sondern seinerseits wiederum als Versuch erscheint. Z u r K r i t i k v o n RGSt 58, 392 (394) siehe Burkhardt, J Z 1971, S. 357; Sauermann, Der Versuch als „delictum sui generis", S. 25 ff. 56 E t w a das Problem, w a n n i m einzelnen „Vorbereitung" u n d w a n n „ V e r such" gegeben ist, stellt hier keinen Untersuchungsgegenstand dar. F ü r die Zwecke dieser A b h a n d l u n g genügt die i m oben folgenden T e x t getroffene generelle Begriffszuordnung. Es sei lediglich angemerkt, daß die Entscheidung v o n Zweifelsfällen hinsichtlich der erwähnten Problematik n u r aus Strafwürdigkeitserwägungen abgeleitet werden kann. Insoweit ist das, was den Versuchscharakter eines Versuchsdelikts ausmacht, i n Abgrenzung zum Begriff der Vorbereitung normativ zu gewinnen (vgl. so Schmidhäuser, Rn. 15/50 ff.; auch R o x i n JuS 1979, S. 3 ff.; siehe bereits oben, S. 28, u n d noch unten, S. 139 f.). 8*

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

bevor sie vollendet 5 7 wird. Welche begrifflichen Konsequenzen ergeben sich aus dieser Sachlage für das Versuchsdelikt? Oder präziser für die hier angestrebte Klärung gefragt: Wie steht es m i t der begrifflichen Möglichkeit eines Versuchsdelikts bezüglich derjenigen Straftatbestände des Besonderen Teils, die sich — was noch differenziert darzustellen sein w i r d — auf die „Vorbereitung" von etwas beziehen? Ebenso wie bei der Behandlung der Redeweise vom „Versuch des Versuchs" empfiehlt es sich auch hier, wo es um den „Versuch der Vorbereitung" geht, die begrifflichen Implikationen, die i m Gesetz dadurch geschaffen sind, daß gerade ein Versuchsdelikt die Strafbarkeit i m Vergleich zu den Straftatbeständen des Besonderen Teils ausdehnt, m i t Hilfe eines nichtrechtlichen Beispiels zu analysieren. Angenommen, ein Jurastudent plant, sich i n ungefähr einem Jahr der Ersten Juristischen Staatsprüfung zu unterziehen. Aus diesem Grunde nimmt er sich vor, „den Stoff" weitgehend i n häuslicher Arbeit zu repetieren, und sagt zu seinen Eltern: „ I n einem Jahr werde ich es (nämlich: die Prüfung zu bestehen) versuchen." A m ersten Tag seiner systematischen Vorbereitung auf die Prüfung sitzt er zu Hause am Schreibtisch, freut sich, dem ständigen Gemurmel i n der Bibliothek entronnen zu sein, w i l l sich m i t den Grundlagen des Bürgerlichen Rechts beschäftigen, als unmittelbar unter seinem Fenster auf der Straße der Bau einer neuen Teilstrecke der U-Bahn m i t dröhnenden Rammschlägen beginnt. Die lärmende Geschäftigkeit hält ein Jahr lang an und zieht die Konzentrationsfähigkeit des Studenten i n schwere Mitleidenschaft. — Es wäre i m Hinblick auf die geschilderten Tatsachen auf Anhieb verständlich, wenn der Student nach Ablauf des Jahres auf die Frage, ob er sich denn auch für das Examen vorbereitet hätte, antwortete: „Ich habe versucht, mich vorzubereiten, aber es ist m i r nicht gelungen". Man darf aber bei diesem vordergründigen Verständnis nicht stehenbleiben, sondern muß vielmehr danach fragen, was m i t der A n t w o r t gemeint sei. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man versteht unter Vorbereitung nur die erfolgreiche oder besser: die erfolgversprechende Vorbereitung 5 8 ; von daher wäre die mißlungene 57

A m Rande ist darauf hinzuweisen, daß es umgangssprachlich gekünstelt klingen würde, den Terminus der Vollendung i n allen Zusammenhängen zu verwenden, i n denen es u m erreichte Ziele geht. Vielmehr sprechen w i r von „Vollendung" gemeinhin m i t einer gewissen pathetischen oder auch axiologischen Bedeutungskomponente, etwa w e n n von der „Vollendung eines Werkes" oder einem „ W e r k vollendeter Dichtkunst" die Rede ist. I m alltäglichen K o n t e x t w ü r d e n w i r demgegenüber ζ. B. sagen, uns sei etwas gelungen, w i r hätten Erfolg gehabt oder einfach: dieses u n d jenes getan oder etwas fertiggestellt, u n d nicht, w i r hätten etwas „vollendet". Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. 58 Die Einteilung danach, ob die betreffende H a n d l u n g „erfolgversprechend" („tauglich") ist oder nicht, hätte selbstverständlich auch i n Abschn. I, bei den bzgl. der Unternehmensdelikte behandelten Versuchsarten zugrun-

I I . Vorbereitung, Versuch u n d Versuchsdelikt

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Vorbereitung dann die versuchte Vorbereitung, d. h. der Student meint, er habe sich i n dem Sinne nicht vorbereitet, als er sich nicht erfolgversprechend (nicht gut) vorbereitet habe. Die genaue Betrachtung zeigt, daß damit aber i m Grunde nicht die Vorbereitung schlechthin verneint w i r d — der Student also nicht meint, er habe sich überhaupt nicht vorbereitet —, sondern lediglich die erfolgversprechende Vorbereitung. Daraus ergibt sich, daß man dem Begriff der Vorbereitung 6 9 w o h l am nächsten kommt, wenn man ihn unabhängig davon auf eine Betätigung anwendet, ob diese erfolgversprechend ist oder nicht — ein Umstand, der eben nur einen zusätzlichen Aspekt kennzeichnet. — Oder man bezieht die A n t w o r t des Studenten i m Beispielsfall auf spezifische Vorbereitungshandlungen. Dann stellt man sich nicht die Vorbereitung als solche vor, die sich aus einer Fülle von Aktivitäten zusammensetzen kann, sondern erfaßt gerade eine spezifische vorbereitende Handlung als Zwischen- oder Teilziel, das seinerseits versucht (und vorbereitet) werden kann. Der Student könnte gemäß dieser Variante etwa meinen, daß er an einem bestimmten Vormittag versucht habe, sich ein zivilrechtliches Problem erneut zu vergegenwärtigen, daß i h m das aber mißlungen sei, weil anhaltender Baulärm eine Konzentration unmöglich gemacht habe. Eine andere Vorbereitungshandlung (im Hinblick auf die spätere Prüfung) könnte i h m gelungen sein, ζ. B. das Schreiben einer Klausur i m Examensklausurenkurs. Führt man sich nunmehr die gesetzliche Regelung vor Augen, dann sieht man zunächst, daß der Gesetzgeber i m Allgemeinen Teil des Strafrechts nicht parallel zum Versuchsdelikt ein Vorbereitungsdelikt geschaffen hat®0, d. h. er hat von der gesetzestechnischen Möglichkeit, neben dem Versuchen zusätzlich ein anderes Handeln vor Tatvollendung allgemein i n den Bereich der Strafbarkeit einzubeziehen, keinen Gebrauch gemacht. Es gibt also nach geltendem Recht kein Vorbereitungsdelikt, das i n der Weise gesetzlich auf Straftatbestände des Besonderen Teils bezogen ist wie das Versuchsdelikt. Hingegen findet sich i m Besonderen Teil selbst, an verschiedenen Stellen und i n divergiedegelegt werden können. Daß das dort nicht geschah (vgl. aber A n m . 45 u n d bei A n m . 48) u n d hier geschieht, hängt damit zusammen, daß unsere Erörterungen vor dem H i n t e r g r u n d der i m heutigen wissenschaftlichen Gespräch jeweils auftauchenden Gesichtspunkte verstanden werden wollen. 59 M e r k m a l des Vorbereitungsbegriffs ist übrigens nicht die Intention, die vorbereitete H a n d l u n g auch auszuführen: Ich k a n n eine (eigene) Handlung vorbereiten, ohne entschlossen zu sein, sie auszuführen; (aber ich k a n n nicht zugleich entschlossen sein, sie nicht auszuführen). — I m übrigen darf die analysierte Aussage nicht so verstanden werden, als meine der Student, daß seine einjährige Tätigkeit definitiv ohne jeden Bezug zum Examen gewesen sei. Unter einer solchen Prämisse wäre es nämlich inkonsistent, w e n n er behaupten würde, er habe sich m i t dieser Tätigkeit auf das Examen v o r bereitet. 60 Anders § 21 StGB der DDR.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

render Weise, eine Bezugnahme auf „Vorbereitung". So w i r d teilweise auf Vorbereitung schlechthin abgestellt (vgl. §§ 80, 83, 234 a III), teilweise darauf, daß „zur Vorbereitung" von etwas bestimmte Handlungen vorgenommen werden (vgl. §§ 87, 311b, 316 c III), teilweise darauf, daß jemand etwas „vorbereitet, indem er" dieses oder jenes tut (vgl· §§ 14961, 275); teilweise w i r d nicht ausdrücklich auf „Vorbereitung" abgestellt, aber ebenso, wie man aus bestimmter Sicht sagen kann, daß § 229 eine Versuchshandlung pönalisiere (vgl. oben S. 114), kann man — ein weitergehendes Ziel zugrundelegend — gewisse unter Strafdrohung gestellte Verhaltensweisen als Vorbereitungshandlungen einstufen (vgl. §§ 30 I I — Allg. Teil — , 96, 219 c, 265). Einmal abgesehen davon, daß dem Gesetz gewiß keine i n abstracto reflektierte Konzeption für die Bestrafung von Vorbereitungen innewohnt, ließe sich immerhin die Frage aufwerfen, ob hier nicht das erfolgt ist, was oben (S. 103) bereits für das Versuchsdelikt als gesetzestechnische Regelungsmöglichkeit dargestellt wurde, nämlich eine Strafbarkeitserweiterung durch sich wiederholende Bestimmungen i m Besonderen Teil, und zwar vielleicht m i t der Konsequenz, daß die Strafrechtsdogmatik daraus ebenso einen allgemeinen Begriff des Vorbereitungsdeliktes zu erarbeiten hätte, wie wenn die Ausdehnung der Strafbarkeit auf eine Straftat der Vorbereitung von Taten durch generelle Bezugnahme i m Allgemeinen Teil erfolgt wäre 6 2 . Gegebenenfalls hätte das dann Folgen für den Begriff des Vollendungsdeliktes 63 . Dem braucht aber i n dieser Abhandlung, die, was die dogmatische Seite angeht, das Versuchsdelikt i n den Vordergrund stellt, nicht näher nachgegangen zu werden. Zum einen würde die erwähnte Modifikation des Vollendungsdeliktsbegriffs keine Auswirkung auf dessen Verhältnis zum Begriff des Versuchsdelikts haben. Zum anderen sprechen offensichtlich gute Gründe dafür, den Begriffen „Vollendungsdelikt" und „Versuchsdelikt" keinen Begriff des „Vorbereitungsdelikts" nebenzuordnen, sondern vielmehr dann, wenn „Vorbereitung" i m Sinne des betreffenden Straftatbestandes des Besonderen Teils eigens unter Strafe ge61 Nach A n f ü h r u n g der einzelnen Tathandlungen erwähnt § 149 nochmals deren Vorbereitungscharakter i m Hinblick auf die Geldfälschung („wenn er eine Geldfälschung vorbereitet"). Das hängt damit zusammen, daß der Strafrahmen danach variiert, ob eine Geldfälschung oder ob eine Wertzeichenfälschung vorbereitet w i r d . 82 Fincke k r i t i s i e r t die „allgemeine Auffassung, daß Vorbereitungshandlungen »grundsätzlich 4 straflos, »ausnahmsweise' aber strafbar seien" (Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Strafrechts, S. 41). Diese K r i t i k erscheint ihrerseits k r i t i k w ü r d i g , w e n n man die prinzipielle Vergleichbarkeit einer Regelung durch Wiederholung i m Besonderen Teil m i t einer Regelung durch generelle Bezugnahme i m Allgemeinen T e i l anerkennt. 93 Vgl. die Definition oben, Kap. 7, A n m . 26.

I I . Vorbereitung, Versuch u n d Versuchsdelikt

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stellt ist, ein Vollendungsdelikt anzunehmen: Ζ. B. gibt es nicht i n jedem Fall, wo Vorbereitung pönalisiert ist, einen Straftatbestand, auf den ein Vorbereitungsdelikt überhaupt Bezug nehmen könnte (vgl. § 80); auch scheint nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ein Vorbereitungsdelikt seinerseits zumindest i n manchen Fällen Anknüpfungspunkt für ein Versuchsdelikt sein und von daher ein „paralleles" Verständnis von Vorbereitungs- und Versuchsdelikt zu Schwierigkeiten führen könnte; i m übrigen wird, wie bereits angedeutet, i m Besonderen Teil keine einheitliche Konzeption deutlich — man denke hier auch daran, daß Rücktrittsvorschriften nur zum Teil vorhanden sind —, welche die Bildung einer strafrechtsdogmatischen Kategorie des Vorbereitungsdeliktes herausfordern würde 6 4 . Gleichwohl sollte man nicht übersehen, daß Aussagen über Vorbereitung (wie über das Versuchen) prinzipiell auf alle Verhaltensweisen bezogen werden können, d. h. daß die Straftatbestände des Besonderen Teils, die auf „Vorbereitung" abstellen, einen Begriff gebrauchen, dessen Anwendbarkeit nicht auf die spezifische Handlung beschränkt ist, u m deren Vorbereitung es i n dem jeweiligen Straftatbestand geht. Verhindern die genannten Straftatbestände nun aus begrifflichen Gründen jeweils die Annahme eines Versuchsdelikts? — Betrachtet man diejenigen Bestimmungen, i n denen es um „Vorbereitung" als solche geht, i m Lichte des oben angeführten nichtrechtlichen Beispiels, so lautet die Antwort, daß ein Versuchsdelikt nur dann begrifflich möglich ist, wenn man unter „Vorbereitung" eine „erfolgversprechende Vorbereitung" versteht 6 5 , also „objektiv-untaugliche Vorbereitungshandlungen, wie ζ. B. die Beschaffung eines Stoffes, den der Täter nur i r r tümlich für Sprengstoff h ä l t " 6 6 , dem Begriff der Vorbereitung i m Sinne des jeweiligen Straftatbestandes nicht subsumiert 67 . Das setzt eine 64 Fincke, aaO, S. 41 ff., betont auch hier wieder (vgl. bereits oben, A n m . 20), daß es einen f ü r die Rechtsanwendung prinzipiellen Unterschied mache, ob der Gesetzgeber etwas i m Allgemeinen oder i m Besonderen T e i l regle. M i r scheint jedoch, daß diese Sichtweise die oben, über A n m . 62, dargestellten Zusammenhänge nicht genügend berücksichtigt. 65 Wenigstens erwähnt sei die Möglichkeit einer anderen Restriktion des Vorbereitungsbegriffs, indem nämlich diesem v o n der „eigentlichen" T a t durchführung ganz entfernte Betätigungen nicht zugeordnet werden. I m Rahmen des § 83 soll etwa „das Anfordern von Prospekten f ü r Schußwaffen oder Sprengmittel" nicht als Vorbereitung i m Sinne dieser Bestimmung anzusehen sein (vgl. so Schönke/Schröder/Stree, § 83, Rn. 8). — Andersartige Probleme hinsichtlich der Frage nach der Möglichkeit eines Versuchsdelikts stellen sich hier aber nicht. Siehe noch unten. A n m . 68. 66 Rudolphi, S K StGB, § 83, Rn. 6. 67 So die Rechtsanwendung bei Rudolphi, aaO; zum Problem vgl. ferner: Dreher/Tröndle, § 83, Rn. 3; Lackner, § 83, A n m . 3; Schönke/Schröder/Stree, § 83, Rn. 2, 8. — Die zitierten Stellen zeigen bei genauem Hinsehen eine Eigentümlichkeit, die an der Formulierung Lackners, aaO, beispielhaft v e r deutlicht werden soll: „Versuchte Vorbereitung ist begrifflich n u r denkbar,

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

a n S t r a f w ü r d i g k e i t s a r g u m e n t e n o r i e n t i e r t e B i l d u n g eines b e s t i m m t e n Rechtsbegriffs d e r V o r b e r e i t u n g v o r a u s 6 8 — w a s ü b r i g e n s k e i n e n D i s pens v o n d e m P o s t u l a t bedeutet, daß „ V o r b e r e i t u n g " i m r e c h t l i c h e n auch „ V o r b e r e i t u n g " i m n i c h t r e c h t l i c h e n S i n n e sein m u ß (aber n i c h t u m g e k e h r t ! ) . Dieses W e r t u n g s p r o b l e m b r a u c h t h i e r a l l e r d i n g s n i c h t b e h a n d e l t z u w e r d e n . Es g e n ü g t , die b e g r i f f l i c h e n P r ä m i s s e n f ü r die M ö g l i c h k e i t eines „ V e r s u c h s d e r V o r b e r e i t u n g " u n d d a m i t eines Versuchsdel i k t s a u f g e w i e s e n z u haben. A u c h k a n n d a h i n g e s t e l l t b l e i b e n , ob n i c h t die skizzierte n o r m a t i v e L i m i t a t i o n e i n e r B e s t r a f u n g v o n V o r b e r e i t u n g s t a t e n aus denselben normativen G r ü n d e n dazu f ü h r e n m ü ß t e , das e n t sprechende V e r s u c h s d e l i k t ebenfalls z u v e r n e i n e n , oder ob m a n aus sonstigen G r ü n d e n g a r n i c h t m e h r a u f das V e r s u c h s d e l i k t z u r ü c k g r e i f e n darf 69. w e n n untauglicher Versuch vorliegt u n d w e n n man, was aus Gründen der Rechtssicherheit nicht unbedenklich ist, auch die untaugliche Vorbereitung unter § 83 subsumiert." Z w a r w i r d offenbar zunächst gesehen, welche unterschiedlichen I m p l i k a t i o n e n f ü r die begriffliche Möglichkeit eines Versuchs m i t der Definition der „Vorbereitung" als „Vorbereitung schlechthin" oder als „erfolgversprechende Vorbereitung" verbunden sind, aber dann entweder — i m Selbstwiderspruch — behauptet, daß auch „untaugliche Vorbereitung" als Vorbereitung i m Rechtssinne anzusehen sei (denn n i m m t man diese These als Prämisse, k a n n von „versuchter Vorbereitung" gerade keine Rede sein), oder — ohne Begründung — davon ausgegangen, daß die versuchte Vorbereit u n g als Vollendungsdelikt zu bestrafen sei. I m übrigen zeigt sich hier eine gewisse Parallele zur A r t der Diskussion bei den „unechten" Unternehmensdelikten. N u r rechtfertigt sich die dort eingeschlagene Argumentationsweise, die nach der Bestrafung bestimmter Versuchsarten als Vollendungsdelikte fragt, aus dem Vergleich m i t den $,echten" Unternehmensdelikten; vgl. oben, A n m . 44. 68 I n der Wissenschaft finden sich Stellungnahmen, die nicht erkennen lassen, daß die Frage nach der Strafwürdigkeit des betreffenden Versuchs erst dann gestellt werden kann, w e n n dessen begriffliche Möglichkeit dargetan ist, d. h. i n diesem Zusammenhang: w e n n man i m Rahmen des Vollendungsdelikts von einem eingeschränkten Begriff der Vorbereitung ausgeht, sei es i n dem Sinne, der oben i m T e x t ausgeführt, oder i n dem, der oben, unter A n m . 65, angedeutet wurde u n d den die i m folgenden zitierten Autoren offenbar i m Blick haben. So schreiben Maurach, Strafrecht-BT, S. 561, und Jescheck, S. 424, i m Rahmen einer teleologischen Betrachtung v o n § 83, daß der „Versuch einer Vorbereitung" aus dem Grunde ausscheide, w e i l er eine „irreale Gefahr" darstelle bzw. w e i l diese Vorschrift selbst schon das Vorfeld des Hochverrats so w e i t erfasse, wie ein „Strafbedürfnis" bestehe; bei Schmidhäuser, Rn. 15/11, heißt es allgemein: „Wo . . . der Tatbestand des Vollendungsdelikts einen Geschehensabschnitt unter Strafe stellt, der so w e i t vorne i m materiellen Vorbereitungsstadium liegt, daß weiter vorne ernstlich nichts mehr an strafwürdiger Willensverwirklichung gefunden werden kann, da läßt sich straf gesetzlich k e i n Versuchsdelikt mehr normieren." — Die logisch vorrangige begriffliche Problematik k l i n g t an bei Maurach/Gössel, Straf recht-AT 2, S. 8 f. 69 Etwa w e i l das der „Systematik des Gesetzes" widersprechen würde (Willms, L K StGB, § 83, Rn. 12, § 80, Rn. 10; vgl. A r n d t , ZStW 66, S. 74 oben). — D u n k e l die These zu § 80 i n : Schönke/Schröder/Stree, Rn. 9, daß der Versuch bei dieser Vorschrift strafbar sei, da es sich dort nicht u m die V o r bereitung anderer Verbrechen handele, sondern das Vorbereiten eines Krieges

I I . Vorbereitung, Versuch u n d Versuchsdelikt

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D i e a n d e r e n g e n a n n t e n B e s t i m m u n g e n , d i e also n i c h t a u f V o r b e r e i t u n g schlechthin abstellen, s o n d e r n a u f spezifische V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n , die e n t w e d e r als solche gekennzeichnet s i n d oder sich v o n e i n e m gewissen S t a n d p u n k t aus als solche erschließen lassen 7 0 , s t e l l e n d e r A n n a h m e eines V e r s u c h s d e l i k t s k e i n e b e g r i f f l i c h e B a r r i e r e i n d e n W e g 7 1 . Diese ( V o r b e r e i t u n g s - ) H a n d l u n g e n k ö n n e n i m ü b r i g e n n i c h t l e d i g l i c h versucht, s o n d e r n i h r e r s e i t s v o r b e r e i t e t w e r d e n . Diese Feststell u n g ist z w a r de lege l a t a u n i n t e r e s s a n t , da es eben e i n V o r b e r e i t u n g s d e l i k t i n d e m S i n n e w i e das V e r s u c h s d e l i k t n i c h t g i b t ; g l e i c h w o h l e r scheint aber b e m e r k e n s w e r t , daß eine „ V o r b e r e i t u n g d e r V o r b e r e i t u n g " e b e n s o w e n i g w i e e i n „ V e r s u c h des Versuchs" e i n b e g r i f f l i c h e s U n d i n g ist, w e n n m a n j e w e i l s eine andere V o r b e r e i t u n g m e i n t . S i e h t m a n ζ. B . das i n § 265 geschilderte Geschehen als V o r b e r e i t u n g z u e i n e m B e t r u g , so k a n n nichts dagegen e i n g e w e n d e t w e r d e n , w e n n m a n sagt, diese V o r b e r e i t u n g , ζ. B . das I n b r a n d s e t z e n e i n e r b e s t i m m t e n Sache, k ö n n e i h r e r seits v o r b e r e i t e t w e r d e n ; aus d e r Sicht d e r V o r b e r e i t u n g des I n b r a n d setzens i s t das I n b r a n d s e t z e n d i e „ V o l l e n d u n g " , das angestrebte Z w i schenziel, aus d e r Sicht des B e t r u g e s aber bloße V o r b e r e i t u n g 7 2 . selbst die strafbare Tätigkeit sei (ebenso Rudolphi, SK StGB, § 80, Rn. 11). Soll die Frage nach der Möglichkeit eines Versuchs der Vorbereitung u n d damit eines Versuchsdelikts hier ausschließlich aufgrund dieser „systematischen" Sicht entschieden werden u n d das begriffliche Problem gar keine Rolle spielen? 70 Entgegen K r u g , Die Lehre v o m Versuche der Verbrechen, S. 39, steht die Bezeichnung von Taten als Vorbereitungshandlungen der Annahme einer begrifflichen Möglichkeit eines Versuchs dieser Vorbereitung nicht entgegen. Wie es genau zu verstehen ist, w e n n ein Straftatbestand des Besonderen Teils eine Tätigkeit pönalisiert, die ζ. B. „ z u r " Vorbereitung einer anderen Straftat ausgeführt sein muß, ob hier also etwa i m Unrechtstatbestand ein spezifisches Willensziel vorausgesetzt w i r d (ζ. B. dafür Lackner, § 311 b, A n m . 3; dagegen B a y O b L G N J W 1973, S. 2038 f.), ist eine Problematik des j e w e i l i gen Straftatbestandes u n d berührt nicht die hier behandelten Fragen. 71 Die Differenzierung dieses Textes zwischen „Vorbereitung als solcher" u n d „spezifischer Vorbereitungshandlung" findet sich sehr deutlich ebenfalls bei Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen T e i l des Strafrechts, S. 43 f., S. 46 (vgl. etwa auch D r e h e r / T r ö n d l e , § 96, Rn. 4; Lackner, § 311b, A n m . 4; anklingend bei B G H S t 6, 385 [386 f.]). Was die Unterscheidung des „selbständigen" v o m „unselbständigen" D e l i k t bei unter Strafe stehenden „Vorbereitungen" u n d „Vorbereitungshandlungen" f ü r die A n t w o r t auf die Frage nach der begrifflichen Möglichkeit eines Versuchsdelikts zu leisten vermag, bleibt selbst dort dunkel, w o diese Einteilung ausdrücklich f ü r bedeutsam gehalten w i r d , w i e etwa bei Jescheck, S. 423f.; z . B . ordnet Jescheck § 96 I dem Begriff der „unselbständigen Ausdehnung" eines T a t bestandes zu, stellt dann die These auf, daß der Versuch bei den „unselbständigen Vorbereitungstatbeständen" nicht strafbar sei, u n d h ä l t trotzdem die versuchte Ausspähung (§§ 22, 96 I) m i t dem B G H (St 6, 385 [387]) f ü r strafbar. — Z u r K r i t i k , unter Hinweis auf den uneinheitlichen Sprachgebrauch v o n „selbständig", siehe Fincke, aaO, S. 43 ff. Vgl. auch oben, A n m . 52. 72 Ebenso w i e oben, S. 115, i n anderem Zusammenhang bereits kritisiert, ist es auch hier verfehlt i m Sinne eines rein zeitlich-linear interpretierten Aspektes der Strafbarkeitsvorverlegung zu behaupten, daß der „Versuch

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

Es war von Relevanz für den Gesamtkontext dieser Untersuchung, die Frage zu beantworten, ob und gegebenenfalls unter welchen Prämissen eine Vorbereitung versucht werden kann, ob also i n manchen Fällen strafgesetzlicher Regelung i m Besonderen Teil ein Versuchsdelikt schon begrifflich von vornherein ausscheidet. Die richtige A n t w o r t mußte danach differenzieren, ob der jeweilige Straftatbestand nur einzelne Vorbereitungshandlungen erfaßt oder schlechthin die Vorbereitung einer bestimmten Tat pönalisiert. I m zuerst genannten F a l l war die Möglichkeit eines Versuchsdelikts uneingeschränkt zu bejahen, i m zuletzt genannten nur unter bestimmten, oben angeführten Bedingungen. Dem Problem, ob bei der einen oder anderen der hier erwähnten Strafnormen, z.B. bei § 30 I I , ein Versuchsdelikt nicht vielleicht aus Gründen ausscheidet, die m i t dem Begriff des Versuchs nichts zu t u n haben, braucht nicht nachgegangen zu werden. I I I . Der Begriff des Versuchs

Nachdem die Hindernisse auf dem Weg zur eigentlichen Analyse des Versuchsbegriffs — „Versuch" als Bestandteil der normalen Sprache verstanden — beiseitegeräumt sind, kann sich der nun folgende Abschnitt diesem Begriff intensiv zuwenden. Allerdings soll das nicht umfassend geschehen. Das würde nämlich u. a. voraussetzen, daß die verschiedensten Lebenszusammenhänge betrachtet werden, i n denen der Begriff auftaucht. Die herausgearbeiteten Bedeutungskomponenten wären zu systematisieren, d. h. die Regeln, denen der Wortgebrauch folgt, möglichst vollständig anzugeben, die Mehrdeutigkeiten des Ausdrucks „Versuch" wären zu explizieren und diverse Vagheitsprobleme zu thematisieren. Man würde etwa fragen, ob und gegebenenfalls i n welchen Fällen von „versuchen" auch dann gesprochen werden kann, wenn keine körperliche Bewegung stattfindet, — ob jede Handlung „versucht" werden kann, wenn nein, welcher Handlungstyp nicht und warum nicht 7 3 , — was ζ. B. ein Naturwissenschaftler meint, wenn er hinsichtlich seiner Forschungstätigkeit davon spricht, er wolle „einen Versuch machen", oder ein Literaturwissenschaftler, wenn er einen „Versuch über Bertold Brecht" vorlegt, — etc. Selbst einen Satz wie „versuche (im Sinne von: koste) diese Speise!" würde man berücksichtigen. Zudem müßte dann gewiß erörtert werden, welche Bezüge sich zum Versuchen von einer Basis wissenschaftstheoretischer und handlungstheoretischer Erkenntnis

einer unter Strafe gestellten Vorbereitungshandlung . . . nicht denkbar" sei, da er „seinem Wesen nach nichts anderes als eine weitere Vorbereitung der H a u p t t a t " wäre (BGHSt 6, 85 [87]; Hennke, ZStW 66, S. 398: „Kausalreihe"). 73 Siehe dazu die Aufstellung bei Heath, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume X L V , 1971, pp. 196 - 203.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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herstellen lassen 74 . Man würde ferner Antworten auf eher metaphysische Fragestellungen behandeln und sich dabei vielleicht selbst auf das Terrain philosophischer Spekulation und daseinsgründender Meditation vorwagen, ζ. B. wenn es darum ginge, philosophisch-anthropologische Thesen zu diskutieren („Der Mensch ist ein mißlingendes Wesen" 75 ), oder darum, die Behauptung zu erörtern, daß eine Pflicht niemals darin bestehen könne, etwas zu tun, sondern nur darin zu versuchen, etwas zu t u n 7 6 . Es ließen sich Probleme fundamentaler Natur aufwerfen, wenn aus erkenntnistheoretischer Perspektive untersucht würde, was eine Aussage wie „N. N. versucht, etwas Bestimmtes zu tun" i m einzelnen impliziert, wobei eine solche Untersuchung selbstverständlich nicht losgelöst von bestimmten wissenschafts- oder handlungstheoretischen Grundpositionen gedacht werden kann. Betonte man z.B., daß „etwas" einem Menschen „als Versuch zugerechnet" werde, so würde man damit eine spezifische Sichtweise ausdrücken wollen — eine Sichtweise, die i m H i n blick auf divergente Betrachtungsmöglichkeiten und Erkenntnismethoden einen prinzipiellen Unterschied darin sieht, ob etwa ein heftiger Sturm am Dach eines Hauses „ r ü t t e l t " oder ob ein Mensch versucht, ein Dach mittels Sprengstoffs zu zerstören. I n welcher Richtung w i r d dieser prinzipielle Unterschied zu suchen sein? — Er kann nur dort gefunden werden, wo das Handeln von dem abgehoben ist, was sich als „nackte" Tatsache empirisch erfahrbar i n der Welt ereignet. I n den Umkreis des Handlungsbegriffs, und damit auch i n den des Versuchsbegriffs, gehören Wörter wie „Wille", „Bewußtsein", „Vorstellung", 74 Ich denke hier z.B. einerseits an die Analysen v. Wrights zum „ p r a k tischen Schluß (Syllogismus)" bzw. zur „intentionalistischen (teleologischen) E r k l ä r u n g " (etwa i n seinem Buch „ E r k l ä r e n u n d Verstehen"), andererseits an Konzeptionen, die darauf hinauslaufen, die intentionalistische E r k l ä r u n g i m Sinne v. Wrights i n das Prokrustesbett der „ K a u s a l i t ä t " zu zwängen, also gewissermaßen die „causa flnalis" der „causa efficiens" unterzuordnen (vgl. Stegmüller, Wissenschaftstheorie, Bd. I, S. 530 ff.). F ü r eine ausführliche kritische Diskussion der Theorie v. Wrights s. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. I I , S. 103 ff. Z u verschiedenen (aber doch nicht zusammenhanglosen) Begriffen des praktischen Syllogismus siehe Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 118, A n m . 258, m. w . N. 75 Hall, E r i k - W o l f - F s , S. 456, unter Hinweis auf das H ö l d e r l i n - W o r t : „Der Mensch verwundert sich,/ daß sein Bemühn gelinget." Z u r Fragwürdigkeit der Thesen Halls vgl. Spendel, Stock-Fs, S. 95 f. 76 So i n Anlehnung an Prichard (Duty and Ignorance of Fact) Heath, aaO, p. 193, m i t der Begründung, daß Sterbliche über den Erfolg keine Befehlsgewalt haben. Z u r K r i t i k vgl. Winch, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume X L V , 1971, pp. 210 - 211. — Wittgenstein schreibt i m Tractatus logico-philosophicus (Nr. 6.374): „Auch w e n n alles, was w i r w ü n schen, geschähe, so wäre dies doch nur, sozusagen, eine Gnade des Schicksals, denn es ist k e i n logischer Zusammenhang zwischen W i l l e n u n d Welt, der dies verbürgte, u n d den angenommenen physikalischen Zusammenhang könnten w i r doch nicht selbst wieder wollen."

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

„Subjekt", „Geist", 7 7 die gewissermaßen von dem philosophischen Geheimnis umweht werden, als Begriffe doch Sinn zu haben, aber nicht — i n einem engeren Verständnis — wissenschaftlich verifizierbar zu sein. Man könnte auf den Gedanken kommen, diese Phänomene (die es doch auch „gibt"!) einer anderen Welt als derjenigen der „Tatsachen" zuzuordnen und einen anderen (zweiten) Wissensbegriff einzuführen 78 . Man könnte — wie oben schon angedeutet — darauf hinweisen, daß aufgrund des Spezifikums einer menschlichen Handlung jede Annahme, es sei gehandelt worden, einen Zurechnungsakt eigener A r t (nicht gemeint z.B.: „objektive Zurechnung" i n der gebräuchlichen straf rechtsdogmatischen Bedeutung) impliziere, der von einer bloßen Deskription von Fakten streng zu trennen sei 79 . Diesen Fundamentalproblemen können w i r uns hier nicht näher zuwenden. Gleichwohl müssen w i r zu ihnen durch die i n diesem Kapitel noch folgenden Ausführungen i n gewisser Weise Stellung nehmen. Denn es ist nicht zu verkennen, daß das von uns an den Tag gelegte Vorgehen Aufschluß darüber geben wird, welche Fragen i m Hinblick auf — neutral ausgedrückt — menschliche A k t i v i t ä t w i r aufzuwerfen für sinnvoll halten. Und wenn i m folgenden von Handlungsbeschreibung die Rede sein wird, sind w i r uns dessen bewußt, daß eine solche „Beschreibung" i n irgendeinem Sinn eine „Zuschreibung" voraussetzen mag. Aber wichtig ist eben, daß ein Streit darüber, was jemand getan hat (deskriptiv!), möglich ist 8 0 und sich von einem Streit unterscheidet, i n dem es darum geht, was jemand hätte t u n sollen (normativ!). Die dargelegte Begrenzung unseres Forschungsgegenstandes ist i n der Thematik dieser Arbeit angelegt. Es geht für uns nicht darum, von einem i n jeder Hinsicht befragten Versuchsbegriff aus Konsequenzen 77 Auch der Regelbegriff muß hier genannt werden. Z u r T h e m a t i k „ H a n d l u n g u n d Regelanwendung" sei verwiesen auf Winch, Die Idee der Sozialwissenschaft u n d i h r Verhältnis zur Philosophie, u n d aus dem Bereich der Jurisprudenz auf Hruschka, Strukturen der Zurechnung (kritisch zu dem von Hruschka vorgeschlagenen Handlungsbegriff Stratenwerth, ZStW 91, S.910f.). 78 I n diese Richtung vgl. Anscombe, Intention, pp. 39, 57, 82 - 8 4 ; auch Fiedler, Vorhaben u n d Versuch i m Strafrecht, S. 68 ff. 79 Dem Begriff der Zurechnung w i d m e t sich die Schrift Hruschkas: S t r u k turen der Zurechnung. Ebenfalls anzuführen ist der Aufsatz Harts: The Ascription of Responsibility and Rights i n : Proceedings of the Aristotelian Society 49 (1948 - 9), pp. 171 - 194 (Hart hat sich inzwischen von den i n dieser frühen A r b e i t vertretenen Ansichten distanziert, siehe dazu das V o r w o r t Harts i n seinem Sammelband „Punishment and Responsibility"). Einschlägige Abhandlungen enthält auch der Reader „Analytische Handlungstheorie", Bd. 1, hrsg. v. Meggle. Der angeführte Aufsatz Harts u n d der i n i h m behandelte Begriff der A s k r i p t i v i t ä t sind auch von der Kriminalsoziologie aufgegriffen worden; s. Haffke, G A 1978, S. 53 f., u n d Kuhlen, Die O b j e k t i v i t ä t v o n Rechtsnormen, S. 91 ff., jeweils m. w . N. auch auf ältere Literatur. 80 So auch Hampshire/Hart i n : Meggle (Hrsg.), Analytische Handlungstheorie, Bd. 1, S. 181 f.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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etwa für Probleme der Moral bzw. des Rechts als beispielhafte Anwendungsfälle aufzuzeigen. Sondern gerade umgekehrt: Bestimmte Rechtsprobleme stehen von vornherein i m Mittelpunkt des Interesses; u m sie lösen zu können, bedarf es u. a. einer Bezugnahme auf den umgangssprachlichen Begriff des Versuchs. Wie eine so ausgerichtete Untersuchung aussieht, haben bereits die beiden letzten Abschnitte (I. und II.) gezeigt: Dort, wo es aus begrifflichen Gründen zweifelhaft erscheint, ob ein Versuchsdelikt vorliegen kann, w i r d insoweit nach dem Versuchsbegriff gefragt. I n diesem Sinne sind auch die folgenden Betrachtungen zu verstehen. Sie gelten zunächst dem Begriff des Anfangs, den die Strafrechtsdogmatik vielfach verwendet, wenn sie die Voraussetzungen eines Versuchsdelikts darstellt. — Selbstverständlich könnte sich i m übrigen, trotz des Aspekts juristischer Relevanz, der hier über die A r t und Weise des Fragens entscheidet, einiges Erhellende ergeben, an dem auch eine nichtrechtliche Theorie des Versuchens nicht vorbeikäme. 1. „Versuch" als „Anfang"? Fragt man danach, ob der Begriff des Versuchs durch den Begriff des Anfangs definierbar ist, so scheint man sich mitten i n den strafrechtswissenschaftlichen Streit um „objektive" und „subjektive Versuchstheorien" zu begeben. Der Begriff des Anfangs legt nämlich die Annahme nahe, daß die A n t w o r t auf die Frage, ob i m Einzelfall ein Versuch vorliegt oder nicht, „objektiv" zu begründen sei: es müsse auf die äußere Beschaffenheit eines Verhaltens Bezug genommen werden und nicht („subjektiv") darauf, was der Handelnde w i l l oder was er sich vorstellt. Diese Versuchstheorien, die hier noch nicht detailliert entfaltet zu werden brauchen, sind aber nicht als Vorschläge zur Definition des umgangssprachlichen Versuchsbegriffs zu verstehen, sondern vielmehr als unterschiedliche Antworten auf die normative Frage nach einem „Strafgrund" „des Versuchs", und zwar m i t jeweils anderen Konsequenzen für die Lösung des Problems, welche Versuchsarten überhaupt Versuchsdelikte darstellen. Gerade diese normative Fragestellung w i r d aber i m jetzigen Zusammenhang nicht untersucht. Sie steht erst dann (nämlich i m dritten Teil der Abhandlung) zur Diskussion, wenn über den Anwendungsbereich des Versuchsbegriffs, dem sie Rechnung zu tragen hat, Klarheit geschaffen ist. Sollte die „subjektive Theorie" bestimmte Konstellationen erfassen, auf die der Ausdruck „Versuch" nicht paßt, so daß also auch kein Versuchsdelikt vorliegen kann, wäre daraus, also bereits aus begrifflicher Einsicht und ohne Stellen der Wertungsfrage, gewichtige K r i t i k an ihr abzuleiten. Demgemäß sei dem Versuchsbegriff i n der Weise nachgespürt, daß das Wort „Anfang" i n die Betrachtung einbezogen und i m dadurch abgesteckten Horizont gefragt w i r d : Ist die Aussage „jemand fängt an

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. Teil. Versuche

. Kapitel:

(oder beginnt), etwas zu t u n (indem er bestimmte Handlungen ausführt)" der Aussage „jemand versucht, etwas zu t u n (indem er bestimmte Handlungen ausführt)" gleichzusetzen? Führt man sich noch einmal den vorhin (S. 123) beiläufig erwähnten Vergleich vor Augen — zwischen einem Sturm, der droht, ein Hausdach abzudecken, und menschlichem Handeln, das darauf gerichtet ist, das Dach zu zerstören —, so ergibt sich sofort ein wesentlicher Unterschied i m Gebrauch der besagten Ausdrücke. Zu behaupten „der Sturm versucht, das Dach zu zerstören" hätte keinen Sinn, es sei denn, w i r w ü r den den Sturm m i t einer Gottheit identifizieren oder ihn uns, wozu vielleicht durch Bilderbuchlektüre beeinflußte Kinder neigen, als menschenähnliches Wesen m i t aufgeblasenen Wangen vorstellen, d. h. w i r würden anthropomorph reden. Hingegen ist die Behauptung „jemand versucht, das Dach zu zerstören" nicht zu beanstanden. W i r d aber „versucht" durch „fängt an" substituiert, ergeben beide Beispielsätze Sinn: „der Sturm fängt an, das Dach zu zerstören" und „jemand fängt an, das Dach zu zerstören". Demnach läßt sich der Ausdruck „anfangen" i m Gegensatz zum Ausdruck „versuchen" sowohl zur Beschreibung naturkausaler Vorgänge als auch menschlicher Tätigkeit verwenden 8 1 . Das hängt damit zusammen, daß eine Betrachtung nach Anfang und Ende i n beiden Bereichen bedeutsam ist, während ein Versuchen nur dort zugeschrieben wird, wo man eine sich i n Zwecksetzungen manifestierende Existenz am Werke sieht. N u n bringt uns diese Erkenntnis nicht wesentlich weiter, weil hier nicht diejenigen Fälle interessant sind, die man zwar als Anfang von etwas bezeichnen kann, aber niemals ernstlich i n die Versuchsstrafbarkeit einbeziehen würde; denn insoweit ist natürlich immer menschliches Verhalten vorausgesetzt. Worum es geht, sind vielmehr — gegebenenfalls! — diejenigen Fälle, auf die nur der Begriff des Versuchens und nicht auch der des Anfangens zutrifft, so daß die Frage offenbleibt, ob wegen dieser Fälle als Versuchsdelikte gestraft werden sollte oder nicht. Hierfür kommen verschiedene Konstellationen i n Betracht, die i m einzelnen aufzuzählen und hinsichtlich ihrer Verschiedenartigkeit zu ordnen, an dieser Stelle nicht sinnvoll wäre. Von daher sei ein bestimmter Falltyp ausgewählt, an dem sich das verdeutlichen läßt, was i n diesem Sachzusammenhang erheblich ist: Jemand stemmt sich gegen 81 Der Frage, ob der Begriff des Anfangens i n den verschiedenen Gebrauchskontexten einem gewissen Bedeutungswandel unterliegt, w i r d nicht nachgegangen. I m übrigen: Soweit m a n „anfangen" w i e „versuchen" gebrauchen k a n n (siehe unten, A n m . 137; der Ausdruck „anfangen" wäre insofern mehrdeutig), ändern sich die hier anvisierten Begriffe selbstverständlich nicht.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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einen viele Zentner schweren Felsblock, u m ihn fortzuwälzen 82 . Es soll für jeden anderen als den Handelnden selbst evident sein, daß der Felsen von einem einzelnen Menschen nicht bewegt werden kann. Wie steht es u m die Anwendung der Begriffe „versuchen" und „anfangen"? Zweckmäßigerweise unterscheidet man hier zwischen Äußerungen i n der ersten und i n der dritten Person: (1) Ich versuche, den Felsen fortzuwälzen. (2) Ich fange an, den Felsen fortzuwälzen. (3) Er versucht, den Felsen fortzuwälzen. (4) Er fängt an, den Felsen fortzuwälzen. Bedenken drängen sich sofort hinsichtlich der Behauptung (4) auf. Setzt ein konsistentes Urteil darüber, daß jemand anfange, etwas zu tun, nicht voraus, daß der Urteilende selbst — der sich hier ja (zutreffend) vorstellt, daß der Felsen unbeweglich sei — die Tat für möglich hält? 8 3 Bevor diese Frage beantwortet werden kann, ist zunächst eine Schwierigkeit aus dem Weg zu räumen. Damit der folgende Gedankengang nicht ins Leere geht, muß der Gebrauch des Ausdrucks „anfangen" einleuchten, obwohl der Felsen nicht einmal ein kleines Stück weit bewegt wird. Das bedeutet, daß zumindest die Behauptung (2) — verstanden als: „Ich fange (nach meinem Willen und meiner Vorstellung 84) an, den Felsen fortzuwälzen" — nicht schon unter diesem Aspekt fehlerhaft sein darf. Tatsächlich w i r d man denjenigen, der sich gegen einen Felsen stemmt und sagt, er fange an (er habe angefangen), den Felsen fortzuwälzen (indem er sich gegen ihn stemme), keines regelwidrigen Sprachgebrauchs bezichtigen; denn der Beginn des Fortwälzens kann vor einer Bewegung des Felsens liegen. Gleichwohl würde man widersprechen, aber nicht, weil man meint, eine Inkonsistenz entdeckt zu haben, sondern deswegen, w e i l (2) der Realität nicht korrespondiert, also unwahr ist. Kann der Felsen nicht bewegt werden, so kann auch nicht damit angefangen werden, ihn zu 82 Vgl. dieses Beispiel bei M a x Ernst Mayer, S. 353, u n d ders., Versuch u n d Teilnahme (in: A s c h r o t t / v. Liszt, Die Reform des Reichsstrafgesetzbuchs, Bd. 1), S. 336; aufgegriffen ζ. B. v o n Spendel, Stock-Fs, S. 101. 83 H a t (4) nicht dieselbe S t r u k t u r w i e die widersprüchliche Äußerung „Hansens K i n d e r haben Glatzen, aber ich glaube nicht, daß Hansens K i n d e r Glatzen haben"? Z u diesem u n d weiteren Beispielen vgl. Hruschka, S t r u k turen der Zurechnung, S. 20 f., unter Hinweis auf John L. Austin, Z u r Theorie der Sprechakte. — Es ist hier nicht der Ort, den sprachphilosophischen Hintergrund der angewandten Argumentationsweise genauer auszuleuchten. Z u Austins „Theorie der Fehlschläge" vgl. etwa Eike v. Savigny, Die Philosophie der normalen Sprache, S. 138 ff. Siehe auch Alexy, Theorie der j u r i stischen Argumentation, S. 79 f. 84 D . h . nicht etwa, ich müsse glauben, daß sich der Felsen bereits bewege!

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. Teil. Versuche

. Kapitel:

bewegen 85 . Kennt man die Tatsache der Unbewegbarkeit, behauptet man keinen Anfang des Fortwälzens. Das bedeutet, daß sich derjenige, der (2) behauptet, über Tatsachen i r r t (und nicht etwa über den richtigen Gebrauch von Wörtern!) 8 6 . Man würde einwenden „ D u fängst nicht an, den Felsen fortzuwälzen; vielmehr glaubst Du nur, daß Du anfängst, ihn fortzuwälzen" und selber keinesfalls (4) behaupten. Ist der Irrende vernünftig, so fällt es leicht, ihn von seinem I r r t u m zu überzeugen bzw. er w i r d seinen I r r t u m ohne weiteres von selbst einsehen. Dazu stelle man sich vor: Das als Beispiel Beschriebene geschieht bei Filmaufnahmen i m Gebirge. Der Regisseur hat eine leichte Felsattrappe neben richtige Felsen legen lassen. Der Darsteller ( = „Herkules"), der den Felsen (d. h. die Attrappe) fortwälzen soll, ist während der Regieanweisungen unaufmerksam und stemmt sich nun gegen einen richtigen Felsen 87 . Demnach kann nur dann widerspruchsfrei davon gesprochen werden, jemand fange an, etwas zu tun, wenn sich der Urteilende ein kontinuierlich ablaufendes, äußeres 88 Geschehen vorstellt, das einem gedachten „Ende" entgegenläuft. Man darf nicht sagen: „ E r fängt an, den Felsen fortzuwälzen, aber ich glaube nicht, daß er den Felsen fortwälzen kann" (jedenfalls soweit man nicht meint, „er versucht, . . . " ) . Der auf menschliches Verhalten angewandte Begriff des Anfangens folgt dieser Regel allem Anschein nach deswegen, weil er seine Bedeutung gegenüber derjenigen, die er i n der Beschreibung naturkausaler Vorgänge besitzt, nicht gänzlich verändert. Nun ist gewiß nicht zu übersehen, daß sich eine Betrachtung menschlicher Tätigkeit, die den Aspekt des Anfangs hervorhebt, nicht i n derselben Weise auf „Äußerlichkeiten", empirisch Wahrnehmbares beschränkt, wie es ζ. B. i n der Aussage „es fängt an zu gewittern" der Fall ist. Aber i m Vordergrund steht doch das Körperliche der Aktivität, nicht Vorstellung und Willensziel des Agierenden. Einen Anfang von etwas zu behaupten, bedeutet eben allemal, sich über tatsächliches Geschehen zu äußern. 85 Berner, S. 136: „Was auszuführen unmöglich ist, k a n n man auch nicht auszuführen anfangen" (vgl. Germann, Uber den G r u n d der Strafbarkeit des Versuchs [Diss.], S. 5 f., 67, m i t Hinweisen auf weiteres älteres Schrifttum zu diesem Gesichtspunkt; auch Oehler, Das objektive Zweckmoment i n der rechtswidrigen Handlung, S. 114). 88 Allerdings k a n n er sich insofern nicht irren, als er anfangen will, den Felsen fortzuwälzen! 87 Die geschilderte Situation paßt insofern nicht v o l l i n den Argumentationsgang, als der Darsteller, der (2) behauptet, nicht w i r k l i c h einen Felsen meint, sondern eine bloße Attrappe. Es soll j a nur so getan werden, als ob ein Felsen bewegt werde. Diese kleine Unebenheit ist f ü r das Verständnis aber unschädlich. Wille, Vorstellung u n d A k t i v i t ä t des Handelnden beziehen sich auf das Objekt, gegen das er sich stemmt. 88 Siehe aber unten, A n m . 95.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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Diese Darstellung darf nicht zu dem I r r t u m verleiten, daß alle Fälle, die für die Anwendung des Wortes „anfangen" i n Betracht kommen, so einfach strukturiert sind, wie die bisher erörterten. Insbesondere scheidet ein Gebrauch dieses Ausdrucks nicht von vornherein dann aus, wenn der Urteilende einen bestimmten Ausgang eines Tuns für möglich, aber letzten Endes ungewiß hält. (Ebensowenig wie der Versuch voraussetzt, daß es nicht zur Vollendung kommt, setzt der Anfang voraus, daß es zum Ende kommt.) Auch kann nachträglich davon gesprochen werden, daß jemand anfing, etwas zu tun, indem er bestimmte Handlungen ausführte, ohne daß es einem möglich gewesen wäre, das bereits i m Zeitpunkt des Handelns zu behaupten, da man bestimmte Tatsachen nicht kannte, ζ. B.: „Jemand fing an, einen anderen, der an der Bluterkrankheit leidet (was ich, der Urteilende, damals nicht wußte), zu töten, indem er sich ihm m i t einer Rasierklinge näherte und i m Begriff war, ihn i n den A r m zu ritzen." Auch dieses letzte Beispiel zeigt wieder, daß Aussagen über ein A n fangen unabhängig davon wahr oder unwahr sein können, was der Handelnde gedacht und gewollt hat. I m folgenden ist nun weiter zu fragen, ob der richtige Gebrauch des Wortes „versuchen" insofern einer anderen Regel folgt. Ist m i t dem Verdikt über (4) keines über (3) verbunden? Bedeutet (1) etwas anderes als (2)? Jemandem, der (1) behauptet 89 , kann man nicht sinnvoll entgegenhalten: „Nein, Du versuchst nicht, den Felsen fortzuwälzen; D u glaubst nur, daß D u es versuchst." 90 Jemand kann zwar glauben, daß er anfange, irgendwelche Dinge zu bewirken, die er tatsächlich nicht zu bewirken beginnt, w e i l ζ. B. seine Kräfte nicht ausreichen, aber er kann sich nicht darüber irren, daß er versucht, etwas zu tun. Demnach w i r d man nicht nur nicht widersprechen 91 , wenn (1) behauptet wird, sondern vielmehr

89 Es w i r d selbstverständlich vorausgesetzt, daß (1) ehrlich gemeint u n d ζ. B. nicht Bestandteil einer Situation ist, i n der einem K i n d etwas v o r gemacht werden soll. I n einer derartigen Situation könnte man erwidern „ D u versuchst nicht* den Felsen fortzuwälzen, sondern ,tust so als ob 4 (Du lügst)". — Z u r Möglichkeit einer Lüge i n der Auskunft, m a n habe eine bestimmte Intention, siehe Anscombe, Intention, p. 4. 90 Anders Hruschka, S t r u k t u r e n der Zurechnung, S. 58 f., der einen U n t e r schied zwischen den Sätzen „er u n t e r n i m m t einen Tötungsversuch" u n d „er glaubt, einen Tötungsversuch zu unternehmen" als Konsequenz einer „ E x p l i k a t i o n der . . . logischen Bedingung der Möglichkeit von Zurechnungsakten" ansieht. Die oben i m T e x t gelieferte Analyse des allgemeinen Sprachgebrauchs, auf den sich übrigens auch Hruschka beruft — allerdings m i t dem gerade erwähnten anderen Ergebnis u n d ohne begründende Analyse —, zeigt aber, daß der erste Satz dasselbe bedeutet w i e „er versucht zu töten" u n d der zweite Satz sinnlos ist (siehe aber noch unten, Kap. 10, A n m . 74). 91 Etwas anderes gilt f ü r eine Sachlage, wie sie oben, i n A n m . 89, beschrieben wurde.

9 Alwart

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

seinerseits (sprachlich und sachlich korrekt) (3) behaupten 92 . Widersprechen kann man der prognostischen Annahme des Handelnden, die logisch zwingend m i t (1) verknüpft ist 9 3 , er werde (könne) sein Ziel (vielleicht oder gewiß) erreichen und fange (sozusagen objektiv) an, es zu erreichen. Darüber, ob derartige Annahmen der Realität entsprechen, läßt sich streiten, aber nicht über die Tatsache des Versuchens selbst 94 . Der Behauptung (1) w i r d man also nicht entgegenhalten „ D u versuchst nicht, den Felsen fortzuwälzen", sondern „ D u wälzt den Felsen nicht fort". Der Inhalt des Streits, falls es soweit kommen sollte, kann auch folgendermaßen formuliert werden: Man diskutiert nicht darüber, ob versucht wird, etwas zu tun, sondern darüber, ob angefangen wird, etwas zu tun. Diese Erläuterungen zu „anfangen" und „versuchen" weisen darauf hin, daß sich der Urteilende i n gewisser Weise gerade auf den Standpunkt des Handelnden stellt, wenn er die Handlung als Versuch beschreibt. Er geht ja nicht von der eigenen Vorstellung über Anfang und Ende der äußeren Entwicklung aus, deren Bestandteil die körperliche Bewegung des Handelnden ist, sondern bezieht sich — anders als wenn er sagen würde, jemand fange an, etwas zu t u n — auf den Inhalt von Wille und Vorstellung des Betreffenden. Diese Berücksichtigung von bestimmten „inneren" Umständen i m Unterschied zu der mehr „äußeren" Anfang-Ende-Betrachtung 95 sei mittels weiterer Beispiele gezeigt: Wer eine Silvesterrakete m i t dem Willen anzündet, sie zum Mond zu schießen, versucht, sie zum Mond zu schießen (und glaubt — i m Gegen92 Hruschka, aaO, ist der Ansicht, daß das i n eine Inkonsistenz führe. Das ist aber nicht der Fall, w e i l man ohne Selbstwiderspruch ζ. B. sagen k a n n „er versucht zu töten, aber er fängt nicht an zu töten". Z u r Begründung ist wieder auf die Analyse oben i m Text zu verweisen. 93 Der Betreffende k a n n nicht ohne Selbstwiderspruch zugleich behaupten „ich versuche, etwas zu t u n " u n d „ich fange nicht an, es zu t u n " . Sein H a n deln muß als eine Bemühung, das Ziel zu erreichen, „gemeint" sein (vgl. v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 98 u n d A n m . 24). D . h . : w e r Satz (1) ausspricht, muß sich auch zu Satz (2) bekennen. Eine solche Abhängigkeit besteht zwischen den Sätzen (3) u n d (4) gerade nicht. 94 Das betrifft die hier vorausgesetzte Situation! I m übrigen vgl. bereits oben, Anm. 91, 89; auch w i r d dem Juristen das Beispiel einfallen, daß z.B. Staatsanwalt u n d Verteidiger vor Gericht oftmals darüber streiten, ob der Angeklagte versuchte, einen anderen zu töten, oder ob er i h n n u r verletzen wollte. — Außerdem ist hervorzuheben, daß der Handelnde unseres Beispiels der These, er fange nicht an, den Felsen fortzuwälzen, seinerseits gerade deswegen widerspricht, w e i l sie unvereinbar m i t seinem Versuch (seiner Intention) ist, d. h. Satz (1) insofern entgegensteht, als der Handelnde — wie gesagt — diese These nicht akzeptieren kann, ohne (1) aufzugeben; vgl. dazu Anscombe, Intention, p. 36. 95 „äußeren": Das gilt für den obigen Kontext. Es soll selbstverständlich nicht behauptet werden, daß ζ. B. nicht auch bei psychischen, also i n gewissem Sinne „inneren" Entwicklungen Anfang u n d Ende i n den Blick genommen werden können.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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satz zu m i r — er fange an, sie zum Mond zu schießen); eine Frau, die irrtümlich annimmt, sie sei schwanger, und die Himbeerbonbons m i t dem Willen lutscht, abzutreiben 96 , versucht, abzutreiben (und glaubt — i m Gegensatz zu m i r — sie fange an, abzutreiben) 97 . Ohne daß der Bedeutung des Wortes „anfangen" weiter nachgegangen werden muß, hat sich — gerade auch wenn man an das letzte Beispiel denkt — gezeigt, daß eine Gleichsetzung von „versuchen" und „anfangen" dazu führen würde, den Begriff des Versuchs i n einer Weise einzuengen 98 , die auf eine Definitionssperre 99 i m Hinblick auf normative Fragestellungen hinauslaufen würde. Zusammenfassend läßt sich die unterschiedliche Bedeutung dieser Begriffe vielleicht am besten so veranschaulichen: Ohne daß sich eine Inkonsistenz ergäbe, können zwei Personen die Meinung teilen, daß ein Dritter anfängt, etwas zu tun, und gleichzeitig darüber streiten, ob er auch versucht, es zu tun. Und umgekehrt können sie darüber einig sein, daß der Dritte versucht, etwas zu tun, und sich über die Frage streiten, ob er anfängt, es zu tun. Bevor weitere Überlegungen zum Versuchsbegriff angestellt werden, soll zunächst ein Bogen vom bisherigen Ergebnis zur strafrechtsdogmatischen Diskussion gespannt werden. 2. Konsequenzen für die Strafrechtsdogmatik Diese Begriffsklärungen fordern dazu heraus, gewisse Redeweisen, die i n der Strafrechtsdogmatik auftauchen, kritisch zu beleuchten. M i t „Redeweisen" sind hier vor allem jene Wendungen gemeint, die zum Teil bereits oben (S. 92 f.) i n anderem Zusammenhang Anlaß zur K r i t i k waren. Diese K r i t i k ist nun auf der Grundlage der Einsicht i n die divergierende Bedeutung von „versuchen" und „anfangen" zu ergänzen. Es soll das weit verbreitete Vorgehen erörtert werden, „den Versuch" als „Verwirklichungsstufe", „TeilVerwirklichung", „Durchgangsstadium" 96 So der altbekannte Strafrechtsfall, dessen normative Besonderheiten gegenüber anderen Fällen, i n denen ein Gelingen von vornherein unmöglich ist, vorerst dahingestellt bleiben können. 97 Es bietet sich eine Analogie zu den Regeln an, denen der Gebrauch des Wortes „suchen" folgt: Jemandem, der seinen Garten umgräbt, u m die b r i t i schen K r o n j u w e l e n zu finden, k a n n nicht deswegen das Suchen abgesprochen werden, w e i l das Finden ausgeschlossen ist. (Der Betreffende will finden. Wie sollte er sich i n diesem W i l l e n irren?) — U n d noch ein, besonders groteskes, Beispiel: Wenn jemand darauf beharrt, einen Fernseh t ü r m m i t einer L a u b säge „absägen" zu wollen, dann erkläre ich i h n entweder für verrückt oder glaube i h m nicht. Aber daß er es versucht, ist nicht prinzipiell ausgeschlossen. 98 I n anderer Hinsicht kann sich auch eine unsachgerechte Begriffsausdehnung ergeben. Dazu siehe unten, Abschn. I I I 4. 99 Z u einer „Definitionssperre" i n anderem Zusammenhang vgl. oben, Kap. 3, Anm. 35.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

einer vorsätzlichen Straftat oder Handlung 1 0 0 zu bezeichnen oder von „iter criminis" 1 0 1 oder „crimen i n i t i n e r e " 1 0 2 zu sprechen — womit zumindest der Anschein erweckt wird, daß man sich „dem Versuch" begrifflich i n einer Weise nähert, die eine („objektive") Anfang-Ende-Betrachtung postuliert —, obwohl man gleichzeitig zumindest i m Grundsatz eine „subjektive Versuchstheorie" für richtig hält, also Wille und Vorstellung des Täters als relevante Umstände für die Entscheidung der Frage ansieht, ob ein Versuchsdelikt vorliegt. I n diesem Zusammenhang sei auch an § 43 a. F . 1 0 3 erinnert, der i m Anschluß an A r t . 2 des französischen Code pénal von 1810 („commencement d'exécution") einen „Anfang der Ausführung" verlangte 1 0 4 . Nun kann dieses Vorgehen nicht wegen logischer Widersprüchlichkeit verworfen werden; denn man nimmt z. B. nicht einen Abtreibungsversuch wegen Lutschens von Himbeerbonbons a n 1 0 5 und behauptet zugleich, daß der Versuchsbegriff dem Begriff des Anfangens, wie er gerade erläutert wurde, gleichzusetzen sei. Vielmehr sind die zitierten Formulierungen deshalb kritikwürdig, weil Doppeldeutigkeiten nicht explizit gemacht, die Begriffe i m Grunde nicht ernstlich analysiert und erfragt und so MißVerständnissen Tür und Tor geöffnet werden; insbes. scheinen sie den eigentlichen Kern des Versuchsbegriffs zu verfehlen. N i m m t man einmal das Stichwort von den „Verwirklichungsstufen" 1 0 6 100 Vgl. Jescheck, S. 412; Lackner, vor § 22, A n m . 1, 3; H e l l m u t h Mayer, Strafrecht (1967), S. 141; Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 223; Rudolphi, SK StGB, vor § 22, Rn. 1; Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 1; Stratenwerth, Rn. 628 ff. 101 z. B. Jescheck, w i e A n m . 100. 102 z. B. M a x Ernst Mayer, S. 344; Rittler, S. 256, u n d Spendel, Stock-Fs, S. 94 (allerdings auch von „objektiven" Ausgangspunkten her; vgl. oben den w e i teren Text). 103 § 43 a. F. galt bis zum I n k r a f t t r e t e n des 2. StRG am 1.1.1975. 104 Vgl. z. B. Blei, Strafrecht I, S. 193; Cohn, Die Revisionsbedürftigkeit des heutigen Versuchsbegriffs, S. 31, 35, 68 ff. — Die Formel „ A n f a n g der Ausführung" u n d ähnliche Wendungen sind i n manchen Lehrdarstellungen und Kommentaren auch heute noch beliebt, obwohl zum einen § 22 i m Unterschied zu § 43 a. F. den Begriff des Anfangs nicht mehr verwendet u n d zum anderen die Frage, wegen welcher Versuche gestraft werden sollte, jedenfalls prinzipiell i m Sinne einer „subjektiven Theorie" beantwortet w i r d ; siehe Otto, Strafrecht-AT, S. 225, 228; Roxin, JuS 1979, S. 3; Rudolphi, SK StGB, § 22, Rn. 7; Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 12, § 22, Rn. 4; Stratenwerth, Rn. 643, 649. 105 Vgl. oben, S. 131. — Die Tatsache, daß versuchte Eigenabtreibimg nicht mehr pönalisiert ist, braucht hier ebensowenig zu interessieren, w i e die Frage, ob „subjektive Versuchstheorien" letztlich darauf hinausliefen, i n einem derartigen F a l l tatsächlich wegen Versuchsdelikts zu strafen. E i n etwaiges A r g u mentieren für Straflosigkeit würde nämlich keineswegs behaupten, daß der umgangssprachliche Versuchsbegriff nicht auf die Konstellation zuträfe! 106 Auch das geltende Recht (§ 22) enthält den Ausdruck „Verwirklichung", u n d zwar i n der Verknüpfung „ V e r w i r k l i c h u n g des Tatbestandes".

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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auf, indem man rekonstruiert, wie dieser Ausdruck i m heutigen wissenschaftlichen Gespräch gebraucht wird, dann zeigt sich sehr schnell, warum die K r i t i k hier anzusetzen hat: Ausgehend vom B i l d einer „vollendeten Straftat" kann nach deren Verwirklichung gefragt werden. Der Blick wendet sich nach hinten und zerteilt das kontinuierlich abgelaufene Geschehen i n verschiedene Stadien, die bzgl. des als Endpunkt Angenommenen ζ. B. m i t den Ausdrücken „Versuch" und „Vorbereitung" gekennzeichnet werden 1 0 7 . Diese Sicht erfaßt die „Straftat" primär als einen empirisch wahrnehmbaren Nexus von Geschehensmomenten und ähnelt i n manchem einer Kausalbetrachtung. Überträgt man dieses Verfahren auf eine Konstellation, i n der das Tun „ i m Versuchsstadium steckengeblieben" ist, dann stellt dieses Stadium zwar den Endpunkt des konkreten Geschehensablaufs dar, aber der Bogen läßt sich gedanklich gleichwohl nach vorne i n das Vollendungsstadium spannen. Das bedeutet, daß man sich auch i n diesem Fall eine „Straftat" als äußerliches Phänomen von Anfang bis Ende vorstellt, aber die kontinuierliche Entwicklung i n Richtung auf das „Ende" — die „vollständige Verwirklichung" — an einem Punkt, hier im Stadium des Versuchs, gestoppt sieht. Zwar kann der vom Versuch zur Vollendung nach vorne gerichtete Blick schon deswegen keinen kausalen Konnex zwischen diesen Stadien feststellen, weil es an der Vollendung fehlt, jedoch ist der methodische Ansatzpunkt letztlich unabhängig von der Blickrichtung 1 0 8 . Das legt für die betrachtete (Versuchs-) Konstellation nahe, unter „Verwirklichungsstufe" ausschließlich etwas zu verstehen, was bei weiterem ungestörten Verlauf zur Vollendung hätte führen können (geführt hätte); es muß die Gefahr 109 der Vollendung bestanden haben 1 1 0 — was immer das genau heißen mag 1 1 1 . Von 107 Damit soll nicht gesagt sein, daß der begriffliche Unterschied zwischen „Versuch" und „Vorbereitung" sachgerecht bezeichnet werden kann, ohne überhaupt Willens- u n d Vorstellungsmomente zu berücksichtigen. 108 Schmidhäuser, Rn. 15/14, i n seiner Darstellung der „objektiven Versuchstheorie": „Wenn es schon nicht zum Erfolg gekommen ist, so muß es wenigstens beinahe zum Erfolg gekommen sein." 109 „Gefahr" bedeutet immer schon ein abwertendes U r t e i l über die H a n d lung; siehe unten, Kap. 9, i n u n d bei A n m . 57. 110 Als Beispiel: Jemand ist i m Begriff, einen anderen zu erschießen. Plötzlich fällt i h m ein D r i t t e r i n den A r m u n d verhindert die Tat. — Den Beschreibungen oben i m T e x t entspricht besonders deutlich etwa die Sichtweise Spendeis, Stock-Fs, S. 94 f., S. 103 ff. Siehe auch Rittler, S. 256. 111 Wenn die Hervorhebung von Gefahrmomenten hier i n unmittelbaren Zusammenhang m i t dem methodischen Ansatzpunkt einer „Kausal"-Betrachtung gestellt w i r d , so darf das nicht aus dem obigen K o n t e x t gelöst und verallgemeinert, sondern muß vor dem H i n t e r g r u n d der kritischen Rekonstrukt i o n des Denkmodells der „Verwirklichungsstufen" verstanden werden. Z u m einen gibt es nämlich eine F o r m des juristischen „Kausalismus", die dazu führt, gerade Gefährdungen zu negieren (RGSt 1, 439 [442] ; diametral anders Feuerbach, S. 45). Z u m anderen eine Form, der eine auf Gefahren bezogene

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

daher w i r d einem suggeriert, sich eine „vollendete Straftat" bildhaft als ein Band vorzustellen, eine „versuchte Straftat" (eine „Teilverwirklichung" 1 1 2 ) als ein Stück dieses Bandes, das sozusagen vom Gesamtband abgeschnitten wird, wenn das Tatgeschehen nur das Versuchsstadium erreicht, also vorzeitig abbricht. So verstanden, läuft die Rede von den „Verwirklichungsstufen des Verbrechens" auf eine tendenziell äußerliche, unreflektiert naturalistische Anfang-Ende-Betrachtung hinaus. Und das müßte eigentlich bedeuten, daß ζ. B. auf den Fall der „himbeerbonbonlutschenden Abtreiberin" der Versuchsbegriff nicht angewandt werden könnte, w e i l keine „Verwirklichungsstufe" erreicht ist; die „subjektive Versuchstheorie" wäre dann aus begrifflichen Gründen unvertretbar. Aber spätestens an dieser Stelle werden die oben (in Anm. 100) angeführten Autoren vorbringen, daß die Beschreibung „des Versuchs" als „Verwirklichungsstufe" ebenso auf den Standpunkt des Handelnden, auf dessen Willen und Vorstellung Bezug nehme, wie es i m letzten Abschnitt (1.) für den Versuchsbegriff geltend gemacht wurde. Von daher empfiehlt es sich, diesen möglichen Einwand von vornherein i n der Interpretation der Lehre von den Verwirklichungsstufen zu berücksichtigen, zumal auch der Hinweis auf eine „Willensverwirklichung", m i t dem die Darstellung dieser Lehre zum Teil eingeleitet w i r d 1 1 3 , einen solchen Einwand nahelegt. Jedoch können die Unklarheiten und Fragwürdigkeiten auf diese Weise nicht aus dem Weg geräumt werden. Zum einen führt die Erläuterung des Ausdrucks „Verwirklichungsstufe" mittels des Ausdrucks „Willensverwirklichung" dazu, daß nunmehr die „objektive" Betrachtung der „Verwirklichungsstufen", also der Blick auf Gefahrmomente, einseitig zurückgedrängt wird. Das könnte bei konsequentem Vorgehen, Argumentation gerade entgegengestellt ist, nämlich die nach Gefahrrealisierung statt „Kausalität" fragende Theorie der objektiven Zurechnung (die i m Rahmen des Versuchsdelikts dazu f ü h r t — anti-„kausalistisch" — zwischen zufällig u n d nicht zufällig entstandenen Gefahren zu differenzieren; dazu siehe unten Kap. 9, A n m . 88). 112 Ältere „Teiltheorien" erörtert Germann, Über den Grund der Strafbarkeit des Versuchs (Diss.), S. 4 ff. (Auf die Vieldeutigkeit, i n welcher der Begriff der „ T e i l v e r w i r k l i c h u n g " heute verwendet w i r d , sei n u r i n Parenthese hingewiesen; vgl. etwa einerseits Stratenwerth, Rn. 638, der „den Versuch" schlechthin als „TeilVerwirklichung des Unrechts" bezeichnet — ähnlich Spendel, Stock-Fs, S. 109 —, u n d andererseits Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 37 f., wo m i t dem Ausdruck „TeilVerwirklichung des Tatbestandes" — s. aber auch § 22 StGB — bestimmte Versuchsfälle, ζ. B. die „ V e r w i r k l i c h u n g " des „ersten Aktes" bei „mehraktigen Delikten", gegenüber anderen unterschieden w e r den. Diese Vorschläge setzen offenkundig andere Akzente hinsichtlich eines Begriffs der „ T e i l v e r w i r k l i c h u n g " als oben i m Text zum Ausdruck gebracht werden.) 113 Siehe Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 1; Rudolphi, S K StGB, vor § 22, Rn. 1; Welzel, S. 187.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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d. h. wenn man den Terminus „Willensverwirklichung" tatsächlich i m Sinne eines ,,/ìnalzeitlichen Werdegangs" der „ S t r a f t a t " 1 1 4 ernst nähme 1 1 5 , zur Folge haben, daß bestimmte Konstellationen, die man i m Grunde erfassen möchte (und letzten Endes auch erfaßt 1 1 6 ), aus dem Versuchs- und damit aus dem Versuchsdeliktsbegriff herausfielen. Zum anderen drängt sich — jedenfalls für gewisse Versuchsfälle — die Frage auf, inwiefern sich der Wille eigentlich verwirklicht hat. Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der bereits oben (S. 94) geschilderten Betrachtung der Straftat von einem weiten Tatbegriff her, wo der Aspekt des kontinuierlichen Ablaufs eines Tatgeschehens durch verschiedene Stadien hindurch erstmals i n die Darstellung einbezogen wurde 1 1 7 , und hat jene bekannte Fallgestalt des sog. untauglichen Versuchs i m Blick: Jemand w i l l einen anderen töten; zu diesem Zweck beschafft er sich ein harmloses Gift, das er für besonders gefährlich hält, und schüttet es heimlich i n den Tee des anderen 118 . — Gemäß unseren Analysen zum Begriff des Anfangens hat der Täter hier, entgegen seiner eigenen Vorstellung, i n keiner Phase des Geschehens angefangen zu töten. Dann wäre es aber auch nicht sinnvoll zu behaupten, er habe die Tötung (gesehen als „prozeßhaft" i n Richtung auf den Todeserfolg ablaufende und von diesem her charakterisierte Tat) „partiell verwirklicht" 119. Richtig hingegen ist, daß der Täter seinen Tötungsplan zu kei114 Vgl. Maurach/Gössel, aaO. Bei H e l l m u t h Mayer, Strafrecht (1967), S. 142, heißt es: „Der Versuch k a n n n u r als finaler Vorgang gedacht werden." 115 Vgl. auch die Wendung i n § 22: „zur V e r w i r k l i c h u n g . . . ansetzt". 116 Wie sich das erklärt, w i r d die vorliegende Abhandlung noch zeigen müssen. A n dieser Stelle soll der Hinweis genügen, daß der oben gemeinte Begriff von Finalität sich nicht unbedingt m i t demjenigen der zitierten A u toren (Anm. 114) decken muß. 117 Bei Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 1, heißt es: „ I n der Regel ist eine vollendete Tat gemeint, w e n n das Gesetz von Straftat spricht. Da die Tat jedoch kein punktuelles Ereignis darstellt, durchläuft sie als Handlungsprozeß auch noch andere Verwirklichungsstufen." E i n so gebildeter Straftatbegriff (die zitierten Sätze folgen unmittelbar der Überschrift „ V e r w i r k lichungsstufen der Straftat") beschreibt eigentümlicherweise nicht Voraussetzungen, an die das Gesetz die Rechtsfolge Strafe knüpft. Das sieht Rudolphi, SK StGB, vor § 22, Rn. 1, der ein „Nebeneinander von gesetzlicher Deliktsbeschreibung und natürlicher Betrachtung der deliktischen W i l l e n s v e r w i r k lichung" erwähnt. Vgl. bereits oben, S. 94. 118 Dieses Beispiel löst den „Abtreibungs-Fall" f ü r den weiteren A r g u m e n tationsgang ab. Es bedarf w o h l k a u m der Erläuterung, daß der Versuchsbegriff, w i e er bisher oben (unter 1.) entwickelt wurde, auf das Verhalten des „jemand" A n w e n d u n g findet (er hat versucht zu töten). Vgl. auch den Hinweis i n Anm. 105, a. E. 119 Diese Formulierung w i l l vor dem H i n t e r g r u n d der dargestellten Sichtweise verstanden werden. Gemeint ist nicht etwa ein „teilweises Töten" (?) — vgl. zu derartigen Fehlvorstellungen Germann, Über den G r u n d der Strafbarkeit des Versuchs (Diss.), S. 6 f. —, sondern man muß vielmehr lesen: Es besteht die Gefahr einer Tötung — oder — die Tötung (die „vollständige V e r w i r k l i c h u n g " der Tat) droht — oder — der Täter ist gerade dabei zu töten

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

nem Zeitpunkt i n irgendeiner Weise („partiell") realisiert hat — obwohl er m i t Tötungswillen gehandelt h a t ! 1 2 0 Der als möglich angedeutete Einwand, daß die Frage der Verwirklichung in derartigen Fällen aus der Sicht des Täters zu beantworten sei, würde sich nicht mehr i n dem oben (S. 133) dargestellten Kontext bewegen, i n den man sich durch das Modell der Verwirklichungsstufen ursprünglich gestellt sieht. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten: W i r d die Redeweise von den „Verwirklichungsstufen" zum Zwecke verwendet, „den Versuch" i n die übergreifende Einheit eines Geschehensprozesses einzuordnen, so deutet das auf die Ansicht hin, daß der Versuchsbegriff nicht auf Willen und Vorstellung des Handelnden Bezug nehme. Es ergibt sich ein Zusammenhang zur Betrachtung des „Versuchs" als „Anfang": Was man nicht einmal zu t u n angefangen hat, hat man auch nicht (partiell) verwirklicht, nicht angefangen zu verwirklichen. Bei näherem Hinsehen w i r d aber deutlich, daß Versuchsfälle gleichwohl auch dort angenommen werden, wo eine Verwirklichung des Versuchten, ein Anfang der betreffenden Handlung nicht ernstlich zu bejahen ist, sondern wo sich vielmehr nur der Handelnde vorstellt, er verwirkliche eine bestimmte Tat (er fange an, etwas Bestimmtes zu tun). I n einer A n t w o r t auf die Frage, ob jemand seinen Willen tatsächlich verwirkliche (auf dem Weg sei, sein Ziel zu erreichen), kommt es also nicht auf den Willen und die Vorstellung des Handelnden an, sondern auf die Beurteilung der Situa(am Töten) — oder — er hat angefangen, die Tötung zu verwirklichen. Der Ausdruck „ A n f a n g der V e r w i r k l i c h u n g der Tötung" rückt übrigens eine bisher unerwähnt gebliebene Aporie der gängigen Redeweisen ins Blickfeld. Wenn „der Versuch" als „Anfang der V e r w i r k l i c h u n g " (oder m i t der hier üblichen Formel: als „ A n f a n g der Ausführung") zu charakterisieren ist, wie k a n n dann bereits das Vorbereitungsstadium eine „Verwirklichungsstufe" darstellen? Gibt es eine V e r w i r k l i c h u n g der Tat bevor die Tat beginnt? Oder sollen verschiedene Tatbegriffe angesprochen sein? Wenn ja, welche? 120 Wenn Spendel, Stock-Fs, S. 101, i n Anlehnung an M a x Ernst Mayer, S. 353, das oben, S. 126, angeführte Beispiel des Felsen-Fortwälzens m i t den Worten kommentiert „ . . . beginnt m i t der V e r w i r k l i c h u n g seiner Absicht, ,aber auch n u r damit und durchaus nicht m i t der Fortwälzung des Felsens' ", so muß man lesen, „ . . . beginnt (nach seiner Vorstellung!) m i t der V e r w i r k lichung der A b s i c h t . . . " . Auch M a x Ernst Mayer, aaO, verneint gerade, daß der Handelnde einer V e r w i r k l i c h u n g des Gewollten näher rückt, mag er auch seinen W i l l e n ausführen (im Sinne von „betätigen"; vgl. noch unten, A n m . 137). — A u f die Vieldeutigkeit des Ausdrucks „TeilVerwirklichung" wurde bereits oben, A n m . 112, hingewiesen. Dabei muß es i m wesentlichen sein Bewenden haben. N u r auf folgendes kann noch aufmerksam gemacht werden : Der Unrechtsbegriff sollte nicht dazu verleiten, beim Versuchsdelikt unter dem Aspekt eine „ T e i l v e r w i r k l i c h u n g des Unrechts" anzunehmen, daß es am „Erfolgsunwert" fehle (siehe oben, Kap. 7, Anm. 28). Ferner sollte der Terminus „Tatbestandsverwirklichung" nicht dazu führen, die E r f ü l l u n g des Unrechtstatbestandes des betreffenden Vollendungsdelikts als „Erfolg" des Täterhandelns zu begreifen (vgl. auch die K r i t i k Schmidhäusers, Rn. 8/39, A n m . 12); über den Fehler, den W i l l e n des Täters auf die „Tatbestandsverw i r k l i c h u n g " zu beziehen, siehe noch unten, A n m . 143.

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tion durch den Betrachter. Von daher ist es durchaus miteinander verträglich, gleichzeitig zu behaupten, daß ζ. B. jemand sein Ziel, einen anderen zu töten, auch nicht „partiell verwirkliche" 1 2 1 , aber daß er versuche zu töten (und sich dabei notwendig seinerseits vorstelle, er verwirkliche sein Handlungsziel 1 2 2 — i m Sinne von: er sei auf dem Weg, fange an, es zu verwirklichen —). I m übrigen gibt es offenkundig auch Fälle 1 2 3 , i n denen jemand versucht, etwas zu tun, und zugleich i n einer Weise handelt, die man aus der Perspektive dessen, was als Endstadium angestrebt ist, ebenfalls zutreffend als ein Stück Verwirklichung bezeichnen kann 1 2 4 . I n den Worten des letzten Abschnitts (1.) sind diese Fälle so zu erfassen: Man kann versuchen, etwas zu tun, ohne anzufangen, es zu t u n (und umgekehrt); man kann aber auch versuchen, etwas zu tun, und zugleich anfangen, es zu t u n (indem man sich auf einem Weg befindet, sein Ziel zu erreichen) 125 . — Die Begriffsanalyse auf der Basis der Alltagssprache hat ergeben, daß der K e r n dessen, was einen Versuch ausmacht, — das „Wesen" des Versuchs — verfehlt wird, wenn man sich diesem Begriff i m Horizont des Verwirklichens, Anfangens o. ä. nähert. Zwar gehört zum Versuchen, zumindest i n der Regel 1 2 6 , auch eine körperliche Bewegung. Aber von dem Umstand, ob diese Bewegung einen Anfang, ein Stüde Verwirklichung der vom Ende her als Gesamtprozeß gedachten Tat darstellt, sollte man nicht abhängig machen, ob der Versuchsbegriff einschlägig ist. Man liefe dann Gefahr, diesen Begriff i n bestimmter Hinsicht unangemessen eng zu fassen 127 . Es ist ein merkwürdiges Phänomen, daß i n der Strafrechtswissenschaft kaum einmal explizit vorgeschlagen wird, den umgangssprachlichen Begriff „versuchen" als „an121

Vgl. oben, A n m . 119. Er muß sein Verhalten gewissermaßen als V e r w i r k l i c h u n g „meinen"; vgl. oben, Anm. 93. 128 Hierbei handelt es sich w o h l sogar — statistisch w i e von der Typizität des Begriffs her gesehen — u m die Regelfälle des Versuchens. 124 Siehe z.B. den oben, A n m . 110, gebildeten Fall. 125 Die Gegenüberstellung von „versuchen" u n d „anfangen" bzw. „ v e r w i r k lichen" darf nicht dazu verleiten, von vornherein auszuschließen, daß der Aspekt des Anfangens irgendeine Bedeutung für den Versuchsbegriff haben k a n n (vgl. auch oben, S. 135). Dazu Näheres i m folgenden Abschnitt (3.). 126 Der Einschub spielt nicht etwa auf das Unterlassungsversuchsdelikt an, welches — auch was die Begriffskomponente „Versuch" betrifft — eine eigenständige Abhandlung verlangt. Er soll n u r andeuten (vgl. bereits oben, S. 122), daß der Versuchsbegriff ζ. B. auch hinsichtlich folgender Konstellation für anwendbar gehalten w i r d : Nach meiner Blinddarmoperation erzählen m i r andere Patienten Witze. Ich versuche, das i n meinem jetzigen Zustand sehr schmerzhafte Lachen zu unterdrücken (vgl. andere Beispiele bei Heath, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume X L V , 1971, pp. 201 - 202; auch p. 195). 127 Siehe oben, S. 131. 122

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

fangen" zu definieren 128 . Denn bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, daß selbst diejenigen gerne Ausdrücke wie „Anfang der Ausführung", „Verwirklichungsstufe" etc. i m Rahmen der strafrechtsdogmatischen Erfassung „des Versuchs" verwenden, welche die Strafbarkeit wegen eines Versuchsdelikts aus normativen Gründen nicht auf diejenigen Fälle beschränken wollen, die man auch als Anfang bezeichnen kann, sondern vielmehr „subjektiven Versuchstheorien" folgen. Überdies machen die Anhänger „subjektiver Versuchstheorien" von der hier entwickelten Einsicht, daß eben von einem Versuch auch und gerade dort die Rede sein kann, wo sich nur der Handelnde vorstellt, er verwirkliche die Tat, selbstverständlichen Gebrauch. Damit w i r d die „objektive Sicht" — trotz des anderen Anscheins, den das verwendete Vokabular erweckt! — fast völlig i n den Hintergrund gedrängt 1 2 9 . Auch aus diesem Grunde muß es dem unbefangenen Betrachter wie ein Herumgeschiebe von Worthülsen erscheinen, wenn man „den Versuch" i n der geschilderten Weise dem begrifflichen Rahmen von „anfangen" bzw. „verwirklichen" zuordnet. Selbstverständlich hindert die geübte K r i t i k nicht daran, insofern an der Stadienbetrachtung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung festzuhalten, als ein Versuch jeweils nach der einen Seite vom Vorbereitungsstadium und nach der anderen Seite vom Vollendungsstadium abzugrenzen ist. N u r muß man sich von einer einheitlichen Konzeption des Verlaufs von Willensbetätigungen, d. h. von der Illusion freimachen, der vage Ausdruck „nach der einen/anderen Seite" sei i m obigen Zusammenhang eindeutig definierbar, und diese Einsicht auch in der begrifflichen Erfassung des Versuchsdelikts zum Ausdruck bringen. Der erste Schritt i n diese Richtung besteht darin, sich der spezifischen Bedeutung des Versuchsbegriffs vorurteilsfrei zu öffnen.

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Vgl. aber Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 21, S. 58 ff. Auch zu Dohna, Güterbock-Fs, S. 46 ff., scheint behaupten zu wollen, daß bestimmte Fallgestalten, auf die nach unseren Analysen das Wort „Versuch" angewandt werden kann, nicht dem umgangssprachlichen Versuchsbegriff u n terfallen. Er k o m m t dabei aber weniger v o m Begriff des Anfangs als von dem der Vollendung her: „Der Versuch ist begrifflich eine unvollendete Handlung" (aaO, S. 48 f.). (Zweifel daran, ob zu Dohna tatsächlich auf der umgangssprachlichen Ebene argumentiert, ergeben sich deswegen, w e i l er den Begriff „vollendete Handlung" auch an der zitierten Stelle letztlich t a t bestandsbezogen sieht. Dieser spezifisch rechtliche Aspekt muß dann aber auch für seinen Versuchsbegriff [unvollendete Handlung] relevant sein. Siehe aber Sauer, S. 99, 109.) 129 v g l . bereits oben, S. 132. Die einschränkende Formulierung („fast völlig") soll dem Rechnung tragen, daß „Objektives" i n den Argumentationen zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch u n d zur Begründung der sogenannten „Eindruckstheorie" eine Rolle spielt (vgl. ζ. B. Schönke/Schröder/ Eser, § 22, Rn. 25 u n d Rn. 65).

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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Das Verhältnis der Begriffe „versuchen" und „anfangen" 1 3 0 war unabhängig von gesetzlichen Regeln zu behandeln. Der Argumentationszusammenhang der umgangssprachlichen Klärung w i r d weder durch § 43 I a. F. noch durch §§ 22, 23 I I I berührt. Vor allem enthalten diese Bestimmungen nicht i n dem Sinne eine Legaldefinition des Versuchsbegriffs, daß ein Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch positivrechtlich gesehen von vornherein verfehlt wäre 1 3 1 . Was § 43 I a. F. betrifft, wo ja von einem „Anfang der Ausführung" die Rede ist, so w i r d durch diese Vorschrift gewiß eine „objektive Sicht" nahegelegt. Zu diesem Schluß gelangt man insbesondere dann, wenn man sich vor Augen hält, daß die vollständige Formulierung lautet „Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens" 132, womit nach dem Gesamtkontext der Norm nur die vom Vollendungsstadium her definierte „Straf"-Tat als prozeßhaftes Geschehen (und nicht die Versuchs-Straftat selbst!) gemeint sein kann. Aber das sich daran anknüpfende Problem bezieht sich (in unserer Terminologie) nicht auf den Versuchsbegriff, sondern auf den Versuchsdelifctsbegriff, d. h. es wäre zu fragen, ob eine derartige Gesetzesfassung bestimmte Versuchställe von der Strafdrohung ausnimmt und ob das — gegebenenfalls — als sachgerecht einleuchtet 133 . — I m Hinblick auf §§ 22, 23 I I I scheint sich gerade umgekehrt zu ergeben, daß eine vom „objektiven Standpunkt" bestimmte Betrachtungsweise de lege lata unvertretbar ist 1 3 4 . Aber ebensowenig wie § 43 a. F. die hier vertretenen Thesen zum Versuchsbegriff widerlegen kann, vermögen §§ 22, 23 I I I sie zu stützen. Die bisherigen Überlegungen sind scharf von dem — gerade angedeuteten 1 3 5 — Problem zu unterscheiden, das m i t der Frage nach einem Anfang oder Beginn des Versuchs 136 aufgegeben wird. Bei dieser Frage geht es um einen bestimmten Teilaspekt des Versuchsbegriffs, nämlich u m die Kennzeichnung der Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch. „Versuchsbeginn" bedeutet, daß ein Verhalten bereits ein Versuchen und nicht erst ein Vorbereiten von etwas darstellt 1 3 7 . Wann das der Fall 130

Der Begriff „ v e r w i r k l i c h e n " bleibt jetzt außer Betracht. Vgl. oben, A n m . 2. 132 Dieser Umstand w i r d auch von Germann, Über den G r u n d der Strafbarkeit des Versuchs (Diss.), S. 67, betont. Vgl. außerdem Fiedler, Vorhaben und Versuch i m Strafrecht, S. 28 f., m i t Hinweisen auf den Sprachgebrauch des Reichsgerichts. 133 Ob die Entstehungsgeschichte des § 43 a. F. dafür spricht, diese V o r schrift i m Sinne einer „objektiven Versuchstheorie" zu verstehen, w i r d unterschiedlich beurteilt. Siehe einerseits Blei, Strafrecht I, S. 193 ; Drost, Das E r messen des Strafrichters, S. 108, 206, u n d andererseits Germann, aaO, S. 68. 134 Vgl. Jescheck, S. 415; Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 20. 135 Siehe oben, bei Anm. 132. 136 Vgl. z.B. Stree, Peters-Fs, S. 179 ff.; Welzel, S. 190. 137 Vermutlich werden die oben, A n m . 104, genannten Autoren, die i n ihrer 131

2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

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ist, b r a u c h t h i e r n i c h t e r ö r t e r t zu w e r d e n 1 3 8 . A u f d e r H a n d l i e g t j e d e n falls, daß eine s t r e n g „ o b j e k t i v e S i c h t " b e h a u p t e n w i r d , zwischen V o r b e r e i t u n g u n d V e r s u c h ohne B e z u g n a h m e a u f T ä t e r v o r s t e l l u n g e n a b grenzen zu k ö n n e n 1 3 9 . 3. Elemente des Versuchsbegriffs (intentionales und nicht-intentionales, gefährliches und ungefährliches, zukunftsbezogenes und gegenwartsbezogenes Versuchen) D e r Sache n a c h b r a u c h e n die E l e m e n t e des Versuchsbegriffs n i c h t m e h r e i n g e f ü h r t z u w e r d e n . Sie h a b e n sich bereits i n d e n b i s h e r i g e n A n a l y s e n gezeigt, s i n d a b e r noch als solche z u benennen, systematisch z u v e r k n ü p f e n u n d d o r t , w o es f ü r die Z w e c k e dieser U n t e r s u c h u n g n o t w e n d i g ist, genauer z u betrachten. F o l g e n d e E l e m e n t e 1 4 0 lassen sich unterscheiden: (

I) i n t e n t i o n a l e s E l e m e n t

u n d ( I I ) k o g n i t i v e s E l e m e n t (als i n t e r n e Elemente), (III) externes E l e m e n t Darstellung der Prämissen des Versuchsdelikts den Terminus „ A n f a n g der Ausführung" verwenden, geltend machen, daß damit gerade diese Grenze zwischen Vorbereitung u n d Versuch angesprochen werden soll. Dann müßte man den Terminus so verstehen können, daß der „ A n f a n g der Ausführung des (Tat-)Entschlusses" — u n d nicht der „ A n f a n g der Ausführung der T a t " (zu dieser D i s t i n k t i o n vgl. M a x Ernst Mayer, S. 353) — gemeint sei (anders Fiedler, Vorhaben u n d Versuch i m Strafrecht, z.B. S. 97 f.): „anfangen, einen Entschluß auszuführen" verstanden i m Gegensatz zu „die Ausführung eines Entschlusses vorbereiten oder auch anfangen vorzubereiten" ; wenn man einen Entschluß ausführt, befindet man sich zumindest i m Versuchs- u n d nicht mehr i m Vorbereitungsstadium. Die These, die Verknüpfung von „anfangen" m i t „einen Entschluß ausführen" sei i n dem hier interessierenden P u n k t dem Ausdruck „versuchen" äquivalent (vgl. auch oben, A n m . 81), erschiene nämlich nicht unplausibel. Aber aus der Tatsache, daß bei den meisten der genannten Autoren von „ A n f a n g der Ausführung des Delikts oder der Tat" die Rede ist (vgl. auch § 43 a. F.), ergibt sich, wie unpräzise und v e r w i r r e n d die Ausdrücke letztlich gehandhabt werden. Es empfiehlt sich, von den genannten T e r m i n i bei der strafrechtsdogmatischen Erfassung des Versuchsdelikts gänzlich Abschied zu nehmen u n d dann, w e n n nach der Grenze z w i schen Vorbereitung u n d Versuch gefragt w i r d , allenfalls von „Versuchsanfang" oder „Versuchsbeginn" zu sprechen. M a n k a n n aber auch v ö l l i g davon absehen, den Begriff des Anfangens i n diesem K o n t e x t zu verwenden, indem man etwa nach der „Vollendungsnähe" des Handelns sucht (wie Schmidhäuser, Rn. 15/48, vorschlägt). 138 v g l bereits oben, A n m . 56. — Auch läßt sich aus der Einsicht, daß ein Versuch die Vorstellung des Handelnden voraussetzt, er fange an, das A n gestrebte zu tun, nicht die Bestimmung der Grenze i m jeweiligen Einzelfall ableiten. 139

Vgl. Spendel, Stock-Fs, S. 109. Vgl. die „Grundelemente einer Versuchshandlung" nach Ralis, ZStW 61, S. 4. Der angeführte Aufsatz von Râlis ist insbes. hinsichtlich einiger angedeuteter methodischer Grundideen heute noch lesenswert. 140

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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Die Bezeichnung „externes Element" hebt die Außenseite eines Versuchens hervor, die als körperliche Bewegung Bestandteil eines empirisch erfahrbaren Geschehens ist. Zwar wurde oben (S. 122 sowie Anm. 126) erwähnt, daß es möglich sei, den Versuchsbegriff auch auf bestimmte Konstellationen zu beziehen, i n denen sich i m Grunde nichts ereignet. Aber derartige Fälle haben i n diesem strafrechtlichen Kontext keine Bedeutung und bleiben deshalb i m folgenden außer Betracht. Immerhin verdeutlicht der Hinweis auf einen möglichen Wegfall des externen Elements, daß m i t der Aufzählung verschiedener Elemente nicht behauptet werden soll, jeder Fall eines Versuchens müsse alle Elemente erfüllen. Für die hier zu erfassenden Versuchsarten ist eine Differenzierung innerhalb des externen Elements bedeutsam. Ein Versuch, etwas zu tun, kann zugleich einen Anfang, etwas zu tun, darstellen (oder umständlicher: einen Anfang der Verwirklichung einer Tat). Unter Bezugnahme auf die Schilderung weiter oben (S. 133 sowie Anm. 120) — und ohne daß an dieser Stelle Näheres zum Gefahrbegriff ausgeführt w i r d — sei der gemeinte Unterschied dadurch gekennzeichnet, daß der gefährliche Versuch dem ungefährlichen Versuch gegenübergestellt wird. Was die internen Elemente betrifft, so hat dieses achte Kapitel bisher zu wenig Aufschluß gebracht. Dieser Befund t r i f f t zu, obwohl i n den letzten beiden Abschnitten (1. und 2.) der Blick wiederholt auf die zentrale Rolle gelenkt wurde, die „Wille und Vorstellung" des Handelnden für den Versuchsbegriff spielen. Denn damit ist weder das die Vorstellung meinende kognitive Element hinreichend bestimmt noch die besondere Relevanz des Willens-, d. h. des intentionalen Elementes erfaßt. Aus diesem Grunde sollen i m folgenden zunächst (unter a)) das intentionale und das kognitive Element genauer beschrieben, wenn nötig soll innerhalb dieser Elemente weiter differenziert und sodann (unter b)) gefragt werden, wie die drei Elemente i n unterschiedlichen Verwendungen des Ausdrucks „versuchen" zusammenspielen und ob es ein Versuchen auch ohne intentionales Element geben kann. Ferner w i r d ein „zukunftsbezogenes" von einem „gegenwartsbezogenen" Versuchen unterschieden. a) Die Phänomene, die hier als interne Elemente des Versuchsbegriffs angesprochen sind, tauchen i n dogmatischen Beiträgen üblicherweise dann auf, wenn einem allgemeinen Begriff des „Vorsatzes" Unterbegriffe zugeordnet werden, nämlich ζ. B. „Absicht", „Wissentlichkeit" und „bedingter Vorsatz" 1 4 1 . Für die Innenseite „des Versuchs" pflegt man lediglich die Bedeutung des i n anderem Zusammenhang definierten 141 So ζ. B. Schroeder, L K StGB, § 16, Rn. 76 ff. Aus der Kommentarliteratur siehe ferner etwa Dreher/Tröndle, § 15, Rn. 5 ff.; Lackner, § 15, A n m . I I 3; Rudolphi, SK StGB, § 16, Rn. 36 ff.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

V o r s a t z b e g r i f f s h e r a u s z u s t e l l e n 1 4 2 . D e m g e g e n ü b e r o r i e n t i e r e n sich die f o l g e n d e n Ü b e r l e g u n g e n a n d e m P o s t u l a t , d e n Spezifika des Versuchsb e g r i f f s R e c h n u n g z u t r a g e n . Das b e d e u t e t v o r a l l e m , sich eine adäq u a t e A n a l y s e n i c h t d a d u r c h u n m ö g l i c h z u machen, daß m a n b e s t i m m t e n begrifflichen V o r u r t e i l e n z u m Opfer fällt. D a m i t soll selbstvers t ä n d l i c h n i c h t j e g l i c h e ( v o n d e r Sache h e r j a n o t w e n d i g e ) A f f i n i t ä t zu den Diskussionen u m den herkömmlichen Vorsatzbegriff abgestritten werden. So bezeichnet d e r A u s d r u c k „ i n t e n t i o n a l " i n e t w a 1 4 3 dasjenige E l e m e n t des Versuchens, das i m R a h m e n des V o r s a t z b e g r i f f s als „ A b s i c h t " 1 4 4 oder „ d o l u s d i r e c t u s 1. G r a d e s " 1 4 5 c h a r a k t e r i s i e r t u n d i m ü b r i g e n auch v o m Gesetzgeber i n verschiedenen S t r a f t a t b e s t ä n d e n (ζ. B . §§ 242, 2 6 5 ) 1 4 6 als besonderes s u b j e k t i v e s M e r k m a l v e r w e n d e t w i r d 1 4 7 . Es geht b e i m intentionalen E l e m e n t des Versuchsbegriffs u m d e n z i e l 142

Vgl. ζ. B. von den eben, i n A n m . 141, angeführten Kommentaren: Dreher/ Tröndle, § 22, Rn. 2; Lackner, § 22, A n m . 1 a; Rudolphi, aaO, § 22, Rn. 2. — Vgl. ferner oben, S. 94. 143 Dieser Einschränkung bedarf es u. a. deswegen, w e i l von einem „Rechtsbegriff" des Vorsatzes aus die Absicht von vornherein auf „Tatbestandsverw i r k l i c h u n g " bezogen w i r d (vgl. z. B. Welzel, S. 64 ff.). E i n m a l ist diese Redeweise, welche die „Tatbestandsverwirklichung" als den Gegenstand des W i l lens bezeichnet, zumindest unpräzise (vgl. die K r i t i k bei Schmidhäuser, Rn. 7/41, 15/27; siehe auch Buffo, Der Begriff der Tatbestandsverwirklichung i n der neueren Strafrechtsdogmatik [Diss.], ζ. B. S. 11). Außerdem fragt man sich, inwiefern dem „Rechtsbegriff", der j a durchaus an außerrechtliche Strukturen anknüpfen w i l l (vgl. n u r Welzel, S. 65), eigentlich ein umgangssprachlicher Begriff des „Vorsatzes" i m Sinne eines „Wissen u n d Wollen von etwas" k o r respondiert (dazu Schmidhäuser, Vorsatzbegriff u n d Begriff s jurisprudenz i m Strafrecht, S. 12 f.). — Die obige Analyse soll gerade auch rechtlich irrelevante Sachverhalte erfassen. 144 ζ. B. Rudolphi, SK StGB, § 16, Rn. 36. — Vgl. auch § 18 I I E 1927 und noch § 17 I E 1962. 145 z.B. Blei, Strafrecht I, S. 106; Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 94. — Vielfach w i r d innerhalb des „direkten Vorsatzes" nach „Absicht" u n d „Wissentlichkeit" unterschieden; siehe z.B. Lackner, § 15, A n m . I I 3a. 146 M a n denke übrigens auch an die Formulierung i n § 43 I a. F.: „das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen". 147 Damit soll nicht zur Frage Stellung genommen sein, ob die „Absichten", von denen i n verschiedenen Straftatbeständen des Besonderen Teils die Rede ist, ausnahmslos i m Sinne des oben vorzustellenden Intentionsbegriffs zu verstehen sind. Vgl. zu dieser Problematik z. B. Lenckner, N J W 1967, S. 1890 ff. (der dort, S. 1890, dann von „ A b s i c h t . . . i m technischen Sinn" — Hervorhebung v o m Verf. — spricht, w e n n er den i m folgenden auf der Grundlage des allgemeinen Sprachgebrauchs analysierten Begriff der Absicht meint); Oehler, N J W 1966, S. 1633 ff.; Stratenwerth, Rn. 288, 311 ff.; BGHSt 16, 1 (3 f.); 18, 247 (249). Bei Arzt, Straf recht, Besonderer Teil, Lehrheft 3, heißt es: „Wenn immer i m B T von Absicht die Rede ist, schlägt das i m A T zu beobachtende begriffliche Chaos auf den B T durch" (S. 154) u n d „Der Wissenschaft ist bisher eine K l ä r u n g des Absichtsbegriffs weder i m A T noch i m B T gelungen" (S. 155). Vielleicht k a n n diese Abhandlung helfen, begriffliche K l a r h e i t i n dem besagten Problembereich herzustellen. I n jedem F a l l ist er von der Basis unserer Ergebnisse aus neu zu bearbeiten.

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g e r i c h t e t e n W i l l e n des Versuchenden, genauer: d a r u m , w a s d e r H a n d e l n d e e r r e i c h e n w i l l , i n d e m e r die V e r s u c h s h a n d l u n g v o l l z i e h t 1 4 8 . D i e I n t e n t i o n bezeichnet h i e r das Z i e l , das angestrebt, d e n Z w e c k , d e r v e r f o l g t w i r d . D e r Versuchende w i r d u m d e r V e r w i r k l i c h u n g eines Zieles (Zweckes) w i l l e n 1 4 9 , i m „Interesse des E r s t r e b t e n " 1 5 0 t ä t i g 1 5 1 . W e r v e r sucht, e t w a s z u t u n , sei es e i n E r e i g n i s (einen E r f o l g 1 5 2 ) h e r b e i z u f ü h r e n , das p r i n z i p i e l l auch e i n t r e t e n k a n n , ohne m e n s c h l i c h e m H a n d e l n z u rechenbar z u sein — ζ. B . d e n T o d eines Menschen — oder eine d u r c h das V o r l i e g e n gewisser U m s t ä n d e c h a r a k t e r i s i e r t e T ä t i g k e i t auszuü b e n 1 5 3 — ζ. B . eine sexuelle H a n d l u n g a n e i n e m d r e i z e h n j ä h r i g e n K i n d — , s t r e b t dasjenige, w a s e r versucht, als Z i e l a n ; e r v e r f o l g t das V e r s u c h t e als Zweck, z u d e m die V e r s u c h s h a n d l u n g — aus seiner S i c h t 1 5 4 — das Mittel d a r s t e l l t . Es w i r d n i c h t vorausgesetzt, daß das I n t e n d i e r t e , das I n t e n t i o n s o b j e k t 1 5 5 , e i n „ E n d z i e l " oder „ E n d z w e c k " i s t 1 5 6 . V i e l m e h r g e n ü g t , daß eben eine I n t e n t i o n v o r l i e g t . W e r v o r z e i t i g 148 Gemeint ist also eine Intention im (Versuchs-)Handeln (d. h. eine I n t e n tion, etwas Weiteres zu tun), nicht eine Intentionalität der ( V e r s u c h s h a n d lung (d. h. eine Intentionalität des Getanen). Z u diesem Unterschied vgl. Anscombe, Intention, p. 1; Hart, Punishment and Responsibility, p. 117; Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 10; v. Wright, Erklären und V e r stehen, S. 88. 149 Vgl. etwa Schmidhäuser, Vorsatzbegriff u n d Begriffsjurisprudenz i m Strafrecht, S. 10. 150 Engisch, Untersuchungen über Vorsatz u n d Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 227. 151 M a n könnte i n diesem Zusammenhang auch unbefangen von Finalität sprechen, würde nicht die, wenn man so sagen darf: finale Handlungslehre i n ihrer klassischen Form „ F i n a l i t ä t " und „Vorsatz" i m K e r n gleichsetzen; vgl. etwa A r m i n Kaufmann, Welzel-Fs, S. 396, u n d Welzel, z.B. S. 64, 100; aber auch Stratenwerth, Rn. 146, der diese Gleichsetzung unter dem hier nicht behandelten, auf ganz bestimmte Fälle (ζ. B. Handeln i m „höchsten Affekt") bezogenen Aspekt einer „unbewußten F i n a l i t ä t " relativiert. Z u r K r i t i k der Gleichsetzung siehe Schmidhäuser, aaO, S. 14 f., und z. B. Rn. 7/25, 42, 8/26, jeweils m. w. N. 152 Z u m Erfolgsbegriff siehe etwa Schmidhäuser, Rn. 8/39. 153 D. h. es soll hier nicht auf Handlungserfolge ankommen. Damit w i r d auf die Konstellation bei einem „schlichten Tätigkeitsdelikt" (siehe dazu Schmidhäuser, Rn. 8/38; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13, Rn. 130) angespielt. 154 I m Hinblick auf seine Prämissen konsequent (zu diesen siehe oben, Anm. 90, 92) w i l l demgegenüber Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 58 f., ein „untaugliches M i t t e l " — begrifflich! — nicht als „ M i t t e l " gelten lassen. Damit w i r d jedoch verkannt, daß sich das Versuchen gerade dadurch auszeichnet, daß der Versuchende einen Mittel-Zweck-Zusammenhang gewissermaßen herstellt. Vgl. i n diesem Sinne Oehler, N J W 1966, S. 1635; siehe auch unten, S. 146. 155 Vgl. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. I I , S. 110. 156 Vgl. dazu ζ. B. Engisch, Untersuchungen über Vorsatz u n d Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 144 ff., 226; Schönke/Schröder/Cramer, § 15, Rn. 64 a; Schroeder, L K StGB, § 16, Rn. 77.

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

erben w i l l und deswegen versucht, den potentiellen Erblasser zu erschießen, handelt i n Tötungsabsicht, obwohl es i h m letztlich nur auf die Erbschaft ankommt. Er muß töten (töten wollen), um das weitere Ziel zu erreichen. Damit ist auch bereits deutlich geworden, inwiefern sich der Fall einer Intention i m Handeln von dem Fall unterscheidet, daß jemand m i t der sicheren Vorstellung handelt, er bewirke etwas Bestimmtes oder sei i m Begriff, eine i n bestimmter Weise — ohne Berücksichtigung von Handlungserfolgen 157 — zu beschreibende Tätigkeit auszuüben 158 . Es sei an den gerade gebildeten Sachverhalt angeknüpft (Verf. verdankt diesen Beispielsfall Herrn Prof. Schmidhäuser): Das Opfer befindet sich i n einem Haus hinter einer Fensterscheibe, und der Täter schießt von außen m i t der Vorstellung, gewiß werde das Glas beschädigt. Hier beabsichtigt der Schütze die Beschädigung nicht i n dem Sinne, i n dem er die Tötung beabsichtigt, öffnet nämlich plötzlich ein Windstoß das (nur angelehnte und nicht verriegelte) Fenster, als der Täter gerade i m Begriff ist zu schießen, wartet der Täter nicht, bis man es wieder schließt, sondern drückt ohne Aufschub ab. Anders sieht es hingegen aus, wenn das Fenster angelehnt bleibt, aber das Opfer plötzlich i n einen Raum geht, den der Täter nicht einsehen kann. Dann durchlöchert dieser nicht etwa eine Fensterscheibe, hinter der sich sein Opfer nicht mehr befindet, sondern wartet, bis es zurückkommt. Die Position des Fensters gehört i n dem beschriebenen Fall zu den Tatumständen, die für das Ob des Handlungsvollzugs unerheblich sind. — Würde der Täter jedoch — aus welchem Grund auch immer — den potentiellen Erblasser durch das geschlossene Fenster hindurch erschießen wollen, dann stünde es diesem Vorhaben entgegen, wenn sich das Fenster unvermittelt öffnete. Er würde nicht nur die Tötung beabsichtigen (im dargelegten Sinne), sondern auch die Sachbeschädigung. Die Phänomene, die das kognitive Element des Versuchsbegriffs erfüllen können, sind der Strafrechtswissenschaft ebenso geläufig wie die Intention i m Handeln 1 5 9 . Es geht um zwei Modalitäten der Kognition, die bereits i n den beiden letzten Abschnitten (1. und 2.) auftauchten, als gezeigt wurde, daß zum Versuchen die Vorstellung des Täters — und 157

Vgl. oben, A n m . 153. Sichere Vorstellung impliziert also keine Intention. Vgl. dazu Anscombe, Intention, p. 42. — Soweit Hart, Punishment and Responsibility, p. 120, u n d Kenny i n : Summers (Hrsg.), Essays i n Legal Philosophy, p. 156, den umgangssprachlichen Begriff der Intention auch dann für einschlägig halten, w e n n eine bloß vorhergesehene Folge — i n aaO näher umschriebener Weise — u n m i t t e l bar u n d unausweichlich m i t der betreffenden Handlung verknüpft sei, w i r d das hier nicht f ü r richtig gehalten; als Begründung dafür soll die weitere Erörterung oben i m Text dienen. Dasselbe g i l t für die differenzierende A n sicht von Mackie, Hart-Fs, p. 181. 159 Allerdings gilt die Einschränkung von oben, A n m . 143, auch hier. 158

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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n i c h t des B e u r t e i l e n d e n — g e h ö r t , e r habe (möglicherweise) angefangen, das Z i e l z u erreichen, oder er h a n d l e (möglicherweise) g e f ä h r l i c h : G e m e i n t ist also das eine M a l die Gewißheitsvorstellung, das andere M a l die Möglichkeitsvorstellung des V e r s u c h e n d e n bzgl. der G e f ä h r l i c h k e i t seines T u n s 1 6 0 . B e z i e h t m a n diese D i f f e r e n z i e r u n g a u f das angestrebte Z i e l 1 6 1 , so w i r d i n n e r h a l b des k o g n i t i v e n E l e m e n t s e n t w e d e r die V o r s t e l l u n g vorausgesetzt, g e w i ß E r f o l g z u haben, oder diejenige, m ö g licherweise E r f o l g zu haben162. A m Beispiel verdeutlicht: W e n n j e m a n d a u f e i n e n a n d e r e n m i t d e r I n t e n t i o n anlegt, i h n zu erschießen, s t e l l t e r sich n o t w e n d i g 1 6 3 e n t w e d e r v o r , er sei i m B e g r i f f , i h n g e w i ß , oder, i h n m ö g l i c h e r w e i s e 1 6 4 z u t ö t e n . M a n k a n n auch sagen, er s t e l l t sich zumindest die Möglichkeit einer T ö t u n g vor. 160 Vgl. ζ. B. den Gebrauch der T e r m i n i „Gewißheits-" u n d „Möglichkeitsvorstellung" bei Lackner, § 15, A n m . I I 2 c. 161 Die genannten Vorstellungsmodalitäten sind also i m obigen Zusammenhang als Zielvorstellungen angesprochen. Evidentermaßen gehört zur I n t e n tion auch die Vorstellung, d. h. hier die geistige Antizipation des Intendierten als Intendiertes (siehe Germann, SchwZStrR 77, S. 349, 352; Schmidhäuser, Rn. 8/21). 162 „Verletzungs"- u n d Gefahr-Vorstellung werden i n der Verknüpfung einer gegenseitigen I m p l i k a t i o n gesehen (zu dieser Implikationsart, die der Äquivalenz entspricht, siehe K l u g , Juristische Logik, S. 27), d. h. stets dann und n u r dann, w e n n eine „Verletzungs"-Vorstellung zu bejahen ist, ist auch eine Gefahr-Vorstellung zu bejahen. Soweit die Frage nach dem Sinn einer D i s t i n k t i o n zwischen „Gefährdungs-" u n d „Verletzungsvorsatz" gestellt w i r d (vgl. z.B. Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 204ff.; Lange, L K StGB, 9. Aufl., § 221, Rn. 8), bezieht sich das auf ein Rätsel, welches sich innerhalb der herkömmlichen Lehre v o m Vorsatzbegriff ergibt, und w i r d hier nicht w e i ter behandelt. Ergänzend sei n u r angemerkt, daß man eine bestimmte Gefährdung intendieren kann, ζ. B. u m jemanden zu erschrecken (vgl. die E r wähnung dieses Beispiels bei Horn, aaO, S. 207). 163 D e r Umstand, daß das intentionale stets das kognitive Element enthält (vgl. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. I I , S. 132; v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 99), ergibt sich i m Grunde bereits aus den oben (Abschn. 1 u n d 2) dargestellten Implikationen eines richtigen Gebrauchs des Ausdrucks „Versuch". A n dieser Stelle sei noch einm a l hervorgehoben, daß hingegen das Vorliegen einer Gewißheitsvorstellung nicht etwa hinreichende Bedingung für die Annahme einer Intention ist (vgl. oben, S. 144). — U n k l a r Schroeder, L K StGB, § 16, Rn. 76: „Das E r streben des Erfolges gibt eine so intensive innere Beziehung des Täters zum Erfolg, daß auf der Wissensseite keine weiteren Merkmale erforderlich sind." 164

Dabei k a n n innerhalb der von der Gewißheitsvorstellung unterschiedenen Möglichkeitsvorstellung noch nach dem „ G r a d der Möglichkeit" (Dreher/ Tröndle, § 15, Rn. 10; Stichwort: Wahrscheinlichkeit) unterteilt werden. — I r r t ü m l i c h geht B G H S t 16, 1 (5), davon aus, daß absichtliches Handeln bei bloßer Möglichkeitsvorstellung nicht gegeben sei. Z u r K r i t i k siehe Schönke/ Schröder/Cramer, § 15, Rn. 65; Welzel, S. 67; vgl. auch B G H S t 21, 283 (284 f.). I m weiteren Argumentationsgang liest sich die zitierte Entscheidung (BGHSt 16, 1 [6 f.]) dann so, als solle zudem behauptet werden, daß ein K r i t e r i u m für das Vorliegen einer Absicht die Erwünschtheit (!) des Erfolges sei. Dazu siehe die K r i t i k Oehlers, N J W 1966, S. 1636; vgl. auch B G H S t 21, 283 (285). Ferner ist es irreführend, i n bestimmten Fällen von „Eventualabsicht" zu sprechen (Näheres bei Germann, SchwZStrR 77, S. 355, u n d Kölz-Ott, Even10 Alwart

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

b) S o m i t k ö n n e n folgende charakteristische M e r k m a l e des

(intentio-

nalen) Versuchens a n g e f ü h r t w e r d e n : (1) Es m u ß v o n e i n e m z i e l g e r i c h t e t e n W i l l e n b e s t i m m t , also aus der Sicht des H a n d e l n d e n M i t t e l z u m Z w e c k sein. (2)

Es m u ß die V o r s t e l l u n g des H a n d e l n d e n e n t h a l t e n , (er fange an,) das A n g e s t r e b t e e n t w e d e r g e w i ß oder m ö g l i c h e r w e i s e zu erreichen.

(3)

D i e V e r s u c h s h a n d l u n g k a n n g e f ä h r l i c h oder u n g e f ä h r l i c h sein.

D e r u n t e r (1) h e r v o r g e h o b e n e M i t t e l - Z w e c k - Z u s a m m e n h a n g des V e r suchens b e d a r f noch e i n e r E r l ä u t e r u n g : N a c h d e m das V e r s u c h t e (das V e r s u c h s o b j e k t ) gerade als i n spezifischem S i n n e I n t e n d i e r t e s (als I n t e n t i o n s o b j e k t ) d e f i n i e r t w u r d e , i s t die V e r s u c h s h a n d l u n g v o m S t a n d p u n k t des T ä t e r s n i c h t m e h r l e d i g l i c h als Anfang d e r T a t z u sehen, s o n d e r n d a r ü b e r h i n a u s als Mittel, d e n Zweck z u v e r f o l g e n . H i e r b e i ist z u b e achten, daß d e r Versuchende das M i t t e l ebenso w o l l e n m u ß , w i e er d e n v o n i h m m i t diesem M i t t e l v e r f o l g t e n Z w e c k w i l l 1 6 5 . B e i s p i e l e 1 6 6 : 1. W e r a u f e i n e n a n d e r e n schießt i n d e r I n t e n t i o n , i h n dadurch zu t ö t e n , b e a b s i c h t i g t auch das Schießen. — 2. W e r a u f e i n e n a n d e r e n d u r c h e i n geschlossenes F e n s t e r h i n d u r c h schießt i n d e r I n t e n t i o n , i h n d u r c h das Schießen z u t ö t e n , b e a b s i c h t i g t a u c h das Schießen (aber n i c h t n o t w e n d i g e r w e i s e das Schießen d u r c h e i n geschlossenes F e n s t e r h i n d u r c h , die tualvorsatz u n d Versuch, S. 58 f., jeweils m i t Hinweisen auf Schweizer Rechtsprechung; zur K r i t i k siehe Oehler, N J W 1966, S. 1635). 165 Vgl. etwa Germann, SchwZStrR 77, S. 353; Welzel, S. 67. Beachtet man diese begriffliche I m p l i k a t i o n des Mittel-Zweck-Konnexes, so hat das zwangsläufig ein bestimmtes Verständnis solcher Straftatbestände des Besonderen Teils zur Folge, die sich entweder m i t den Begriffen von „ M i t t e l " u n d „Zweck" adäquat interpretieren lassen (z. B. § 211: einen anderen zum Zwecke der E r möglichung einer Straftat töten) oder eine Mittel-Zweck-Relation auch nach den i n der N o r m verwendeten Ausdrücken explizit voraussetzen (z. B. § 240 I I : „zu dem angestrebten Zweck"). Z u m Erfordernis zielgerichteten Handelns etwa bei der Nötigung siehe Horn, S K StGB, § 240, Rn. 7; Schönke/Schröder/ Eser, § 240, Rn. 27; anders Arzt, Welzel-Fs, S. 831 f. Vgl. aus der Rechtsprechung: BGHSt 5, 245 (246); BayObLG, N J W 1963, S. 1261 (1262). — Aufschlußreich ist an dieser Stelle auch Kants Analyse des hypothetischen Imperativs (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 417): „ W e r den Zweck w i l l , w i l l (so fern die Vernunft auf seine Handlungen entscheidenden Einfluß hat) auch das dazu unentbehrlich notwendige Mittel, das i n seiner Gewalt ist. Dieser Satz ist, was das Wollen betrifft, analytisch; denn i n dem Wollen eines Objekts, als meiner Wirkung, w i r d schon meine Kausalität, als handelnder U r sache, d. i. der Gebrauch der Mittel, gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff notwendiger Handlungen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines Wollens dieses Zwecks h e r a u s . . . " . Siehe dazu Beck, Kants „ K r i t i k der praktischen Vernunft", S. 88 ff. Vgl. auch v. Wright, Handlung, N o r m und Intention, S. 70. 166 I m Hinblick auf frühere Bemerkungen (ζ. B. zu Beginn von Abschn. I I I ) braucht w o h l k a u m näher ausgeführt zu werden, daß auch die Gestaltung dieser Beispiele u n d die A r t u n d Weise ihrer Behandlung v o m juristischen Frageinteresse u n d keinesfalls vom Ziel bestimmt sind, die erörterten Probleme von jeder Seite v o l l auszuleuchten.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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Sachbeschädigung). — 3. Wer auf einen anderen lautlos (mit Schalldämpfer) schießt i n der Intention, i h n durch das Schießen zu töten, beabsichtigt auch das Schießen (aber nicht notwendigerweise das lautlose Schießen). Bezüglich der Beispiele 2 1 6 7 und 3 fällt auf, daß sie das M i t t e l (und übrigens auch den Zweck 1 6 8 ) i m unklaren lassen. Will der Täter lautlos (mit Schalldämpfer) bzw. so schießen, daß der Schuß ein Fenster durchschlägt? Nur wenn diese Tatumstände jeweils entscheidend dafür sind, daß der Täter überhaupt schießt 169 , können sie dazu herangezogen werden, seinen Willen und damit das von ihm eingesetzte Mittel zu charakterisieren. Würde also der Täter ohne Schalldämpfer bzw. bei offenem Fenster nicht schießen 170 , dann beschreibt „durch ein geschlossenes Fenster hindurch schießen" bzw. „lautlos schießen" sein Mittel. Für die Analyse macht es keinen Unterschied, ob m i t dem Tatumstand, der i n die genaue Bezeichnung des Mittels eingeht, eine bestimmte (weitere) Handlungs/olge verbunden (Beispiel 2) oder ob auf sein Vorliegen lediglich eine bestimmte Eigenschaft des Handelns zurückgeführt werden kann (Beispiel 3) 1 7 1 . Außerdem zeigen die Ausführungen, daß eine Handlung zwar auf unterschiedliche A r t und Weise beschrieben werden kann, sie aber nicht unter jeder dieser Deskriptionen intentional sein muß, bzw. daß Intentionen relativ auf Beschreibungen sind 1 7 2 . Hinsichtlich des Bei187

Vgl. oben, S. 144. Dazu gleich A n m . 170. 169 Vgl. oben, S. 144. 170 Das ist dann der Fall, w e n n der Täter sein Opfer gerade lautlos bzw. durch das geschlossene Fenster hindurch töten will. — Es darf nicht verkannt werden, daß die Intention des lautlosen bzw. m i t einer Sachbeschädigung verknüpften Schießens nicht notwendig durch eine Intention „aufgesogen" w i r d , die sich m i t derjenigen des Tötens i n einer Kette befindet. Z u diesen Zusammenhängen siehe Näheres bei Anscombe, Intention, pp. 46 - 47. 171 Anders Schönke/Schröder/Cramer, § 15, Rn. 65 (vgl. auch zu Dohna, Güterbock-Fs, S. 46 f.; Germann, SchwZStrR 77, S. 354): „Die Absicht k a n n s i c h . . . nur auf den zu bewirkenden Erfolg beziehen, während bezüglich der v o m W i l l e n des Täters unabhängigen Merkmale (ζ. B. Mensch, jagdbares Tier, Waffe) n u r die sichere Vorstellung ihres Vorhandenseins möglich ist." So bereits die 17., noch von Schröder bearbeitete Auflage dieses K o m m e n tars (§ 59, Rn. 50). Vorsichtiger äußert sich Schröder i n der Sauer-Fs, S. 213 f. — Dem Text nahestehend hingegen: Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 146 ff.; Oehler, N J W 1966, S. 1635. 172 Siehe zu dieser bedeutsamen Einsicht Anscombe, Intention, pp. 11-12, 3 7 - 4 7 ; Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. I I , S. I l l ; v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 87. Auch Welzel deutet diesen Aspekt auf seine Weise an; siehe dazu die von i h m behandelten Beispiele (Um die finale Handlungslehre, S. 9), von denen hier eines zitiert sei: „So handelt i n dem bekannten Beispiel die Krankenschwester, die dem Patienten ahnungslos eine tödliche Morphiumspritze injiziert, i m Hinblick auf die I n j e k t i o n final, i m Hinblick auf den Tod des Patienten nicht final" (und zu er168

10*

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

spiels 3 t r i f f t sowohl die Aussage zu „der Täter schießt lautlos auf sein Opfer", als auch die Aussage „der Täter schießt auf sein Opfer"; aber es ist unklar, ob die Handlung nicht nur unter der zuletzt genannten, sondern auch unter der erstgenannten Beschreibung intentional ist. Das hängt —· wie gesagt — davon ab, ob der Täter sein Opfer lautlos töten will. N u r unter dieser Prämisse kann i m übrigen der Satz „indem der Täter lautlos auf einen anderen Menschen schießt, versucht er, diesen (lautlos) zu töten" als korrekt bezeichnet werden — jedenfalls gemäß unserem bisherigen Erkenntnisstand zum Begriff des Versuchs, wonach das Versuchshandeln sich gerade dadurch auszeichnet, daß es das M i t t e l zum Zweck darstellt und damit als M i t t e l so zu beschreiben ist, daß die Intention des Versuchenden erfaßt wird. Damit dürfte der Boden dafür bereitet sein, eine bestimmte Konstellation als Versuchsfall zu identifizieren, die sich i n gewisser, gleich noch zu verdeutlichender Hinsicht von dem unterscheidet, was als typisches Versuchen den oben (S. 146) angeführten Merkmalen des Versuchsbegriffs zugrundeliegt. M a n stelle sich dazu i n Abänderung des Beispiels 3 einmal vor, daß jemand lautlos auf einen anderen schießen w i l l , aber gleichwohl — nicht intentional — unter lautem Knallen schießt, w e i l der Schalldämpfer versagt. I m Hinblick darauf, daß sich die Intention ja gerade auf lautloses Schießen erstrecken kann, begegnet es keinen Bedenken zu sagen „indem er schießt, versucht er, lautlos zu schießen". I n der Weise, i n welcher der Betreffende handelt (nämlich geräuschvoll), w i l l er nicht handeln; er versucht, i n anderer Weise zu handeln 1 7 3 . Übertragen auf ein Beispiel aus dem strafrechtlichen Bereich heißt das: Wer etwa beabsichtigt, sexuelle Handlungen gerade an einem dreizehnjährigen K i n d vorzunehmen (vgl. § 176), aber seine Intention — (notwendig) i n Unkenntnis des Alters seines Opfers — an einem fünfzehnjährigen K i n d betätigt, versucht, sexuelle Handlungen an einem dreizehnjährigen K i n d vorzunehmen 1 7 4 . Auch derartige Konstellationen ergänzen ist: i m Hinblick auf den Tod des Patienten auch dann nicht notwendig final, w e n n sie diese Handlungsfolge für gewiß oder möglich h ä l t : vgl. oben, A n m . 159). — Ob man i m übrigen von „verschiedenen Handlungen

bei ein und demselben Verhalten" (Stegmüller, aaO, S. 112) oder von einer Handlung m i t mehreren Beschreibungen (Anscombe, aaO, p. 46, u n d auch oben der Text) sprechen w i l l , ist eine bloß terminologische Frage (ein w e i terer 1 7 3 Vorschlag findet sich bei Mackie, Hart-Fs, p. 176). Außerdem siehe aber Vgl. das Beispiel v o n Heath, Proceedings of the Aristotelian Society, noch unten, Kap.Volume 10, A n mX. L9. Supplementary V , 1971, p. 208 (s. auch p. 197) — Ubersetzung v o m Verf. — : „Der Bergsteiger, der den Eiger i n der Vorstellung besteigt, daß es sich u m die Jungfrau handle, versucht . . . , dasjenige zu tun, was er sich als Tat vorstellt, nämlich das Besteigen der Jungfrau . . . " (davon, daß Heath nicht ausdrücklich auf die Intention abhebt, sei einmal abgesehen). — Anders Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 60, m i t dem Beispiel v o m „Klavierspieler", der behauptet, „er versuche Orgel zu spielen". 174 Anders Hruschka (GA 1980, S. 14, A n m . 29 a. E.), der ohne begründende

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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füllen also die angegebenen Elemente des Versuchens, obwohl man die folgenden Besonderheiten sehen sollte: Der Mittel-Zweck-Zusammenhang hat hier nichts mehr m i t dem Modell eines i m zeitlichen Kontinuum ablaufenden Handelns zu t u n 1 7 5 ; das kognitive Element kann deswegen nicht als Vorstellung des Handelnden von Anfang und Ende gedeutet werden 1 7 6 , auch Ausdrücke wie „Voraussicht" oder „Antizipation" wären also unpassend; dieses Versuchen ist per definitionem „ungefährlich" 1 7 7 , weil der Handlung eine bestimmte Eigenschaft fehlt 1 7 8 . Man kann diesen Fall i m Gegensatz zum bisher behandelten zukunftsbezogeneu als ein nicht-zukunftsbezogenes oder gegenwartsbezogenes Versuchen bezeichnen 179 . Nach der Analyse des Mittel-Zweck-Konnexes i m Versuchen drängt sich die Frage auf, ob damit ein i n dem Sinne essentieller Bestandteil des Versuchsbegriffs herausgehoben worden ist, als ohne sein Vorliegen von einem Versuchen nicht die Rede sein kann. Anders gefragt: Ist das intentionale Element, i m gerade definierten Begriff, notwendige Bedingung für einen zutreffenden Gebrauch des Ausdrucks „versuchen"? Oder gibt es auch ein nicht-intentionales Versuchen? Zunächst soll folgende Fallgestalt betrachtet werden: Jemand handelt (nicht i n der Intention, sondern) i n der Gewißheit, Bestimmtes herbeizuführen. Versucht er damit, die vorgestellte Handlungsfolge 180 zu beAnalyse behauptet, daß es der Umgangssprache widerspreche, wenn man einen solchen Fall als „Tat,versuch' " bezeichne. 175

Auch die oben (S. 143 u n d S. 144) gegebenen Beispiele von Versuchsfällen unterstellen einen Geschehensablau/. 176 Die Vorstellung des Versuchenden muß sich i n diesen Fällen darauf beziehen, gewiß oder vielleicht i n bestimmter Weise zu handeln. 177 Es ist auch dann ungefährlich, w e n n sich — u m i m Beispiel zu bleiben — i n unmittelbarer Nähe des fünfzehnjährigen ein dreizehnjähriges K i n d befindet, da der Täter sein (Versuchs-)Handeln n u r gegen das fünfzehnjährige K i n d richtet (auf eine Gefährlichkeit „der Situation" insgesamt k o m m t es i n diesem Zusammenhang nicht an). 178 Von einem Versuchen k a n n hier also n u r unter der Prämisse gesprochen werden, daß der Versuchende nicht i n der Weise handelt, i n der er handeln w i l l . 179 Die begriffliche Möglichkeit des nicht zukunfts-, sondern gegenwartsbezogenen Versuchens hängt hier damit zusammen, daß sich auch der Begriff der Intention nicht notwendig auf Zukünftiges bezieht. Z u m Letzteren siehe Anscombe, Intention, pp. 1, 34 - 35. Vgl. auch oben, A n m . 148. 180 I n der Regel spricht man (ζ. B. Jakobs, Studien zum fahrlässigen E r folgsdelikt, S. 36; Oehler, N J W 1966, S. 1634; Welzel, S. 34) bei der nicht intendierten Folge v o n einer „Nebenfolge". Dieser Differenzierung zwischen Folge u n d Nebenfolge bedarf es f ü r den obigen K o n t e x t aber nicht, w e i l dort ausschließlich die Frage nach der Anwendbarkeit des Versuchsbegriffs bezüglich der jeweils ins Auge gefaßten Konstellation (jetzt: Vorhersehen, aber nicht Intendieren einer Handlungsfolge) zur Diskussion steht. Dadurch w i r d das Problem überhaupt nicht tangiert, ob die genannte Sachlage (Vorhersehen einer Handlungsfolge) das Intendieren einer anderen Folge (dagegen Oehler, N J W 1966, S. 1634) bzw. einen anderen Versuch mittels derselben

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

wirken? Dazu knüpfen w i r an das bereits oben (S. 144) gebrachte Beispiel an: Jemand schießt und ist überzeugt, durch den Schuß eine Fensterscheibe zu beschädigen. Wäre es sinnvoll zu sagen, er versuche, die Fensterscheibe zu beschädigen? 181 Die Antwort fällt schwer. I m folgenden gilt es, diesen Umstand näher zu beleuchten. Einerseits ist das Beispiel so definiert, daß der Handelnde nicht beabsichtigt, die Fensterscheibe zu beschädigen. Andererseits kann man i m Falle der Beschädigung nicht sagen, er habe die Fensterscheibe unabsichtlich 182 beschädigt, soweit man damit meint, er habe sie versehentlich beschädigt; denn eine derartige Behauptung ließe sich angesichts des Sachverhalts nicht halten 1 8 3 . Die Eigenart der betrachteten Konstellation sei noch einmal etwas anders vorgeführt: Wenn jemanden die Vorstellung, daß er ein Fenster beschädigen werde, vom Schießen abhält und man den Betreffenden fragt „warum hast D u nicht geschossen?", so w i r d dieser antworten „ich wollte nicht etwas tun, wodurch die Fensterscheibe beschädigt werden konnte". Diese A n t wort ist akzeptabel, obwohl man i m Ausgangsfall, i n dem geschossen wird, nicht sagen würde „der Täter w i l l die Fensterscheibe beschädigen". Die Umgangssprache enthält keine Kriterien dafür, ob der Versuchsbegriff i m angeführten Beispielsfall einschlägig ist oder nicht. Was die Frage der Anwendbarkeit des Versuchsbegriffs angeht, handelt es sich bei dieser Fallgestalt demnach u m einen „neutralen Kandidaten" 1 8 4 : Handlung impliziert. — A m Rande sei eine Analogie zur Unrechtsbegründung i m Rahmen eines vollendeten Erfolgsdeliktes gezogen: Wenn ein Erfolg einem Handeln objektiv zugerechnet w i r d , k o m m t es nicht darauf an, daß die Handlung unter der Beschreibung, an welche die Zurechnung anknüpft, intentional ist, sondern n u r darauf, daß dem Erfolg überhaupt eine Handlung zugrundeliegt (zur „negativen Bedeutung" des Handlungsbegriffs vgl. Schmidhäuser, Rn. 8/35; speziell bzgl. des Versuchsbegriffs siehe noch unten, Kap. 9, A n m . 14). Weiter braucht nicht gefragt zu werden. Ebenso w i e man ζ. B. zeigen kann, daß jemand tötete, k a n n man zeigen (gegebenenfalls!), daß jemand versuchte zu töten, ohne jeweils zu beschreiben, inwiefern das Handeln intentional war. M a n k a n n also m i t Recht sagen, daß ein bestimmtes Geschehen auf willentlichem Verhalten beruhe, ohne zu sagen, was gewollt w i r d . Daraus ergibt sich f ü r die praktische Rechtsanwendung i m Einzelfall, daß ζ. B. ein Totschlag (§ 212) unabhängig davon angenommen werden kann, ob überhaupt tatsächlich feststellbar ist, was der Täter m i t seinem Handeln bezweckte. I n dieser Weise das Intentionsobjekt nicht anzugeben, bedeutet aber nicht, einen Begriff der W i l l k ü r l i c h k e i t i m Sinne der „kausalen Handlungslehre" zu verwenden (vgl. Schmidhäuser, ZStW 66, S. 28 ff.). 181 Der Aspekt der Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit des Handelns k a n n für die A n t w o r t auf diese Frage keine Rolle spielen. 182 Z u diesem Ausdruck vgl. Hampshire/Hart i n : Meggle (Hrsg.), A n a l y t i sche Handlungstheorie, Bd. 1, S. 178; Hart, Punishment and Responsibility, p. 121; v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 88. 183 H i e r i n liegt k e i n Verstoß gegen den logischen Grundsatz v o m ausgeschlossenen D r i t t e n — t e r t i u m non datur — (zu diesem Prinzip siehe ζ. B. v. Freytag-Löringhoff, L o g i k I, S. 20), w e i l der Ausdruck „unabsichtlich" gerade nicht als „nicht-absichtlich" definiert w i r d .

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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d.h. mittels reiner Begriffsanalyse kann nicht eindeutig entschieden werden, ob ein Versuchen vorliegt oder nicht. I n einem solchen Fall kann lediglich eine Zurechnung als „gewollt", als (nicht-intentional) „versucht" stattfinden, und zwar auf der Grundlage moralischen bzw. rechtlichen Verurteilens, das von der möglichen Unterlassung der Handlung ausgeht 185 . Der Täter handelt (im Hinblick auf die Sachbeschädigung) nicht absichtlich, aber eben auch nicht unabsichtlich; vielmehr handelt er i n bestimmter, Wertungen implizierender Hinsicht eher absichtlich als versehentlich 186 (unabsichtlich). Von daher kann die besagte Folge dem Täter also als „gewollt" zugerechnet werden 1 8 7 . Machte der Täter, u m sich zu verteidigen, geltend, daß er zwar die Sachbeschädigung als sichere Folge seines Handelns vorausgesehen, diese aber gleichwohl nicht gewollt habe, hielte man ihm etwa vor: „Wenn Du die Fensterscheibe nicht beschädigen wolltest, wäre es konsequent gewesen, nicht zu schießen. Weil Du aber trotz Voraussicht der Folge geschossen hast, kannst Du Dich auf eine fehlende Intention nicht berufen." 1 8 8 Für die Explikation des Versuchsbegriffs muß demnach hervorgehoben werden: Auch dort, wo keine Intention i m eigentlichen Sinne, aber doch eine Gewißheitsvorstellung gegeben ist, darf der Ausdruck „versuchen" angewandt werden 1 8 9 , und zwar innerhalb einer Praxis moralischen oder rechtlichen Tadeins. Dabei ist zu beachten, daß dieser Versuchsfall ein untypisches Versuchen darstellt. Das sei dadurch veranschaulicht, daß er dem „Außenfeld" des Versuchsbegriffs zugeordnet („neutraler Kandidat"), während der intentionale Fall i m „Kernfeld" angesiedelt w i r d 1 9 0 . Dieses Ergebnis kann nicht schon dazu dienen, die 184

Z u diesem Terminus siehe oben, S. 87. I n diesem Sinne Schmidhäuser, ZStW 66, S. 36, sowie Vorsatzbegriff und Begriffsjurisprudenz i m Strafrecht, S. 14. — Bei Heck, Begriffsbildung u n d Interessenjurisprudenz, S. 60, heißt es: Die „Alltagsbegriffe" „enden gleichsam i n einer teleologischen Sphäre". 186 Vgl. unten, S. 155. 187 So K e n n y i n : Summers (Hrsg.), Essays i n Legal Philosophy, p. 148; vgl. auch v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 88. 188 Vgl. Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 27 („venire contra factum proprium"), der aber offenbar zwischen dieser Fallgestalt u n d derjenigen einer Intention nicht unterscheidet (auch G A 1980, S. 15: der W i l l e sei k e i n „selbständiges Handlungselement"). 189 Diese Aussage bezieht sich selbstverständlich nicht n u r auf vorhergesehene Handlungsfolgen, sondern insbes. auch auf die oben, S. 148, behandelte Konstellation eines Versuchens. 190 Z u m Begriff als „Bedeutungsfeld", das sich aus „ K e r n - " u n d „Außenfeld" zusammensetzt, siehe Strömholm, Allgemeine Rechtslehre, S. 28 f. M a n denke auch an Hecks Unterscheidung von sicherem Bedeutungskern u n d allmählich verschwindendem Bedeutungshof (ζ. B. AcP 112, S. 173). Dazu vgl. etwa Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 108 f., m. w . N. i n den Anmerkungen; ferner Schünemann, N u l l a poena sine lege?, S. 22, u n d 185

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

Annahme eines Versuchsdelikts „subjektiv" zu begründen 1 9 1 , sondern ermöglicht vielmehr lediglich, daß wegen eines bestimmten, noch näher zu charakterisierenden Unrechts (einer Rechtsgutsverletzung) gerade als VersucTisdelikt gestraft wird. Sollte es gelingen, i n den gemeinten Fällen das Unrecht, das Strafwürdigkeitsurteil einleuchtend zu begründen, stünde der Versuchsbegriff der Annahme eines Versuchsdelikts jedenfalls nicht entgegen. Ein rechtlicher Versuchsdeliktsbegriff wäre gebildet, der Kontakt zur Umgangssprache nicht aufgegeben. Die normative Unrechtsbegründung kann dann als zulässige juristische Entscheidung des Vorliegens eines Versuchsdelikts aufgefaßt werden 1 9 2 . Diese Analyse ist vollen Umf anges auf diejenige Fallgestalt übertragbar, i n der jemand nicht m i t der Gewißheits-, sondern m i t der Möglichkeitsvorstellung (und ohne Intention) handelt, Bestimmtes herbeizuführen. Wenn sich ζ. B. ein Schütze als möglich vorstellt, er werde durch seinen Schuß eine Fensterscheibe beschädigen, dann kann ihm sein Verhalten als „Versuch" zugerechnet werden, die Fensterscheibe zu beschädigen 193 . Vergegenwärtigt man sich noch einmal die gerade hinsichtlich der Gewißheitsvorstellung angeführten Argumente, so ist zu erkennen, daß es für die Frage der Einschlägigkeit des Versuchsbegriffs keinen Unterschied machen kann, ob der Handelnde eine bestimmte Folge für gewiß oder für möglich hält. Entscheidend ist, daß er sie überhaupt i n seinen Vorstellungen berücksichtigt 194 . Diese Konsequenz w i r d lediglich demjenigen widerstreben, der sich i n seinem Denken durch den herkömmlichen Vorsatzbegriff belastet sieht 1 9 5 . Da er die Innenseite des Versuchens vom „Vorsatz" her begreift, der durch die Möglichkeitsvorstellung allein, die der „Vorsatz" als „dolus eventualis" m i t der „bewußten Fahrlässigkeit" gemeinsam hat 1 9 6 , nicht gekennzeichnet werden kann, muß er nach zusätzlichen K r i Bruns-Fs, S. 233. Z u diesem Problembereich siehe auch Hart, Recht u n d Moral, S. 29 ff. Näheres findet sich oben, Kap. 6. 191 Hruschkas andere Ansicht, daß nämlich „auch beim Versuch" genüge, daß der Täter eine Alternative habe u n d trotzdem handle, wenn er davon ausgehe, daß der Verbotstatbestand v o l l e r f ü l l t sein werde (GA 1980, S. 15), stellt eine petitio p r i n c i p i i dar. 192 v g l Flew — „Is a flying-boat a ship?" — i n der Einleitung zu dem von i h m herausgegebenen Reader „Essays on Logic and Language", pp. 3 - 4 . 193 Das gilt auch für die Versuchskonstellation, auf die gerade i n A n m . 189 hingewiesen wurde. 194 Das Ablehnen einer prinzipiell unterschiedlichen Behandlung von Gewißheits- u n d Möglichkeitsvorstellung zeigt sich i m Verständnishorizont des „Vorsatzes" etwa bei Germann, SchwZStrR 77, S. 356, 380 (dagegen Oehler, N J W 1966, S. 1633); Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 114 f., 119; Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 94ff.; Schmidhäuser, z.B. Rn. 10/88 (im Rahmen der B i l d u n g eines v o m Unrechtsbewußtsein dominierten Rechtsbegriffs der Vorsätzlichkeit als Schuldmerkmal); Schröder, Sauer-Fs, S. 222. 195 Vgl. oben, S. 142 f. u n d S. 94.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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terien fragen. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus einem weiteren Grunde, wenn nämlich behauptet wird, daß ein „fahrlässiger Versuch" begrifflich ausgeschlossen sei (und man eben gleichzeitig davon ausgeht, daß die Möglichkeitsvorstellung Bestandteil der „bewußten Fahrlässigkeit" ist 1 9 7 ). — Hier ist nun nicht der Ort, zum Problem der „Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit" Stellung zu nehmen, aber i m Hinblick auf das i n jenem Kontext Diskutierte soll zumindest ausdrücklich betont werden, daß deskriptive Merkmale wie das „Wünschen", „Für-Wahrscheinlich-Halten" oder „Sich-Abfinden-Mit" keine Bestandteile des umgangssprachlichen Begriffs des Versuchens sind. Vielleicht werden dem sogar Anhänger des herkömmlichen Vorsatzbegriffs, welche die genannten oder andere Kriterien des „dolus eventualis" vertreten 1 9 8 , zustimmen und darauf abheben, daß derartige Einstellungen oder Stellungnahmen des Täters zu dem, was er tut, heranzuziehen seien, u m die Annahme eines unrechtmäßigen Verhaltens, d. h. eines (vorsätzlichen) Versuchsde Ii kts zu begründen. Das führt jedoch zu weiterer K r i t i k , die uns allerdings erst unten beschäftigen soll, wo es um Probleme der Strafwürdigkeit geht. A n dieser Stelle sei nur vermerkt, daß es prima facie schon nicht einleuchtet, wenn Kriterien, die dazu dienen sollen, vorsätzliches und fahrlässiges Handeln auseinanderzuhalten — entweder vom Boden „der" finalen Handlungslehre aus oder i m Sinne einer A n t w o r t auf die Frage nach einer „Schulddifferenz" 1 9 9 —, unbesehen auf die Kennzeichnung der Innenseite des Versuchens übertragen werden. Von daher kann man unsere Analyse zum Versuchsbegriff auch als K r i t i k am herkömmlichen Vorsatzbegriff lesen. Diese Überlegungen lassen es als zulässig erscheinen, ein Versuchen i m jeweiligen Kontext moralischen oder rechtlichen Verurteilens auch dann anzunehmen, wenn kein intentionales Element, kein Mittel-ZweckZusammenhang 200 , aber folgende Merkmale vorliegen (nicht-intentionales Versuchen) 201 : 196 Siehe z.B. Dreher/Tröndle, § 15, Rn. 9. — Aus der Perspektive eines derartigen Begriffs „bewußter Fahrlässigkeit" ergäbe sich zudem die eigentümliche Konsequenz eines zurechenbaren „Willensmomentes" innerhalb der Fahrlässigkeit. 197 Vgl. ζ. B. Busch, L K StGB, § 43, Rn. 4. 198 Wenn T. S. K u h n , Die S t r u k t u r wissenschaftlicher Revolutionen, S. 83, m i t seiner (allerdings auf die Geschichte der Naturwissenschaften bezogenen) Ansicht recht hat, daß die Wucherung von Versionen einer Theorie ein typisches Symptom einer Krise sei, dann sind die begrifflichen Thesen zum „dolus eventualis" (vgl. z.B. den Überblick bei Roxin, JuS 1964, S. 53 ff.; jüngst die K r i t i k des Theorienstreits bei Schmidhäuser, JuS 1980, S. 241 ff.) ein Symptom der Krise einer v o m herkömmlichen Vorsatzbegriff abhängigen Strafrechtsdogmatik. 199 200 201

Vgl. Roxin, JuS 1964, S. 58. Z u den Merkmalen eines intentionalen Versuchens siehe oben, S. 146. Die oben, S. 148, angeführten Besonderheiten sind auf den F a l l des

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

(1') Es muß die Vorstellung des Handelnden enthalten, (er fange an,) etwas Bestimmtes gewiß oder möglicherweise zu tun. (2') Die Versuchshandlung kann gefährlich oder ungefährlich sein. Abschließend bedarf diese Variante des Versuchens noch einer Erläuterung, u m mögliche Mißverständnisse von vornherein abzuwehren. Die Argumentation für ein auf einem Zurechnungsakt beruhenden „Willens"-Moment als Bestandteil des nicht-intentionalen Versuchens (vgl. oben S. 151) darf nicht dazu führen, daß der Unterschied zur Intention verwischt wird. Vorbehaltlos soll deswegen von Intention, Absicht, Wille etc. i m folgenden nur i n dem Sinne die Rede sein, i n dem oben (S. 142) das intentionale Element gekennzeichnet wurde 2 0 2 . Die klaren Konturen des dort herausgearbeiteten Begriffs 2 0 3 sind ein Spiegelbild des Sprachgebrauchs und werden durch dieses andere, normative „ W i l lens"-Moment nicht berührt. 4. „Fahrlässiger Versuch"? Zunächst ist der i n der Uberschrift befragte Terminus zu begründen: Wenn nach der begrifflichen Möglichkeit eines „fahrlässigen Versuchs" gefragt wird, so soll damit der Ausdruck verwendet werden, der i n der Wissenschaft gebräuchlich ist, um die nunmehr zu behandelnde Problematik zu bezeichnen. Ebensowenig wie das Bisherige dazu diente, einen juristischen Vorsatzbegriff zu bilden, kann es i m folgenden darum gehen, nach einem Rechtsbegriff der Fahrlässigkeit zu fragen 2 0 4 , mag die hier zu erörternde Konstellation auch ein wesentliches Element eines derartigen Begriffs enthalten. Gemeint ist die Fallgestalt, i n welcher der Handelnde eine Vorstellungsmöglichkeit bzgl. des „Versuchten" (?) besitzt. Z . B . w i l l jemand auf einen anderen schießen, um i h n zu töten. Er sieht nicht — aber er nicht-intentionalen Versuchens zu übertragen; d. h. es ist hier nicht lediglich ein zukunftsbezogenes, sondern ebenfalls ein gegenwartsbezogenes Versuchen begrifflich möglich. 202 Vgl. Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 37, 114 f.; Schmidhäuser, Vorsatzbegriff u n d Begriff s jurisprudenz i m Straf recht, S. 10 („es gibt k e i n Wollen ohne Vorstellung, w o h l aber Vorstellen ohne Wollen"); Schröder, Sauer-Fs, S. 210 ff. Bemerkenswert erscheint folgende Äußerung Stratenwerths (ZStW 71, S. 53, A n m . 11): „Daß der Begriff des Willens, i m eigentlichen Sinne gebraucht, i n dieser Weise zu beschränken ist, w i r d man Schröder . . . u n d Schmidhäuser . . . zugeben müssen." 203 Engisch, Untersuchungen über Vorsatz u n d Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 228 („Das Wollen ist ein ganz eindeutiger und klarer Sachverhalt"); siehe auch Schmidhäuser, aaO, S. 9 f. 204 Aus diesem Grunde bleibt auch der F a l l der sog. Rechtsfahrlässigkeit (d. h. gegebenes Tatbewußtsein u n d fehlendes, aber erlangbares Unrechtsbewußtsein; siehe Schmidhäuser, Rn. 10/59, 96) außer Betracht; vgl. dazu O L G Hamm, N J W 1954, S. 1780, u n d Frank, § 43, A n m . I I 1.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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hätte erkennen können —, daß sich zwischen i h m und seinem Opfer eine Glasscheibe befindet, die er i m Begriff ist, zu durchschießen. Versucht der Schütze (unbewußt), die Glasscheibe zu beschädigen? Die Frage stellen heißt, sie zu verneinen. Weil hinsichtlich der Sachbeschädigung weder eine Absicht noch eine Gewißheits- noch eine Möglichkeitsvorstellung des Handelnden vorliegt, fällt die geschilderte Konstellation einer bloßen Vorstellungsmöglichkeit evidentermaßen nicht mehr in den Anwendungsbereich des Versuchsbegriffs („negativer Kand i d a t " 2 0 5 ) 2 0 6 . Der Täter beschädigt die Glasscheibe versehentlich; ein „Wille", ein „Versuchen" kann i h m bezüglich dieser Folge nicht zugerechnet werden 2 0 7 . — Dieses Ergebnis w i r d vielleicht noch klarer, wenn man einmal davon absieht, von vornherein eine Erkenntnismöglichkeit des Handelnden hervorzuheben, sondern sich damit begnügt, die Tatsache der Nichtvoraussicht zu konstatieren 2 0 8 . Der Täter setzt seine Handlung nicht i n Relation zu dem, was er herbeizuführen droht. Gerade vom Vorliegen dieses inneren Konnexes, der m i t einer bloßen Vorstellungsmöglichkeit überhaupt nichts zu t u n hat, ist aber eine potentielle Einschlägigkeit des Versuchsbegriffs abhängig. Nähme man hier gleichwohl einen „fahrlässigen Versuch" an, ließe sich das von der Basis der oben i n diesem Kapitel (Abschn. I I I 1) k r i t i sierten Gleichsetzung von „versuchen" und „anfangen" aus so begründen, daß eben auch auf die i m Beispiel skizzierte Sachlage der Satz passe „der Schütze fängt an, die Glasscheibe zu beschädigen". A n dieser Stelle w i r d evident, inwiefern eine Anfang-Ende-Betrachtung i m Rahmen des Versuchsbegriffs zu einer unsachgerechten Begriffsausdehnung führen würde 2 0 9 . 205

Z u diesem Terminus siehe oben, S. 87. Einen „fahrlässigen Versuch" halten für undenkbar: Busch, L K StGB, § 43, Rn. 4; Dreher/Tröndle, § 22, Rn. 2; H e l l m u t h Mayer, Straf recht (1953), S. 280; Stratenwerth, Rn. 645; vgl. auch O L G Hamm, N J W 1954, S. 1780. Anders: Schmidhäuser, Rn. 15/62; Schönke/Schröder, § 43, Rn. 4; Rudolphi, SK StGB, § 22, Rn. 1. Offengelassen von: RGSt 57, 117. 207 Y g i demgegenüber oben, S. 151. 208 w i r d der Frage nach der begrifflichen Möglichkeit eines „fahrlässigen Versuchs" ein Begriff der Fahrlässigkeit zugrundegelegt, der als „bewußte Fahrlässigkeit" auch die Möglichkeitsvorstellung umfaßt (vgl. oben, S. 152), dann steht es i m Einklang m i t unseren Ausführungen, i m Falle einer derartigen „bewußten Fahrlässigkeit" einen „fahrlässigen Versuch" f ü r denkbar zu halten (siehe Jescheck, S. 464; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 22). 206

209 Die von Lackner, § 23, A n m . 1 (vgl. etwa Maurach/Gössel, StrafrechtA T 2, S. 22, 61), i n dem Satz „der Versuch einer fahrlässigen T a t f ä l l t nicht unter § 22, ein fahrlässiger Versuch ist nicht denkbar" vorausgesetzte D i stinktion müßte erläutert werden. W i r d hier m i t zwei verschiedenen V e r suchsbegriffen operiert u n d der erstgenannte „Versuch" i m Sinne der A n fang-Ende-Betrachtung „ o b j e k t i v " gesehen? Und/oder hängt die Unterscheidung m i t der Beschaffenheit des zugrundegelegten Fahrlässigkeitsbegriffs zusammen (vgl. etwa Wolter, G A 1977, S. 267 f., u n d über eine „(neu zu ent-

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2. Teil. Versuchen 8. K a p i t e l :

Die Analyse hat gezeigt, daß die Umgangssprache einen „fahrlässigen Versuch" nicht kennt. Demgemäß kann es auch kein „fahrlässiges Versuchsdelikt" geben 210 . Diese Einsicht ist davon unabhängig, daß die geltende Rechtsordnung weder ein reines Fahrlässigkeitsdelikt enthält, das gemäß § 12 I ein Verbrechen darstellt, so daß der Versuch über § 23 I „automatisch" pönalisiert sein könnte, noch bei einem fahrlässigen Vergehen die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich bestimmt. Man darf i m übrigen vermuten, daß eine derartige Bestimmung aus guten Gründen, die nicht zuletzt die begrifflichen Fundamente berücksichtigen, fehlt und auch i n Zukunft fehlen wird. Diese Annahme läßt sich vor allem darauf stützen, daß der Gesetzgeber Fälle, die eben mangels der spezifischen Innenseite keine Versuche darstellen, i n anderer Weise, nämlich i n der Struktur „konkreter Gefährdungsdelikte" 2 1 1 pönalisiert hat. Es leuchtet ein, daß ein Handelnder auf dem Wege sein kann, ζ. B. etwas Bestimmtes herbeizuführen — ein Rechtsgutsobjekt zu gefährden —, ohne sich die Handlungsfolge, die Gefahr vorzustellen und ohne daß das Stadium der Vollendung erreicht wird. Ist diese Konstellation nicht als ein Versuch erfaßbar, so vermag sie doch gleichwohl strafwürdig zu sein. I m Hinblick darauf kann man sich i m Allgemeinen Teil des Strafrechts, neben der Kategorie des Versuchsdelikts, die Kategorie des unvollendeten Fahrlässigkeitsdelikts 212 vorstellen. Z u einer derartigen Regelungstechnik hat der Gesetzgeber aber nicht gegriffen, sondern er hat, wie gesagt, bestimmte „konkrete Gefährdungsdelikte" als Vollendungsdelikte, und zwar auch — was i n unserem Zusammenhang allein interessiert — als fahrlässige Vollendungsdelikte normiert (vgl. z. B. § 315 c I, III). Ob diese Lösung i m einzelnen zufriedenstellt, braucht hier nicht untersucht zu werden — war es doch lediglich unser Ziel, der Jurisprudenz zu einem klareren Versuchsbegriff zu verhelfen. wickelnde) Rechtsfigur des fahrlässigen Versuchs" Schünemann, J A 1975, S. 798; siehe aber auch Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 220 f.)? — Oder spielt die Wendung „Versuch einer fahrlässigen T a t " auf den oben, A n m . 204, angeführten F a l l sog. Rechtsfahrlässigkeit an? 210 Anders Schmidhäuser, Rn. 15/62, unter Verständnis des Versuchsdelikts als „unvollendetes D e l i k t " . — I n „Vorsatzbegriff u n d Begriffsjurisprudenz i m Strafrecht", S. 35, A n m . 64, bezeichnet Schmidhäuser das „gefährdende(s), unvollendete(s) D e l i k t " noch als fahrlässigen „ ,Versuch' ", setzt also den Ausdruck „Versuch" i n Anführungszeichen u n d macht damit ganz i m Sinne dieses Textes deutlich, daß i n diesem Zusammenhang von „Versuch" i m Grunde nicht die Rede sein kann. Vgl. auch Stratenwerth, Rn. 645. 211 Z u diesem Begriff siehe etwa Schmidhäuser, Rn. 8/41, m. w . N. 212 E i n solches D e l i k t w ü r d e nach allem also gerade k e i n Versuchsdelikt darstellen. — D a m i t ist unsere i n Kap. 7 (S. 90 ff.) geäußerte K r i t i k an der üblichen straf rechtsdogmatischen Erfassung „des Versuchs" selbstverständlich nicht i m nachhinein relativiert. Vielmehr hat sich jetzt lediglich ergeben, daß die Gegenbegriffe „Vollendungsdelikt — Versuchsdelikt" unter den Oberbegriff der vorsätzlichen Straftat gestellt werden können.

I I I . Die Merkmale des Versuchsbegriffs

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5. Schlußbemerkung Der Begriff des Versuchens kann solange nicht adäquat erfaßt werden, wie die Strafrechtswissenschaft nicht von bestimmten paradigmatischen, nicht mehr reflektierten Ausgangspositionen Abschied nimmt. So sind etwa „versuchen" und „anfangen" getrennt zu haltende Begriffe; insbes. befindet sich jemand damit, daß er versucht, etwas zu tun, nicht schon auf dem Wege, seine Intention auch zu verwirklichen. Die an der Sprache des Alltags orientierte nähere Analyse hat vielmehr gezeigt, daß der Versuchsbegriff primär vom Begriff der Intention her zu beleuchten ist, auch, daß Intentionen relativ auf Handlungsbeschreibungen sind. Wir haben schließlich das Versuchen i n verschiedene Arten aufgefächert, nämlich i n intentionales und nicht-intentionales, gefährliches und ungefährliches, zukunftsbezogenes und gegenwartsbezogenes Versuchen, und damit den Bezugsrahmen hergestellt, i n dem die Frage, welches Versuchen strafwürdig sei, i n sachgerecht differenzierender Weise beantwortet werden kann.

Dritter

Teil

Das Versuchsdelikt in der Perspektive einer Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens 9. Kapitel Der Versuchsunwert (über die Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt) Nachdem die Analysen zum Ausdruck „Versuch" den Bereich abgesteckt haben, i n dem ein Versuchsdelikt begrifflich möglich ist, kommt es nunmehr darauf an, den Begriff des Versuchsdelikts zu bilden, d. h. zu fragen, wegen welcher der i m vorangegangenen Kapitel definierten Versuchsarten gestraft werden sollte 1 . Das führt zu einem normativen Hauptproblem dieser Untersuchung, nämlich zu der Frage, ob alle Sachverhalte, die dem Versuchsbegriff unterfallen, auch strafwürdig sind oder ob nicht vielmehr aus einer Reflexion auf die ethischen Grundlagen des Strafrechts zu folgern ist, daß die Strafbarkeit wegen Versuchens (das Versuchsdelikt) gegenüber dem Anwendungsbereich des Versuchsbegriffs enger gefaßt werden sollte. I m folgenden sollen (unter I.) diejenigen Versuchsarten, bei denen es naheliegt, sie als Versuchsdelikte einzustufen, vorläufig angeführt und (unter II.) die i n diesem Sachzusammenhang zu ziehenden Grenzen des Strafens begründet werden. Eine Apologie unserer Ansichten gegenüber anderen i n Rechtsprechung und Literatur vertretenen erfolgt zum Teil i m nächsten, vorwiegend i m übernächsten Kapitel. Die dortigen Diskussionen werden zu einer weiteren Konturierung der hier entfalteten Konzeption beitragen. I. Strafwürdige Versuchsarten

Wer sich noch einmal unsere Überlegungen zu den einzelnen Versuchsarten vor Augen führt, dem w i r d sich ein Strafwürdigkeitsurteil 1 §§ 22 ff. zeigen, daß es nach geltendem Recht strafbare Versuche gibt. Ob diese gesetzgeberische Grundentscheidung ethisch vertretbar ist, soll i m Schlußteil erörtert werden. Über das Verhältnis des hier gebildeten Begriffs des Versuchsdelikts zu den Gesetzesregeln siehe oben, Kap. 6, u n d unten, Kap. 12.

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Der Versuchsunwert

aufdrängen, das von den internen Elementen des Versuchens das intentionale (und nicht auch das nicht-intentionale) erfaßt. Hinsichtlich der externen Seite des Versuchens erscheint das Gefahr-Element als geeigneter Anknüpfungspunkt des Strafwürdigkeitsurteils. Geht man von diesen, zunächst nur plausiblen Annahmen aus, so gelangt man zu folgenden Versuchsarten i m Rahmen des Versuchsdeliktsbegriffs: intentionales (und ungefährliches) 2 , gefährliches (und nicht-intentionales) sowie intentionales und gefährliches Versuchen. Danach liegt ein Versuchsdelikt nur dann vor, wenn entweder das intentionale oder das Gefahr-Element gegeben ist oder wenn beide Elemente gegeben sind, d. h. also, wenn mindestens eines der beiden i n Betracht kommenden Elemente gegeben ist (es handelt sich hier um eine Dis- oder A d j u n k tion i m Sinne der Aussagenlogik; siehe unten, S. 183). Diese Verknüpfungen seien durch die folgende Skizze und das sich unmittelbar anschließende Beispiel veranschaulicht. Die Kästen innerhalb der drei großen Blöcke (A), (B) und (C) sollen auf die jeweils delikts- (Unrechts-) konstitutiven Merkmale hinweisen: (A)

Beispiel:

(B)

(C)

Ν . N. zielt m i t einer Pistole auf einen anderen Menschen. (a) Ν . N. w i l l den anderen töten. Er drückt ab; jedoch ist die Pistole ungeladen.

2 B e i m intentionalen (und ungefährlichen) Versuchen ist daran zu denken, hier, w o es u m das Versuchsdelikt geht, ebenso zwischen zukunftsbezogenem u n d gegenwartsbezogenem Versuchen zu differenzieren w i e oben, S. 149. A u f die Konstellation eines gegenwartsbezogenen, intentionalen Versuchens als Versuchsdelikt w i r d jedoch erst i n den beiden nächsten K a p i t e l n i m besonderen einzugehen sein.

160

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 9. Kapitel: (b) Ν . N. w i l l den anderen erschrecken (er spiegelt eine Tötungsintention vor) und ist überzeugt bzw. hält es für möglich, daß die Pistole geladen ist 3 . Er drückt ab; die Pistole ist geladen 4 . (c) Wie Beispiel (a), n u r : Die Pistole ist geladen. (d) Wie Beispiel (b), n u r : Die Pistole ist ungeladen.

D e m L e s e r w i r d es n i c h t s c h w e r f a l l e n , die B e i s p i e l e (a) b i s (c) d e n i n d e r Skizze m i t entsprechenden G r o ß b u c h s t a b e n gekennzeichneten U n t e r a r t e n des V e r s u c h s d e l i k t s ( h i e r : Totschlags-Versuchsdelikt) z u z u o r d nen. B e i s p i e l (d) e n t h ä l t z w a r e i n e n T ö t u n g s v e r s u c h 5 , aber gemäß der h i e r v o r l ä u f i g als p l a u s i b e l v e r t r e t e n e n u n d i m f o l g e n d e n n ä h e r z u b e gründenden A n n a h m e k e i n Versuchsdelikt. I I . Wille und Gefahr als Anknüpfungspunkte des unrechtsbegründenden Unwerturteils M i t d e r F r a g e nach d e r U n r e c h t s b e g r ü n d u n g 6 b e i m V e r s u c h s d e l i k t b e t r e t e n w i r e i n e n B o d e n , dessen F u n d a m e n t h i e r n i c h t i n d e m S i n n e f r e i z u l e g e n ist, daß eine a l l g e m e i n e strafrechtliche U n r e c h t s l e h r e e i n g e h e n d e n t w i c k e l t u n d v o n d o r t d e r B o g e n z u P r o b l e m e n des Versuchsd e l i k t s gespannt w e r d e n soll. Das b e d e u t e t n i c h t , daß das F o l g e n d e ohne Relevanz f ü r eine solche U n r e c h t s k o n z e p t i o n ist. I m G e g e n t e i l : Gerade das V e r s u c h s d e l i k t e i g n e t sich, E i n b l i c k i n G r u n d s t r u k t u r e n des Unrechts zu gewinnen. A b e r Begriffe w i e „Rechtsgutsverletzung", „ H a n d l u n g s u n w e r t " u s w . w e r d e n a n dieser S t e l l e als gemeinsame dis3 Als Wiederholung (vgl. bereits oben, S. 144): Auch wenn jemand davon überzeugt ist, einen anderen Menschen zu töten, intendiert er nicht notwendig die Tötung. Z w a r k a n n man f ü r den Regelfall davon ausgehen, daß jemand, der einen anderen n u r erschrecken w i l l , unter den geschilderten Umständen nicht schießen würde. A b e r daraus läßt sich nichts gegen unsere begriffliche Erfassung der Situation ableiten. Ν . N. w i l l sein Gegenüber erschrecken; ob er darüber hinaus dessen Tod als sicher prognostiziert, berührt diese I n t e n tion nicht (ein — später — eintretender Tod k a n n nicht verhindern, daß sich die Intention realisiert). 4 Das Beispiel ist unabhängig davon stimmig, ob Ν . N. tödlich t r i f f t . Z u m Verhältnis von Versuchsdelikt u n d Vollendungsdelikt siehe schon oben, S. 93 ff. 5 Es handelt sich u m ein nicht-intentionales, ungefährliches Versuchen; siehe oben, S. 153 f. β Uber die Bedeutung des Ausdrucks „Unrechtsbegründung" u n d diejenige des Ausdrucks „Unrechtsausschluß" siehe Schmidhäuser, Rn. 6/11 f., 8/1, 9/1. Die Unrechtsbegründung orientiert sich daran, ob das betrachtete Geschehen als rechts guts verletzendes Willensverhalten dem jeweiligen U n rechtstatbestand entspricht; siehe Schmidhäuser, aaO, u n d Engisch-Fs, S. 433 ff. Die Terminologie von „Unrechtsbegründung" u n d „Unrechtsausschluß" w i r d etwa auch verwendet bei Stratenwerth, Rn. 332, 355, sowie Schaffstein-Fs, S. 178 f., u n d Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff (vgl. n u r den U n t e r t i t e l dieser A r b e i t : „Untersuchungen zur S t r u k t u r von Unrechtsbegründung u n d Unrechtsausschluß").

Der Versuchsunwert

161

k u r s i v e B e s t a n d t e i l e der h e u t i g e n S t r a f r e c h t s d o k t r i n eher vorausgesetzt als i n i h r e r T r a g w e i t e i m e i n z e l n e n e n t f a l t e t . A u c h k a n n es n i c h t A u f gabe dieser m o n o g r a p h i s c h e n , eine m ö g l i c h s t konzise D a r s t e l l u n g eines b e s t i m m t e n Gedankenganges u n d n i c h t e t w a systematische V o l l s t ä n d i g k e i t f o r d e r n d e n U n t e r s u c h u n g sein, a l l g e m e i n z u m V e r h ä l t n i s v o n U n recht u n d S c h u l d S t e l l u n g z u n e h m e n , u m d a n n eine a b g e r u n d e t e „ D o g m a t i k des V e r s u c h s d e l i k t s " z u p r ä s e n t i e r e n — w a s w i e d e r u m k e i n e s wegs bedeutet, daß unsere A u s f ü h r u n g e n ohne g r u n d l e g e n d e F u n k t i o n f ü r die s t r a f t a t s y s t e m a t i s c h e D e t a i l a r b e i t sind. V i e l m e h r d ü r f t e i n n e r h a l b des h e u t i g e n wissenschaftlichen Verstehenshorizontes auch ohne g r u n d s ä t z l i c h e E r l ä u t e r u n g e n u n m i t t e l b a r einleuchten, daß die z u r D i s k u s s i o n a n s t e h e n d e n F r a g e n als Unrechtsfragen, als P r o b l e m e des U n r e c h t s t a t b e s t a n d e s 7 des V e r s u c h s d e l i k t s i d e n t i f i z i e r t w e r d e n 8 . Es geht also u m die P r ä m i s s e n e i n e r b e g r ü n d e t e n A n n a h m e dessen, daß j e m a n d e t w a s z u t u n versucht, w a s e r n i c h t z u t u n versuchen d a r f ( v o n d e r M ö g l i c h k e i t eines Unrechtsausschlusses sei e i n m a l abgesehen) 9 . D i e d a 7

Z u m „Unrechtstatbestand" siehe bereits den Hinweis i n A n m . 6. Allerdings soll die These, daß „als Verbrechen strafbar sein kann, was nicht rechtswidrig, sondern n u r schuldhaft ist" (Nowakowski, JZ 1958, S. 336), die eine andere Sicht der hier behandelten Probleme repräsentiert, zumindest nicht verschwiegen werden. Z u r Lehre von der „Schuld ohne Unrecht" siehe Engisch, Juristentags-Fs, Bd. I, S. 433 f.; Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 41 ff. m. w. N. N u n m e h r schwenkt Nowakowski übrigens auf die L i n i e über, „den Vorsatz als Handlungsunwert zu sehen" (Probleme der österreichischen Strafrechtsreform, S. 16; siehe ferner: Nowakowski, ÖJZ 1977, S. 573 f.), während sich Jakobs (Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 125) m i t seiner K o n s t r u k t i o n einer „Verhaltens-" und einer „Sanktionsnorm" (zur K r i t i k siehe Schünemann, Schaffstein-Fs, S. 167 f.; Zielinski, aaO, S. 43 f., 143) der z.B. von Nowakowski früher v e r tretenen Auffassung annähert. — Z u m üblichen Verständnis, daß das V e r suchsdelikt gegenüber dem Vollendungsdelikt keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich des Schuldbegriffs aufwirft, siehe etwa Schmidhäuser, Rn. 15/62; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 88. Die Erörterung des spezifisch auf das Versuchsdelikt bezogenen Strafwürdigkeitsproblems berührt also z.B. nicht die Frage, w a r u m n u r wegen schuldhaft verübter Versuchstaten gestraft werden sollte. 9 D a m i t soll nicht etwa eine spezifische „Versuchsnorm" behauptet werden, die der „Vollendungsnorm" an die Seite zu stellen wäre (zu einer solchen Fragestellung vgl. Zielinski, aaO, S. 136 ff.). Überhaupt gehört es nicht zum hier zu erfüllenden Programm, die Tiefen einer „Normentheorie" auszuloten. Unsere Selbstrestriktion macht v o r der Frage nach der S t r u k t u r der Rechtssätze nicht halt, so daß auch eine Problematik w i e die des „Rechts als Bestimmungs- oder Bewertungsnorm", die Frage nach I n h a l t u n d Angemessenheit einer „Imperati ventheorie des Rechts" nicht behandelt w i r d , obwohl sich derartige Themen i m Hinblick auf neuere strafrechtsdogmatische U n t e r suchungen wieder aufdrängen mögen (man denke n u r an die „Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt" von Jakobs). Als Ausblick sei lediglich folgendes vermerkt: E i n expliziertes Verständnis des Straf rech tssatzes sollte auf die grundsätzliche Divergenz Bezug nehmen, die i n der Trennung von deontologischen u n d teleologischen Moralphilosophien angesprochen w i r d (vgl. den Hinweis bei Engisch, A u f der Suche nach Gerechtigkeit, S. 34 f.; f ü r den an dieser Stelle gemeinten Unterschied von Deontologie u n d Teleologie s. F r a n 8

11 Alwart

162

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 9. K a p i t e l :

m i t umrissene P r o b l e m a t i k w i r d v i e l f a c h als F r a g e nach d e m „ S t r a f g r u n d des V e r s u c h s " b e z e i c h n e t 1 0 . D i e soeben ( u n t e r I.) v o r g e s t e l l t e n S p i e l a r t e n des V e r s u c h s d e l i k t s find e n sich d e r Sache n a c h i n d e r S t r a f t a t s y s t e m a t i k Schmidhäusers. W i r schließen uns i m f o l g e n d e n d e r T e r m i n o l o g i e Schmidhäusers an, sprechen also i m F a l l e des i n t e n t i o n a l e n Versuchens v o n Zielunwert und im F a l l e des g e f ä h r l i c h e n Versuchens v o n Gefährdungsunwert 11, womit j e w e i l s das Rechtsguts v e r l e t z e n d e d e r H a n d l u n g g e m e i n t i s t 1 2 . D i e U n r e c h t s b e g r ü n d u n g i m p l i z i e r t e i n n o r m a t i v e s U r t e i l , dessen C h a r a k t e r als U n w e r t u r t e i l 1 3 ohne w e i t e r e s e i n l e u c h t e t , w e i l die A n n a h m e e i n e r vechtsguisverletzenden H a n d l u n g n u r auf einer negativen B e w e r t u n g dieser H a n d l u n g b e r u h e n k a n n . D i e E l e m e n t e des W i l l e n s u n d d e r G e f a h r s t e l l e n (nach d e r n ä h e r z u u n t e r s u c h e n d e n P l a u s i b i l i t ä t s b e h a u p t u n g ) d i e m ö g l i c h e n A n k n ü p f u n g s p u n k t e dieses U n w e r t u r t e i l s d a r , u n d z w a r eines i n s o f e r n spezifizierten S t r a f w ü r d i g k e i t s u r t e i l s , als es sich u m e i n u n r e c h t s r e l e v a n t e s U n w e r t u r t e i l ü b e r e i n Versuchen h a n d e l t . Das bedeutet, daß Z i e l - u n d G e f ä h r d u n g s u n w e r t i n diesem K o n t e x t als j e kena, Analytische Ethik, S. 32; ferner Birnbacher i n : Birnbacher/Hoerster [Hrsg.], Texte zur Ethik, S. 199, der einen Vergleich zu den M a x Weberschen Begriffen „Gesinnungs-" u n d „Verantwortungsethik" zieht). 10 Vgl. ζ. B. Lackner, § 22, A n m . 2 a; Jescheck, S. 414; Schmidhäuser, Rn. 15/ 12; auch die Bemerkungen i n der Einleitung zu dieser Monographie. Soweit Schmidhäuser i n der Behandlung des Versuchsdelikts zwischen den Aspekten des „Strafgrundes" und der „ S t r a f w ü r d i g k e i t " differenziert, k a n n dem nach allem, was i m ersten T e i l unserer A r b e i t zum Begriff der Strafwürdigkeit ausgeführt wurde, nicht gefolgt werden; vgl. auch die K r i t i k bei Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 72, A n m . 97, u n d oben, Kap. 4, A n m . 23. 11 Siehe Schmidhäuser, Rn. 15/23. 12 Siehe Schmidhäuser, Rn. 8/28 f.; jedoch soll nach unserer Konzeption bei einem vollendeten Erfolgsdelikt der Erfolg Bestandteil der Rechtsgutsverletzung sein; vgl. dazu kursorisch unten, den Schlußteil. — Der Ausdruck „Rechtsgut" ist zu definieren als ein bestimmter — näher zu umschreibender — Achtungsanspruch (Schmidhäuser, Rn. 2/30 ff.; siehe auch Amelung, Rechtsgüterschutz u n d Schutz der Gesellschaft, S. 268 ff.; Hassemer, Theorie u n d Soziologie des Verbrechens, S. 18). A u f Einzelheiten u n d eine kritische Diskussion heutiger Rechtsgutsbegriffe muß an dieser Stelle verzichtet w e r den. Es genügt, daß der Hinweis auf den Gedanken des Achtungsanspruchs andeutet, daß Rechtsgut u n d Rechtsgutsverletzung „geistige Phänomene" (vgl. Schmidhäuser, Engisch-Fs, S. 444) darstellen. Gerade dieser Umstand ist f ü r die begriffliche Erfassung eines Versuchs als Rechtsgutsverletzung — ζ. B.: dem Schützen m i ß l i n g t sein Tötungsversuch, w e i l die Pistole ungeladen ist — offensichtlich bedeutsam; siehe dazu die Bemerkungen bei Jäger, Strafgesetzgebung u n d Rechtsgüterschutz bei Sittlichkeitsdelikten, S. 26, und Schmidhäuser, Rn. 8/28. 13 A u f eine bestimmte metaethische Division von verschiedenen A r t e n normativer Urteile, etwa von W e r t - u n d Verpflichtungsurteilen, w i r d hier keine Rücksicht genommen; vgl. dazu A l e x y , Theorie der juristischen A r g u mentation, S. 84 f.; Frankena, Analytische Ethik, S. 27 f.; auf zum T e i l anderen Distinktionen beruhen die Ausführungen Hoersters i n : Birnbacher/Hoerster (Hrsg.), Texte zur Ethik, S. 15 ff.

163

Der Versuchsunwert w e i l s h i n r e i c h e n d e K o m p o n e n t e n des .unrechtsbegründenden unwertes

Versuchs-

h e r v o r g e h o b e n s i n d 1 4 . D a r a u f , was j e m a n d z u t u n v e r s u c h t

(töten, m i ß h a n d e l n usw.), k o m m t es f ü r die A n a l y s e dieser a l l g e m e i n e n S t r u k t u r nicht an15. I m f o l g e n d e n s o l l n u n diese B e g r e n z u n g d e r

Versuchsstrafbarkeit

fundiert werden. 1.

Zielunwert

Es h a t sich i m l e t z t e n K a p i t e l (Abschn. I I I 3 a) u. a. gezeigt, daß d e r d o r t a n a l y s i e r t e B e g r i f f der I n t e n t i o n , der d e m A u s d r u c k „ Z i e l u n w e r t " z u g r u n d e l i e g t , d e r h e u t i g e n S t r a f r e c h t s d o g m a t i k z w a r d e r Sache nach k e i n G e h e i m n i s ist, aber doch v o m P a r a d i g m a des Vorsatzes w e i t g e h e n d v e r d r ä n g t w i r d . H i e r s o l l sich n u n d e r B l i c k gerade a u f das Spezifische d e r I n t e n t i o n richten, u n d e r s o l l p r ü f e n , i n w i e f e r n sie „ A n k n ü p f u n g s p u n k t besonderer W e r t u n g e n " 1 6 sein k a n n . Z u diesem Z w e c k b e d a r f es f ü r unseren, a u f d i e R e c h t s g u t s v e r l e t z u n g b e g r e n z t e n F r a g e h o r i z o n t , i n d e m n i c h t a l l e A r t e n „ s u b j e k t i v e r S t r a f t a t m e r k m a l e " auftauchen, k e i n e r K l ä r u n g des V e r h ä l t n i s s e s v o n „ I n t e n t i o n " z . B . z u „ G r u n d " ,

14 Ziel- u n d Gefährdungsunwert werden dem Oberbegriff des Versuchsunwertes untergeordnet, u m auf diese Weise den besonderen begrifflichen Anforderungen des Versuchsdelikts Rechnung zu tragen. V o r allem ist zu beachten, daß es hier f ü r den Unrechtstatbestand nicht ausreicht, wenn i m Einzelfall lediglich ein Gefährdungsunwert vorliegt, aber die gefährliche Handlung nicht den Charakter einer Versuchshandlung besitzt (vgl. oben, S. 155). Sofern Schmidhäuser eine andere Ansicht v e r t r i t t (vgl. die Nachweise oben, Kap. 8, A n m . 210, ferner 15/23, A n m . 14, u n d 15/35, A n m . 26; zur K r i t i k siehe Roxin, ZStW 83, S. 401 f.), hängt das vermutlich damit zusammen, daß ein vorrangiges systematisches Interesse dazu verleitet, i n der Betrachtung der verschiedenen Deliktsarten mehr v o n einem alles verbindenden allgemeinen Unrechtsbegriff aus zu denken und weniger die nichtrechtlichen begrifflichen Grundlagen zu beachten. N u n darf man es keinesfalls f ü r eine Konsequenz unserer Sicht halten, daß i m Rahmen der Prüfung des Unrechtstatbestandes eines Versuchsdelikts stets die angesprochenen begrifflichen I m p l i k a t i o n e n zu thematisieren seien. E i n diesbezügliches Rechtsanwendungsproblem tauchte vielmehr erst dann auf, w e n n ζ. B. aus der fahrlässigen Tötung (§ 222) ein Verbrechen i m Sinne des § 12 I gemacht würde (vgl. oben, S. 156). Bei einer derartigen Sachlage wäre f ü r die Begutachtung einer als „fahrlässiges Tötungs-Versuchsdelikt" i n Betracht kommenden Fallgestalt auf den Versuchsbegriff Bezug zu nehmen, wie er i m letzten K a p i t e l definiert wurde. M a n könnte dann — ebenso w i e beim allgemeinen Handlungsbegriff (vgl. etwa Lackner, vor § 13, A n m . I I I l a a. E.; Jescheck, S. 178; Schmidhäuser, Rn. 8/35) — von einer „negativen Bedeutung" (Schmidhäuser, aaO) des Versuchsbegriffs f ü r die Frage des Vorliegens des betreffenden Unrechtstatbestandes sprechen. 15

D a r i n w i r d deutlich, daß die Annahme eines Versuchsunwertes i m k o n kreten F a l l zumindest insofern auf einem Strafwürdigkeitsurteil des Gesetzgebers beruht, als dieser festlegt, wegen welcher Versuche (Versuch zu töten, zu mißhandeln usw.) zu strafen ist. 18 Formulierung bei Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 30, A n m . 17. 1

164

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

. Kapitel:

„Motiv", „Beweggrund" und auch „Gesinnung" 1 7 . Die genannten Ausdrücke müßten nur dann i n den begrifflichen Gesamtrahmen der Untersuchung einbezogen werden, wenn diese eine umfassende, Unrechtsund Schuldelemente gleichermaßen berücksichtigende Konzeption „des Subjektiven" i m Straf recht erforderte. — I m übrigen gebieten die i n dieser Abhandlung zu beantwortenden Fragen auch nicht, das Phänomen der Intention aus fachpsychologischer Sicht zu beleuchten 18 . Die obige Analyse des intentionalen Elementes i m Versuchsbegriff läßt erkennen, welche zentrale Rolle die Intention allgemein i n den Handlungen und damit für die Lebensführung des Individuums spielt. Das Setzen von Zwecken und die Auswahl von M i t t e l n sind wesentliche Kennzeichen des Handelns, die nur auf der Grundlage des Begriffs der Intention i n ihrem spezifischen Gehalt deutlich werden und klar von dem zu unterscheiden sind, was sich der einzelne an Eigenschaften und Folgen seiner Handlungen vorstellt, ohne diesbezüglich etwas zu intendieren 19 . Teilweise schimmert die eigenständige Position der Absicht gegenüber anderen (internen) Elementen des Versuchs- bzw. Handlungsbegriffs selbst noch dort durch, wo m i t dem Oberbegriff des Vorsatzes operiert wird. So stellt Schröder 20 „Absicht" und „Nicht-Absicht" einander gegenüber. Germann 2 1 unterscheidet: „einerseits Absicht, andererseits einfacher Vorsatz durch bloßes Inkaufnehmen des Delikts". Und Oehler 2 2 weist zutreffend darauf hin, daß es falsch wäre, anzunehmen, daß die Exploration „der Absicht als Vorsatz" für die Rechtsanwendung bedeutungslos sei; — zwar kommt es bei Vorliegen einer Gewiß17

Vgl. dazu die Differenzierungen etwa bei Lampe, Das personale Unrecht, S. 144 ff. — Über die I n t e n t i o n als Unterbegriff zum Begriff des Motivs s. Anscombe, Intention, p. 21 ; vgl. ferner Engisch, Untersuchungen über V o r satz u n d Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 143; Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale i m Strafrecht, S. 227 ff. 18 Psychologische Willensbegriffe werden i m juristischen Schrifttum herangezogen z.B. von Fiedler, Vorhaben u n d Versuch i m Strafrecht, S. 60ff.; Jakobs, w i e A n m . 16, S. 28 ff. F ü r einen gemeinsamen K e r n der „ i n der Seelenkunde des Alltags w i e auch i n Philosophie u n d Psychologie" gebildeten unterschiedlichen Willensbegriffe argumentiert Schmidhäuser, Rn. 6/8. 19 Z u r Bedeutung „der menschlichen Zwecktätigkeit" vgl. n u r Welzel, S. 30 f., u n d ders., U m die finale Handlungslehre, S. 7 f., der aber an dieser ursprünglichen Einsicht nicht entschieden festhält, sondern vielmehr „zweckbewußte Steuerung" m i t „ F i n a l i t ä t " (siehe ζ. B. Naturrecht u n d materiale Gerechtigkeit, S. 244) u n d „ F i n a l i t ä t " m i t „Vorsatz" (siehe oben, Kap. 8, A n m . 151) gleichsetzt. — F ü r eine Heranziehung der Philosophie Nicolai Hartmanns i n diesem Zusammenhang vgl. etwa Egon Schneider, G A 1955, S. 266. 20 Sauer-Fs, S. 222. — Stratenwerth, der die Absicht analog zur S t r u k t u r des Vorsatzes erfaßt, bezeichnet die Intention (in unserem Begriff) als eine „besonders wichtige(n) F o r m der Absicht" (Rn. 320). 21 SchwZStrR 77, S. 356. Soweit Germann das W o r t „Eventualabsicht" verwendet, siehe die K r i t i k oben, Kap. 8, A n m . 164 a. E. 22 N J W 1966, S. 1634.

Der Versuchsunwert

165

heitsvorstellung für die Anwendbarkeit des Vorsatzbegriffs nicht darauf an, daß zudem eine Absicht konstatiert werden kann, aber man pflegt üblicherweise nur i n den Fällen der Möglichkeitsvorstellung, i n denen keine Intention gegeben ist, nach zusätzlichen Umständen i m Sinne des jeweils zugrundegelegten Begriffs des „dolus eventualis" zu fragen (vgl. oben, S. 152) 23 ! Die Feststellung einer Intention i m Handeln, also dessen, was zweckorientiertes Handeln ausmacht, besagt ja — wie bereits oben deutlich wurde — nichts darüber, welche Vorstellungsmodalität m i t der Intention i m Einzelfall verbunden ist 2 4 . Das Verfolgen von Zwecken setzt lediglich voraus, daß der Handelnde irgendeine Idee hat, was er t u n muß, um (möglicherweise) zu reüssieren (nur so kann eine Auswahl von Mitteln überhaupt gedacht werden). Dieser Sachverhalt sei an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich betont, weil er einem dazu verhelfen könnte, dem, wenn man so sagen darf: Wesen der Intention, d. h. dem i m Vergleich zu bloßen, m i t (intentionalen) Handlungen verknüpften weiteren Vorstellungen spezifisch Intentionalen, auch i n dem Sinne Rechnung zu tragen, daß man den Willen (und nicht allgemein den „Vorsatz" i m Sinne juristischer Begriffsbildung) als möglichen Bezugspunkt eines eine Rechtsguts Verletzung bejahenden Urteils anerkennt 2 5 . Das „Wesen" der Intention soll innerhalb der folgenden Argumentation zum Zielunwert noch öfter angesprochen werden, obwohl dabei nicht 2s w ü r d e man freilich dem „Vorsatz" zum einen eine unrechtsbegründende F u n k t i o n zuschreiben u n d i h m zum anderen den gesamten Bereich der Möglichkeitsvorstellungen unterordnen, verlöre der zielgerichtete W i l l e f ü r das Unrechtsmerkmal des „Vorsatzes" zumindest i n den Fällen jede konstitutive Bedeutung, i n denen der „dolus eventualis" nach dem betreffenden Straftatbestand des Besonderen Teils für die Strafbarkeit ausreicht. Hielte man die Begrenzung der Strafbarkeit auf „absichtliches oder wissentliches" Handeln i n manchen Straftatbeständen (siehe z. B. § 167 a, Störung einer Bestattungsfeier) f ü r sachgerecht, käme man aber nicht umhin, plausibel zu machen, w a r u m dort n u r diejenigen Fälle von MöglichkeitsVorstellung straflos bleiben sollen, i n denen k e i n absichtliches Handeln vorliegt. Dazu müßte dann das Spezifikum der Intentionalität herausgearbeitet werden. 24

Vgl. hierzu Engisch, Untersuchungen über Vorsatz u n d Fahrlässigkeit i m Strafrecht, S. 141 f., u n d Oehler, N J W 1966, S. 1634 f., die aber innerhalb des Vorsatzbegriffs argumentieren. 25 Erwähnenswert erscheint es, w e n n zwar grundsätzlich v o m üblichen Vorsatzbegriff ausgegangen, aber zugleich der Intention dort der i h r gebührende Platz eingeräumt w i r d , wo man glaubt, es sich leisten zu können, d. h. w o m a n nicht m i t den v o m Vorsatzbegriff implizierten Wertungen zu kollidieren glaubt. So wendet etwa Lenckner, N J W 1967, S. 1890 ff., i n den Fällen, i n denen „das Gesetz der Sache nach einen Versuch umschreibt" (S. 1892), ζ. B. bei § 267 — Gebrauchmachen einer unechten Urkunde —, i m wesentlichen die v o m Vorsatzbegriff her definierten subjektiven Prämissen des Versuchens an. Hingegen verlangt er i n den Fällen zielgerichtetes H a n deln, i n denen eine bestimmte Absicht tatbestandlich vorausgesetzt ist, die nicht den Sinn hat, i n einer Weise w i e bei § 267 den Bereich der Strafbarkeit auszudehnen. Als Beispiel nennt Lenckner etwa die Bereicherungsabsicht des § 263. Z u den „Absichten" des Besonderen Teils vgl. oben, Kap. 8, A n m . 147.

166

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

. Kapitel:

auszuschließen ist, daß einiges von dem, was bereits oben zur Analyse des Intentionsbegriffs gesagt wurde, hier wiederholt wird. Argumente für eine am Zielunwert orientierte Unrechtsbegründung kann man nämlich nur i n der Weise liefern, daß man ständig versucht, das für die Intention Charakteristische vor Augen zu führen. Dazu sei nunmehr an das oben (Abschn. I) gegebene Beispiel angeknüpft. Ν . N. schießt auf einen anderen Menschen, um i h n zu töten; er glaubt also nicht lediglich, er werde den anderen Menschen (möglicherweise) töten. — Die folgende Darstellung soll dadurch vereinfacht werden, daß das Intentionsobjekt als „ q " und das auf q bezogene Versuchshandeln als „ p " abgekürzt erscheint: Ν. N. t u t ρ (er schießt auf einen anderen Menschen), um q herbeizuführen (um ihn zu töten) 2 6 ; er glaubt also nicht lediglich, er werde den anderen (möglicherweise) töten, wenn er auf ihn schieße (ζ. B. u m ihn zu erschrecken). Die für eine Bewertung wesentliche Divergenz der beiden einander gegenübergestellten Sachverhalte w i r d besonders unter der Prämisse deutlich, daß q überhaupt nicht durch den Vollzug von ρ (das Abdrücken der Schußwaffe) herbeigeführt werden kann, ζ. B. weil die Pistole ungeladen ist. I m letztgenannten Fall glaubt Ν. N. irrtümlich, er sei dabei zu töten, während er i m erstgenannten Fall auch töten (nicht ζ. B. erschrecken) will und nicht lediglich — was die Tötung betrifft — falsche Vorstellungen über das besitzt, was tatsächlich geschieht. Ausschließlich die auf q gerichtete Intention des Handelnden vermag die Strafrechtsordnung i n der Weise ernst zu nehmen, daß sie auch i n einem Fall, i n dem q durch ρ nicht erreichbar ist, d. h. der Täter m i t dem Vollzug von ρ nicht damit begonnen hat, q herbeizuführen 27 , den Versuch, q herbeizuführen, als Unrecht zurechnet. Indem die Unrechtsbegründung auf einen Mittel-Zweck-Zusammenhang zwischen ρ und q abstellt, bezieht sie sich nicht nur auf das für die Intentionalität Wesentliche, sondern damit gleichzeitig auf den Kern menschlichen Handelns überhaupt, das i n seinem inneren Aspekt gerade vom Begriff der Intention her zu verstehen und zu definieren ist 2 8 . Es wäre einerseits geradezu paradox, 26 Die Gebrauchsweise von „ t u n " u n d „herbeiführen" ist hier angelehnt an v . W r i g h t , Erklären u n d Verstehen, z.B. S. 68ff., 93. A u f eine handlungstheoretische Begründung, die nicht i n wenigen Sätzen erfolgen könnte, verzichten w i r . 27 Z u m Gefährdungsunwert siehe sogleich Abschn. 2. 28 Der Zusammenhang von Intention u n d allgemeinem Handlungsbegriff k a n n hier nicht näher erörtert werden. Vgl. n u r v. Wright, Erklären u n d Verstehen, S. 83 ff. u n d S. 36 m i t dem Hinweis auf das Buch „ I n t e n t i o n " von Anscombe („Es verschaffte dem Begriff der Intentionalität f ü r die unter analytischen Philosophen i m Anschluß daran geführte Diskussion der Handlungstheorie eine zentrale Rolle"). A u f die V e r m i t t l u n g der Problemstellungen „Analytische(r) Handlungstheorie" i n den beiden Readern dieses Namens (Bd. 1, Handlungsbeschreibungen, hrsg. von Meggle; Bd. 2, Handlungserklä-

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w e n n e i n U n r e c h t s u r t e i l , das die V e r b o t s w i d r i g k e i t v o n H a n d l u n g e n k o n s t a t i e r t 2 9 , das i n j e d e r H i n s i c h t z e n t r a l e E l e m e n t des H a n d e l n s , n ä m l i c h die I n t e n t i o n , d. h. das, w a s j e m a n d h e r b e i f ü h r e n will, n i c h t z u seinem G e g e n s t a n d m a c h e n u n d d e r U r t e i l e n d e i n s o f e r n n i c h t d e n S t a n d p u n k t des H a n d e l n d e n e i n n e h m e n w ü r d e (was w i l l Ν . N . e r r e i chen, i n d e m er ρ t u t ? — w o r u m b e m ü h t er sich? — welches P r o j e k t w i l l er v e r w i r k l i c h e n ? ) , s o n d e r n sich d a r a u f beschränkte, gefährliches V e r suchen z u erfassen. A n d e r e r s e i t s bezeichnet die I n t e n t i o n a l i t ä t aber auch i n s o f e r n die Grenze e i n e r „ s u b j e k t i v e n " U n r e c h t s b e g r ü n d u n g , als diese n ä m l i c h n i c h t a u f bloße, m i t e i n e m T u n v e r b u n d e n e V o r s t e l l u n g e n ges t ü t z t w e r d e n sollte. D e r B e r e i c h des r e i n K o g n i t i v e n ist v o n ganz a n d e r e r A r t als zwecktätiges H a n d e l n , b e i d e m — i n u n s e r e m K o n t e x t — ρ eben eingesetzt w i r d , u m e t w a s z u schaffen, das die R e c h t s o r d n u n g als U n w e r t s a c h v e r h a l t 3 0 e i n s t u f t . W e r rechtsgutsverletzendes H a n d e l n definieren w i l l , d e r sollte „böse G e d a n k e n " n i c h t d e m B e r e i c h z u o r d nen, a u f d e n sich sein rechtliches U n w e r t u r t e i l erstreckt. E b e n s o w e n i g w i e m a n denjenigen, der irgendetwas moralisch Neutrales herbeiführen w i l l , n u r deswegen (moralisch) l o b e n w ü r d e , w e i l e r es f ü r m ö g l i c h oder g e w i ß h ä l t , daß sein T u n m i t e i n e r als g u t b e w e r t e t e n F o l g e v e r b u n d e n ist, sollte m a n d e n j e n i g e n , d e r i r g e n d e t w a s r e c h t l i c h I r r e l e v a n t e s h e r b e i f ü h r e n w i l l , n u r deswegen (rechtlich) t a d e l n , d. h. bestrafen, w e i l er rungen, hrsg. von Beckermann) sei lediglich pauschal hingewiesen. Eine Diskussion der dort repräsentierten einzelnen Konzeptionen würde den Rahmen dieser A r b e i t sprengen. 29 Diese Formulierung darf nicht etwa so verstanden werden, als müsse man zunächst prüfen, ob ein Geschehen den Merkmalen eines Handlungsbegriffs subsumierbar ist, bevor man die Frage nach dem Vorliegen von U n recht beantworten kann. Z u r K r i t i k eines solchen systematischen Vorgehens, das „klassifikatorisch" einen Oberbegriff der Handlung setzt, dem die K a t e gorien der „Tatbestandsmäßigkeit", „Rechtswidrigkeit" u n d „Schuldhaftigk e i t " untergeordnet werden, siehe Schmidhäuser, Radbruch-Gs, S. 268 ff. B r i n g t die Straftatanalyse den Unrechtsbegriff gegenüber dem Handlungsbegriff stärker zur Geltung (vgl. Schmidhäuser, Rn. 7/33), so soll damit weder behauptet sein, daß die Strafrechtsdogmatik „auf den Handlungsbegriff v e r zichten" könne (wie Bloy, ZStW 90, S. 610, „die Streitfrage" umreißt), noch geht es u m ein „Beiseiteschieben" (vgl. Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 3) dieses Begriffs. Vielmehr w i r d ζ. B. der Einsicht Rechnung getragen, daß der Aspekt der Intentionalität einer Handlung, w e n n i m betreffenden Einzelf a l l überhaupt, dann erst i m Rahmen der Unrechtsbegründung strafrechtlich relevant ist u n d nicht angesprochen zu werden braucht, bevor man ein Geschehen auf eine Rechtsgutsverletzung h i n befragt (vgl. bereits oben, Kap. 8, A n m . 180 a. E.). I m übrigen verdeutlicht die Bemerkung Rödigs, Lange-Fs, S. 41, A n m . 3, daß es i m Streit der Straf ta tsystematiken letztlich nicht darum gehen kann, das Klassifizieren schlechthin abzulehnen, vielmehr allenfalls darum, bestimmte Klassifikationsvorschläge nicht aus logisch-formalen, sondern aus sachlich bedingten Gründen zu kritisieren u n d für andere Begriffseinteilungen zu plädieren. Z u r Begriffsform der klassifikatorischen (qualitativen) Begriffe siehe Stegmüller, Wissenschaftstheorie, Bd. 2, S. 19 ff.; vgl. ferner oben, Kap. 7, A n m . 5. 30

Z u diesem Terminus siehe Schmidhäuser, Rn. 8/28.

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es für möglich oder gewiß hält, daß sein T u n m i t einer verpönten Folge verbunden ist 3 1 . — Demnach w i r d die Intention als essentielles Merkmal des Versuchens (und Handelns überhaupt) i m Rahmen der Unrechtsbegründung des Versuchsdelikts berücksichtigt. Das akzidentielle Vorstellen, Glauben, Meinen usw. vermag demgegenüber kein tragfähiges Fundament für die Annahme einer unrechtskonstitutiven Rechtsgutsverletzung abzugeben. Die Bedeutsamkeit der Intentionalität unter normativem Aspekt läßt auf eigene A r t folgende Notiz Wittgensteins i n seinen Tagebüchern erkennen: „Ist aber ein Wesen denkbar, das nur vorstellen (etwas sehen), aber gar nicht wollen könnte? I n i r gendeinem Sinne scheint dies unmöglich. Wäre es aber möglich, dann könnte es auch eine Welt geben ohne Ethik." Warum das Intentionale i m Gegensatz zum bloß Kognitiven als A n knüpfungspunkt für ein strafrechtliches Unwerturteil geeignet ist, soll durch ein weiteres Beispiel veranschaulicht werden: Zwei Krankenschwestern ( K i und K2), die ganz auf sich gestellt sind, betreuen jeweils einen Patienten. Jede besitzt zwei chemische Substanzen, nämlich tödlich wirkendes Gift sowie ein schmerzstillendes Mittel. K i und K2 wissen beide nicht, welche der Substanzen das Gift und welche das schmerzstillende M i t t e l ist. Sie flößen ihren Patienten das schmerzstillende Medikament ein. K i und K2 halten es für möglich, daß sie ihren Patienten Gift geben. — K i w i l l den Patienten, der sie als Erbin eingesetzt hat, töten. K2 w i l l dem schwer leidenden Patienten helfen, indem sie ihn von Schmerzen befreit; den möglichen Tod hält sie i m Vergleich zum Zustand der Qual für das geringere Übel 3 2 . Erschiene es nicht sachgerecht, ja geradezu dringend geboten, nur i m Falle von K i eine versuchte Tötung als Delikt anzunehmen und i m Falle von K2 einen strafwürdigen Versuch zu verneinen 33 ? — Würde 31 Z w a r ist diese Verknüpfung äußerst vage, aber sie scheint sich doch i m Einklang m i t praktischer V e r n u n f t zu befinden. U m das Argument exakter formulieren zu können, müßte u. a. der Gedanke prinzipiell entfaltet w e r den, der den Kantischen Begriffen v o n „ M o r a l i t ä t u n d „Legalität" zugrundeliegt. 32 Beispiel nach K e n n y i n : Summers (Hrsg.), Essays i n Legal Philosophy, p. 160. — Die Ausführungen von Kenny, aaO, pp. 158-161, u n d auch Hart, Punishment and Responsibility, pp. 126 - 127, scheinen zum T e i l i m Gegensatz zu den Thesen dieses Textes zu stehen. Darauf könnte n u r dann eingegangen werden, w e n n man zunächst die Rechtsprobleme offenlegte, vor die sich diese Autoren gestellt sehen. Das w i r d hier jedoch nicht geleistet. 83 Diese Frage werden auch Anhänger des herkömmlichen Vorsatzbegriffs bejahen, soweit sie nämlich zeigen, daß dieser F a l l dem von ihnen f ü r den „dolus eventualis" zusätzlich zur MöglichkeitsVorstellung jeweils geforderten Begriffskriterium nicht entspricht (vgl. bereits oben, S. 152). A b e r ebensowenig wie ein Hinweis auf die nicht vorhandene Gewißheitsvorstellung k a n n der Hinweis auf eine nicht erfüllte Prämisse des „dolus eventualis" zutreffend begründen, w a r u m k e i n Versuchsdelikt vorliegt. Entscheidend ist v i e l -

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man fragen „warum gibst Du dem Kranken diese Substanz?", antwortete K i ehrlicherweise „ w e i l ich i h n töten w i l l " und K2 „ w e i l ich seine Schmerzen lindern w i l l " . Die verschiedenen Antworten werfen auf die — i n vielen Aspekten — gleichen Handlungen ganz verschiedene Lichter. Und nur dort, wo i n dem Beispiel geantwortet werden kann „ w e i l ich ihn töten w i l l " , ist der ungefährliche Versuch rechtsgutsverletzend. Nun soll hier nicht verschwiegen werden, daß dieser letzte Gedankengang insofern zirkulär sein könnte, als er auf einen unterschiedlichen Inhalt von „Weil"-Antworten auf eine „Warum"-Frage abstellt. Der Verdacht des Zirkulären verstärkt sich, wenn man sich einmal die Möglichkeit vor Augen führt, den Begriff der Intention i n der Weise zu analysieren, daß man einen bestimmten Sinn einer handlungsbezogenen „Warum"-Frage herausarbeitet 34 . Von daher liegt folgende K r i t i k an unserer Argumentation nahe: Begründet man die Annahme einer Rechtsgutsverletzung bei intentionalem Versuchen damit, daß man — wie eben geschehen — auf den Inhalt der „ W e i l " - A n t w o r t verweist, dann besagt das i m Grunde nichts anderes, als daß wegen intentionalen Versuchens deswegen gestraft werden sollte, weil es sich um intentionales Versuchen handelt. Mag diese K r i t i k i m Prinzip nicht unberechtigt sein, so dient doch der Hinweis auf das Gewicht der „ W e i l " - A n t w o r t nicht zuletzt dem, was oben (S. 165) als Ziel unserer Überlegungen herausgehoben wurde, nämlich durch Beleuchtung des „Wesens" der Intention für eine am Zielunwert anknüpfende Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt zu argumentieren. I m Bereich der Rechtsgutsverletzungen, wo es um bestimmte Unwertsachverhalte geht und ζ. B. nicht darum, jemandem eine Freude zu machen, kann dieses „Wesen" der Intention m i t dem Prädikat „bedrohlich" adäquat eingefangen werden. Gerade dieses Bedrohliche zeigt sich besonders deutlich i n einem eine Intention meinenden Satz wie „ich tue p, weil ich q (ζ. B. den Tod eines Menschen) herbeiführen w i l l " . Die Intention bestimmt die Richtung des Handelns. Insoweit kann sie eine gefährliche Situation ungefährlich machen (ζ. B. werfe ich dem Ertrinkenden einen Rettungsring zu, um ihm zu helfen); aber sie vermag eben auch — über die körperliche A k t i v i t ä t des Handelnden — eine ungefährliche Situation i n eine gefährliche zu verwandeln (dazu ein Beispiel unten, Anm. 77). Dieses abstrakt-begriffliche

mehr, ob der beurteilte Versuch intentional ist oder nicht. W a r u m der W i l l e das einzige interne Element des Versuchens darstellt, welches das hier behandelte Strafwürdigkeitsurteil zu legitimieren vermag, soll die A r g u m e n tation i n diesem Abschnitt u n d die K r i t i k an anderen Ansichten i m übernächsten K a p i t e l ergeben. 34 Das ist der Ansatz v o n Anscombe i n „Intention", p. 9; siehe ferner z.B. pp. 20 - 21.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

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Verständnis des Intentionalen darf i n solchen konkreten Sachverhalten nicht aufhören, i n denen eine Handlung aus Gründen ungefährlich ist, die m i t dem jeweiligen Handlungsziel nichts zu t u n haben. Etwas pathetisch formuliert: Der Zielunwert erfaßt m i t der Intention einen „Pfeil des Bösen", der eine fremde Rechtsgutssphäre unabhängig davon verletzt, ob der Handelnde tatsächlich auf dem Wege ist, q herbeizuführen, indem er ρ tut. Die Intention würde die für sie spezifische Bedrohlichkeit, ja sie würde sich schlechthin selbst verlieren, wenn — das Gedankenexperiment sei erlaubt — stets das gute Gegenteil von dem entstünde, worauf ein böser Wille abzielte. „Wenn es nun so eingerichtet werden könnte, daß aus dem Wollen jedes unrechtmäßigen Zwecks notwendig, und nach einem stets wirksamen Gesetze, das Gegenteil des Beabsichtigten erfolgte, so würde jeder rechtswidrige Wille sich selbst vernichten. Gerade darum, weil man etwas wollte, könnte man es nicht wollen; jeder unrechtmäßige Wille würde der Grund seiner eigenen Vernichtung, so wie der Wille überhaupt der letzte Grund seiner selbst ist". 3 5 Aber der Mensch ist eben nicht „ E i n Teil von jener Kraft, / Die stets das Böse w i l l und stets das Gute schafft" 3 «. Die Bedrohlichkeit einer Intention läßt sich noch weiter illustrieren: Es w i r d ohne weiteres einleuchten, daß das Eintreten von q i m allgemeinen wahrscheinlicher ist, wenn ρ getan werden soll, um q herbeizuführen, als wenn der Handelnde irgendetwas anderes herbeiführen w i l l und q lediglich für eine sichere oder mögliche Folge seines projektierten Handelns hält. Denn i n diesem letztgenannten Fall wäre es m i t seiner Intention verträglich, wenn er Vorkehrungen gegen das Eintreten von q treffen würde, während er i m erstgenannten Fall alles daransetzen muß, um q zu erreichen 37 . Auch kann die Intention eine gewisse Wiederholungsgefahr 38 begründen, nämlich die Gefahr, ρ so oft zu wiederholen, 35

Fichte, Grundlage des Naturrechts, § 14, Das Prinzip aller Zwangsgesetze. Es soll nicht verschwiegen werden, daß w i r dem zitierten W o r t des Mephisto aus Goethes Faust insofern Gewalt antun, als dieses W o r t seinen ursprünglichen Sinn daraus bezieht, daß „das Gute" u n d „das Böse" zweierlei Wertmaßstäbe widerspiegeln. 37 Vgl. dazu K e n n y i n : Summers (Hrsg.), Essays i n Legal Philosophy, p. 158. — Einen ähnlichen Gedanken hat A r m i n K a u f m a n n (ZStW 70, S. 73 ff.) v e r wendet, u m den „dolus eventualis" von der „bewußten Fahrlässigkeit" zu unterscheiden (und zwar i m Sinne einer „Selbstbegrenzung des V e r w i r k lichungswillens"): Wer eine bestimmte Nebenfolge seines Handelns als möglich vorhersehe, nehme diese Folge dann nicht i n seinen V e r w i r k l i c h u n g s w i l len (Vorsatz) auf, wenn er sich ernstlich die Vermeidung dieser Nebenfolge als Ziel setze u n d dieses i n seinen steuernden W i l l e n eingehen lasse. 38 Vgl. Kenny, aaO. — Siehe auch Cramer, Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt, S. 63, aber w o h l auf dem anderen Fundament des Präventions- u n d Prognosegedankens (bzgl. zukünftiger Straftaten) — siehe dazu unten, Kap. 10, Abschn. I I 2 —, der Dicke, JuS 1968, S. 161, 38

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bis q herbeigeführt ist; ζ. B. schießt jemand so oft auf sein Opfer, bis er es tödlich getroffen hat, oder er sucht so lange nach tauglichen Handlungen, bis er sein Ziel erreicht hat. „Wenn eine Kugel an m i r vorüberpfeift und eine Katze trifft, die hinter m i r auf einer Mauer sitzt, dann ist es für mich wichtig zu wissen, ob der Schütze auf mich zielte und sein Ziel verfehlte, oder ob er auf die Katze zielte und sich um die Gefahr für mein Leben nicht kümmerte. I m ersten Fall muß ich i n Dekkung gehen, i m zweiten kann ich erleichtert aufatmen." 3 9 Die Analyse der Bedrohlichkeit einer auf die Realisierung eines Unwertsachverhaltes gerichteten Intention oder der Wiederholungsgefahr, die intentionales Handeln i n der gerade vorgeführten A r t und Weise zu begründen geeignet ist, könnte dazu veranlassen, als Quintessenz der hier für die Strafwürdigkeit des intentionalen Versuchens vorgebrachten Argumente eine „Willensgefahr" zu konstatieren 40 . Davor sei jedoch nachdrücklich gewarnt. Spräche man von einer „Willensgefahr", welcher der Zielunwert Rechnung trage, könnte es sehr leicht zu Konfusionen m i t dem Gefahrurteil kommen, das primär an die äußere Beschaffenheit der jeweiligen Handlung anknüpft und das i n den i m folgenden Abschnitt (2.) anzustellenden Überlegungen zum Gefährdungsunwert zu berücksichtigen ist. Die Strafwürdigkeit des intentionalen Versuchens beruht — aus den genannten Gründen — auf der Intention i m Handeln und ist von einem Gefahrurteil unabhängig. Wollte man zwischen „Tätergefährlichkeit" einerseits und „Tatgefahr" andererseits differenzieren 41 , setzte man sich i m übrigen nicht nur dem EinA n m . 60, zu folgender Äußerung veranlaßt: „es ist keineswegs sicher, daß bei jedem Täter eines untauglichen Versuchs eine Wiederholungsgefahr besteht". Oben i m T e x t geht es n u r darum, Begriff u n d Bewertungsrelevanz der Intention zu erhellen. Ob diese Aufgabe gelöst ist, k a n n durch empirische Hypothesen, w i e sie Dicke aufstellt, nicht entschieden werden. 39 Kenny, aaO (Übersetzung v o m Verf.). — Den zentralen Unterschied z w i schen intentionalem Angreifen einerseits u n d bloß bewußtem oder gar unbewußtem Verletzen andererseits verwischt Langer, Das Sonderverbrechen, S. 300 ff. : Nach Langer soll beispielsweise die beabsichtigte Körperverletzung ein „größeres sachliches Unrecht" als die n u r bewußte u n d diese wiederum ein größeres als die unbewußte bilden (S. 300). Handelt jemand jedoch — m i t ansonsten beliebigem Ziel — lediglich i n der Vorstellung oder gar ohne jeden Gedanken daran, mich (möglicherweise) zu verletzen, so b i n ich nicht durch diese Vorstellung bzw. Nichtvorstellung tangiert, sondern ausschließlich dadurch, daß der andere unter diesen tatsächlichen Umständen (um i m Beispiel zu bleiben:) auf die Katze schießt. D . h . die Rechtsgutsverletzung k a n n i n einem solchen F a l l n u r i n der Gefährlichkeit, aber nicht i n einem internen Element des Handelns gefunden werden, u n d zwar auch nicht als graduell unterschiedliche „Unwertintensität" bei vorausgesetzter „Tatobjektsgefährdung"; Langer selbst bezieht seine oben angeführte Skala möglichen „Unrechtsunwerts" ausdrücklich auf „Tatobjektsgefährdungen". 40 Dieser Terminus n i m m t etwa bei Salm, Das versuchte Verbrechen, eine zentrale Stellung ein. Vgl. ζ. B. auch Welzel, S. 192. 41 Siehe Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 57; vgl. ferner z.B. Kohlrausch/Lange, A n m . I I I 2 ff. vor § 43; Stöger, Versuch des

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wand aus, begriffliche Klarheit einzubüßen, sondern auch dem Bedenken, daß ein Abstellen auf „Tätergefährlichkeit" eher an den Ausspruch einer nichtvergeltenden Strafrechtsfolge, allenfalls noch an individuelle Strafzumessung, denken läßt als an die prinzipiell tatbezogene Unrechtsbegründung i m Rahmen einer Strafbarkeitsprüfung 42 . Diese Gedanken zum Zielunwert beim Versuchsdelikt enthalten nicht schon i n dem Sinne ein „Ergebnis", als daß aus ihnen die Rechtsanwendung für alle nach geltendem Recht i n Betracht kommenden einzelnen Versuchs-Straftaten unmittelbar abgeleitet werden könnte. Nicht alle Straftatbestände sind so einfach strukturiert wie z.B. der Totschlagsparagraph, der den rechtlichen Hintergrund der Beispiele dieses Abschnitts abgab. D. h. anhand des bisher Gesagten läßt sich nicht ohne weiteres für jeden i n Betracht kommenden Straftatbestand des Besonderen Teils ermitteln, worauf sich die Intention i m Falle eines Versuchs erstrecken muß, damit ein Zielunwert bejaht werden kann. Dazu soll i m nächsten Kapitel einiges nachgetragen werden. Die Basis für eine solche Untersuchung hat allerdings erst unsere Charakteristik der allgemeinen Struktur des intentionalen Versuchens geschaffen. 2. Gefährdungsunwert Unter der Prämisse, daß wegen Versuchstaten überhaupt gestraft werden sollte, liegt ein Strafwürdigkeitsurteil über diejenigen Fälle des Versuchens nicht fern, welche die Gefahr dafür begründen (oder erhöhen), daß der dem Rechtsgut entgegenstehende Unwertsachverhalt eintreten werde 4 3 . U m gerade dieses auf Gefährdung durch menschliches Verhalten bezogene Unwerturteil hinreichend zu begründen, ist zweckmäßigerweise von nicht-intentionalen Versuchskonstellationen auszugehen. W i r knüpfen an das Beispiel des letzten Abschnitts (1.) an: Ν. N. w i l l einen anderen Menschen dadurch erschrecken, daß er eine Pistole auf ihn richtet und abdrückt. So geschieht es; und: die Pistole ist geladen, was Ν. N. für gewiß bzw. für möglich hält; das Geschoß streicht knapp am Kopf des Opfers vorbei 4 4 . — Angesichts eines solchen Sachuntauglichen Täters, S. 53 ff. — M a n muß sich selbstverständlich v o r der Annahme hüten, daß die hier angeführten A u t o r e n den Ausdruck „Tätergefährlichkeit" verwenden, u m das i m Sinne dieses Textes spezifisch intentionale Versuchen zu bewerten. 42 Damit k a n n der Gehalt einer „subjektiven Gefährlichkeitstheorie" (ζ. B. Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 31) nicht abschließend diskutiert sein. A u f verschiedene Konzeptionen von Gefährlichkeit soll i m nächsten (Abschn. I I 2) und i m übernächsten K a p i t e l (Abschn. I I ) eingegangen werden, w o nicht die Entfaltung der eigenen Sicht, sondern die K r i t i k anderer Ansichten i m Vordergrund steht. 43 Dazu Schmidhäuser, Rn. 8/31. 44 Z u r Konsistenz des Beispiels siehe oben, A n m . 3.

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Verhalts drängt sich die Frage auf: Wenn nicht das gefährliche Versuchen für strafwürdig erachtet wird, welche Versuchsart soll dann überhaupt für eine Versuchsstrafbarkeit i n Betracht kommen? Gegen diese rhetorische Frage ließe sich jedoch einiges einwenden. So könnte man geltend machen, daß unsere Argumentation zum Zielunwert die Intentionalität gewissermaßen als Kern des Versuchens ausgewiesen habe, während der Aspekt der Gefährlichkeit demgegenüber allenfalls von zweitrangiger Bedeutung und deswegen ungeeignet sei, den Anknüpfungspunkt für ein Unwerturteil abzugeben. Diesen Einwand könnte man durch den Hinweis darauf untermauern, daß das Vorliegen einer Intention i m Handeln 4 5 , anders als die Gefährlichkeit des Handelns, nicht von der Beschaffenheit der Situation abhänge, i n der gehandelt werde. Diese äußeren Umstände, auf die ein Gefahrurteil Bezug nehmen müsse, seien nämlich rein zufälliger Natur, so daß eine Unrechtsbegründung nicht auf sie abstellen dürfe. Andernfalls würde man bloße Kontingenzen menschlichen Existierens und Handelns zur Basis eines Strafwürdigkeitsurteils machen. Welche Rolle der Aspekt des Zufalls für die Begrenzung des Versuchsunrechts spielt, w i r d noch näher zu behandeln sein 46 . A n dieser Stelle ist nur zu erwähnen, daß er jedenfalls nicht dazu führen sollte, dasjenige, was jemand de facto tut, ohne es zu intendieren, bei einer normativrechtlichen Betrachtung, wie sie hier geboten ist, unberücksichtigt zu lassen. Eine derartige Verfahrensweise wäre nicht m i t dem Phänomen alltäglichen Handelns i n Einklang zu bringen. Denn das externe Element der Handlung, das ja i n der Regel eine sukzessive V e r w i r k lichung von Intentionen verkörpert, erscheint i m allgemeinen gerade nicht als bloße Kontingenz; überhaupt nur vor diesem Hintergrund w i r d die Zweckorientierung menschlichen Verhaltens verständlich. Wie sähe das individuelle und gesellschaftliche Leben aus, in dem alles „ T u n " ein bloß schicksalhaftes Sich-Ereignen wäre? Und ebensowenig wie die Realisierung von Vorhaben generell als „zufällig" adäquat prädizier45 W i r d die Innenseite des Versuchsdelikts i m Gegensatz zu unserer A u f fassung als „Vorsatz" i m juristischen Sinne begriffen u n d auch die S t r a f w ü r digkeit des Versuchs auf dieser Grundlage beurteilt („subjektive Versuchstheorie"), entbindet einen das selbstverständlich nicht davon zu begründen, w a r u m (ausgerechnet!) die Gefährlichkeit — i n noch näher zu entwickelnder Bedeutung — irrelevant für den Versuchsdeliktsbegriff sein soll. 46 Siehe dazu unten, A n m . 88. Dort geht es u m den Sachverhalt, daß jemand etwas herbeiführen w i l l (bzw. i m nicht-intentionalen Fall, der hier lediglich i n dieser Parenthese erwähnt w i r d : eine bestimmte Handlungsfolge auch n u r f ü r möglich oder gewiß hält), daß er auf sein Ziel h i n handelt, daß das Gewollte e i n t r i t t u n d er es doch nicht getan hat — u n d auch nicht angefangen hat, es zu tun. Das oben i m T e x t Folgende behandelt hingegen den Sachverhalt, daß jemand etwas getan hat (und angefangen hat, es zu tun), was er nicht t u n (anfangen) wollte.

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bar ist 4 7 , kann eine Handlung unter einer Deskription, unter der sie nicht intentional ist 4 8 , von vornherein als „Zufallsgeschehen" für den Begriff der Rechtsgutsverletzung außer Betracht bleiben. Der Mensch besitzt prinzipiell Einfluß darauf, was er tut, und zwar unabhängig davon, ob dem T u n auch eine Intention korrespondiert. U m das zu verifizieren, bedarf es keiner Stellungnahme zum Problem der Willensfreiheit. Vielmehr bezieht sich diese Annahme lediglich darauf, daß etwas auch dort als eine Handlung (und damit als u. a. vom willentlichen Tätigwerden des Individuums abhängig!) beschreibbar ist, wo die Deskription, unter der die Handlung subsumiert wird, nicht i n Relation zur Intention des Handelnden steht. Diesem Umstand, also der Zurechenbarkeit von Gefährdungen zu willentlichem Verhalten i n Fällen, i n denen der Täter dasjenige, was einzutreten droht, gar nicht anstrebt 49 , hat die Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt Rechnung zu tragen. Nicht nur das interne Element der Intentionalität, sondern auch das externe Element der Gefährlichkeit — jeweils als Element des Versuchsbegriffs und als Eigenschaft einzelnen Versuchshandelns — ist eine geeignete Basis für die Annahme einer Rechtsgutsverletzung. Das intentionale Versuchen stellt ein bestimmtes Rechtsgut vom betätigten Willen her i n Frage, das gefährliche Versuchen von der Betätigung irgendeines Willens her. Hält man es für moralisch und rechtlich erlaubt (vielleicht sogar für geboten), daß die Strafrechtsordnung die Rechtsfolge Strafe nicht ausschließlich an die Herbeiführung der jeweils gemeinten Unwertsachverhalte knüpft, sondern das Strafübel i n der Weise verteilt, daß ζ. B. Versuche, Bestimmtes zu tun, pönalisiert werden, sollte man gerade auch diejenigen Versuchsarten, die den Anfang der Realisierung des Versuchten darstellen, die — anders ausgedrückt — objektiv auf „Verwirklichung des vollen, das Rechtsgut verneinenden Unwertsachverhalts gerichtet" 5 0 sind, als Versuchsdelikte erfassen 51 . Indem sich die körperliche Bewe47

Anders Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 40, A n m . 142. Die Bemerkung Zielinskis ist vor dem Hintergrund seiner Ausführungen auf S. 128 ff., aaO, zu verstehen. 48 Z u m Verhältnis von Handlungsdeskription u n d I n t e n t i o n siehe bereits oben, S. 147 f. 49 Auch braucht er nicht die Gefährdung selbst zu intendieren; siehe den Hinweis auf diesen F a l l i n Kap. 8, A n m . 162 a. E. 50 Schmidhäuser, Rn. 8/29 (Hervorhebungen des Originaltextes sind i m Z i t a t nicht wiedergegeben). 51 Die Darstellung zeigt, daß der Gefährdungsunwert nicht etwa n u r für Erfolgsdelikte, sondern auch f ü r schlichte Tätigkeitsdelikte eine Rolle spielen k a n n (die übliche Unterscheidung zwischen diesen beiden Deliktsarten wurde bereits oben, S. 143 bei A n m . 153 u n d 157, i n anderem Zusammenhang berücksichtigt). Beispiel: Es besteht die Gefahr, daß jemand „sexuelle Handlungen . . . an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten K i n d . . . v o r n i m m t " (§ 174 I Nr. 3).

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gung des Handelnden gewissermaßen auf die Verletzung eines Rechtsgutsobjekts zubewegt, w i r d die „Daseinsgewißheit" 52 des Rechtsguts i m geistigen Leben einer Gesellschaft erschüttert, es i n eine „Krise" gestürzt, die „ »soziale Realität' " besitzt, „wie etwaige Reaktionen der Umwelt oder Abwehrmaßnahmen des Rechtsgutsträgers zeigen" 53 . Damit ist das spezifisch Unwerthafte einer Gefährdung (der Gefährdungsunwert) umrissen, auf das man ein Strafwürdigkeitsurteil stützen kann. Ein Nachtrag zur Terminologie: Während das Rechtsgutsobjekt, i n unserem Beispielsfall also das Leben der Person, auf die Ν. N. m i t seiner Pistole zielt, i n seinem Bestand nicht beeinträchtigt (nicht verletzt) wird, wenn es bei einer bloßen Gefährdung bleibt 5 4 , w i r d das Rechtsgut (als Achtungsanspruch 55 ) auch durch eine bloß gefährliche Handlung verletzt. Ein Blick auf die gegenwärtige dogmatische Diskussion über Gefahr und Gefährlichkeit 5 6 zeigt, daß die bisherigen Ausführungen zum Gefährdungsunwert insofern noch zu präzisieren sind, als der zugrundegelegte Gefahrbegriff deutlicherer Konturierung bedarf. Ausgegangen sei von der Unterscheidung einer normativen und einer deskriptiven Bedeutungskomponente des Ausdrucks „Gefahr" 5 7 . I m folgenden soll die deskriptive Bedeutung Gegenstand einer genaueren Analyse sein. Damit gewinnt die Wertungskomponente dieses Begriffs, die i n den vorigen Passagen dieses Abschnitts beleuchtet wurde, ebenfalls an Präzision, w e i l der Bezugspunkt des gemeinten Unwerturteils klarer w i r d 5 8 . Welche Urteilsbasis ist für die Feststellung einer Gefahr maßgeblich? Welcher Zeitpunkt i m Ablauf eines Geschehens w i r d von einem Gefahrurteil erfaßt? 59 — Was die zuletzt gestellte Frage betrifft, so 52

Binding, Normen I, S. 373. Gallas, Heinitz-Fs, S. 176; siehe auch Binding, aaO, S. 373 f.; Horn, S K StGB, v o r § 306, Rn. 5. 54 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 2/34. 55 Siehe oben, A n m . 12. 56 Z u diesem Thema siehe etwa die Monographie von Eckhard H o r n : „ K o n krete Gefährdungsdelikte". 57 Vgl. Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 59 („Wertu r t e i l " u n d „Wahrscheinlichkeitsurteil"); auch Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 16, trennt der Sache nach diese beiden Komponenten des Gefahrbegriffs. Siehe bereits oben, S. 133, u n d außerdem noch unten, S. 180. — Z u r „ K o m b i n a t i o n v o n wertender u n d beschreibender Bedeutung" i n W e r t w ö r t e r n siehe Hare, Die Sprache der Moral, S. 107 ff. (Zitat von S. 162); siehe ferner etwa Koch i n : Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 46 ff. 58 Es w i r d noch einmal daran erinnert, daß der Rechtsanwender, der i n concreto prüft, ob eine Gefahr als Versuchsunwert zu bejahen ist, auch ein eindeutiges Strafwürdigkeitsurteil des Gesetzgebers zu berücksichtigen hat, w e i l dieser nämlich festlegt, wegen welcher einzelnen Versuche (ζ. B. wegen versuchten Totschlags) zu strafen ist; vgl. bereits oben, A n m . 15. 53

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

. Kapitel:

kann es nur um eine Prognose gehen, die konstatiert, daß ein Versuch, etwas zu tun, droht, das Versuchte herbeizuführen, daß er ein bestimmtes „Ereignis i n absehbarer Zukunft möglich" oder wahrscheinlich 60 macht. Das heißt i n der auch bereits i n diesem Abschnitt (oben, S. 174) verwendeten Terminologie des letzten Kapitels (Abschn. I I I 1 und 2), daß derjenige Versuch gefährlich ist, der zugleich einen Anfang der Herbeiführung des Versuchten darstellt. Damit ist deutlich, inwiefern es sich bei einem Gefahrurteil um die Einschätzung einer Situation ex ante handelt, insofern nämlich, als „die prognostische Seite dieses Urteils" 6 1 betont wird. Keine begriffliche Relevanz besitzt der Umstand, wann das Gefahrurteil gefällt wird, ob i n der ungeklärten Situation selbst oder ob nachträglich, etwa i n einer Gerichtsverhandlung. Demgegenüber ist die Klärung der Urteilsbasis von entscheidender Bedeutung, also die Frage von welchem Zeitpunkt aus 62 und aus welcher Sicht geurteilt wird, d.h. wann und von wem die Erkenntnisse (Tatsachen und Naturgesetze betreffend) erlangt sein müssen, um i n das Urteil über die Gefährlichkeit eines Verhaltens eingehen zu dürfen. Bereits oben (S. 129), i m Rahmen der Diskussionen zum Thema „ »Versuch4 als ,Anfang' " wurde vorgebracht, daß ein Anfang, etwas zu tun, auch dann gegeben ist, wenn sich die Tatsachen, auf denen die Beurteilung eines Handelns als Anfang beruht, erst nachträglich herausstellen. Damit deutete sich schon an, was an dieser Stelle nachdrücklich zu betonen ist: Das Urteil darüber, ob ein gefährlicher Versuch vorliegt oder nicht, sollte m i t einem „ M a x i m u m an Wahrheitsgarantie" 6 3 ausgestattet werden: Nur dann, wenn man alle bekannten Tatsachen und Naturgesetze berücksichtigt, kann man klären, ob ein Rechtsgutsobjekt gefährdet war. Auch insofern ist das Gefahrurteil objektiver Natur, als es sich nicht auf das Wissen eines bestimmten Menschen, ζ. B. des Handelnden oder eines m i t gewissen Qualitäten versehenen fiktiven Individuums bezieht. Der hier vertretene Begriff der Gefahr ist also überhaupt unabhängig davon, „ob der Handelnde oder irgendein Mensch die Gefahr erkennt oder erkennen kann" 6 4 . Damit w i r d deutlich, daß die Gefahr, die 59

Vgl. die Problemstellung bei Gallas, Heinitz-Fs, S. 177. Das Z i t a t ist von Schmidhäuser, Rn. 8/33. Vgl. die Formulierungen ζ. B. bei Welzel, S. 47; Lackner, § 315 c, A n m . 5 a, u n d ders., Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 16; Schönke/Schröder/Cramer, vor § 306, Rn. 5. Aus der Rechtsprechung siehe exemplarisch: RGSt 10, 173 (176), 30, 178 (179); B G H S t 18, 271 (272). 61 Gallas, Heinitz-Fs, S. 177. 62 Vgl. die Formulierung bei Welzel, S. 47. 63 Gallas, Heinitz-Fs, S. 178. 64 Schmidhäuser, Rn. 8/33. Einige Absätze weiter bei Schmidhäuser, aaO, heißt es dann: „Auch bevor Ignaz Semmelweis die Ursache des Wochenbett60

Der Versuchsunwert

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einem Gefährdungsunwert zugrundeliegt, d. h. die darüber entscheidet, ob rechtsgutsverletzend versucht wurde, etwas zu tun, oder nicht, hinsichtlich der heranzuziehenden Prognose-Basis auf einer ex-post- Betrachtung beruht 6 5 . Ein Gefahrbegriff des Inhalts, wie er gerade vorgeführt wurde, ist der Strafrechtsdogmatik nicht unbekannt. I m Gegenteil, man ist sich über das Gemeinte einig. Nur hält man weitgehend diesen Gefahrbegriff i m Rahmen der Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt für irrelevant. Eine Ausnahme machen heute vor allem Spendel m i t seiner rein „objektiven Versuchstheorie" 66 und Schmidhäuser, der — wie auch i n dieser Abhandlung vorgeschlagen w i r d — die (objektive) Gefährdung eines Rechtsgutsobjekts als eine von zwei Möglichkeiten ansieht, die Annahme eines Versuchsunwerts zu begründen 67 . Außerdem w i r d der Ausdruck „untauglicher Versuch" i n den Darstellungen der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema meistens synonym m i t dem Ausdruck „ungefährlicher Versuch" i m gerade gekennzeichneten Sinne verwendet 6 8 . Das ist deswegen bemerkenswert, w e i l sich dann aus den näheren Erörterungen ergibt, daß der i m Terminus vorausgesetzte Gefahrbegriff weder eine Bedeutung für die Strafwürdig- und Strafbarkeit des „gefährlichen (tauglichen) Versuchs" besitzt noch zur Begründung einer Nicht-Strafwürdig- und Straflosigkeit des „ungefährlichen (untauglichen) Versuchs" dienen kann 6 9 . Prototypisch sei i n diesem Zusammenhang Jescheck zitiert: „ I n der Beeinträchtigung des Gefühls gesicherten fiebers erkannt hatte, w a r die septische Behandlung der Frauen i n den K l i n i k e n eine Verletzung des Rechtsguts Leben; Semmelweis hat seine Kollegen daher nicht von ungefähr Mörder genannt, u m sie eindringlich auf das Unerlaubte ihres Handelns hinzuweisen; denn dieses Handeln w a r unerlaubt schon, bevor er als erster die Gefährlichkeit erkannte." Siehe auch Schröder, ZStW 81, S. 14. — Selbstverständlich bedeutet das nicht, daß ein Handelnder, der die Gefährlichkeit seines Tuns weder erkannte noch erkennen konnte, gleichwohl bestraft w i r d . 65 Vgl. Gallas, Heinitz-Fs, S. 178. 68 Spendel, Stock-Fs, S. 103 ff. — Vgl. ferner Treplin, ZStW 76, S. 446 ff. (aber auch S. 458 ff.), u n d die „ältere objektive Versuchstheorie" m i t ihrem, was die Urteilsbasis angeht, ex-post-Gefahrbegriff; zur „älteren objektiven Versuchstheorie" siehe z.B. den Bericht bei Schmidhäuser, Rn. 15/39; als einen Vertreter dieser Theorie siehe Feuerbach, S. 44 ff. 67 Schmidhäuser, Rn. 15/21, 23. — Siehe auch Kölz-Ott, Eventualvorsatz u n d Versuch, S. 64 f., 86; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 493 f.; Plate, ZStW 84, S. 305 f., 308. 68 z. B. Jescheck, S. 428. 89 Die moderne Strafrechtsdogmatik sollte die von i h r benutzten traditionellen Redeweisen überprüfen u n d ihre Sicht der Dinge eigenständig u n d unmißverständlich entfalten. Gemäß der gerade i n A n m . 66 erwähnten „älteren objektiven Theorie" ist der gefährliche (taugliche) Versuch jedenfalls qua dieser Gefährlichkeit strafwürdig u n d strafbar. A u f die Modifikation dieser Theorie durch die Anerkennung der Strafwürdig- u n d Strafbarkeit des „relativ untauglichen Versuchs" (vgl. Schmidhäuser, Rn. 15/39) braucht hier nicht eingegangen zu werden. 12 A l w a r t

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

. Kapitel:

Rechtsfriedens l i e g t d e r d u r c h d e n t a u g l i c h e n w i e d e n u n t a u g l i c h e n V e r s u c h h e r b e i g e f ü h r t e Schaden f ü r die Gemeinschaft, zu dem beim tauglichen Versuch noch die Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts hinzukommt." 70 D e r G e f a h r b e g r i f f i m S i n n e u n s e r e r D a r s t e l l u n g i s t f ü r die k o n k r e t e n G e f ä h r d u n g s d e l i k t e 7 1 v o n fast a l l g e m e i n a n e r k a n n t e r R e l e v a n z 7 2 . Sow e i t d a f ü r d e r E r f o l g s c h a r a k t e r d e r v o n diesen D e l i k t e n vorausgesetzt e n G e f ä h r d u n g als B e g r ü n d u n g herangezogen w i r d 7 3 , k a n n d e m h i e r n i c h t g e f o l g t w e r d e n . D e r a n v i s i e r t e U n t e r s c h i e d v o n G e f a h r e r f o l g (als E r f o l g s u n w e r t ) u n d G e f ä h r d u n g (als H a n d l u n g s - b z w . V e r s u c h s u n w e r t ) i s t n ä m l i c h n i c h t p r i n z i p i e l l e r , s o n d e r n l e d i g l i c h g r a d u e l l e r oder q u a n 70

Jescheck, S. 429 (Hervorhebung v o m Verf.). Anders w o h l ζ. B. Gössel, G A 1971, S. 228; R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 18 f., u n d Wolter, JuS 1978, S. 750, die offenbar dazu tendieren, einen „tauglichen" Versuch auch bei „Ungefährlichkeit" i n obiger Bedeutung anzunehmen (s. aber auch Wolter, ZStW 89, S. 674). („Tauglichkeit" k a n n dann m i t einem anderen Begriff von „Gefährlichkeit" gleichgesetzt sein oder/und den gesamten Bereich des strafwürdigen u n d strafbaren — d . h . insofern „tauglichen"! — Versuchens u m fassen.) Albrecht, Der untaugliche Versuch, setzt i m Rahmen der von i h m befürworteten „subjektiven Versuchstheorie" (S. 43 ff.) Tauglichkeit u n d Objektsgefährdung gleich (S. 91) u n d plädiert — auf die schweizerische Gesetzeslage abstellend (Art. 23 I SchwStGB) — f ü r eine mildere Bestrafung des ungefährlichen Versuchs (S. 110f.); vgl. auch Sax, JZ 1976, S. 433. — W i r verwenden generell den Ausdruck „gefährlicher" u n d nicht den Ausdruck „tauglicher Versuch", w e i l er das Gemeinte präziser erfaßt. I n der Rede von der Tauglichkeit eines Handelns k l i n g t nämlich ein M i t t e l - Z w e c k - K o n n e x u n d damit eine Intention an. F ü r den gefährlichen Versuch als Versuchsdelikt ist es aber v ö l l i g unerheblich, ob das Versuchen intentional, also als gefährliches Versuchen „tauglich" i m eigentlichen Sinne ist; u n d f ü r den intentionalen Versuch als Versuchsdelikt spielt es keine Rolle, ob das Versuchen ungefährlich, also als intentionales Versuchen „untauglich" i m eigentlichen Sinne ist. D. h. der taugliche Versuch wäre hiernach gewissermaßen der strafwürdige Versuch schlechthin, w e i l er die beiden hinreichenden Bedingungen der Strafwürdigkeit eines Versuchens i n sich vereinigt. Demgegenüber stellte der untaugliche Versuch entweder einen ungefährlichen oder einen nicht-intentionalen oder einen sowohl ungefährlichen als auch nichtintentionalen (also einen nach dem hier vertretenen Versuchsdeliktsbegriff nicht strafwürdigen) Versuch dar. I m Begriff der Tauglichkeit kommen die Begriffe der Intentionalität u n d der Gefährlichkeit zusammen; der taugliche Versuch als Versuchsdelikt hat die S t r u k t u r einer K o n j u n k t i o n i m Sinne der Aussagenlogik (zur K o n j u n k t i o n vgl. z. B. Kamlah/Lorenzen, Logische Propädeutik, S. 153). 71 Z u m Begriff siehe z. B. Schmidhäuser, Rn. 8/41 f. Siehe bereits oben, S. 156. 72 Vgl. etwa Gallas, Heinitz-Fs, S. 175 ff.; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 7 ff.; Schmidhäuser, Rn. 8/41 f. und dort insbes. der Hinweis i n A n m . 14. — Albrecht (Der untaugliche Versuch, S. 91), der den auch von uns zugrundegelegten Gefahrbegriff f ü r die Definition der „Versuchsgefährlichk e i t " verwendet, zieht ausdrücklich eine Analogie zu den konkreten Gefährdungsdelikten. 73 Vgl. B u r k h a r d t , Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 66; Gallas, Heinitz-Fs, S. 178; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 7 ff.; Wolter, JuS 1978, S. 750.

Der Versuchsunwert

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titativer A r t ; es geht bloß um das Ausmaß der Gefahr 74 . Für das Gefahr-Erfolgsdelikt ist eine erhebliche Gefahrintensität vorausgesetzt, deren es nicht bedarf, um ein Versuchsdelikt aufgrund eines Gefährdungsunwerts zutreffend zu bejahen. Ob bei einem Versuch eine hinreichende Gefährdung besteht, ist allein ein Problem der Grenze zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium 75 . Demnach liegt auf der Hand, daß es auch Versuchstaten gibt, bei denen die Gefährdung eines Rechtsgutsobjekts so groß ist, daß ein Gefahrerfolg i m Sinne der konkreten Gefährdungsdelikte vorliegt 7 6 . Man denke ζ. B. an den Fall, daß jemand m i t seinem Kraftfahrzeug auf einen anderen zufährt, um ihn zu töten, und sein Opfer nur knapp verfehlt. Z u fragen bleibt, ob ein Gefahrurteil, das sämtliche verfügbaren Informationen über Tatsachen 77 und Naturgesetze berücksichtigt, überhaupt selbständig denkbar ist, d. h. nicht allein vom Ausgang des jeweiligen Geschehens abhängt. K a n n man bei abgeschlossenem Geschehen eine Gefahr nicht immer nur dann zutreffend bejahen, wenn der Verletzungserfolg eingetreten ist? Und muß man nicht umgekehrt „von der Nichtvollendung auf die Nichtgefahr" 7 8 schließen, so daß die Rede vom „gefährlichen Versuch" eine contradictio i n adiecto wäre 7 9 ? — I n diesen Fragen spiegelt sich eine kausalistische Denkweise wider, die das Reichsgericht seinerzeit dazu veranlaßte, Gefahrurteile für unbrauchbar zur Begrenzung der Versuchsstrafbarkeit zu halten 8 0 . Dem ist aber ver74

Siehe Schmidhäuser, Rn. 8/42. Das bedeutet beim konkreten Gefährdungsdelikt, daß f ü r die Versuchsstraftat eine gegenüber der Vollendungsstraftat entferntere Gefahr genügt, nicht aber, daß das einen Versuchsunwert konstatierende Gefahrurteil auf einer anderen Prognosebasis beruht als das Gefahrurteil beim konkreten Gefährdungs-Vollendungsdelikt. Anders ζ. B. Gallas, Heinitz-Fs, S. 178. 76 V o n daher k a n n man nicht jedes Versuchsdelikt als erfolgloses T u n i m Sinne des oben, S. 143, definierten Erfolgsbegriffs auffassen. Z u beachten ist aber, daß es zum einen f ü r das Versuchsdelikt keines Gefahrerfolges bedarf und daß zum anderen dort, wo ein derartiger Erfolg vorhanden ist, das V e r suchen jedenfalls insofern als erfolglos bezeichnet werden kann, als der f ü r das Vollendungsdelikt vorausgesetzte (Verletzungs-)Erfolg — zur Terminologie: Schmidhäuser, Rn. 8/40 — fehlt. (Handelte es sich u m ein GefährdungsErfolgsdelikt, wäre m i t dem Gefahrerfolg das Vollendungsdelikt bejaht.) 77 Z u diesen Tatsachen k a n n ζ. B. auch die Intention des Handelnden gehören. So ist das Leben meines Gastes n u r dann i n Gefahr, wenn ich das Eßzimmer m i t einem Messer i n der Hand betrete, u m i h n zu erstechen, und nicht, w e n n ich lediglich den servierten Braten tranchieren w i l l . Das gemeinte Gefahrurteil bezieht sich zwar auf den äußeren Aspekt einer Handlung, aber eben auf eine Handlung, so daß ein reines Beobachten hier nicht genügt, sondern die v o n „innen" her bestimmte Richtung des Handelns relevant ist. — Über „subjektive Gefahrmomente" allgemein siehe Meyer-Gerhards, JuS 1976, S. 228 f. 78 Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 57. 79 Vgl. die zugespitzten Formulierungen zu Dohnas, Güterbock-Fs, S. 54. 80 Siehe RGSt 1, 439 (442); zum „Kausalismus" vgl. oben, Kap. 8, A n m . 111. Z u r Rechtsprechung des Reichsgerichts i n diesem P u n k t siehe den Bericht Fiedlers, Vorhaben u n d Versuch i m Strafrecht, S. 27. 75

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. Kapitel:

schiedenes entgegenzusetzen. Zum einen scheint es, daß heutige wissenschaftstheoretische Konzeptionen dem hier vertretenen Gefahrbegriff nicht nur nicht widersprechen, sondern sich offensichtlich sogar zu seiner Absicherung heranziehen lassen 81 . Zum anderen darf eine gewisse prinzipielle Normativität des Gefahrbegriffs nicht verkannt werden. Diese bedeutet nicht lediglich, daß es u m den möglichen E i n t r i t t eines Umuertsachverhalts geht, sondern bezieht sich auch auf das Prognostische selbst 82 , das man ebenfalls dann zum Ausdruck bringt, wenn man etwas Angenehmes prognostiziert, also ζ. B. behauptet, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt ein erfreuliches Ereignis möglich w a r 8 3 . Konstituens dieses Prognostischen ist das begrenzte Erkenntnisvermögen des Menschen, des „Normalbürgers" wie des „Sachverständigen" 84 . Damit ist zum Begriff der Gefahr i m an dieser Stelle gebotenen Umfang Position bezogen worden. Es ließe sich zwar noch manches interessante Problem aufwerfen. So könnte man jenseits wissenschaftstheoretischer Reflexionen fragen, ob umgangssprachliche Untersuchungen die Funktion des Gefahrurteils mittels einer Analyse von Situationen explizieren könnten, i n denen eine Äußerung wie „es ist alles noch einmal gut abgelaufen" 85 zutrifft. Aber derartige Überlegungen bleiben hier beiseite. Als entscheidender Punkt hat sich ergeben, daß die i m Gefährdungsunwert gemeinte Gefahr analog zum Gefahrbegriff zu sehen ist, wie er bei den konkreten Gefährdungsdelikten gebildet wird. Von daher zeigt sich i m übrigen, daß das auf einem Gefährdungsunwert 81 Vgl. jeweils m. w. N. Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 58 ff.; Schünemann, J A 1975, S. 795 f. A u f Reinhard v. Hippels A b handlung über „Gefahrurteile u n d Prognoseentscheidungen i n der Strafrechtspraxis", die versucht, „wissenschaftstheoretische Ansätze m i t Rechtstatsachenforschung zu verbinden" (Vorwort), k a n n an dieser Stelle n u r h i n gewiesen werden. — Z i t i e r t sei noch die eindeutige Bemerkung Wolters, JuS 1978, S. 749: „Selbst w e n n man sämtliche auch erst ex post erkennbaren oder eingetretenen Tatumstände berücksichtigen u n d damit auf jede A b s t r a k t i o n u n d Generalisierung einer irgendwie gearteten Prognose verzichten wollte, bleibt wegen der Komplexität, Vielschichtigkeit u n d Unerklärbarkeit vieler Vorgänge (etwa menschlicher Entscheidungen; Naturgewalten) Raum f ü r ein konkretes Gefahrurteil" (vgl. auch Schünemann, J A 1975, S. 794). 82 Lackner schreibt (in: Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 20), daß „der Gefahrbegriff ein durch u n d durch normativer Begriff" sei. 83 Z u m erstgenannten normativen Aspekt siehe oben, Kap. 8, A n m . 109, Kap. 9, i n u n d bei A n m . 57, zum letztgenannten oben, S. 175, bei A n m . 53, u n d nochmals Horn, SK StGB, vor 306, Rn. 5, der „Unlustgefühle u n d U n wertigkeitsempfindungen" m i t dem „Sachverhaltskomplex" i n Verbindung bringt, i n dem eine konkrete Gefahr gefunden werden k a n n (diese Schilder u n g — wie auch unsere Darstellung oben, S. 175 — n i m m t den erstgenannten Aspekt selbstverständlich auf). 84 Vgl. n u r Gallas, Heinitz-Fs, S. 176; Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 17. 85 Vgl. Schmidhäuser, Rn. 8/42, A n m . 15 a. E.

Der Versuchsunwert

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i m gerade v e r m i t t e l t e n V e r s t ä n d n i s b e r u h e n d e V e r s u c h s d e l i k t es m ö g l i c h m a c h t , die Rede v o m „ V e r s u c h "

als „ V e r w i r k l i c h u n g s s t u f e

der

S t r a f t a t " 8 6 w e n i g s t e n s f ü r dessen B e r e i c h — n i c h t als f ü r das Versuchsd e l i k t insgesamt v e r b i n d l i c h e C h a r a k t e r i s i e r u n g — e r n s t z u n e h m e n . A n das E n d e dieses A b s c h n i t t s sei eine s c h l a g w o r t a r t i g e Z u s a m m e n fassung g e s t e l l t : D i e f ü r d e n V e r s u c h s u n w e r t bedeutsame G e f ä h r d u n g eines Rechtsgutsobjekts l i e g t d a n n v o r , w e n n das A u s b l e i b e n des E r f o l g e s 8 7 a u f b l o ß e m Z u f a l l 8 8 b e r u h t , d. h. w e n n j e m a n d i m G r u n d e das g e t a n h a t , w a s d e n E i n t r i t t des Erfolges e r w a r t e n läßt, d e r E r f o l g aber g l e i c h w o h l n i c h t e i n t r i t t . Dieses G e f a h r u r t e i l ist m i t e i n e m „ M a x i m u m a n W a h r h e i t s g a r a n t i e " (Gallas) auszustatten, i n d e m m a n a l l e i m Z e i t p u n k t des U r t e i l s b e k a n n t e n Tatsachen u n d Naturgesetze b e r ü c k s i c h t i g t . 86

Vgl. oben, Kap. 8, Abschn. I I I 2. Die Ubertragbarkeit des Gefahraspekts auf die Konstellation des schlichten Tätigkeitsdelikts sei nochmals erwähnt; vgl. bereits oben, A n m . 51. 88 Evidentermaßen w i r d m i t „ Z u f a l l " ein W o r t verwendet, das seinerseits der K l ä r u n g bedarf (vgl. dazu die methodisch vorbildliche Schrift M a x Rümelins, Der Z u f a l l i m Recht). I m obigen K o n t e x t dient der Gebrauch dieses Ausdrucks dem Ziel, durch eine pointierte Wendung ein Schlaglicht auf die behandelte Problematik zu werfen. Der Faden läßt sich weiterspinnen: So wie die Gefahr notwendig voraussetzt, daß der Erfolg aus Zufall ausbleibt (wobei „ Z u f a l l " hier w o h l kaum, w i e Horn, SK StGB, v o r § 306, Rn. 7, ann i m m t , Nichterklärbarkeit bedeuten kann), ist es Prämisse der objektiven Zurechnung i m Rahmen eines vollendeten Erfolgsdelikts, daß der Erfolg nicht zufällig eingetreten sein darf — geht es doch bei der objektiven Z u rechnung darum, die „Abgrenzung der eigenen T a t v o m zufälligen Geschehen" zu gewinnen (Larenz, Hegels Zurechnungslehre u n d der Begriff der objektiven Zurechnung, z. B. S. V I I ) . — Aus der Lehre von der objektiven Zurechnung ist f ü r den Gefährdungs-Versuchsunwert die Konsequenz zu ziehen, daß i n den Fällen, i n denen eine Zurechnung ausscheiden würde, w e n n der „Erfolg" eingetreten wäre, auch k e i n Gefährdungsunwert angenommen werden darf (ähnliche Überlegungen finden sich bei Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 84 ff., 101 f.). Der Erfolg mag aus Z u f a l l ausgeblieben sein; entscheidend ist bei einem derartigen Sachverhalt jedoch, daß auch die Gefahr bloß zufällig entstanden ist. M a n denke i n diesem Zusammenhang an den bekannten Beispielsfall, i n dem jemand einen anderen bei Gewitter aus dem Hause schickt — m i t dem Ziel, i h n dadurch zu töten —, u n d gehe davon aus, daß ein Blitz den Betreffenden knapp verfehlt (dazu, daß man auch diesen F a l l noch problematisieren kann, siehe Otto, MaurachFs, S. 99 f.; siehe ferner die Sachverhaltsmodifikation Honigs, Frank-Fg, Bd. 1, S. 186, aufgegriffen von Roxin, Honig-Fs, S. 135). N u n deutet Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 60, A n m . 52, Konsequenzen der Theorie objektiver Zurechnung f ü r die „Versuchslehre" an, die m. E. nicht zu ziehen sind. Z w a r ist Hruschka darin zuzustimmen, daß i n dem gerade angeführten Beispiel nicht v o m „Beginn eines Tötungshandelns" gesprochen werden kann. Aber daraus folgt nur, daß das Versuchen zu töten i n der Variante des Anfangens zu töten ebensowenig kausalistisch-naturalistisch gesehen werden darf w i e die (vollendete) Tötungshandlung (zur parallelen Beurteilung von Handlung u n d Handlungsanfang siehe oben, A n m . 46), u n d nicht, daß sich eine „Tötungshandlung" gewissermaßen „ex ante" muß als solche ausweisen lassen können. I m m e r h i n sollte eine Theorie des Versuchsdelikts Hruschkas Hinweis insofern aufgreifen, als sie diejenigen („Vollendungs"-)Fälle i n die Betrachtung einbezieht u n d i n ihren Problembereich überträgt, i n denen eine objektive Zurechenbarkeit trotz Kausalität nicht gegeben ist; siehe dazu noch unten i m nächsten Kapitel, S. 204 ff., u n d Abschn. I I 1. 87

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 3. Abschließende

. Kapitel:

Bemerkungen

W i l l m a n das E r g e b n i s dieses K a p i t e l s i n G e s t a l t v o n N o r m e n u n d a m B e i s p i e l d e r T ö t u n g s d e l i k t e ausdrücken, so e n t s t e h t f o l g e n d e r A b l e i t u n g s z u s a m m e n h a n g 8 9 : Das V e r b o t „ D u d a r f s t n i c h t t ö t e n " i m p l i z i e r t das V e r b o t „ D u d a r f s t n i c h t versuchen z u t ö t e n " 9 0 . Dieses „ V e r s u c h s v e r b o t " i s t a u f d e r G r u n d l a g e des V e r s u c h s d e l i k t s b e g r i f f s z u i n t e r p r e t i e r e n , w i e e r gerade g e b i l d e t w u r d e 9 1 . D . h. w e n n g i l t „ D u d a r f s t n i c h t töten", dann gelten „ D u darfst nicht m i t dem Willensziel handeln zu t ö t e n " ( V i ) u n d „ D u d a r f s t n i c h t a n f a n g e n zu t ö t e n ( n i e m a n d e n i n Todesgefahr b r i n g e n ) " (V2). Es g i l t w e d e r das V e r b o t „ D u d a r f s t n i c h t m i t d e r ( G e w i ß h e i t s - oder M ö g l i c h k e i t s - ) V o r s t e l l u n g h a n d e l n z u t ö t e n " (V3) noch das — zu e i n e m v o n u n s e r e m a b w e i c h e n d e n G e f a h r b e g r i f f f ü h r e n d e — V e r b o t „ D u d a r f s t n i c h t d e n A n s c h e i n erwecken, j e m a n d e n i n Todesgefahr z u b r i n g e n 9 2 " (V4). D i e b e i d e n V a r i a n t e n d e r U n r e c h t s b e g r ü n d u n g , die V i u n d V2 r e p r ä sentieren, m a g m a n auch als „ F i n a l i t ä t s - " b z w . „ K a u s a l i t ä t s v e r b o t " bez e i c h n e n 9 3 . W i c h t i g e r als d e r a r t i g e N a m e n s g e b u n g e n i s t aber, d e n sachlichen Gehalt der getroffenen D i s t i n k t i o n kompromißlos zu erhellen. B e i m „ F i n a l i t ä t s v e r b o t " , also b e i m Z i e l u n w e r t , geht es u m eine B e w e r t u n g d e r I n t e n t i o n . D e r p o t e n t i e l l rechtsgutsverletzende C h a r a k t e r v o n Intentionen w i r d v o n der heutigen Strafrechtsordnung u n d -dogmatik 89 Es w i r d nicht das Ziel verfolgt, etwaige „normentheoretische" Ansprüche zu erfüllen (vgl. bereits oben, A n m . 9). 90 Das bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber aus logischen Gründen gezwungen wäre, auch wegen Tötungsversuchs zu strafen, w e n n er wegen v o l l endeter Tötung straft. Es wäre allerdings sinnlos u n d widersprüchlich, die vollendete Tötung zu verbieten u n d den Versuch, zu töten, zu erlauben. — Auch soll nicht behauptet sein, daß das Verbot zu versuchen zu töten i n jeder Situation, i n der das Verbot zu töten sinnvoll ist, seinerseits notwendig Sinn ergäbe; vgl. oben, Kap. 7, i n u n d bei A n m . 25, u n d Kap. 8, i n u n d bei A n m . 76. 91 Die angedeutete logische Verknüpfung macht es keineswegs notwendig, alle A r t e n von Tötungsversuchen als Versuchsdelikte zu behandeln. Das Verbot bedarf vielmehr der Deutung hinsichtlich des Erfordernisses einer Rechtsgutsverletzung. Diese Deutung wurde für das Versuchsdelikt expliziert. 92 Daß der juristisch informierte Leser den polizeirechtlichen Terminus „Anscheinsgefahr" assoziiert, ist beabsichtigt. Weitere Folgerungen sollen daran aber ebensowenig geknüpft werden w i e ein Vergleich strafrechtlicher Gefahrbegriffe m i t denjenigen des Polizei- u n d Ordnungsrechts. A u f welche s traf rechtsdogmatischen Überlegungen sich V4 bezieht, w i r d erst Kap. 11, Abschn. I I , ergeben. (Zum polizeirechtlichen Begriff der Anscheinsgefahr siehe ζ. B. Friauf i n : v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 189 f.; ausführlich Hoffmann-Riem, Wacke-Fs, S. 327 ff.) — Etwas anderes meint Stratenwerth, SchwJuristentags-Fg, S. 266, w e n n er i m Zusammenhang m i t dem „irrealen" oder „abergläubischen Versuch" davon spricht, daß der „Anschein einer Gefahr" fehle. 93 Siehe Schröder, Sauer-Fs, S. 218 f., aber auch S. 225 ff., wo deutlich w i r d , daß Schröder ebenfalls V3 anerkennt (allerdings behandelt er dort das „Wesen des Vorsatzes als einer Schuldform"). Vgl. noch Schmidhäuser, Vorsatzbegriff u n d Begriffsjurisprudenz i m Strafrecht, S. 25.

Der Versuchsunwert

183

etwa für die „Zieldelikte" 9 4 anerkannt. Löste man sich i m übrigen vom herkömmlichen Vorsatzbegriff und verstünde generell die „subjektive" Ausprägung des Handlungsunwerts nicht vom „Vorsatz", sondern.vom Begriff der Intention her, würde auch die „Lehre von den subjektiven Unrechtselementen" 95 an ihr gültiges Ziel gelangen. Aus der juristischen Entdeckung besonderer „subjektiver Unrechtselemente" und der Einstufung des „Vorsatzes" als Unrechtsmerkmal beim Versuchsdelikt war nämlich nicht die Konsequenz zu ziehen, den „Vorsatz" als allgemeines Straftatmerkmal „nicht mehr zur Schuld, sondern zur Handlung" 9 6 zu stellen. Vielmehr war (und ist) eine Uberwindung dieses Vorsatzbegriffs 9 7 i n der Weise geboten, daß als „subjektives" Moment nur die Intentionalität und nicht eine bloße Vorstellung von etwas als geeigneter Anknüpfungspunkt eines unrechtsbegründenden Unwerturteils erscheint 98 . — Was das „Kausalitätsverbot", also den Gefährdungsunwert, betrifft, so hat sich die — zumindest durch die geltende Strafrechtsordnung erfolgte — Anerkennung des rechtsgutsverletzenden Charakters von Gefährdungen bereits i m letzten Abschnitt (2.) gezeigt, wo auf die konkreten Gefährdungsdelikte hingewiesen wurde. Schmidhäusers Vorschlag, Unrechtsbegründungen auf die zwei Unwertarten von Ziel- und Gefährdungsunwert zu stützen 99 , ist auf ablehnende K r i t i k gestoßen. I n seiner Besprechung der ersten Auflage des Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil von Schmidhäuser stellt Lackner zweifelnd die Frage, ob es sich dabei überhaupt um „Formen eines einheitlichen Unrechtsbegriffs" handle 1 0 0 . Hiergegen ist aber folgendes geltend zu machen: Ziel- und Gefährdungsunwert sollen als disjunkt i v e 1 0 1 Merkmale der Rechtsgutsverletzung verstanden werden, d. h. so, 04 Z u m Begriff siehe Schmidhäuser, Rn. 8/43; dort (Anm. 16) auch ein H i n weis auf andere gebräuchliche Bezeichnungen der gemeinten Deliktsstruktur. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß die übliche Sicht auch an dieser Stelle weitgehend ihrem Vorsatzbegriff verhaftet ist; dazu oben, A n m . 25. 95 Z u r Dogmengeschichte siehe etwa Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsu n w e r t i m Unrechtsbegriff, S. 26 ff. 96 Welzel, U m die finale Handlungslehre, S. 31. 97 F ü r eine solche Ü b e r w i n d u n g setzt sich Schmidhäuser seit geraumer Zeit ein; vgl. schon A n m . 6 der Einleitung zu der vorliegenden A r b e i t (mit Nachweisen). 98 Folgender Ansicht Welzels (aaO, S. 29) k a n n demnach nicht zugestimmt werden: „Historisch ist die finale Handlungslehre der Schlußstein des durch die subjektiven Unrechtselemente u n d durch die normative Schuldlehre notwendig gewordenen Systemneubaus" (Hervorhebungen des Originaltextes sind nicht wiedergegeben). 99 Siehe die Nachweise oben, A n m . 67. 100 JZ 1973, S. 71. Dieses Bedenken wiederholt Lackner i n der Rezension der zweiten Auflage des genannten Lehrbuchs nicht (JZ 1978, S. 210 ff.). Soweit sich seine K r i t i k unter normativem Aspekt gegen die vorgeschlagene Strafbarkeitsbegrenzung richtet, w i r d darauf erst i m übernächsten K a p i t e l eingegangen.

184

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie)

. Kapitel

wie z.B. körperliche Mißhandlung und Gesundheitsbeschädigung als die beiden Möglichkeiten einer Körperverletzung nach § 223 I. Die A r gumente dafür, ausschließlich Ziel- und/oder Gefährdungsunwert als geeignete Anknüpfungspunkte einer Unrechtsbegründung zu betrachten, hat dieses Kapitel aufgezeigt 102 ; darauf, daß unsere Thesen strafrechtsdogmatischen und gesetzgeberischen Vorstellungen von den Möglichkeiten einer Rechtsgutsverletzung (Zieldelikte, konkrete Gefährdungsdelikte) korrespondieren, ist hingewiesen worden. I m übrigen ermöglicht der umgangssprachliche Versuchsbegriff, sowohl intentionales (und ungefährliches) als auch gefährliches (und nicht-intentionales) Versuchen als Anwendungsfälle dieses Begriffs zu verstehen. Indem einerseits an ein internes und andererseits an ein externes Versuchs(bzw. Handlungs-)Element angeknüpft wird, unterfällt gewiß i n diesem Sinne Gegensätzliches dem Begriff der Rechtsgutsverletzung (wie auch dem Versuchs- bzw. Handlungsbegriff selbst). Aber wie sollte das unsere Argumentation für den hier gebildeten, dualistischen Begriff des Versuchsunwerts widerlegen können 1 0 3 ? Schließlich sei noch erwähnt, daß auch dort, w o man die hier vertretene Ansicht zur Unrechtsbegründung nicht teilt, keineswegs eine „einheitliche" Theorie der Strafwürdigkeit des Versuchsdelikts zur Verfügung steht. Darauf deuten schon Theoriennamen h i n wie „gemischt subjektiv-objektiv" 1 0 4 oder „gemischt individuell-objektiv" 1 0 5 . 101 Siehe schon oben, S. 159. Z u r D i s j u n k t i o n (das nicht ausschließende „oder") siehe etwa K l u g , Juristische Logik, S. 26. 102 Unsere Lösung stellt auch ein Angebot dafür dar, (über § 11 I Nr. 6) zu einer sachgerechten L i m i t a t i o n der Strafbarkeit bei den Unternehmensdelikten zu gelangen, ohne sich dabei i n der oben, Kap. 8, Abschn. I, geschilderten Weise zu verstricken. 103 Allerdings ist es auch nicht möglich, den Versuchs- (bzw. Handlungs-) U n w e r t aus dieser Gegensätzlichkeit heraus zu begründen, was aber Schmidhäuser m i t dem Hinweis auf die „dialektische S t r u k t u r " bzw. „dialektische N a t u r der Handlung" offenbar anstrebt (siehe Rn. 8/25, A n m . 5; SchaffsteinFs, S. 132, A n m . 20; Gallas-Fs, S. 96; — insoweit ist Lackners K r i t i k , JZ 1978, S. 211, berechtigt). Vielmehr muß dazu i n der Weise normativ argumentiert werden, w i e weiter oben i n diesem Kapitel, Abschn. I I 1 u n d 2, geschehen. — Bruns, G A 1979, S. 170, meint fälschlich — bezogen auf das Problem der Strafwürdigkeit des „Versuchs eines untauglichen Subjekts" —, daß eine Erörterung von Schmidhäusers auf die Spielarten von Z i e l - u n d Gefährdungsunwert begrenzten Unrechtsbegriff unnötig sei, w e i l Schmidhäuser der am herkömmlichen Vorsatzbegriff orientierten „h. L . " Folgerichtigkeit konzediere, w e n n diese die Strafwürdigkeit u n d Strafbarkeit des „Versuchs eines untauglichen Subjekts" bejahe. D a m i t identifiziert Bruns logische Folgerichtigkeit m i t Sachgerechtigkeit. Es ist jedoch eine Binsenwahrheit, daß schlüssiges Folgern zwar eine Grundbedingung jeder Wissenschaft darstellt, aber nicht schon für die materiale Richtigkeit der jeweiligen Prämissen u n d Konklusionen garantiert. 104 Vgl. Blei, Strafrecht-AT, S. 209; Roxin, JuS 1979, S. 1, Rudolphi, SK StGB § 22, Rn. 14; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 65. Ferner: Maurach/ Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 29. 105 Vgl. Jescheck, S. 429.

10. Kapitel Zum näheren Verständnis der strafbarkeitsbegrenzenden Funktion des Zielunwerts Das voraufgegangene Kapitel diente dazu, für die normativen Inhalte des hier vertretenen Versuchsdeliktsbegriffs zu argumentieren. Wollte man das Resultat i n die üblicherweise verwendete Klassifikation von „Versuchstheorien" einordnen, wäre von einer zugleich „subjektiven" und „objektiven" Auffassung zu sprechen — subjektiv bezüglich des Zielunwerts und objektiv bezüglich des Gefährdungsunwerts. Aussagekräftiger und auch, u m sie i m Namen unzweideutig von anderen „gemischt subjektiv-objektiven" Sichtweisen zu unterscheiden, kann man unsere dualistische (Strafwürdigkeits-)Theorie als „Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens" bezeichnen. I n diesem Kapitel nun ist die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens für die Belange der konkreten Rechtsanwendung weiter zu präzisieren, und zwar i n dem Teilbereich, der das Versuchsdelikt auf eine bestimmte Intention i m Handeln gründet. Zunächst — i n Abschn. I — w i r d zu diesem Zweck an die Bemerkung von oben (S. 172) angeknüpft, wonach der Zielunwert für jeden Straftatbestand des Besonderen Teils, bei dem der Versuch pönalisiert ist, eigens bestimmt werden muß. Diese Aufgabe stellt sich deswegen, weil ein Versuch eben immer ein Versuch von etwas ist, d. h. weil das, was versucht wird, jeweils ein anderes sein kann. Für die einzelnen Versuchsdelikte ist das Intentionsobjekt zu bestimmen, also die Frage zu beantworten, worauf sich die Intention, ζ. B. beim Versuch zu töten, zu stehlen etc., zu beziehen hat, — ob eine und, wenn ja, welche Tatsituation in concreto als gegeben vorauszusetzen ist, bevor überhaupt das Vorliegen des Zielunwerts sinnvoll erörtert werden kann; der für das Versuchsdelikt konzipierte Begriff der Tatsituation 1 zeichnet sich dadurch aus, daß diejenigen Umstände, die eine Tatsituation konstituieren, nicht i n das den betreffenden Zielunwert ausmachende Intentionsobjekt, d. h. i n das, was als Handlung gewollt wird, eingehen 2 . — Eine Theorie des 1

Dazu, daß der Begriff der Tatsituation f ü r die Unrechtsbegründung beim (Begehungs-)Vollendungsdelikt — anders als beim Versuchsdelikt — nicht bedeutsam ist, siehe Schmidhäuser, Rn. 8/17. Deshalb bedarf es dieses Begriffs auch nicht als allgemeines Straftatmerkmal des Vollendungsdelikts. 2 I m Gegensatz hierzu k a n n man selbstverständlich fordern, daß eine T a t situation nicht n u r vorliegen, sondern auch Bestandteil der Intentionsbeschreibung sein muß. Dieses Postulat wäre aber i m Hinblick auf unsere Ausführungen i n Kap. 9, Abschnitt I I 1, abzulehnen. Dort wurde gezeigt, daß die Intention als solche geeigneter Anknüpfungspunkt eines unrechtsbegründenden Unwerturteils ist. Es bleibt also dabei: A u f welcher I n t e n t i o n beruht der jeweilige Zielunwert? Wie sieht die Tatsituation aus, auf die sich der W i l l e des Versuchenden nicht zu erstrecken braucht?

186

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. K a p i t e l :

Versuchsdelikts, die dem Intentionsbegriff die ihm gebührende Position einräumt, steckt der Wissenschaft dieses neue Problemfeld 3 ab, dessen vollständige Erschließung wertvolle Einsichten erwarten läßt. Außerdem — i n Abschn. I I — w i r d der Begriff des Zielunwerts für Antworten auf Fragen fruchtbar gemacht, die von einer bestimmten, verbreitet problematisierten Versuchsart aufgegeben werden. Gemeint ist der sog. „abergläubische" oder „irreale" Versuch, dessen sich die Strafrechtsdogmatik vielfach mittels einer „Eindruckstheorie" 4 anzunehmen pflegt. I . Der Zielunwcrt bei einzelnen Versuchsdelikten

Ausgangspunkt der folgenden Analyse ist die Erkenntnis, daß das Problem einer für ein intentionales Versuchen vorauszusetzenden Tatsituation nicht m i t logisch-begrifflichen Mitteln lösbar ist, sondern nur dadurch, daß man sich der spezifischen Normativität dieser Problematik öffnet 5 . Das Wertungsproblem besteht darin zu klären, unter welcher Deskription die jeweilige, i m Besonderen Teil des Strafrechts tatbestandlich geschilderte Handlung intentional sein muß, damit der Zielunwert vorliegt. Das Ergebnis ist auf die Konstellation des Versuchsdelikts zu übertragen, für das dieser Zielunwert, der dann eine Intention i m Handeln und keine Intentionalität der Handlung meint 6 , ein unrechtskonstitutives Merkmal darstellt, was beim Vollendungsdelikt nicht der Fall ist 7 . Welches Intentionsobjekt zeichnet den Willen aus, 3

Vgl. aber bereits die Untersuchungen Schmidhäusers, Rn. 15/28 f. Vgl. etwa Schönke/Schröder/Eser, v o r § 22, Rn. 23; § 22, Rn. 65. 5 Auch die Darstellung Schmidhäusers, Rn. 15/28 f., berücksichtigt diesen Gesichtspunkt nicht genügend. So heißt es dort etwa, daß eine Tatsituation nicht Handlungsziel des Täters sein könne (Rn. 15/28). M a n ist aber verpflichtet zu begründen, w a r u m es nicht darauf ankommen sollte, ob das Handlungsziel gewisse Umstände einbezieht, sondern darauf, ob diese Umstände als Tatsituation vorliegen (dazu, daß u n d i n welchem Sinne die Intention prinzipiell alles einbeziehen kann, was eine bestimmte Handlung — ζ. B. einen anderen Menschen lautlos erschießen — zu dieser bestimmten Handl u n g macht, siehe oben, S. 146 ff.). Gleichwohl sind Schmidhäusers Ausführungen nicht so zu interpretieren, als verwende er die Argumentationsweise der Lehre v o m „Mangel am Tatbestand" (zu dieser Lehre s. oben, Kap. 8, A n m . 8, u n d ausführlich unten, Abschn. 3); — anders jedoch Jescheck, S. 429, A n m . 2; zutreffendes Verständnis bei Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 67. Schmidhäuser h ä l t die Ergebnisse der Lehre v o m „Mangel am Tatbestand" f ü r „nicht durchweg sachgerecht" (Rn. 15/30). 4

β

Z u dieser D i s t i n k t i o n siehe oben, Kap. 8, i n und bei A n m . 148. Soweit man auch manche Unrechtstatbestände von Vollendungsdelikten i n concreto n u r dann annehmen darf, w e n n ein bestimmter als unwerthaft bewerteter W i l l e vorliegt, w i r d dieser Umstand oben nicht eigens erwähnt. Hier n u r der Hinweis, daß das von einem Vollendungsdelikt bedingte W i l lensziel (ζ. B. die Absicht der Täuschung i m Rechtsverkehr bei der U r k u n d e n fälschung, § 267) m i t dem oben gemeinten i n der Regel nicht identisch ist, sondern sich auf etwas anderes bezieht. Von daher k a n n die obige Aussage ohne weiteres auf derartige Vollendungsdelikte transformiert werden. 7

1.1.2. Der Zielunwert i n einzelnen Unrechtstatbeständen

187

der den Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Rechtsgutsverletzung i n „subjektiver" Spielart abgeben sollte? Bereits zu Beginn des Kapitels wurde klargestellt, daß die aufgeworfene Frage nicht allgemeingültig, sondern nur für den jeweils i n den Blick genommenen einzelnen Straftatbestand beantwortet werden kann. Gleichwohl soll zunächst (unter 1.) versucht werden, den Problemhorizont durch einige Überlegungen genereller A r t , die sich an eine exemplarische Betrachtung der §§ 212 I und 176 I knüpfen, schärfer zu konturieren. Die gewonnenen Einsichten geben dann (unter 2.) die Grundlage dafür ab, weitere einzelne Straftaten aus der Perspektive unserer Theorie und der damit vorgezeichneten Fragestellung zu analysieren. Ferner (unter 3.) w i r d die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" k r i t i siert, die i n nur scheinbarer Verwandtschaft m i t dem hier vertretenen Konzept ebenfalls nach einer objektiven Tatsituation als Prämisse eines Versuchs (Versuchsdelikts) fragt. 1. Oie für die Problemlösung relevanten Gesichtspunkte (am Beispiel der §§ 212 1,176 I) Es gibt Versuchsdelikte, bei denen sämtliche i m Straftatbestand normierten Unrechtsmerkmale Bestandteil der Intention des Handelnden sein müssen, damit ein Zielunwert vorliegt. Man denke z. B. an § 212 I : „Wer einen Menschen tötet . . . " . Die dem Zielunwert zugrundeliegende Intention ist nicht etwa „töten wollen", so daß der Umstand, daß ein Mensch getötet wird, zur Tatsituation des Versuchsdelikts gehörte, also vom Willen nicht umfaßt zu sein brauchte 8 , sondern vielmehr „einen Menschen töten wollen". Als Bezugspunkt für die Begründung dieser These sollen die folgenden Beispiele dienen: Beispiel

( Α):

Ν . Ν . schießt auf ein Lebewesen, das sich i n einem Gebüsch bebewegt. Er w i l l „das, was sich dort (nicht erkennbar) bewegt" töten — sei es ein Tier oder ein Mensch; auf jeden F a l l w i l l er die tödliche W i r k u n g seiner Pistole ausprobieren. (a) Es handelt sich bei dem Lebewesen u m ein Tier. (b) Es handelt sich bei dem Lebewesen u m einen Menschen.

Beispiel

(B):

Wie (A), n u r : Die Pistole ist ungeladen, so daß sich kein Schuß löst. Es handelt sich bei dem Lebewesen u m einen Menschen.

Beispiel

(C):

Ν . N. glaubt, i n einem Gebüsch hocke ein Mensch. Er w i l l diesen Menschen töten, zieht seine Pistole u n d schießt. — Tatsächlich handelt es sich u m ein Tier, das sich i m Gebüsch bewegt.

I m Beispiel (A, a) schießt Ν. N., um (irgend etwas) zu töten, und nicht, um einen Menschen zu töten. Gleichgültig, welche der beiden i n 8 Es wäre dann i m Einzelfall zu fragen, ob die Intention des Handelnden auf die Beschreibung relativierbar ist, daß er ein Lebewesen, aber nicht, daß er einen Menschen tötet.

188

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. Kapitel:

Betracht gezogenen Intentionsobjekte man für maßgeblich hält, i n jedem Fall ist der Unrechtstatbestand des versuchten Totschlags (§§ 212, 22) zu verneinen. N u r die Begründung differiert. Ein versuchter Totschlag scheidet entweder deswegen aus, weil es am Willen, gerade einen Menschen zu töten, oder deswegen, weil es am Tatumstand „Mensch" fehlt, auf dessen Grundlage ein bloßes "Tötenwollen" überhaupt erst rechtsgutsverletzenden Charakter i m Sinne eines Zielunwerts hinsichtlich des Rechtsguts Leben gewinnt — jedenfalls wenn man dieser Ansicht folgt. Z u divergierenden Ergebnissen — bezüglich der Annahme eines Zielunwerts — kommt es aber i n der Variante (A, b). Dort ist das Lebewesen, auf das Ν . N. zielt, ein Mensch, der postulierte Tatumstand also gegeben. Und Ν. N. w i l l töten. Folgt man hingegen der anderen Ansicht zum Intentionsobjekt, so kann man qua Zielunwert den Unrechtstatbestand des versuchten Totschlags auch hier nicht bejahen, sondern allenfalls qua Gefährdungsunwert, nämlich z.B. unter der Prämisse, daß die Kugel das Opfer knapp verfehlt. Immerhin führen beide Wege demnach zu derselben A n t w o r t auf die Frage nach dem Vorliegen einer Straftat. Das ändert sich beim Beispiel (B), das i n herkömmlicher Sprechweise einen „Versuch m i t untauglichem M i t t e l " enthält. Es handelt sich um eine ungefährliche versuchte Tötung, so daß eine Unrechtsbegründung ausschließlich auf der Grundlage eines Zielunwerts i n Betracht kommt. N u r dann, wenn man den Tatumstand „Mensch" und den Willen, zu töten, für maßgeblich hält, ist ein Zielunwert gegeben, aber nicht, wenn der Wille, einen Menschen zu töten, verlangt w i r d 9 . Genau umgekehrt 9 Legt man als Zielunwert den Willen, einen Menschen zu töten, zugrunde, paßt der Terminus „Versuch m i t untauglichem M i t t e l " nicht mehr zum Sachverhalt des Beispiels (B), jedenfalls soweit es u m die Tötung eines Menschen geht. Das Abdrücken der Pistole ist nämlich n u r unter der Voraussetzung Mittel des Handelnden zur Tötung eines Menschen, daß diese Tötung den Handlungszweck (das Intentionsobjekt) darstellt (vgl. oben, S. 143, 146). W i l l man den G r u n d für die Ungefährlichkeit dieses nicht-intentionalen Versuchs, einen Menschen zu töten, näher bezeichnen, muß man den Blick darauf lenken, daß die Ungefährdetheit des Rechtsgutsobjekts — anders als i m Beispiel (A, a), w o gar k e i n Mensch als Opfer i n Betracht k o m m t — aus der Sphäre des Handelnden r ü h r t ; d. h. die externe Seite des Handelns, die k ö r perliche Bewegung oder das, was kausal m i t i h r v e r k n ü p f t ist (hier: das Herausfliegen einer K u g e l aus dem Lauf), gelangt nicht (voll) zur Ausführung. — Eine auch handlungstheoretisch befriedigende Analyse, die hier nicht geleistet werden kann, müßte etwa folgendermaßen weiterfragen: Ist diese externe Seite der gemeinsame (Verhaltens-)Kern der möglichen Handlungsbeschreibungen (vgl. oben, Kap. 8, A n m . 172 a. E.)? T r i f f t der Begriff der „BasisHandlung" etwa i m Sinne v. Wrights (Erklären u n d Verstehen, z. B. S. 70) das Gemeinte? Wenn i m Zusammenhang m i t dem äußeren Aspekt des Handelns gerade von „kausal" gesprochen wurde, läßt sich das damit vereinbaren, etwas auch dann als Handlungsergebnis anzusehen, w e n n der H a n delnde f ü r dieses Ergebnis nicht kausal geworden ist? K a n n man ζ. B. töten,

1.1.2. Der Zielunwert i n einzelnen Unrechtstatbeständen

189

i s t die Sachlage i m B e i s p i e l ( C ) 1 0 . D o r t l i e g t e i n V e r s u c h s u n w e r t n u r d a n n v o r , w e n n m a n d e m W i l l e n , e i n e n M e n s c h e n z u t ö t e n , diesbezügliche Relevanz zuschreibt. D i e B e i s p i e l e (B) u n d (C) w e r f e n s o m i t i m H i n b l i c k a u f die b e i d e n I n t e n t i o n s o b j e k t e , die h i e r als f ü r d e n Versuchsu n w e r t möglicherweise maßgeblich einander gegenübergestellt werden, folgende F r a g e n a u f : S o l l i n e i n e r S i t u a t i o n , i n w e l c h e r d e r H a n d e l n d e eine (ungeladene) P i s t o l e a u f e i n e n Menschen r i c h t e t u n d a b d r ü c k t , d e r bloße W i l l e , z u t ö t e n , f ü r die A n n a h m e des Unrechtstatbestandes eines v e r s u c h t e n Totschlags ausreichen 1 1 ? S o l l b e i d e m j e n i g e n , d e r schießt, um e i n e n Menschen z u t ö t e n , deswegen d e r V e r s u c h s u n w e r t des T o t schlags n i c h t gegeben sein, w e i l d e r H a n d e l n d e n i c h t a u f e i n e n M e n schen schießt? Diese F r a g e n , die j a schon o b e n (S. 187) i m p l i z i t e v o r w e g b e a n t w o r t e t w u r d e n , w e r d e n i n h e l l e r e m L i c h t erscheinen, w e n n w i r das B e i s p i e l des § 212 I m i t d e m Gegenbeispiel des § 176 I ( S e x u e l l e r M i ß b r a u c h v o n K i n d e r n ) v e r g l e i c h e n — „ G e g e n b e i s p i e l " insofern, als das Versuchsd e l i k t h i e r — auch das sei v o r w e g g e n o m m e n — eine b e s t i m m t e T a t s i t u a t i o n voraussetzt. D a z u folgende F ä l l e u n d F r a g e n : Beispiel

(D):

Ν . N. w i l l die Geschlechtsteile eines jungen Mädchens betasten (sexuelle Handlungen an i h r vornehmen 1 2 ). Das v o n i h m ausersehene Opfer ist dreizehn Jahre alt. Als Ν . N. die T ü r zum Zimmer des Kindes öffnen w i l l , ist diese verschlossen (und zwar vorsichtshalber von der Mutter, die den Schlüssel auf ihren kurzen Einkaufsweg mitgenommen h a t ) 1 3 .

Beispiel

(Ε):

Ν. N. w i l l — aus welchem G r u n d auch immer (ζ. B. aus dem einer Wette) — die Geschlechtsteile gerade einer Dreizehnjährigen betasten (sexuelle Handlungen an dem Mädchen vornehmen). Aber entgegen seiner V e r m u t u n g ist das Opfer bereits fünfzehn Jahre a l t 1 4 .

ohne das betreffende Ereignis des Todes verursacht zu haben, w i e es die Theorie der objektiven Zurechnung lehrt (vgl. Schmidhäuser, Rn. 8/50, 76)? 10 Parallel gelagert ist die bekannte Fallkonstellation: Schuß auf einen scheinbar Lebenden (vgl. RGSt 1, 451 f.; O L G K i e l SchlHAnz 1948, S. 146f.). 11 Der Leser, der es gewohnt ist, Tätervorstellungen als unrechtskonstitutiv anzusehen, ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß von der hier bezogenen Ausgangsposition aus das alleinige Dafürhalten des Handelnden, einen M è n schen zu töten, keinen Anknüpfungspunkt f ü r eine Unrechtsbegründung darstellt. 12 Die Frage nach einer spezifischen Absicht, die erst die betreffende Handl u n g als sexuelle Handlung konstituiert, muß hier unbeantwortet bleiben (vgl. dazu etwa Schönke/Schröder/Lenckner, § 184 c, Rn. 5 ff.). Die gewählte A n t w o r t erzwänge keine bestimmte Lösung der von uns oben behandelten Probleme. 13 Die sehr konstruierte Ungefährlichkeit der Tat folgt dem Beispiel (B). — Zweifelhaft ist, ob der sexuelle Mißbrauch überhaupt schon als Versuch v o r liegt oder noch vorbereitet w i r d . Aber derartigen Zweifeln, die den K e r n unserer Argumentation nicht berühren, braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. K a p i t e l :

Soll i n einer Situation, i n welcher der Handelnde sich auf ein (unerreichbares) dreizehnjähriges Mädchen zubewegt, der Wille, an i h r sexuelle Handlungen vorzunehmen, für die Annahme des Unrechtstatbestandes eines versuchten sexuellen Mißbrauchs von Kindern ungeeignet sein? Soll derjenige, der sexuelle Handlungen an einer Fünfzehnjährigen vornimmt (oder i m Begriff ist, es zu tun), um sexuelle Handlungen an einer Dreizehnjährigen vorzunehmen 15 , den Versuchsunwert des sexuellen Mißbrauchs von Kindern erfüllen, obwohl er sich gar keinem K i n d i m Sinne von § 176 I zugewendet hat (zuwendet)? Die A r t und Weise, i n der die zu § 212 I (oben, S. 189) und § 176 I parallel gestellten Fragen formuliert sind, appelliert an eine intuitive Evidenz des als richtig vorweggenommenen Ergebnisses. Das führt dazu, daß die Antworten auf diese Fragen gleichermaßen jeweils „nein" lauten, obwohl sich die unwerthafte Intention bei § 212 I, anders als bei § 176 I, auf alle i m Gesetz geschilderten Tatumstände bezieht und obwohl die Fragen i n der Reihenfolge ihres Auftauchens den Beispielen (B) bis (E) zuzuordnen sind, wobei nur die Beispiele (B) und (D) bzw. (C) und (E) jeweils strukturell übereinstimmen: Der bloße Wille, überhaupt ein Lebewesen zu töten, begründet i m Gegensatz zum bloßen Willen, an einer anderen Person (ungeachtet ihres Alters) sexuelle Handlungen vorzunehmen, keinen Versuchsunwert. Der Wille, gerade an einer Person unter vierzehn Jahren sexuelle Handlungen vorzunehmen, begründet i m Gegensatz zum Willen, gerade einen anderen Menschen zu töten, keinen Versuchsunwert. Was berechtigt nun dazu, den genannten Unterschied für die Versuchsdelikte der §§ 212 I, 176 I zu machen? Vergleicht man den Willen, einen Menschen zu töten, mit dem bloßen Willen zu töten, der sich i n der konkreten Situation „zufällig" auf einen Menschen als Tatobjekt bezieht, so fällt auf, daß — bei genera14 Vgl. den F a l l RGSt 39, 316 f., w o das Gericht allerdings i m Einklang m i t der „subjektiven Versuchstheorie" u n d dem herkömmlichen Vorsatzbegriff die bloße Vorstellung des Täters, sein Opfer sei jünger als vierzehn, f ü r das Versuchsdelikt genügen läßt. 15 Unsere Überlegungen setzen das gängige Verständnis voraus, daß die Altersangabe i n § 176 I ein M e r k m a l des Unrechtstatbestandes meint. Anders Schmidhäuser, Rn. 13/8, der von einem „sachlichen Strafausschließungsgrund" spricht; vgl. auch Schmidhäuser, ZStW 71, S. 562 f., w o er seine Stellungnahme aber eine „Betrachtung de lege ferenda" nennt. (Diese Problematik k a n n hier nicht diskutiert werden. I m m e r h i n sei gefragt, ob man die Altersangabe nicht einerseits als Bestandteil der dem Unrechtstatbestand zuzuordnenden Beschreibung der Rechtsgutsverletzung verstehen kann, ohne sie andererseits zum Gegenstand des — v o m Unrechtsbewußtsein vorausgesetzten — Tatbewußtseins i m Schuldtatbestand machen zu müssen; der kritische P u n k t : das Schuldprinzip. Vgl. etwa Platzgummer, Die Bewußtseinsform des Vorsatzes, S. 87; zu weitgehend hinsichtlich einer Restriktion der Anforderungen an das Tatbewußtsein ist RGSt 75, 127 f.; anders B G H N J W 1953, S. 152 f.).

1.1.2. Der Zielunwert i n einzelnen Unrechtstatbeständen

191

lisierender Betrachtung — nur dem erstgenannten Willen die oben (S. 169 ff.) erwähnte Bedrohlichkeit zugeschrieben werden kann, die eine Intention zum geeigneten Anknüpfungspunkt des diskutierten Unwerturteils macht. I n aller Regel w i r d derjenige, der töten w i l l und einen Menschen tötet, auch einen Menschen töten wollen, die Richtung seines verpönten Handelns w i r d also von dieser Intention bestimmt sein. Und derjenige, der töten w i l l , u m etwa die Durchschlagskraft seiner Waffe zu testen, w i r d sich i n aller Regel durch eine Situation vom Töten abhalten lassen, i n der als mögliches Tatobjekt nur ein Mensch i n Betracht kommt. Wenn also der Tod eines Menschen intentionalem Töten zuzurechnen ist, so wollte der Handelnde typischerweise auch gerade den Menschen töten. Die andere betrachtete Konstellation ist hingegen ganz exzeptioneller A r t . Das spezifisch Unwerthafte der Tötung eines Menschen bedeutet i m intentionalen Bereich die einen Menschen einbeziehende Tötungsabsicht. Von daher lautet das Intentionsobjekt, auf dem der Zielunwert bei § 212 I beruht, „einen Menschen töten". Genau umgekehrt gestaltet sich die Sachlage bei § 176 I. Denn dort muß die Konstellation als exzeptionell bezeichnet werden, i n der die i m Gesetz enthaltenen Tatumstände vollständig i m Intentionsobjekt auftauchen 16 . I n aller Regel kommt es nämlich dem Handelnden nicht darauf an, die sexuellen Handlungen gerade an einem K i n d i m Sinne von § 176 I (an einer unter 14 Jahre alten Person) vorzunehmen. Vielmehr w i l l er typischerweise bloß sexuell handeln, wobei er sich sein Gegenüber nach allen möglichen Kriterien, nur nicht nach dem genauen Alter, aussucht. Ist für den Täter der geringe Reifegrad oder eine spezifische Kindlichkeit entscheidend, so würde er seine Handlungen keinesfalls abbrechen, wenn er erführe, daß sein sehr jung wirkendes Opfer doch schon sechzehn Jahre alt ist. Von daher kann der Intention, ζ. B. an einer Dreizehnjährigen bestimmte sexuelle Handlungen vornehmen zu wollen, i m Rahmen des hier gebotenen abstrahierenden, Typisches erfragenden Abwägens keine Bedrohlichkeit zugeschrieben werden. Vielmehr ist derjenige Wille gemäß § 176 I bedrohlich und rechtsgutsverletzend, der auf die Vornahme sexueller Tätigkeiten gerichtet ist, obwohl das ausersehene Opfer noch ein K i n d ist. Jemand, der sich i n seinem Willen zu solchen Handlungen durch diesen Umstand nicht von ihnen abhalten läßt, ist eher vorstellbar als derjenige, dem es gerade um das Alter geht. Die gesetzliche Schilderung des rechtsgutsverletzenden Verhaltens fängt äußere Umstände ein, die i m intentionalen Bereich i m allgemeinen keine Entsprechung haben; das muß bei der Bestimmung des Zielunwertes berücksichtigt werden. (Soweit tatsächlich einmal jemand ausschließlich ein K i n d als Opfer sucht, erscheint i m 16 Dazu u n d überhaupt zur Unterscheidung der beiden hier i n Betracht zu ziehenden Intentionen vgl. Oehler, N J W 1966, S. 1635.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. K a p i t e l :

übrigen wahrscheinlich, daß er ein solches Opfer auch finden w i r d ; i m Hinblick auf den i n diesem Fall gegebenen Gefährdungsunwert kann man dann das Versuchsdelikt sachgerecht bejahen.) Also liegt die Intention, auf welcher der Zielunwert bei § 176 I basiert, dann vor, wenn der Täter auf eine Frage wie „ w i l l s t D u an dieser Person (die dreizehn Jahre alt ist) sexuelle Handlungen vornehmen?" ehrlicherweise m i t „ j a " antworten würde 1 7 . Aus der Erörterung dieser beiden Beispiele der §§ 212 I, 176 I darf nicht der Schluß gezogen werden, daß die A n t w o r t auf die Frage, ob für das betreffende Versuchsdelikt eine Tatsituation vorauszusetzen sei, von der jeweiligen Deliktsstruktur abhänge: bei einem Erfolgsdelikt (§ 212 I) beziehe das Intentionsobjekt alle gesetzlichen Unrechtsmerkmale ein, bei einem schlichten Tätigkeitsdelikt (§ 176 I) hingegen nicht. Zwar w i r d bei Tätigkeitsdelikten, wie ja auch bei § 176 I, das für den Zielunwert gesuchte Intentionsobjekt oft zugunsten der Annahme einer Tatsituation begrenzt werden müssen, weil diese i n der Regel an sich wertneutrale oder doch zumindest nicht sozialschädliche (alltägliche) Verhaltensweisen erfassen, die erst dann i m Sinne einer Rechtsgutsverletzung bedeutsam sind, wenn man sie i n Relation zu einer bestimmten Tatsituation stellt. Aber das ist nicht notwendig der Fall. Und i m übrigen setzt diese Betrachtungsweise voraus, daß es plausible Kriterien für die Abstrahierung einer Tatsituation von einer tatbestandlichen Handlungsbeschreibung gibt, die nicht unserer Argumentation zur generellen Bedrohlichkeit von Intentionen folgen. Aber welche Kriterien sollten das sein? Auch „töten" an sich ist ja nicht gemäß § 212 I rechtsgutsverletzend, sondern nur unter der Prämisse, daß es um die Tötung eines Menschen geht. Soll ein Versuchsdelikt deswegen nur dann möglich sein, wenn sich die Versuchshandlung gegen einen tatsächlich anwesenden Menschen richtet? W i l l man aus unseren Überlegungen eine formelartige Richtschnur (gewissermaßen eine „Testfrage") gewinnen, anhand deren man prinzipiell alle i n Betracht kommenden Straftatbestände des Besonderen Teils hinsichtlich ihres Zielunwerts untersuchen, d. h. die normativ relevante Intention finden kann, kommt man zu folgender Frage, die 17

N u r u m Mißverständnisse zu vermeiden: Es ist aus der Perspektive unseres Ansatzes für die konkrete Unrechtsbegründung v ö l l i g unerheblich, ob sich der Täter Vorstellungen über das A l t e r bzw. die Unreife des Opfers macht. — I m übrigen wurde oben (Anm. 14) darauf hingewiesen, daß das A l t e r als solches f ü r die Bewertung der T a t auch insofern nicht maßgeblich erscheint, als möglicherweise nicht einmal ein diesbezügliches (schuldrelevantes) Tatbewußtsein zu fordern ist. Das k a n n allerdings f ü r die Analyse der Rechtsgutsverletzung i m Unrechtstatbestand nicht bedeuten, daß man die gesetzliche Schilderung verbotswidriger Handlungen nicht i n der Weise ernst nehmen müßte, w i e es unsere Diskussion von Intentionsobjekten als potentielle Grundlagen f ü r die Annahme eines Zielunwerts getan hat.

1.1.2. Der Zielunwert i n einzelnen Unrechtstatbeständen

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wiederum am Beispiel von § 212 I gestellt wird, aber leicht auf andere Fälle übertragbar ist: Welche Intention ist generell gesehen bedrohlich (weil nachvollziehbarer, wahrscheinlicher, häufiger als ihre Alternative), daß jemand einen Menschen töten w i l l oder daß jemand „töten w i l l " und diese Intention an dem „zufällig" i n der Tatsituation befindlichen Menschen betätigen würde? Die Intention, auf die das Prädikat „bedrohlich" appliziert wird, ist für den Zielunwert maßgeblich. Wo ein Mensch getötet wird, w i l l der Täter eher den Menschen töten als einfach töten. Anders bei § 176 I: Wo sexuelle Handlungen an einem K i n d vorgenommen werden, w i l l der Täter eher sexuelle Handlungen vornehmen (von denen er sich durch das geringe Alter seines Opfers nur nicht abhalten läßt), als sexuelle Handlungen an einem K i n d (einer unter vierzehn Jahre alten Person) vornehmen. Daraus sind für die Unrechtstatbestände der betreffenden Versuchsdelikte die geschilderten Konsequenzen zu ziehen 18 . Unsere Ausführungen dürfen nicht so verstanden werden, als ginge es darum, aus einer statistischen Größe (Häufigkeit der Intention) — also einem Sein — eine Bewertung — also ein Sollen — abzuleiten. Vielmehr steht i m Hintergrund der Argumentation die (normative) Überzeugung, daß dann, wenn nur die „sonderbare", ganz untypische Intention als Gegenstand eines Strafwürdigkeitsurteils i n Betracht käme, eine Versuchsstraftat nicht auf einen solchen vermeintlichen „Zielunwert" gestützt werden dürfte. Straflosigkeit wäre aus dem Gedanken heraus geboten, daß für legitimiertes Strafen eine sozialschädliche Rechtsgutsverletzung vorausgesetzt ist, bloße Unmoral durch ein Strafwürdigkeitsurteil nicht erfaßt werden darf und das Strafrecht keinem unguten moralistischen Perfektionismus frönen sollte. Die „sonderbare", die Handlungsrichtung i n der Regel nicht beeinflussende Intention ist vom Strafgesetz zu vernachlässigen. — Diese Überlegungen präzisieren ihrerseits, was „Bedrohlichkeit" als Charakteristikum einer rechtsgutsverletzenden Intention meint. Schließlich drängt sich die Frage auf, ob nicht beide i n Erwägung gezogenen Intentionsobjekte zu kumulieren sind, so daß nicht nur i n den Beispielen (C) und (D), sondern auch i n den Beispielen (B) und (E) das Versuchsdelikt bejaht wird. Davor sei jedoch nachdrücklich gewarnt. Die Ausführungen dieses Abschnitts zielten darauf ab, herauszufinden, welcher Wille aufgrund seiner spezifischen Bedrohlichkeit geeignet ist, die Grundlage des betreffenden Zielunwerts abzugeben. Man würde 18 Es wäre ganz verfehlt zu fordern, daß gerade Grundlage des Zielunwerts dienen sollte, w e i l auf keit noch weiter eingeschränkt werden könne. Die barkeit ist nämlich k e i n Selbstzweck, sondern hat weise gebotenen Bewertungen zu orientieren.

13 A l w a r t

die seltenere Intention als diese Weise die StrafbarEinschränkung der Strafsich an den vernünftiger-

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. K a p i t e l :

sich i n einen Wertungswiderspruch verwickeln, wollte man plötzlich die als unbedeutsam dargestellte Intention ebenfalls zum Anknüpfungspunkt einer Unrechtsbegründung machen. Gewiß ist es unmoralisch, ζ. B. gerade an einem K i n d sexuelle Handlungen vornehmen zu wollen (Beispiel [E]). Aber unsere Argumentation hat gezeigt, daß für die Rechtsguts Verletzung bei § 176 I eine bestimmte Tatsituation vorauszusetzen ist. Daran kann sich nichts mehr ändern, wenn i n concreto tatsächlich einmal der „sonderbare" Wille vorliegt, der sämtliche tatbestandlich geschilderten Unrechtsmerkmale einbezieht 19 . Dadurch, daß ein Zielunwert i n bezug auf eine bestimmte Tatsituation definiert wird, erhält das Vorliegen dieser Situation ein Eigengewicht hinsichtlich der Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung, so daß ein Unrecht ohne dieses Faktum i n keinem Fall mehr zutreffend begründbar ist; also erst auf der Grundlage einer bestimmten äußeren Prägung der realen Tatsituation kann hier die Unrechtsbegründung i n der subjektiven Dimension des Handelns fundiert werden. Und umgekehrt darf eine situationsbezogene Intention dort nicht mehr berücksichtigt werden, wo man den bedrohlichen Willen als unabhängig vom Vorliegen gewisser Tatumstände beurteilt hat, wie ζ. B. bei § 212 I. Ungeachtet eines etwaigen inneren Moral Verstoßes (etwa i n Beispiel [B], wo der Handelnde für möglich hält, einen Menschen zu töten) besitzt das Faktum „Mensch" und der i n bezug darauf definierte Wille („das, was sich dort bewegt, töten wollen") keine Relevanz unter dem Aspekt der Rechtsgutsverletzung. 2. Weitere Beispiele Aufgabe dieser Untersuchung kann nicht sein, alle i n Frage kommenden Straftatbestände des Besonderen Teils hinsichtlich des jeweiligen Zielunwerts zu analysieren, u m so vollständig über die allgemeine Struktur der Unrechtsbegründung (ist eine Tatsituation vorausgesetzt oder nicht?) bei den einzelnen Versuchsdelikten des geltenden Rechts Auskunft zu geben. Deswegen soll es i m folgenden lediglich darum gehen, die i m letzten Abschnitt (1.) gewonnenen prinzipiellen Einsichten durch Applikation auf einige weitere Straftaten noch zu verdeutlichen. Allerdings w i r d damit auch das Rüstzeug bereitgestellt, m i t dem man i n allen möglichen speziellen Versuchsfällen das richtige Ergebnis finden kann. 19 I m übrigen enthält z.B. die Intention, die Geschlechtsteile einer Dreizehnjährigen betasten zu wollen, selbstverständlich die Intention, die Geschlechtsteile der ausersehenen Person betasten zu wollen. D. h. handelt der Täter i n dieser Weise, dann ist sein Agieren sowohl unter der Beschreibung intentional, daß er sexuelle Handlungen an einem K i n d , als auch unter derjenigen, daß er sexuelle Handlungen an „dieser Person" v o r n i m m t . Also ebenfalls dort, w o der „sonderbare" W i l l e vorliegt, ist der Zielunwert zu bejahen, w e n n das betreffende Opfer ein K i n d ist.

1.1.2. Der Zielunwert i n einzelnen Unrechtstatbeständen

195

a) Diebstahl (§ 242): Wer m i t der einschlägigen Diskussion vertraut ist, dem werden zumindest zwei bezüglich der richtigen Rechtsanwendung problematische Fälle einfallen. Zum einen der (Diebes-)Griff i n die leere Tasche einer anderen Person und zum anderen die Wegnahme einer i m — unbewußten — (Allein-)Eigentum des Täters stehenden Sache. Verlangte man i n der Tatsituation als Gegenstand der Handlung eine (im Gewahrsam eines anderen befindliche 20 ) „fremde bewegliche Sache", so könnte man i n beiden Konstellationen offenkundig keinen versuchten Diebstahl als Straftat annehmen. — Lassen w i r die „Absicht, sich (die Sache) zuzueignen" (§ 242 I) erst einmal außer Betracht, so stellt sich die entscheidende Frage wie folgt: Welche Intention ist dort, wo jemand eine fremde, i m Gewahrsam eines anderen stehende Sache an sich bringt, nachvollziehbarer, gerade eine fremde Sache durch Wegnahme oder irgendeine, also etwa auch eine eigene, Sache an sich zu bringen? Welcher Fall ist als häufiger und als generell bedrohlich einzuschätzen, daß jemand eine fremde, i m Gewahrsam eines anderen stehende Sache ungeachtet dessen seinem Gewahrsam einverleibt, wem sie gehört und ob jemand anders — nunmehr gebrochenen — Gewahrsam innehatte, oder daß er sie gerade deswegen wegnimmt und wegnehmen w i l l , weil sie ihm nicht gehört? Kann eine Ablehnung des betreffenden Unrechtstatbestandes beim (Diebes-)Griff i n die leere Tasche leichter hingenommen werden als i n dem Fall, i n dem jemand eine fremde Sache ungeachtet der Eigentums- (und Gewahrsams-)Verhältnisse an sich bringen will? Die Fragen beantworten sich von selbst. „Fremde bewegliche Sache" (die dem Gewahrsam eines anderen unterfällt) meint danach das Intentionsobjekt und nicht die Tatsituation. Die Gebotenheit dieser Sichtweise w i r d noch deutlicher, wenn man die bisher unberücksichtigte, aber von § 242 I vorausgesetzte Zueignungsabsicht i n die Argumentation einbezieht. Es geht i n dieser Vorschrift ja um Diebstahl, also um die Handlung des Stehlens. Und der richtige Gebrauch des Ausdrucks „Stehlen" impliziert das Vorliegen einer gerade auf fremde (sowie gewahrsamsfremde 21 ) Sachen gerichteten Absicht. Die bedrohliche Intention, die dem Zielunwert bei § 242 I zugrundeliegt, lautet demnach „eine fremde bewegliche Sache wegnehmen wollen (um ,mit i h r so zu verfahren, daß dies i m Ergebnis auf eine dauernde Sachentziehung oder 20 Wenn jemand ζ. B. eine „Diebesfalle" stellt, etwa Geldscheine präpariert, dann w i l l er gegenüber dem potentiellen Dieb i n der Regel keine Sachherrschaft ausüben. E r hat also insofern auch keinen Gewahrsam inne. I n einem solchen Sachverhalt findet man zu Recht einen strafwürdigen versuchten Diebstahl; siehe n u r B a y O b L G JR 1979, S. 296 f., m i t einer Urteilsanmerkung (und weiteren Nachweisen) von Paeffgen (S. 297 ff.). 21 Die Wegnahme ist M i t t e l zum Zweck; s. näher Schmidhäuser, Bruns-Fs, S. 357. Z u m Thema „ M i t t e l - Z w e c k - K o n n e x u n d Intention" siehe oben, S. 143.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. Kapitel:

Sachentwertung gegenüber dem Eigentümer hinauslaufen kann' 2 2 )". Demnach sind die beiden eingangs genannten Fälle als versuchte Diebstähle strafwürdig und strafbar. — Gegen die gegebene Begründung des Zielunwerts kann nicht eingewandt werden, daß ein Täter gewiß auch m i t der Herrenlosigkeit der betreffenden Sache einverstanden wäre. Das würde nämlich nur bedeuten, daß der Täter eine bisherige Intention des Stehlens, die eben die Verdrängung eines Eigentümers impliziert, bei Erkenntnis der Herrenlosigkeit aufgäbe und einen andersartigen Entschluß faßte. b) Hehlerei (§ 259): Hier stellt sich die Frage, ob die gesetzlich geschilderten Verhaltensweisen i m Hinblick auf einen Zielunwert voraussetzen, daß auch „eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat" (§ 259 I) Bestandteil der jeweiligen Intentionsbeschreibung ist 2 3 . Kommt es demjenigen, der eine durch eine rechtswidrige Vortat i m Sinne von § 259 I erlangte Sache ζ. B. ankauft, i n der Regel darauf an, gerade eine derartige Sache anzukaufen? Würde er von dem Geschäft Abstand nehmen, wenn er erführe, daß ein günstig zu erwerbender Gegenstand nicht aus einer rechtswidrigen Vortat stamme? Die A n t w o r t lautet „nein". Der Betreffende kauft nicht an, weil die Sache ζ. B. gestohlen wurde, sondern obwohl das der Fall ist. Von daher sollte man das Vorhandensein dieser näher bezeichneten Sache zur Tatsituation des § 259 rechnen. Auch ein Versuchsdelikt kann demnach nur unter der Prämisse gegeben sein, daß diese Tatsituation vorliegt. Die für einen Zielunwert relevante Intention ist auf sie bezogen, d. h. der Handelnde w i l l ζ. B. „diese Sache ankaufen oder absetzen". Auf ein alle Unrechtsmerkmale des § 259 I erfassendes Intentionsobjekt kommt es hingegen nicht an. c) Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1): Der Gegenstand, den jemand „vernichtet, beschädigt oder unterdrückt", wenn er eine Straftat gemäß § 274 I Nr. 1 begeht, ist i n dieser Vorschrift genau umschrieben, nämlich als „eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört". Nach den vorangegangenen Argumentationen bedarf es keiner ausführlichen Begründung mehr, daß dieser Handlungsgegenstand der Tatsituation zugerechnet wird. Der Täter muß ζ. B. „diese Sache vernichten wollen", wenn ein Zielunwert konstatier22

Schmidhäuser, Bruns-Fs, S. 355. Wer der üblichen Sicht verhaftet ist, w i r d selbstverständlich danach fragen, ob f ü r ein Versuchsdelikt die „irrige Annahme einer strafbaren V o r t a t " genügt (vgl. als Fallbeispiel n u r RGSt 64, 130 ff.). W i r hingegen behandeln oben i m Text gar keine Irrtumsprobleme. 23

1.3. Die Lehre v o m „Mangel am Tatbestand"

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bar sein soll. Zum Intentionsobjekt gehört ζ. B. nicht die Urkundseigenschaft der Sache. d) Meineid (§ 154): Abschließend seien noch die Aussagedelikte erwähnt. Z . B . § 154 setzt evidentermaßen eine Tatsituation voraus. Das Intentionsobjekt, auf dem der Zielunwert basiert, enthält weder „die eigene Rolle" des Lügenden „als eidlich Vernommener noch die »Zuständigkeit des Gerichts oder der Behörde zu derartiger eidlicher Vernehmung" 2 4 . M i t diesen Beispielen soll es sein Bewenden haben. Die Leitlinien für eine umfassende Zielunwertbetrachtung bei den einzelnen Straftaten müßten eigentlich gezogen sein. 3. Die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" Der Ausdruck „Mangel am Tatbestand" ist mehrdeutig. I m folgenden bezeichnet er weder die Fälle, die Feuerbach i n seiner Lehre vom „Mangel am Tatbestand" unter ihm vereinigte 2 5 und bei denen es um Probleme des Vollendungsdelikts geht 26 , noch meint er i n unserem Kontext, daß jedes Versuchsdelikt — bezogen auf den Tatbestand des Vollendungsdelikts — per definitionem einen „Mangel am Tatbestand", einen „ M a n g e l . . . i m objektiven Unrechtstatbestand" 27 darstelle 28 . Sondern zur K r i t i k 2 9 steht diejenige Lehre an, die — neben den „Versuchstheorien" angesiedelt 30 — das Vorliegen bestimmter begleitender Tatumstände voraussetzt, „unter denen allein eine Handlung ein — versuchtes oder vollendetes — Verbrechen darstellen kann" 3 1 , und die 24 Schmidhäuser, Rn. 15/29, dessen Ausführungen sich insgesamt aber so lesen, als ob eine Falschaussage vor Gericht nicht auch unter einer Handlungsdeskription intentional sein kann, die diese Umstände m i t einbezieht (vgl. bereits oben, A n m . 5). — A u f der Basis der verbreiteten Prämissen stellt sich die entscheidende Frage anders, nämlich als (Irrtums-)Problem der „Abgrenzung von untauglichem Versuch u n d W a h n d e l i k t " (vgl. noch unten, Kap. 11, A n m . 7); siehe dazu die unterschiedlichen Ansichten etwa von Lackner, § 154, A n m . 5; Schönke/Schröder/Lenckner, § 154, Rn. 15; Willms, L K StGB, § 154, Rn. 21; jeweils m. w. N. auch auf die Rechtsprechung. 25 Dazu siehe Werner Schmid, Schröder-Gs, S. 19 ff. 26 Werner Schmid, aaO, S. 20. 27 Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S, 225. 28 Vgl. zu Dohna, Güterbock-Fg, S. 40; Germann, Über den Grund der Strafbarkeit des Versuchs (Diss.), S. 161 f. 29 Es bleibt dahingestellt, ob die Lehre v o m „Mangel am Tatbestand" de lege lata unvertretbar ist; so Jescheck, S. 429 (anders aber bzgl. des „ V e r suchs eines untauglichen Täters", siehe S. 433). 30 Vgl. Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 19 f.; Schmidhäuser, Rn. 15/41. 31 Z u Dohna, Güterbock-Fg, S. 52; auch „Der Aufbau der Verbrechenslehre", S. 56 f. Vgl. ferner Frank, § 43, A n m . I, I I I a. E.; v. Liszt/Schmidt, S. 298 ff., 310 f.; Rittler, S. 254 ff. („Mangel am T a t b i l d " ) ; Sauer, S. 66, 109 ff. Siehe auch Mezger, S. 392 ff.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. Kapitel:

insofern der von uns vertretenen Konzeption eines Zielunwerts, der auf einer bestimmten Tatsituation basiert, ähnelt. Die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" führt zwar zum Teil zu denselben Strafbarkeitsgrenzen wie die vom Intentionsbegriff geleitete Frage nach einer Tatsituation und ist unter diesem Gesichtspunkt zu begrüßen. Sie enthält aber Prämissen, die näherer Überprüfung nicht standhalten, und sie führt bei konsequentem Vorgehen auch zu einigen Vorschlägen der Rechtsanwendung, die falsch sind und auf diesen verfehlten Prämissen beruhen. Ein wesentlicher Aspekt zur Einschätzung dieser Lehre ergibt sich daraus, daß sie nicht über den Begriff des Zielunwerts verfügt, d. h. die Möglichkeit der Anknüpfung an Intentionen i m Rahmen von Unrechtsbegründungen nicht erkennt und deswegen auch außerstande ist, die Frage nach der Tatsituation von dieser Grundlage aus zu stellen. So heißt es bei zu Dohna am Beginn seiner Überlegungen 32 : „Der Versuch ist nichts anderes, als ein Spezialfall des Irrtums." I m weiteren Verlauf zeigt sich dann zwar, daß dem Handlungswillen — jedoch letztlich als „Vorsatz" verstanden — Rechnung getragen wird, indem zu Dohna nämlich die „begleitenden Tatumstände" als „nie gewollt" bezeichnet und daraus den Schluß zieht, daß eine falsche Vorstellung über ihr Vorliegen „niemals (einen) Versuch begründen" könne 3 3 . Aber diese Sichtweise verkennt, daß die Intention relativ auf bestimmte Beschreibungen ist, i n die durchaus das eingehen kann, was zu Dohna einen „begleitenden Tatumstand" nennt. Wenn es auch unmöglich ist, „daß jemand v e r s u c h t . . . , daß die von ihm entwendete Sache eine fremde . . . sei" 3 4 , so kann man doch versuchen zu stehlen, indem man eine Sache an sich nimmt, von der sich dann herausstellt, daß sie einem selbst gehört 3 5 . Damit sind erste Bedenken gegen die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" vorgebracht. Ihre Fragwürdigkeit verstärkt sich, wenn man sich den Begründungszusammenhang, der sie Tatsituationen postulieren läßt, noch näher vor Augen führt: Charakteristisch für einen „Versuch" sei „der Mangel des Schlußstücks einer i m übrigen i n jeder Beziehung tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung" 3 6 . Das „Manko" eines „Versuchs" müsse die „Tatbestandserfordernisse" betreffen, „welche zu der Handlung des Täters . . . i n kausaler Beziehung stehen würden"; andern32

Güterbock-Fg, S. 38. — Vgl. auch Engisch, Heinitz-Fs, S. 190 f. Z u Dohna, aaO, S. 46. 34 Z u Dohna, aaO, S. 46 f. 35 Die Grundlagen, auf denen diese Sicht der Dinge beruht, finden oben, Kap. 8, Abschn. I I I 3, u n d i n diesem Kap., Abschn. I 1 und 2. 38 V. Liszt/Schmidt, S. 301. 33

sich

1.3. Die Lehre v o m „Mangel am Tatbestand"

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falls liege ein strafloser „Mangel am Tatbestand" vor 3 7 . Daß hier „Handeln" und „Versuchen" ganz naturalistisch gesehen werden, zeigt das folgende Zitat besonders deutlich: „Der Staat w i l l Rechtsgüterverletzungen hintanhalten; er verbietet deshalb, gewisse Erfolge herbeizuführen. Als psychologischer Zwang können diese Verbote nur i n der Weise wirken, daß sie den Staatsbürger davon abhalten, Körperbewegungen vorzunehmen, welche Ursache solcher Erfolge werden können" 3 8 . — Damit ist vorgezeichnet, daß die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" den Begriff des „gegenwartsbezogenen Versuchens" 39 nicht anerkennt. Denn i n diesen Fällen kann es nicht an der vom Unrechtstatbestand (sowohl des Vollendungs- als auch des Versuchsdelikts) vorausgesetzten körperlichen Bewegung des Handelnden fehlen. Nach dieser Theorie wäre es stets falsch ζ. B. dann, wenn jemand eine fünfzehnjährige Person sexuell mißbraucht, davon zu sprechen, daß er, indem er das Beschriebene tut, versucht, eine dreizehnjährige Person sexuell zu mißbrauchen. Und liegt eine Straftat nicht einmal i n dem Fall vor, i n dem das als körperliche Bewegung von der Situation losgelöst Gedachte ausgeführt wird, so erst recht dann nicht, wenn — ceteris paribus! — die körperliche Bewegung letztlich nicht zu Ende kommt. Zur weiteren Verdeutlichung dessen, inwiefern die erörterte Theorie dem Denkmodell „Versuch als ein stets der Betrachtung eines Geschehens nach Anfang und Ende unterliegender Begriff" verhaftet ist, sei folgendes zitiert: „Wer eine herrenlos Sache i n der Meinung entwendet, es sei eine fremde, begeht nach natürlicher Auffassung keinen Diebstahlsversuch; die vollendete Wegnahme der herrenlosen Sache i n Zueignungsabsicht ist gewiß nicht der zum Versuch vom Gesetz erforderte Anfang der Ausführung eines nicht vollendeten Diebstahls, denn die Hinzufügung des Merkmals fremd bewirkt nicht die »Vollendung' des Diebstahls, bewirkt vielmehr die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes" 40 . Es ist evident, daß die naturalistische Denkweise der Lehre vom „Mangel am Tatbestand" m i t den hier vertretenen Auffassungen zum Versuchsbegriff i m besonderen (und damit auch zum Handlungsbegriff i m allgemeinen) nicht vereinbart werden kann. Diese Unvereinbarkeit besitzt aber nicht lediglich eine theoretische Bedeutung, sondern w i r k t sich auch auf das Urteil über bestimmte Sachverhalte aus. Zwar kommt die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" z.B. i m Fall des sexuellen Mißbrauchs von Kindern (§ 176 I) zur gebotenen Strafbarkeitsbegren37

Z u Dohna, Güterbock-Fg, S. 47, 49. Z u Dohna, aaO, S. 55. 39 Siehe oben, Kap. 8, bei A n m . 179. 40 Sauer, S. 99. — Z u r Unterscheidung der „ i n die Z u k u n f t weisende(n)" Handlung von den „gegenwärtigen unabhängig v o m Täter bestehenden anderen Tatumständen" vgl. ebenfalls Spendel, Stock-Fs, S. 105 f. 38

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zung, weil sie für das Versuchsdelikt dieselbe Tatsituation zur Prämisse macht, wie sie auch von uns oben (S. 191) verlangt wurde. Aber ihre Stellungnahme etwa i n dem gerade zitierten Beispielsfall eines Diebstahlsversuchs deckt sich nicht m i t dem Vorschlag, der sich aus der Frage nach dem rechtsgutsverletzenden Willen ergibt, wonach nämlich ein Versuchsdelikt des Diebstahls zu bejahen ist (vgl. oben, S. 195). Auch i n anderen Konstellationen müßte die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" bei konsequentem Festhalten an ihren Grundlagen strafwürdige Versuche für straflos erklären; man denke ζ. B. an den Fall, daß jemand versucht, einen Menschen zu töten, indem er i n ein leeres Bett schießt, wo er fälschlicherweise das Opfer vermutet 4 1 . Sie nimmt hier aber — anders als i m Fall des auf Tötung eines Menschen gerichteten Schießens auf einen Baumstumpf oder eine Leiche 42 — einen strafbaren Tötungsversuch an, weil (so die Begründung zu Dohnas 43 ) „der Nichteintritt des Erfolges sich i n genügender Weise daraus erklärt, daß das Objekt an der Stelle, gegen die sich der Angriff richtete, nicht vorhanden war". A u f diese Weise versetzt sie sich übrigens auch i n die Lage, den als strafwürdig erkannten Fall des Diebesgriffs i n die leere Tasche ebenfalls als einen versuchten Diebstahl und nicht als straflosen „Mangel am Tatbestand" zu bezeichnen 44 . Aber einige Vorschläge bleiben eben auch i m Ergebnis unbefriedigend: Wie ist die Sachlage zu beurteilen, wenn das betreffende Objekt nicht nur i n der Tatsituation nicht vorhanden ist, sondern überhaupt nicht existiert? Hier w i r d einerseits gesagt, auf die Existenz komme es i m Rahmen solcher Fälle grundsätzlich nicht an; allerdings sei dann, wenn der Angriff das vermutete Objekt getroffen hätte, falls es existent gewesen wäre, also ζ. B. i m Fall des Schusses i n das Bett eines bereits früher Verstorbenen, „Mangel am Tatbestand" zu bejahen 45 . A n dererseits w i r d — rein normativ — argumentiert, daß der gegen einen bereits verstorbenen Menschen gerichtete Tötungsversuch dem (straf41

Vgl. etwa Frank, § 43, A n m . I I I a. E. Siehe zu Dohna, Güterbock-Fg, S. 68; Frank, § 43, A n m . I I I a. E.; M a x Ernst Mayer, S. 359. 43 Güterbock-Fg, S. 66. 44 Siehe zu Dohna, aaO, S. 68; Frank, § 43, Anm. I I I a. E.; v. Liszt/Schmidt, S. 311, A n m . 3; M a x Ernst Mayer, S. 360 f. — Frank u n d M a x Ernst Mayer, jeweils aaO, definieren derartige Versuchstaten nicht als Versuche am u n tauglichen Objekt, sondern als solche m i t untauglichem Mittel, so daß der gesamte Bereiòh der Untauglichkeit des Objekts dem „Mangel am Tatbestand" unterfällt; vgl. auch v. Liszt/Schmidt, S. 311, A n m . 3, w o jedoch Fälle dem Begriff „Versuch m i t untauglichem M i t t e l " subsumiert werden, welche die gerade angeführten Autoren dem straflosen „Mangel am Tatbestand" zuordnen. (Gegen Schmidt siehe zu Dohna, ZStW 52, S. 328, der vorbringt, daß eine Relation der Untauglichkeit zum Mangel am Tatbestand gar nicht bestehe; vgl. auch zu Dohna, Der Aufbau der Verbrechenslehre, S. 57.) 45 Z u Dohna, aaO, S. 61 ff. (insbes. S. 63, 64, 66, 68). 42

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los) an einer Leiche begangenen rechtlich gleichstehe 46 . Der von der zuletzt referierten Ansicht gezogenen Analogie ist zuzustimmen. Aber w o sollen — eben normativ gesehen! — relevante Unterschiede liegen zwischen den von der hier kritisierten Theorie als straflos („Mangel am Tatbestand") beurteilten Fällen z.B. des Schießens auf einen Baumstumpf oder eine Leiche, um einen Menschen zu töten, des Entwendens einer herrenlosen (oder eigenen 47 ) Sache, um zu stehlen, und den von ihr als strafbar („Versuch") beurteilten Fällen ζ. B. des Schießens i n ein leeres Bett, um einen (noch lebenden) Menschen zu töten, des Griffs i n eine leere Tasche, um zu stehlen? Die heutige Strafrechtsdogmatik empfindet die Lehre vom „Mangel am Tatbestand" gemeinhin als passé48. I n dieser Abhandlung ist sie einer kritischen Analyse unterzogen worden. Die relativ ausführliche Auseinandersetzung m i t ihr erschien geboten, damit deutlich werde, daß die hier vertretene, methodisch am Strafwürdigkeitsprinzip orientierte und nach dem jeweiligen Zielunwert fragende Konzeption m i t dieser Lehre weder die theoretische Grundlegung noch sämtliche praktischen Ergebnisse teilt 4 9 , sondern allenfalls den Impetus, das Feld der Straftaten nicht unangemessen weit abzustecken. I I . Der irreale Versuch

Eine „subjektive Versuchstheorie", die „irreales" Verhalten für nicht strafwürdig hält 5 0 , befindet sich i n der schwierigen Lage, ihr Urteil so zu begründen, daß sie ihren eigenen Prämissen nicht widerspricht. Auch die hier vertretene Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens muß zu dieser Problematik eine Lösung anbieten; denn soweit deren Unrechtsbegründungen an Zielunwerte anknüpfen (intentionales Versuchen), wurde bisher der Anschein erweckt, als verstehe sie sich als „rein subjektiv". Ist dieser Anschein falsch? Bedarf unsere Theorie also einer Korrektur i n dem Sinne, daß das Vorliegen bestimmter Intentionen (ζ. B. zu töten, zu verletzen etc.) für die gerade genannten, auf Zielunwerte beruhenden Versuchsdelikte nicht ausreiche, sondern Kriterien „objektiver" Natur hinzuzunehmen seien? Oder 46

M a x Ernst Mayer, S. 361. Vgl. v. Liszt/Schmidt, S. 311. 48 Vgl. aber oben, Kap. 8, A n m . 8. 49 Vgl. auch die K r i t i k bei Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 18 f. 50 Das Charakteristikum dieser Versuchsart ist i m folgenden zu erläutern. Allerdings k a n n hier von vornherein klargestellt werden, daß solche Fälle nicht gemeint sind, i n denen das (gefährliche oder ungefährliche) Versuchen zwar i n gewisser Beziehung „ i r r e a l " ist, diese „ I r r e a l i t ä t " aber nicht i n die A u s w a h l des konkreten Mittels eingeht; Beispiel (von Jescheck, S. 431): Eine Gruppe extremer Sektierer versucht, aus wahnhaften Gründen einen Menschen m i t realen M i t t e l n zu töten. 47

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zwingt sie dazu, eine Einschränkung der Strafbarkeit intentionalen Versuchens wegen „Irrealität" der Handlung für ethisch und rechtlich illegitim zu halten? Oder aber vermag unsere Konzeption i n besagten Fällen eine Begründung der Nicht-Strafwürdigkeit und damit der Straflosigkeit zu liefern, ohne den „rein subjektiven" Ausgangspunkt zu verlassen? Wie sähe diese Begründung aus? Bevor diese Fragen beantwortet werden können, ist zunächst zu klären, welche Sachverhalte für den Begriff des irrealen Versuchs i n Betracht kommen. Als erstes ist der „abergläubische" Versuch zu nennen, der sich dadurch auszeichnet, daß hinter der jeweiligen Tätigkeit nichtempirische Vorstellungen des Handelnden stehen, wie ζ. B. beim „Totbeten", „Nestelknüpfen", „Verhexen" 5 1 oder „Zaubern" und „Verwünschen". Zur Illustration denke man an „jenen B a i e r n . . . , der nach einer Kapelle wallfahrdete, um da seinen Nachbarn — tod zu beten" 52, und an den Fall, der i m Jahre 1900 einer Entscheidung des Reichsgerichts zugrundelag und hier etwas vereinfacht wiedergegeben w i r d 5 3 : Eine Frau versucht, ihren Ehemann durch einen bestimmten Gebrauch des „7. Buches Moses" vom Teufel holen zu lassen. — Hingegen sollen Fälle wie die i n diesem Kontext traditionell erwähnten Versuche des Tötens mittels Vergiftens durch Zucker und des Abtreibens mittels Lutschens von Himbeerbonbons 54 durch den Begriff des irrealen Versuchs nicht erfaßt werden. Was unterscheidet sie vom „abergläubischen" Versuch? Die wesentliche Diskrepanz wurde eben schon angedeutet, soweit bezüglich des „abergläubischen" Versuchs von nichtempirischen Vorstellungen die Rede war, die m i t der jeweiligen Handlung gekoppelt sind. Der Täter w i l l sein Ziel „ m i t Hilfe überirdischer oder gespenstischer Mächte" 5 5 erreichen. Er hält es für möglich, durch „Übersinnliches" oder „Übernatürliches" Einfluß auf die kausalen Abläufe i n dieser Welt zu nehmen. Stellt man sich einmal vor, daß der gerade erwähnte Feuerbachsche „Totbeter" — von seiner A k t i o n nach Hause zurückkehrt — erfährt, daß der Nachbar vor kurzem plötzlich tot umgefallen sei, so w i r d man ihn nicht davon überzeugen können, daß dieses Ereignis nicht Folge seines Handelns gewesen sei — ja, man w i r d sogar auf eine Diskussion m i t dem „Täter" verzichten, weil man über nichts verfügt, womit sich für die Richtigkeit der eigenen Auffassung argu51

Diese Aufzählung nach v. Liszt/Schmidt, S. 314. Feuerbach, S. 46. 53 RGSt 33, 321 ff. 54 Vgl. ζ. B. Stratenwerth, Rn. 691. — Da es uns u m allgemeine Strukturen geht, braucht hier nicht weiter zu interessieren, daß die versuchte Eigenabtreibung nicht mehr unter Strafe steht (§ 218 I V 2). 55 Schmidhäuser, Rn. 15/44. 52

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mentieren läßt. Worüber sollte man denn sinnvoll streiten? Kennzeichnet es doch gerade den Bereich von Metaphysik und (Aber-)Glauben. daß Verifikation und Falsifikation nicht möglich, empirische Testverfahren nicht vorhanden sind 5 6 . Gerade i n diesem Punkt liegen die Dinge bei den Versuchsbeispielen, die hier dem abergläubischen Handeln gegenübergestellt werden, prinzipiell anders. Das dürfte auch ohne weitere wissenschaftstheoretisch fundierte Überlegungen einleuchten. Wenn jemand einen anderen etwa vergiften und töten w i l l , zu diesem Zweck Zucker verabreicht und wenn das „Opfer" tatsächlich nach dem Zuckergenuß stirbt, so kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, den Handelnden davon zu überzeugen, daß der Betreffende nicht am Zuckergenuß gestorben ist. I m Unterschied zum Fall des „Totbetens" kann hier demonstriert werden, daß die vom Handelnden als wirksam präsumierten Kräfte den Eintritt des Ereignisses nicht beeinflußten. Und falls nicht gerade grob unverständig (§ 23 III) gehandelt wurde, also der Agierende ζ. B. Gift- und Zuckerbehälter lediglich verwechselt hatte, bedarf es nur des Hinweises auf die tatsächlich benutzte Substanz, um dem „Täter" klar zu machen, daß er m i t dem Tod seines „Opfers" nichts zu tun hat. Der Vergleich zeigt die prinzipielle Diskrepanz auf, die zwischen den Fällen des abergläubischen und den eben behandelten des nicht-abergläubischen Versuchens besteht. Dem widerspricht auch nicht die Tatsache, daß Sachverhalte denkbar sind, bei denen die Einstufung als Aberglaube zweifelhaft ist 5 7 . Jedoch bleibt zu fragen, welchen Sinn es überhaupt hat, den Begriff des irrealen Versuchs zu bilden, und warum ihm zwar die spezifisch abergläubischen Verhaltensweisen, aber ζ. B. nicht Fälle wie derjenige des auf Tötung gerichteten Vergiftungsversuchs m i t Zucker unterzuordnen sind 5 8 . 56 Vgl. dazu McCormick/Thalberg, Dialogue 6, pp. 43 - 44, die folgendes nichtrechtliches Beispiel diskutieren: Ende August zelebriert ein M a n n bestimmte Riten auf einem Badestrand. Er versucht dadurch, das Sommerwetter auch den Herbst über andauern zu lassen. Tatsächlich ist das Wetter i n dem darauf folgenden Herbst f ü r diese Jahreszeit außergewöhnlich milde. — I m übrigen zeigt die Argumentation oben i m Text, daß es sinnlos wäre, i n nerhalb des abergläubischen Versuchs nach Gefährlichkeit u n d Ungefährlichkeit des Handelns zu fragen (wer wollte das beantworten?). Von daher ist auch Gössels Differenzierung (in G A 1971, S. 229, 233 f.) zwischen „tauglich-irrealem" u n d „untauglich-irrealem" Versuch, wobei n u r der letztgenannte schließlich als „irrealer Versuch" bezeichnet w i r d , abzulehnen. 57 Dazu siehe Stratenwerth, Rn. 692. 58 Diese Begriffseinteilung findet sich etwa auch bei: Gössel, G A 1971, S. 233 f., u n d Maurach/Gössel, Straf recht-AT 2, S. 32 f.; ferner Blei, Strafrecht I S. 207; Dreher/Tröndle, § 23, Rn. 5; Jescheck, S. 431; Jürgen Meyer, ZStW 87, S. 618; R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 19 f.; Rudolphi, SK StGB, § 22, Rn. 34 f.; Schönke/Schröder/Eser, § 23, A n m . 13. Anders: Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 29; Otto, Grundkurs Straf-

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Die erste Teilantwort ist vorgezeichnet und lautet: Der irreale Versuch stellt — obgleich Fall einer Intention i m Handeln — kein Versuchsdelikt dar. — Sie ist i m folgenden (unter 1.) auf der Grundlage unserer Versuchsdeliktstheorie zu begründen. I m 2. Abschnitt werden dann verbreitete Begründungsvorschläge anderer Konzeptionen des Versuchsdelikts kritisiert, die auf die gestellte Frage ebenfalls diese Antwort geben. — Die zweite Teilantwort und damit das vollständige B i l d unseres Lösungsvorschlages kann nicht geliefert werden, bevor nicht die Gründe für die Straflosigkeit irrealen Versuchens dargetan sind. Welche Gesichtspunkte nun Fälle wie z.B. den Vergiftungsversuch mittels Zucker überhaupt in eine gewisse Nähe zum irrealen Versuchen rücken und welche Möglichkeiten sich daraus für das Verständnis der Strafzumessungsregel des § 23 I I I eröffnen, w i r d erst i m 12. Kapitel dieser Abhandlung erörtert werden. Die Begründung der These von der Nicht-Strafwürdigkeit des irrealen Versuchs können w i r nicht eher i n Angriff nehmen, bevor nicht mindestens eine weitere Variante dieser Versuchsform benannt ist. Denn unsere Überlegungen gingen davon aus, daß es sich bei „Irrealität" und „Aberglauben" nicht u m Synonyme handle 5 9 . A n dieser Stelle ist die Fallgestalt wieder aufzugreifen, die bereits oben (Kap. 9, Anm. 88) unter dem Aspekt des Gefährdungs-Versuchsunwerts behandelt wurde und i n der eine objektive Zurechenbarkeit, falls „Vollendung" vorläge, nicht bejaht werden dürfte 6 0 . Wenn ζ. B. jemand versucht, einen anderen i m Gewitter dem Blitzschlag auszusetzen und ihn so zu töten, dann stellt das offenkundig keinen abergläubischen Versuch dar — es sei denn, der Versuchende betet den „Donnerer" an, Blitze auf den zu Tötenden zu schleudern. Sollte das „Opfer" durch einen Blitz erschlagen werden, so ist insofern eine Kausalität wissenschaftlich begründet konstatierbar, als die Person nicht gestorben wäre, wenn der „Täter" recht-AT, S. 230 ff.; ebenfalls zu Dohna, Güterbock-Fg, S. 58 ff., m i t der Differenzierung zwischen „nomologischem" u n d „ontologischem" I r r t u m (ähnlich auch Egon Schneider, G A 1955, S. 268). 59 Siehe oben, S. 202. 60 Vgl. auch Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 31 f.; Gössel, G A 1971, S. 234, u n d Egon Schneider, G A 1955, S. 265 f. (allerdings unter dem Oberbegriff „abergläubischer Versuch"). — Soweit Gössel, aaO, und i n Maurach/ Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 29, dem Begriff des irrealen Versuchs auch die Konstellation zuschlägt, i n der „die auf einer spiritistischen Sitzung herbeizitierte A h n f r a u " beschossen w i r d , ist dem nicht zuzustimmen. Das Versuchsdelikt des § 212 ist nicht an eine bestimmte Tatsituation gebunden (siehe oben i n diesem Kapitel, Abschn. I 1) u n d „Schießen, u m einen Menschen zu töten" ein durchaus reales, w e n n auch i n concreto ungefährliches M i t t e l (m. E. spricht nichts dagegen, auch dort ein bestimmtes Mittel für eingesetzt zu halten, wo es — objektiv — k e i n M i t t e l gibt, den verfolgten Zweck zu erreichen). Für den geschilderten F a l l w i r d allerdings zu fragen sein, ob — k a u m vorstellbar — tatsächlich ein auf einen lebenden Menschen gerichtetes W i l lensziel vorhanden ist.

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sie nicht ins Gewitter geschickt hätte 6 1 . Damit ist auch schon die Differenz zu den bisher i n diesem Abschnitt dem abergläubischen Versuch gegenübergestellten Fällen deutlich vor Augen geführt: Durch L u t schen von Himbeerbonbons kann eine Schwangerschaft keinesfalls zu Ende gehen, aber durch einen Blitzschlag ein Mensch durchaus sterben. Warum w i r einen Fall wie den zuletzt genannten ebenso behandeln wie das abergläubische Versuchen, also dem Begriff des irrealen Versuchs unterordnen, muß sich i m folgenden zeigen. 2. Die Nicht-Strafwürdigkeit des irrealen Versuchs gemäß der hier vertretenen Konzeption des Versuchsdelikts Die Argumentation hat auszugehen vom oben (Kap. 9, Abschn. I I 1) entwickelten Begriff des Zielunwerts. Die strafrechtlich relevante Intention wurde dort ein „Pfeil des Bösen" genannt, um die spezifische Form von Bedrohlichkeit, welche dieser Intention zuzuschreiben ist, zu veranschaulichen. Die Strafrechtsordnung nimmt die Intention ernst und macht sie zum Gegenstand von Unrechtsbegründungen. Die knappe Repetition zum wesentlichen Gehalt des Zielunwertgedankens weist bereits den richtigen Weg, das Problem des irrealen Versuchs zu lösen: Eine Intention, die in dem Sinne abergläubisch motiviert ist, daß der vom Handelnden i n concreto hergestellte MittelZweck-Zusammenhang und die Richtung seines Handelns durch diesen Aberglauben getragen und bestimmt werden, vermag man — von der Frage nach einem möglichen Unrecht geleitet — nicht ernst zu nehmen 62 . 81

Demgegenüber enthielte sich die Wissenschaft i n der oben gebildeten Variante eines abergläubischen Versuchs der Stimme dazu, welchen Einfluß das an Zeus gerichtete Gebet auf das Geschehen hatte. — Eine wiederum andersartige S t r u k t u r weist der Sachverhaltstyp auf, wo z. B. jemand einen anderen i n objektiv zurechenbarer Weise tötet, aber glaubt, der Erfolgseint r i t t sei auf „irreale Einflüsse" zurückzuführen. Soweit es u m das V o l l endungsdelikt geht, stellt sich m. E. i m Rahmen der Erörterung des T a t bewußtseins die Frage, ob der Täter die Tatumstände kannte, die den Tatverlauf möglich machten u n d die zum Zurechnungsurteil geführt haben. Ist das der Fall, bestehen keine Bedenken, seine zusätzlichen Vorstellungen bezüglich „irrealer Einflüsse" f ü r nicht beachtlich zu erklären, also unerheblichen I r r t ü m e r n gleichzusetzen. F ü r einen etwaigen Versuch ist daraus zu folgern, daß es sich u m ein Versuchsdelikt (Gefährdungsunwert) u n d nicht u m strafloses irreales Versuchen handeln würde (vgl. auch Gössel, G A 1971, S. 233 f.; eine andere Sicht bei Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 34 f., der allerdings Beispielsfälle wählt, die gemäß der hier vertretenen Auffassung ohneh i n nicht als irreale Versuche i n Betracht kommen, u n d der sich m. E. unzutreffenderweise auf Engisch, Untersuchungen über Vorsatz u n d Fahrlässigkeit i m Straf recht, S. 168, beruft, dessen Exempel nämlich offenbar so gebildet sind, daß der Täter die Umstände, die zur Gefahr führen, nicht kennt). 62 Vgl. Stratenwerth, Rn. 689, der das Nichternstnehmen allerdings nicht i n Relation setzt zur Intention, sondern zum „offensichtlich untaugliche(n) V e r such", u n d — m i t ganz anderen Prämissen — Fiedler, Vorhaben u n d Versuch i m Strafrecht, S. 85, 100, 106 f.

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Weil die für die Strafwürdigkeit zentrale Bedrohlichkeit der Intention fehlt, verbietet sich die Annahme eines Versuchsdelikts. Diese Argumente gelten i m Kern auch für die nicht-abergläubische Variante des irrealen Versuchs. N u r beziehen sich dort die Vorstellungen des Handelnden 63 auf eine „Beherrschbarkeit des Kausalverlaufs" 6 4 , die ungeachtet dessen, ob der Erfolg tatsächlich durch die Versuchshandlung verursacht wird, prinzipiell nicht gegeben ist. Wo sich lediglich allgemeines Lebensrisiko realisieren, ein Ereignis bloß zufällig eintreten kann, der Handelnde innerhalb des konstituierten Mittel-Zweck-Zusammenhangs also von vornherein gar nicht i n der Lage ist, ein spezielles Risiko zu schaffen oder zu erhöhen, sollte man auch die vorhandene Intention nicht ernst nehmen 65 . — Von daher kann gesagt werden, daß sich der irreale Versuch durch eine unsinnige, lächerliche, nicht besorgnis-, sondern mitleiderregende Intention 6 6 auszeichnet — eine Bewertung, die nicht Konsequenz eines isolierten Abstellens auf die jeweilige Intention (ζ. B. auf einen Tötungswillen) sein kann, sondern eines Heranziehens des gesamten jeweiligen Mittel-Zweck-Konnexes und der i h n tragenden Vorstellungswelt bedarf (ζ. B. w i l l jemand einen anderen töten, indem er Geister beschwört). Diese „Gesamtschau" macht die Beurteilung der als unwerthaft in Betracht kommenden Intention (ζ. B. zu töten) aus. Als entscheidender Punkt unserer Überlegungen zeigt sich, daß sie die Problematik des irrealen Versuchs über den Begriff des Zielunwerts lösen und nicht an den äußeren Aspekt einer Versuchshandlung anknüpfen, wie das bei der (unter 2.) noch näher zu behandelnden „Eindruckstheorie" der Fall ist 6 7 . Der Grundgedanke der hier entwickelten Ansicht kann ferner dadurch erhellt werden, daß man dem Begriff des Wollens den Begriff des Wünschens gegenüberstellt 68 . Das bedeutet nicht, daß w i r die Mei83 Solche Vorstellungen müssen — w i e sich zeigt — i n den Fällen des irrealen Versuchs zur Interpretation u n d Bewertung der Intention, die sie i n einem bestimmten Licht erscheinen lassen, herangezogen werden. 64 Jescheck, S. 231. — Vgl. Gössel, G A 1971, S. 234; Egon Schneider, G A 1955, S. 266 f.; Wessels, Strafrecht-AT, S. 41. 65 I n dieser A b h a n d l u n g k a n n nicht die Frage beantwortet werden, ob das K r i t e r i u m objektiver Zurechnung, das die Formulierungen oben i m T e x t beeinflußt, sachgerecht ist. ββ Vgl. den Gebrauch derartiger — allerdings nicht spezifisch auf die Intention bezogener — Prädikate z.B. bei Blei, Strafrecht I, S. 209; Bockelmann i n : Strafrechtliche Untersuchungen, S. 160; Gössel, G A 1971, S. 232; Lampe, Das personale Unrecht, S. 218; Maurach, Strafrecht-AT, S. 510; Mezger, S. 397; Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 231 f.; B G H L M Nr. 10 zu § 49 a StGB. 67 E i n gewisses Bestreben, den irrealen Versuch auf der Basis einer „subj e k t i v e n Versuchstheorie" auch i m „Subjektiven" zu bewältigen, w i r d etwa bei Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 47, deutlich: „ . . wählen w i r die innere Einstellung des Täters als Wertungsobjekt." 68 Z u r Unterscheidung dieser Begriffe siehe Anscombe, Intention, p.67; vgl. auch die Hinweise Stegmüllers, Wissenschaftstheorie, Bd. I, S. 399 u n d S. 400, A n m . 64.

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n u n g t e i l e n , nach d e r i n allen F ä l l e n des i r r e a l e n Versuchs e i n Z i e l u n w e r t (bzw. e i n „ V o r s a t z " ) deswegen a b z u l e h n e n sei, w e i l g a r k e i n W i l l e , ζ. B . zu t ö t e n , v o r l i e g e , s o n d e r n der H a n d e l n d e e i n e n T o d e s e r f o l g b l o ß h e r b e i w ü n s c h e 6 9 . G e w i ß i s t i n d e n j e w e i l s als i r r e a l e r V e r s u c h i n B e t r a c h t k o m m e n d e n F ä l l e n das V o r h a n d e n s e i n e i n e r I n t e n t i o n sorgsam z u p r ü f e n . A b e r es k a n n n i c h t v o n v o r n h e r e i n ausgeschlossen w e r d e n , daß I r r e a l i t ä t u n d I n t e n t i o n z u s a m m e n g e h e n 7 0 . U n d gerade f ü r d i e j e n i g e n Sachverhalte, die e i n e n i r r e a l e n i n t e n t i o n a l e n V e r s u c h beschreiben, s o l l der A s p e k t des Wünschens f r u c h t b a r gemacht w e r d e n 7 1 ! W i e sieht das i m e i n z e l n e n aus? — Es g e h t einfach d a r u m , das Wollen als Wünschen zu interpretieren, u n d , so möchte m a n m i t d e n B r ü d e r n G r i m m u n d d e m A n f a n g des M ä r c h e n s v o m „ F r o s c h k ö n i g " h i n z u f ü g e n , w i r l e b e n eben n i c h t m e h r i n d e n „ a l t e n Z e i t e n , w o das W ü n s c h e n noch g e h o l f e n h a t " 7 2 . D . h. d e m H a n d e l n d e n w i r d v o r d e m H i n t e r g r u n d 69 Freilich w i r d diese Meinung regelmäßig nicht i n dieser eindeutigen Weise formuliert; vgl. etwa v. Buri, ZStW 1, S. 205, u n d GS 40, S. 529; Frank, § 43, A n m . I I I , zweiter Absatz hinter 2.; Treplin, ZStW 76, S. 444; siehe ferner den Bericht Gössels, G A 1971, S. 229 f. Schmidhäuser, Rn. 15/45, lehnt n u r i m Falle des Wünschens das Versuchsdelikt ab u n d verweist dann, w e n n „der abergläubische Täter an eine unmittelbare kausale Beherrschung des Geschehens glaubt", auf die Strafzumessungsregel des § 23 I I I . Jedoch gebietet gerade der eine Rechtsgutsverletzung meinende Begriff des Zielunwerts eine andere, eben das Wesen des Unwerthaften einer Intention einbeziehende Betrachtungsweise, aus der dann das Ergebnis folgt, daß der irreale intentionale Versuch k e i n Versuchsdelikt darstellt. — Die Differenzierung Kuhrts, Die Grenzen der Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs . . . (Diss.), S. 58 ff., 62 ff., zwischen „passiv-abergläubischem" („Anstifterrolle" des Abergläubischen) u n d — wiederum unterteiltem — „aktiv-abergläubischem" Versuch greifen w i r schon deswegen nicht auf, w e i l der abergläubische Versuch ohneh i n generell straflos ist. 70 Vgl. Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 31 f.; Gössel, G A 1971, S. 230; K u h r t , Die Grenzen der Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs . . . (Diss.), S. 39 f., 67; Stratenwerth, Rn. 689; RGSt 33, 321 (322). 71 Z w e i geläufige Beispiele, i n denen der Täter jeweils die Tötungsintention besitzt: N. N. handelt m i t dem Ziel, seinen Feind „totzubeten". Er glaubt felsenfest, er sei dabei zu töten. — N. N. w i l l seinen Onkel zu einer Flugreise überreden, u m i h n zu beerben. B e i m Überreden glaubt er felsenfest, das Flugzeug werde abstürzen. 72 I n diese Richtung weist auch die vielzitierte Bemerkung Bockelmanns i n : Strafrechtliche Untersuchungen, S. 160 f.: „ W i r bestrafen die Zauberei nicht mehr, u n d daraus folgt, daß w i r auch die versuchte Zauberei nicht strafen dürfen. Dämonen anzurufen, die U n t e r w e l t zu beschwören oder den Zorn des Himmels auf einen anderen herabzuflehen, steht jedermann frei. Den Strafgesetzgeber geht nichts an, was der Böse zum I n h a l t seines Gebetes oder seines Fluches macht." Es sei aus unserer Sicht lediglich hinzugefügt, daß die oben i m T e x t betrachteten Handlungen, die m i t magischen oder abergläubischen Vorstellungen v e r k n ü p f t sind, durchaus als unmoralisch eingestuft werden können. Aber auf bloße Unmoral sollte man ein Strafwürdigkeitsurteil nicht stützen. Falls allerdings jemand i n diesem P u n k t anderer Ansicht ist, sollte er i m übrigen einen eigenen Straftatbestand z. B. der Zauberei fordern u n d nicht „versuchte Zauberei" z.B. als versuchten Totschlag pönalisieren.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. Kapitel:

der Frage nach einem Zielunwert das Wollen nicht als Wollen, sondern als Wünschen zugerechnet 78 ; sein Wille w i r d i n einem besonderen Licht gesehen. I h m soll damit die betreffende Intention aber nicht schlechthin abgesprochen werden. Gemeint ist lediglich, daß es an einer rechtlich relevanten Intention, am Ziel unwert fehlt und bloßes (unwerthaftes) „Wünschen" als unter rechtlichem Blickwinkel unerheblich außer Betracht bleibt. Aus diesem Grunde führt es auch i n die Irre, derartige Sachverhalte so zu charakterisieren, daß der Handelnde nicht versuche, etwas zu tun, sondern nur glaube, daß er versuche, etwas zu tun 7 4 . Abschließend ist noch festzuhalten, daß eine Kennzeichnung der Fälle, i n denen die Intention wie ein bloßer Wunsch behandelt, eine Rechtsgutsverletzung also abgelehnt wird, deskriptiv keine Geltung für alle Gesellschaften i n Vergangenheit und Gegenwart beansprucht. So berichtet Jescheck75, daß die versuchte Tötung durch Zaubermittel die ländliche afrikanische Bevölkerung aufs tiefste beunruhige. Von unserem Ansatz her muß allerdings betont werden, daß die zeit- und ortsgebundene Relativität von Ansichten über Irreales, also der jeweilige Glaube und Aberglaube einer Gesellschaft, nicht hinsichtlich (möglicher) sozialpsychischer Wirkungen der einzelnen Handlung interessiert, sondern unter dem Aspekt gesehen wird, daß sich die Bewertungen von Intentionen faktisch ändern können. Die Antwort einer Rechtsgemeinschaft auf die Frage, was als vom Handelnden konstituierter MittelZweck-Zusammenhang ernst zu nehmen sei, ist ebenso der Wandlung unterworfen wie sie von derjenigen einer anderen Rechtsgemeinschaft zu divergieren vermag. 2. Über die „Eindruckstheorie" I m folgenden sollen die entscheidenden Vorzüge der hier vertretenen, dem Intentionsbegriff und dem Strafwürdigkeitsprinzip Rechnung tragenden Betrachtungsweise vor allem gegenüber der „herrschenden Eindruckstheorie" 76 aufgezeigt werden. Dabei kann die „Eindruckstheorie" 73 Diese Sicht ist angedeutet bei v. Buri, GS 40, S. 529: „ . . . es k a n n darum auch seiner Absicht lediglich die Bedeutung eines Wunsches beigelegt w e r den." Der objektivierte Maßstab, der an Wünschen u n d Wollen angelegt w i r d , scheint auch durch i n einer Äußerung Wessels', Strafrecht-AT, S. 123: „Was sich n u r herbeiwünschen läßt, k a n n m a n nicht verwirklichen wollen." — Offenkundig ergibt sich eine gewisse Parallele zu unseren Ausführungen oben, S. 151, nach denen (umgekehrt) unter bestimmten Prämissen ein NichtWollen als „Wollen" zurechenbar ist. 74 Diese D i s t i n k t i o n w i r d angesprochen v o n McCormick/Thalberg, Dialogue 6, p. 43. Hruschka hat bei seinem oben, Kap. 8, A n m . 90, behandelten Differenzierungsvorschlag (Strukturen der Zurechnung, S. 59) nicht speziell den irrealen Versuch i m Blick. 75 S. 431, A n m . 12. 78 Vgl. n u r die Hinweise bei Jescheck, S. 429, u n d Roxin, JuS 1979, S. 1.

II.2. Die „Eindruckstheorie"

209

i n diesem Kontext selbstverständlich nur insoweit Gegenstand der K r i t i k sein, als sie zum Problem des irrealen Versuchs Stellung nimmt. Es w i r d nicht verkannt, daß sie sich als eine umfassende Konzeption des Versuchsdelikts versteht, also den Anspruch erhebt, aus ihrem dogmatischen Gehalt seien auch für andere Probleme im Rahmen des vom Versuchsdelikt aufgeworfenen Fragenkomplexes Lösungen ableitbar 7 7 . Jedoch w i r d man der Ausgangsidee der „Eindruckstheorie" wohl gerecht, wenn man sie als Modifikation einer auf dem juristischen Vorsatzbegriff basierenden „subjektiven Versuchstheorie" versteht und diese Modifikation nicht zuletzt m i t dem Anliegen i n Verbindung bringt, i n den Fällen des irrealen Versuchs ein Versuchsdelikt zu verneinen 78 . Zunächst gilt es, sich den Kerngedanken der „Eindruckstheorie" vor Augen zu führen. Das ist allerdings keine leichte Aufgabe, weil die Verfechter dieser Theorie oftmals selbst schwer tun, ihre Sicht i n w ü n schenswert klarer Weise zu entfalten. Das führt dann auch dazu, daß der Unterschied zwischen der „Eindruckstheorie" und anderen zur Strafbarkeitsbegrenzung vertretenen Ansichten, insbesondere den „subjektiven Gefährlichkeitstheorien" häufig nicht recht deutlich wird. M. E. ist es zweckmäßig, sich dem Spezifikum der „Eindruckstheorie" so zu nähern, daß man die Differenz zu der oben (Kap. 9, Abschn. I I 2) gemeinten, als geeigneter Anknüpfungspunkt eines unrechtsbegründenden Unwerturteils bezeichneten Gefahr hervorhebt. Ging es dort um eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt, geht es hier (für die „Eindruckstheorie") um eine Beeinträchtigung der Rechtsordnung schlechthin. Die „Eindruckstheorie" postuliert 7 9 , daß eine strafbare Versuchshandlung (im Gegensatz zum straflosen irrealen Versuch) geeignet sein müsse, das „Vertrauen der Rechtsgemeinschaft i n den Rechtsfrieden" zu erschüttern 80 , „Rechtsfrieden" oder „Rechtssicherheit" zu gefährden, zu stören oder zu erschüttern 81 ; die empirische „Geltung" der Rechtsordnung überhaupt 8 2 müsse i n Frage gestellt, die „Beeinträchti77 Z u r Angabe dieser Problembereiche siehe etwa Jescheck, S. 416, 430; Roxin, JuS 1979, S. 1; Stratenwerth, Rn. 688. 78 Vgl. Busch, L K StGB, 9. Aufl., § 43, Rn. l a . E . ; Lackner, § 22, A n m . 2 b; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 18; Rudolphi, SK StGB, v o r § 22, Rn. 13; Schmidhäuser, Rn. 15/18, 40, Anm. 29; Stratenwerth, Rn. 688. 79 Ihre historischen Wurzeln sind zu finden bei v. Bar, Gesetz u n d Schuld i m Straf recht, Bd. I I , S. 490 f., 527 ff.; A r n o l d Horn, ZStW 20, S. 342 ff., 357. (Siehe ζ. B. den Hinweis bei Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 33.) 80 Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 65. Siehe ferner Busch, L K StGB, 9. Aufl., § 43, A n m . 1; Jescheck, S. 429; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 18; Jürgen Meyer, ZStW 87, S. 604; Rudolphi, SK StGB, v o r § 22, Rn. 13. 81 Blei, Strafrecht I, S. 209, Burgstaller, JB1 1969, S. 529 f., u n d JB1 1976, S. 122; Jürgen Meyer, ZStW 87, S. 604; Roxin, JuS 1979, S. 1; Rudolphi, SK StGB, vor § 22, Rn. 13. 82 Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 23.

14 A l w a r t

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. K a p i t e l :

gung des Gefühls gesicherten Rechtsfriedens" als „Schaden für die Gemeinschaft" herbeigeführt sein 8 3 ; die Lehre leite sich aus dem generalpräventiven Zweck staatlichen Strafens ab 8 4 . U m die „Eindruckstheorie" richtig zu verstehen, muß man sich klarmachen, daß es niemals darum gehen kann, einen faktischen „rechtserschütternden Eindruck" i m Einzelfall festzustellen, und zwar weder zur Tatzeit (Straftaten werden i n der Regel ohnehin heimlich verübt), noch i m Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung. Eine bestimmte sozialpsychologische Messung als Prämisse für das Vorliegen eines strafwürdigen Versuchs zu fordern, wäre auch extrem unplausibel, und zwar keineswegs nur wegen der hier naheliegenden inkonsistenten Ableitung eines Sollens aus einem Sein. — Leider w i r d dieser Umstand von den Vertretern der „Eindruckstheorie" nur selten eigens betont 8 5 . Die kritischen Einwände gegen die referierten Thesen liegen nicht fern: Obwohl die Beeinträchtigung der Rechtsordnung als solcher Strafwürdigkeitskriterium sein soll, lautet der Vorschlag nicht, wegen ihr zu strafen, sondern wegen der spezifischen Rechtsgutsverletzung, auf die sich der Versuch bezieht, also ζ. B. wegen versuchten Totschlags, versuchter Sachbeschädigung, etc. Richtigerweise sollten die Strafwürdigkeitsüberlegungen aber auf die jeweilige Rechtsguts Verletzung der einzelnen Versuchs-Straftaten bezogen sein 86 . — Ferner läßt die „Eindruckstheorie" völlig unerörtert, ob es angebracht ist, den Aspekt der Generalprävention, der i m Rahmen der straftheoretischen Analyse bekanntlich auf die Institution Strafe als solche bezogen wird, heranzuziehen, um spezielle strafrechtsdogmatische Probleme des Versuchsdelikts zu lösen 87 . A u f der Basis welcher empirischen Hypothesen bezüglich welcher Folgen möglicher Bestrafung oder Nichtbestrafung von Versuchstaten befindet man sich überhaupt? Wenn man einmal zugrundelegt, daß ein genereller Verzicht auf die Bestrafung ungefährlichen Versuchens (im Sinne von oben, Kap. 9, Abschn. I I 2) keinen verheerenden Einfluß auf die Generalprävention haben kann (der Handelnde selbst hält das Versuchte ja stets zumindest für möglich!), müßte 83

Jescheck, S. 429. Blei, Strafrecht I, S. 209; Jescheck, S. 429. 85 H e l l m u t h Mayer, Strafrecht (1953), S. 288, interpretiert die „Eindruckstheorie" i n seiner K r i t i k an i h r so, daß diese eine „tatsächliche psychologische W i r k u n g " f ü r den strafbaren Versuch voraussetze. — M i t gebotener K l a r h e i t Blei, Strafrecht I, S. 209: Es sei nicht „ a n den tatsächlichen Eindruck i m E i n zelfall gedacht", sondern es komme darauf an, „ob die Tat geeignet" sei, einen rechtserschütternden Eindruck zu bewirken. 86 Vgl. die K r i t i k e n Burkhardts, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 56, A n m . 31, S. 71, u n d Reinhard v. Hippels, Untersuchungen über den Rücktritt v o m Versuch, S. 3 f. 87 Siehe auch die Bedenken Burkhardts, aaO, S. 71 f., u n d unsere grundsätzlichen Hinweise oben, S. 62 f. 84

II.2. Die „Eindrucks theorie"

211

dann nicht — wenn man schon „kriminalpolitisch" argumentiert — sogar (über die „Eindruckstheorie" hinausgehend) die völlige Straflosigkeit des ungefährlichen Versuchens gefordert, also eine „objektive Versuchstheorie" vertreten werden 88 ? M i t diesem Postulat führte sich die „Eindruckstheorie" allerdings selbst ad absurdum. — I m übrigen vermag sie nicht i n einleuchtender Weise m i t der — gerade erwähnten — Versuchsart fertig zu werden, i n der ein Rechtsgutsobjekt gefährdet wird. Zwar ist das Anliegen der „Eindruckstheorie" der Einbau „objektiver" Elemente i n die „subjektive" Ausgangsposition 89 , aber — wie gezeigt wurde — geht es dabei gerade nicht um den Fall einer Rechtsgutsobjektsgefahr. Von daher „kommt" diese in concreto allenfalls „hinzu" 9 0 , ohne aber notwendige oder hinreichende Bedingung der Strafwürdigkeit und Strafbarkeit eines Versuchs sein zu können. Die handfeste Rechtsgutsobjektsgefahr soll also für den Begriff des Versuchsdelikts irrelevant sein, während die fragwürdige „Erschütterung der Geltung der Rechtsordnung" als Strafwürdigkeitskriterium vorgeschlagen wird. Als Programm der heute verbreiteten „Eindruckstheorie" war soeben die „objektive" Korrektur eines prinzipiell „subjektiven" „Versuchs"Konzepts bezeichnet worden. Jedoch verwischen deren Vertreter häufig den Unterschied zu den verschiedenen Spielarten „subjektiver Gefährlichkeitstheorien", nämlich wenn sie darauf hinweisen, daß der „rechtserschütternde Eindruck" Ausdruck eines gefährlichen Willens sei 91 . Eher verwirrend als klärend ist auch der Gebrauch des Terminus „abstrakte Gefahr" i n diesem Kontext. I h n verwenden die Anhänger sachlich divergierender Strafwürdigkeitskriterien gleichermaßen, um zu behaupten, daß nur wegen desjenigen konkret ungefährlichen Versuchs gestraft werden sollte, der „abstrakt gefährlich" sei 92 . Es muß hier ge88 I n den obigen Sachzusammenhang sei folgende Bemerkung Reinhard v. Hippels, JR 1978, S. 399, A n m . 7, gestellt: „Der Nachweis . . . der k r i m i n a l politischen Entbehrlichkeit der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs wäre sowohl als argumentative Absicherung einer ζ. Z. nicht benutzten Entscheidungshypothese w i e f ü r den Gesetzgeber bemerkenswert interessant." 89 Vgl. Blei, Strafrecht I, S. 208 f.; Jescheck, S. 416; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 18; Rudolphi, SK StGB, vor § 22, Rn. 13. 90 Siehe das Jescheck-Zitat oben, S. 178. — Vgl. auch R o x i n JuS 1979, S. 1 (Abschn. I a. E.), wo sogar der Anschein erweckt wird, als meine das „ O b j e k t i v e " der „gemischt subjektiv-objektiven Eindruckstheorie" die Rechtsgutsobjektsgefährdung, u n d Sax JZ 1976, S. 433. 91 Vgl. z. B. Jescheck, S. 429: „Maßgebend f ü r die Strafbarkeit des Versuchs ist der rechtsfeindliche W i l l e des Täters, jedoch nicht als Erscheinung für sich, sondern i n seiner W i r k u n g auf die Gemeinschaft verstanden." M a n darf eine so formulierte „Eindruckstheorie" vielleicht i n der Weise interpretieren, daß sich die „Rechtsfeindlichkeit" des „Täterwillens" nicht n u r auf einzelne Rechtsgüter, sondern auch auf die „Geltung der Rechtsordnung als solche" beziehe. 92 Vgl. sowohl Schönke/Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 23, als auch Stöger,

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 10. Kapitel:

nügen, diesen Sprachgebrauch als solchen zu erwähnen; ob der Aspekt der „abstrakten Gefahr" i n diesem Sachzusammenhang überhaupt sinnvoll fruchtbar gemacht werden kann, bleibt dahingestellt^ 3 . Beschreitet jemand den Weg, das „objektive Eindrucks "-Element schlicht ins Subjektive zu projizieren 9 4 , dann behalten alle gegen die „Eindruckstheorie" vorgetragenen Einwände ihre Gültigkeit. Allerdings wäre es immerhin konstruktiv vorteilhaft, wenn eine sich als „rein subj e k t i v " verstehende „Versuchstheorie" auch i m Hinblick auf den irrealen Versuch den „subjektiven" Ansatz beibehalten könnte. Jedoch erscheint schleierhaft, wie man den „Willen" sachgerecht i n Relation setzen soll zur „Geltung der Rechtsordnung als solcher". Welche Funktion behielte i m übrigen der „„rechtsfeindliche Wille" als — auf den jeweiligen „objektiven Tatbestand" bezogener — „Vorsatz" für die A n t w o r t auf die Frage nach dem Strafgrund des Versuchsdelikts 95 ? Einen i m Vergleich zur „ Eindruckstheorie" wesentlich anderen Akzent setzt diejenige „subjektive Gefährlichkeitstheorie", die i n ihren Uberlegungen ausschließlich auf die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts und nicht auf die Rechtsordnung als solche abhebt 96 . Innerhalb dieser Konzeption sind zwei fundamental verschiedenartige Ansichten scharf zu trennen. Zum einen geht es um eine spezialpräventiv ausgerichtete täterbezogene „Gefährlichkeitstheorie", die den „verbrecherischen Willen" als einen „über die Einzeltat hinaus relevanten Faktor" begreift 9 7 . Gerade das verbietet sich aber i m Hinblick auf die anerkenVersuch des untauglichen Täters, S. 68, sowie Cramer, Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt, S. 64, u n d Engisch, JuristentagsFs, Bd. I, S. 435. 03 Z u r K r i t i k s. etwa Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 86 f. 94 So ist w o h l die Rechtsprechung zu verstehen; vgl. die Darstellung bei Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 31 f., u n d z.B. folgende Entscheidungen: RGSt 1, 439 (443); B G H S t 11, 324 (325 f.). 95 Die Bedenken treffen diese Position selbstverständlich auch dann, wenn sie unter der Bezeichnung „Eindruckstheorie" vertreten w i r d (siehe oben, A n m . 89). — Von der Basis der „Eindruckstheorie" aus betont Burgstaller, JB1 1976, S. 122, A n m . 63, daß sich der „Vorsatz des Täters" auf das „objektive Moment" des „rechtserschütternden Eindrucks" nicht zu beziehen brauche. 96 U n k l a r Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 65, wo die „Eindruckstheorie" f ü r richtig gehalten u n d gleichzeitig Übereinstimmung m i t Sax, J Z 1976, S. 432 f., erklärt w i r d , der aber als Strafwürdigkeitskriterium gerade den Bezug zu einem bestimmten Rechtsgut fordert. — Bei Sax bleibt unklar, i n welchem Sinne er beim „untauglichen Versuch" von einer „objektiven Rechtsgutsgefährdung" (Hervorhebung v o m Verf.) spricht (JZ 1976, S. 433). Soweit Sax Schmidhäusers Rechtsgutsbegriff kritisiert, muß auf eine nähere Diskussion verzichtet werden (vgl. schon oben, Kap. 9, A n m . 12). Hier n u r folgende Frage: W a r u m soll ein Rechtsgut nicht dadurch verletzt sein können, daß ein Rechtsgutsobjekt gefährdet ist? 97 Kohlrausch/Lange, vor § 43, A n m . I I I 2; vgl. etwa auch Stöger, Versuch des untauglichen Täters, S. 53 ff.

II.2. Die „Eindruckstheorie"

213

nenswerten Prinzipien des Tatstrafrechts 9 *. Außerdem führte eine konsequente 99 Applikation dieser Auffassung zu Ergebnissen, die aus unserer Sicht abzulehnen sind: Sollte ζ. B. ein „Totbeter" deswegen für sein Tun bestraft werden, w e i l alle Aussicht besteht, daß er irgendwann zu wirksamen Mitteln greifen werde, um sein Ziel zu erreichen 100 ? — Zum anderen ist die Sicht gemeint, welche die „Gefahr" hervorhebt, „die i n einem Wollen steckt, das ein Rechtsgut der fraglichen A r t zu attackieren bereit w a r " 1 0 1 . Hier scheint m i r — abgesehen vom vorausgesetzten Vorsatzbegriff — lediglich ein terminologischer Unterschied zu der oben (Kap. 9, Abschn. I I 1) dargestellten Theorie vom Zielunwert und deren Anwendung auf die Problematik des irrealen Versuchs zu bestehen 102 . Zum Abschluß sei zusammenfassend gesagt, daß die an den Begriffen „Intention" und „Zielunwert" orientierte Frageweise ermöglicht, auch die Versuchsform des irrealen Versuchs konsistent und ohne Zuhilfenahme besonderer, nicht schon von vornherein i n die Konzeption des Versuchsdelikts eingegangener Kriterien — entweder „objektiver" („Eindruckstheorie") oder „subjektiver" Natur („subjektive Gefährlichkeitstheorien") — i n den Griff zu bekommen. Vielleicht kann unsere Theorie sogar beanspruchen, eine kritische Rekonstruktion der normativen Uberzeugungen darzustellen, die i n den anderen diskutierten Theorien 1 0 3 gewissermaßen i m „falschen Gewand" erscheinen und dort zu immanenten Widersprüchlichkeiten Anlaß geben.

98 Z u r K r i t i k dieser „Gefährlichkeits theorie" siehe Burkhardt, Der „Rückt r i t t als Rechtsfolgebestimmung, S. 81 ff.; Salm, Das versuchte Verbrechen, S. 132 ff. 99 Bei Kohlrausch/Lange, v o r § 43, A n m . I I I 4 b, w i r d jedoch ganz generell Straflosigkeit für die oben folgende Sachverhaltskonstellation angenommen. 100 Vgl. Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 35 f. Z u m Verhältnis der Aspekte „Spezialprävention" u n d „Wiederholungsgefahr" siehe auch Stöger, Versuch des untauglichen Täters, S. 58. — Vgl. die von Gössel, G A 1971, S. 230, A n m . 32, zitierten einschlägigen Beispiele. 101 Engisch, Juristentags-Fs, Bd. 1, S. 435. Vgl. ferner Cramer, Der V o l l rauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt, S. 63 f.; w o h l auch Welzel, S. 193. 102 Soweit sich Engisch u n d Cramer, w i e A n m . 101, auf Kohlrausch/Lange berufen, w i r d irreführenderweise der Anschein einer sachlichen Übereinstimmung erweckt (so erwähnt etwa auch Jescheck, S. 416, A n m . 15, Engisch als Vertreter der „Tätertheorie"). Vgl. bzgl. Engisch den treffenden Hinweis bei Stöger, Versuch des untauglichen Täters, S. 64. Auch Burkhardt, Der „Rückt r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 82, weist auf Mißverständnisse i n diesem Bereich hin. Diese Mißverständnisse rühren m. E. daher, daß man die S t r u k turen m i t dem benutzten Rüstzeug letztlich nicht k l a r erfassen kann. 103 Die spezialpräventiv ausgerichtete Ansicht muß von dieser These ausgenommen werden, w e i l sie auf ganz anderen Fundamenten r u h t (Stichwort: „Täterstrafrecht").

11.

Kapitel

Eine Kritik der Ausgangspunkte verbreiteter Konzeptionen des Versuchsdelikts Es ist der Grundgedanke der Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens, an das Intentionale und/oder an das Gefährliche des jeweiligen Versuchshandelns anzuknüpfen, um so unrechtsbegründende Unwerturteile zu legitimieren. Beide Komponenten dieser Theorie lassen sich i n Zweifel ziehen, wobei der isolierte Zweifel an einer der beiden Komponenten jeweils zum Ausgangspunkt einer eigenständigen Konzeption des Versuchsdelikts werden kann. Zum einen ist es möglich, die These i n Frage zu stellen, daß — vom gefährlichen Versuchen einmal abgesehen — nur das intentionale und nicht auch das nicht-intentionale Versuchen strafwürdig sei. Diese K r i t i k w i r d den „Vorsatz" i m überkommenen juristischen Sinn als zentrales Unrechtsmerkmal des Versuchsdelikts ansehen, auf dem damit gelegten Grundstein eine „subjektive Versuchstheorie" errichten und es für ungerechtfertigt halten, aus dem Vorsatzbegriff, der außer der Intention eben auch die Gewißheitsvorstellung und den „dolus eventualis" umfaßt, die Intention quasi herauszubrechen und m i t genuin eigener Unrechtsrelevanz zu versehen. Eine derartige „Versuchstheorie", der ja prinzipiell auch die der „subjektiven" Ausgangsposition und dem Vorsatzbegriff verhaftete „Eindruckstheorie" zuzuordnen ist 1 , muß als das bezeichnet werden, was man i n der Jurisprudenz gern eine „herrschende Meinung" nennt. Schon (aber nicht nur) deswegen erschiene es unangemessen — getreu Binding —, die „sog. ,subjektive Versuchstheorie 4 , die das Gegenteil einer Versuchstheorie" sei, „da sie auch den Versuch zum Produkte unserer Einbildung" mache, auf sich beruhen zu lassen2. Zum anderen kann man jede Form „subjektiver" Unrechtsbegründung beim Versuchsdelikt für unsachgerecht halten. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder man verwendet denselben Gefahrbegriff wie die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens und beschränkt die K r i t i k an deren „objektiver" Komponente darauf, daß diese innerhalb dieser Theorie keine notwendige Bedingung des Versuchsdelikts darstellt. Oder aber man geht radikaler vor und baut die eigene „objektive Versuchstheorie" auf einen anderen Gefahrbegriff auf, indem man etwa ausschließlich das „adäquate"Versuchen als Versuchsdelikt behandelt. Zum Gegenstand unserer K r i t i k soll vorwiegend die zuletzt genannte Variante einer „objektiven Versuchstheorie" ge1 2

Vgl. oben, S. 209. Binding, Normen I, S. 376, A n m . 11.

I. K r i t i k der subjektiven Versuchstheorie

215

macht werden. Sollte die heute „herrschende" Strafrechtsdogmatik je einmal von der „subjektiven Versuchstheorie" Abschied nehmen, dann w i r d sie sich wohl am ehesten einer i n dieser Weise konzipierten „objektiven Versuchstheorie" anschließen wollen — jedenfalls solange die Bindung an den tradierten Vorsatzbegriff übermächtig ist. Vielleicht kann eine derartige Konzeption des Versuchsdelikts i m jetzigen Stadium der wissenschaftlichen Entwicklung m i t einer häufig benutzten Floskel als die „ i m Vordringen befindliche" Auffassung bezeichnet werden. Es wäre vermessen, m i t den folgenden wenigen Überlegungen der Gesamtproblematik des Unrechtsbegriffs, um den es ja letztlich geht, gerecht werden zu wollen. Aber ein solcher Anspruch soll hier auch nicht erhoben sein. Nicht einmal die Einzelprobleme des Vorsatz- und des Gefahrbegriffs können (in Abschn. I bzw. II) auch nur annähernd erschöpfend behandelt werden. Sie würden dann jeweils selbständige Abhandlungen erfordern (ebenso wie eine explizite Stellungnahme zum Begriff des „personalen Unrechts"). Gleichwohl bedarf die Entfaltung und Begründung einer eigenen Versuchsdeliktstheorie — damit diese i n Gehalt und Tragweite besser verstanden werden kann und damit sie dem Erfordernis strafrechtswissenschaftlicher Kommunikation hinreichend Rechnung trägt — der ergänzenden Diskussion anderer Ansichten. Der Umfang dieser Auseinandersetzung richtet sich nach deren Funktion i m Rahmen der hier gestellten Aufgabe. I . Zur Kritik der am herkömmlichen Vorsatzbegriff orientierten „subjektiven Versuchstheorie"

Jeder, der das ungefährliche und nicht-intentionale Versuchen als Versuchsdelikt behandelt, sollte sich durch folgende Bemerkung Engischs i n der Juristentags-Festschrift des Jahres I960 3 herausgefordert fühlen: „1932 konnte v. Gemmingen noch von einer einmütigen Ablehnung der reichsgerichtlichen Versuchstheorie sprechen... Es ist merkwürdig, daß der Stimmungsumschwung, der 1933 i m Zeichen des ,Willensstrafrechts 4 eingesetzt hat, den Zusammenbruch des Jahres 1945 mühelos überlebt hat." — Nun sollen i n diesem Zusammenhang keine historischen Linien nachgezeichnet werden. Die Tatsache des ursprünglichen Dissenses und späteren weitgehenden Konsenses zwischen Wissenschaft und Rechtsprechung bezüglich der „subjektiven Versuchstheorie" ist i m übrigen hinlänglich bekannt 4 . Zwar hat es auch nach 1945 eine dezidierte, zum Teil vehemente und nicht zuletzt staatsphiloso3 Bd. I, S. 433, A n m . 68, Zustimmend Spendel, N J W 1965, S. 1881, A n m . 7. — Vgl. auch Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 40 f., m. w . N. 4 Siehe etwa Germann, Das Verbrechen i m neuen Straf recht, S. 17 f.; Schmidhäuser, Rn. 15/40, a. E.; Stratenwerth, Rn. 685.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

p h i s c h - p o l i t i s c h a k z e n t u i e r t e A b l e h n u n g des „ s u b j e k t i v e n " K o n z e p t e s gegeben 5 , d e r bezeichnenderweise v o n Seiten d e r „ h e r r s c h e n d e n M e i n u n g " S y m p a t h i e , w e n n auch n i c h t Z u s t i m m u n g entgegengebracht w o r d e n i s t 6 . A b e r eine w i r k l i c h e K o n t r o v e r s e , die v o r a l l e m das P a r a d i g m a des „ V o r s a t z e s " als allgemeines s u b j e k t i v e s U n r e c h t s m e r k m a l h ä t t e e r fassen müssen, f a n d b i s h e r l e i d e r n i c h t s t a t t 7 . D a b e i i s t f ü r eine a k t u e l l e K r i t i k d e r „ s u b j e k t i v e n V e r s u c h s t h e o r i e " gerade d e r V o r w u r f höchst bedeutsam, diese T h e o r i e repräsentiere W e r t u r t e i l e , die a u f e i n „ p o l i z e i s t a a t l i c h e s . . . S t r a f r e c h t " h i n a u s l a u f e n , das „ d i e G e f a h r e i n e r G e s i n n u n g s k o n t r o l l e u n d G e s i n n u n g s s c h n ü f f e l e i d u r c h staatliche, insbesondere polizeiliche O r g a n e u n d d a m i t die Gef a h r eines M a c h t m i ß b r a u c h s " m i t sich bringe®. Das b e d e u t e t n i c h t e t w a , daß die „ H e r r s c h a f t " e i n e r „ s u b j e k t i v e n V e r s u c h s t h e o r i e " n o t w e n d i g e i n e n t o t a l i t ä r e n P o l i z e i s t a a t i n t h r o n i s i e r e , s o n d e r n zeigt n u r , a u f welche G e d a n k e n b a h n e n eine K o n z e p t i o n f ü h r t , die das V e r s u c h s d e l i k t v o m t r a d i t i o n e l l e n V o r s a t z b e g r i f f h e r b e g r e i f t u n d n i c h t entschieden die Bereiche d e r U b e r z e u g u n g e n u n d I n t e n t i o n a l i t ä t e n v o n e i n a n d e r t r e n n t . I m m e r h i n w ä r e es e i n reizvolles, aber h i e r n i c h t zu behandelndes T h e m a , das P r o b l e m d e r R e c h t s s t a a t l i c h k e i t 9 u n d d a m i t d e r Verfassungs5

Siehe Spendel, N J W 1965, S. 1881 ff., u n d Stock-FS, S. 91 ff., 96 ff. Kritisch auch Rudolphi, Maurach-Fs, S. 70 ff. β Roxin, Honig-Fs, S. 138 f., Anm. 18, u n d i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 17, A n m . 56. Vgl. auch Lackner, JZ 1978, S. 211, bei A n m . 14; Rudolphi, Maurach-Fs, S. 53, A n m . 13, u n d Schaffstein, Honig-Fs, S. 170 f. — Derartige Stellungnahmen kommen nicht v o n ungefähr, ist doch Spendeis Strafwürdigkeitskriterium f ü r Versuchshandlungen etwa m i t Roxins Zurechnungsprinzip f ü r die objektive Zurechnung verwandt. 7 Es ist heute ein Allgemeinplatz u n d braucht nicht ausführlich erörtert zu werden, daß die „subjektive Versuchs theorie" keine logische Evidenz besitzt. Der sog. „Umkehrschluß" des Reichsgerichts aus § 59 a. F. (erstmals RGSt 42, 92 [94]) hat insbes. durch Spendel (ZStW 69, S. 441 ff.) eine eingehende Analyse v o m logischen Standpunkt erfahren. Aus der jüngeren Zeit vgl. den Aufsatz Engischs i n der Heinitz-Fs, S. 187 ff., der dort i m übrigen allgemein die Problematik behandelt, welche I r r t ü m e r einen „Versuchsvorsatz" begründen u n d welche zur Annahme eines Wahndelikts führen („Abgrenzung des untauglichen Versuchs v o m Wahndelikt"). Diese Problematik, die auf der Basis der Ergebnisse der vorliegenden Abhandlung ganz neu aufzuwerfen wäre (vgl. oben, Kap. 10, A n m . 22), w i r d hier ausgeklammert. 8 Vgl. Spendel, Stock-Fs, S. 97. Den V o r w u r f eines widersinnigen, w e i l reinen, d . h . ein Unrecht nicht mehr voraussetzenden, Gesinnungsstrafrechts erhebt auch Schmidhäuser, En. 15/25, u n d Gallas-Fs, S. 95 f. Aus der älteren L i t e r a t u r seien n u r folgende prägnante Stellen zitiert: „ H i e r w i r d jede objekt i v feststehende Grenze der bürgerlichen Freiheitssphäre aufgehoben, w i r d die Gesinnung, w i r d der Gedanke bestraft" (Drost, Das Ermessen des Strafrichters, S. 206) u n d Kohlrausch (in Aschrott/Kohlrausch, Reform des Strafrechts, S. 28 f.) spricht von einem polizeistaatlichen, auf die Gesinnung abgestellten, Versuchsstrafrecht. — Z u m verwendeten Gesinnungsbegriff vgl. Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale i m Straf recht, S. 106 f. 9 Vgl. dazu die Bemerkungen Spendeis, N J W 1965, S. 1883, u n d Stock-Fs, S. 96.

I. K r i t i k der subjektiven Versuchstheorie

217

mäßigkeit der „subjektiven" Grundlegung des Versuchsdelikts zu untersuchen. Wenigstens sei die Ansicht des Verf. hierzu nicht verschwiegen, daß nämlich die Annahme einer Strafbarkeit i n Fällen des ungefährlichen, nicht-intentionalen Versuchens i m Widerspruch zu den Verfassungsprinzipien steht, denen das Strafrecht i n diesem freiheitlichen Rechtsstaat (Art. 20 GG) zu entsprechen hat. I m folgenden w i r d also der Bereich des verfassungsrechtlich Ge- oder Verbotenen nicht betreten, sondern von i h m unabhängig für die Sachwidrigkeit der „subjektiven Versuchstheorie" argumentiert 1 0 . Die These der „subjektiven Versuchstheorie" ist, daß nicht nur dem intentionalen, sondern auch dem nicht-intentionalen Versuchen ein „rechtsfeindlicher", „verbrecherischer Wille", eine „rechtsfeindliche Gesinnung" zugrundeliege, wodurch ein diesbezügliches Strafwürdigkeitsurteil legitimiert werde 1 1 . Und i n diesem Sinne ist etwa zu lesen: „Auch wer ein neutrales Ziel verfolgt, aber rechtsgutsverletzende Auswirkungen seines Handelns für gewiß oder auch für möglich hält, hat sich für das Unrecht entschieden, und zwar unabhängig davon, ob eine Rechtsgutsgefährdung eintritt oder nicht; denn wer m i t der Vorstellung möglicher schädlicher Folgen handelt, hat für das Risiko optiert, Unrecht zu verwirklichen, und damit den vom Rechtsgut ausgehenden Achtungsanspruch verletzt" 1 2 . 10

Siehe bereits oben, S. 74. Vgl. Busch, L K StGB, 9. Aufl., § 43, Rn. 1; Germann, Das Verbrechen i m neuen Strafrecht, S. 16 ff., 63 (eingehend Germanns Diss, aus dem Jahre 1914, Über den G r u n d der Strafbarkeit des Versuchs); Jescheck, S. 415; Lackner, § 22, A n m . 2 a; Rudolphi, SK StGB, v o r § 22, Rn. 12; Schönke/ Schröder/Eser, vor § 22, Rn. 21. Exemplarisch aus der Rechtsprechung: RGSt 1, 439 (441); BGHSt 2, 74 (76). — Siehe ferner die grundsätzlichen Ausführungen Welzels, S. 1 ff., über die „sozialethische F u n k t i o n des Strafrechts". 12 Lackner, JZ 1978, S. 211 (Hervorhebung v o m Verf.). Die aufgestellte These von der Rechtsgutsverletzung als einer „Entscheidung für das Unrecht" (vgl. auch Roxin, JuS 1964, S. 58 ff., allerdings i m Rahmen einer Schuldbetrachtung; Rudolphi, SK StGB, § 16, Rn. 41) bedarf genauerer Analyse. Soweit sie jedoch zur Frage nach der strafrechtlichen Relevanz „entscheidungstheoretischer" Konzeptionen führt, k a n n sie hier nicht weiter verfolgt werden (für einen „entscheidungstheoretischen" Ansatz siehe etwa Philipps, ZStW 85, S. 31 ff.; allgemein über den Entscheidungsbegriff, auch unter H i n weis [in A n m . 2] auf wissenschaftliche L i t e r a t u r zur Theorie richterlicher Entscheidungstätigkeit, Höffe i n : E t h i k u n d Politik, S. 334 ff.). Hingegen darf i n unserem Zusammenhang auf keinen F a l l unerwähnt bleiben, daß die zitierte Charakteristik der Rechtsgutsverletzung zu einem Verständnis des V o r satzes als „dolus malus" führen müßte, d. h. als Einstellung, die so zu definieren ist, daß sie nur bei aktuellem Unrechtsbewußtsein vorliegen k a n n (und es erhöbe sich die Frage: w o r i n ist das — vorausgesetzte — Unrecht begründet?). Dieses Resultat soll aber m i t Sicherheit nicht angestrebt sein (für die Einbeziehung des Unrechtsbewußtseins i n den Tatentschluß beim Versuchsdelikt plädieren n u r wenige, etwa Schönke/Schröder, vor § 43, A n m . 8; vgl. auch A r t h u r Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 183 f., u n d Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 229 — „Bewußtsein der Sozialschädlichkeit" —; die „Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen" u n d die „eingeschränkte Schuld11

218

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

W e n n d e m g e g e n ü b e r d i e T h e o r i e des i n t e n t i o n a l e n u n d des gef ä h r l i c h e n Versuchens d e n f r a g l i c h e n T r e n n u n g s s t r i c h i n n e r h a l b des i n t e r n e n H a n d l u n g s e l e m e n t s zwischen d e n i n t e n t i o n a l e n u n d d e n a u f b l o ß e n V o r s t e l l u n g e n b e r u h e n d e n V e r s u c h s f ä l l e n zieht, d a n n h e i ß t dies, daß sich nach dieser T h e o r i e d e r — eben erhobene — V o r w u r f eines r e i n e n Gesinnungsstrafrechts n u r dagegen r i c h t e t , die l e t z t g e n a n n t e n F ä l l e als V e r s u c h s d e l i k t e z u b e h a n d e l n . W a r u m das V o r l i e g e n e i n e r I n t e n t i o n i m H a n d e l n eine p r i n z i p i e l l andere B e u r t e i l u n g gebietet, w u r d e bereits o b e n ( K a p . 9, Abschn. I I 1) d a r g e t a n : D i e I n t e n t i o n v e r m a g w e g e n ihres i m V e r g l e i c h z u r V o r s t e l l u n g spezifisch a n d e r e n „ W e s e n s " eine u n r e c h t s b e g r ü n d e n d - r e c h t s g u t s v e r l e t z e n d e Relev a n z zu e n t f a l t e n ; die A n n a h m e des Unrechtstatbestandes eines V e r suchsdelikts b l o ß a u f g r u n d b e s t i m m t e r T ä t e r v o r s t e l l u n g e n setzt h i n gegen e i n e n s t a r k m o r a l i s i e r e n d e n A k z e n t i m R a h m e n der U n r e c h t s b e g r ü n d u n g u n d ü b e r s c h r e i t e t s o m i t d e n B e r e i c h des S t r a f w ü r d i g e n 1 3 . Es l i e g t i n d e r N a t u r m o r a l i s c h e r u n d rechtlicher V e r p f l i c h t u n g e n , daß sie sich gerade a u f das Willensverhalten beziehen14. — D e n k t m a n daran, w i e sehr h e u t z u t a g e e i n „ r e s t r i k t i v e s " oder „ f r a g m e n t a r i s c h e s " S t r a f recht g e f o r d e r t , strafrechtliche „ H y p e r t r o p h i e " b e k l a g t w i r d 1 5 , so d r ä n g t theorie" — vgl. Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 14 — müßten ebenfalls i n diese Richtung tendieren). Bezüglich der D i s t i n k t i o n zwischen „dolus eventualis" u n d „bewußter Fahrlässigkeit" kritisieren A r m i n Kaufmann, ZStW 70, S. 67 ff., u n d Stratenwerth, ZStW 71, S. 67 (siehe ebenfalls Strafrecht-AT I, Rn. 307), daß bestimmte Abgrenzungsformeln — k o r r e k t angew a n d t — überhaupt nicht zur Annahme eines „dolus eventualis" berechtigen, falls man nicht zugleich von einer negativen Bewertung durch den Handelnden ausgeht (vgl. auch Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 113). — Über den Entscheidungsbegriff i m geltenden Strafrecht der DDR siehe Philipps, ZStW 85, S. 37 f.; Schroeder, Jahrbuch f ü r Ostrecht, Bd. IX/1, S. 9 ff.; J Z 1978, S. 120; u n d L K StGB, § 16, Rn. 91. 13 Das ist n u r dann richtig, w e n n die Durchsetzung „der" M o r a l als solcher nicht Aufgabe des Strafrechts ist. Siehe dazu „ L a w , L i b e r t y and M o r a l i t y " v o n Hart, der i n dieser Schrift (pp. 48 - 52) — vgl. ferner Hart, Recht u n d Moral, S. 87 ff. — zwei Thesen unterscheidet, die eine solche Aufgabe behaupten: Die Durchsetzung „der" M o r a l sei i n sich w e r t v o l l bzw. sie bewahre eine Gesellschaft v o r dem Zerfall. H a r t selbst — i n der Tradition M i l l s stehend — v e r t r i t t eine liberale, v o m „Schädigungs"-Gedanken beeinflußte Position. F ü r ein genaues Referat u n d eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Standpunkte siehe Hoerster, ZStW 82, S. 538 ff.; ferner Patzig, E t h i k ohne Metaphysik, S. 7 ff. Z u m Problem vgl. auch Hanack, Z u r Revision des Sexualstrafrechts i n der Bundesrepublik, Rn. 26 ff. — I n diesem Z u sammenhang verdient erwähnt zu werden, daß der frühere Bundesverfassungsrichter v. Schlabrendorff i n einem Sondervotum (BVerfGE 33, 35 ff.) die Ansicht v e r t r i t t , daß ein Staat sich selbst aufgebe, w e n n er auf die Durchsetzung bestimmter religiöser Uberzeugungen verzichte. Stolleis, JuS 1974, S. 772, A n m . 15, weist auf die Parallelität der Äußerungen v. Schlabrendorff s zu den einschlägigen Passagen bei Künneth, P o l i t i k zwischen Dämon u n d Gott, S. 365 ff., hin. 14

Schmidhäuser, Rn. 6/7. Vgl. n u r Jescheck, S. 40; Maiwald, Maurach-Fs, S. 9 ff. (S. 22); Roxin, K r i m i n a l p o l i t i k u n d Strafrechtssystem, S. 23; Sax i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 919. 15

I. K r i t i k der subjektiven Versuchstheorie

219

sich die Frage auf, ob derartige Bekenntnisse — projiziert auf das hier zu lösende Abgrenzungsproblem — als bloße Lippenbekenntnisse zu beurteilen sind. Vermutlich kann man dem Faktum der üblichen Negation des aufgezeigten wertmäßigen Unterschiedes von Wille und Vorstellung am besten i n der Weise gerecht werden, daß man es als Tribut an den traditionellen Vorsatzbegriff erklärt 1*. Die K r i t i k an der „subjektiven Versuchs theorie" erhält dadurch weiteres Gewicht, daß diese Theorie die Schwierigkeit einer begrifflichen Distinktion zwischen „dolus eventualis" und „bewußter Fahrlässigkeit" i n sich aufnimmt. Es ist hier nicht der Ort, auf die von Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskonzeptionen i m einzelnen einzugehen 17 . Vielmehr muß die pauschale These genügen, daß die angebotenen Unterscheidungskriterien 18 keine Strafwürdigkeitsgrenze innerhalb der Gruppe der Versuchshandlungen zu ziehen vermögen. Diese Ansicht sei an dieser Stelle einmal so illustriert, daß die betreffenden Kriterien als Kriterien einer „Theorie der Widerw i l l i g k e i t " 1 9 interpretiert werden, d. h. als A n t w o r t auf die Frage, wann jemand etwas „nolens volens" tut, also etwas einerseits t u n w i l l oder dessen Eintreten auch nur für gewiß bzw. möglich hält und andererseits doch i n gewissem Sinne „ w i d e r w i l l i g " agiert. Unter der Prämisse, daß es um eine „Theorie der Widerwilligkeit" geht (oder positiv gewendet: um eine „Theorie der Willigkeit"), w i r d damit sofort klar, daß die Differenzierungsmerkmale auch auf die Fälle der Intention und der Gewißheitsvorstellung i m Handeln bezogen werden können. Wenn diese Merkmale aber einen Strafwürdigkeitsunterschied markieren sollen, warum dann nicht ebenfalls i n diesen Fällen? Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß auch innnerhalb der Vorsatzlehre die Ansicht vertreten wird, auf den bloßen „dolus eventualis" dürfe man ein Versuchsdelikt nicht stützen 20 . Damit ist insofern ein 16 Auch die A r b e i t Fiedlers (Vorhaben und Versuch i m S traf recht), die sich als Rekonstruktion der „subjektiven Versuchs theorie" der deutschen Rechtsprechung versteht, überwindet diesen Vorsatzbegriff nicht; vgl. Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 77. Ferner kritisch zu Fiedler Baumann, S. 498, A n m . 7. — Unsere Argumentation gegen den „Vorsatz" als Strafwürdigkeitskriterium umfaßt ebenfalls den sachlichen Gehalt von Stratenwerths gemeinsamer Formulierung der „Eigenart vorsätzlichen Handelns f ü r alle Formen des Vorsatzes" (ZStW 71, S. 60). 17 Z u Recht bemerkt Schünemann, J A 1975, S. 789, daß deren „forensische Reproduzierbarkeit" nicht gewährleistet sei. — Ausführliche K r i t i k der Theoriengebäude bei Schmidhäuser, JuS 1980, S. 241 ff. 18 Z u ihnen vgl. andeutungsweise oben, S. 153. 19 Vgl. einige Bemerkungen bei Anscombe, Intention, pp. 89 - 90. 20 Vgl. Kölz-Ott, Eventualvorsatz u n d Versuch, S.39 ff. m . w . N . u n d S.98ff.; Lampe, N J W 1958, S. 332 f. (zur K r i t i k an Lampe siehe Kölz-Ott, aaO, S. 42); siehe auch die Bemerkung Engischs, Heinitz-Fs, S. 190. A u f verschiedene Nuancen i n der oben n u r allgemein referierten Ansicht w i r d nicht eingegan-

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

richtiger Weg beschritten, als die Versuchsstrafbarkeit i n sachgerechter Weise eingeengt wird. Aber nach der hier vertretenen Theorie muß man auf diesem Weg noch weiter voranschreiten. Die Trennungslinie der Strafwürdigkeit verläuft — wie gezeigt — nämlich nicht zwischen Intention und Gewißheitsvorstellung auf der einen und Möglichkeitsvorstellung auf der anderen Seite, sondern zwischen Intention und Nicht-Intention schlechthin. Zusammenfassend ergibt sich zur K r i t i k der „subjektiven Versuchstheorie", daß diese i n manchen Fällen die Annahme eines Versuchsdelikts mittels eines nicht schlagkräftigen Arguments begründet und i n anderen Fällen fälschlicherweise überhaupt das Vorliegen eines Versuchsdelikts bejaht: Dort, wo — objektiv — auf den Gefährdungsunwert abzustellen wäre, verweist sie — subjektiv — auf die Gewißheitsvorstellung bzw. den „dolus eventualis"; und dort, wo der Unrechtstatbestand eines Versuchsdelikts mangels Ziel- und Gefährdungsunwerts zu verneinen wäre (der Fall des nicht-intentionalen und ungefährlichen Versuchens), gelangt sie anhand des verwendeten Vorsatzbegriffs zum entgegengesetzten Ergebnis. I I . Zur Kritik der am Adäquanzgedanken orientierten „objektiven Versuchstheorie"

Bevor auf die „Adäquanz" als Strafwürdigkeitskriterium für den Bereich des Versuchsdelikts eingegangen werden kann, ist — wie oben (S. 214) angedeutet — diejenige „objektive Versuchstheorie" kurz zu behandeln, die auf demselben Gefahrbegriff basiert wie die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens 21 . Das Kritikwürdige an dieser „objektiven Versuchstheorie" ist eine zu weitgehende Reduktion der strafbaren Versuchsfälle. Den Umstand, daß ihr i m Unterschied zur „subjektiven Versuchs theorie" eine nahezu grenzenlose Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit nicht vorgeworfen werden kann, erkauft sie m i t einer unsachgerecht engen Definition des Versuchsdeliktsbegriffs. So w i r k t sich die Bindung an den juristischen Vorsatzbegriff nicht nur i n Gestalt der „subjektiven Versuchstheorie" verhängnisvoll aus, sondern auch noch i n deren Gegengestalt.

gen. — Z u r ganz verbreiteten Auffassung, welche die Begriffe des „ T a t entschlusses" als internes Element des Versuchsdelikts u n d des „Vorsatzes" gleichsetzt — jedenfalls was die an dieser Stelle behandelte Problematik angeht —, siehe ζ. B. Roxin, JuS 1979, S. 3; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 17 (und oben, S. 141, 94). 21

Siehe die einschlägigen Aufsätze Spendeis, vor allem N J W 1965, S. 1881 ff. ( „ K r i t i k der subjektiven Versuchstheorie"), u n d Stock-Fs, S. 89 ff. („Zur Neubegründung der objektiven Versuchstheorie"). Vgl. bereits oben, S. 177.

I . K r i t i k der

b j e k t i v e n Versuchstheorie

221

Eine derartige „objektive Versuchstheorie", die i n ihrem Strafwürdigkeitsurteil ausschließlich an die Außenseite des Versuchens anknüpft, läßt das zentrale Element des Versuchens und Handelns, die Intention, unberücksichtigt. Sie verschließt sich der spezifischen normativen Relevanz der Intentionalität. Dadurch gelangt sie zu unrichtigen Ergebnissen, etwa i m Fall des Diebesgriffs i n eine leere Tasche, wo sie Straflosigkeit vorschlagen muß 2 2 . Was die Vereinbarkeit dieser „objektiven Versuchstheorie" m i t dem geltenden Recht betrifft, so sind Bedenken i m Hinblick auf § 23 I I I möglich 23 . Aber dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Nur so viel sei gesagt: Wenn die Vertreter dieser „Versuchstheorie" nunmehr glauben sollten, Konzessionen an eine „subjektive" Unrechtsbegründung machen zu müssen, dann bliebe aus ihrer Sicht von ihrem ursprünglichen Anliegen am meisten übrig, wenn sie sich — zumindest de lege lata — auf den Standpunkt der Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens stellten 2 4 . Keine Schwierigkeit, den eben angeführten Fall des Diebesgriffs i n eine leere Tasche i m Ergebnis zutreffend zu lösen 25 , hat diejenige Spielart der „objektiven Versuchstheorie", die am Adäquanzgedanken orientiert ist und einen anderen Gefahrbegriff bildet 2 0 . Aber auch sie unterliegt gewichtigen Einwänden. Bevor diese i m einzelnen entwickelt werden können, sind Begriff und Prinzip der Adäquanz näher zu erläutern. Vorangestellt sei lediglich folgende allgemein kritische Bemerkung: Die nunmehr zu behandelnde „objektive Versuchstheorie" ist zwar insofern begrüßenswert, als sie i m Vergleich zur „subjektiven Versuchstheorie" den Versuchsdeliktsbegriff enger faßt. Sie erreicht diese Strafbarkeitsbegrenzung aber nur dadurch, daß sie die Konse-^ quenzen eines ersten unsachgerechten Begriffs (nämlich des Vorsatzbegriffs) durch die Bildung eines zweiten unsachgerechten Begriffs (des zu erörternden Gefahrbegriffs) abschwächt, also — polemisch gesprochen — einen ersten I r r t u m durch einen zweiten zu korrigieren sucht.

22

Spendel, N J W 1965, S. 1888, u n d Stock-Fs, S. 107. Lackner, JZ 1978, S. 211, A n m . 14, berichtet, daß Spendel „jedenfalls bis zum Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils an der objektiven V e r suchstheorie festgehalten hat". 24 Z u r Vereinbarkeit der Theorie des intentionalen u n d des gefährlichen Versuchens m i t dem geltenden Recht siehe v o r allem unten, Kap. 12. 25 F ü r Strafbarkeit etwa Dicke, JuS 1968, S. 160. 28 Mittels der gebräuchlichen Kategorien k a n n man oberflächlich verdeutlichend sagen, daß sich diese Auffassung — i m Unterschied zur Lehre v o m „Mangel a m Tatbestand", die den „Versuch am untauglichen Objekt" für straflos hält (siehe exakter oben, Kap. 10, A n m . 44) — dadurch auszeichnet, daß sie den „Versuch m i t untauglichem Mittel" i m Sinne ihres Begriffs von „Untauglichkeit" dem Versuchsdeliktsbegriff entzieht; vgl. Dicke, aaO, S. 161. 23

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

D i e S t r a f r e c h t s d o g m a t i k v e r w e n d e t d e n A u s d r u c k „ A d ä q u a n z " gleichbedeutend m i t den Ausdrücken „ o b j e k t i v e Erkennbarkeit, Vorhersehb a r k e i t , B e z w e c k b a r k e i t , G e e i g n e t h e i t " 2 7 . D a m i t e r ö f f n e t sich eine Reihe „ d o g m a t i s c h e r Q u e r v e r b i n d u n g e n " 2 8 , die a u f e i n e m e i n h e i t l i c h e n A d äquanzgedanken beruhen könnten29. A l s mögliche Verbindungspunkte seien h i e r n u r g e n a n n t die T h e o r i e d e r o b j e k t i v e n Z u r e c h n u n g u n d d e r k o m p l e x e 3 0 F a h r l ä s s i g k e i t s b e g r i f f , f e r n e r die „ R i s i k o d e l i k t e eines n e u e n T y p s " 3 1 , das V e r s u c h s d e l i k t i m a l l g e m e i n e n 3 2 u n d das nach § 23 I I I z u 27

Wolter, G A 1977, S. 264. Wolter, aaO, S. 258. Vgl. v. Hippel, Strafrecht I I , S. 430. 29 Ob das tatsächlich der F a l l ist oder ob diese „Querverbindung" wesentliche Unterschiede negiert, muß dahingestellt bleiben. 30 Z u r Unterscheidung v o n „komplexem" u n d „einfachem" Fahrlässigkeitsbegriff Schmidhäuser, Rn. 7/39; Schaffstein-Fs, S. 158. 31 A r m i n Kaufmann, J Z 1971, S. 576; vgl. etwa § 151 A E ; dazu Horn, K o n krete Gefährdungsdelikte, S. 213 ff.; Schroeder, ZStW 91, S. 261. Auch das Gesetz zur Bekämpfung der U m w e l t k r i m i n a l i t ä t (18. StrÄndG, B G B l I 1980, S. 373; i n K r a f t seit dem 1. 7. 1980) enthält kein „Risikodelikt"; vgl. Tiedemann, Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, S. 37. — I n welchem Verhältnis der Begriff der Adäquanz zum Begriff der abstrakten Gefahr steht (vgl. Wolter, aaO, S. 259), bleibt dahingestellt, v. Hippel (aaO, S. 418 f.) w i l l seine Theorie des Versuchsdelikts, die auf dem Adäquanzgedanken aufbaut, als Gegenkonzept zur „älteren objektiven Versuchs theorie" (vgl. oben, Kap. 9, Anm. 66, 69) verstanden wissen, die i n der Unterscheidung von absoluter u n d relativer Untauglichkeit gerade m i t einem Begriff der abstrakten Gefahr arbeite. Wie f r a g w ü r d i g der häufige Gebrauch des Ausdrucks „abstrakte Gefahr" i m K o n t e x t des Streits u m den Versuchsdeliktsbegriff ist, hat sich bereits oben (S. 211) gezeigt. — Z u r F u n k t i o n von Adäquanzurteilen i m Rahmen des Unrechtstatbestandes konkreter Gefährdungsdelikte siehe den V o r schlag Wolters, JuS 1978, S. 748 ff. (Zusammenfassung der Ergebnisse auf S. 754). 32 A n dieser Stelle ist vor allem die „jüngere objektive Versuchs theorie" zu nennen; v. Hippel, Strafrecht I I , S. 425 ff.; v. Liszt/Schmidt, S. 302 f., 312 ff. Vgl. i n neuerer Zeit Dicke, JuS 1968, S. 160 f.; Schönwandt, Grundlagen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (Diss.), S. 147 ff. (dessen Theorie m ü n det i n einen Vorschlag de lege ferenda). Auch Hruschkas Auffassung (Strukturen der Zurechnung, S. 58 ff.) muß — soweit man sie überhaupt unter normativem Aspekt interpretieren k a n n (vgl. i m übrigen oben, Kap. 8, A n m . 90, 92) — w o h l hier eingeordnet werden. Wenn Hruschka nämlich auf bestimmte „Erfahrungsregeln" abstellt, die der „Zurechnende" (ex ante) f ü r v o m H a n delnden angewendet erachtet, so ist die Nähe zum Adäquanzgedanken auch terminologisch offenkundig (vgl. zum Abstellen auf „Erfahrungsregeln" M a u rach/Zipf, Strafrecht-AT 1, S. 273 Mitte). Oehlers Konzeption der „ o b j e k t i v erkennbaren Zweckbestimmtheit der Handlung" (Das objektive Zweckmoment i n der rechtswidrigen Handlung, S. 111 ff., insbes. S. 120) scheint ebenfalls hierher zu gehören. Allerdings h ä l t Oehler, aaO, S. 120 ff., auch den „ungefährlichen untauglichen Versuch" für ein Versuchsdelikt. Wolter f ü h r t die „Adäquanz" zwar als „regulatives Leitprinzip" vor (vgl. G A 1977, S. 259) u n d spricht von einem „normativ-haftungseinschränkenden Charakter des Adäquanzprinzips" (vgl. aaO, S. 261), meint aber zugleich (als Konzession an § 23 I I I ? — vgl. ZStW 89, S. 672, A n m . 105), daß „bei irrtümlicher Annahme der Voraussetzungen eines objektiv geeigneten Erfolgsrisikos" ein untauglicher Versuch i n Betracht komme (GA 1977, S. 263; vgl. auch ZStW 89, S. 674 u n d S. 679 f., A n m . 138). M i t dieser These der „vorgestellten Adäquanz" als 28

I . K r i t i k der b j e k t i v e n Versuchstheorie

223

behandelnde Versuchsdelikt i m besonderen 33 . Das, was „Adäquanz" i m Kontext der Frage nach dem Versuchsdeliktsbegriff meint, sei i n einem ersten Anlauf durch folgendes Zitat bezeichnet: „Der Versuch ist strafbar, wenn für verständiges Urteil nach Lage der Verhältnisse zur Zeit der Tat die Verwirklichung des Deliktstatbestandes möglich, straflos, wenn dies ausgeschlossen w a r " 3 4 . Eine derartige Sicht führt zu einem anderen als dem oben (Kap. 9, Abschn. I I 2) zugrundegelegten Gefahrbegriff. Die von ihr als maßgeblich anerkannte Prognosebasis stellt keine ex-post-Basis dar. Das Adäquanz-Gefahrurteil besitzt also nicht nur hinsichtlich seiner prognostischen Seite eine ex-ante-Natur, sondern auch hinsichtlich der es konstituierenden Prognosebasis. Es fordert eine Generalisierung, indem es i m jeweiligen Einzelfall von bestimmten verfügbaren Informationen abstrahieren bzw. gar nicht nach ihnen fragen w i l l . Pointiert kann man sagen, daß dieses Urteil auf eine exante-„Gefährlichkeit" der Handlung zielt und nicht auf eine sich aus einer Handlung entwickelnden konkreten Gefahr 35 . Als zentrales Problem des Adäquanzbegriffs zeichnet sich damit die genaue Konturierung der von ihm gemeinten Prognosebasis ab. So w i r d vorgeschlagen, einen (fiktiven) „objektiven Beobachter" (den Richter) m i t einem bestimmten Erfahrungs- und Tatsachenwissen (das gerade seine „Objektivität" ausmacht) sowie den Kenntnissen des Täters zu versehen, dann die Frage zu stellen, ob ein derartiger „objektiver Beobachter" — i m Zeitpunkt der Tat, ex ante — m i t einem Erfolgseintritt rechnen würde bzw. gerechnet hätte 3 6 . Aber auch diese Sätze enthalten eher Leerformeln als einen präzisen Maßstab. Uberhaupt würde es unsere Arbeit von der Thematik her überfordern, wollte sie nach einem hinreichend bestimmten Begriff der Adäquanz suchen 37 . Vielleicht darf man sogar nicht grundlos vermuten, daß das Ziel, der Rechtsanwendung eine praktikable Theorie des Adäquanz-Gefahrurteils bereitzustellen 38 , letztlich unerreichbar ist. eines Strafwürdigkeitskriteriums f ü r das Versuchsdelikt ist m. E. ein Gipfelp u n k t reinen Gesinnungsstrafrechts erreicht! Triffterer, Bockelmann-Fs, S. 201 ff., ordnet die „objektive Voraussehbarkeit" als allgemeines Verbrechensmerkmal aller Erfolgsdelikte ein, ohne jedoch das Versuchsdelikt i n seinen Überlegungen zu berücksichtigen. 33 Stratenwerth, Rn. 684, w i l l nach dem „Maßstab der adäquaten Kausalit ä t " beurteilen, ob ein Versuch gemäß § 23 I I I „überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte". Über die Fälle des „groben Unverstandes" hinaus ist die „Adäquanz" i m Rahmen seiner Konzeption des Versuchsdelikts aber nicht bedeutsam. 34 v. Hippel, Strafrecht I I , S. 431. 35 Z u dieser D i s t i n k t i o n vgl. Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 11 ff., 211 ff. 36 Vgl. Maurach/Zipf, Strafrecht-AT 1, S. 263; zur K r i t i k Wolter, G A 1977, S. 259 ff. 37 F ü r ein Streben nach scharfen K o n t u r e n vgl. Wolter, aaO, S. 259 ff., 269 ff.

224

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

Aber gleichviel, i n jedem Fall kann der Grundgedanke der Adäquanzthese, das vorgeschlagene normative Prinzip der Adäquanz, so veranschaulicht werden, daß sie von diesem Grundgedanken her diskutabel erscheint. Man gehe dazu von folgendem Beispiel aus: Ν. N. fährt m i t seiner schweren Limousine auf der Landstraße. Weil er es eilig hat, überholt er kurz vor einer Bergkuppe einen langsamer fahrenden PKW. Er hält es für möglich, m i t einem auf der anderen Seite der Bergkuppe eventuell entgegenkommenden Fahrzeug zu kollidieren und dessen Insassen zu töten. Es stellt sich heraus, daß weit und breit kein Gegenverkehr i n Sicht ist 3 9 . Evidentermaßen liegt i n diesem Fall kein Gefährdungsunwert i m Sinne des oben (Kap. 9, Abschn. I I 2) gebildeten Begriffs vor: Ν . N. gefährdet kein Menschenleben. Eine andere Beurteilung ergibt sich aber dann, wenn man die Tatsache des fehlenden Gegenverkehrs ausblendet oder besser: sich einfach i n die Situation eines aufmerksamen Beifahrers versetzt, der voller Entsetzen auf das Uberholmanöver reagiert. Dieses Entsetzen soll durch ein Adäquanz-Gefahrurteil eingefangen werden. Das Prinzip der Adäquanz geht — bezogen auf den Beispielsfall — von der Idee aus, die Rechtsordnung sei i n einem Beifahrer personifiziert, der dem Fahrer während seines Tuns einflüstere, ob er verbotswidrig handele oder nicht. Diese Frage der Verbotswidrigkeit versteht sich i n Relation zu einzelnen Straftatbeständen des Besonderen Teils, die von einem Verstoß gegen Regeln des Straßenverkehrs unabhängig sind; d. h. Ν. N. darf vor der Bergkuppe deswegen nicht überholen, weil er einen anderen Menschen nicht töten darf. Die damit skizzierte Sichtweise mag auf den ersten Blick nicht unplausibel erscheinen. Gerade, wenn man einmal an das Verkehrsstrafrecht denkt, das an einen ganz bestimmten, von fast allen Bürgern ständig betretenen Gefahrenbereich heutiger Zivilisation anknüpft, könnte man sich vorstellen, daß das Modell der Adäquanz prinzipiell tauglich wäre, eine zukünftige Gestaltung der betreffenden Strafnormen zu beeinflussen 40. Aber das sei hier nur angedeutet. I m Kernbereich des K r i m i 38 Wolter, JuS 1978, S. 754, w i l l f ü r seine Vorschläge zum Unrechtstatbestand eines vollendeten konkreten Gefährdungsdelikts „den Preis der U n p r a k t i k a b i l i t ä t " zahlen. Der G r u n d der U n p r a k t i k a b i l i t ä t ist aber, anders als Wolter meint, weniger i m gesetzlichen Erfordernis einer konkreten Gefahr zu suchen, sondern mehr i n dem v o n i h m verflochtenen Erfordernis eines „adäquaten Gefährdungsrisikos". 39 Vgl. zu diesem Beispiel Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 161; Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 5; Schönwandt, Grundlagen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (Diss.), S. 172; Stratenwerth, SchwZStrR 79, S. 247; Welzel, S. 128, 137; Wolter, JuS 1978, S. 750. 40 Dafür: Seiler, Maurach-Fs, S. 84 ff. Dagegen: Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 8 ff.

I I . K r i t i k der objektiven Versuchs theorie

225

nalstrafrechts, zumal i n den grundsätzlich für alle Arten von Straftaten geltenden allgemeinen Regeln zum Versuchsdelikt ist das AdäquanzGefahrurteil jedenfalls bei sachgerechter Betrachtung nicht bedeutsam. Diese ablehnende K r i t i k soll, u m sich zu rechtfertigen, nicht so sehr „Normentheorie" betreiben 4 1 — obwohl sie die i m vorliegenden Zusammenhang einschlägige These der Lehre von der „Verhaltensnorm" zur Kenntnis genommen h a t 4 2 — als vielmehr hervorheben, daß eine allgemeine Strafwürdigkeitskonzeption nicht einleuchten kann, nach der sich das Verbotswidrige als solches ex ante abzeichnen muß. Es ist für die Frage nach einer tatbestandlich-rechtswidrigen Rechtsgutsverletzung irrelevant, ob der Idee nach — i n einem gegenüber der „eigentlich verbotswidrigen Tat" (etwa der Tötung eines Menschen als Verstoß gegen das Tötungsverbot) vorgelagerten Zeitpunkt — einerseits „der rechtstreue Bürger" i m Sinne der einzelnen den Straftatbeständen zugrundeliegenden Normen Stellung nehmen und andererseits der Agierende auf diese konkrete Handlungsanweisung hören kann 4 3 . Man vergegenwärtige sich, daß i n den Einzelfällen, i n denen zwar ein Gefährdungsunwert i n dem von uns vertretenen Begriff, aber keine „adäquate Gefahr" auszumachen ist, aus der Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens nicht etwa unsachgerechte Annahmen von Versuchs-Straftaten folgen. Wenn die Rechtsgutsverletzung i m Unrechtstatbestand bejaht wird, bleibt es ja möglich, gegebenenfalls subjektiv nicht zuzurechnen (Stichwort: Schuldprinzip) 44 . Aber für die umgekehrte Konstellation, wo also kein Gefährdungsunwert, sondern nur eine „adäquate Gefahr" vorliegt, gilt gerade, daß der Gebrauch der „Adäquanz" als materiales Strafwürdigkeitsprinzip zunächst zur verfehlten Annahme einer Rechtsgutsverletzung und dann i m Endergebnis zu einer verfehlten Bestrafung wegen eines Versuchsdelikts führt. Demnach begrenzt das Adäquanzprinzip den Versuchsdeliktsbegriff an 41

Vgl. bereits oben, Kap. 9, A n m . 9. „ V o n der Verhaltensnorm k a n n immer n u r ein Verhalten verboten w e r den, das ex ante objektiv geeignet ist, das i m Tatbestand umschriebene Rechtsgut zu verletzen"; Wolter, ZStW 89, S. 672. Siehe ferner etwa Wolter, aaO, S. 671 ff., u n d G A 1977, S. 257 - 263; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 78 ff.; A r m i n Kaufmann, Welzel-Fs, S. 395 f.; Stratenwerth, SchwZStrR 79, S. 244 ff., u n d Schaffstein-Fs, S. 182. 43 Vgl. Schmidhäusers K r i t i k i n der Schaffstein-Fs, S. 152 f., der allerdings f ü r den von i h m behandelten Problembereich der Fahrlässigkeit die Akzente etwas anders setzt. 44 Auch Schünemann, J A 1975, S. 794, sieht, daß „ f ü r die E l i m i n i e r u n g einer ex ante unerkennbaren Gefahr aus dem Gefahrbegriff k e i n Bedürfnis besteht, w e i l eine Überdehnung der Zurechnung jedenfalls durch . . . das Schuldprinzip ausgeschlossen w i r d " . (Schünemanns Äußerung ist insoweit unklar, als er [in dem begründenden Satz] neben dem Schuldprinzip auch dem „Adäquanzzusammenhang" zurechnungseinschränkende W i r k u n g beimißt.) — Vgl. außerdem Schröder, ZStW 81, S. 14. 42

15 A l w a r t

226

3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

einer Stelle, an der er nicht begrenzt werden sollte, und erweitert ihn an einer anderen Stelle, an der er nicht erweitert werden sollte 45 . U m diese K r i t i k letzten Endes zufriedenstellend zu begründen, müßte eine allgemeine Konzeption der ethischen Prinzipien verfügbar sein, die das normative Fundament der strafrechtsdogmatischen Begriffsbildung abgeben (oder abgeben sollten). Weil jedoch auf solche Untersuchungen zur materialen Strafwürdigkeit nicht zurückgegriffen werden kann, kommt man bei einem Problem wie dem vorliegenden nicht umhin, Legitimationen anzubieten, die den Anschein von Oberflächlichkeit oder Zirkularität nicht völlig vermeiden können. So soll, eingedenk aller Fragwürdigkeiten, der an der „Adäquanz" als Unrechtsmerkmal orientierten „objektiven Versuchstheorie" — wie auch schon der „subjektiven Versuchstheorie" — vorgeworfen werden, auf reines Gesinnungsstrafrecht für den Bereich der Versuchs-Straftat hinauszulaufen. Wer ein Versuchsdelikt bejahen w i l l , obwohl der Täter z.B. weder intendiert, einen Menschen zu töten, noch ein Menschenleben gefährdet (vgl. den eben geschilderten „Bergkuppen-Fall"), son-, dern lediglich „adäquat gefährlich" handelt, knüpft an einen Umstand an, dessen solchermaßen generelle Berücksichtigung nicht zur Funktion des Gesamtstrafrechts paßt. I m Strafrecht geht es nicht um polizeiliche Gefahrenabwehr, wo Staatsorgane etwa i n einer Handlungssituation zum präventiven Tätigwerden aufgerufen sind, sondern typischerweise darum, nach Ablauf eines einschlägigen Geschehens strafverfolgende und strafverhängende Aktionen zu unternehmen. Der Strafrichter, der sich — ζ. B. i m Hinblick auf den Unrechtstatbestand eines Tötungsversuchsdelikts — retrospektiv fragt, ob ein Täter etwas getan hat, was er nicht tun durfte, d. h. hier, ob er ein Menschenleben gefährdet hat, sollte i n seine Antwort alle verfügbaren Informationen einbeziehen. I m übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Wahrheitssuche der Generalprävention abträglich sein kann. Eine derartige Annahme w i r d aber vorausgesetzt, wenn man davon ausgeht, daß der „objektive Maßstab der Adäquanz" der Generalprävention diene 46 . Wohl nicht von ungefähr bietet man für diese Aussage weder den — empirischen — Beweis an, noch stellt man sich der prinzipiellen Frage, ob die strafrechtsdogmatische Begriffsbildung allgemein oder gerade an dieser Stelle (alleiniger?) Ausfluß generalpräventiver Überlegungen sein sollte. 45 Vgl. die K r i t i k Spendeis an der „jüngeren objektiven Versuchs theorie" v. Hippelscher Prägung i n der Stock-Fs, S. 103 ff. — Gegen den Adäquanzgedanken auch Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 69, 89. A u f Jakobs' eigene Theorie der „Modellgefahr" (aaO, S. 94 ff.) ist hier nicht einzugehen. 46 Vgl. Wolter, G A 1977, S. 257, 265, 274; ZStW 89, S. 676, 686, 703 f. ( m . w . N.). Z u m Problem siehe auch Schünemann, Schaffstein-Fs, S. 174 f.

I I . K r i t i k der objektiven Versuchs theorie

227

Allerdings wäre z.B. bedenkenswert, „schlechte Vorbilder" i n Beziehung zum Gesamtrisiko des bereits erwähnten Gefahrenbereichs „Straßenverkehr" zu setzen. Speziell dort mag das demonstrative Befolgen gewisser Verhaltensstandards von erheblicher empirischer und normativer Bedeutung sein. Aber das ist ein anderes Thema. Abschließend sei zur K r i t i k dieser Spielart der „objektiven Versuchstheorie" folgendes betont: Ein rechtsstaatliches Strafrecht darf nicht auf „Rechtstreue" i n einem derart umfassenden Sinne abzielen, daß es an den bloßen (dem Handelnden bewußten) Anschein des Verübens einer Straftat ein unrechtsbegründendes Unwerturteil knüpft. Bedenkt man, daß kriminelle Vorgänge i n der Regel ohnehin heimlich ablaufen, so w i r d man schon aus diesem Grunde keinesfalls wegen angeblicher gesellschaftlich-generalpräventiver Auswirkungen fordern, daß Handlungen niemals den Eindruck 47 erwecken dürfen, etwas gehe nicht „ m i t rechten Dingen" zu. Das Postulat, individuelle „Rechtstreue" zu zelebrieren, gehört i n den Kontext eines ablehnungswürdigen reinen Gesinnungsstrafrechts. Der Versuchsdeliktsbegriff bedarf anderer Grundlegung.

47 Hier drängt sich unmittelbar eine Analogie zum Denkmodell der oben, Kap. 10, Abschn. I I 2, behandelten „Eindruckstheorie" auf. Die sich damit andeutende tendenzielle Konvergenz von „subjektiver" u n d „objektiver V e r suchstheorie" weist aber nicht einer zukünftigen konsensgesättigten Strafrechtsdogmatik den Weg, sondern spiegelt die Sackgassen-Situation des gegenwärtigen Gesprächsstandes wider.

15*

1 .

Kapitel

Uber das Verhältnis des vorgeschlagenen Versuchsdeliktsbegriffs zur gesetzlichen Regelung der Versuchs-Straftat, insbesondere zum grob unverständigen Versuch nach § 23 I I I StGB Die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens leitet sich her aus der Analyse grundlegender Begriffe auf der Basis der Umgangssprache einerseits und gewissen normativethischen Argumenten andererseits, die i m Strafwürdigkeitsprinzip methodisch verankert sind. Abgesehen davon, daß die Thematik dieser Monographie insofern von vornherein dem strafgesetzlichen Kontext zugehört, als sie sich ohne die Rechtsregeln zum „Versuch" (§§ 22 ff.) selbstverständlich nicht stellte, scheint die hier entwickelte Konzeption somit gleichsam über dem Gesetz zu schweben. Deswegen sei i n diesem abschließenden Kapitel nach ihrer Vereinbarkeit m i t den einschlägigen Normen gefragt. Hierfür kommen § 22 und § 23 I I I i n Betracht. Zuvor aber ist angesichts von Argumentationsmustern, wie sie i n der heutigen strafrechtsdogmatischen Diskussion zum Teil gebräuchlich sind, folgender Hinweis angezeigt: Das Problem der Kompatibilität von Dogma und Gesetz berührt nicht das Problem der Sachgerechtheit des Dogmas. Vielmehr geht es darum, eine A n t w o r t auf die Frage zu finden, ob die betreffende Theorie als Theorie des geltenden Rechts bezeichnet werden kann; sollte das nicht der Fall sein, müßte sie i n Vorschläge de lege ferenda einmünden und i m übrigen herausarbeiten, wie de lege lata am besten verfahren werden kann. Die eigentliche Aufgabe der Rechtsdogmatik wäre mißachtet, wenn zum jeweiligen Problempunkt bloß formal geltend gemacht würde, daß die eigene Ansicht i m Gesetz fundiert sei, ohne daß man sich u m eine an sich erforderliche sachliche Legitimation bemühte. Wie andere juristische Disziplinen auch unterliegt die Strafrechtswissenschaft dem i n Rechtstheorie und Rechtsphilosophie erhobenen Postulat, die „normativ-praktische Dimension" der Dogmatik 1 zu erfüllen. 1 Dreier, Was ist u n d wozu Allgemeine Rechtstheorie?, S. 15, u n d Rechtstheorie 2, S. 44 ff. (S. 53: „Ethisierung der Rechtswissenschaft"); vgl. i m Rahmen einer Theorie des „juristischen Diskurses" als „Sonderfall" des „allgemein praktischen Diskurses" A l e x y , Theorie der juristischen Argumentation, S. 307 ff.; über „Wertorientiertes Denken i m Bereiche der Rechtsdogmatik" siehe Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 204 ff. I n der Dichte eines Aphorismus Salomon, Grundlegung zur Rechtsphilosophie, S. 34: „ O b j e k t der Rechtswissenschaft sind nicht die Lösungen, welche die Rechtsprobleme i n diesem oder jenem Gesetzbuch, oder bei diesem oder jenem A u t o r gefunden haben, sondern diese Probleme selbst. Rechtswissenschaft ist nicht eine Wissenschaft von den Rechtsnormen, sondern von den Rechtsproblemen." — Naucke, Grundlinien einer rechtsstaatlich-praktischen allgemeinen Straftatlehre, fordert zwar einerseits nachdrücklich, daß die allg. Straf-

§ 23 Abs. 3 (Der grob unverständige Versuch)

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D i e i m z e h n t e n K a p i t e l (Abschn. I I 2) u n t e r s u c h t e „ E i n d r u c k s t h e o r i e " b e h a u p t e t n i c h t n u r — w i e b e r i c h t e t — i h r e „ H e r r s c h a f t " ü b e r andere A n s i c h t e n z u m B e g r i f f des Versuchsdelikts, s o n d e r n sieht sich o f f e n b a r als v o m g e l t e n d e n Recht geboten 2 . Diesen A n s p r u c h g i l t es z u r ü c k zuweisen. Z u n ä c h s t f ä l l t auf, daß einerseits die „ E i n d r u c k s t h e o r i e " i h r e Gesetzeskonvergenz gerade d a r a u f g r ü n d e t , daß sie „ o b j e k t i v e V e r s u c h s k r i t e r i e n " einbeziehe 3 , w ä h r e n d andererseits v o r g e t r a g e n w i r d , daß die gesetzliche R e g e l u n g d e r V e r s u c h s - S t r a f t a t d u r c h das 2. S t R G v o m 4. 7. 1969 die „ s u b j e k t i v e V e s u c h s t h e o r i e " a n e r k e n n e 4 . K a n n m a n die G e g e n s ä t z l i c h k e i t dieser b e i d e n A n s i c h t e n v i e l l e i c h t n o c h i n s o f e r n aufheben, als m a n b e t o n t , daß es sich b e i d e r „ E i n d r u c k s t h e o r i e " u m eine S p i e l a r t d e r „ s u b j e k t i v e n V e r s u c h s t h e o r i e " h a n d l e 5 , so w i r d das „ A r g u m e n t d e r Gesetzestreue" schon etwas p r e k ä r e r , w e n n m a n sich die k o n t r o v e r s e n S t e l l u n g n a h m e n z u d e r F r a g e v o r A u g e n f ü h r t , o b sedes m a t e r i a e des i r r e a l e n Versuchs § 23 I I I ist oder ob a u ß e r h a l b v o n § 23 I I I das V e r s u c h s d e l i k t b e i V o r l i e g e n eines i r r e a l e n Versuchs stets v e r n e i n t w e r d e n sollte ( d a r f ) 6 . tatlehre „einen Maßstab f ü r die Beurteilung positiven Rechts" zu schaffen habe (aaO, S. 35), w i l l aber andererseits den Gegenstandsbereich dieser Straftatlehre auf wenige Grundaussagen begrenzen (aaO, S. 35 ff.). — H i e r ist nicht der Ort, den von uns eingenommenen rechtstheoretischen Standpunkt vertiefend zu erörtern. Ergänzend sei aber noch angemerkt, daß ein „ A u t o r i t ä t s prinzip" (vgl. dazu Albert, T r a k t a t über rationale Praxis, S. 66) innerhalb der Bandbreite zulässiger Rechtsanwendung nicht m i t i h r i n Einklang steht; demgegenüber sieht etwa Hruschka (Das Verstehen von Rechtstexten, S. 72) auf hermeneutischer Grundlage i n der „Berufung auf A u t o r i t ä t e n den denkbar schwächsten Beweisgrund" (Hervorhebung v o m Verf.). 2 Siehe Roxin, JuS 1979, S. 1; Rudolphi, SK StGB, v o r § 22, Rn. 14. Jescheck schreibt (S. 416), daß sich das neue Recht am besten von der E i n druckstheorie her verstehen lasse. — F ü r eine explizite Relativierung derartiger Argumente i m Bereich des Streites u n i den Versuchsdeliktsbegriff siehe Burgstaller, JB1 1969, S, 521 f. 3 Vgl. R o x i n u n d Rudolphi, aaO. Ferner Jescheck, S. 415, 429 f.; Maurach/ Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 32. 4 Baumann, S. 526; Lackner, § 22, A n m . 2 a; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 13, 67. Vgl. auch Engisch, Heinitz-Fs, S.190, u n d Lackner, J Z 1978, S.211.— sätzlich"). 5 Siehe bereits oben, S. 209. 6 F ü r generelle Straflosigkeit des irrealen Versuchs (Nichtanwendung von § 23 I I I ) : Dreher/Tröndle, § 23, Rn. 5; Gössel, G A 1971, S. 229 ff.; Jescheck, S. 431, u n d SchwZStrR 91, S. 30; Lackner, § 23, A n m . 3 a; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 32 f.; Preisendanz, § 23, A n m . 4; R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 20; Rudolphi, SK StGB, Rn. 34 f.; Schönke/Schröder/ Eser, § 23, Rn. 13; Wessels, Strafrecht-AT, S. 123. Anders: Albrecht, Der u n taugliche Versuch, S. 63; Baumann, S. 528; Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 101 f.; Jescheck^ Strafrecht-AT, 2. Aufl., S. 402, A n m . 7 a; Otto, Grundkurs Strafrecht-AT, S. 232; Schmidhäuser, Rn. 15/45. Vgl. auch A r m i n Kaufmann, Welzel-Fs, S. 403, u n d Zielinski, Handlungsu n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 134, A n m . 14. — Freilich bleibt jeweils zu fragen, w o r i n der einzelne A u t o r einen „irrealen Versuch" findet. Z u unserem Begriff des irrealen Versuchs siehe oben, S. 202 ff. Z u r Nichtan-

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

Jedenfalls sei zunächst festgehalten, daß sich die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens, nach welcher der irreale Versuch ein Problem des Unrechtstatbestandes des Versuchsdelikts und keines des § 23 I I I darstellt, i n guter Gesellschaft befindet, was die diesbezüglichen Lösungsvorschläge anderer Konzeptionen angeht (siehe unter Anm. 6). Enthält das Gesetz7 sonstige Anhaltspunkte, die Zweifel an der Gesetzestreue unserer Theorie aufkommen lassen? — § 22 stellt eine sehr rudimentäre Regelung der Versuchs-Straftat dar. Anders als § 43 a. F. bezeichnet sie lediglich — wenn auch vage 8 — die Grenze zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium 9 . Insbesondere darf aus der Wendung „wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur V e r w i r k lichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt" (§ 22) nicht abgeleitet werden, daß auch die Strafbarkeit des nicht-intentionalen und ungefährlichen Versuchs, d. h. letztlich der juristische Vorsatzbegriff als unrechtskonstitutives Merkmal, geboten sei 10 . Außerdem wäre es i n höchstem Maße unplausibel, zum einen der hier vertretenen Theorie des Versuchsdelikts als gesetzeswidrig vorzuwerfen, daß sie zwei Formen der Unrechtsbegründung postuliere (subjektiv den Ziel- und objektiv den Gefährdungsunwert), und zum anderen i m gleichen Atemzug eine aus „Objektivem und Subjektivem gemischte Versuchstheorie" als Theorie des geltenden Rechts zu vertreten. Eine gewisse Stütze erhält unsere Konzeption durch § 23 I I I . Die A n wendung dieser Vorschrift kommt nur i m Fall eines ungefährlichen Versuchs i n Betracht und — so die These der Theorie von Intention und Gefahr als den Anknüpfungspunkten unrechtsbegründender Unwerturteile — auch nur i m Fall eines intentionalen Versuchs, weil sonst bereits der Unrechtstatbestand eines Versuchsdelikts nicht vorläge. I n § 23 I I I nun ist von der „ A r t . . . des Mittels, m i t dem die Tat begangen werden sollte" die Rede. Führt man sich den engen begrifflichen Zuwendbarkeit v o n § 23 I I I i n Fällen des abergläubisch-irrealen Versuchs vgl. noch unten, A n m . 21. 7 Die Gesetzgebungsgeschichte ist unergiebig; siehe zu i h r — unter Berücksichtigung der Entwürfe u n d des Alternativentwurfs — Gössel, G A 1971, S. 225 ff., u n d R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Strafrecht, S. 14 ff. — Rechtsvergleichend siehe die Regelungen i n § 15 ö s t S t G B u n d A r t . 21 ff. SchwStGB; zu ihnen noch unten, A n m . 17. 8 Vgl. oben, Kap. 1, A n m . 26. 9 Vgl. oben, Kap. 8, A n m . 2, u n d die dort angeführten Autoren; ferner Welzel, S. 190. — Die Formulierung des Gesetzes folgt einfach früheren E r läuterungen zu § 43 a. F. 10 So aber w o h l i m Ansatz R o x i n i n : E i n f ü h r u n g i n das neue Straf recht, S. 16 f., sowie JuS 1979, S. 2, links oben, u n d Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn. 13, 67. Vgl. auch Engisch, Heinitz-Fs, S. 190, u n d Lackner, JZ 1978, S. 211. — Es liegt w o h l am nächsten, die Relation zwischen der Theorie des intentionalen u n d des gefährlichen Versuchens u n d § 22 als zulässige restriktive Auslegung zu sehen (vgl. schon oben, S. 88).

§ 23 Abs. 3 (Der grob unverständige Versuch)

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sammenhang von Intention und Mittel-Zweck-Konnex vor Augen 1 1 , so liegt nahe, den zitierten Gesetzestext so zu verstehen, daß gerade ein intentionaler Versuch gemeint sei 12 . Von daher fügt sich § 23 I I I nahtlos i n die vorgeschlagene Konzeption ein. — Zu einem weiteren ihrer Grundgedanken, der zu Anfang dieses Kapitels nochmals erwähnt worden ist, wurde bereits oben (S. 139) dargetan, daß keine gesetzlichen Hindernisse bestehen, i n der strafrechtsdogmatischen Erfassung des Versuchsdelikts zunächst vom „Versuch" als Wort der Umgangssprache auszugehen. I m Gegenteil, der Gesetzgeber selbst hat sich i n seinen Regelungen dieses gemeinsprachlichen Wortes bedient. Entscheidendes Gewicht für das Problem der Vereinbarkeit der hier entwickelten Theorie des Versuchsdelikts m i t dem geltenden Recht kann nach allem nur die Frage besitzen, ob für § 23 I I I überhaupt Anwendungsfälle übrigbleiben: Als Regelungsgegenstand dieser Norm drängen sich Sachverhalte auf, wie sie oben (S. 202) dem abergläubischen Versuch gegenübergestellt wurden, also ζ. B. der Tötungsversuch mittels Vergiftens durch Zucker und der Abtreibungsversuch mittels Lutschens von Himbeerbonbons. Das schweizerische Bundesgericht hatte i m Hinblick auf A r t . 23 I, I I SchwStGB, dem § 23 I I I i m wesentlichen entspricht, folgenden Fall zu entscheiden: Jemand stiftet eine Frau an, mittels Senfbäder und Spülungen m i t Seifenwasser eine Abtreibung zu versuchen 13 . I n einem ähnlichen, vom OLG Hamburg entschiedenen F a l l 1 4 ging es u m Abtreibungsversuche mittels heißer Bäder, der Arznei „Mutterkorn" und mittels Chinintabletten (angeratenen Rotwein hatte sich die Schwangere nicht beschaffen können).

11

Siehe die Analyse oben, S. 143 ff. Nicht zutreffend also Roxin, ZStW 83, S. 402, der meint, daß § 23 I I I „doch w o h l davon" ausgehe, „daß jede F o r m v o n »Vorsätzlichkeit' einen grundsätzlich strafbaren untauglichen Versuch" begründe. — Soweit § 23 I I I zwischen „ M i t t e l " u n d „Gegenstand" differenziert, w i r d dadurch die U n t e r scheidung des Versuchs m i t untauglichem M i t t e l v o m Versuch am untauglichen Objekt nahegelegt (vgl. auch Jescheck, S. 429, zu 3.; Schönke/Schröder/ Eser, § 22, Rn. 67 a. E.). Diese überkommene D i s t i n k t i o n vermag i n einer Theorie, die Handlungen, Intentionen (und Mittel) relativ auf Beschreibungen sieht, i n die auch „Objekte" eingehen können, evidentermaßen nicht ungebrochen wiederzukehren. Allerdings lassen sich auch innerhalb der hier zugrundegelegten Theorie verschiedenartige Gründe (ζ. B. die Ungeeignetheit des v o m Täter ausgewählten Mittels) f ü r die Ungefährlichkeit v o n Versuchshandlungen anführen (siehe den kurzen Hinweis i n Kap. 10, A n m . 9; vgl. auch Kap. 10, A n m . 60). 13 B G E 70 I V , 49 ff. Siehe zu diesem U r t e i l Albrecht, Der untaugliche V e r such, S. 56 f.; Stratenwerth, Rn. 693. 14 HESt 1, 95 ff. 12

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . Kapitel:

Derartiger Konstellationen eingedenk, die eben keine irrealen Versuche darstellen und gleichwohl unter Umständen nicht strafwürdig sind, sei § 23 I I I i m folgenden näher behandelt. Gemäß § 23 I I I ist unter der Prämisse, daß „der Täter aus grobem Unverstand verkannt (hat), daß der Versuch... überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte", entweder von Strafe abzusehen oder die Strafe nach § 49 I I zu mildern 1 5 . Wie läßt sich diese Versuchsform allgemein charakterisieren? Ausgangspunkt der Analyse sollte das Merkmal des groben Unverstands sein, von dem her w i r den i n § 23 I I I geregelten Versuch als den grob unverständigen Versuch bezeichnen 16 . Uber dieses Merkmal eröffnet sich die Parallele zu den Fällen des irrealen Versuchs: Ebenso wie dort kann man auch hier dazu kommen, die Intention letztlich nicht ernst zu nehmen. Wenn der Wille des Täters auf Vorstellungen grob unverständiger A r t beruht, kann die für den Zielunwert wesentliche Bedrohlichkeit des Willens i n der Weise relativiert sein, daß wegen der Tat keine oder eine mildere Rechtsfolge verhängt wird. — Demgegenüber bezeichnet das Gesetz m i t der Formel „daß der Versuch... überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte" lediglich die Ungefährlichkeit des Versuchs i m Sinne des oben (Kap. 9, Abschn. I I 2) gebildeten Begriffs 1 7 und postuliert nicht etwa einen anderen, auf reduzierter Urteilsbasis beruhenden Gefahrbegriff 18 . Auch bedarf es einer Distinktion von „absolut" und „relativ untauglichem Versuch" weder i n der Bedeutung, für welche die „ältere objektive Versuchstheorie" 19 argumentierte, noch i n irgendeiner anderen Bedeutung 2 0 . Soweit man nun fragt, welche spezielle Funktion das Wort 15 Wobei das Gesetz so zu verstehen ist, daß zumindest gemildert werden muß; vgl. Bundestagsdrucksache V/4095, S. 11 f. Siehe auch Rudolphi, SK StGB, § 23, Rn. 10, der allerdings auch eine M i l d e r u n g nach §§ 23 I I , 49 I für möglich hält. — Anders R o x i n in:Einführung i n das neue Strafrecht, S. 21. 16 Vgl. so etwa Roxin, aaO, S. 18 f.; Schmidhäuser, Rn. 20/41. 17 Wie hier f ü r A r t . 23 I SchwStGB Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 89 ff. — § 15 I I I ö s t S t G B enthält das Erfordernis des groben Unverstandes nicht, so daß es dort schwieriger ist, de lege lata zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Vgl. die Kommentierung von Leukauf/Steininger, § 15 ÖstStGB, Rn. 28 ff., sowie die Entscheidung O G H JB1 1979, S. 100 f., m i t einer A n m . von Burgstaller, aaO, S. 101 f. 18 So aber: Gössel, G A 1971, S. 228; Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 38; Rudolphi, SK StGB, § 23, Rn. 7; Stratenwerth, Rn. 693. Dazu skeptisch: Schönke/Schröder/Eser, § 23, Rn. 15. 19 Siehe die kurze Notiz oben, Kap. 9, A n m . 69. 20 M a n braucht also keinen „alten Streit" Wiederaufleben zu lassen, w o v o n Gössel, G A 1971, S. 228, u n d Maurach/Gössel, Strafrecht-AT 2, S. 28, 38, ausgehen; richtig hingegen: Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 100; Dreher/Tröndle, § 23, Rn. 6; Jescheck, S. 430 (der aber auf S. 415 den Ausdruck „absolut untauglicher Versuch" verwendet); Lackner, § 23, A n m . 3 b. Allerdings sollte man sich dem seit je bestehenden Streit u m die sachgerechte Konzeption des Versuchsdelikts auch heute noch aussetzen.

§ 23 Abs. 3 (Der grob unverständige Versuch)

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„ ü b e r h a u p t " i n d e m z i t i e r t e n S a t z t e i l besitze, so ist z u a n t w o r t e n , daß d a m i t eine V e r b i n d u n g z u m M e r k m a l des g r o b e n U n v e r s t a n d e s h e r g e s t e l l t w i r d . U m diese These z u e r l ä u t e r n , m u ß m e h r L i c h t i n d e n B e g r i f f des g r o b u n v e r s t ä n d i g e n Versuchs gebracht w e r d e n . Z u diesem Z w e c k b i e t e t sich eine D i f f e r e n z i e r u n g an, w e l c h e die Strafrechtswissenschaft seit l a n g e m k e n n t . A l l e r d i n g s w u r d e i h r o f t m a l s zu große T r a g w e i t e zugeschrieben, w ä h r e n d sie tatsächlich n u r a n dieser S t e l l e b e d e u t s a m ist. Es h a n d e l t sich u m d e n U n t e r s c h i e d z w i schen „ o n t o l o g i s c h e m " u n d „ n o m o l o g i s c h e m " I r r t u m 2 1 , d e r h i e r f o l g e n d e r m a ß e n f r u c h t b a r gemacht w i r d : M a n stelle sich z . B . v o r , daß e i n T ä t e r sämtliche F a k t e n k e n n t , aus d e n e n sich die U n e r r e i c h b a r k e i t des a n g e s t r e b t e n Z i e l s e r g i b t (er w e i ß e t w a , daß e r d e m O p f e r Z u c k e r u n d n i c h t A r s e n v e r a b r e i c h t 2 2 ) , u n d g l e i c h w o h l a u f d e m S t a n d p u n k t steht, d e r E r f o l g sei m ö g l i c h ( „ n o m o l o g i s c h e r I r r t u m " ) . D a n n l i e g t z w a r n i c h t notwendig grober Unverstand v o r — denn nicht jeder I r r t u m über die W i r k s a m k e i t des eigenen H a n d e l n s b e i K e n n t n i s a l l e r sonstigen Tatsachen i s t schon grob u n v e r s t ä n d i g — , aber i m m e r h i n k o m m t dieser 21 Siehe ζ. B. zu Dohna, Güterbock-Fg, S. 58 ff. (vgl. schon oben, Kap. 10, A n m . 58). — Der Sache nach i m wesentlichen wie der oben folgende T e x t : Jescheck, S. 430; Lackner, § 23, A n m . 3 b; R o x i n i n : Einführung i n das neue Strafrecht, S. 19; Schönke/Schröder/Eser, § 23, Rn. 17; ebenfalls Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 39, 48 f., der diese D i s t i n k t i o n aber fälschlicherweise auf den irrealen Versuch erstreckt, obwohl von diesem als abergläubischem Versuch nicht gesagt werden sollte, daß er auf Irrtümern beruhe, w e i l man sich — wie oben, S. 203, gezeigt — zu den i h n tragenden Vorstellungen agnostizistisch verhalten sollte (eine Bedrohung stellt ein solcher Versuch trotzdem nicht dar!). Hier k o m m t übrigens ein erwähnenswertes Argument zum V o r schein, m i t dem sich begründen läßt, daß § 23 I I I nicht auf den abergläubischen Versuch anwendbar sei. Dieser Versuch ist eben gerade so definiert, daß die Behauptung, er könne „überhaupt nicht zur Vollendung führen", nicht sinnvoll wäre. Auch erscheint das abwertende U r t e i l „grober Unverstand" n u r dort angebracht, wo man zumindest zeigen kann, daß jemand von I r r t ü m e r n ausgeht. Diese unterschiedliche S t r u k t u r von abergläubischem u n d grob unverständigem Versuch w i r d i n Bemerkungen von Gössel, G A 1971, S. 235, 2. Absatz, u n d Schönke/Schröder/Eser, v o r § 22, Rn. 19, verkannt. Dagegen weist Gössel (aaO, 3. Absatz) richtig darauf hin, daß das Wertprädikat „grob unverständig" deswegen nicht allgemein auf den irrealen Versuch passe, w e i l ein solcher, ζ. B. von starken religiösen Bindungen getragener Versuch nicht per se grob unverständig sei, so daß § 23 I I I dann nicht eingreifen würde. I m übrigen siehe zur Verschiedenartigkeit des grob u n v e r ständigen Versuchs gegenüber der nicht abergläubischen Variante des irrealen Versuchs oben, S. 205. (Beim irrealen, aber nicht-abergläubischen Versuch ist ein Kausalnexus i m Sinne des Handelnden möglich; zum Geschehensverlauf bei einem abergläubischen Versuch enthält man sich der Stimme; die Präsumtionen des Täters eines grob unverständigen Versuchs sind unwahr.) 22 Vergreift sich der Täter u n d n i m m t ζ. B. Zucker statt Salz, darf sich die Beurteilung selbstverständlich nicht ändern (siehe Frank, § 43, A n m . I I I , drittletzter Absatz). Anders hingegen, wenn der Täter Gift statt Zucker v e r abreicht. Dann scheidet ein nach § 23 I I I zu beurteilender (ungefährlicher) grob unverständiger Versuch aus. Es stellt sich dieselbe Problematik, w i e sie oben, Kap. 10, A n m . 61, f ü r den irrealen Versuch behandelt wurde.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l :

grobe Unverstand i n Betracht. A u f eine derartige Konstellation weist das Gesetz m i t dem Wort „überhaupt" i n der zitierten Versuchsbeschreibung hin. Grober Unverstand liegt nur vor, wenn die Fehlerhaftigkeit der Tätervorstellung, die Absurdität des konstituierten MittelZweck-Zusammenhanges für jedermann hinreichend evident ist 2 3 . Und wann das der Fall ist, muß von Sachverhalt zu Sachverhalt unter analoger Einbeziehung der Gründe entschieden werden, die beim irrealen Versuch zur Verneinung eines Zielunwertes geführt haben (Stichwörter: Nichternstnehmen der Intention, Zurechnung eines Wollen als Wünschen) 24 . I n dem bereits angeführten Urteil aus dem Jahre 1944 argumentiert das schweizerische Bundesgericht wie folgt: Der betreffende Versuch sei deswegen nicht grob unverständig, w e i l Senfbäder und Spülungen m i t Seifenwasser i n weiten Kreisen des Volkes i m Rufe der Tauglichkeit für Abtreibungen stehen und w e i l es sogar Mediziner gebe, welche diese M i t t e l für geeignet halten 2 5 . — A n dieser Stelle braucht nicht diskutiert zu werden, ob diese Beurteilung richtig war oder ob sie heute noch richtig wäre 2 6 . Es genügt, daß die Struktur der auf den jeweiligen Wissenshorizont einer Gesellschaft abstellenden Argumentation verdeutlicht wurde. Als weiteres Beispiel, das für § 23 I I I i n Betracht kommt, sei ohne speziellen Kommentar der Fall der „Prager Köchin" angeführt, wie er bei v. Rohland 2 7 wiedergegeben ist: „Eine Köchin i n Prag, eifersüchtig auf das Stubenmädchen, verfiel, u m die gefährliche Concurrenz i n der Liebe zu beseitigen, auf den Gedanken, die Nebenbuhlerin i n die L u f t zu sprengen. Z u diesem Behufe verschaffte sie sich einige Körner Pulver, legte dieselben unter das Bett der schlafenden Feindin und zündete sie an. Es erfolgte zwar eine unbedeutende Explosion, zum großen Erstaunen der Köchin wurde aber die verhaßte Nebenbuhlerin nicht i n die L u f t gesprengt, sondern lag nach wie vor unversehrt i n ihrem Bett. — Das Prager Landgericht, bei welchem nun gegen die Köchin die Anklage wegen Mordversuchs erhoben wurde, war in nicht geringer Verlegenheit, wie es entscheiden sollte. Schließlich zog sich dasselbe i n einer

23 Vgl. etwa Jescheck, S. 430; Lackner, § 23, A n m . 3 d; Preisendanz, § 23, A n m . 6 a. 24 Also k a n n der grob unverständige Versuch ebensowenig w i e der irreale Versuch als Beleg f ü r eine sachliche bzw. gesetzliche Gebotenheit der „ E i n druckstheorie" angeführt werden (siehe aber Jescheck, SchwZStrR 91, S. 30). 25 B G E 70 I V , 49 (50). Ä h n l i c h O L G Hamburg, HESt 1, 95 f. (im Hinblick auf die damalige Gesetzeslage aber nicht auf den Begriff des grob unverständigen Versuchs bezogen). 26 Vgl. Dreher/Tröndle, § 23, Rn. 6. 27 Strafrechtsfälle, S. 22. Vgl. Geyer, ZStW 1, S. 35 f., der i n einem derartigen Handeln eine „Ausgeburt nichtigen Aberwitzes" sieht, die „nach W o l kenkukuksheim (zu) verweisen" sei.

§ 23 Abs. 3 (Der grob unverständige Versuch)

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zwar juristisch nicht unanfechtbaren, aber praktischen Weise aus der Sache: es sprach die Köchin ihrer exquisiten Dummheit wegen frei." Nachdem die Parallelen des grob unverständigen Versuchs zum irrealen Versuch aufgezeigt worden sind, stellt sich nunmehr die Frage, ob die divergente Behandlung beider Versuchsarten sachgerecht ist, also die gesetzliche Regelung, daß i m erstgenannten Fall das Versuchsdelikt bejaht w i r d und lediglich eine Strafzumessungsregel eingreift 2 8 und i m anderen Fall das Versuchsdelikt mangels Rechtsgutsverletzung und Unrechtstatbestandes verneint wird. M. E. ist diese gesetzgeberische Wertentscheidung i m Grundsatz akzeptabel. Zum einen ist der Begriff des grob Unverständigen (und damit der Unterschied zwischen Unverständigkeit und Verständigkeit i m Handeln) wesentlich vager als der Begriff der Irrealität i m oben dargestellten Sinne (und damit als der Unterschied zwischen Irrealität und Realität i m Handeln). Zum anderen erscheint es prinzipiell möglich, den irrealen Versuch für weniger bedrohlich zu halten als den grob unverständigen Versuch, bei dem der Täter diese Welt ja immerhin nicht transzendiert, sondern sich an einem einzelnen Punkt falsche Vorstellungen über sie macht. Der Charakter des § 23 I I I als Strafzumessungsregel eröffnet die Möglichkeit, beim grob unverständigen Versuch die Bestimmung der Rechtsfolge von präventiven Gesichtspunkten abhängig zu machen; i n diesem Kontext könnte auch die Wiederholungsgefahr als Gefahr eines erneuten Agierens auf ein bisher nicht erreichtes Ziel h i n berücksichtigt werden 29 . Die ζ. B. m i t dem Resozialisierungsgedanken verknüpfte Besserstellung des grob unverständigen gegenüber dem verständigen Versuchstäter ist i m Hinblick auf die Prinzipien des Strafrechts wohl nicht schlechthin verfehlt. Aber das w i r d hier ebensowenig näher erörtert 3 0 , wie die Anwendung allgemeiner Strafzumessungsmaximen auf Fälle des § 23 I I I . Erwähnt sei immerhin noch die Relevanz folgenden Um28 Anders Jescheck, der gemäß seinem Anleitungsbuch „Fälle u n d Lösungen", S. 185, die Voraussetzungen des § 23 I I I i m Rahmen des objektiven Unrechtstatbestandes prüfen w i l l . 29 Vgl. Burkhardt, Der „ R ü c k t r i t t " als Rechtsfolgebestimmung, S. 97 ff. Es führte a m Gegenstand dieser Monographie vorbei, i n i h r Prämissen u n d Ergebnisse der A b h a n d l u n g Burkhardts zu diskutieren. Es sei n u r darauf hingewiesen, daß B u r k h a r d t i n unserem Konzept des ungefährlichen strafwürdigen Versuchs keine präventiven (aus seiner Sicht eigentlich der „Rechtsfolgebestimmung" vorzubehaltenden) Gesichtspunkte ausmachen könnte, obw o h l die Theorie des intentionalen u n d des gefährlichen Versuchens beim irrealen Versuch bereits das Versuchsdelikt verneint, also § 23 I I I nicht anwendet. Daß der Gesetzgeber derartige Gesichtspunkte beim grob u n v e r ständigen Versuch berücksichtigt wissen w i l l , diskreditiert diese Theorie nicht. 30 Ablehnend kritisch etwa Bockelmann, Strafrecht-AT, S. 208; R o x i n i n : Einführung i n das neue Strafrecht, S. 20 ff., unter Hinweis auf § 25 I I I Nr. 2 A E (vgl. dort die Begründung, S. 65). F ü r eine Apologie des § 23 I I I siehe Burkhardt, aaO, S. 102.

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3. Teil. Versuchsdelikt (dualistische Theorie) 1 . K a p i t e l

standes für die Strafzumessung i m Rahmen von § 23 I I I : I n einem konkreten Sachverhalt ist das grob Unverständige insofern Ausfluß der Täterpersönlichkeit, als der Täter vor der Anwendung eines objektiv erfolgversprechenden Mittels vermutlich zurückgeschreckt hätte und zurückschrecken wird. Die „Prager Köchin" brachte allenfalls den M u t auf, einige Pulverkörner zu entzünden; es war i h r vielleicht nicht möglich, eine Bombe zur Detonation zu bringen oder auf einen Menschen zu schießen. Als Abschluß aller dieser Überlegungen w i r d die Ausgangsfrage dieses Kapitels zusammenfassend beantwortet: Die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens ist m i t dem geltenden Recht vereinbar. Es handelt sich u m eine de lege lata vertretbare Theorie des Versuchsdelikts, die auf eine restriktive Auslegung des Gesetzes hinausläuft; für die Richtigkeit dieser Theorie zu argumentieren, war u. a. der Zweck unserer Untersuchung 31 . Die Theorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens nimmt sich gegenüber dem Gesetz(-Geber) keine größere Freiheit als das bei jurisprudentiellen Theorien als Theorien des geltenden Rechts allgemein üblich ist 3 2 . Gerade auch wenn man bedenkt, wie eine „subjektive Versuchstheorie" früher m i t § 43 a.F. fertig wurde 3 3 , wäre es i n höchstem Maße unglaubwürdig, wollte sich die „herrschende" Dogmatik einer Diskussion der hier vertretenen A u f fassung m i t einem Hinweis auf deren „mangelnde Gesetzestreue" entziehen. I m übrigen w i r d die Straf Würdigkeitstheorie des intentionalen und des gefährlichen Versuchens dem reformerischen Bemühen, die Ver-» suchsstrafbarkeit zu begrenzen 34 , voll gerecht. Und gerade zu diesem Bemühen sollte die Strafrechtswissenschaft das Ihre beitragen, wenn sie sich daran macht, das Versuchsdelikt begrifflich zu erfassen.

31 Schmidhäuser fordert f ü r einen anderen Problembereich (die Behandl u n g des Verbotsirrtums) m i t Recht sinngemäß dazu auf, den Unterschied z w i schen Vertretbarkeit u n d Richtigkeit einer Rechtsansicht zu beachten, damit das wissenschaftliche Gespräch nicht durch unangemessene Barrikaden behindert werde (vgl. den Aufsatz JZ 1979, S. 361 ff.). 32 Das Zeitbedingte i m Verhältnis von Gesetzgebung einerseits u n d Rechtsprechung (bzw. rechtsanwendender Wissenschaft) andererseits verdeutlicht ein Aufsatz Strömholms, J Z 1978, S. 45 ff. Aufschlußreich zu diesem Gesichtsp u n k t auch Kübler, AcP 162, S. 104 ff. (auf S. 106 die These: „der deutsche Richter w a r . . . u m so gesetzestreuer, je autoritärer der deutsche Staat verfaßt w a r ; i n dem Maße, i n dem das Gemeinwesen sich demokratisierte, wurde dem Richter die Verbindlichkeit des Gesetzes problematisch"). 33 Vgl. z.B. die bereits oben, S. 199, zitierte kritische Bemerkung Sauers, S. 99 : „ . . . die vollendete Wegnahme der herrenlosen Sache i n Zueignungsabsicht ist gewiß nicht der zum Versuch v o m Gesetz erforderte Anfang der Ausführung eines nicht vollendeten Diebstahls . . . " . 34 Vgl. n u r Jürgen Meyer, ZStW 87, S. 618; Rudolphi, SK StGB, § 22, Rn. 35.

Abschluß (Offene Fragen der Strafwürdigkeit des Versuchens) Das zwölfte und letzte Kapitel sollte den Gedankengang der vorliegenden Monographie i n gewisser Weise abrunden. Gleichwohl sind Fragen offengeblieben, die eine A n t w o r t verlangen, wenn man das Problem strafwürdigen Versuchens aufwirft. Diese Fragen gehören nämlich noch zum fundamentalen Kern der strafrechtlichen Problematik des Versuchsdelikts, soweit sie auf ein prinzipielles, die normativen Grundlagen vollständig erfassendes Verständnis abzielt. Die Antworten sollen am Schluß unserer Abhandlung wenigstens skizziert werden. Eine solche Skizze kann eine ausführliche Untersuchung selbstverständlich nicht ersetzen 1. — Gemeint sind folgende drei Fragen: Sollte wegen Versuchens überhaupt gestraft werden? Wegen welcher einzelnen Versuchshandlungen sollte gestraft werden? Sollte wegen Versuchsdelikts milder als wegen des entsprechenden Vollendungsdelikts gestraft werden? 1. Die an erster Stelle zu beantwortende Frage, ob wegen Versuchens überhaupt gestraft werden sollte, mutet angesichts des heutigen Strafgesetzes, das unangefochten ein Versuchsdelikt normiert, etwas künstlich an. Es leuchtet unmittelbar ein, daß ein handlungsbezogenes bejahendes Strafwürdigkeitsurteil nicht ganz allgemein jede Legitimation verliert, wenn die Handlung einen bloßen Versuch darstellt und nicht die Voraussetzungen des entsprechenden Vollendungsdelikts erfüllt. Aber die wissenschaftliche Analyse muß weiterfragen und darf sich nicht m i t einer unreflektierten intuitiven Einsicht begnügen: Warum erscheint der Verbindlichkeitsanspruch des genannten Strafwürdigkeitsurteils, das auch i n die Gestaltung des geltenden Rechts eingegangen ist, als so unproblematisch? Die normative Uberzeugungskraft dieses Urteils kann mittels des Gerechtigkeitsprinzips adäquat expliziert werden. Eine staatliche Strafordnung sollte — eben aus Gründen der Gerechtigkeit — den Bereich strafbaren Verhaltens nicht ganz generell durch das K r i t e r i u m des Handlungser/oigres abgrenzen. Erfolg und Mißerfolg einer Tätigkeit 1 Z u m Thema siehe jüngst einen rechtsvergleichenden Bericht von Spotowski: Erscheinungsformen der Straftat i m deutschen u n d polnischen Recht, S. 55 ff.

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Abschluß

liegen nach aller Erfahrung, d. h. danach wie die Rahmenbedingungen menschlicher Existenz vorgefunden werden, zu dicht beieinander, als daß sie ein sachgerechtes K r i t e r i u m für eine allgemein geltende Strafwürdigkeitsgrenze abgeben könnten. Soweit es u m eine moralische und rechtliche Bewertung 2 menschlichen Verhaltens geht, erfordern die Sachverhalte, wo jemand versucht, etwas Verpöntes zu tun, aber nicht reüssiert, bzw. wo jemand sein verbrecherisches Vorhaben erfolgreich i n die Tat umsetzt, nicht die Anwendung prinzipiell divergenter Wertmaßstäbe. Als Prototyp der gemeinten Sachverhalte kann das Beispiel dienen, daß jemand an seinem Opfer knapp vorbeischießt, anstatt es tödlich zu treffen. Dieser Betrachtung, die von einzelnen Straftaten und möglichen Differenzierungen abstrahiert, kann man nicht sinnvoll entgegenhalten, daß sie insofern am geltenden Strafgesetzbuch vorbeigehe, als nicht jedes i m Besonderen Teil als Vollendungsdelikt geschilderte Geschehen an einen Erfolg i m soeben vorausgesetzten Sinne anknüpfe, daß vielmehr manches als Vollendungsdelikt erfaßt werde, was vom anvisierten eigentlichen Unwertsachverhalt 3 weit entfernt sei. Zwar t r i f f t zu, was hier über die Struktur der Straftatbestände heutigen Rechts behauptet wird, aber es t r i f f t doch nicht unsere Argumentation zur grundsätzlichen Strafwürdigkeit des Versuchens. — Einen weiteren bemerkenswerten Ausgangspunkt, dieses Strafwürdigkeitsurteil zu begründen, bietet der Gedanke der Generalprävention 4 . Damit w i r d das die Folgen einer Handlung bewertende utilitaristische Prinzip angewandt, auf dem die Legitimation staatlichen Strafens als Ganzes fußt. Gibt es Gründe allgemeiner Abschreckung, die für eine Pönalisierung des Versuchs sprechen? U m die Frage beantworten zu können, ob ein Strafgesetz, das die Strafdrohungen eines Besonderen Teils von heutigem Zuschnitt auf Versuchstaten erstreckt, eine größere Präventionskraft besitzt als eine Rechtsordnung, die den Bereich der Strafbarkeit nicht i n solcher Weise ausdehnt, muß man hypothetisch von der zuletzt genannten Gesetzeslage ausgehen: Könnten bei Straflosigkeit des Versuchs Situationen entstehen, die nicht lebensfremd konstruiert w i r k e n (die also ins Gewicht fallen) und i n denen diese Straflosigkeit den Ausschlag für den Entschluß zur Begehung einer Straftat gibt? — Gewiß pflegen Straftäter i n der Regel ohnehin zu vermuten, daß ihre Vorhaben von Erfolg gekrönt sein werden. Gleichwohl liegt die Annahme 2 Die deskriptiv-begriffliche Seite der Problematik wurde oben, i m siebten K a p i t e l behandelt. 3 Begriff von Schmidhäuser, Rn. 8/28. 4 E i n möglicher spezialpräventiver Ansatz bleibt außer Betracht; über i h n siehe Hart, Punishment and Responsibility, pp. 128 - 129.

Abschluß

nicht fern, daß die Effektivität des Strafgesetzes vermindert wird, wenn es allgemein denjenigen nicht erfaßt, der erfolglos handelt. Z u m einen w i r d manchem der unter Umständen zu zahlende Preis zu hoch erscheinen, wenn ihm bereits für einen — als möglich eingeschätzten — Fehlschlag Strafe droht. Zum anderen sind Fälle nicht unwahrscheinlich, i n denen potentielle Täter ihrem Handeln rational oder irrational die Vermutung zugrundelegen, daß nur bei einem mißglückten Versuch ein wirkliches Risiko des Gefaßtwerdens bestehe, während sonst garantiert (bzw. sehr wahrscheinlich) sei, daß sie unbestraft bleiben. Man denke hier beispielsweise an den Hochverrat oder auch an ein Tötungsdelikt, dessen gelungene Ausführung zugleich den einzigen Tatzeugen (nämlich das Opfer selbst) beseitigt. Innerhalb einer solchen Abwägung w i r d es dem Betreffenden dann entscheidend erleichtert, einen Tatentschluß zu fassen, wenn er, der ja nach eigener Prognose i m Falle erfolgreichen Handelns mit einer Bestrafung nicht zu rechnen braucht, sich sagen kann, daß er auch bei einem Mißlingen keine unerwünschten Konsequenzen zu befürchten habe 5 . Wegen Versuchens sollte also gestraft werden, und zwar sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit des Strafens als auch deswegen, weil sonst das Strafgesetz weniger effektiv wäre. Vergleicht man die Qualität dieser beiden normativen Argumente, so ist das Gerechtigkeitsargument als stärker einzustufen, w e i l es das besagte Strafwürdigkeitsurteil voll stützt. I n den Gesamtzusammenhang der ethischen Rechtfertigung der Strafe ordnet sich diese auf Gerechtigkeit abstellende Argumentation insofern ein, als sie der Grundidee folgt, das Strafübel, dessen Institutionalisierung für ein staatliches Gemeinwesen i m Hinblick auf die generalpräventive Wirkung heute unentbehrlich ist, wenigstens so gerecht wie möglich (und vernünftigerweise nötig) zu verteilen 6 . Demgegenüber wurde die Tragweite des utilitaristischen Prinzips, das die bei Nichtbestrafung erfolglosen Handelns zu erwartenden gesellschaftlichen Folgen berücksichtigt, nicht hinreichend deutlich. Eine fundiertere Stellungnahme würde ein erhebliches Maß an Faktenwissen voraussetzen und müßte vor allem den vom angewandten Prinzip geforderten Gedankengang für die verschiedenen relevanten Straftattypen durchspielen. A n dieser Stelle genügte es, eine gewisse Plausibilität der These aufzuzeigen, daß der Gedanke der Generalprävention i m gegebenen Sachzusammenhang einschlägig ist. 2. Bejaht man die grundsätzliche Strafwürdigkeit des Versuchens, so drängt sich die Frage auf, wegen welcher einzelnen Versuchshandlungen gestraft werden sollte (ζ. B. wegen versuchten Totschlags, versuch5 β

Dieser Gedankengang folgt Hart, Punishment and Responsibility, p. 129. Schmidhäuser, Rn. 3/16, 18.

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ten Diebstahls usw.). Zunächst wäre daran zu denken, — anders als § 23 I — i n sämtlichen auf die Straftatbestände des Besonderen Teils beziehbaren Fällen eines Versuchens zu strafen. Ein derartiges Vorgehen könnte durch das Gerechtigkeitsprinzip, das i m letzten Abschnitt i n entscheidender Funktion herangezogen wurde, sogar geboten sein. Jedoch kommt für die jetzige Fragestellung der Gedanke des „fragmentarischen Charakters" 7 des Strafrechts zum Tragen. Die Gerechtigkeit allein sollte nicht über die Ausgestaltung des Strafgesetzes entscheiden, sondern auch der dem staatlichen Strafen innewohnende Zweck. Es kann allerdings nicht Aufgabe dieser mehr einen Ausblick darstellenden Schlußbemerkungen sein, anzustreben, die normativen Grundsätze des Strafrechts insgesamt auszutarieren. Von daher muß folgende Überlegung als Legitimation der These genügen, daß nicht i n allen Fällen eines Versuchens gestraft werden sollte: Wenn schon um der Erträglichkeit der Verhältnisse i n Staat und Gesellschaft w i l l e n gestraft werden muß, dann nur i n solchem Maße, wie nötig ist, u m den ausreichend erträglicheren Zustand zu gewährleisten — jedenfalls solange sich kein eklatanter Widerspruch zum Gerechtigkeitsprinzip ergibt®; dem entspricht die grundsätzliche, billigenswerte Entscheidung des Gesetzgebers, die Strafdrohung für das Versuchen nicht auf sämtliche Straftatbestände des Besonderen Teils zu erstrecken, sondern generell nur auf Verbrechen (§§ 23 I, 12 I), i m übrigen nur auf gesetzlich ausdrücklich bestimmte einzelne Vergehen (§§ 23 I, 12 II). Detaillierte eigene Vorschläge zur Bestrafung von Versuchshandlungen sowie eine diesbezügliche K r i t i k des geltenden Rechts werden hier nicht ausgeführt. Diese Aufgaben bleiben der besonderen Strafrechtslehre vorbehalten, die bei den verschiedenen einzelnen Straftaten ansetzt. Es seien lediglich einige allgemeine Richtlinien aufgestellt: Je weiter schon das als Vollendungsdelikt geschilderte Geschehen vom eigentlichen Unwertsachverhalt entfernt ist (objektiv oder auch subjektiv-intentional), desto zurückhaltender sollte man m i t einer Extension des Strafbarkeitsbereichs sein. — Je höher das verletzte Rechtsgut einzustufen ist, desto eher sollte der entsprechende Versuch pönalisiert werden. — I m übrigen sollte — je nach A r t der betreffenden Straftat — der oben, bei Beantwortung der ersten Frage vorgeführte, auf Generalprävention bezogene Gedankengang berücksichtigt werden. 3. Schließlich stellt sich die Frage, ob wegen eines Versuchsdelikts milder als wegen des entsprechenden Vollendungsdelikts gestraft werden sollte. Die einschlägige Regelung des § 23 I I lautet: „Der Versuch 7

Vgl. oben, S. 38. Über die bloß relative Gerechtigkeit des Strafrechts siehe Schmidhäuser, V o m Sinn der Strafe, S. 43 ff. 8

Abschluß

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kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. I)." 9 § 49 I bestimmt einen milderen Strafrahmen. I n Rechtsprechung und Literatur w i r d unterschiedlich beurteilt, wie die vom geltenden Recht vorgeschriebene fakultative Strafmilderung zu interpretieren ist: Zunächst liegt nahe, davon auszugehen, daß der Richter einen Strafrahmen zu wählen hat. Er kann den jeweiligen Regelstrafrahmen durch einen milderen Sonderstrafrahmen ersetzen. Sodann ergibt sich das Problem, wie zu verfahren ist, wenn es i m konkreten Fall beim Regelstrafrahmen bleibt. Sollte obligatorisch innerhalb des Regelstrafrahmens stets mildernd berücksichtigt werden, daß lediglich ein Versuchsdelikt verübt wurde, so daß die (für das Vollendungsdelikt) vorgesehene Höchststrafe niemals in Betracht käme? Darf die i n einem Straftatbestand absolut angedrohte Strafe, ζ. B. lebenslange Freiheitsstrafe beim Mord, auch für das entsprechende Versuchsdelikt festgesetzt werden? 1 0 Der Sache angemessen, nach geltendem Recht vertretbar und daher geboten ist ein Vorgehen, das wegen Versuchsdelikts stets milder als wegen Vollendungsdelikts straft. Soweit i n concreto der Regelstraîrahmen angewandt, also kein Gebrauch von der sich ausschließlich auf den Straf rahmen beziehenden Milderungsmöglichkeit gemacht wird, muß innerhalb dieses Regelstrafrahmens gemildert werden 1 1 . Das bedeutet beispielsweise, daß ein Gericht nach unserer Interpretation des § 23 I I für versuchten Mord niemals eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen darf 1 2 . 9

F ü r eine K r i t i k des Gesetzestextes siehe oben, S. 91. Z u m Problem vgl. etwa Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 73 ff.; Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 438 ff.; Rudolphi, SK StGB, § 23, Rn. 2 ff.; Schmidhäuser, Rn. 15/20; Schönke/Schröder/Eser, § 23, Rn. 4, 9; Stratenwerth, S chwJuristen tags-Fg, S. 247 ff., sowie Rn. 701. 11 I n diesem Sinne m i t ausführlicher Argumentation Stratenwerth, SchwJuristentags-Fg, S. 261 ff., 266. 12 Das BVerfG (NJW 1979, S. 207 f.) sieht allerdings die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe f ü r einen Mord, der i m Zustande verminderter Schuldfähigkeit begangen wurde, nicht als verfassungswidrig an (§ 21 enthält dieselbe Regelung einer fakultativen Strafmilderung w i e § 23 II). — Presseberichten der jüngeren Zeit entnimmt Verf., daß Gerichte i n Prozessen gegen terroristische Straftäter wegen versuchten Mordes — begangen an festnehmenden Polizeibeamten — zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt haben (vgl. ζ. B. „ F r a n k f u r t e r Allgemeine Zeitung" v o m 27. 4. 1978). Die gleiche Strafe erhielt jener Oberstudienrat, der seine Ehefrau m i t einer krebserzeugenden Substanz vergiftete; die Frau w a r i m Zeitpunkt der Urteilsfällung unheilbar k r a n k u n d starb drei Monate später („Frankfurter Allgemeine Zeitung" v o m 15. 4. 1978, „Hamburger Abendblatt" v o m 17. 7. 1978); die besondere strafzumessungsrechtliche Problematik dieses Falles k a n n hier nicht behandelt werden (zum Problem, w a n n Strafzumessungstatsachen vorliegen müssen, siehe Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 390). — Für statistische Angaben i n diesem Bereich siehe etwa Götz, G A 1977, S. 325. 10

16 A l w a r t

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Die hier zu § 23 I I vorgeschlagene Rechtsanwendung gilt es zu begründen. W i r beschränken uns dabei auf eine allgemeine Betrachtung zu der Frage, welche Rolle Erfolg und Mißerfolg für die abgestufte moralische bzw. rechtliche Bewertung von Handlungen spielen sollten. Diese Fragestellung differenziert nicht zwischen einzelnen Versuchsarten, etwa zwischen intentionalem und gefährlichem Versuchen oder — was manchmal geschieht 13 — danach, ob die Rechtsfolge für einen beendeten oder für einen unbeendeten Versuch 14 festgesetzt werden muß. Ebensowenig können Einzelheiten des Problems erörtert werden, i n welchem Verhältnis Handlungs- und Erfolgsunwert zueinander stehen, insbes. ob der Erfolgsunwert überhaupt dem Unrechtsbegriff zugeordnet ist oder als bloßer Ausfluß eines „ Straf bedürfnisses" m i t dem rechtsgutsverletzenden Charakter des Verhaltens nichts zu tun hat 1 5 . Nach der oben (Kap. 9, Abschn. I I 2) vertretenen Konzeption vom unrechtsbegründenden Charakter der objektiven Gefährlichkeit eines Versuchens liegt allerdings ohnehin nahe, konsequenterweise auch dem Erfolg Unrechtsrelevanz beizumessen. Denn worin sollte ein für die Be^ Wertung qualitativer Unterschied begründet sein, wenn sich eine Gefahr i n den verpönten Erfolg verwandelt? W i r gehen sogar so weit zu behaupten, daß nicht nur die Gefahr, sondern auch die realisierte Gefahr, also auch der Erfolgsunwert (und nicht lediglich der Handlungsunwert), dem Begriff der Rechtsgutsverletzung unterfällt 1 6 . Die Angemessenheit dieser Sicht w i r d besonders dann erhellt, wenn man bedenkt, daß der Versuchsunwert i m Falle gefährlichen Versuchens durch eine Gefahr konstituiert sein kann, die bei einem konkreten Gefährdungs-(Vollendungs-)Delikt einen Gefahr erfolg darstellen würde 1 7 . — I m übrigen dürfte die Position des Erfolgsunwerts innerhalb der Straftatsystematik überhaupt irrelevant dafür sein, ob die hier aufgestellte These von der relativ geringeren Strafwürdigkeit 1 8 des Versuchsdelikts gegenüber dem Vollendungsdelikt zutrifft 1 9 . 13 So bei A r m i n Kaufmann, Welzel-Fs, S. 403 f.; Wolter, ZStW 89, S. 699 f.; Zielinski, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 144, 216 f. Dagegen wendet sich ζ. B. Stratenwerth, Schaffstein-Fs, S. 186 f. 14 I n dieser Unterscheidung k a n n man der Sache nach die aus der französischen Rechtslehre stammenden Begriffe „délit manqué" u n d „tentative" entdecken; dazu vgl. Stratenwerth, SchwJuristentags-Fg, S. 248 f. 15 So der Vorschlag A r m i n Kaufmanns, Welzel-Fs, S. 403, u n d Zielinskis, Handlungs- u n d Erfolgsunwert i m Unrechtsbegriff, S. 128 ff., 200 ff.; vgl. ferner Eckhard Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 97 ff. Kritisch ebenfalls auf der Basis einer „finalen Handlungslehre" z. B. Stratenwerth, Schaff stein-Fs, S. 177 ff. Z u m Problem vgl. aus finaler Sicht etwa noch Krauß, ZStW 76, S. 65 ff.; Krümpelmann, Die Bagatelldelikte, S. 86 ff. 16 I n diesem P u n k t anders Schmidhäuser, Rn. 8/79. 17 Vgl. bereits oben, Kap. 9, A n m . 76. 18 Z u m komparativen Gebrauch von „strafwürdig" siehe oben, S. 38 ff. 19 Richtig Schönke/Schröder/Eser, § 23, Rn. 6, 9.

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Einen möglichen Weg, sich dem sachlichen K e r n dieser These zu nähern, eröffnet i n gewisser Weise ein Teilaspekt unserer A n t w o r t oben, auf die zweite Frage. Es macht nicht nur einen Unterschied i m Hinblick auf das „Ob", sondern auch i m Hinblick auf das „Wie" der Bestrafung, daß beim Versuchen das erfaßte Geschehen vom eigentlichen Unwertsachverhalt weiter entfernt ist als beim Vollendungsdelikt. Diesem Unterschied sollte durch eine mildere Strafe Rechnung getragen werden. Aufgrund ihres Zweckbezugs gehört es zum rationalen Hintergrund der staatlichen Strafinstitution, daß verpönte Unwertsachverhalte i m allgemeinen überhaupt realisierbar sind. Die „ V o l l endung" dominiert; wenn alle bösen Taten mißlingen würden, dürfte es kein Strafrecht geben. — Zudem erscheint es nicht unplausibel, daß eine Rechtsordnung, die auf der einen Seite so gestaltet ist, daß nicht alle auf die Straftatbestände des Besonderen Teils beziehbaren Fälle von Versuchshandlungen unter Strafe stehen, auf der anderen Seite durch die Regelung ergänzt wird, daß dort, wo das Versuchen strafbar ist, eine i m Vergleich zum Vollendungsdelikt mildere Strafe verhängt wird. Schließlich zeigt eine Beobachtung der Praxis moralischen und rechtlichen Tadeins, daß die Frage, ob ein Regelverstoß m i t Erfolg gekrönt ist oder nicht, die Bewertung der jeweiligen Handlung beeinflußt 20 . Die Gesellschaft fühlt sich bei einer erfolglosen bösen Tat nicht i n dem Maße erschüttert wie bei einer erfolgreichen 21 . Und gewiß werden es auch die meisten, die Moral oder Recht brechen, selbst leichter haben, ihre Fehlleistungen zu verarbeiten und zu vergessen, wenn aus ihrem Verhalten keine u. U. irreparablen Folgen entstanden sind. Ob diesem Phänomen Rationalität zukommt und ob es daher i n aufgeklärte, allgemeinverbindliche und moralische Urteile eingehen sollte, ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Man könnte meinen, daß der äußere Erfolg einer Tat doch ein rein kontingenter, schicksalhafter Umstand sei und m i t der Moralität der Tat nichts zu t u n haben könne 2 2 . Aus solcher Sicht wäre eine mildere Bestrafung des Versuchshandelns miß20 Ausführlich dazu Winch, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volume, X L V (1971), pp. 215 - 227; Winch betont den metaphysischen Charakter seiner Reflexion. Siehe ferner Hart, Punishment and Responsib i l i t y , pp. 129 - 135. 21 N u r an dieser Stelle gewinnt eine „Eindruckstheorie" Bedeutung; zur Problematik siehe etwa Bockelmann, Strafrecht-AT, S. 204; Eckhard Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 100 ff.; Jescheck, S. 422; Schmidhäuser, Rn. 2/15, 15/20, 20/40. I m übrigen ablehnend zur „Eindruckstheorie" oben, Kap. 10, Abschn. I I 2. 22 Z u m Topos des „Zufalls" i n diesem K o n t e x t vgl. etwa Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt i m Verkehrsstrafrecht, S. 6 (für das Fahrlässigkeits-, nicht speziell f ü r das Versuchsdelikt) ; Stratenwerth, SchwJuristentags-Fg„ S. 254 f., sowie Schaffstein-Fs, S. 183 f. Siehe ferner die Ausführungen oben, S. 173.

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billigenswert, vielleicht sogar Ausdruck dessen, daß sich praktische Vernunft offen kompromittiere, indem sie ethische Ansprüche ausgerechnet von einer spezifischen Form menschlicher Unzulänglichkeit her definiere. Gleichwohl halten w i r an der oben begründeten Ansicht fest, daß wegen Versuchsdelikts stets milder als wegen Vollendungsdelikts zu strafen sei. Vielleicht fällt es leichter, dieses Ergebnis zu akzeptieren, wenn man sieht, daß ja keineswegs eine qualitative Divergenz i n den Rechtsfolgen für Versuchs- und Vollendungshandeln postuliert wird. I m moralischen Bereich sollte man sich dementsprechend verpflichtet fühlen, auch dem Menschen, der sein verbrecherisches Vorhaben erfolgreich realisiert hat, wieder so zu begegnen, wie man ihm begegnete, bevor er das geworden ist, was seine folgenschwere Tat aus i h m gemacht hat. Zumindest auf die innere (Im-)Moralität eines Menschen besitzt Erfolg oder Mißerfolg seines Handelns keinen Einfluß.

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