Stochastische Prozesse und Finanzmathematik [1 ed.] 9783662619728, 9783662619735

Das Buch gibt eine Einführung in weiterführende Themengebiete der stochastischen Prozesse und der zugehörigen stochastis

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Stochastische Prozesse und Finanzmathematik [1 ed.]
 9783662619728, 9783662619735

Table of contents :
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
1 Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit
2 Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem
2.1 Skorohodscher Einbettungssatz
2.2 Funktionaler Grenzwertsatz
3 Stochastische Integration
3.1 Martingale und vorhersehbare Prozesse
3.2 Itô-Integral für die Brownsche Bewegung
3.2.1 Ausdehnung des Integrals auf L2 -Integranden
3.2.2 Konstruktion des Integrals für mathcalL0 (B)
3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen
3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen
3.4.1 Stochastisches Integral für stetige L2-Martingale
3.4.2 Ausdehnung auf die Menge der stetigen lokalen Martingale
3.4.3 Ausdehnung auf den Fall von stetigen Semimartingalen
3.5 Integration von Semimartingalen
3.5.1 Zerlegungssätze
3.5.2 Stochastisches Integral für mathcalMloc2
3.5.3 Stochastisches Integral für Semimartingale
4 Elemente der stochastischen Analysis
4.1 Itô-Formel
4.2 Martingaldarstellungssätze
4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov
4.3.1 Anwendungen des Satzes von Girsanov
4.3.2 Clark-Formel
4.4 Stochastische Differentialgleichungen
4.4.1 Starke Lösung – schwache Lösung von stochastischen Differentialgleichungen
4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen
5 Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten
5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung
5.1.1 Risikoneutrale Bewertung von Optionen
5.1.2 Diskussion der Black-Scholes Formel
5.1.3 Hedging-Strategien und partielle Differentialgleichungen
5.2 Vollständige und unvollständige Märkte
6 Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße und Nutzenindifferenzpreis
6.1 Nutzenoptimierung und Nutzenindifferenzpreis
6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße
6.3 Dualitätsresultate
6.3.1 Minimumdistanz-Martingalmaße und Minimax-Maße
6.3.2 Zusammenhang zur Portfoliooptimierung
6.4 Nutzenbasiertes Hedging
6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen
6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises
7 Varianz-minimales Hedgen
7.1 Hedgen im Martingalfall
7.2 Hedgen im Semimartingalfall
7.2.1 Föllmer-Schweizer-Zerlegung und Optimalitätsgleichung
7.2.2 Minimale Martingalmaße und optimale Strategien
Literatur
Stichwortverzeichnis

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Masterclass

Ludger Rüschendorf

Stochastische Prozesse und Finanzmathematik

Masterclass

Die Buchreihe „Masterclass“ richtet sich primär an fortgeschrittene Studierende der Mathematik und ihrer Anwendungen ab dem Bachelor. Anspruchsvollere Themen, wie man sie im Masterstudium entdecken oder vertiefen würde, werden hierbei verständlich und mit Blick auf mathematisch vorgebildete Studierende aufbereitet. Die Bände dieser Reihe eignen sich hervorragend als Einführung in neue mathematische Fragestellungen und als Begleittext zu Vorlesungen oder Seminaren, aber auch zum Selbststudium. Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/8645

Ludger Rüschendorf

Stochastische Prozesse und Finanzmathematik

Ludger Rüschendorf Abteilung für Mathematische Stochastik Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Freiburg, Deutschland

Masterclass ISBN 978-3-662-61972-8 ISBN 978-3-662-61973-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Iris Ruhmann Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Einleitung

Das vorliegende Buch gibt eine Einführung in neuere Themengebiete der sto­ chastischen Prozesse und stochastischen Analysis und verbindet diese mit einer Einführung in Grundlagen der Finanzmathematik. Durch eine gezielte Auswahl an Themen und eine motivierende (nicht technisch elaborierte) Darstellung ermöglicht es, einen Einblick in die grundlegenden Entwicklungen, Ideen und Modelle stochastischer Prozesse und stochastischer Analysis und deren Bedeutung für ein Verständnis der Fragestellungen und Konzepte der Finanzmathematik gewinnen. Im Unterschied zu anderen Textbüchern wird nicht auf eine stark reduzierte Darstellung des Themas (z. B. im Rahmen diskreter Zeitmodelle) zurückgegriffen. Das Buch ist insbesondere geeignet als Grundlage oder Begleittext einer weiterführenden vierstündigen Vorlesung zu diesen Themen im Hauptstudium Mathematik. Angestrebt ist eine Darstellung der besonders interessanten Entwicklungen und Ideen in einem für eine Vorlesung passendem Umfang. Mit seiner motivierenden Darstellungsform und sprachlichen Gestaltung richtet es sich insbesondere an Stu­ dierende und bietet eine Fülle von anschaulichen Beispielen und Anwendungen. Es ist daher nicht nur besonders gut zum Selbststudium geeignet, sondern dürfte auch für Interessierte und Dozenten manche interessante Ergänzung bieten. Voraussetzung des Buches sind gute Kenntnisse einer weiterführenden Wahrscheinlichkeitstheorie-Veranstaltung insbesondere von zeitdiskreten Prozessen (Mar­ tingale, Markov-Ketten) sowie einführend zeitstetige Prozesse (Brownsche Bewegung, Poisson-Prozess, Lévy-Prozesse, Prozesse mit unabhängigen Zuwächsen und Markovprozesse) wie sie in vielen existierenden guten Darstellungen der Wahrscheinlichkeitstheorie vermittelt werden; für deren Umfang vgl. Rüschendorf (2016). In Kap. 1 wird in nicht-technischer Weise eine Einführung in die Grundprinzipien der Theorie arbitragefreier Preise, des Hedging-Prinzips und des risikoneutralen Preis­ maßes gegeben, die von der Binomialpreisformel durch Approximation auf die Black-Scholes-Formel führt. Das dazu notwendige Bindeglied von Prozessen in diskreter Zeit (Binomialmodell) zu solchen in stetiger Zeit (Black-Scholes-Modell) wird durch Approximationssätze für stochastische Prozesse wie etwa durch das fundamentale Donsker-Theorem und den zugehörigen Skorohodschen Einbettungssatz in Kap. 2 gegeben. Sätze dieses Typs erlauben eine Interpretation der stetigen Finanzmarktmodelle mit Hilfe von einfachen diskreten Modellen wie z. B. dem CoxRoss-Rubinstein-Modell.

V

Einleitung

VI

Der erste Hauptteil des Buches in Kap. 3 ist der Einführung des stochastischen Integrals (Itô-Integral) und der zugehörigen Theorie der Martingale und Semimar­ tingale gewidmet. K. Itô hatte in mehreren Arbeiten 1944–1951 dieses Integral für die Brownsche Bewegung eingeführt. Es ist damit möglich – trotz der unendlichen Variation der Pfade der Brownschen Bewegung – Integrationsausdrücken der ´t Form ϕs dBs, für einen stochastischen Prozess (ϕs), eine sinnvolle Bedeutung zu 0

geben. Auch hatte Itô erkannt, dass durch die korrespondierenden stochastischen Differentialgleichungen etwa der Form dXt = a(t, Xt ) dt + b(t, Xt )dBt in Analogie zu den gewöhnlichen Differentialgleichungen ein fundamentales Werkzeug gegeben ist, um durch lokale Eigenschaften, in obigem Beispiel den Drift a und die Volatilität b, ein zugehöriges stochastisches Modell zu konstruieren; in obigem Fall einen Diffusionsprozess; vergleiche dazu die Werke von Itô und McKean (1974) und Itô (1984). Semimartingale sind eine Verallgemeinerung der Klasse der Diffusionsmodelle die durch einen (lokalen) Drift, einen stetigen (lokalen) Diffusionsanteil (Martingalteil) und einen Sprungteil beschrieben werden. Sie bilden eine fundamentale Klasse von Modellen insbesondere von Bedeutung auch für die relevanten Modelle der Finanzmathematik. Der zweite Hauptteil des Textbuches ist in Kap. 4 der stochastischen Analysis, deren Bedeutung für die Modellbildung und deren Analyse gewidmet. Wesentliche Bausteine sind die partielle Integrationsformel und die Itô-Formel mit zahlreichen Anwendungen z. B. auf Lévy’s Charakterisierung der Brownschen Bewegung. Das stochastische Exponential ist Lösung einer fundamentalen stochastischen Differentialgleichung und zeigt seine Bedeutung in der Charakterisierung von äquivalenten Maß­ wechseln (Satz von Girsanov). Zusammen mit dem Martingaldarstellungssatz (Vollständigkeitssatz) und dem Zerlegungssatz von Kunita-Watanabe bilden diese das Fundament für die arbitragefreie Bepreisungstheorie in der Finanzmathematik im dritten Teil des Textbuches. Ein ausführlicher Abschnitt in diesem Teil ist den stochastischen Differentialgleichungen gewidmet. Insbesondere wird ein Vergleich der unterschiedlichen Zu­gänge zu Diffusionsprozessen dargestellt, nämlich 1. des Markovprozess-(Halb­gruppen-) Zugangs, 2. des PDE-Zugangs (Kolmogorov-Gleichungen) und 3. des Zugangs durch stochastische Differentialgleichungen (Itô-Theorie). Darüber hinaus wird auch der besonders fruchtbare Zusammenhang von stochastischen und partiellen Differentialgleichungen (Dirichlet-Problem, Cauchy-Problem, Feynman-KacDarstellung) ausgeführt. Kap. 5 führt in die Grundlagen der allgemeinen arbitragefreien Bepreisungsthe­ orie ein. Grundlagen sind das erste und zweite Fundamentaltheorem der Asset Pricing und die zugehörige risikoneutrale Bewertungsformel, die auf der Bewertung mittels äquivalenter Martingalmaße basiert. Für deren Konstruktion erweist sich der Satz von Girsanov als sehr nützlich. Für die Standardoptionen lassen sich damit auf

Einleitung

VII

einfache Weise die entsprechenden Preisformeln (Black-Scholes-Formeln) ermitteln. Die Bestimmung der zugehörigen Hedging-Strategien führt im Black-ScholesModell (geometrische Brownsche Bewegung) auf eine Klasse von partiellen Dif­ ferentialgleichungen, den Black-Scholes-Differentialgleichungen, zurückgehend auf die grundlegenden Beiträge von Black und Scholes. Die Verbindung mit dem stochastischem Kalkül geht zurück auf eine Ableitung von Merton in 1969. Dieses führte in der Periode 1979–1983 zur Entwicklung einer allgemeinen Theorie der arbitragefreien Bepreisung für zeitstetige Preisprozesse und der dazu wichtigen Rolle der äquivalenten Martingalmaße durch Harrison, Kreps und Pliska. Zentrale Themen dieser allgemeinen Theorie sind die Vollständigkeit und Nichtvollständigkeit von Marktmodellen, die Bestimmung zugehöriger arbitragefreier Preisintervalle über die äquivalenten Martingalmaße und der entsprechenden Sub- bzw. Super-Hedging-Strategien (optionaler Zerlegungssatz). In nichtvollständigen Modellen ist durch das No-Arbitrage Prinzip ein arbitragefreier Preis nicht eindeutig ausgezeichnet. Zur Auswahl eines arbitragefreien Preises müssen daher zusätzliche Kriterien angewendet werden. Kap. 6 gibt eine Einfüh­rung zur Bestimmung (bzw. Auswahl) von Optionspreisen über Minimumdistanz-Martingalmaße sowie zum Bepreisen und Hedgen über Nutzenfunktionen. Darü­ber hinaus wird das Problem der Portfoliooptimierung behandelt. Anhand von exponentiellen Lévy-Modellen ­tandard-Nutzenfunktionen diese Verfahren im Detail werden für eine Reihe von S charakterisiert. Kap. 7 ist der Bestimmung von optimalen Hedging-Strategien durch das Kriterium der varianz-minimalen Strategie gewidmet. In unvollständigen Marktmodellen ist nicht jeder Claim H hedgebar. Eine natürliche Frage ist daher: Wie gut ist H hedgebar? Die Antwort auf diese Frage beruht auf der ­Föllmer-Schweizer-Zerlegung, einer Verallgemeinerung der Kunita-Watanabe-Zerlegung, und dem assoziierten minimalen Mar­ tingalmaß. Das vorliegende Textbuch basiert auf Vorlesungen des Autors zu stochastischen Prozessen und Finanzmathematik, wiederholt gehalten über viele Jahre seit etwa Mitte der 1990er Jahre, und auf zugehörigen Mitschriften und Ausarbeitungen von Sascha Frank und Georg Hoerder (2007), Anna Barz (2007) und Janine Kühn (2013). Kap. 6 stützt sich in größeren Teilen auf die Ausarbeitung von Sandrine Gümbel (2015). Ihnen allen sei hiermit herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt auch Monika Hattenbach für die Erstellung einiger Teile des Textes sowie für die schon gewohnt vorzüglichen abschließenden Textkorrekturen und die Textgestaltung.

Inhaltsverzeichnis

1 Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit. . . . . . . . . . . . 1 2 Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem. . . . . . . . . . . . 11 2.1 Skorohodscher Einbettungssatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2 Funktionaler Grenzwertsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3 Stochastische Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.1 Martingale und vorhersehbare Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.2 Itô-Integral für die Brownsche Bewegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.1 Ausdehnung des Integrals auf L2-Integranden. . . . . . . . . . . . 41 3.2.2 Konstruktion des Integrals für L0 (B). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen. . . . . . . . . 51 3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen. . . . . . . . . 67 3.4.1 Stochastisches Integral für stetige L2-Martingale . . . . . . . . . 67 3.4.2 Ausdehnung auf die Menge der stetigen lokalen Martingale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.4.3 Ausdehnung auf den Fall von stetigen Semimartingalen. . . . 75 3.5 Integration von Semimartingalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.5.1 Zerlegungssätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.5.2 Stochastisches Integral für M2loc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.5.3 Stochastisches Integral für Semimartingale. . . . . . . . . . . . . . 82 4 Elemente der stochastischen Analysis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.1 Itô-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.2 Martingaldarstellungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.3.1 Anwendungen des Satzes von Girsanov . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.3.2 Clark-Formel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.4 Stochastische Differentialgleichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.4.1 Starke Lösung – schwache Lösung von stochastischen Differentialgleichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen . . . . 166

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Inhaltsverzeichnis

5 Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten. . . . . . . 183 5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung. . . . . . . . 183 5.1.1 Risikoneutrale Bewertung von Optionen. . . . . . . . . . . . . . . . 191 5.1.2 Diskussion der Black-Scholes Formel. . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5.1.3 Hedging-Strategien und partielle Differentialgleichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 5.2 Vollständige und unvollständige Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6 Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße und Nutzenindifferenzpreis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 6.1 Nutzenoptimierung und Nutzenindifferenzpreis. . . . . . . . . . . . . . . . 225 6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 6.3 Dualitätsresultate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.3.1 Minimumdistanz-Martingalmaße und Minimax-Maße. . . . . 234 6.3.2 Zusammenhang zur Portfoliooptimierung. . . . . . . . . . . . . . . 241 6.4 Nutzenbasiertes Hedging. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 7 Varianz-minimales Hedgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 7.1 Hedgen im Martingalfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 7.2 Hedgen im Semimartingalfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 7.2.1 Föllmer-Schweizer-Zerlegung und Optimalitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 7.2.2 Minimale Martingalmaße und optimale Strategien. . . . . . . . 278 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

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Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Dieses Kapitel gibt eine Einführung in Grundbegriffe und Grundideen der Optionspreisbestimmung im Rahmen von Modellen in diskreter Zeit. So lässt sich z.B. auf einfache Weise das grundlegende No-Arbitrage-Prinzip und die sich durch ein geeignetes HedgingArgument daraus ergebende Festlegung des fairen (arbitragefreien) Preises erläutern. Dieser Zugang erlaubt es mit geringem technischen Aufwand wesentliche Begriffe und Methoden einzuführen und z.B. mittels Approximation die Black-Scholes-Formel herzuleiten.

Sei (St )t≥0 der Preisprozess eines Wertpapiers (stock) das in einem Markt gehandelt wird. Weiter gebe es auf dem Markt eine risikolose, festverzinsliche Anlage (Bt )t≥0 (bond), die verzinst wird mit dem Zinsfaktor r ≥ 0. Der Wert des Bonds zur Zeit 1 t = 0 ist also (1+r )t des Wertes zur Zeit t: B0 =

1 · Bt . (1 + r )t

Gehandelt werden im Markt sowohl Wertpapiere über Basisgüter (z. B. Weizen, Öl, Gold) als auch Derivate, d. h. Kontrakte (Funktionale) über Basisgüter. Zu den Derivaten gehören beispielsweise Forwards, Futures und Optionen wie Puts und Calls. Forwards und Futures Darunter versteht man Verträge, die dem Marktteilnehmer das Recht geben, ein Basis- bzw. Finanzgut zu einem Zeitpunkt T in der Zukunft bzw. in einem zukünftigen Zeitraum [T , T  ] zu einem festgelegten Preis K zu kaufen bzw. zu verkaufen. Man unterscheidet zwischen einer • long position: Eingehen eines Kaufvertrages und einer • short position: Eingehen eines Verkaufvertrags © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5_1

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Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Forwards und Futures beinhalten eine Absicherung zu ihrer Erfüllung, d. h. der Marktteilnehmer hat sowohl das Recht als auch die Pflicht zu kaufen bzw. zu verkaufen. Während Futures auf Finanzmärkten gehandelt werden, basieren Forwards auf einer individuellen Absprache der Beteiligten ohne Markteinschaltung. Optionen, Call, Put Eine Call-Option (kurz: Call) gibt dem Käufer das Recht, ein Finanzgut zu einem zukünftigen Zeitpunkt T zu einem vereinbarten Preis zu kaufen. Der Käufer ist jedoch zur Ausübung des Vertrags nicht verpflichtet. Hingegen sichert eine PutOption (kurz: Put) dem Käufer das Recht zu, ein Finanzgut zu einem Zeitpunkt T zu einem festgelegten Preis zu verkaufen (Abb. 1.1). Ein European Call ist das Recht (aber nicht die Pflicht) ein Wertpapier zur Zeit T zum Preis K zu kaufen. Der Wert eines Europäischen Calls zur Zeit T ist   Y = ST − K + . Als Alternative gibt es den American Call. Dieser sichert dem Käufer das Recht, ein Wertpapier zu einem beliebigen Zeitpunkt τ im Zeitintervall [0, T ] zum Preis K zu kaufen. Der Zeitpunkt τ ist von mathematischem Standpunkt aus betrachtet eine Stoppzeit. Ein American Call hat demnach zum Ausführungszeitpunkt den Wert   Y = Sτ − K + . Ein Put bezeichnet das Recht, ein Wertpapier zur Zeit T zu einem festgelegten Preis K zu verkaufen. Der Wert des Puts zur Zeit T ist demnach   Y = K − ST + . Es stellt sich die Frage: Was ist eine korrekte Prämie für einen Call Y ? Die klassische Antwort hierauf ist der erwartete Wert   EY = E ST − K + Abb. 1.1 European Call, Y = (ST − K )+

Y K S0

0

τ

T

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

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Black und Scholes führten 1973, eine neue überzeugende Methode ein um die Prämie zu berechnen. Im Folgenden wird diese Prämie als fairer Preis oder Black-ScholesPreis bezeichnet. Die Grundidee des Preisprinzips von Black-Scholes lässt sich anhand eines einfachen Preismodells erklären. Einfaches Preismodell Sei S0 = 100 der Preis des Wertpapiers zur Zeit t = 0. Wir betrachten ein einperiodisches diskretes Modell. Bis zur Zeit T = 1 kann der Preis des Wertpapiers mit Wahrscheinlichkeit p = 0,4 steigen auf S1a = 130 und mit Wahrscheinlichkeit p = 0,6 fallen auf S1b = 80.

Ein Call sichert dem Käufer das Recht, das Wertpapier zur Zeit T = 1 zum Preis (strike) K = 110 zu kaufen. Demnach hat der Call zur Zeit T = 1 den Wert Y = (S1 − K )+ . Als Alternative gebe es eine risikolose Geldanlage zum Zinssatz r = 0,05. Mit der klassischen Bewertung würde man den Preis des Calls zur Zeit t = 1 wie folgt bestimmen: E p Y = 20 · 0,4 = 8 Demnach ist der Wert des Calls zur Zeit t = 0 C0 =

1 8 · E pY = = 7,62. 1+r 1,05

Mit der Formel von Black-Scholes bekommt man eine andere Bewertung: C0B S = 9,52. Diese Bewertungsmethode basiert auf der folgenden Überlegung: Man bestimme ein Portfolio aus Anteilen vom Stock und vom Bond, welches zur Zeit T = 1 dieselbe Auszahlung generiert wie der Call. Solch ein Portfolio nennt man duplizierendes Portfolio. Hat man ein solches duplizierendes Portfolio bestimmt, hat man schon den fairen Preis für die Option gefunden. Beide Instrumente, der Call und das duplizierende Portfolio haben zur Zeit T = 1 dieselbe Auszahlung. Sie sollten daher auch denselben Preis haben. !

Preis des Calls Y = Preis des duplizierenden Portfolios. Berechnung eines duplizierenden Portfolios in obigem Beispiel: Sei π ein Portfolio π = (, B), wobei  die Stock-Anteile und B die Bond-Anteile bezeichnen. Wähle speziell  = 0,4 und B = −30,48

4

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Die Größe B ist hier negativ und bezeichnet damit einen Kredit. Der Preis des Portfolios zur Zeit t = 0 ist in dem Beispiel einfach zu berechnen: V0 (π ) =  · 100 + B = 40 − 30,48 = 9,52. Der Wert des Portfolios zur Zeit T = 1 ist: V1 (π ) =  · S1 + B · (1 + r )  =  =

0,4 · 130 − 30,48 · 1,05,

S1 = 130

0,4 · 80 − 30,48 · 1,05,

S1 = 80

20,

S1 = 130

0,

S1 = 80

=Y Das Portfolio generiert dieselbe Auszahlung wie der Call Y zur Zeit T = 1, d. h. das Portfolio dupliziert den Call Y . Damit ist der faire Preis des Calls zur Zeit t = 0 gleich dem Preis des Portfolios: C0B S = 9,52. Wenn man den Preis des Calls anders setzen würde, dann wäre ein risikoloser Gewinn (arbitrage) möglich. Diese faire Preisfestsetzung basiert also auf dem NoArbitrage-Prinzip: In einem realen Marktmodell ist kein risikoloser Gewinn m¨oglich; NFLVR = No free lunch with vanishing risk Dieses Prinzip impliziert, dass zwei Marktinstrumente mit gleicher Auszahlung auch denselben Preis haben. Allgemeine diskrete Modelle für Wertpapiere: Beschreibe Sn = (Sn0 , Sn1 , . . . , Snd ) die Entwicklung von d Aktienpapieren; Sni bezeichne den Preis der i-ten Aktie zur Zeit n, Sn0 = (1 + r )n . Die Dimension d des Wertpapierbestandes einer Großbank kann recht groß sein, z. B. bei der Deutschen Bank d ≈ 500.000. Einige grundlegende Begriffe für die Beschreibung des Wertpapierhandels sind im Folgenden zusammengestellt. Ein Portfolio beschreibt die Anteile der verschiedenen Wertpapiere im Bestand.   Eine Handelsstrategie  = (n ) = (0n , . . . , dn ) beschreibt die Entwicklung des Portfolios: in ∼  Anteile vom Wertpapier Nr. i zur Zeit n. Der Wert des Portfolios zur Zeit n ist Vn () = n · Sn =

d  i=0

in Sni .

(1.1)

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

5

 heißt selbstfinanzierend, wenn n · Sn = n+1 · Sn .

(1.2)

Veränderungen des Portfolios ergeben sich nur durch Umschichtung. Kein zusätzliches Kapital wird für die Veränderung benötigt. Es findet keine Wertentnahme statt. Der Wertzuwachs beträgt Vn () = Vn+1 () − Vn () = n+1 · Sn . Das No-Arbitrage-Prinzip impliziert: Es gibt keine Arbitrage-Strategie  d. h., es gibt keine Strategie  so dass   V0 () = 0, Vn () ≥ 0 und P Vn () > 0 > 0,

(1.3)

äquivalent dazu ist:   V0 () ≤ 0, Vn () ≥ 0 und P Vn () > 0 > 0. Cox-Ross-Rubinstein-Modell Ein einfaches und grundlegendes Modell für die Preisentwicklung in diskreter Zeit ist das Cox-Ross-Rubinstein-Modell. Dieses beschreibt die zeitliche Entwicklung des Preises eines Wertpapiers durch eine Unterteilung des Zeitintervalls [0, T ] in n Teilintervalle der Länge h, T = nh. Das CRR-Modell beruht auf folgender Annahme für die Preisentwicklung in den Teilintervallen (Abb. 1.2).

Annahme A Die Preisentwicklung in einem Schritt ist konstant.

d = 1 C = (Sn − K)+ K

0 Abb. 1.2 Cox-Ross-Rubinstein-Modell für d = 1

T = n·h

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1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Der Preis Sk nach k Teilschritten ist also von der Form u  d k− S0 . Die Parameter dieses Modells sind u, d, q, n. Die grundlegende Frage ist: „Was ist der Wert eines Calls Y := (Sn − K )+ ? “ Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir zunächst die Entwicklung des Wertes C in einer Periode. 1. Schritt: Wertentwicklung einer Periode

Zur Bestimmung von C wird das hedging-Portfolio π = (, B) (mit  : Stocks, B : Bonds) so gewählt, dass die Auszahlung am Ende der Periode identisch ist mit der des Calls. Die Wertentwicklung des Portfolios π = (, B) in einer Periode ist wie folgt:

Aus der postulierten Gleichheit der Auszahlung ergibt sich für das hedging-Portfolio eine eindeutige Lösung, das hedging-Portfolio (, B) mit =

Cu − Cd , (u − d)S

B=

uCd − dCu (u − d)(1 + r )

(1.4)

Aus dem No-Arbitrage-Prinzip folgt damit für den fairen Preis C des Calls: !

C = S + B Cu − Cd uCd − dCu = + (u − d) (u − d)(1 + r )      1+r −d u − (1 + r ) = (1 + r ) Cu + Cd u−d u−d  





=: p∗



=:1− p∗

= p ∗ Cu + (1 − p ∗ )Cd /(1 + r ) 1 Y, Y = Y1 , d = 1. = E p∗ 1+r

(1.5)

P ∗ = ( p ∗ , 1 − p ∗ ) heißt risikoneutrales Maß oder auch Gleichgewichtsmaß.

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

7

Die Wertentwicklung des Preisprozesses in einer Periode bezüglich dem risikoneutralen Maß P ∗ ist, mit S0 = S E p∗ S1 = p ∗ u S + (1 − p ∗ ) dS =

1+r −d u − (1 + r ) uS + dS u−d u−d

= (1 + r )S. Hierzu äquivalent ist: E p∗

1 S1 = S0 = S. 1+r

(1.6)

Bezüglich dem risikoneutralem Maß P ∗ ist der erwartete diskontierte Wert von S1 gleich

dem von  S0 (Gleichgewicht). Gl. (1.6) besagt, dass der diskontierte PreisproS1 zess S0 , 1+r bzgl. P ∗ ein Martingal ist. Wir halten zwei Besonderheiten dieses Prozesses fest: a) Entwicklung des Preisprozesses: Mit p ∗ =

(1+r )−d u−d

gilt: p ∗ u S + (1 − p ∗ )d S = (1 + r )S

1 b) Der faire Preis C = E p∗ 1+r S1 ist unabhängig vom zugrunde liegenden objektiven Preismodell! Der Wert des Calls zur Zeit t = 0 ist gleich dem erwarteten Wert des diskontierten Calls bzgl. dem risikoneutralen Maß.

2. Schritt: Zweiperioden-Modell Im Zweiperioden-Modell sieht die Entwicklung des Preisprozesses S0 → S1 → S2 und die zugehörige Entwicklung des Werteprozesses C = C0 → C1 → C2 wie folgt aus:

8

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Den Wert C erhält man durch Rückwärtsinduktion durch iterierte Anwendung des ersten Teilschritts. Cu ergibt sich aus Cuu , Cud . Cu =

1 ( p ∗ Cuu + (1 − p ∗ )Cud ) 1+r

Cd erhält man aus Cud , Cdd Dann ergibt sich der Wert C zur Zeit t = 0 aus Cu , Cd Cd =

1 ( p ∗ Cud + (1 − p ∗ )Cdd ) 1+r

Allgemeiner ergibt sich analog durch Rückwärtsinduktion der Wert C = Cn des Calls für n Perioden. Als Resultat folgt hieraus die Binomialpreisformel Cn =

n      n 1 n− j ( p ∗ ) j (1 − p ∗ )n− j u j d

S −K + n j (1 + r ) j=0

(1.7)

=Sn

1 (Sn − K )+ = E p∗ (1 + r )n Dabei ist P ∗ = ( p ∗ , 1 − p ∗ ) das risikoneutrale Maß: p ∗ u + (1 − p ∗ )d = 1 + r . Der Wert des Calls Y = (Sn − K )+ ist also gegeben als erwarteter diskontierter Wert vom Call bezüglich des risikoneutralen Maßes P ∗ . Die Wahrscheinlichkeiten

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

9

für P(Sn = u j d n− j S) sind gerade die Binomialwahrscheinlichkeiten. Die Preisentwicklung ist multiplikativ mit den Faktoren u, d. Die Binomialpreisformel lässt sich durch logarithmische Transformation auch umschreiben in die Form Cn = S n (a, p  ) − K (1 + r )−n n (a, p ∗ ).  u 1+r −d u K  / log , p = p∗ , a = log und Dabei sind p ∗ = u−d 1+r S dn d + n (a, p) := P(X n, p ≥ a), X n, p ∼ B(n, p).

Der Übergang zum additiven Binomialmodell lässt sich wie folgt beschreiben. Es ist  Sn X n,k = S n

log

k=1

u d mit X n,k = ξn,k U + (1 − ξn,k )D, wobei U = log 1+r > 0 > D = log 1+r , (ξn,k )k ∗ eine i.i.d. B (1, p ) verteilte Folge. (Sn ) ist also ein exponentielles Preismodell.

Sn = Se

n k=1

X n,k

(1.8)

mit einer Summe von i. i. d. Termen als Exponenten. Als Resultat haben wir eine explizite Werteformel mit Hilfe der Binomialverteilung. Durch geeignete Wahl der Parameter u, d erhalten wir damit aus dem zentralen Grenzwertsatz eine Approximation der Werteformel durch die Normalverteilung.  √ √

Seien: u = u n = eσ und es gilt:

t n

, d = dn = e−σ

t n

, h = nt . Dann folgt: p ∗ ∼

1 2

+

1μ 2σ

t n

Cn → C

(1.9)

√  C = S (x) − K (1 + r )−t  x − σ t

(1.10)

mit

x=

log(S/K (1 + r )t ) 1 √ + σ t. √ 2 σ t

Dieses ist die berühmte Black-Scholes-Formel. Sie beschreibt also approximativ die arbitragefreie Bewertung eines Calls in einem Binomialmodell (Cox-RossRubinstein-Modell). Das additive Binomialmodell (als stochastischer Prozess) lässt sich durch die Brownsche Bewegung approximieren (siehe das Donsker-Theorem in Kap. 3). Daher ist es naheliegend zu vermuten, dass die obige Preisformel (BlackScholes-Formel) sich auch durch eine geeignete Herleitung des Preises eines Calls im analogen Modell in stetiger Zeit (Black-Scholes-Modell) ergeben wird. Dieses Modell in stetiger Zeit ist eine exponentielle Brownsche Bewegung (geometrische Brownsche Bewegung).

10

1

Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit

Analoge Preisformeln in allgemeinen Modellen in stetiger Zeit (wie z. B. exponentielle stabile Verteilungen, Weibull-Verteilungen oder hyperbolische Verteilungen) durch Approximation mit Cox-Ross-Rubinstein-Modellen finden sich in Rachev und Rüschendorf (1994).

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

Thema dieses Kapitels ist eine Beschreibung der Wechselwirkung von zeitdiskreten und zeitstetigen Modellen. Funktionale von zeitdiskreten Summenprozessen können approximativ durch Funktionale eines zeitstetigen Limesprozesses beschrieben werden. Umgekehrt lassen sich Funktionale des Limesprozesses durch solche von zeitdiskreten Prozessen simulieren. Durch diesen Zusammenhang lassen sich mittels einfacher Gesetzmäßigkeiten im diskreten Modell geeignete zeitstetige Modelle und deren Gesetzmäßigkeiten mittels Approximation begründen. Ein besonders wichtiges Beispiel für diesen Zusammenhang ist das Donsker-Theorem und der hiermit eng verknüpfte Skorohodsche Einbettungssatz. Hiermit lässt sich dann aus dem einfachen Binomialmmodell (oder allgemeiner dem Cox-RossRubinstein-Modell) approximativ eine geometrische Brownsche Bewegung (oder allgemeiner ein exponentieller Lévy-Prozess als geeignetes zeitstetiges Limesmodell motivieren.

2.1

Skorohodscher Einbettungssatz

Wir betrachten eine i. i. d. Folge von reellen nZufallsvariablen (X i ) mit E X i = 0 und E X i2 = 1 und mit Partialsummen Sn := i=1 Xi . Durch lineare Interpolation entsteht aus der Partialsummenfolge eine stetige Funktion (siehe Abb. 2.1). Man kann die Funktion auch ab einem festen Zeitpunkt n konstant setzen. Anschließend wird die Kurve reskaliert, indem man sie in der zeitlichen Dimension linear interpoliert und mit dem Faktor n1 auf das Intervall [0, 1] reskaliert und in der räumlichen Dimension mit dem Faktor √1n staucht. Wir erhalten  (n)  die zufällige Funktion St , mit t ∈ [0, 1]. Die Aussage des Donsker-Theorems ist,  (n)  auf dem Einheitsintervall gegen die Brownsche Bewegung dass der Prozess St konvergiert: 

St(n)

 0≤t≤1

D   −→ Bt 0≤t≤1 .

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5_2

11

12

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

√1 n

Sn stetige Interpolation

Skalierung n 1

Abb. 2.1 Simulation Brownsche Bewegung

Die Konvergenz in Verteilung eines stochastischen Prozesses wird im Folgenden (n) genauer erklärt. Der Prozess (St ) wird in den folgenden zwei Schritten eingeführt: 1) stetige Interpolation 2) Skalierung in der zeitlichen und räumlichen Dimension   (St(n) ) spiegelt die ganze Partialsummenfolge √Skn wider. Mit Hilfe des DonskerTheorems kann man das Verhalten von Funktionalen von Partialsummen approximativ durch das Verhalten von Funktionalen der Brownschen Bewegung erklären. Das Modell der Brownschen Bewegung hat den Vorteil, dass es analytisch gut handhabbar ist. Wegen des obigen Zusammenhangs ist die Brownsche Bewegung ein universelles Modell, mit dem man das Verhalten von Funktionalen des Partialsummenprozesses approximativ beschreiben kann. Insbesondere erhält man als Konsequenz aus dieser Approximation das starke Gesetz großer Zahlen, den zentralen Grenzwertsatz und das Gesetz vom iterierten Logarithmus. In umgekehrter Richtung liefert das Donsker-Theorem eine Standardmethode zur Simulation der Brownschen Bewegung durch die skalierten Partialsummenfolgen. Diese Methode wird bei vielen Simulationsprogrammen verwendet. Stetige Prozesse induzieren Maße auf dem Raum der stetigen Funktionen. Man kann diese mit Hilfe einer allgemeinen Theorie der Verteilungskonvergenz für Funktionenräume behandeln. Es gibt jedoch auch einen anderen Weg um solche Approximationssätze auf einfache Weise zu erhalten. Dieser basiert auf der SkorohodDarstellung (bzw. -Einbettung). Satz 2.1 (Skorohod-Darstellung) Sei X eine reelle Zufallsvariable mit E X = 0 und   endlichem zweiten Moment E X 2 < ∞ und sei B = Bt eine Brownsche Bewegung mit Start in Null, P = P0 . Dann existiert eine Stoppzeit τ , so dass d

Bτ = X und Eτ = E X 2 .

(2.1)

2.1 Skorohodscher Einbettungssatz

13

Der erste Punkt ist trivial zu erreichen, denn lim sup Bt = ∞, bzw. lim inf Bt = −∞. Deshalb wird jeder Wert erreicht durch die Stoppzeit τ : Stoppe Bt wenn X (ω) erreicht wird. Dann gilt Bτ = X . Damit ist die Zufallsvariable X reproduziert. Im allgemeinen ist jedoch Eτ für die obige Stoppzeit nicht endlich. Wir konstruieren im folgenden Beweis eine erweiterte Stoppzeit mit der Eigenschaft (2.1). Beweis 1) erster Fall Zu zwei Zahlen a und b mit a < 0 < b definieren wir das Zweipunktmaß   μa,b {a} :=

  b −a und μa,b {b} := . b−a b−a

  Weiter sei μ0,0 {0} = 1. Wir nehmen im ersten Fall an, dass die Verteilung von X das obige Zweipunktmaß ist: Q := P X = μa,b . Die Wahrscheinlichkeiten sind so gewählt, dass E X = 0 und E X 2 = a 2

b a − b2 = −ab. b−a b−a

Wir definieren / (a, b)} = τa,b , τ := inf{t ≥ 0 : Bt ∈ d. h. wir stoppen wenn eine der Grenzen a oder b erreicht wird. Mit der Waldschen Gleichung folgt: d

Bτ = X , Eτ = −ab = E Bτ2 = E X 2 , d. h. mit den Eigenschaften der Brownschen Bewegung bekommen wir für den ersten Fall eine Lösung durch eine geeignete zweiseitige Stoppzeit. 2) allgemeiner Fall Im allgemeinen Fall ist die Verteilung von X ein beliebiges Wahrscheinlichkeitsmaß:  ∞ X 1 1 1 Q = P ∈ M (R , B ) mit E X = 0 = x dQ(x). −∞

Wir führen diesen Fall wie folgt auf den ersten Fall zurück. Sei  c :=

0 −∞

 (−u) dQ(u) =

0



v dQ(v).

14

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

Q lässt sich dann als Mischung von Zweipunktmaßen μa,b darstellen. Zum Beweis sei ϕ ∈ Lb eine beschränkte, messbare Funktion mit ϕ(0) = 0, dann gilt:  c

 ϕ dQ =  =



0 ∞ 0

 ϕ(v) dQ(v)  dQ(v)

0 −∞

0 −∞

 (−u) dQ(u) +

0

−∞

 ϕ(u) dQ(u)

0



v dQ(v)

  dQ(u) vϕ(u) − uϕ(v) .

Damit folgt die Mischungsdarstellung von Q  Eϕ(X ) =

ϕ dQ (2.2)  0   v 1 ∞ −u = dQ(v) dQ(u)(v − u) ϕ(u) + ϕ(v) c 0 −∞  v − u

v − u = ϕ dμu,v

als Mischung der Zweipunktmaße μu,v   μu,v {u} :=

  v −u und μu,v {v} := . v−u v−u

Dazu sei ν das Maß auf R+ × R− definiert durch     ν {0, 0} := Q {0} und f¨ur eine Teilmenge A der Ebene mit (0, 0) ∈ / A (2.2) sei ν(A) := 1c A (v − u) dQ(u) dQ(v). Dann ist (mit ϕ ≡ 1) 1 = 1 dQ = ν(R+ × R− ); also ist ν ein Wahrscheinlichkeitsmaß. Formel (2.2) kann man auch wie folgt lesen: Seien (U , V ) zwei Zufallsvariablen auf einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum (, A, P) unabhängig von der Brownschen Bewegung B = (Bt ), so, dass P (U ,V ) = ν. Wegen (2.2) gilt dann mit ϕ = (ϕ − ϕ(0)) + ϕ(0)   ϕ dQ = E ϕ(x) dμU ,V (x), ϕ ∈ Lb . (2.3) Jede Verteilung mit Erwartungswert Null kann man also darstellen als Mischung von Zweipunktmaßen μa,b . τU ,V ist i. A. keine Stoppzeit bezüglich der von der Brownschen Bewegung B erzeugten σ -Algebra  A . Es ist aber  eine Stoppzeit bezüglich der vergrößerten σ Algebra At := σ Bs , s ≤ t, U , V . Man nennt deshalb τU ,V erweiterte Stoppzeit. Mit τU ,V erhält man die Behauptung. Es gilt: d

Bτu,v = μu,v .

(2.4)

2.1 Skorohodscher Einbettungssatz

15

Wegen der Unabhängigkeit von (U , V ) von der Brownschen Bewegung B folgt wegen (2.3): d

d

BτU ,V = μU ,V = X . Wegen P X = Q folgt: Die Brownsche Bewegung, gestoppt mit τU ,V liefert die Verteilung Q. Weiter folgt nach dem ersten Beweisschritt   (2.4) EτU ,V = E E τU ,V | U = u, V = v = E Eτu,v = E Bτ2u,v = E X 2 .



Bemerkung 2.2 Die Konstruktion einer (nicht erweiterten) Stoppzeit geht auf Azema und Yor (1979) zurück. Der aufwendigere Beweis ist etwa in Rogers und Williams (2000, S. 426–430) oder in Klenke (2006, S. 482–485) nachzulesen. Zufallsvariablen kann man also reproduzieren, indem man die Brownsche Bewegung zu geeigneten Zeitpunkten stoppt. Dieses Verfahren kann man auch für ganze Folgen von Zufallsvariablen durchführen. Satz 2.3 (Skorohodscher Einbettungssatz) Sei (X i ) eine i.i.d. Folge mit P X i = μ, E X i = 0, und endlichem zweiten Moment, E X 12 < ∞. Dann existiert eine Folge 2 von identisch verteilten Zufallsvariablen (τn )n≥0 nmit Eτn = E X 1 , so dass die Partialsummenfolge (Tn ) mit T0 := 0 und Tn := i=1 τi eine aufsteigende Folge von Stoppzeiten bezüglich der Brownschen Bewegung ist mit 1) P BTn −BTn−1 = μ, ∀ n,  d  2) BTn − BTn−1 = (X n ),    d  3) Sn = BTn

(2.5)

d. h. die Folge (Sn ) ist in (Bt ) eingebettet‘. ’ d

Folgerung Wegen der Einbettung (Sn ) = (BTn ) lassen sich eine Fülle von asymptotischen Eigenschaften der Partialsummenfolge mit Hilfe der Brownschen Bewegung erhalten. d

Beweis Nach dem Skorohodschen Darstellungssatz existiert ein τ1 mit Bτ1 = X 1 und Eτ1 = E X 12 . Die Zuwächse der Brownschen Bewegung nach dem Zeitpunkt

16

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

  τ1 , Bt+τ1 − Bτ1 , sind nach der starken Markoveigenschaft wieder eine Brownsche Bewegung. Auf diesen Prozess kann man das vorherige Resultat anwenden: d

∃τ2 : Bτ2 +τ1 − Bτ1 = X 2 und Eτ2 = E X 22 . Wegen der Unabhängigkeitseigenschaft der Brownschen Bewegung ist τ2 unabhängig von Aτ1 insbesondere unabhängig von τ1 . Induktiv erhalten wir eine Folge von Stoppzeiten Tn mit d

BTn − BTn−1 = X n und Eτn = E X n2 ,

Tn = Tn−1 + τn ,

und so dass τn unabhängig von (τi )i≤n−1 ist. Entsprechend sind die Zuwächse BTi −  d  BTi−1 unabhängig von ATi−1 . Damit folgt BTn − BTn−1 = (X i ). Daraus folgt 



d



Sn = BTn



und E Tn =

n

E X k2 .

k=1



Bemerkung 2.4 Die Einbettung gilt in analoger Weise auch für nicht identisch verteilte Summenfolgen. (Sn ) =

n 

n 

 d X i = BTn mit E Tn = E X k2 .

i=1

(2.6)

k=1

Eine direkte Folgerung aus dem Skorohodschen Einbettungssatz ist der Zentrale Grenzwertsatz: Satz 2.5 (Zentraler Grenzwertsatz) Sei (X i ) eine i.i.d. Folge mit E X 1 = 0, E X 12 = 1, dann gilt: Sn D √ −→ N (0, 1). n

(2.7)

n d τi für eine i.i.d. Beweis Nach Satz 2.3 ist Sn = BTn mit einer Stoppzeit Tn = i=1 2 Folge (τi ) mit Eτ1 = E X 1 = 1 < ∞. Mit der Standard Skalierungseigenschaft der Brownsche Bewegung folgt Sn d BT d √ = √ n = B Tn n n n

2.1 Skorohodscher Einbettungssatz

17

Nach dem starken Gesetz großer Zahlen folgt: gung stetige Pfade hat, folgt

Tn n

→ 1 [P]. Da die Brownsche Bewe-

d

B Tn −→ B1 = N (0, 1). n



Im folgenden Satz wird gezeigt, dass sich mit Hilfe des Skorohodschen Einbettungssatzes das (relativ einfach zu beweisende) Gesetz vom iterierten Logarithmus für die Brownsche Bewegung auf den Beweis des Hartmann-Wintnerschen Satzes für partielle Summenfolgen übertragen lässt. Satz 2.6 (Hartmann-Wintnersches Gesetz vom iterierten Logarithmus) Sei (X i ) eine i.i.d. Folge von Zufallsvariablen mit E X i = 0 und Var X i = 1, dann folgt Sn lim sup √ = 1 [P]. 2n log log n

(2.8)

 d Beweis Nach Satz 2.3 gilt (Sn ) = ( Sn ) mit Sn := BTn = nν=1 (BTν − BTν−1 ), BT0 := 0. Nach dem Gesetz vom iterierten Logarithmus für die Brownsche Bewegung gilt (Abb. 2.2) Bt lim sup  = 1[P]. t→∞ 2t log log t Behauptung: S[t] Bt −  lim =  = 0[P]. 2t log log t

t→∞

Abb. 2.2 Hartmann-Wintnersches Gesetz vom iterierten Logarithmus

18

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

T[t] tk−1

t 1+ε

tk

t

tk+1

t(1 + ε)

tk+2

Abb. 2.3 Beweis Hartmann-Wintnersches Gesetz

Hieraus folgt dann der Hartmann-Wintnersche Satz. Der Beweis verwendet das starke Gesetz großer Zahlen: Tn −→ 1 [P]. n

(2.9)

Damit gilt für ε > 0 und t ≥ t0 (ω):  T[t] ∈  Sei Mt := sup |Bs − Bt |, Teilfolge tk :=

(1 + ε)k

t 1+ε

 t , t(1 + ε) . 1+ε

≤ s ≤ t(1 + ε)



(Abb. 2.3) und betrachte die

↑ ∞.

Für t ∈ [tk , tk+1 ] gilt: Mt ≤ sup{|Bs − Bt |; tk−1 ≤ s ≤ tk+2 } ≤ 2 sup{|Bs − Btk−1 |; tk−1 ≤ s ≤ tk+2 }. Wegen tk+2 − tk−1 = ϑtk−1 , ϑ = (1 + ε)3 − 1, gilt mit dem Spiegelungsprinzip d

max Br = |Bt |,

0≤r ≤t

(2.10)

und daher  P max |Bs − Btk−1 | > (3 ϑ tk−1 log log tk−1 )1/2 tk−1 ≤s≤tk+2  = P max |Br | > (3 log log tk−1 )1/2 0≤r ≤1  tk−1 ≤ 2 κ (log log tk−1 )−1/2 exp − 3 log log , mit einer Konstanten κ. 2  Daraus folgt: k P(. . .) < ∞. Das Borel-Cantelli-Lemma impliziert daher | S˜[t] − Bt | lim  ≤ (3 ϑ)1/2 [P]. t−→∞ t log log t Mit ϑ −→ 0 folgt die Behauptung.



2.2 Funktionaler Grenzwertsatz

2.2

19

Funktionaler Grenzwertsatz

Für Anwendungen ist das Donskersche Invarianzprinzip von besonderer Bedeutung. Es besagt, dass stetige Funktionale der Partialsummenfolge in Verteilung gegen das entsprechende Funktional der Brownschen Bewegung konvergieren. Idee:



Sk Funktional von √ n



D

0≤k≤n

−→ Funktional von (Bt ).

Der Raum der stetigen Funktionen auf [0, 1], C = C[0, 1] versehen mit der Supremumsmetrik ist ein vollständig separabler metrischer Raum. Wir versehen diesen Raum mit der σ -Algebra die von den Projektionen erzeugt wird. Das ist dieselbe σ -Algebra wie die von der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz erzeugte und auch von der Topologie der punktweisen Konvergenz auf C, die Borelsche σ -Algebra auf C. E = Bg (C) = B p (C) =: B(C).

(2.11)

Definition 2.7 (Konvergenz in Verteilung) Eine Folge von Wahrscheinlichkeitsmaßen μn ∈ M 1 (C, B (C)) konvergiert in Verteilung gegen ein Maß μ ∈ M 1 (C, B (C)), D

μn −→ μ genau dann wenn für alle reellen, stetigen, beschränkten Funktionen auf C, ϕ : C → R gilt:   ϕ dμn −→ ϕ dμ. (2.12) Auch für Maße in allgemeinen metrischen Räumen führt man die Konvergenz von Integralen stetiger beschränkter Funktionen ein. Entsprechend definiert man die Konvergenz in Verteilung für stochastische Prozesse mit stetigen Pfaden  D X (n) = X t(n) −→ X , 0≤t≤1

wenn die zugehörigen Verteilungen konvergieren, äquivalent, wenn die Erwartungswerte von stetigen beschränkten Funktionen konvergieren, E (X (n) ) −→ E (X ). D

Bemerkung 2.8 1) Gilt X (n) −→ X und ist : C −→ R P X -fast sicher stetig, dann folgt   D X (n) −→ (X ), denn für ϕ ∈ Cb ist ϕ ◦ eine beschränkte P X -fast sicher, stetige Funktion.

20

2)

2 D

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem



μn −→ μ ⇐⇒

 ϕ dμn −→

ϕ dμ, ∀ϕ ∈ Cb , ϕ gleichmaßig ¨ stetig.

(2.13)

Sei nun (X i ) eine i.i.d. Folge mit E X i = 0 und E X i2 = 1. Wir führen eine geeignete Skalierung des Partialsummenprozesses in zwei Schritten ein. a) Lineare Interpolation: Sei ⎧ S ⎨ √nn , (n)  S (u) := ⎩ 1  √ n

u≥n 

Sk + (u − k)(Sk+1 − Sk ) , u ∈ [k, k + 1), 0 ≤ k ≤ n − 1

d. h.  S (n) ist der normierte Partialsummenprozess, definiert auf [0, n] durch lineare Interpolation. b) zeitliche Skalierung: Der Partialsummenprozess S (n) = (St(n) )0≤t≤1 ergibt sich aus  S (n) : (n)

St

= S (n) (nt), 0 ≤ t ≤ 1.

Durch lineare Interpolation der skalierten Partialsummenfolge und Zusammenstauchen auf das zeitliche Intervall [0, 1] haben wir einen stochastischen Prozess mit stetigen Pfaden in C[0, 1] erhalten. Eine wichtige Folgerung aus dem Skorohodschen Einbettungssatz ist das Donskersche Invarianzprinzip. Satz 2.9 (Donskersches Invarianzprinzip) Sei (X i ) eine i.i.d. Folge mit E X i = 0 und E X i2 = 1, dann konvergiert der Partialsummenprozess S (n) gegen die Brownsche Bewegung in C[0, 1], D

S (n) −→ B.

(2.14)

Bedeutung Man kann eine Brownsche Bewegung also durch eine Partialsummenfolge (beispielsweise durch einen random walk) simulieren. Der Satz heißt Invarianzprinzip, weil der Limes von S (n) unabhängig von der Verteilung der X i ist. Die fundamentale Konsequenz des Satzes ist die Möglichkeit, die Verteilung von Funktionalen eines Partialsummenprozesses approximativ durch ein Funktional der Brownschen Bewegung zu beschreiben. Das ist eine Verallgemeinerung des Zentralen Grenzwertsatzes, die viele grundlegende Anwendungen in der Wahrscheinlichkeitstheorie und mathematischen Statistik hat.

2.2 Funktionaler Grenzwertsatz

21

Beweis zu Satz 2.9 (St(n) ), der skalierte und interpolierte Summenprozess kodiert Sm die Folge ( √ ). Es gilt: n 

Sm √ n



d



=

BTm √ n



 d = B Tm . n

Die Stoppzeitentransformation konvergiert f.s., T[ns] −→ s f.s. n Daraus folgt punktweise Konvergenz von

S[ns] √ n

in Verteilung

S[ns] d √ = B T[ns] −→ Bs f.s., 0 ≤ s ≤ 1. n n Es gilt jedoch sogar gleichmäßige stochastische Konvergenz von B T[ns] . n



 Lemma 2.10 Der Prozess

konvergiert stochastisch gegen B gleichmäßig

B T[ns] n

in [0, 1], d. h.

     sup  B T[nt] − Bt  → 0. P n

t∈[0,1]

    T Beweis Mit einem einfachen Monotonieargument gilt P sup0≤s≤1  [ns] n − s  < 2δ > 1 − ε für n ≥ Nδ,ε . Wie im Beweis zu Satz 2.6 folgt daraus mit der Maximalungleichung für die Brownsche Bewegung die Behauptung.  Beweis zu Satz 2.9 (Fortsetzung): Zu zeigen ist: Sei ϕ : C[0, 1] −→ R gleichmäßig stetig, beschränkt. Dann gilt Eϕ(S (n) ) −→ Eϕ(B). Wegen St(n) −

S[nt] √ ∞ → 0 n P

und



S[nt] √ n



d

=

B

T

√[nt] n



d

=

Bt(n) := B T[nt] zu zeigen: n

Eϕ(B (n) ) −→ Eϕ(B).



 B T[nt] n

reicht es mit

22

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

Es gilt aber mit n := B (n) − B wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von ϕ:      E ϕ(B (n) ) − ϕ(B)  ≤ E(ϕ(B (n) − ϕ(B))1{ n >δ} + |E(ϕ(B (n) − ϕ(B))1{ n ≤δ} | ≤ 2 sup |ϕ|P( n > δ) + ε

f¨ur δ ≤ δ0 .

Nach Lemma 2.10 konvergiert der erste Term gegen 0. Damit gilt aber D

B (n) −→ B 

und damit die Behauptung. Bemerkung und Beispiele

a) : C −→ R1 , (ω) = ω(1) ist eine stetige Funktion. Damit folgt aus dem Donskerschen Invarianzprinzip:   Sn D d S (n) = √ −→ (B) = B1 = N (0, 1). n Das ist gerade der zentrale Grenzwertsatz. b) (ω) := sup{ω(t), 0 ≤ t ≤ 1} ist eine stetige Funktion. Es folgt also   Sm D S (n) = max √ −→ M1 = sup Bt . 0≤m≤n n 0≤t≤1

(2.15)

Das Maximum des Partialsummenprozesses findet man wegen der linearen Interpolation gerade an den diskreten Zeitpunkten. Nach dem Andréschen Spiegelungsprinzip gilt   P0 (M1 ≥ a) = P0 (τa ≤ 1) = 2 P0 (B1 ≥ a) = P0 |B1 | ≥ a . d

Also gilt M1 = |B1 |. M1 ist verteilt wie der Betrag einer standardnormalverteilten Zuvallsvariablen. c) Sei (Sn ) ein symmetrischer random walk, und sei Rn = Range von Sn , d. h. die Anzahl der Punkte die bis zur Zeit n von Sn besucht werden. Rn = 1 + max Sm − min Sm . m≤n

m≤n

(2.16)

Die Frage ist: Welches Intervall wird bis zum Zeitpunkt n überdeckt? Zur BeantRn = (S (n) ) ist ein Funkwortung der Frage müssen wir geeignet normieren: √ n tional des Partialsummenprozesses mit wie in (2.16). Daher folgt Rn D √ −→ (B), (B) = 1 + sup Bt − inf Bt . t≤1 n t≤1

(2.17)

2.2 Funktionaler Grenzwertsatz

23

ω(ε) 1

ε 1 3

2 3

1

Abb. 2.4 Beispiel nicht stetig

d) Ein Beispiel, bei dem man die Erweiterung auf f.s. stetige Funktionale benötigt. Wir betrachten (Abb. 2.4) (ω) := sup{t ≤ 1; ω(t) = 0}. (ω) bezeichnet den letzten Zeitpunkt t vor der eins, an dem ω(t) = 0. Dieses Funktional ist nicht stetig, denn (ωε ) = 0, ∀ ε > 0. Weiter gilt ωε − ω0  −→ 0, aber (ω0 ) = 23 . Aber für ω ∈ C mit (ω) < 1 und so, dass ω in jeder Umgebung Uδ ( (ω0 )) positive und negative Werte für alle δ > 0 hat, gilt ist stetig in ω. Diese ω haben Maß 1 bezüglich der Brownschen Bewegung. Also ist P0 fast-sicher stetig. Sei L n := sup{m ≤ n; Sm−1 Sm ≤ 0} der Index des letzten Vorzeichenwechsels vor n des random walks. Analog sei L := sup{0 ≤ t ≤ 1; Bt = 0} der Zeitpunkt der letzten Nullstelle der Brownschen Bewegung vor t = 1. Die Verteilung von L ist die Arcus-Sinus-Verteilung. Wir erhalten nun als Korollar. Korollar 2.11 (Arcus-Sinus-Gesetz) Für den random walk (Sn ) konvergiert der normierte Zeitpunkt des letzten Vorzeichenwechsels vor n, Lnn in Verteilung gegen die Arcus-Sinus-Verteilung Ln D −→ L. n

(2.18)

e) Positivitätsbereich Sei (ω) := λ\1 ({t ∈ [0, 1]; ω(t) > 0}). ist nicht stetig auf C[0, 1] aber ist stetig in ω, wenn λ\1 ({t ∈ [0, 1]; ω(t) = 0}) = 0.

24

2

Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem

Die Menge dieser Ausnahmepunkte hat das Maß 0 bezüglich P0 , der Verteilung der Brownschen Bewegung, denn nach Fubini ist E 0 λ\1 ({t ∈ [0, 1]; Bt = 0}) =



1

0

P0 (Bt = 0) dλ\1 (t) = 0.

Also ist P0 -f.s. stetig und es folgt aus dem Skorohodsatz Korollar 2.12 (Konvergenz der Positivitätsbereiche) |{m ≤ n; Sm > 0}| D 1 −→ λ\ ({t ∈ [0, 1]; Bt > 0}). n

(2.19)

f) Von Erd˝os und Kac (1946) wurde für k = 2 folgendes Funktional für den random walk untersucht, basierend auf der Funktion  (ω) := ω(t)k dλ\1 (t), k ∈ N. [0,1]

ist stetig auf C[0, 1]. Daher folgt aus dem Skorohodschen Satz der Satz von Erd˝os und Kac: ( S (n) ) = n −1− 2 k

n

D



Smk −→

m=1

0

1

Btk dt.

(2.20)

Es ist bemerkenswert, dass auch für k ≥ 2 die obige Approximation in (2.20) nur die Annahme E X i2 = 1, E X i = 0 benötigt, nicht aber die Annahme E|X i |k < ∞. Im Fall k = 1 ergibt sich aus (2.20) n

− 23

n

m=1

D

(n + 1 − m)X m −→



1 0

d

Bt dt = N (0, 1).

3

Stochastische Integration

· Ziel dieses Kapitels ist es, das stochastische Integral 0 ϕs dX s für Semimartingale X und stochastische Integranden ϕ einzuführen und dessen Eigenschaften zu beschreiben. Interpretiert man ϕ als eine Handelsstrategie und X als den Preisprozess eines Wertpapiers, dann kann das stochastische Integral als akkumulierter Gewinn aufgefasst werden. Das stochastische Integral wird in einer Reihe von Schritten konstruiert und auf allgemeine Funktionenklassen und Prozessklassen erweitert. Im ersten Teil des Kapitels wird nach einer Einführung in Martingale das stochastische Integral für eine Brownsche Bewegung als Modellfall eingeführt. Die Konstruktion wird dann in mehreren Schritten bis zur Integration von allgemeinen Semimartingalen ausgedehnt. Die Einführung des stochastischen Integrals ist insbesondere ein wichtiges Werkzeug für die stochastische Modellbildung. In Analogie zu den gewöhnlichen Differentialgleichungen erlaubt es mittels der korrespondierenden stochastischen Differentialgleichung z.B. der Form dX t = a(t, X t ) dt + b(t, X t ) dBt aus lokalen Eigenschaften, hier dem Drift a und der Volatilität b, ein stochastisches Modell zu konstruieren; in obigem Fall einen Diffusionsprozess. Semimartingale verallgemeinern dieses Prinzip und lassen sich durch lokale Charakteristiken, den (lokalen) Drift, den stetigen Diffusionsanteil (Martingalanteil) und einen (lokalen) Sprungteil beschreiben. Sie bilden eine fundamentale Modellklasse und sind insbesondere auch für Modelle der Finanzmathematik von Bedeutung.

3.1

Martingale und vorhersehbare Prozesse

Sei (, A, P) ein vollständiger Wahrscheinlichkeitsraum und (At )t≥0 ⊂ A eine Filtration in . Wir postulieren generell eine Regularitätseigenschaft der Filtration: Allgemeine Voraussetzung (conditions habituelles): (At ) ist rechtsseitig stetig, d. h. At+ =



As = At

(3.1)

s>t

A0 enth¨alt alle (Teilmengen von) P-Nullmengen. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5_3

25

26

3

Stochastische Integration

Sei X ein d-dimensionaler stochastischer Prozess, X : [0, ∞) ×  −→ Rd . X heißt adaptiert an die Filtration (At ), wenn X t ∈ L(At ), für alle t, X t = X (t, ·).  Im Standardfall basierend auf der natürlichen Filtration At := ε>0 σ (σ (X s , s ≤ t + ε) ∪ N P ) =: AtX ist die allgemeine Voraussetzung erfüllt. Der zentrale Begriff dieses Kapitels und der stochastischen Integrationstheorie ist das Martingal. Definition 3.1 M = (Mt , At ) heißt Martingal wenn 1) M ist (At )-adaptiert 2) E|Mt | < ∞, für alle t 3) E(Mt | As ) = Ms [P], für alle s ≤ t M heißt Submartingal falls 1), 2) und 3’) E(Mt | As ) ≥ Ms [P] Gilt in 3’) „≤“, dann heißt M Supermartingal. X heißt stetiger Prozess, wenn die Pfade von X stetig sind. X heißt càdlàg-Prozess, wenn die Pfade rechtsseitig stetig sind und linksseitige Limiten haben, d. h. X t = lim X s , X t− = lim X s existiert. s↓t,s>t

s↑t,s 0. Dann ist τ + q eine Stoppzeit und τ + q > τn . Nun ist nach dem Optional Sampling Theorem 1 ≥ E(X τn 1(τn ≤∞) ) ≥ E(X τ +q 1(τn ≤∞) ) ≥ 0. n

3.1 Martingale und vorhersehbare Prozesse

31

Für n → ∞ folgt daher nach dem Satz über monotone Konvergenz E(X τ +q 1(τn 0. Die rechtsseitige Stetigkeit von X impliziert dann die Behauptung X · (ω) = 0 auf [τ, ∞).  Als Folgerung aus dem Optional Sampling Theorem erhalten wir die folgende Charakterisierung der Martingaleigenschaft durch die Erhaltung von Erwartungswerten unter Stoppzeiten. Proposition 3.11 Sei X càdlàg, adaptiert. Dann gilt: X ist Martingal ⇐⇒ ∀ beschränkten Stoppzeiten τ ist X τ ∈ L 1 und E X τ = E X 0 . Beweis „=⇒“: Folgt aus dem Optional Sampling Theorem. „⇐=“: Für s < t und A ∈ As definiere die Stoppzeit τ := t1 Ac + s1 A =⇒ E X 0 = E X τ = E X t 1 Ac + E X s 1 A . Weiter gilt: E X 0 = E X t = E X t 1 Ac + E X t 1 A , denn auch t ist eine Stoppzeit. Daraus folgt aber die Martingaleigenschaft: X s = E(X t | As ). Die Martingaleigenschaft eines Prozesses bleibt unter Stoppen erhalten.

1 n

τn Abb. 3.1 Supermartingal

τ

τ +q



32

3

Stochastische Integration

Korollar 3.12 Sei M ein (càdlàg) Martingal, τ eine Stoppzeit, dann folgt M τ = (Mt∧τ )t≥0 ist ein (càdlàg) Martingal. Beweis Sei M τ càdlàg und adaptiert. S sei eine beschränkte Stoppzeit. Dann ist S ∧ τ eine beschränkte Stoppzeit und daher folgt: E M Sτ = E M S∧τ = E M0 = E M0τ . Nach Proposition 3.11 ist dann M τ ein Martingal bzgl. (At ).



Ein Standardhilfsmittel für Martingale sind die Maximalungleichungen von Doob. Satz 3.13 (Doob-Ungleichung) Sei X = (X t )t∈T ein rechtsseitig stetiges Martingal oder positives Submartingal und sei X ∗ := sup |X t |. Dann folgt t

P(X ∗ ≥ λ) ≤ sup t

E|X t | p f u¨ r p ≥ 1, λ > 0. λp

Weiter gilt für 1 < p < ∞: X ∗  p ≤

p sup X t  p . p−1 t

Beweis Der Beweis folgt aus der diskreten Doob-Ungleichung. Sei D ⊂ T abzählbar dicht, dann ist wegen der rechtsseitigen Stetigkeit von X , X ∗ = supt∈D |X t |. Also lässt sich die diskrete Doob-Ungleichung anwenden.  Wir benötigen eine wesentliche Erweiterung des Martingalbegriffes, das lokale Martingal. Definition 3.14 a) Ein adaptierter Prozess M heißt lokales Martingal, wenn es eine Folge von Stoppzeiten τn mit τn ↑ ∞ gibt, so dass ∀ n : M τn ∈ M, d. h. M τn ist ein Martingal. (τn ) heißt lokalisierende Folge Mloc := Menge der lokalen Martingale. b) M ∈ Mloc heißt lokales L 2 -Martingal ⇐⇒ ∃ lokalisiernde Folge (τn ), so dass M τn ∈ M2 . M2loc := Menge der lokalen L 2 -Martingale.

3.1 Martingale und vorhersehbare Prozesse

33

Bemerkung 3.15 a) M ⊂ Mloc . Betrachte die lokalisierende Folge τn = n. b) Mloc,c ⊂ M2loc , denn z. B. τn = inf{t; |Mt | ≥ n} = inf{t; |Mt | = n} ist eine lokalisierende Folge mit M τn ∈ M2loc . c) Für M ∈ Mloc gilt die folgende Charakterisierung der Martingaleigenschaft M ∈ M ⇐⇒ M ist von der Klasse (DL), d. h. {MT ; T Stoppzeit, T ≤ a} ist gleichgradig integrierbar, ∀ a < ∞. Beweis „=⇒“

Nach dem Optional Sampling Theorem folgt



sup

T ≤a {MT >K }

„⇐=“

MT d P = sup

T ≤a {MT >K }

Ma d P −→ 0, K →∞

also ist {MT ; T ≤ a} gleichgradig integrierbar. Sei (Tn ) eine lokalisierende Folge von Stoppzeiten und sei s < t, dann ist M Tn ∧t ∈ M und es gilt für A ∈ As

A

MsTn d P =

A

MsTn ∧t d P =

A

MtTn d P.

Wegen der gleichgradigen Integrierbarkeitsannahme folgt hieraus wegen MsTn ∧t −→ Ms und MtTn ∧t −→ Mt

Ms d P = A

Mt d P. A



Für einen Prozess A definiere: n Vt A := sup0=t0 0. b) E ⊂ L2 (, P , μT ) Für f ∈ L2 (B) = L2 (μT ) existieren daher f T ∈ E so dass 0

T

| f sT

2



− f s | dμT = E

T 0

| f sT − f s |2 ds ≤ 2−2T , ∀ T .

Definiere: YtN :=

t 0

f N dB.

Y N ist ein stetiger Prozess. Behauptung: ∃ ein stetiger adaptierter Prozess Y = (Yt ) mit E sup |YtN − Yt |2 −→ 0, ∀ T > 0. t≤T

N →∞

(3.2)

42

3

Stochastische Integration

Beweis Nach Proposition 3.32 gilt E

sup |YtN +1 t≤T

− YtN |2

≤ 4E

T

0

| f sN +1 − f sN |2 ds

≤4·2 E ≤ 8(2

T

0 −2(N +1)



( f sN +1 − f s )2 + ( f sN − f s )2 ds

+ 2−2N )

≤ 16 · 2−2N .

Mit obiger Abschätzung erhalten wir E N ≥1 supt≤T |YtN +1 − YtN | < ∞. Damit folgt aber die f.s. Endlichkeit der unendlichen Reihe

sup |YtN +1 − YtN |2 < ∞ [P].

N ≥1 t≤T

Es gibt also eine Nullmenge A und einen stetigen Prozess Y , so dass ∀ ω ∈ Ac : YtN (ω) −→ Yt (ω) gleichm¨aßig auf [0, T ], ∀ T < ∞. Es reicht eine Folge Tn ↑ ∞ zu betrachten und die abzählbar vielen Ausnahmenullmengen zu vereinigen. Damit gilt: E sup |YtN − Yt |2 −→ 0, ∀ T . t≤T

(2) Integral für L2 (B): Definiere für f ∈ L2 (B) = Integral

t

0

f dB := lim

N −→∞ 0

t

 T >0

L2 (μT ) das stochastische

f N dB = Yt .

Zu zeigen: die Definition ist unabhängig von der approximierenden Folge. N Sei (g N ) ∈ E so dass E 0 |gsN − f s |2 ds −→ 0 (Konvergenz in L2 (μ N )). Dann gilt:  t  E sup  gsN dBs − t≤T

0

t

0

 t 2 2    f sN dB  = E sup  (gsN − f sN ) dB  0 t≤T T ≤ 4E (gsN − f sN )2 ds −→ 0. 0

Das stochastische Integral

t 0

f dB in (2) ist also eindeutig definiert.



3.2 Itô-Integral für die Brownsche Bewegung

Proposition 3.35 Der für f ∈ L2 (B) =

43

 T >0

L2 (μT ) definierte Prozess (Yt ) heißt

stochastisches Integral von f bzgl. der Brownschen Bewegung B, Yt :=

0

t

f s dBs .

Es gelten die Eigenschaften a)–c) aus Proposition 3.32. Beweis Y ist Martingal als L 1 Limes der Martingale Y N . Die Eigenschaften a)–c) übertragen sich mit der Approximation in (3.2).  Bemerkung 3.36 a) Yt2 −

t

f s2 ds ∈ M ist ein Martingal. Daraus folgt, dass

0

EYt2

=E

t 0

f s2 ds =  f 22,μ . t

b) Sei H2 := {Z ∈ M; sup E Z t2 < ∞} Menge der L 2 -beschränkten Martingale. t 0, ε > 0 gilt:    P sup  t≤T

47

    ε  f dB  > λ ≤ 4 2 + P λ

t

0

t 0

f s2 ds

 >ε

T

P | f sn − f s |2 ds −→ 0, dann folgt:  t  t   P n  f s dBs − f s dBs  −→ 0. sup 

d) Gilt für f n , f ∈ L0 (B),

0

0≤t≤T

0

0

Es gilt also  t gleichmäßige stochastische Konvergenz auf Kompakta. d) Sei Yt = 0 f dB und σ eine Stoppzeit, dann gilt: t f 1[0,σ ] dB = Yt∧σ . 0

Beweis a), b) folgt aus der Definition lokalisierender Folge σ n .  t mit 2 c) Sei σ := inf{t ≥ 0; 0 f s ds ≥ ε} dann ist f 1[0,σ ] ∈ L2 (B).

 t      P sup  f dB  > λ ≤ P(σ < T ) + P( sup |Z t | > λ, σ ≥ T ) t≤T t≤T ∧σ  0   =:Z t

≤ P(σ < T ) + P(sup |Z t∧σ | > λ) t≤T

 t     f 1[0,σ ] dB  > λ ≤ P(σ ≤ T ) + P sup  0 t≤T  t 2   1  mit der Doob-Ungleichung, Satz 3.13 ≤ P(σ ≤ T ) + 2 E sup  f 1[0,σ ] dB  λ t≤T 0    



∈L2 (B)

T ∧σ 1 E f s2 ds 2 λ 0 ε nach Definition von σ ≤ P(σ ≤ T ) + 4 2 λ  T  ε =P f s2 ds > ε + 4 2 . λ 0

mit Prop. 3.32 bzw. Prop. 3.35 ≤ P(σ ≤ T ) + 4

d) folgt aus c). t e) Sei Ytn := 0 f 1[0,σ n ] dB eine approximierende Folge. Dann ist    ∈L2 (B) t n f 1[0,σ ] 1[0,σ n ] dB. Yt∧σ =   0  ∈L2 (B)

n −→ Y Es gilt Yt∧σ t∧σ und

t 0

f 1[0,σ ] 1[0,σ n ] dB −→

t 0

f 1[0,σ ] dB nach der

Definition des Integrals. Daraus folgt aber die Behauptung.



48

3

Stochastische Integration

Lemma 3.40 Sei U ∈ L(Au ), u < r . Definiere: h t := U 1(u,r ] (t) (∈ / E , da U nicht beschr¨ankt ist.) Dann gilt

h ∈ L0 (B) und

0

t

h dB = U (Br ∧t − Bu∧t ).

Beweis Sei h nt := U 1(U ≤n) 1(u,r ] (t). Dann ist h n ∈ E und

t 0

h nt dB = U 1(U ≤n) (Br ∧t − Bu∧t ).

t t P Es gilt: 0 |h ns − h s |2 ds = U 2 1(U >n) 0 1(u,r ] (s) ds −→ 0. Nach Proposition 3.39 folgt die Behauptung.  Wir können nun das folgende Approximationsresultat herleiten. Satz 3.41 (Riemann-Approximation) Sei f ein im Riemann’schen Sinne quadratintegrierbarer, linksseitig stetiger, adaptierter Prozess, dann gilt mit = {0 = s0 < s1 < · · · < sk = t}, | | := max |si+1 − si |

t 0

k−1

f dB = lim

| |−→0

f si (Bsi+1 − Bsi ) (stoch. Konvergenz).

i=0

k f 1 ,si+1 ] (die f si sind nicht beschränkt). Dann gilt Beweis Sei f := i=1  t si (si nach Lemma 3.40 0 f dB = i f si (Bsi+1 − Bsi ). Nach den Eigenschaften des t P üblichen Riemann-Integrals gilt 0 | f s − f s |2 ds −→ 0 und damit folgt nach Proposition 3.39 d) die Behauptung.  Beispiel 3.42 Es gilt B ∈ L2 (B) und 0

T

Bs dBs =

1 2 (B − T ). 2 T

Beweis: Sei n = {0 = t0n < · · · < tkn }, k = 2n , tin = Riemann-Approximation gilt: n −1 2

i=0

P

n − Bt n ) −→ Btin (Bti+1 i   

=:a

=:b

=:a

0

T

i 2n T .

Mit Satz 3.41 über die

Bs dBs .

3.2 Itô-Integral für die Brownsche Bewegung

49

Wegen a(b − a) = 21 (b2 − a 2 − (b − a)2 ) ist die linke Seite gleich: 2 −1

1 2 B n − B 2n − (Bt n − Bt n )2 t t 2 i+1 i i+1 i i=0 −1 2n 1 2 n n (Bt n − Bt n )2 −→ T . = (B T − Q T ) mit Q T := 2 i+1 i i =0 n

Die rechte Seite ist gerade die quadratische Variation von B: BT = T . T 1 Bs dBs = (BT2 − T ). Wir erhalten also: 2 0 Als Konsequenz ergibt sich: Bt2 = 2



t 0

Bs dBs + t

ist die Zerlegung des Submartingals Bt2 in ein Martingal und einen vorhersehbaren Prozess endlicher Variation.  Wir führen nun zum Abschluss dieses Abschnitts noch unendliche Integrale ein. Satz 3.43 Sei f ∈ L(P ), riable Z ∞ , so dass

∞

Z t :=

f s2 ds < ∞ fast sicher. Dann existiert eine Zufallsva-

0

t 0

P

f dB −→ Z ∞ f ur ¨ t −→ ∞.

Wir definieren das unendliche Integral durch (5) Integral für unendliche Intervalle:

∞

f dB := Z ∞ .

0

Beweis Sei t ≥ u und g := f 1[u,∞) , dann ist 0

t

g dB = Z t − Z u =

0

t

f dB −

u 0

f dB.

Aus Proposition 3.39 c) erhalten wir ε P(|Z t − Z u | > δ) ≤ 4 2 + P δ



t u

f s2 ds

 >ε .

Zu ε > 0, δ > 0 sei η > 0, so dass δε2 < η8 . Dann wähle t0 > 0 so, dass ∀u mit t0 < u < t:  t  η P f s2 ds > ε ≤ . 2 u

50

3

Stochastische Integration

Dann folgt P(|Z t − Z u | > δ) ≤ η, ∀u mit t0 < u ≤ t. Nach dem Cauchy-Kriterium für stochastische Konvergenz existiert dann ein Limes Z ∞ , P

Z t −→ Z ∞ f¨ur t −→ ∞.



Damit lässt sich das Integral auch für beliebige Stoppgrenzen einführen. τ

Bemerkung 3.44 Sei τ Stoppzeit, f ∈ L(P ),

t 0

P

f 1[0,τ ] dB −→



0



f s2 ds < ∞, dann gilt: f 1[0,τ ] dB.

0

Also für eine Stoppzeit τ und für f ∈ L(P ), so dass τ f s2 ds < ∞ 0

(3.6)

definieren wir nun τ ∞ (6) Integral für pfadweise L2 -Prozesse: 0 f dB := 0 f 1[0,τ ] dB. Die (3.6) gilt für f ∈ L0 (B), falls τ eine endliche Stoppzeit ist, oder falls  τ Bedingung 2 0 f s ds < ∞ und τ eine beliebige Stoppzeit ist. Wir erhalten nun als Konsequenz aus obigen Überlegungen das Optional Sampling Theorem für stochastische Intergrale. Satz 3.45 Martingale) Sei f ∈ L0 (B),  t (Optional Sampling Theorem für  τ lokale 2 Yt := 0 f s dBs und τ eine Stoppzeit mit E 0 f s ds < ∞. Dann folgt: EYτ = 0,

EYτ2 = E



τ 0

f s2 ds < ∞.

Ist inbesondere Eτ < ∞ dann gilt mit f ≡ 1: E Bτ = 0, Beweis Sei Z t :=

t 0

E Bτ2 = Eτ.

f 1[0,τ ] dB, dann gilt nach Satz 3.43 und nach der Definition    ∈L2 (B)

in (6) I :=

τ 0

f dB = lim Z t (stochastischer Limes). t−→∞

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

51

L2

Es reicht zu zeigen: Z t −→ I , denn: E Z t2 = 1 = E

E Z t = 0,



t∧τ

0

f s2 ds.

Daraus folgt mit L 2 -Konvergenz: E I = 0,

EI2 =

0

τ

f s2 ds

also die Behauptung. Es gilt mit majorisierter Konvergenz: 2



t

E(Z t − Z s ) = E s

f u2 1[0,τ ] (u) du

=E

t∧τ

s∧τ

s,t→∞

f u2 du −→ 0.

Also ist (Z t ) Cauchy-Netz in L 2 und daher existiert ein Limes in I von Z t in L 2 , L2

Z t −→ I .



Bemerkung 3.46 (Integralkonstruktion) Für die Konstruktion des stochastischen Integrals bezüglich der Brownsche Bewegung wurden wesentlich die Maximalungleichung für Martingale sowie die Martingaleigenschaft von (Bt ) sowie von (Bt2 − t) verwendet. Für stetige Martingale M ∈ Mc lässt sich dieser Prozess analog durchführen. Gilt M ∈ M2c und ist (Mt2 − At ) ∈ Mc mit A ∈ V+ , dann lässt sich das stot chastische Integral 0 f dM analog zu dem für die Brownsche Bewegung erklären, T wenn E o f s2 d As < ∞. Für diese Prozessklasse wurde das Integral von Kunita und Watanabe (1967) eingeführt. Wir werden die Definition des stochastischen Integrals im folgenden Kapitel auf diese Klasse von Integratoren verallgemeinern.

3.3

Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

Für Prozesse A ∈ V und adaptierte lokal beschränkte, progressiv messbare Intet granden X lässt sich das Integral (X · A)t := 0 X s d As als stochastisches StieltjesIntegral definieren und es gilt: X · A ist adaptiert und X · A ∈ V . Ist X càdlàg, dann sind obige Bedingungen erfüllt. X ist lokal beschränkt und progressiv messbar. Unser Ziel ist es das Integral X · M für stetige Martingale M einzuführen. Wie für die Brownsche Bewegung ist dazu die Endlichkeit der quadratischen Variation von M erforderlich.

52

3

Stochastische Integration

Definition 3.47 X = (X t ) heißt Prozess von endlicher quadratischer Variation, wenn ∃A ∈ V + , so dass ∀ t > 0 Tt := Tt (X ) =

P (X ti+1 ∧t − X ti ∧t )2 −→ At , i

für alle Zerlegungen (ti ) von R+ mit | | −→ 0. At := [X ]t heißt quadratischer Variationsprozess. Bemerkung 3.48 Für die Brownsche Bewegung ist die quadratische Variation [B]t = t

und es gilt Bt2 − t ∈ M.

B ist nicht von endlicher Variation aber von endlicher quadratischer Variation. Der folgende grundlegende Satz stellt die endliche Variation von stetigen beschränkten Martigalen sicher. Satz 3.49 a) Jedes stetige beschränkte Martingal M ist von endlicher quadratischer Variation und [M] ∈ Vc+ , d. h. der Variationsprozess ist nichtnegativ, wachsend und stetig. b) Es gibt einen eindeutigen, stetigen, adaptierten Prozess A ∈ V + mit A0 := 0 so dass M 2 − A ∈ Mc . A =: M heißt vorhersehbare quadratische Variation von M. Die Eindeutigkeit gilt auch in der Klasse P ∩ V + der vorhersehbaren und wachsenden Prozesse. c) Es gilt: [M] = M. Beweis Wir beweisen zunächst die Eindeutigkeit in b). b) Eindeutigkeit Seinen A, B ∈ Vc+ , A0 = B0 = 0 und M 2 − A, M 2 − B ∈ Mc . Dann folgt A − B ∈ Mc ∩ V , und A0 = B0 = 0. Nach Proposition 3.20 folgt dann A = B. Die Eindeutigkeit gilt auch in der Klasse der vorhersehbaren Elemente in V + . a) Existenz und Endlichkeit der quadratischen Variation: Der Beweis gliedert sich in mehrere Schritte. 1. Schritt: Mt2 − Tt (M) ∈ Mc Beweis: Sei ti < s ≤ ti+1

, dann folgt:

E (Mti+1 − Mti )2 | As = E (Mti+1 − Ms )2 | As + (Ms − Mti )2 .

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

53

Der gemischte Term fällt wegen der Martingaleigenschaft weg. Seien s < t, ti < s ≤ ti+1 < · · · < ti+k < t ≤ ti+k+1 . Dann folgt

E Tt (M) − Ts (M) | As =



(3.7)

E (Mt j ∧t − Mt j−1 ∧t )2 − (Mt j ∧s − Mt j−1 ∧s )2 | As

j=1

=

k



E (Mti+l+1 ∧t − Mti+l ∧t )2 − (Mti+l+1 ∧s − Mti+l ∧s )2 | As l=0

k





= E (Mti+l+1 ∧t − Mti+l ∧t )2 | As + E (Mti+1 − Mti )2 − (Ms − Mti )2 | As l=1

= E(Mt2 − Mt2i+1 + (Mt2i+1 − Ms2 ) | As )

= E Mt2 − Ms2 | As .

wegen der Martingaleigenschaft

Daraus folgt Mt2 − Tt (M) ∈ Mc . 2. Schritt: Im zweiten Schritt ist es unser Ziel zu zeigen, dass für a > 0, und eine Zerlegung

n von [0, a] mit | n | −→ 0 gilt, dass Ta n einen Limes in L 2 hat: L2

Ta n → [M]a . Behauptung: (Ta n ) ist eine Cauchy-Folge in L 2 . Dazu seien ,  Zerlegungen. Dann ist nach (3.7)  X := T − T ∈ Mc . Daraus folgt nach dem ersten Schritt angewendet auf X 



E X a2 = E(Ta − Ta )2 = E Ta

(X ), wobei

 die gemeinsame Verfeinerung von und  bezeichnet. Damit gilt:   

E X a2 ≤ 2 · E Ta

T + Ta

T , da (x + y)2 ≤ 2(x 2 + y 2 ). Also reicht es zu zeigen:  a) E Ta

T −→ 0 f¨ur | | + |  | −→ 0. Sei sk ∈

 und tl ∈ größter Punkt in vor sk , so dass tl ≤sk ≤sk+1 ≤ tl+1 . 

Dann gilt:



− Ts

= (Msk+1 − Mtl )2 − (Msk − Mtl )2 Ts

k+1 k = (Msk+1 − Msk )(Msk+1 + Msk − 2Mtl ).

  



54

3

Stochastische Integration

Daraus folgt: 



Ta

T ≤ sup |Msk+1 + Msk − 2Mtl |2 Ta

(M). k

Mit Cauchy-Schwarz folgt daraus:

1

1   E Ta

T ≤ E sup |Msk+1 + Msk − 2Mtl |2 2 E(Ta

(M))2 2 k   

 −→0

=:a

Es gilt: a

−→ 0 falls | | + |  | −→ 0. Denn M ist stetig also gleichmäßig stetig auf Kompakta. Zu zeigen ist nun im nächsten Schritt: 1  b) (E(Ta

(M)2 ) 2 ist beschränkt unabhängig von ,  . Ohne Einschränkungen sei: a := tn , und wir schreiben anstelle von

 . Es gilt: (Ta )2

=

 n

=2

k=1 n

2

2

(Mtk − Mtk−1 )

Ta − Tt

k   

k+1

2 l>k (Mtl −Mtl−1 )

Tt

− Tt

+ (Mtk − Mtk−1 )4 k k−1    k



(Mtk −Mtk−1 )2

Nach dem 1. Schritt folgt

E(Ta − Tt

da M Martingal. | Atk ) = E (Ma − Mtk )2 | Ak k Damit erhält man nach Bedingung unter Atk c) E(Ta )2 = 2 nk=1 E[(Ma − Mtk )2 (Tt

− Tt

)] + nk+1 E(Mtk − Mtk−1 )4 k k−1

  ≤ E 2 supk | Ma − Mtk |2 + sup | Mtk − Mtk−1 |2 Ta

       12C 2 E Ta

≤4C 2 12C 4

1.) E Ta =

≤4C 2 E Ma2 ≤

wachsend

C 2.

≤ da ≤ Damit folgt b). Mit der Doob-Ungleichung für Martingale angewendet auf T n − T m folgt: d) E supt≤a |Tt n − Tt m |2 ≤ 4E(Ta n − Ta m )2 −→ 0 für | n | −→ 0 nach 2.), 2.a), 2.c). Daraus folgt die Behauptung 2.): (Ta n ) ist eine Cauchy-Folge und hat einen Limes in L 2 unabhängig von der L2

Zerlegung, Ta n −→ Aa = [M]a .

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

55

3. Schritt: Eigenschaften von [M]:

L2

a) M 2 − [M] ∈ M, ist ein Martingal, denn Tt n − Tt m ∈ M und Tt m −→ [M]t für | m | −→ 0. Daraus folgt für | m | −→ 0 Konvergenz in L 1 und damit gilt Tt n − [M]t ∈ M. Nach dem 1. Schritt ist also M 2 − [M] ∈ M. b) [M] ist stetig. Denn nach der Doob-Ungleichung ist E supt≤a |Tt n − [M]t |2 ≤ 4E|Ta n − [M]a |2 −→ 0.

n k

Also existiert eine Teilfolge (n k ) : supt≤a |Tt (gleichmäßige Konvergenz). Daraus folgt [M]t ist stetig.

− [M]t | −→ 0 fast sicher

c) [M]t ⊂ Vc+ ist wachsend.  Denn ohne Einschränkung ist n+1 Verfeinerung von n .

n , ist dicht in Tt n , s ≤ t, s, t ∈ n . Damit folgt: [0, a]. Dann ist Ts n ≤ [M]t ist wachsend auf n , also auch auf [0, a], da stetig. 3.a), b), c) =⇒ Der quadratische Variationsprozess [M] ist der eindeutige stetige Prozess A, so dass M 2 − A ∈ Mc . Damit gilt, dass [M] gleich der vorhersehbaren quadratischen Variation ist. [M] = M.



Für nicht stetige Martingale wird sich später zeigen, dass die quadratische Variation und die vorhersehbare quadratische Variation unterschiedliche Prozesse sind. Zur Ausdehnung von Satz 3.49 auf nicht-beschränkte Prozesse benötigen wir den folgenden Zusammenhang mit Stoppzeiten. Proposition 3.50 Ist τ eine Stoppzeit, und M ∈ Mc beschränkt, dann gilt M τ  = Mτ . Beweis Es ist: M 2 − M ∈ Mc . Die Martingaleigenschaft bleibt beim Stoppen erhalten. Damit folgt nach Korollar 3.12 2 − M τ 2 τ Mt∧τ t∧τ ∈ Mc also (M ) − M ∈ Mc . Wegen der Eindeutigkeit der vorhersehbaren quadratischen Variation aus Satz 3.49 folgt: M τ  = Mτ .



56

3

Stochastische Integration

Bemerkung 3.51 (Lokalisieren) a) Es gilt: X ∈ Mloc ⇐⇒ ∃(τn ) Folge von Stoppzeiten mit τn ↑ ∞, so dass X τn gleichgradig integrierbares Martingal ist. Denn sei (τn ) eine lokalisierende Folge. Dann definiert σn = τn ∧ n eine lokalisierende Folge so dass X σn ein gleichgradig integrierbares Martingal ist. Für M ∈ Mloc,c , sei Sn := inf{t : |Mt | ≥ n}. Durch den Übergang von τn zu τn ∧ Sn , erhält man eine lokalisierende Folge (τn ), so dass (M τn ) sogar ein gleichgradig integrierbares beschränktes Martingal ist. Durch Lokalisieren kann man also für M ∈ Mloc,c ohne Einschränkung gleichgradige Integrierbarkeit und Beschränktheit voraussetzen. b) Es gibt Beispiele gleichgradig integrierbarer lokaler Martingale, die nicht Martingale sind. c) Sei M = (Mn ) diskretes Martingal, ϕ = (ϕn ) vorhersehbar. Dann ist die Martingaltransformation n



ϕ · M = (ϕ · M)n mit (ϕ · M)n = ϕk (Mk − Mk−1 ) k=1

ein lokales Martingal, ϕ · M ∈ Mloc . Dieses ist in Analogie zum stochastischen Integral in stetiger Zeit: t Ist f ∈ L0 (B), dann ist ( f · B)t = 0 f dBs ∈ Mloc ein lokales Martingal. Die folgenden Begriffe beschreiben den Unterschied zwischen lokaler Martingaleigenschaft und der Martingaleigenschaft. Definition 3.52 Sei X ein adaptierter Prozess a) X heißt Prozess der Klasse (D) (Dirichlet-Klasse), falls {X τ ; τ endliche Stoppzeit} gleichgradig integrierbar ist. b) X heißt Prozess der Klasse (DL) (lokale Dirichlet-Klasse), falls ∀ a > 0 : {X τ ; τ Stoppzeit, τ ≤ a} gleichgradig integrierbar ist. Satz 3.53 Wenn X ein lokales Martingal ist, dann gilt: a) X ∈ M ⇐⇒ X ist von der Klasse (DL) b) X ist ein gleichgradig integrierbares Martingal ⇐⇒ X ist von der Klasse (D) Beweis a) „ =⇒“: Sei X ∈ M und τ ∈ γ a , d. h. τ ist eine Stoppzeit und τ ≤ a. Dann folgt nach dem Optional Sampling Theorem X τ = E(X a | Aτ ).

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

57

Dieses impliziert aber die gleichgradige Integrierbarkeit von {X τ ; τ ∈ γ a }. „ ⇐=“: Sei X ∈ DL und (τn ) eine lokalisierende Folge für X , so dass X τn gleichgradig integrierbares Martingal ist. Dann gilt X s∧τn = X sτn = E(X tτn | As ) = E(X t∧τn | As ). Da τn ↑ ∞ folgt: X s∧τn −→ X s f.s. und {X s∧τn }n ist nach Voraussetzung (DL) gleichgradig integrierbar. Also gilt auch Konvergenz in L 1 . Ebenso gilt auch X t∧τn −→ X t f.s. und in L 1 . Daraus folgt: X s∧τn = E(X t∧τn | As ) −→ E(X t | As ) und daher ist X s = E(X t | As ). Also ist X ∈ M. b) „ ⇐=“: Wenn X ∈ Mloc ∩ (D), dann ist die Menge {X t ; 0 ≤ t ≤ ∞} ⊂ {X τ ; τ endliche Stoppzeit}, also gleichgradig integrierbar. Die Behauptung folgt dann aus a). „ =⇒“: Wenn X ein gleichgradig integrierbares Martingal ist, und τ eine endliche Stoppzeit ist, dann liefert der Abschlusssatz X t −→ X ∞ fast sicher und in L 1 und (X t )t≤∞ ist Martingal. Nach dem Optional Sampling Theorem folgt, dass X τ = E(X ∞ | Aτ ). Damit ergibt sich: {X τ ; τ endliche Stoppzeit} = {E(X ∞ | Aτ ); τ endliche Stoppzeit} 

ist gleichgradig integrierbar.

Der folgende Satz zeigt die Existenz der vorhersehbaren quadratischen Variation M für stetige lokale Martingale. Wie für beschränkte lokale Martingale stimmt sie mit der quadratischen Variation [M] überein. Satz 3.54 (Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen) Sei M ∈ Mloc,c dann gilt: a) Es existiert genau ein Prozess M ∈ Vc+ die vorhersehbare quadratische Variation von M, so dass M 2 − M ∈ Mloc,c . b) ∀ t, ∀ n Zerlegungen von R+ , mit | n | −→ 0, gilt sups≤t |Ts n − Mt | −→ 0, d. h. M ist identisch mit der quadratischen Variation [M]. P

58

3

Stochastische Integration

Beweis a) ∃ eine Folge von Stoppzeiten (Tn ) ↑ ∞, so dass mit X n = M Tn ∈ Mc ein beschränktes Martingal ist. Nach Satz 3.49 existiert ein eindeutiger Prozess (An ) ⊂ Vc+ , An (0) = 0, so dass X n2 − An ∈ Mc . Es folgt also Tn 2 − An+1 )Tn = X n2 − An+1 ∈ Mc . (X n+1 Tn Die Eindeutigkeit impliziert, dass An+1 = An fast sicher. Daraus folgt, dass der Prozess M := An auf [0, Tn ] wohldefiniert ist. Es gilt:

(M Tn )2 − MTn ∈ Mc , d. h. M 2 − M ∈ Mloc,c . Damit gilt die Existenz der vorhersehbaren quadratischen Variation. Die Eindeutigkeit von M folgt aus der Eindeutigkeit auf [0, Tn ], ∀ n. b) Seien δ, ε > 0; zu t > 0 existiert eine Stoppzeit S, so dass M S beschränkt ist und P(S ≤ t) ≤ δ. Denn sei (τn ) eine lokalisierende Folge und definiere νn := inf{t; |Mtτn | ≥ an }. Dann gilt: νn ↑ ∞ falls an ↑ ∞ genügend schnell.

E(M τn )2

−→ 0 falls an ↑ ∞ genüDenn P(νn ≤ t) = P(sups≤t |Msτn | ≥ an ) ≤ ant gend schnell. Man wähle also z. B. S = νn 0 ∧ τn 0 . Es gilt: T (M) = T (M S ) und M = M S  auf [0, S]. Daraus folgt P(sup |Ts (M) − M S | s≤t

 > ε) ≤ δ + P

sup |Ts (M S ) − M S  | s≤t 



−→0 f¨ur | |−→0

 >ε . 



Bemerkung 3.55 Aus Proposition 3.50 und dem Beweis zu Satz 3.54 folgt für M ∈ Mloc,c und eine Stoppzeit τ dass M τ  = Mτ . Die Doob-Meyer-Zerlegung ist eine wichtige allgemeine Fassung von Satz 3.54, die auch für nichtstetige Prozesse gilt, die wir ohne Beweis anfügen.

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

59

Satz 3.56 (Doob-Meyer-Zerlegung) Sei X ein Submartingal der Klasse (DL). Dann gilt: a) ∃M ∈ M und ∃A ∈ V0+ ∩ P , d. h. es existieren ein Martingal M und ein wachsender, vorhersehbarer Prozess A mit A0 = 0, so dass X = M + A. b) Die Zerlegung ist eindeutig bezüglich A in der Klasse der wachsenden und vorhersehbaren Prozesse, die in 0 starten.  Zum Beweis vergleiche Karatzas und Shreve (1991, S. 22–28). A beschreibt den vorhersehbaren Drift von X . Bemerkung 3.57 Durch Lokalisierung lässt sich die Doob-Meyer-Zerlegung auf weitere Klassen von Prozessen ausdehnen. Dazu einige Varianten solcher Erweiterungen: a) Zu M ∈ M2loc existiert ein vorhersehbarer Prozess A von endlicher Variation, A ∈ V0+ ∩ P , so dass M 2 − A ∈ Mloc . b) Ist X ∈ A+ = {A ∈ V + ; E A∞ < ∞}, dann ist X Submartingal der Klasse (D). Daraus folgt, dass X eine Doob-Meyer-Zerlegung besitzt. Eine Folgerung hieraus ist: c) Ist A ∈ Aloc (A+ loc ), dann existiert genau ein lokales Martingal M ∈ Mloc und p A p ∈ Aloc ∩ P (A+ loc ∩ P ), so dass A = M + A . p A heißt vorhersehbarer Kompensator (predictable compensator) von A oder auch dual predictable projection. Äquivalent zur Definition des vorhersehbaren Kompensators A p ist die Gültigkeit der Projektionsgleichungen p

E H A∞ = E H A∞ , ∀ H ∈ L+ (P ) d) Im Unterschied zur „dual predictable projection“ A p ist die vorhersehbare p Projektion (predictable projection) X eines Prozesses X ∈ L(A ⊗ B+ ) durch die folgenden Eigenschaften eindeutig definiert: p

d.1) X ∈ P d.2) Für alle vorhersehbaren Stoppzeiten T gilt: p X T = E(X T | AT − ) auf {T < ∞}.

60

3

Stochastische Integration

Für integrierbare Prozesse X existiert die vorhersehbare Projektion und ist eindeutig bis auf äquivalente Versionen. Es gilt: p

p

(X T ) = X 10,T  + X T 1T ,∞ .

Für einen Poisson-Prozess N mit Intensität λ > 0 gilt: p

p

Nt = Nt− und Nt = λt.

d.3) Ein Prozess X heißt Semimartingal, wenn X eine Zerlegung der Form X = X 0 +  M +  A ∈Mloc

∈V ∩ O

hat. X ist also zerlegbar in ein lokales Martingal und in einen optionalen Prozess endlicher Variation. Sei S die Menge aller Semimartingale (vgl. Definition 3.18). Im allgemeinen ist die Zerlegung eines Semimartingals X nicht eindeutig. Existiert jedoch eine Zerlegung mit A ∈ P , d. h. A ist vorhersehbar, so ist die Zerlegung in der Klasse A ∈ V ∩ P eindeutig. X heißt spezielles Semimartingal, falls A ∈ V ∩ P wählbar ist. Die Zerlegung X = X 0 + M + A, A ∈ V ∩ P , heißt dann kanonische Zerlegung von X. Sei S p die Menge der speziellen Semimartingale. Aus der Doob-Meyer-Zerlegung folgt: Ist X Submartingal in der Klasse (DL), dann ist X ∈ S p . Die Eigenschaft ein spezielles Semimartingal zu sein ist im Wesentlichen eine Integrierbarkeitsbedingung. Sie bedeutet, dass die Sprünge nicht zu groß werden. Z.B. sind α-stabile Prozesse spezielle Semimartingale für α > 1. Der Cauchy-Prozess mit α = 1 ist kein spezielles Semimartingal. Zur Beschreibung des Zusammenhangs von zwei Prozessen definieren wir die vorhersehbare quadratische Kovariation. Die vorhersehbare quadratische Variation entspricht der Varianz, die vorhersehbare quadratische Kovariation der Kovarianz. Proposition 3.58 Seien M und N stetige lokale Martingale, M, N ∈ Mloc,c , dann gilt: a) Es existiert ein eindeutiger stetiger Prozess M, N  mit endlicher Variation, so dass M N − M, N  ein stetiges lokales Martingal ist, d. h. ∃! M, N  ∈ Vc , M, N 0 = 0, M N − M, N  ∈ Mloc,c M, N  heißt vorhersehbare quadratische Kovariation bzw. Spitzklammerprozess.

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

61

b) Sei s n := T



Mtsi+1 − Mtsi



Ntsi+1 − Ntsi ;

i

 n gleichmäßig gegen den vorhersehbaren Kovariationsprodann konvergiert T zess M, N . 

 P sup  Ts n − M, N s  −→ 0, falls s≤t

| n | −→ 0,

d. h. die quadratische Kovariation [M, N ] (vgl. Proposition 3.78) existiert und ist identisch mit der vorhersehbaren quadratischen Kovariation M, N . Beweis a) Existenz Betrachte die lokalen stetigen Martingale M + N , M − N ∈ Mloc,c . Nach Satz 3.54 existieren dazu eindeutige vorhersehbare quadratische Variationsprozesse M + N  ∈ Vc+ , M − N  ∈ Vc+ . Es gilt also (M + N )2 − M + N  ∈ Mloc,c und (M − N )2 − M − N  ∈ Mloc,c . Durch Polarisierung M N = 21 ((M + N )2 − (M − N )2 ) ergibt sich daraus M N − 21 (M + N  − M − N ) ∈ Mloc,c .    =:M,N 

Eindeutigkeit wie in den Sätzen 3.54 und 3.49. Durch Lokalisierung wird das Problem auf den Fall beschränkter Martingale reduziert. Für M ∈ Mloc,c gilt M τ  = Mτ . Dieses liefert die Konsistenz in obiger Definition der Kovariation und als Konsequenz die Eindeutigkeit. b) folgt durch Polarisation wie in a) der entsprechenden quadratischen Zuwächse.  Bemerkung 3.59 Aus b) folgt: Die (vorhersehbare) quadratische Kovariation ist eine Bilinearform auf der Menge der stetigen lokalen Martingale α M1 + β M2 , N  = αM1 , N  + βM2 , N . Dass die quadratische Kovariation ähnliche Eigenschaften hat wie die Kovarianz sieht man auch an der folgenden Proposition; Teil c). Proposition 3.60 Sei M ein stetiges, lokales Martingal M ∈ Mloc,c . a) Sei τ eine Stoppzeit, dann gilt: M τ , N τ  = M, N τ  = M, N τ

62

3

Stochastische Integration

b) Ma = 0 f.s. ⇐⇒ Mt = M0 f.s. ∀ t ≤ a c) Allgemein gilt für a < b: {ω; Mt (ω) = Ma (ω), ∀ t ∈ [a, b]} = {ω; Mb (ω) = Ma (ω)} f .s. d. h. ist die quadratische Variation auf einen Intervall konstant, dann ist dort auch der Prozess konstant. Beweis a) folgt aus der Konstruktion der quadratischen Kovariation und der entsprechenden Eigenschaft für die quadratische Variation. b), c) Nach a) reicht es b) für den Fall beschränkter Martingale M zu zeigen. Dann gilt Mt2 − Mt ∈ Mc . Daraus folgt für alle t ≤ a: E(Mt − M0 )2 = EMt und analog E(Mb − Ma )2 = EMb − EMa = 0. Daraus folgen b) und c).  Die vorhersehbare quadratische Variation beschreibt das Wachstum des Prozesses. Die quadratische Kovariation beschreibt wie die Kovarianz das Abhängigkeitsverhalten. Der quadratische Kovariationsprozess induziert ein Maß d|M, N | := dV M,N   dM. Dieses Maß ist absolut stetig bezüglich dem Variationsprozess M oder auch N . Diese Stetigkeit ist Konsequenz aus der folgenden Ungleichung. Proposition 3.61 Seien M, N ∈ Mloc,c , H , K : ( × R+ , A ⊗ B+ ) −→ (R, B)

t 0

|Hs K s | d|M, N |s ≤

 0

t

Hs2 dMs

1/2  ·

t 0

K s2 dN s

1/2

.

Beweis Es genügt den Fall zu betrachten, dass die Integranden beschränkt und ≥ 0 sind. Wir zeigen die Aussage zunächst für Elementarprozesse. Dann folgt die Aussage für beschränkte, positive Integranden mit dem monotonen Klassentheorem. Seien dazu K , H Prozesse der Form K = K 0 1{0} + K 1 1[0,t1 ] + . . . +K n 1[tn−1 ,tn ] , H = H0 1{0} + H1 1[0,t1 ] + · · · + Hn 1[tn−1 ,tn ] mit Hi , K i ∈ L(A) und Hi , K i beschränkt. Mit M, N ts := M, N t − M, N s ist dann für r ∈ Q: M + r N , M + r N ts = Mts +2r M, N ts +r 2 N ts ≥ 0.        =:c

=:b

=:a

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

63

Daher ist die obige quadratische Form auch für r ∈ R positiv und in Folge ist die Diskriminante D = b2 − ac ≤ 0, d. h. |M, N ts | ≤ (Mts )1/2 (N ts )1/2

f .s.

Daraus ergibt sich aber nach Cauchy-Schwarz

t 0

|Hs K s | d|M, N |s ≤

t

|Hi K i ||M, N ti+1 | i

i



|Hi ||K i |(Mti+1 )1/2 (N ti+1 )1/2 i i t

i





Hi2 Mti+1 i t

i

 =

0

t

1/2 

K i2 N ti+1 i t

i

t

Hs2 dMs

1/2 

t

0

K s2 dN s

1/2

1/2

Insbesondere ist V M,N  ( ds) stetig bezüglich dem Maß dMs . Die Aussage des Satzes folgt nun mit monotoner Konvergenz.  Das Variationsmaß der Kovariation ist also stetig bzgl. des Variationsmaßes von jeder Komponente. Die Aussage ist zentral für die Ausdehnung des stochastischen Integrals für quadratische Martingale. Mit Hilfe der Hölderschen Ungleichung folgt aus Proposition 3.61 Korollar 3.62 (Kunita-Watanabe-Ungleichung) Seien p, q ≥ 1, H , K , M, N wie in Proposition 3.61. Dann gilt: E 0



  |Hs K s | d|M, N |s ≤  

∞ 0

Hs2 dMs

1/2    ·  p

   

∞ 0

1 p

+

K s2 dN s

1 q

= 1,

1/2    

q

Die Kunita-Watanabe-Ungleichung induziert eine wichtige Bilinearform auf der Menge der L 2 -beschränkten Martingale. Definition 3.63 Sei H2 := {M ∈ M; sup E Mt2 < ∞} t

die Klasse der L 2 -beschränkten Martingale.

64

3

Stochastische Integration

Bemerkung 3.64 Nach dem Doobschen Konvergenzsatz gilt für M ∈ H2 : Mt −→ M∞ , f .s. und in L 2 . Außerdem gilt der Abschlusssatz: Wenn man den Grenzwert hinzunimmt, bleibt die Martingaleigenschaft erhalten, (Mt )t≤∞ ∈ M2 . Insbesondere ist die Menge (Mt ) gleichgradig integrierbar und es gilt Mt = E(M∞ | At ),

M∞ ∈ L 2 .

Die Brownsche Bewegung ist nicht in H2 , denn sie ist nicht gleichmäßig beschränkt in L 2 , sondern nur nach Lokalisierung. Zwei wichtige Normen auf H2 sind die folgenden: Normen für die Klasse H2 ∗ := sup |M | ∈ L 2 für M ∈ H2 . Sei Es ist M∞ t t

∗  = E sup M 2 1/2 die M∗2 -Norm MM∗2 := M∞ 2 t t



1/2 1/2 2 = lim E Mt2 die H2 -Norm MH2 := M∞  = E M∞ ∗ . Die H2 -Norm dagegen ist Die M∗2 -Norm ist die L2 -Norm vom Supremum M∞

1/2 2 2 die L -Norm von M∞ , also der Limes von E Mt . Es gilt nach der Maximalungleichung von Doob Doob

∗ MH2 ≤ M∞ 2 ≤ 2 · MH2

d. h. die Normen sind äquivalent. H2 versehen mit  · H2 ist ein Hilbertraum. H2 mit  · M∗2 ist kein Hilbertraum. Diese Norm ist aber nützlich für Approximationsargumente. Proposition 3.65

a) H2 ,  · H2 ist ein Hilbert-Raum. b) Die Abbildung H2 −→ L 2 (, A∞ , P), M −→ M∞ ist eine Isometrie. c) Hc2 ⊂ H2 ist ein abgeschlossener Unterraum. Beweis a), b) M −→ M∞ ist bijektiv, denn man kann die Umkehrung mit Hilfe der Darstellung Mt = E[M∞ | At ] direkt angeben. Die Isometrieeigenschaft folgt aus der Definition, denn die H2 -Norm ist über die L 2 -Norm von M∞ definiert. Jedes Y ∈ L 2 (, A∞ , P) erzeugt ein L 2 -beschränktes Martingal Mt = E(Y | At ), so dass Mt −→ Y . Die L 2 -beschränkten Martingale kann man also mit dem L 2 -Raum identifizieren.

3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen

65

c) Abgeschlossenheit der stetigen Elemente in H2 : Wir betrachten eine Folge stetiger L 2 -beschränkter Martingale, die in H2 konvergiert: Sei {M n } ⊂ Hc2 , M n −→ M in H2 . Dann folgt: n E sup |Mtn − Mt |2 ≤ 4 · M n − M2H2 = 4 · M∞ − M∞ 22 −→ 0. t

Es gibt also eine Teilfolge so dass supt |Mtn k − Mt | −→ 0 fast sicher. Damit ist M ∈ Hc2 , denn der Limes von stetigen Funktionen unter gleichmäßiger Konvergenz ist stetig. Die Abschlusseigenschaft für die stetigen L 2 -beschränkten Martingale erhält man also mit Hilfe der Äquivalenz der beiden oben eingeführten Normen.  Für stetige lokale Martingale kann man die Eigenschaft in Hc2 zu sein charakterisieren über die quadratische Variation. Proposition 3.66 Sei M ∈ Mloc,c . Dann gilt: M ∈ Hc2 ⇐⇒ M0 ∈ L 2

und M ∈ A+ ,

M ∈ A+ bedeutet: Der Variationsprozess ist ein integrierbarer, wachsender Prozess, d. h. EM∞ < ∞. Weiter gilt für M ∈ Hc2 : a) M 2 − M ist ein gleichgradig integrierbares Martingal b) ∀ Stoppzeiten S ≤ T gilt: E(MT2 − M S2 | A S ) = E((MT − M S )2 | A S ) = E(MTS | A S ), d. h. der bedingte quadratische Zuwachs wird beschrieben durch den bedingten Variationsprozess zwischen den Stoppzeiten. Beweis „=⇒“: Seien Tn ↑ ∞ Stoppzeiten, so dass M Tn ein beschränktes Martingal ist. Dann gilt nach dem Optional Sampling Theorem   2 Tn Tn E − M t = E MT2n ∧t − EMTn ∧t (3.8) M t

= E M02 < ∞ also M0 ∈ L 2 . ∗ ∈ L 2 und EM Weiter ist M∞ Tn ∧t −→ EM∞ (monotone Konvergenz). Daraus 2 − EM folgt, dass die rechte Seite in (3.8) für n −→ ∞, t → ∞ gegen E M∞ ∞ konvergiert. 2 − EM und damit EM < ∞. Also gilt: 0 ≤ E M02 = E M∞ ∞ ∞ „⇐=“: Nach (3.8) ist E MT2n ∧t ≤ EM∞ + E M02 =: K < ∞. Damit folgt mit dem Lemma von Fatou: E Mt2 ≤ limE MT2n ∧t ≤ K .

66

3

Stochastische Integration

Also ist {Mt } ⊂ L 2 -beschränkt. Insbesondere gilt daher L 1 -Konvergenz. Zum Nachweis der Martingaleigenschaft: Mit (Tn ) wie oben eingeführt gilt für s ≤ t: E(Mt∧Tn | As ) = Ms∧Tn . Hieraus folgt mit Hilfe der gleichgradigen Integrierbarkeit E(Mt | As ) = Ms . 2 ≤ limE M 2 ≤ K < ∞ ist (M ) L 2 -beschränktes Martingal und Wegen E M∞ t t 2 also M ∈ Hc . Zum Beweis von a), b): M 2 − M ist gleichgradig integrierbares Martingal, denn ∗ 2 ) + M∞ ∈ L 1 da M ∈ A+ . sup |Mt2 − Mt | ≤ (M∞ t

Also ist M 2 − M gleichgradig majorisiert durch eine L 1 -Funktion und damit gleichgradig integrierbar. Nach Satz 3.53 ist M 2 − M von der Klasse (D), d. h. die Menge {Mτ2 − Mτ ; τ endliche Stoppzeit} ist gleichgradig integrierbar. Nach dem Optional Sampling Theorem folgt daher b).  Eine Folgerung aus der Martingaleigenschaft von M 2 − M ist das folgende Korollar: Korollar 3.67 Sei M ∈ Hc2 , M0 = 0. Dann folgt:

1/2 1/2 . MH2 = M∞ 2 = EM∞ 1/2

Die Hilbertraumnorm auf H2 , ist identisch mit der L 2 -Norm von M∞ d. h. mit

1/2 EM∞ . Die folgende Proposition gibt eine Anwendung des Variationsprozesses auf die Charakterisierung der Konvergenzmenge von stetigen lokalen Martingalen. Dieses ist eine Erweiterung der Doobschen Konvergenzsätze auf nicht L 1 -beschränkte lokale Martingale. Proposition 3.68 (Konvergenzmengen) Sei M ein stetiges lokales Martingal M ∈ Mloc,c , dann gilt: {M∞ < ∞} ⊂

lim Mt existiert P-fast sicher

t→∞

! fast sicher.

Beweis Sei o.E. M0 = 0, und sei τn := inf{t; Mt ≥ n}. Dann gilt M τn  = Mτn

2 ≤ n. Daraus folgt, dass (M τn ) beschränkt in L2 ist, da M τn − M τn  ein Martingal

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

67

ist. Damit existiert nach dem Martingalkonvergenzsatz limt→∞ Mtτn f.s. und in L 2 . Auf {M∞ < ∞} gilt τn = ∞ für n ≥ n 0 (ω). Damit folgt aber lim Mtτn = lim Mt ,

t→∞

t→∞

n ≥ n0.



Auf der Menge, wo die Variation im Unendlichen endlich ist, konvergiert das Martingal. Es gilt sogar die Umkehrung, d. h. es gilt f.s. Gleichheit der Mengen.

3.4

Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

Wir konstruieren das stochastische Integral in einer Reihe von Schritten.

3.4.1

Stochastisches Integral für stetige L 2 -Martingale

Wir definieren das stochastische Integral zunächst für die Klasse M2c = {M ∈ Mc ; E Mt2 < ∞, ∀ t} der stetigen L 2 -Martingale. Wichtige Beispiele für stetige L 2 -Martingale finden sich in der Klasse der Diffusionsprozesse. Diese Prozesse sind von Bedeutung in der stochastischen Analysis. Sie sind das stochastische Analogon zu den elliptischen partiellen Differentialgleichungen. Zunächst wird das Integral wieder für die elementaren, vorhersehbaren Prozesse eingeführt. Sei f ∈ E , f t (ω) = U0 1{0} + mj=0 U j · 1(s j ,s j+1 ] , 0 = s0 < s1 < · · · < sm , U j ∈ B(As j−1 ). Für solche Integranden definieren wir das Integral wie bei der Brownschen Bewegung:

t

0

f dM := U0 M0 +

m−1



U j Mst j+1 − Mst j =: ( f · M)t .

j=0

In Analogie zum stochastischen Integral für die Brownsche Bewegung und mit Hilfe der vorhersehbaren quadratischen Variation erhalten wir die grundlegenden Eigenschaften. Proposition 3.69 Seien f , g ∈ E , M, N ∈ M2c , dann gilt: a) b)



( f + g) dM = f d(M + N ) =

c) f · M ∈ M2c



f dM +



g dM

f dM +

f dN t

und  f · M, N t = f s dM, N s = f · M, N  t 0

68

3

  d) E sup  t≤T

t 0

Stochastische Integration

2 t  f dM  ≤ 4 · E g 2 dM, ∀ T < ∞. 0

Beweis a), b) analog zu Proposition 3.32 c) Der Raum der L 2 -Martingale M2c ist ein Vektorraum. Die Abbildung X  → X , N  ist linear. Also genügt es c) für den Fall f := U 1(s,u] (t), U ∈ B(A s ) zu zeigen. In diesem Fall gilt:

( f · M)t = U Mu∧t − Ms∧t = U Mtu − Mts ∈ M2c . Weiter ist

 f · M, N t = U M.u − M.s , N t

= U M u , N t − M s , N t

= U M, N ut − M, N st Zusammenhang von quadratischer Variation und Stoppzeiten

= f · M, N  t d)



folgt aus der Maximalungleichung von Doob.

Die vorhersehbare Kovariation von ( f · M) mit einem anderen Prozess N ist gerade das Lebesgue-Stieltjes-Integral von f bezüglich dem Kovariationsprozess M, N . Insbesondere gilt  f · M, f · M =  f · M = f 2 · M Für den Ausdehnungsprozess des stochastischen Integrals ist ein maßtheoretisches Argument für das in der folgenden Definition eingeführte Doléansmaß wichtig. Definition 3.70 a) Sei M ein stetiges L 2 -Martingal, M ∈ M2c , dann definieren wir 2

L (M) :=



f ∈ L(P ); E

T 0



2

f dM < ∞, ∀ T < ∞

b) Wir definieren das eingeschränkte Doléans-Maß μT auf der σ -Algebra P in  = [0, ∞) ×  μT (C) =

 0

T

1C dMt ⊗ P = E

T 0

1C (t, ω) dMt .

c) Als Doléans-Maß bezeichnen wir – falls es existiert – das Maß μ auf (, P ) definiert durch ∞ μ(C) = E 1C (t, ω) dMt . 0

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

69

Es gilt: 

L2 (M) =

L2 (μT , P ).

T >0

μT ist ein endliches Maß auf , denn μT () = E MT2 < ∞, M ∈ M2c . Für M ∈ Hc2 ist das Doléans-Maß μ endlich auf  und es ist L2 (μ, P ) ⊆ L2 (M). Für L 2 -Martingale M sind die eingeschränkten Doléans-Maße endliche Maße. Wegen der Endlichkeit der Maße sind die elementaren vorhersehbaren Prozesse dicht in L2 (, P , μT ), ∀ T > 0. Mit Hilfe dieser maßtheoretischen Dichtheitsaussage ergibt sich die Ausdehnung des stochastischen Integrals auf Integranden in L2 (M) wie folgt: Zu g ∈ L2 (M) existiert eine Folge von Elementarprozessen (g N ) ∈ E so dass:

(g N − g)2 dμ N = E



N 0

(g N − g)2 dM ≤ 2−2N .

Für die elementaren Integranden hatten wir das stochastische Integral erklärt. Wir definieren nun t YtN := g N dM ∈ M2c . 0

Diese Folge ist eine Cauchy-Folge. Wie in Kap. 3.2 für die Brownsche Bewegung existiert ein Limesprozess Y ∈ M2c so dass

2 E sup YtN − Yt −→ 0. t≤T

Für jeden weiteren elementaren Prozess f ∈ E gilt: E

sup |YtN t≤T

2



− ( f · M)t | ≤ 4 · E

0

T

|gsN − f s |2 dMs .

Für N −→ ∞ folgt daraus   E sup Yt − t≤T

0

t

2  f dM  ≤ 4E

0

T

(gs − f s )2 dMs = 4



(gs − f s )2 dμT .

Also ist der Limes Y unabhängig von der approximierenden Folge (g N ) definiert und wir erhalten:

70

3

Stochastische Integration

Satz 3.71 Sei M ein stetiges L 2 -Martingal und sei g ∈ L2 (M). Dann heißt der zugehörige Prozess Y = (Yt ) stochastisches Integral von g bezüglich M Yt :=

0

t

g dM = (g · M)t .

Es gelten die Eigenschaften a)–d) aus Proposition 3.69. Dieser Teil des Definitionsprozesses ist wie bei der Brownschen Bewegung. Die folgende Charakterisierung des stochastischen Integrals mit Hilfe des Kovariationsprozesses gibt eine alternative und etwas abstraktere Möglichkeit, das stochastische Integral einzuführen. Dieser Weg zur Konstruktion wird in Revuz und Yor (2005) eingeschlagen. Satz 3.72 (Charakterisierung des stochastischen Integrals) Sei M ∈ M2c und g ∈ L2 (M) dann gilt: g · M ist das eindeutig bestimmte Element  ∈ M2c , das das folgende Gleichungssystem löst: , N  = g · M, N , ∀ N ∈ M2c .

(3.9)

Beweis Nach Satz 3.71 gilt: g · M, N  = g · M, N , ∀ N ∈ M2c , d. h. das stochastische Integral g · M erfüllt das Gleichungssystem (3.9). Zum Nachweis der Eindeutigkeit nehmen wir an, dass (3.9) für  ∈ M2c gilt. Dann folgt:  − g · M, N  = 0[P]-f.s. ∀ N ∈ M2c . Wählt man N speziell als N :=  − g · M, dann folgt: N , N  = N  = 0,

N0 = 0.

Mit Proposition 3.60 folgt dann N = 0, d. h.  = g · M.



Bemerkung 3.73 (Stochastisches Integral und Satz von Riesz) a) Gleichung (3.9) führt auf eine alternative Konstruktionsmöglichkeit für das stochastische Integral: Für M ∈ Hc2 ⊂ M2c und f ∈ L2 (μ) ⊂ L2 (M), μ das Doléans-Maß, definieren wir auf dem Hilbertraum Hc2 ,  · Hc2 das Funktional

T Hc2 −→ R, N −→ E f · M, N  ∞ .

(3.10)

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

71

Die Abbildung T ist linear und stetig in der Hilbert-Raum-Norm  · Hc2 . Das folgt aus der Ungleichung von Kunita-Watanabe. Die Norm von dem Bild kann man abschätzen durch die Norm von dem Urbild. Mit dem Satz von Riesz folgt: ∃! ∈ Hc2 so dass

(, N )Hc2 = E∞ N∞ = E f · M, N  ∞ = T (N ).

(3.11)

Wir definieren nun das stochastische Integral: f · M als diese Lösung  =  f :  =  f =: f · M. Nach Satz 3.72 bleibt zu zeigen, dass  eine Lösung von (3.9) ist um dann als Konsequenz die Gleichheit beider Konstruktionen des stochastischen Integrals zu erhalten. Es gilt aber für alle Stoppzeiten τ : E( f N )τ = = = =

E E( f | Aτ )Nτ = E( f )∞ Nτ τ E( f )∞ N∞ = E( f · M, N τ )∞ E( f · M, N τ )∞ E( f · M, N )τ .

Daraus folgt, dass  f N − f · M, N  ∈ M. Damit gilt:  f , N  = f · M, N .

(3.12)

Also ist nach (3.9) das nach Riesz definierte stochastische Integral  f identisch mit dem zuvor eingeführten Integralbegriff. a) Stochastisches Integral als Isometrie Das stochastische Integral für M ∈ Hc2 ist eine Isometrie von L2 (μ) nach Hc2 , d. h. L2 (μ) −→ Hc2 ,

f −→  f = f · M ist eine Isometrie.

Denn nach Definition des Doléans-Maßes gilt: f 2 dM = E2∞ = 2H2  f 2L2 (μ) = E c

(3.13)

(3.14)

nach der Charakterisierung in (3.9). Wegen dieser Isometrie lässt sich das stochastische Integral für Hc2 und Integranden in L2 (μ) am einfachsten als isometrische Fortsetzung des stochastischen Integrals für elementare Integranden E ⊂ L2 (μ) einführen. Diese liegen dicht in L2 (μ).

72

3.4.2

3

Stochastische Integration

Ausdehnung auf die Menge der stetigen lokalen Martingale

In diesem Abschnitt wird die Konstruktion des stochastischen Integrals auf die Menge der stetigen, lokalen Martingale ausgedehnt. Analog zum Fall der Brownschen Bewegung bezeichnet Mloc,c die Klasse der stetigen lokalen Martingale. Für M ∈ Mloc,c führen wir als Klasse von Integranden ähnlich wie für die Brownschen Bewegung die Klasse L0 (M) ein: L0 (M) :=



f ∈ L(P );

0

T

 f s2 dMs < ∞ f.s., ∀ T < ∞ .

Der Unterschied zur Brownschen Bewegung ist hier der Integrator. Statt dem Lebesgue-Maß verwenden wir den Variationsprozess. Sei τn " ∞ eine Lokalisie rung, so dass M τn ∈ M, n ∈ N. Für die Lokalisierung τn mit 



τn := inf t ≥ 0; Mt ≥ n oder

0

t

f s2 dMs



≥ n ∧ τn

folgt, dass die zweiten Momente der gestoppten Prozesse beschränkt sind:

2 E Mtτn = EMτt n ≤ n. Es gilt: M τn ∈ M2c . Das gestoppte Martingal ist sogar ein gleichmäßig beschränktes

Martingal und für f tn := f t 1[0,τn ] (t) ist f n ∈ L2 μ M τn , P , d. h. f n ist ein Element des L2 bezüglich dem Doléans-Maß. f n ist vorhersehbar, f n ∈ L(P ), da 1[0,τn ](t) linksseitig stetig ist. Damit definieren wir das stochastische Integral von f n bezüglich d M τn t n X t := f n dM τn 0

Diese Integrale sind konsistent definiert. Analog zu dem Argument für die Brownsche Bewegung gilt n

n+1 P X t∧τ = X t∧τ , ∀ t = 1, n n denn

n n+1 = f t∧τ , ∀ t = 1. P f t∧τ n n Sei 0 die Menge aller ω, für die Gleichheit gilt: 0 := ω;

n+1 n X t∧τ (ω) = X t∧τ (ω), ∀ t, ∀ n n (ω) n (ω)

!

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

73

dann folgt P(0 ) = 1 und wir können X t konsistent definieren:  X t (ω) :=

X tn (ω), τn−1 (ω) ≤ t < τn (ω), ω ∈ 0 0 sonst.

X t ist wohldefiniert und vor der Zeit τn stimmt X t mit X tn überein. Also ist X t stetig. Damit können wir das stochastische Integral als diesen Prozess definieren X t :=

t 0

f dM =: ( f · M)t .

Mit Hilfe dieser Lokalisierung übertragen sich die grundlegenden Integraleigenschaften aus dem Fall M2c , Proposition 3.69. Das Argument in (3.12) ergibt die grundlegende Beziehung  f · M, N  = f · M, N  für M, N ∈ Mloc,c . Satz 3.74 Seien M, N ∈ Mloc,c , dann gilt für f ∈ L0 (M) a) b) c) d) e)

X := f · M ∈ Mloc,c , f · M ist ein stetiges lokales Martingal X  = f 2 · M X , N  = f · M, N  ( f + g) · M = f · M + g · M, f , g ∈ L0 (M) f · (M + N ) = f · M + f · N , f ∈ L0 (M) ∩ L0 (N ).

Die Konstruktion des stochastischen Integrals basiert auf Lokalisierungen. Das folgende Lemma liefert uns eine Maximalungleichung des Integrals auf [0, σ ] für endliche Stoppzeiten σ . Lemma 3.75 Sei M ∈ Mloc,c , Dann gilt:   E sup   t≤σ Beweis Sei o.E. E

σ 0

t 0

f ∈ L0 (M) und sei σ eine endliche Stoppzeit. 2   f dM  ≤ 4 · E

σ 0

f s2 dMs .

f s2 dMs < ∞. Wir definieren

 σk := inf t;

t 0

 f s2 dMs ≥ k und f tk := f t 1[0,σk ] (t).

Für X := f · M, X k := f k · M gilt dann: k . X t∧σk = X t∧σ k

Es ist E

∞ 0

( f sk )2 dMs ≤ k; also ist f k ∈ L2 (M). Damit ist X k ∈ M2c .

74

3

Stochastische Integration

Nach der Doob-Ungleichung folgt dann: E sup (X sk )2 ≤ 4E[X σ ∧σk ]2 = 4E(X σk ∧σk )2 t≤σ ∧σk

σ ∧σk = 4E ( f sk )2 dMs 0 σ ∧σk = 4E f s2 dMs ≤ 4E 0

σ 0

f s2 dMs .

Nach dem Satz über monotone Konvergenz folgt 2 E sup X t2 = lim E sup X t∧σ k t≤σ ∧σk

k−→∞

t≤σ

= lim E sup(X tk )2 ≤ 4E k−→∞

t≤σ



σ 0

f s2 dMs .



Auch für die stochastischen Integrale gibt es einen Satz über die dominierte Konvergenz. Satz 3.76 (Dominierte Konvergenz) Sei M ein stetiges lokales Martingal und seien f n , f und g vorhersehbare Prozesse aus L0 (M). Die f n seien gleichmäßig beschränkt | f n | ≤ g und die Folge f n konvergiere punktweise, f n −→ f . Dann folgt:   sup 

t≤T

t

0

f n dM −

0

t

  P f dM  −→ 0, ∀ T < ∞.

 t  Beweis Die Folge von Stoppzeiten τk := inf t; 0 gs2 dMs ≥ k konvergiert gegen ∞, τk " ∞, da g ∈ L0 (M). Dann gilt 0

τk

gs2 dMs ≤ k.

Nach Lemma 3.75 gilt mit Hilfe des Satzes über majorisierte Konvergenz: bk,n

 t 2 t   n  := E sup  f dM − f dM  t≤τk 0 0 τk ≤ 4E | f sn − f s |2 dMs −→ 0 ∀ k.    0 ≤2(g+| f |)2 ≤4(g 2 + f 2 )

Zu ε > 0, δ > 0 : ∃k : P(τk < T ) < δ/2, da τk " ∞. Daraus folgt:    P sup  t≤T

0

t

f n dM −

0

t

   bk,n f dM  > ε ≤ 2 + P(τk < T ) < δ f¨ur n ≥ n 0 .  ε

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

3.4.3

75

Ausdehnung auf den Fall von stetigen Semimartingalen

Sei X ein stetiges Semimartingal, d. h. X hat eine Zerlegung der Form X t = X 0 + Mt + At , mit M ∈ Mloc,c ,

A ∈ Vc , d. h. Vt A < ∞, ∀ t < ∞.

Mit S bzw. Sc bezeichnen wir die Menge aller Semimartingale bzw. stetigen Semimartingale. Für den Fall der stetigen Semimartingale ist die Vorgehensweise wie für stetige lokale Martingale. Zunächst definieren wir die Klassen der Integranden: L0 (X ) :=



f ∈ L(P );

t 0



f s2 dMs < ∞ und

0

t

 | f s | d As < ∞, ∀ t .

Bemerkung 3.77 (càdlàg-Prozesse) Ist der Prozess Y càdlàg, dann definieren wir Y− durch (Y− )0 := 0,

(Y− )t := lim Ys s↑t

Dann gilt: Y− ist linksseitig stetig, also vorhersehbar, Y , Y− sind lokal beschränkt d. h. beschränkt auf endlichen Intervallen. t t Für X ∈ Sc ist dann 0 (Y− )2s dMs < ∞ und 0 (Y− )s d|As | < ∞, ∀ t. Also ist Y− ∈ L0 (X ) für alle càdlàg Prozesse Y . Für die Klasse L0 (X ) definieren wir das stochastische Integral

t 0

f dX :=

t 0

f dM +

0

t

f d A.

(3.15)

Die Eigenschaften der stochastischen Integrale für die Klasse der lokalen stetigen Martingale übertragen sich auf die Klasse der stetigen Semimartingale: Linearität, majorisierte Konvergenz, Riemannsche Summenapproximation. Proposition 3.78 (Quadratische Variation) Sei X ein stetiges Semimartingal und n = (τ n ) Folgen von Zerlegungen von R+ mit Stoppzeiten τ n , so dass | n | = seien i

i

n sup τi+1 − τin −→ 0 f.s. und sei Q nt =

i

2 X τt n − X τt n . i+1

i

76

3

Stochastische Integration

Dann folgt: P

a) Es existiert ein Prozess [X ] ∈ Vc+ so dass Q nt −→ [X ]t . Dieser Prozess heißt quadratischer Variationsprozess (eckiger Klammernprozess). b) Die quadratische Variation ist unabhängig von der Zerlegung definiert und es gilt: X t2 = X 02 + 2



t 0

X s − dX s + [X ]t .

c) Es gilt gleichmäßige stochastische Konvergenz:   P sup  Q nt − [X ]t  −→ 0.

t≤T

Beweis Für ein stetiges lokales Martingal M bezeichnet [M] die quadratische Variation und M die vorhersehbare quadratische Variation, d. h. es gilt M 2 − M ∈ Mloc,c . Sei Y ein càdlàg-Prozess und sei Wtn

:=

i

mit Y n :=



Yτt n (X τt n i i+1



X τt n ) i

=

0

t

Y n dX

Yτin 1(τ nj ,τ nj+1 ] ∈ L(P ). Y n konvergiert punktweise gegen Y− , Y n −→ Y− .

h t := sups≤t |Ys | ist lokal beschränkt, also h ∈ L0 (X ) und |Ytn | ≤ h t . Damit folgt nach Satz 3.76 über dominierte Konvergenz  t  t   n  sup  Y dX − Y− dX  −→ 0. P

t≤T

0

0

(3.16)

Speziell für Y = X folgt daher:   sup Wtn −

t≤T

0

t

  X s dX s  −→ 0. P

(3.17)

Mit a := X τt n , b := X τt n und b2 − a 2 = 2a(b − a) + (b − a)2 folgt dann nach i i+1 Summation über i X t2 − X 02 = 2Wtn + Q nt .

3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen

77

Damit folgt nach (3.17): Q nt

−→ [X ]t := P

X t2



X 02

−2

t 0

X s− dX s .

Für τin ≤ t ist Q nτ n ≤ Q nt . Daher ist [X ]t wachsend und [X ] ∈ Vc+ . Die Konvergenz i ist gleichmäßig auf [0, T ]. Als Folgerung ergibt sich die Gleichheit der quadratischen und der vorhersehbaren quadratischen Variation.  Korollar 3.79 Sei M ∈ Mloc,c , M0 := 0, dann gilt: Mt2 − [M]t = 2



t 0

Ms− dMs ∈ Mloc,c .

Damit folgt [M] = M. Beweis Zu zeigen bleibt die Eindeutigkeit der vorhersehbaren quadratischen Variation. Dieses folgt analog zu Satz 3.54.  Der quadratische Kovariationsprozess lässt sich nun durch Polarisierung einführen. Definition 3.80 (Quadratische Kovariation) Seien X , Y stetige Semimartingale. Dann heißt [X , Y ]t :=

1 · [X + Y ]t − [X − Y ]t 4

quadratische Kovariation von X und Y . Proposition 3.81 (Partielle Integrationsformel) Für zwei stetige Semimartingale X und Y gilt t t X t Yt = X 0 Y0 + X s− dYs + Ys− dX s + [X , Y ]t . 0

0

Beweis Nach Proposition 3.78 gilt: [X + Y ]t = (X + Y )2t − (X 0 + Y0 )2 − 2 [X − Y ]t = (X − Y )2t − (X 0 − Y0 )2 − 2



t 0 t 0

(X − + Y− )s d(X + Y )s (X − − Y− )s d(X − Y )s



Mit a · b = 41 (a + b)2 − (a − b)2 und der Bilinearität des Integrals folgt die Behauptung. 

78

3

Stochastische Integration

Bemerkung 3.82 a) Die obige partielle Integrationsformel gilt auch für allgemeine Semimartingale (vgl. Proposition 3.94). b) Ist f = f (t) eine deterministische stetige Funktion, dann gilt (vgl. Proposition 3.86) f ∈ Sc ⇐⇒ f ∈ Vc . Der lokale Martingalanteil ist also identisch null. Für f , g ∈ Sc ist [ f , g] = 0 und obige partielle Integrationsformel beinhaltet die partielle Integrationsformel für (stetige) Funktionen endlicher Variation.

3.5

Integration von Semimartingalen

Für die Integration von nicht stetigen Martingalen und allgemeiner von Semimartingalen werden einige Zerlegungssätze benötigt. Diese werden im Folgenden (teilweise ohne Beweis) zusammengestellt. Ein càdlàg-Prozess X heißt Semimartingal X ∈ S , wenn er sich zerlegen lässt in ein lokales Martingal und einen Prozess von endlicher Variation. X = X0 + M + A

(3.18)

mit M ∈ Mloc und A ∈ V . Beispiele für Semimartingale sind Sprungprozesse mit abzählbarem Zustandsraum wie z. B. verallgemeinerte Poissonprozesse, Markovsche Sprungprozesse, (exponentielle) Lévy-Prozesse mit allgemeinem Zustandsraum und Diffusionsprozesse mit Sprüngen. Die speziellen Semimartingale X ∈ S p sind die Semimartingale, für die man A in obiger Zerlegung vorhersehbar wählen kann, d. h. A ∈ V p := V ∩ P . Für die speziellen Semimartingale ist diese Zerlegung eindeutig (kanonische Zerlegung), für die allgemeinen Semimartigale hingegen nicht. Die speziellen Semimartingale sind genau die Semimartingale, für die der Anteil endlicher Variation lokal integrierbar ist. Genauer gilt folgende Äquivalenz: Lemma 3.83 Für ein Semimartingal X gilt: X ∈ S p ⇐⇒ ∃ Zerlegung von X mit A ∈ Aloc , der Klasse der Prozesse von lokal integrierbarer endlicher Variation ⇐⇒ ∀ Zerlegungen von X gilt A ∈ Aloc ⇐⇒ Yt = sup |X s − X 0 | ist lokal integrierbar. s≤t

Folgendes Lemma konkretisiert obige Aussage.

3.5 Integration von Semimartingalen

79

Lemma 3.84 Sei X ∈ S und | X | ≤ a < ∞, dann ist X ∈ S p . Für die kanonische Zerlegung X = X 0 + M + A von X gilt: | A| ≤ a, | M| ≤ 2a. Für X ∈ S p,c folgt, dass M ∈ Mloc,c und A ∈ V p,c . S und S p sind stabil unter Stoppen. Proposition 3.85 (Stetiger Martingalanteil) Zu X ∈ S existiert eine eindeutige Zerlegung der Form X = X 0 + X c + M + A mit X c ∈ Mloc,c , M ∈ Mloc , A ∈ V

(3.19)

X 0c = 0 so dass für alle Zerlegungen M = M1 + M2 mit M1 ∈ Mloc,c , M2 ∈ Mloc gilt M1 = 0. X c heißt stetiger Martingalanteil von X . Proposition 3.86 Sei f = f (t) eine deterministische càdlàg-Funktion. Dann gilt f ∈ S ⇐⇒ f ist von endlicher Variation, f ∈ V . Beweis Es ist nur die Richtung „=⇒“ zu zeigen. Nach Lemma 3.84 gilt f = f (0) + M + A ∈ S p ist ein spezielles Semimartingal. Es gibt eine Lokalisierung τn ↑ ∞: f τn = f (0) + M τn + Aτn mit E Aτt n < ∞. Daraus folgt E f t∧τn = f (0) + E At∧τn = f (t)P(τn > t) +    ∈V

0

Für alle T > 0 und t ≤ T ist für n ≥ n 0 , P(τn > t) > 0. Obige Darstellung impliziert dann, dass f ∈ V .

t

f (y) d P τn (y) .   ∈V



Wir behandeln nun einige Zerlegungssätze für allgemeine Semimartingale und beschreiben deren Variations- und Kovariationsprozesse.

80

3.5.1

3

Stochastische Integration

Zerlegungssätze

Sei M ∈ M2loc mit M0 = 0, d. h. es existiert eine Lokalisierung τn ↑ ∞, so dass M τn ∈ M2 ein L 2 -Martingal ist. Dann ist (M τn )2 ein Submartingal der Klasse (DL). Mit dem Satz von Doob-Meyer folgt: Es existiert genau ein vorhersehbarer, wachsender Prozess A ∈ V+ ∩ L(P ) = (V p )+ , A0 = 0, so dass M 2 − A ∈ Mloc . (Definition auf [0, τn ], konsistente Fortsetzung auf [0, ∞).) Der Prozess A =: M heißt vorhersehbare quadratische Variation von M. Mit Hilfe der Polarisierungsformel lässt sich dann für M, N ∈ M2loc die vorhersehbare quadratische Kovariation von M, N N , M ∈ L(P ) einführen und charakterisieren dadurch, dass M N − M, N  ∈ Mloc .

(3.20)

Da Mloc,c ⊂ M2loc verallgemeinert dieses den vorhersehbaren Variationsprozess von stetigen lokalen Martingalen. Wie im stetigen Fall bekommen wir eine Ungleichung für N , M ∈ M2loc :

1/2 |M, N t | ≤ Mt N t f.s. ∀ t, d. h. die Wurzel aus dem Produkt der Variationen ist eine Majorante für den Betrag der Kovariation. Der Grund dafür, dass die quadratintegrierbaren Prozesse eine besondere Rolle spielen, ist der folgende Zerlegungssatz: Proposition 3.87 (spezieller Zerlegungssatz) Sei X ∈ S , dann existiert eine Zerlegung von X der Form X = X 0 + M + A mit M ∈ M2loc und A ∈ V . Obige Zerlegung ist für A ∈ V nicht eindeutig. Das Argument für obige Zerlegung besteht darin, die großen Sprünge von M aus einer Zerlegung auf den Prozess A zu übertragen, ohne die endliche Variation zu verlieren. Wendet man diesen speziellen Zerlegungssatz auf ein lokales Martingal an, so ergibt sich als Korollar Korollar 3.88 Sei M ∈ Mloc , M0 = 0, dann existiert ein Prozess M  ∈ M2loc und A ∈ V mit M = M  + A. Als Konsequenz hiervon kann man sich bei der Definition des stochastischen Integrals für Semimartingale auf den Fall beschränken, dass der Martingalanteil in M2loc liegt. Eine nützliche Eigenschaft vorhersehbarer wachsender Prozesse (wie in der Definition spezieller Semimartingale) formuliert das folgende Lemma.

3.5 Integration von Semimartingalen

81

Lemma 3.89 Sei A ein vorhersehbarer Prozess A ∈ V p von endlicher Variation, A0 = 0, dann ist A ∈ Aloc , A hat lokal integrierbare Variation, d. h. es gibt eine Lokalisierung (τn ), so dass Aτn integrierbare Variation hat ∀ n ∈ N. Als Korollar hieraus ergibt sich die folgende Integrierbarkeitsaussage. Lemma 3.90 Sei f ∈ L(P ) ein vorhersehbarer Prozess und sei A ∈ A+ ∩ L(P ) t vorhersehbar und wachsend, und sei 0 | f s | d As < ∞, ∀ t f.s. Dann gilt: Bt :=

0

t

f s d As ∈ L(P ) ∩ Aloc ,

d. h. das Integral B = f · A ist vorhersehbar und lokal integrierbar. ! t Beweis Sei f ∈ E und sei H := X càdlàg; 0 f dX ∈ L(P ) dann gilt H ⊃ {stetige Prozesse}, da f · X stetig ist. Für alle càdlàg-Prozesse f ist das Integral f · X definiert. Mit dem monotonen Klassentheorem folgt: H enth¨alt alle beschr¨ankten vorhersehbaren Prozesse.

Mit Lokalisierung folgt dann: B = f · A ∈ L(P ) ∩ Aloc , ∀ A ∈ V+ ∩ L(P ), f ∈ E . Daraus folgt wieder mit dem monotonen Klassentheorem die Behauptung für f ∈ L(P ), f beschränkt. Für allgemeine vorhersehbare Funktionen wird die Aussage durch Lokalisieren auf den beschränkten Fall zurückgeführt: Sei f k := ( f ∧ k) ∨ (−k), dann konvergiert die Folge f k punktweise: f k −→ f . Nach Voraussetzung ist die Folge | f k | durch eine integrierbare Funktion majorisiert: | f | ≤ | f | und

t

k

0

| f |s d As < ∞.

Die Behauptung folgt nun mit dem Satz von der majorisierten (dominierten) Konvergenz. 

3.5.2

Stochastisches Integral für M2loc

Das stochastische Integral wird nun im nächsten Schritt ähnlich wie für M2c eingeführt. ! t Sei M ∈ M2loc , und L0 (M) := f ∈ L(P ); 0 f s2 dMs < ∞, f.s. ∀ t < ∞ .

82

3

Stochastische Integration

t Dann folgt nach Lemma 3.90 Bt := 0 f s2 dMs ∈ P ∩ Aloc , für f ∈ L0 (M). σn Also existiert eine lokalisierende Folge σn ↑ ∞ : E  tBt < ∞. 2 Für M ∈ M wird das stochastische Integral X t := 0 f dM wie für Martingale M ∈ M2c definiert. Anschließend erweitert man die Klasse der Integratoren auf M2loc durch Lokalisieren wie zuvor:  Sei (σn ) eine lokalisierende Folge, so dass M σn ∈ M2 und sei τn := σn ∧ σn . Wir definieren auf [0, τn ] das stochastische Integral durch

t 0

f dM :=

t

0

f 1[0,τn ] dM τn auf [0, τn ].

Zur Identifizierung der vorhersehbaren quadratischen Kovariation verwenden wir Doob-Meyer: Sei N ∈ Mloc ∩ P , N0 = 0 und N ∈ V , dann gilt P(Nt = 0, ∀ t) = 1 wegen der Eindeutigkeit im Satz von Doob-Meyer. Dieses impliziert die Eindeutigkeit von X , N . Wir erhalten X = f · M ∈ M2loc und es gelten die Integraleigenschaften (vgl. Proposition 3.69) sowie der Satz über dominierte Konvergenz für das stochastische Integral. Insbesondere gilt auch die Kovariationsformel.

3.5.3

Stochastisches Integral für Semimartingale

Sei X ∈ S ein Semimartingal. Dann kann man nach dem Zerlegungssatz X zerlegen: X = M + A,

M ∈ M2loc , A ∈ V .

Diese Zerlegung ist nicht eindeutig. Unser Ziel ist die Konstruktion eines Integrals, welches unabhängig von der Zerlegung ist. Angenommen X = M + A = N + B,

M, N ∈ M2loc , A, B ∈ V

sind zwei Zerlegungen von X . Für eine elementare Funktionen f ∈ E gilt dann nach Definition des Integrals 0

t

f dM +

0

t

f dA =

t 0

f dN +

t 0

f dB

(3.21)

Die Menge der f , die diese Bedingung erfüllt, ist abgeschlossen bezüglich punktweiser Konvergenz. Mit dem Satz von der monotonen Klasse und dem Satz von der dominierten Konvergenz folgt: (3.21) gilt auch für beschränkte vorhersehbare Prozesse f ∈ P .

3.5 Integration von Semimartingalen

83

Mit einem Abschneideargument folgt: (3.21) gilt für f ∈ P unter der Bedingung

t

0 t und

0



f s2 dMs < ∞ f.s.,

t

0t

f s2 dN s < ∞ f.s.,

0

| f s | d|A|s < ∞ f.s.,

(3.22)

| f |s d|B|s < ∞ f.s. ∀ t,

d. h. Gleichheit gilt in der Klasse aller f mit (3.22). Wir definieren daher die Integrationsklasse   L0 (X ) := f ∈ L(P ); ∃ Zerlegung X =M + A, mit M ∈ M2loc , A ∈ V , so dass (3.22) gilt .

Für diese Klasse ist die Definition des Integrals eindeutig und es gelten die Integraleigenschaften wie in Kap. 3.4.2, da im Wesentlichen nur der Satz von der majorisierten Konvergenz benutzt wird. Die Aussage über die quadratische Variation für stetige Semimartingale überträgt sich wie folgt: Proposition 3.91 (Quadratische Variation) Sei X ∈ S , ein càdlàg-Semimartingal und sei (τin ) eine Folge von Zerlegungen mit | n = | −→ 0. Dann gilt Q nt :=



n ∧t − X τ n ∧t X τi+1 i

2

P

−→ [X ]t

und es gilt die Darstellungsformel X t2 = X 02 + 2 ·



t

0

X s− dX s + [X ]t .

(3.23)

Die Konvergenz ist gleichmäßig auf [0, t]. Der Beweis dieser Proposition ist wie der Beweis in Proposition 3.78 mit dem Satz von der dominierten Konvergenz. Der wesentliche Schritt ist der Nachweis der folgenden n Proposition 3.92 Sei X ∈ S càdlàg; Y càdlàg und (τi ) eine Folge von Zerlegungen n n ∧t − X τ n ∧t ). Dann gilt mit n −→ 0. Sei weiter Z t := Yτin (X τi+1 i

  t   Y− dX −→0. sup  Z tn −

t≤T

0

P

Durch die quadratische Variation erhalten wir auch die quadratische Kovariation durch Polarisierung aus der quadratischen Variation.

84

3

Stochastische Integration

Definition 3.93 (Kovariation) Für X , Y ∈ S definieren wir die quadratische Kovariation [X , Y ] :=

1 [X + Y ] − [X − Y ] 4

Es überträgt sich die partielle Integrationsformel. Proposition 3.94 (Partielle Integrationsformel) Für X , Y ∈ S gilt: X t Yt = X 0 Y0 +

0

t

X − dY +

0

t

Y− dX + [X , Y ]t .

Insbesondere liefert Proposition 3.94 im Fall deterministischer Funktionen von endlicher Variation die klassische partielle Integrationsformel als Spezialfall (vgl. Proposition 3.81). Proposition 3.95 Seien M, N ∈ Mloc , f ∈ L(P ) lokal beschränkt, dann gilt: a) Yt :=

t 0

f dM = ( f · M)t ∈ Mloc

b) M N − [M, N ] ∈ Mloc . Beweis 1) Aus dem Zerlegungssatz folgt die Existenz einer Zerlegung M = M ∗ + A mit M ∗ ∈ M2loc und A ∈ V . A = M − M ∗ ist als Differenz von zwei lokalen Martingalen selbst ein lokales Martingal, A ∈ Mloc . Nach Konstruktion ist das stochastische Integral f · M ∗ ∈ M2loc . Es bleibt zu zeigen: f · A ∈ Mloc . 2 Sei τn1 := inf{t; |A|t ≥ n} und (τn2 ) eine lokalisierende Folge mit Aτn ∈ M und definiere τn := inf{τn1 , τn2 }. Dann gilt für t < τn , dass |A|t ≤ n. Damit folgt |A|τn ≤ 2n + |Aτn | und |A|τn ∈ A. Sei g = f 1[0,τn ] , B = Aτn , dann ist ( f · A)τn = g · B und |B| ∈ A. Bezeichne H := {h ∈ L(P ); h beschr¨ankt, h · B ∈ M}, dann gilt: H ⊃ E , H ist abgeschlossen bez¨uglich punktweiser beschr¨ankter Konvergenz;

also ist H eine monotone Klasse. Damit folgt: H ⊃ B(P ). Also gilt: f · A ∈ Mloc . 2) folgt aus der Charakterisierungseigenschaft a) und Proposition 3.91. Bemerkung 3.96 Für M, N ∈ M2loc ist M N − M, N  ∈ Mloc ,



3.5 Integration von Semimartingalen

85

M, N  ∈ V p ist von endlicher Variation und vorhersehbar. Die quadratische Kovariation [M, N ] ist i.A. nicht vorhersehbar. Mit Proposition 3.95 folgt [M, N ] − M, N  ∈ Mloc d. h. M, N , die vorhersehbare Kovariation von M und N , ist die vorhersehbare quadratische Variation von dem Kovariationsprozess [M, N ]. Der vorhersehbare Variationsprozess der Kovariation ist identisch mit der vorhersehbaren Kovariation von M und N . Wir beschreiben nun einige Eigenschaften der Sprünge bei Semimartingalen. Sei ( X )t := X t − X t − der Sprungprozess an der Stelle t. Ist der Prozess X càdlàg, dann gibt es höchstens abzählbar viele Sprünge. Proposition 3.97 Sei X ∈ S , Y ∈ P lokal beschränkt, Z := Y · X , dann gilt: a) Der Sprungprozess von Z ist das Integral Y · X , Z = Y · X b)

[X ] = ( X )2 c) 0≤s≤t ( X s )2 ≤ [X ]t . Beweis Für den Fall, dass Y = Y− linksseitig stetig ist: a) Sei Y = Y− und Ytn := Z tn :=



Yτ n 1(τ n ,τ n ] (t), i i i+1

Yτ n X τt n − X τt n das Integral des elementaren Prozesses Ytn bez¨uglich X . i

i+1

i

Dann gilt wegen der linksseitigen Stetigkeit von Y P

Ytn −→ Yt . Mit dem Satz von der dominierten Konvergenz für Semimartingale folgt analog zu Proposition 3.78:   t  n  P  sup  Z t − Y dX  −→ 0.

t≤T

0

Es gilt Z n −→ Z und nach dem Satz über dominierte Konvergenz Y n · X −→ Y · X wegen der gleichmäßige Konvergenz auf kompakten Intervallen. Wegen Z n = Y n · X , Z = Y · X folgt daher Z = Y · X .

86

3

Stochastische Integration

b) Mit der Darstellungsformel aus Proposition 3.91 für die quadratischen Variation folgt: t 2 2 Xt = X0 + 2 · X − dX + [X ]t . 0

Bildet man den Zuwachs auf beiden Seiten, dann folgt mit a):

X 2 = 2X − · X + [X ]. Andererseits gilt: ( X )2t = (X t − X t− )2 = X t2 − X t2− − 2 · X t − (X t − X t − )( X 2 )t − 2X t− ( X )t .

Damit folgt [X ] = ( X )2 . c) folgt nach Definition von [X ] und nach b), denn auch der stetige Anteil trägt zu der quadratischen Variation bei.  Bemerkung 3.98 Die Summe der quadratischen Sprünge von X ist kleiner als der Variationsprozess an der Stelle t. Insbesondere ist diese Summe endlich. Typischerweise gilt nicht die Gleichheit. Zusätzlich zu dem Anteil der quadratischen Variation der von den Sprüngen kommt gibt es noch einen Anteil, der von den Stetigkeitsbereichen des Prozesses kommt. Die quadratische Variation wächst durch die Sprünge, aber auch durch die Stetigkeitsbereiche. Es folgt eine nützliche Rechenregel für die quadratische Kovariation: Lemma 3.99 Sei X ∈ S , A ∈ V , d. h. X ist Semimartingal und A von endlicher Variation, dann gilt a) Ist A oder X stetig, dann folgt [X , A] = 0. b) Die Kovariation von X und A ist die Summe der Produkte der Sprünge der Zuwächse

[X , A] = ( X )s ( A)s . 0 0, (Z , Z − = 0) ein positives Semimartingal. In der reellen Analysis ist die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion der Logarithmus. In Analogie dazu heißt die Umkehrfunktion‘ des ’ stochastischen Exponentials stochastischer Logarithmus. Sei X :=

1 · Z, Z−

dann gilt: X ist das eindeutige Element (Semimartingal) X ∈ S mit X 0 = 0 und Z = Z 0 E (X ), d. h. Z ist das stochastische Exponential vom stochastischen Logarithmus X . Schreibweise: L(Z ) := X . Beweis Sei X = L(Z ) dann ist X 0 = 0 und Z = Z0 + 1 · Z = Z0 + Z− ·

 1  ·Z Z−

= Z0 + Z− · X d. h. Z ist eine Lösung dieser Gleichung. Damit folgt: Z ist Lösung der stochastischen Exponentialgleichung (4.3), Z = Z 0 E (X ). Eindeutigkeit Sei X ∈ S , X 0 = 0 und Z := Z 0 E (X ). Behauptung: X = L(Z ). Es gilt: Z ist Lösung der Gleichung für das stochastische Exponential: Z = Z0 + Z− · X .

4.1 Itô-Formel

99

Daraus folgt 1 1 ·Z= · (Z − · X ) Z− Z−   1 Z− · X = Z−  = 1 · X = 1 dX = X − X 0 = X . Also ist der stochastische Logarithmus die eindeutige Lösung der grundlegenden stochastischen Differentialgleichung in (4.3). Der stochastische Logarithmus L(Z ) ist auch wohldefiniert für Z ∈ S , so dass Z , Z − ∈ R \ {0}.  Korollar 4.10 Sei ϕ ∈ L0 (B), dann hat die stochastische Differentialgleichung dL = Lϕ dB,

L0 = 1

eine eindeutige (stetige) Lösung, nämlich L t = exp



t 0

1 ϕs dBs − 2



t 0

 ϕs2 ds .

Beweis Die Gleichung ist ein Spezialfall von Bemerkung 4.9, mit M := ϕ · B ∈ Mloc,c . Dann ist  Mt =

0

t

  t ϕs dBs = ϕ · Bt = (ϕ 2 · B)t = ϕs2 ds. 0

Nach Bemerkung 4.9 ist daher L t = exp



t 0

1 ϕs dBs − 2



t 0

  1 ϕs2 ds = exp Mt − Mt = E (M)t 2

eindeutige Lösung der Gleichung dL = L dM = Lϕ dB.



In Abschn. 4.4 werden allgemeine Aussagen über die Lösung von stochastischen Differentialgleichungen bewiesen. Stochastische Differentialgleichungen sind ebenso wie deterministische Differentialgleichungen wichtig für die Modellierung. Der Grund hierfür ist, dass für die Formulierung dieser Differentialgleichungen oft nur lokale Größen wie etwa Drift und Diffusion benötigt werden. Solche lokalen Größen sind in vielen Anwendungen bekannt. Die Lösung einer (stochastischen) Differentialgleichung gibt dann Informationen über das globale Verhalten des beschriebenen Prozesses. Das folgende Beispiel, die geometrische Brownsche Bewegung, ist das Standardmodell, welches in der Finanzmathematik zugrundegelegt wird.

100

4

Elemente der stochastischen Analysis

1 2 Bemerkung 4.11 (Geometrische Brownsche Bewegung) Sei  St := eσ Bt −− 2 σ t , dann ist  St ein exponentielles Martingal, also Lösung der Differentialgleichung (vgl. Korollar 4.10).

d St =  St σ dBt . σ > 0 ist eine positive Konstante. Sie heißt in der Finanzmathematik Volatilität. Wir definieren das Produkt 1

St = e(μ− 2 σ St := eμt 

2 )t+σ B t

,

dann folgt mit der partiellen Integrationsformel: St + μeμt  dSt = eμt d  St dt = μSt dt + σ St dBt = St (μ dt + σ dBt ).

(4.5)

(St ) heißt geometrische Brownsche Bewegung mit Drift μ und Volatilität σ . (St ) ist ein exponentieller Prozess mit unabhängigen logarithmischen Zuwächsen. (St ) ist ein Standardmodell für die Entwicklung von Aktienkursen. Der Grund dafür ist der folgende: Schreibt man die obige Differentialgleichung in diskretisierter Form, dann sind die relativen Zuwächse (Returns) rt :=

St+h − St . St

Diese sind bei empirischen Daten oft angenähert i. i. d. und normalverteilt. Äquivalent dazu ist, dass die logarithmischen Zuwächse unabhängig und normalverteilt sind. Das ist auch eine Begründung dafür, dass wichtige Modelle in der Finanzmathematik exponentielle Lévy-Modelle sind. Nicht die Preisprozesse selbst sind LévyProzesse, sondern die logarithmischen Preisprozesse sind Lévy-Prozesse. Das wichtigste Beispiel für exponentielle Lévy-Prozesse ist die von Samuelson eingeführte geometrische Brownsche Bewegung. Die Black-Scholes-Formel basiert auf diesem Modell. Mit der Differentialgleichung (4.5) kann man diesen Prozess gut verstehen: Die lokale Änderung ist proportional zum Prozess selbst. Wir haben einen Driftterm und einen Volatilitätsterm. Mit Hilfe der Itô-Formel erhalten wir die Lösung dieser Differentialgleichung in expliziter Form. Es folgen einige Bemerkungen, die die Martingaleingenschaft des stochastischen Exponentials betreffen. Proposition 4.12 a) Sei M ein nichtnegatives, lokales Martingal M ∈ Mloc,c , M ≥ 0, dann ist M ein Supermartingal. b) Sei M ∈ Mloc , M0 = 0, dann gilt:

4.1 Itô-Formel

101

1) N := E (M) ist ein Supermartingal mit E Nt ≤ 1 ∀ t 2) N ∈ M ⇐⇒ E Nt = 1 ∀ t 3) Jede der folgenden Bedingungen 1

Ee 2 Mt < ∞ ∀ t ≤ T   1 E exp Mt < ∞ ∀ t ≤ T 2

Novikov-Bedingung Kazamaki-Bedingung

ist hinreichend dafür, dass E (M) ein Martingal auf [0, T ] ist. Beweis a) Sei τn eine lokalisierende Folge, dann folgt E(Mt∧τn | As ) = Ms∧τn ,

s ≤ t.

(4.6)

Wegen M ≥ 0 existiert eine untere Schranke für M. Mit dem Lemma von Fatou folgt für n → ∞: Ms = lim inf Ms∧τn = lim inf E(Mt∧τn | As ) ≥ E(lim inf Mt∧τn | As ) = E(Mt | As ). Wir erhalten die charakteristische Gleichung für ein Supermartingal. b) 1) folgt aus a) 2) Nur die Richtung „⇐“ ist zu zeigen. Nach Voraussetzung ist N ein nichtnegatives lokales Martingal, also auch ein Supermartingal. Nach a) folgt daher E(Nt | As ) ≤ Ns . Dieses impliziert E Nt = E E(Nt | As ) ≤ E Ns . Gleichheit gilt genau dann, wenn N ein Martingal ist. 3) Zu zeigen ist: Die Bedingungen implizieren, dass man eine Folge vonLokali- sierungen wählen kann, so dass die Folge der gestoppten Prozesse Nt∧τn gleichgradig integrierbar ist. Wir verzichten auf den etwas aufwendigen Beweis. Für den Fall, dass M ein beschränktes Martingal ist, ist diese Bedingung trivialerweise erfüllt.  Es folgt eine Hilfsaussage über die Kovariation von unabhängigen Prozessen. Lemma 4.13 Seien M, N ∈ M2loc . Sind M und N stochastisch unabhängig, dann folgt: M, N  = 0.

102

4

Elemente der stochastischen Analysis

Beweis Wir betrachten den Spezialfall, dass M und N lokale Martingale bezüglich einer gemeinsamen Filtrierung (At )t≥0 sind. Die Bedingung M, N  = 0 ist äquivalent dazu, dass M N ∈ Mloc , denn ⇐⇒

M N − 0 ∈ Mloc

M, N  = 0;

die vorhersehbare quadratische Kovariation M, N  ist der eindeutig bestimmte Prozess den man von M N abziehen muss, damit M N ein lokales Martingal ist. Ohne Einschränkung (mittels Lokalisierung) können wir annehmen, dass beide 2 Prozesse quadratintegrierbare  Martingale sind, M, N ∈ M .  Sei As := σ As , σ (N ) , die σ -Algebra bei der die von dem Prozess N erzeugte σ -Algebra zu der Filtration hinzugenommen wird. Dann folgt  s ) | As E(Mt Nt | As ) = E E(Mt Nt | A  s ) | As = E Nt E(Mt | A s ) = E(Mt | As ), da M, N unabhängig sind. Daraus folgt Es gilt E(Mt | A E(Mt Nt | As ) = E (Nt E(Mt | As ) | As ) = Ms E(Nt | As ) = Ms Ns .



Bemerkung 4.14 Zwei Prozesse M, N ∈ M2loc heißen orthogonal, wenn M N ∈ Mloc . Der Begriff wurde schon eingeführt bei der Zerlegung von lokalen Martingalen in einen stetigen und einen absolut unstetigen Anteil. Die Eigenschaft, dass M absolut unstetig ist, ist äquivalent damit, dass M orthogonal zu jedem stetigen lokalen Martingal N ∈ Mloc,c ist. Die folgende Proposition gibt eine Charakterisierung harmonischer Funktionen aus der Analysis mit Hilfe von Brownschen Bewegungen. Proposition 4.15 (Harmonische Funktionen) Sei B eine Brownsche Bewegung, sei f ∈ C 2,1 (Rd , R+ ), und sei der Differentialoperator L definiert durch L f :=

1 ∂f ∂f 1  ∂2 f + f + = . 2 2 ∂t 2 ∂t ∂ xi

Dann ist f

Mt := f (Bt , t) −

 0

t

L f (Bs , s) ds ∈ Mloc,c .

4.1 Itô-Formel

103

Insbesondere gilt: Eine Funktion f = f (x) ist genau dann harmonisch in Rd (d. h.  f = 0), wenn f (B) ∈ Mloc,c . Beweis Analog zum Beweis von Satz 4.7 folgt diese Aussage mit der Itô-Formel und Lemma 4.13. In der Itô-Formel treten die Kovariationsterme auf. Für unabhängige Prozesse sind diese Kovariationsterme null. Deshalb bleiben hier nur die Diagonalterme übrig: B i , B j t = ∂i j t. Damit gilt für f = f (x)  f (Bt ) ∈ Mloc,c ⇐⇒

t

 f (Bs ) ds = 0,

0

∀t

∀ t, da  f stetig ⇐⇒  f (Bt ) = 0, ⇐⇒  f = 0 d. h. f ist harmonisch.



Bemerkung 4.16 (Infinitesimaler Operator) a) Allgemeiner gilt: Für stetige Markovprozesse X existiert ein Operator L (Differentialoperator, Differenzenoperator oder allgemein linearer, stetiger Operator) derart, dass  f (X t , t) −

0

t

L f (X s , s)dX s ∈ Mloc,c .

(4.7)

Den linearen, stetigen Operator L nennt man infinitesimaler Erzeuger des Markovprozesses. Diese Gleichung charakterisiert den Markovprozess X . Für die Brownsche Bewegung ist L der partielle Differentialoperator zweiter Ordnung, L f = 21  f + ∂∂tf , f ∈ C 2,1 , L ist assoziiert mit der Wärmeleitungsgleichung. Die elliptischen Operatoren (partielle Differentialoperatoren zweiter Ordnung) sind mit einer Teilklasse der Markovprozesse, den Diffusionsprozessen assoziiert. Das Problem, einen Prozess mit Hilfe einer Martingaleigenschaft wie in (4.7) zu beschreiben nennt man Martingalproblem. b) Eindeutigkeit des Dirichlet-Problems Sei D ⊂ Rd ein beschränktes Gebiet und sei h eine stetige Funktion auf dem Rand von D, h ∈ C(∂ D). Gesucht ist eine Funktion u ∈ C 2 (D) ∩ C(D), d. h. im Inneren des Gebietes zweimal stetig differenzierbar und auf dem Rand stetig, derart, dass zwei Eigenschaften gelten:

104

4

Elemente der stochastischen Analysis

1) u = h auf ∂ D, d. h. auf dem Rand von D stimmt u mit h überein 2) Im Inneren von D ist u harmonisch, d. h. im Inneren gilt die partielle Differentialgleichung u = 0 Mit Hilfe der starken Markoveigenschaft für die Brownschen Bewegung, folgt für Gebiete mit regulärem Rand, dass u(x) := E x h(Bτ D ) eine Lösung des Dirichlet-Problems ist. Dabei ist τ D die erste Austrittszeit aus D. Die Eindeutigkeit der Lösung folgert man üblicherweise mit Hilfe eines analytischen Resultats, des Maximumsprinzips für harmonische Funktioonen. Wir zeigen nun, dass die Eindeutigkeit von Lösungen auch direkt aus der Itô-Formel gefolgert werden kann. Eindeutigkeitsbeweis mit der Itô-Formel Sei u eine Lösung des Dirichlet-Problems auf D. Dann folgt mit der Itô-Formel  u(Bt ) = u(B0 ) +

0

t

1 ∇u(Bs ) · dBs + 2   



t 0

Produkt in Rd

u(Bs ) ds  

=0

Dabei verwenden wir B i , B j t = 0, ∀ i = j, da die Komponenten von B unabhängig sind und daher nur die Diagonalterme übrig bleiben und weiter, dass u harmonisch ist. Daraus erhalten wir  t∧τ D  u Bt∧ τ D = u(B0 ) + ∇u(Bs ) · dBs . 0   M t ∈M

Der Gradient von u ist stetig und Bs bewegt sich bis zur Zeit τ D in dem beschränkten Gebiet D, d. h. M ist beschränkt und damit ist M ein Martingal, M ∈ Mc . Mit dem Optional Sampling Theorem folgt nun  E x u Bt∧τ D = u(x), ∀ t. Für t → ∞ folgt nach dem Satz über majorisierte Konvergenz und da u ∈ C(D)   u(x) = E x u Bτ D = E x h Bτ D denn auf dem Rand stimmen u und h überein. Damit folgt die Eindeutigkeit der Lösung.

4.1 Itô-Formel

105

c) Rekurrenz der Brownschen Bewegung Das Grundproblem dieses Abschnittes ist die Frage nach der Rekurrenz der Brownschen Bewegung in Rd , d. h. bei beliebigem Startpunkt x wird jede beliebig kleine Kugel in Rd irgendwann von der Brownschen Bewegung erreicht. O.E. betrachten wir eine Kugel mit Mittelpunkt in 0 (Abb. 4.1). Sei B eine d-dimensionale Brownsche Bewegung, d. h. die Komponenten von B sind unabhängig. Wir betrachten einen Kreisring D := B(0, R) − B(0, r ) um null mit 0 < r < R < ∞. In dem Kreisring in Punkt x startet die Brownsche Bewegung B. Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird dann der kleine Kreis B(0, r ) eher als das Komplement des großen Kreises B(0, R) erreicht? Dieses Problem kann man mit einer Eigenschaft von harmonischen Funktionen behandeln, die aus der Itô-Formel folgt. Wir betrachten für die Dimension d die harmonische Funktion u  d = 2, u(x) := − log |x| = u |x| ,  d ≥ 3, u(x) := |x|2−d = u |x| . u ist harmonisch auf D, d. h. es gilt die Laplace-Gleichung u = 0 in D

 ∂|x| xi  dazu verwende = . ∂ xi |x|

Wir betrachten eine Brownsche Bewegung die in einem Punkt x des Kreisrings D startet, B0 = x ∈ D Abb. 4.1 Rekurrenz

D

r

S0 x

R

106

4

Elemente der stochastischen Analysis

b

x

a

τa,b

Abb. 4.2 reelles stetiges Martingal M, Stoppzeit τa,b

Dann folgt nach Proposition 4.15 für eine Stoppzeit  τ ≤ τR  Mt := u Bt∧ τ ∈ Mc denn auf einem beschränkten Gebiet ist u beschränkt. Wir verwenden nun eine wohlbekannte Eigenschaft von stetigen reellen Martingalen. Sei M ∈ Mc ein stetiges reelles Martingal. Wir starten M in einem Punkt x ∈ [a, b] und warten bis eine der beiden Grenzen a, b erreicht wird. Wir nehmen an, dass diese Stoppzeit endlich ist, τ := τa,b < ∞. Dann gilt nach dem Optional Sampling Theorem ⎧ b−x  ⎪ ⎪ ⎨ P Mτ = a = b−a  x −a ⎪ ⎪ ⎩ P Mτ = b = b−a

und (4.8)

Mτ kannnur einen der beiden Werte a oder b annehmen (Abb. 4.2). Sei nun speziell Mt := u Bt∧ ∈ M τ c mit    τ := min τ∂ B(0,r ) , τ∂ B(0,R) , x ∈ D.  τ ist der erste Zeitpunkt, wo die innere oder die äußere Kugeloberfläche erreicht wird. Aus dem Verhalten der Brownschen Bewegung wissen wir, dass die äußere Kugel in endlicher Zeit erreicht wird, denn lim sup |Bt | = ∞. Deshalb ist  τ eine endliche Stoppzeit. (4.8) wenden wir nun auf das obige Martingal an. Sei a := u(R) und b := u(r ).

4.1 Itô-Formel

107

Dann ist u(r ) > u(R), denn u ist antiton, u ↓. Sei τ := τa,b , dann folgt nach (4.8)   Px τ∂ B(0,r ) (B) < τ∂ B(0,R) (B) = Pu(x) Mτ = u(r )

=

⎧ log R − log(|x|) ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ log R − log r ,

d = 2,

⎪ ⎪ |x|2−d − R 2−d ⎪ ⎩ , r 2−d − R 2−d

d ≥ 3.

Das Problem für die Brownsche Bewegung wird transformiert auf ein StoppProblem für die transformierte Brownsche Bewegung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die kleinere Kugel erreicht wird bevor die größere Kugel erreicht wird ist gleich der Wahrscheinlichkeit, dass Mτ = u(r ), d. h. u(Bt ) erreicht u(r ) zuerst. u(r ) = b ergibt die obere Schranke und u(R) = a ergibt die untere Schranke nach der Transformation. Die Transformation ist strikt antiton, d. h. die Ordnung bleibt erhalten. Für R → ∞ folgt für d = 2:  Px ∃ t > 0;

 Bt ∈ B(0, r ) = Px τ B(0,r ) (B) < ∞  = lim Px τ B(0,r ) (B) < τ B(0,R) (B) = 1. R→∞

Für d ≥ 3 folgt analog 

Px τ B(0,r ) (B) < ∞ =



|x| r

2−d ,

|x| > r .

Bei Start in x mit |x| > r ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kleine Kugel in endlicher Zeit getroffen wird größer als null. Sie hängt aber davon ab, wie weit der Startpunkt von null entfernt ist. Diese Wahrscheinlichkeit geht gegen null für |x| → ∞. Satz 4.17 Für d = 2 ist die Brownsche Bewegung rekurrent, für d ≥ 3 ist die Brownsche Bewegung nicht rekurrent. Interpretation: Das Ergebnis ist analog zu dem Fall eines random walks auf dem d-dimensionalen Gitter. Für die Dimensionen 1 und 2 ist der random walk rekurrent, für höhere Dimensionen hingegen ist er nicht rekurrent. Wenn zuviel Raum vorhanden ist, wird die kleine Kugel von der Brownschen Bewegung mit positiver Wahrscheinlichkeit in d ≥ 3 nicht wiedergefunden. Eine weitere wichtige Anwendung der Itô-Formel ist die Charakterisierung der Brownschen Bewegung von Lévy. Eine Brownsche Bewegung ist ein Prozess mit stetigen Pfaden, der durch zwei Eigenschaften definiert wird: 1) Die Zuwächse von X sind unabhängig ⇐⇒ X t − X s , As sind unabhängig für s ≤ t, d. h. für alle s < t sind die Zuwächse unabhängig von der Vergangenheit in As .

108

4

Elemente der stochastischen Analysis

2) Die Zuwächse von X sind normalverteilt, X t − X s ∼ N (0, t − s). Nach Proposition 4.15 folgt, dass harmonische Funktionen angewendet auf die Brownsche Bewegung stetige lokale Martingale sind. Es stellt sich die Frage: Charakterisiert diese Martingaleigenschaft die Brownsche Bewegung? Das überraschende Resultat ist: Schon zwei Martingalfunktionale reichen aus, um die Brownsche Bewegung zu charakterisieren, nämlich Bt und Bt2 − t. Das sind gerade die ersten beiden Hermiteschen Polynome angewendet auf die Brownsche Bewegung. Hermitesche Polynome angewendet auf die Brownsche Bewegung ergeben im Allgemeinen Martingale. Satz 4.18 (Charakterisierung der Brownschen Bewegung nach Lévy) Sei X = (X t , At ) ein stetiger, d-dimensionaler Prozess mit X 0 = 0, dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: 1) X ist eine Brownsche Bewegung 2) X ∈ Mloc,c und X i , X j t = δi, j t ∀ i, j, t 3) X ∈ Mloc,c und ∀ f k ∈ L2 R+ , λ\+ , 1 ≤ k ≤ d ist  d  if Et := exp i

k=1 0

t

1 2 d

f k (s) dX sk +



k=1 0

t

f k2 (s) ds

ein komplexes Martingal. Bemerkung 4.19 Die Brownsche Bewegung ist also das einzige stetige lokale Martingal für welches die quadratische Kovariation gleich δi j t ist. Beweis 1) ⇒ 2) 2) ⇒ 3)

nach Lemma 4.13 in der Version für komplexe Martingale. t Nach Satz 4.7 mit λ = i und mit Mt := 0 f k (s) dX sk gilt E it ∈ Mloc,c . Mt ist beschränkt; daher gilt nach Korollar 4.10 b), dass E it ∈ Mc ein Martingal ist. 3) ⇒ 1) Sei f speziell gewählt als f := ξ · 1[0,T ] , ξ ∈ Rd , T > 0, d. h. f ist in jeder Komponente konstant ξi auf [0, T ]. Dann ergibt sich als stochastisches Exponential

 1 if Et = exp iξ, X t∧T  + |ξ |2 (t ∧ T ) ∈ Mc . 2

4.1 Itô-Formel

109

Daraus folgt mit der Martingaleigenschaft aus 3)  1 1 2 2 E eiξ,X t + 2 |ξ | t | As = eiξ,X s + 2 |ξ | ·s , 0 ≤ s ≤ t ≤ T .

(4.9)

Dies impliziert  1 2 E eiξ,X t −X s  | As = e− 2 |ξ | (t−s) . Also ist der bedingte Erwartungswert unabhängig von As und stimmt demnach mit dem Erwartungswert überein.  1 2 E eiξ,X t −X s  | As = e− 2 |ξ | (t−s)  = E E eiξ,X t −X s  | As  = E eiξ,X t −X s  ) = ϕ X t −X s (ξ ). Das ist aber die charakteristische Funktion der Normalverteilung. Also sind die Zuwächse X t − X s unabhängig von As und die Zuwächse von X sind unabhängig und normalverteilt. Das sind aber genau die definierenden Eigenschaften der Brownschen Bewegung: X t − X s ist unabhängig d

von As und X t − X s = N (0, t − s). Damit ist X eine Brownsche Bewegung.  Wegen der besonderen Bedeutung formulieren wir den Satz für d = 1 gesondert. Korollar 4.20 Sei d = 1 und B = (Bt ) ein stetiger Prozess mit B0 = 0, dann folgt: B ist eine Brownsche Bewegung ⇐⇒ B ∈ Mloc,c und Bt = t, ∀ t ⇐⇒ (Bt ), (Bt2 − t) ∈ Mloc,c . Die Brownsche Bewegung ist also das eindeutige stetige lokale Martingal, so dass Bt = t ist. Für die Klasse der Sprungprozesse charakterisiert diese Eigenschaft (lokales Martingal und N t = t) die kompensierten Poisson-Prozesse. Damit nehmen der Poisson-Prozess und die Brownsche Bewegung eine herausgehobene Stellung als Prototypen dieser Klassen von Prozessen ein. Ein grundlegendes Problem bezüglich der Brownschen Bewegung B und allgemeinerer Klassen von Prozessen ist die Beschreibung allgemeiner L 2 -Funktionale Y = F(B) ∈ L 2 , oder äquivalent von Funktionalen F auf dem unendlich-dimensionalen Wiener Raum, (C, W ), W das Wiener Maß. In der Finanzmathematik sind zugehörige Vollständigkeitssätze fundamental. Eine Möglichkeit solche Funktionale zu beschreiben basiert auf der Konstruktion einer Basis mit Hilfe von Hermiteschen

110

4

Elemente der stochastischen Analysis

Polynomen, eine weitere Möglichkeit der Beschreibung basiert auf stochastischen Integralen. Wir behandeln hier zunächst die Methode der Hermiteschen Polynome. Die Hermiteschen Polynome h n werden definiert als normierte Lösungen der Gleichungen  x2  x2 dn exp − = (−1)n h n (x)e− 2 , h n (0) = 1. n dx 2 h n heißt Hermitesches Polynom vom Grad n. Die hermiteschen Polynome sind orthox2

gonale Polynome zur Gewichtsfunktion e− 2 , d. h. sie sind eng gekoppelt an die Normalverteilungsdichte: 

h n (x)h m (x)e−

x2 2

dx = 0, n = m.

Die Funktionen (h n ) bilden eine Orthogonalbasis in dem Raum L 2 (exp(−x 2 /2) dx), d. h. im L-Raum der Standardnormalverteilung mit der Gewichtsfunktion exp(−x 2 /2). Man kann die hermiteschen Polynome auch auf eine verwandte Weise einführen.  u2  h n (x) = exp ux − . n! 2

 un n≥0

(4.10)

Wenn man die Exponentialfunktion entwickelt und umordnet ergibt sich die obige Darstellung. Die h n (x) treten hier als Gewichte von u n auf, d. h. (4.10) liefert eine Darstellung der erzeugenden Funktion der Polynomfolge (h n ). Kodiert in der Exponentialfunktion sind die h n (x) als Koeffizienten in x und andererseits alle h n (x) in der Entwicklung nach der zweiten Variablen u. Man kann diese Darstellung auf folgende Weise mit einem weiteren Parameter a normieren:  √  x 2 (u √a)2  au 2  exp ux − − = exp u a √ 2 2 a   n  x u (4.10) = · a n/2 · h n √ , Hn (x, 0) := x n . n! a n≥0    

(4.11)

=:Hn (x,a)

Die Hn behalten die Orthogonaleigenschaften der hermiteschen Polynome. Bezüglich der Variablen x sind sie Polynome vom Grad n in x. Die ersten standardisierten hermiteschen Polynome Hn = Hn (x, a) sind n

0

1

2

3

4

5

Hn

1

x

x2 − a

x 3 − 3ax

x 4 − 6ax 2 + 3a 2

x 5 − 10ax 3 + 15a 2 x

4.1 Itô-Formel

111

Den Raum der quadratintegrierbaren Funktionen der Brownschen Bewegung kann man mit Hilfe der standardisierten hermiteschen Polynome beschreiben. Diese bilden eine Basis in dem L-Raum, wenn man die Brownsche Bewegung und deren quadratische Variation einsetzt. Darüber hinaus erlauben sie die Konstruktion einer großen Klasse von stetigen lokalen Martingalen als Funktionale von vorgegebenen lokalen Martingalen M und deren vorhersehbaren quadratischen Variationen M. Proposition 4.21 Sei M ∈ Mloc,c , M0 = 0, dann folgt  L (n) t := Hn Mt , Mt ∈ Mloc,c L (n) t hat eine Darstellung als multiples stochastisches Integral (n) Lt

 = n!



t 0

dMs1

s1

0

 dMs2 · · ·

sn−1

0

 · · · dMsn .

Es gilt für das stochastische Exponential von M die Entwicklung E λ (M)t =

∞  λn n=0

n!

(n) Lt .

Beweis Das exponentielle Martingal E λ (M) ist ein stetiges lokales Martingal und es ist Lösung der stochastischen Differentialgleichung (vgl. Korollar 4.8): E λ (M)t = 1 + λ



t

0

E λ (M)s dMs .

 Mit E λ (M)s = exp λMs − 21 λ2 Ms folgt nach (4.11) mit u = λ, a = Ms , x = Ms .  t ∞ λn (n) E (M)t = 1 + λ L dMs . n! s 0 λ

n=0

Sei nun τ eine Stoppzeit, so dass M τ , Mτ beschränkt ist. Dann folgt mit dem Satz von der dominierten Konvergenz, dass man Integral und Summe vertauschen kann und damit gilt E λ (M)t = 1 +

 ∞  λn+1 n=0

n!

t 0

L (n) s dMs =

∞  λn n=0

n!

L (n) s .

112

4

Elemente der stochastischen Analysis

Mit Koeffizientenvergleich ergibt sich L (0) ≡ 1,

L (n+1) = (n + 1) t



t

0

L (n) s dMs .

Also ist L (n) ∈ Mloc,c . Die normierten hermiteschen Polynome definieren also ein System von lokalen Martingalen. 

4.2

Martingaldarstellungssätze

Sei B eine Brownsche Bewegung mit der Brownschen Filtration (At ) = (AtB ), d. h. der von der Brownschen Bewegung erzeugten vervollständigten, rechtsseitig stetigen Filtration. Das Ziel dieses Abschnitts ist es, Martingale bezüglich dieser Filtration als stochastische Integrale  Mt = M0 +

t

0

Hs dBs

darzustellen. Es wird im Folgenden gezeigt, dass jedes Martingal eine solche Darstellung gestattet. In der Finanzmathematik kann man den Integranden H aus einer solchen Darstellung als Handelsstrategie auffassen. Der Nachweis obiger Integraldarstellung basiert auf der speziellen Klasse von Integranden,  :=

f =

n 

λ j 1(t j−1 ,t j ] ,

j=1

der Menge der Treppenfunktionen mit einem beschränkten Träger. Sei f



Mt := ( f · B)t =

0

t

f (s) dBs ∈ M

das zugehörige stochastische Integral bezüglich der Brownschen Bewegung. Die Integranden f ∈  sind deterministisch und vorhersehbar. Die vorhersehbare Variation von M f ist  t M f t = f 2 (s) ds. 0

Sei E f das zugehörige von M f erzeugte stochastische Exponential   1 E f := exp M f − M f  . 2

4.2 Martingaldarstellungssätze

113

Es folgt eine Vorbemerkung aus der Hilbertraumtheorie: Eine Teilmenge A eines Hilbertraumes H heißt total in H , ⇐⇒ ∀ h ∈ H :

h ⊥ A ⇒ h = 0.

Totale Mengen sind geeignet, um Elemente des Hilbertraums zu approximieren. Es gilt A ⊂ H ist total ⇐⇒ die lineare H¨ulle von A, lin A, ist dicht in H . Diese Äquivalenz folgt aus einer Anwendung des Satzes von Hahn-Banach. Das folgende Lemma zeigt, dass die Menge der stochastischen Exponentiale von Treppenfunktionen total in L 2 (A∞ , P) ist.  f Lemma 4.22 Sei K := E∞ ; f ∈  die Menge der stochastischen Exponentiale von Treppenfunktionen. Dann gilt K ist total in L 2 (A∞ , P)

oder, äquivalent, linK ist dicht in L 2 (A∞ , P). Beweis Sei Y ∈ L 2 (A∞ , P) und sei Y ⊥ K, dann ist zu zeigen, dass: Y ≡ 0. Die Behauptung ist äquivalent mit Y · P|A∞ = 0, d. h. das Maß mit Dichte Y bezüglich P eingeschränkt auf A∞ (ein signiertes Maß) ist das Nullmaß. Es genügt zu zeigen, dass das Maß auf einem Erzeuger von A∞ das Nullmaß ist. Wir definieren für alle n-Tupel von komplexen Zahlen z = (z 1 , . . . , z n ) ∈ Cn

" !  n  ϕ(z) := E exp z j Bt j − Bt j−1 Y . j=1

ϕ ist analytisch, d. h. komplex differenzierbar in jeder Variablen. Man kann hier leicht eine Majorante angeben und Integral und Erwartungwert vertauschen (ähnlich wie für Exponentialfamilien). Für reelle Argumente λ j gilt ϕ(λ1 , . . . , λn ) = E exp

 n j=1

 λ j Bt j − Bt j−1 Y = 0,

114

4

Elemente der stochastischen Analysis

da Y ⊥ K und mit λ j = 0 folgt EY = 0. Auf der reellen Achse in Rn ist die Funktion ϕ = 0. Dann folgt mit dem Eindeutigkeitssatz für analytische Funktionen: ϕ = 0 auf Cn . Speziell folgt hieraus

  0 = ϕ(iλ1 , . . . , iλn ) = E exp i λ j Bt j − Bt j−1 Y . Das kann man schreiben als Integral der e-Funktion bezüglich dem Maß mit der Dichte Y bezüglich P. Dann folgt mit dem Eindeutigkeitssatz für charakteristische Funktionen, dass das Bildmaß der Zuvallsvariablen unter dem Maß Y · P das Nullmaß ist, (Y · P)(Bt1 , . . . , Btn − Btn−1 ) = 0. Die sukzessive Differenzen der Bti erzeugen dieselbe σ -Algebra wie Bt1 , . . . , Btn . Also folgt Y · P|σ (Bt , . . . , Bt ) = 0 n 1 und damit gilt Y · P|A∞ = 0.



Lemma 4.22 ist der Schlüssel zu folgendem Vollständigkeitssatz. B , P), ein quadratintegrierbares Satz 4.23 (Vollständigkeitssatz) Sei F ∈ L 2 (A∞ Funktional der Brownschen Bewegung. Dann existiert genau ein Integrand H ∈ L2 (μ) = L 2 (B, μ), μ das Doléans-Maß auf P , so dass F sich darstellen lässt als stochastisches Integral

 F = EF +

0



Hs dBs .

Jedes L-Funktional kann man auf eindeutige Weise als stochastischen Integral darstellen. Beweis Sei F die Menge der Funktionale, für die eine solche Darstellung existiert,

 ∞ F := F ∈ L 2 (A∞ , P); ∃H ∈ L 2 (μ), F = E F + Hs dBs ⊂ L 2 (A∞ , P). 0

 F ist ein linearer Teilraum von L 2 A∞ , P

4.2 Martingaldarstellungssätze

115

1) F ist abgeschlossen. Zum Beweis sei F ∈ F . Dann gilt mit E  E



2



∞

Hs dBs = 0 und

0



Hs2 ds (Isometrie-Eigenschaft)  ∞  E F 2 = (E F)2 + E Hs2 ds = (E F)2 + H 2 dμ.

0

=E

Hs dBs

0

0

(4.12)

∞   Sei F n = E F n + 0 Hsn dBs eine Cauchy-Folge in F bzgl. der L 2 Konvergenz L 2 (A∞ , P). Dann folgt insbesondere: (E F n ) ist auch eine CauchyFolge, denn |E F n − E F m | ≤ F n − F m 2 , ∞ d. h. auch die ersten Momente bilden eine Cauchy-Folge und ( 0 H n dB) =  (H · B) ist eine Cauchy-Folge in L 2 A∞ , P . Die Abbildungen  L 2 (μ) −→ H2 −→ L 2 A∞ , P H −→ H · B −→ (H · B)∞

sind Isometrien.

 Also ist H n ⊂ L 2 (μ) eine Cauchy-Folge im vollständigen Raum L 2 (μ). Es existiert daher ein Limes H ∈ L 2 (μ) so dass H n −→ H ∈ L 2 (μ). Wegen der Isometrieeigenschaft folgt Konvergenz in L 2 (A∞ , P)  F n −→ (lim E F n ) +

0



H dB.

Damit hat jede Cauchy-Folge in F einen Limes in F , d. h. F ist abgeschlossen. f 2) K = E∞ ; f ∈  ⊂ F . Mit der Itô-Formel gilt für f ∈  und M f := f · B f



Et = E (M )t = 1 + f

0

 =1+

t

0

t

f

f

Es dMs f Es

f

 f (s) dBs = 1 +

0

t

Hs dBs

mit Hs := Es f (s). H ∈ L 2 (μ), denn f ist eine beschränkte Treppenfunktion. f Damit hat aber E f eine Darstellung als stochastisches Integral, d. h. E∞ ∈ F . Als Folgerung aus 2) erhalten wir nun

116

4

Elemente der stochastischen Analysis

3) F ⊃ linK und F ist abgeschlossen. Nach Lemma 4.22 folgt also F = L 2 (A∞ , P).

4) Eindeutigkeit ∞ ∞ Seien H , G ∈ L2 (μ) und F = E F + 0 Hs dBs = E F + 0 G s dBs zwei Dar∞ stellungen von F. Dann folgt 0 = 0 (Hs − G s ) dBs . Also folgt auch 0 = ∞ E 0 (Hs − G s ) dBs und damit ist  0=E

∞ 0

2 (Hs − G s ) dBs

 =E

∞ 0

(Hs − G s )2 ds = H − G2

die Norm bezüglich des Doléansmaßes. Daraus folgt H = G [μ].



Bemerkung 4.24 Für F ∈ L 2 (μ∞ , P) existiert also eine Integraldarstellung mit ∞ einem Integranden H ∈ L 2 (μ, P ) = L 2 (B) := { f ∈ L(P ); E 0 f s2 ds < ∞}. Analog erhalten wir für quadratintegrierbare Funktionale von (Bs ; s ≤ T ) Darstellungen mit Integranden H ∈ L 2 (μT , P ). Als Folgerung ergibt sich nun der Darstellungssatz für Martingale. Satz 4.25 (Martingaldarstellungssatz) Sei M ∈ H2 = H2 (A B , P) (oder M ∈ M2 ). Dann existiert genau ein H ∈ L 2 (μ) (oder H ∈ L2 (B)), so dass  t Hs dBs , ∀ t ≤ ∞ (∀ t < ∞). Mt = M0 + 0

Bemerkung 4.26 Insbesondere hat jedes Martingal in H2 (bzw. M2 ) eine stetige Version. Die Integraldarstellung ist eine solche stetige Version. B , P). Nach Satz 4.23 existiert genau ein Beweis Sei M ∈ H2 , dann ist M∞ ∈ L 2 (A∞ ∞ 2 H ∈ L (μ) so dass M∞ = M0 + 0 Hs dBs und M0 = E M0 ist konstant. Daraus folgt aber

Mt = E(M∞ | At )   ∞ = M0 + E Hs dBs | At 0   ∞  t = M0 + Hs dBs + E Hs dBs | At . 0

t

4.2 Martingaldarstellungssätze

E



∞ t

117



Hs dBs | At = 0, da die Brownsche Bewegung unabhängige Zuwächse hat

und H ∈ L2 (B) ist vorhersehbar. Zum Beweis betrachte zunächst die Klasse E und wende dann das monotone Klassentheorem an. Für M ∈ M2 erhalten wir obige Integraldarstellung auf [0, Tn ], Tn ↑ ∞. Diese lässt sich dann konsistent auf [0, ∞) fortsetzen.  Die stochastische Integraldarstellung lässt sich nun auf die Klasse Mloc ausdehnen. Satz 4.27 Sei M ∈ Mloc = Mloc (A B ), dann existiert ein Prozess H ∈ L2loc (B), so dass  t Mt = M0 + Hs dBs . (4.13) 0

(A B )

= Mloc,c Insbesondere ist Mloc der Brownschen Filtration ist stetig.

(A B ),

d. h. jedes lokale Martingal bezüglich

Beweis 1) Für M ∈ H2 folgt obige Darstellung nach Satz 4.25. 2) Ist M gleichgradig integrierbar, dann ist M∞ ∈ L 1 . L 2 (A∞ ) ⊂ L 1 (A∞ ) ist dicht in L 1 (A∞ ). Also existiert eine Folge (M n ) ⊂ H2 n | −→ 0. so dass E|M∞ − M∞ Daraus folgt mit der Doobschen Maximalungleichung 1  n | −→ 0. P sup |Mt − Mtn | > λ ≤ E|M∞ − M∞ λ t Nach Borel–Cantelli existiert daher eine P-fast sicher konvergente Teilfolge (n k ), so dass M n k −→ M fast sicher, gleichm¨aßig in t. Daraus folgt: M hat eine stetige Version. 3) M ∈ Mloc . Dann existiert eine stetige Version von M (mit geeignetem Stoppen nach 2). Daher existiert weiter eine Folge von Stoppzeiten τn ↑ ∞, so dass M τn beschränkt und L 2 beschränkt ist. M τn ist in H2 und hat daher eine stochastische Integraldarstellung  t Mtτn = cn + Hsn dBs . 0

Daraus folgt aber cn = c, und Htn+1 = Htn auf [0, τn ].

118

4

Elemente der stochastischen Analysis

Wir definieren Ht := Htn auf [0, τn ]; dann gilt Hs ∈ L2loc (B)

 und

M =c+

0

t

Hs dBs .



Die stochastische Integraldarstellung gilt auch für die d-dimensionale Brownsche Bewegung. Satz 4.28 Sei B eine d-dimensionale Brownsche Bewegung und sei M ∈ Mloc (A B ). Dann folgt: ∃ H i ∈ L2loc (B), 1 ≤ i ≤ d,

∃ c ∈ R1 so dass Mt = c +

d   i=1

0

t

Hsi dBsi .

Beweis Der Beweis verwendet ein analoges Argument wie in d = 1 mit dem multivariatem stochastischem Exponential.  Bemerkung 4.29 Wie erhält man den Integranden der stochastischen Integraldarstellung? 1) Unter der Annahme, dass die vorhersehbare Kovariation Lebesgue-stetig ist, t d. h. sei M, B i t = 0 Hsi ds. Wegen B i , B j s = δi j · s folgt nach dem Satz von Radon-Nikodým Hti =

dM, B i t d1

ist gleich der Radon-Nikodým-Ableitung. Die Clark-Okone-Formel (vgl. Abschn. 4.3.2) liefert unter allgemeineren Bedingungen eine solche Darstellungsformel. 2) Ein Beispiel für eine explizite Form für den Integranden H : Ist f harmonisch, d. h.  f = 0, dann ist Mt := f (Bt ) ein Martingal. Aus der Itô-Formel folgt die explizite Integraldarstellungsformel  Mt = f (Bt ) = M0 +

0

t

∇ f (Bs ) dBs .

3) Nicht-Eindeutigkeit der Darstellung für M ∈ Mloc : Für M ∈ Mloc wie in Satz 4.28 ist die Integraldarstellung im Allgemeinen nicht eindeutig.

4.2 Martingaldarstellungssätze

119

t 1 Beispiel: Sei 0 < a < T und τ := inf{t ≥ 0; a T −u dBu = −Ba }. t 1 Dann folgt aus der starken Oszillation von a T −u dBu in der Nähe von T : P(τ < T ) = 1. Sei

ψ(ω, s) :=

⎧ ⎪ ⎨1

1 ⎪ T −s

⎩ 0

0 ≤ s < a, a ≤ s < τ, τ ≤ s ≤ T.

Dann ist ψ ∈ L2loc und  0

a

 ψ(ω, s) dBs = Ba = −

T

(ω, s) dBs .

a

T Damit ist ψ ∈ L2loc (B) und 0 ψ(ω, s) dBs = 0 aber ψ ≡ 0 und M = ψ · B ∈ Mloc ist ein lokales Martingal. B ) durch multiple stochastische Integrale: Alternative Darstellung von L 2 (A∞ Sei die Dimension d = 1. Sei n = {(s1 , . . . , sn ) ∈ Rn+ ; s1 > s2 > · · · > sn } und sei L 2 (n ) = L 2 (n , λ\n+ |n ) der zugehörige L 2 -Raum. Wir betrachten den Teilraum E n von L 2 (n ), definiert durch

E n :=

2

f ∈ L (n ); f (s) =

n 

f i (si ), s = (s1 , . . . , sn ), f i ∈ L (R+ ) . 2

i=1

E n ⊂ L 2 (n ) ist total in L 2 (n ). Für ein f = i f i ∈ E n definiere das multiple stochastische Integral  In f :=

∞ 0

 f 1 (s1 ) dBs1

0

s1

 sn−1 f 2 (s2 ) dBs2 · · · f n (sn ) dBsn ∈ L2 (A∞ ) 0    ∈Asn−1

(vgl.: Hermitesche Funktionale in Proposition 4.21 für Indikatorfunktionen f ). Entgegen der bislang üblichen Notation sind die Integranden hier rechts vom Integrator zu finden. Behauptung: In ist normerhaltend, In f  L 2 (A∞ ) =  f  L 2 (n ) ,

f ∈ En .

120

4

Beweis Sei n = 2, f =

2

i=1 f i

I2 f  L 2 (A∞ ) = E

0

 =E  =

0 ∞

0

∈ E 2 , dann ist

∞





Elemente der stochastischen Analysis

 f 1 (s1 )





s1

0

f 2 (s2 ) dBs2 dBs1  

=:Hs

Hs2 ds1 1



ds1 f 1 (s1 )2



2

s1

0

1

f 22 (s2 ) ds2 =  f 2L 2 ( ) . 2

Analog für n > 2 mit Induktion.



Der Abschluss der linearen Hülle multipler stochatischer Integrale Cn := clin{In (E n )} ⊂ L 2 (A∞ ) heißt n-tes Wiener Chaos. 1) Die Abbildung In : E n → L 2 (A∞ , P) ist linear und stetig. Es existiert eine eindeutige stetige und lineare Fortsetzung In : L 2 (n ) → Cn . Die Fortsetzung In : L 2 (n ) → Cn ist eine Isometrie. Insbesondere ist Cn = In (L 2 (n )); also gilt Cn ∼ = L 2 (n ). Alternativ lässt sich 2 für f ∈ L (n ) auch direkt das multiple Integral  ∞  sn−1 In ( f ) = ··· f (s1 , . . . , sn ) dBs1 . . . dBsn 0

0

definieren. 2) Cn ⊥ Cm , m = n. Wir zeigen zunächst: C1 ⊥ C2 . Dazu betrachte   ∞   s1   ∞ E f 1 (s1 ) dBs1 g1 (s1 ) dBs1 g2 (s2 ) dBs2 0   0  0  ∈C1 ∞

 =E  =

0

0 ∞

∈C2

 f 1 (s1 )g1 (s1 ) g2 (s2 ) dBs2 dBs1   0 s1 f 1 (s1 )g1 (s1 ) E g2 (s2 ) dBs2 dBs1 = 0. 0    

s1

=0

Der allgemeine Fall folgt mit einem ähnlichen Argument durch Induktion. Bemerkung 4.30 Die Elemente aus C1 = c lin{Bt ; 0 ≤ t} ⊂ L2 (A∞ ) sind Gaußsche Zufallsvariablen. C2 ist orthogonales Komplement von C1 in der Menge der quadratischen Funktionen.

4.2 Martingaldarstellungssätze

121

Satz 4.31 (Wiener Chaos-Darstellung) Der Raum der L 2 -Funktionale der Brownschen Bewegung hat eine Darstellung als direkte topologische Summe. B L2 (A∞ )=

∞ #

C0  R1 ,

Cn ,

n=0 B ) existiert eine Folge f n ∈ L2 ( ), n ∈ N, mit d. h. ∀ Y ∈ L2 (A∞ n

Y =

∞ 

in L2 (P).

In ( f n )

(4.14)

n=0

Beweis Nach Proposition 4.21 gilt f

E∞ = E∞ (M f ) =   

∞ 

= f ·B

In ( f n ),

n=0

n $ f (si ), f = i αi 1(si−1 ,si ) . mit f n (s1 , . . . , sn ) = i=1 Allgemein gilt für f mit beschränktem kompaktem Träger und M f = f · B: E (M )∞ f

 t  sn−1  s1 ∞  1 (n) = f (s1 ) dBs1 f (s2 ) dBs2 · · · f (sn ) dBsn . Lt = 0 0 0 n!  n=0

=In ( f n )

Daraus folgt: f Die Darstellung in (4.14) gilt für lin({E∞ ; f hat einen beschr¨ankten, kompakten Tr¨ager}). f Nach Lemma 4.22 folgt, dass lin({E∞ ; f beschr¨ankt, kompakter Tr¨ager}) ⊂ B ) dicht ist. Also existiert zu Y ∈ L2 (A , P) eine Folge (Y ) ⊂ lin({E f }) L 2 (A∞ ∞ n ∞ mit Yn → Y in L 2 , und Yn =

∞  m=0

L2

Im ( f n ) −→ Y .  m ∈Cm

Ym ist für jedes m eine Orthogonalreihe. Daraus folgt, dass (Im ( f mn ))n für jedes m eine Cauchy-Folge ist, und daher einen Limes besitzt: Im ( f mn ) → G m ∈ Cm . Da Im eine Isometrie ist, folgt, dass auch die Folge ( f mn )n ) konvergiert, f mn → f m in L 2 (m ).

122

4

Elemente der stochastischen Analysis

Daraus folgt G m = Im ( f m ), und damit die Darstellung Y =

∞ 

Im ( f m ).



m=0

Der grundlegende Martingaldarstellungssatz besagt, dass die Brownsche Bewegung die Darstellungseigenschaft für lokale Martingale besitzt, d. h. man kann Martingale bezüglich der Brownschen Filtration A B als Integral bezüglich der Brownschen Bewegung darstellen. Diese Darstellungseigenschaft gilt im Allgemeinen nicht für Martingale bezüglich der von Martingalen X ∈ M2 oder H2 erzeugten Filtration AX . Sei für X ∈ H2

 ∞ 2 2 L (X ) := f ∈ L(P ); E f s dX s < ∞ = L 2 (μ) 0

die Menge der L 2 -Integranden auf [0, ∞). Die Kunita-Watanabe-Zerlegung identifiziert für ein allgemeines Funktional F ∈ L 2 (A∞ , P) einen eindeutig darstellbaren Anteil. Satz 4.32 (Kunita-Watanabe-Zerlegung) Sei X = (X t ) ∈ H2 , F ∈ L 2 (A∞ , P), X , dann folgt: Es existieren eindeutige Prozesse (H ) ∈ L 2 (μ) und L ∈ A∞ = A∞ s 2 L (A∞ , P), so dass  ∞ 1) F = E F + Hs dX s + L   ∞ 0  2) E L f s dX s = 0, ∀ f ∈ L 2 (μ) oder äquivalent 0

L, X  = 0, für das von L erzeugte Martingal (L t ) = (E(L | At )).    ∈ L 2 (A∞ , P); E F  = 0 und sei H die Menge der FunktioBeweis Sei L 20 = F nale, die sich als stochastisches Integral darstellen lassen  =  ∈ L 20 ; ∃ f ∈ L2 (μ) : F H= F

0



f s dX s .

1) H ist stabil unter Stoppen, d. h. für jedes Element F ∈ H und jede Stoppzeit τ gilt Fτ ∈ H , wobei Ft = E(F | At ) das von  ∞F erzeugte Martingal ist. Zum Beweis sei F = 0 f s dX s ∈ H . Dann folgt nach dem Optional Sampling Theorem  ∞ Fτ = E(F | Aτ ) = f 1[0,τ ] dX s 0

4.2 Martingaldarstellungssätze

123

und E Fτ2

 =E

∞ 0



≤E

( f 1[0,τ ] )2 dX 



0

f 2 dX  < ∞.

2) Der Orthogonalraum H ⊥ ist stabil. D. h. mit N ∈ H ⊥ und mit Nt = E(N | At ), das von n erzeugte Martingal, ist Nτ ∈ H ⊥ für jede Stoppzeit τ . Zu zeigen ist, dass für F ∈ H gilt: E F Nτ = 0. Dieses folgt aber unter Verwendung der Stabilität von H wie folgt: E F Nτ = E E(F Nτ | Aτ ) = E E(F | Aτ )Nτ = E Nτ Fτ = E Fτ E(N | Aτ ) = E E(Fτ N | Aτ ) = E Fτ N = 0, da N ∈ H ⊥ und Fτ ∈ H . Also ist Nτ ∈ H ⊥ und damit ist H ⊥ stabil. 3) Sei M ∈ H2 und sei ohne Einschränkung M0 = 0 (sonst Übergang zu M − M0 ). Dann ist M∞ ∈ L 20 . Wir definieren  ∞ | H ) die orthogonale Projektion in L 2 (A∞ , P), Y∞ := E(M L ∞ := M∞ − Y∞ , Yt := E(Y∞ | At ) und L t := E(L ∞ | At ). t Dann gilt: Mt = Yt + L t , Yt = 0 f s dX s da Y∞ ∈ H und (L t , At ) ∈ H2 mit L ∞ ∈ H ⊥. H , H ⊥ sind stabil. Daraus folgt ∀ F ∈ H und ∀ Stoppzeiten τ : L τ ∈ H ⊥ , Fτ ∈ H und daher E L τ Fτ = 0. Daraus folgt nach der Charaktersierung der Martingaleigenschaft durch Stoppzeiten: (L t Ft ) ∈ M. Daraus folgt weiter: F, L = 0, ∀ F = f · X ∈ H . Denn F, L ist der eindeutige vorhersehbare Prozess A, so dass F L − A ∈ M. Damit ergibt sich als Konsequenz  f · X , L = f · X , L = 0, ∀ f ∈ L2 (μ), oder, äquivalent dazu: X , L = 0. 4) Eindeutigkeit Angenommen es gibt zwei verschiedene Darstellungen von F F = E F + H 1 · X + L1 = E F + H 2 · X + L2 Dann folgt: L 1 − L 2 = (H 2 − H 1 ) · X .

124

4

Elemente der stochastischen Analysis

Da L 1 − L 2 ∈ H ⊥ folgt daraus L 1 − L 2 , (H 2 − H 1 ) · X  = 0. Dieses impliziert (H 2 − H 1 )2 · X  = 0. In Konsequenz ergibt sich hieraus H 1 = H 2 in L 2 (μ) und L 1 = L 2 . 

F hat also eine eindeutige Zerlegung.

Bemerkung 4.33 a) Zerlegungssatz für Martingale Eine direkte Folgerung aus dem Satz von KunitaWatanabe ist ein Zerlegungssatz für Martingale. Satz 4.32 liefert die Zerlegung von L 2 -Funktionalen. Sei X = (X t , At ) ∈ H2 , At = AtX und M ∈ H2 = H2 (X ) ein Martingal bezüglich dieser Filtration. Dann existiert eine eindeutige Zerlegung  Mt = M0 +

t

ϕs dX s + L t

0

mit L ∈ H2 , ϕ ∈ L 2 (μ) und L, X  = 0, d. h. L steht senkrecht auf X . L ist ein nicht hedgebarer Anteil von M. b) Es gibt auch eine vektorwertige Version des Zerlegungssatzes. Sei X = (X 1 , . . . , X d ), M ∈ H2 (A X ), dann hat M eine Zerlegung Mt = M0 +

d   i=1

0

t

ϕsi dX si + Z t

$d  i 2 (ϕs ) dX i s < ∞. Diese Zermit Z ∈ H2 , und Z , X  = 0 und es gilt E i=1 legung ist eindeutig. c) lokal quadratintegrierbare Martingale Man kann sich von der Annahme der Quadratintegrierbarkeit durch Lokalisieren lösen. Sei X ∈ M2loc , N ∈ Mloc (A X ), dann folgt: Es gibt genau eine Zerlegung Nt = N0 + Ht + L t , t < ∞ wobei H eine (möglicherweise nicht eindeutige) Darstellung der Form Ht = t 2 ϕ dX s mit ϕ ∈ Lloc (X ) besitzt, sowie L ∈ M0,loc und L, X  = 0. o s Anwendung: Quadratisches Hedgen im Martingalfall Der Satz von Kunita-Watanabe ist in der Finanzmathematik für das mean variance Hedging-Problem von Bedeutung. Sei X ∈ H2 ein Preisprozess (bzgl. eines Martingalmaßes Q), F ∈ L 2 sei ein Claim, d. h. eine Funktion dieses Prozesses. Gesucht ist eine möglichst gute Approximation des Claims F durch einen Hedge, d. h. gesucht sind ϑ0 ∈ R und eine Handelsstrategie ϕ ∈ L2 (μ) so dass

4.2 Martingaldarstellungssätze

125

 2 E F − (ϑ0 + (ϕ · X )T ) = min!. Durch Verwendung der Strategie ϕ und des Anfangswertes ϑ0 lässt sich also eine beste Approximation für den Wert F des Claims erzielen. Ziel ist es, den (quadratischen) Hedge-Fehler zu minimieren, d. h. gesucht ist die L 2 -Projektion von F auf den Raum der hedgebaren Claims R + H = {ϑ0 + (ϕ · X )T ; ϑ0 ∈ R, ϕ ∈ L2 (μ)}. Ohne Einschränkung sei T = ∞ sonst kann man übergehen von X −→ X T . Nach dem Zerlegungssatz von Kunita-Watanabe, Satz 4.32, existiert eine eindeutige Zerlegung von F in einen hedgbaren Anteil und einen Anteil L der senkrecht steht auf den hedgebaren Claims, d. h. F = E F + ϕ · X + L.

(4.15)

Daraus folgt: E F + ϕ · X ist die Projektion von F auf die Menge der hedgebaren Claims H und es gilt: Der Hedgefehler ist gegeben durch E(F − (E F + ϕ · X ))2 = E L 2T = ELT .

(4.16)

Die grundlegende Frage ist: Wie bestimmt man die optimale Hedgestrategie ϕ? Dazu die folgende Überlegung. Aus der Kunita-Watanabe-Zerlegung von F in (4.15) folgt X , F = X , E F + ϕ · X + L = X , ϕ · X  + X , L = ϕ · X ,    =0

d. h. ϕ erhält man als vorhersehbare Version (predictable projection) des Prozesses der Radon-Nikodým-Ableitung ϕ=

dX , F . dX 

(4.17)

Für den Fall, dass X = B die Brownsche Bewegung ist, ist der Hedgefehler für jeden Claim gleich null. Jeden Claim F kann man perfekt hedgen; das Modell der Brownschen Bewegung ist vollständig. Für den Fall des optimalen Hedgens bzgl. des zu Grunde liegenden Maßes P sind einige zusätzliche Überlegungen notwendig. Im allgemeinen kann L nur orthogonal zum Martingalanteil von S sein. Dieses Problem lässt sich auf den Fall eines speziellen Martingalmaßes (minimal martingale measure) zurückgeführt werden und wird gelöst durch die Föllmer-Schweizer-Zerlegung (vgl. Kap. 7) eine Verallgemeinerung der Kunita-Watanabe-Zerlegung. Erweiterung des Darstellungsproblems Eine Erweiterung des Darstellungsproblems ist die folgende Variante, die die Konstruktion einer geeigneten Brownschen Bewegung mit einschließt.

126

4

Elemente der stochastischen Analysis

Gegeben sei eine Filtration (At ). Für welche (lokalen) Martingale (Mt , At ) existiert eine Brownsche Bewegung B, so dass M eine Integraldarstellung besitzt, d. h.  Mt = M0 +

t

0

Hs dBs .

Proposition 4.34 Sei M ∈ Mloc,c und sei M ∼ λ\1t f.s. in ω. Dann existiert f ∈ L0 (A M ), f > 0[λ\+ ⊗ P] und es existiert eine Brownsche Bewegung B bzgl. A M , so dass  t 1 dMt = f t P f .s. und Mt = M0 + f s2 dBs . dλ\t o Beweis Nach dem Lebesgueschen Differentiationssatz existiert f t = lim n(Mt − Mt− 1 )

λ\ ⊗ P f.s.

n

und ft =

dMt ∈ L(P ). dλ\+

1

Es ist f − 2 ∈ L2loc (M), denn 

t 0

Definiere nun Bt :=



− 21 2

( fs t 0

) dMs =

− 21

fs

t

0

f s−1 f s dλ\(s) = t < ∞.

dMs . Dann ist B ∈ Mloc,c und es ist 

Bt =

0

t

f s−1 dMs = t.

Nach dem Satz von Lévy ist B eine Brownsche Bewegung und es ist  Mt = M0 +

0

 = M0 +

t

0

t

1

− 21

f s2 ( f s 1

f s2 dBs .

dMs ) 

Im Fall, dass der Variationsprozess nur Lebesgue-stetig ist, M  λ\+ , gibt es eine analoge Aussage formuliert mit einer Erweiterung des Grundraums.

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

127

Proposition 4.35 Sei M = (M 1 , . . . , M d ) ∈ Mloc,c und sei M i   λ\t , 1 ≤ i ≤ d, dann existiert eine d-dimensionale Brownschen Bewegung B auf einer Erwei, P)  ⊃ (, A, P) des Grundraums und es existiert f ∈ L2 (B) mit , A terung ( loc d×d Werten in R , so dass  Mt = M0 + mit ( f · B)i =

4.3

$ j

t

0

f s · dBs

f i, j · B j .

Maßwechsel, Satz von Girsanov

Thema dieses Abschnittes ist die Untersuchung von Eigenschaften von Prozessen bei Maßwechsel. Sei X bezüglich eines zugrundeliegenden Maßes P ein Semimartingal, (X , P) ∈ S und sei Q ein P-stetiges Wahrscheinlichkeitsmaß, Q  P. Eine grundlegende Frage ist dann, ob auch (X , Q) ein Semimartingal ist und wie sich die Driftund Martingalanteile von X beim Übergang von P nach Q verändern. Wir wollen die Zerlegung des Prozesses (X , Q) in Drift- und Martingalanteil beschreiben. Das ist in der Finanzmathematik von großer Bedeutung, denn es stellt sich heraus, dass sich die Preise von Derivaten und die Form von optimalen Handelsstrategien einfach berechnen lassen durch Einführen von geeigneten neuen Maßen Q. Zur Motivation der allgemeinen Form des Satzes von Girsanov betrachten wir ein einfaches Beispiel in diskreter Zeit. Beispiel 4.36 Seien Z 1 , . . . , Z n unabhängig, normalverteilt, Z i ∼ N (0, 1), Z =  mit (Z 1 , . . . , Z n ) Zufallsvariable auf (, A, P). Wir definieren ein neues Maß P Hilfe der Radon-Nikodým-Ableitung  dP := exp dP

 n i=1

 n 1 2 μi Z i − μi . 2 i=1

Diese Dichte hat eine ähnliche Gestalt wie die bei dem exponentiellen Martingal. Es gilt: 1

2

Eeμ·Z = e 2 μ

ist die Laplace-Transformierte der eindimensionalen normalverteilten Zufallsvaria ein Wahrscheinlichkeitsmaß ist, blen μ · Z . Daraus folgt, dass das neue Maß P  ∈ M 1 (, A). P  Wie verhält sich die Folge (Z i ) bezüglich dem neuen Maß P?

128

4

Elemente der stochastischen Analysis

Es gilt: Z Z dP dP dPZ (z) = (z) · (z) n dλ\ dPZ dλ\n  1   1  1 μi z i − μi2 · z i2 · exp − = exp 2 (2π )n/2 2  2  1 1  z . = · exp − − μ i i (2π )n/2 2  Dieses Daraus folgt:  Z i := Z i − μi , 1 ≤ i ≤ n, ist eine i. i. d. Folge bezüglich P.  die folgende Darstellung hat: impliziert, dass die Folge (Z i ) bzgl. P Z i + μi mit einer i. i. d. Folge (  Z i ) ∼ N (0, 1) und mit Shift (μi ). Zi =   ist die Folge (Z i ) also eine i. i. d. normalverteilte Bezüglich des neuen Maßes P Folge mit Shifts μi . Der Satz von Girsanov zeigt, dass ein ähnliches Verhalten in allgemeinerer Form zutrifft. Bezeichungen: Seien P, Q ∈ M 1 (, A) und sei (At ) ⊂ A eine Filtration, ohne Einschränkung kann man A = A∞ wählen. Dann heißt • QP • Q∼P

Q absolut stetig bezüglich P Q äquivalent bezüglich P

loc

⇐⇒ N P ⊂ N Q ⇐⇒ N P = N Q

• QP Q ist lokal stetig bezüglich P ⇐⇒ Q t  Pt , ∀ t > 0, wobei Q t := Q|At und Pt := P|At , die auf At eingeschränkten Maße sind. loc

Für Stoppzeiten τ sei Pτ := P|Aτ , Pτ− := P|Aτ− . Die Aussage Q  P ist äquivalent dazu, dass eine lokalisierende Folge (τn ) von Stoppzeiten existiert mit Q τn  Pτn (n ∈ N) loc

• Q ∼ P

Q ist lokal äquivalent bezüglich P

Proposition 4.37 a) Sei Q  P und Dt := E ten

dQ dP



dQ dP

⇐⇒

loc

loc

Q  P und P  Q.

 | At das vom Dichtequotien-

erzeugte Martingal. Dann folgt Dt =

dQ t [P], ∀ t, d Pt

d. h. Dt stimmt mit dem Dichtequotienten von Q nach P auf der eingeschränkten σ -Algebra At überein.

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

129

loc

b) Sei Q  P lokal P-stetig, dann ist der Dichteprozess D ein P-Martingal Dt =

dQ t ∈ M(P) und es gilt: d Pt

(Dt ) ist gleichgradig integrierbar ⇐⇒ Q  P und es gilt dann  Dt := E

 dQ | At . dP

(4.18)

Beweis a) folgt direkt durch Verifizieren der Radon-Nikodým-Gleichung. b) Nach a) folgt, dass (Dt ) ein P-Martingal ist. Die weitere Behauptung folgt nach dem Abschlusssatz für Martingale: (Dt ) ist gleichgradig integrierbar, genau dann wenn Dt −→ D∞ in L 1 und P f.s. Aus der L 1 -Konvergenz folgt dann: Q = D∞ P d. h. D∞ =

dQ . dP

und damit  Dt = E

 dQ | At . dP



loc

Bemerkung 4.38 Lokale Stetigkeit von Maßen Q  P impliziert im Allgemeinen nicht die Stetigkeit Q  P (im Unendlichen). Es gibt eine Reihe von 0-1-Gesetzen (z. B. für Gaußsche Maße) die besagen, dass bei lokaler Stetigkeit im Limes die Maße entweder orthogonal oder äquivalent sind. Zur Vorbereitung des Satzes von Girsanov für die Brownsche Bewegung benötigen wir eine Martingalcharakterisierung der Brownschen Bewegung, die verwandt ist mit einer der drei Äquivalenzen aus der Lévy-Charakterisierung der Brownschen Bewegung: Ist das stochastische Exponential  d  if Et := exp i

k=1 0

d

1 2 d

f k (s) dX sk +



k=1 0

t

f k2 (s) ds

ein komplexes Martingal, dann ist X eine Brownsche Bewegung. Das folgende ist eine Variante dieser Charakterisierung:

130

4

Elemente der stochastischen Analysis

Proposition 4.39 Sei (X t , At ) ein stetiger Prozess so dass

1 (u) Z t = Z t := exp u X t − u 2 t ∈ Mloc , u ∈ (−ε, ε), 2 dann ist (X t , At ) eine Brownsche Bewegung.



Beweis Es gibt eine lokalisierende Folge τn ↑ ∞, so dass für alle 0 ≤ s < t, und alle A ∈ As gilt:   (u) (u) Z s∧τn d P = Z t∧τn d P, (4.19) A

A

d. h. es gilt die Martingaleigenschaft, wenn man Z mit einer Folge τn lokalisiert. Im Beweis zum Charakterisierungssatz wurde bereits verwendet: In einer Exponentialfamilie mit einem reellen Parameter gilt mit dem Satz von der majorisierten Konvergenz, dass man Differentiation (Ableitung nach u) und Integration vertauschen kann:   ∂ ∂ · · · ∈ Uε (0). ··· = ∂u ∂u Diese Eigenschaft braucht man für ein kleines Intervall Uε (0) um null. Ableiten beider Seiten in (4.19) ergibt     (u) (u) X t∧τn − u(t ∧ τn ) Z t∧τ X s∧τn − u(s ∧ τn ) Z s∧τ d P = d P, A ∈ As . n n A

A

Nochmalige Differentiation nach u liefert    2  (u) (X t∧τn − u(t ∧ τn ) − (t ∧ τn ) Z t∧τn d P A     2 (u) X s∧τn − u(s ∧ τn ) − (s ∧ τn ) Z s∧τ d P. = n A

Wir haben nun zwei Gleichungen die in einer Umgebung von null gelten. Für u = 0 sagt die erste Gleichung: X t ist ein stetiges lokales Martingal X ∈ Mloc,c . Die zweite Gleichung besagt, X t2 − t ∈ Mloc,c . Mit dem Satz von Lévy folgt: X ist eine Brownsche Bewegung.  Der folgende Satz von Girsanov beschreibt Maßwechsel bei der Brownschen Bewegung. Satz 4.40 (Satz von Girsanov für die Brownsche Bewegung) Sei (X t , At ) eine Brownsche Bewegung bzgl. P, sei ϕ ∈ L0 (X ) und sei  t   1 t 2 L t := exp ϕs dX s − ϕs ds 2 0 0 das exponentielle Martingal von ϕ · X . Dann gilt:

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

131

a) (L t , At ) ist ein lokales Martingal und ein Supermartingal, und es gilt:  Lt = 1 +

t

0

L s ϕs dX s

b) Ist E L T = 1, dann ist (L t , At )0≤t≤T ein Martingal. Seien  dP X t := X t − := L T und  dP



t

0

ϕs ds,

 ist eine  ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf (, A) und (  X t , At , P) dann ist P  ist also X ist eine Brownsche Brownsche Bewegung. Bezüglich des neuen Maßes P Bewegung mit einem zufälligen Drift. Bemerkung 4.41 Wir werden im Folgenden eine Umkehrung des Satzes von Girsanov behandeln. Stetige Maßwechsel bei der Brownschen Bewegung entsprechen der Addition eines zufälligen Drifts und die Dichten stetiger Maßwechsel werden durch stochastische Exponentiale beschrieben. Beweis a) Teil a) und der erste Teil von b) folgt nach Proposition 4.12 über exponentielle Martingale. b) Nach Proposition 4.39 ist zu zeigen, dass Z t(u)

 

 t 1 2  := exp u X t − ϕs ds − u t ∈ Mloc ( P). 2 0

Sei dazu Dt der Dichtequotientenprozess. Dt :=

 dP   t  dP = EP | At = E P L T | At = L t da (L t ) ∈ M. d Pt dP

(u) Dann gilt: (Z t Dt ) ist ein lokales Martingal bzgl. P. Denn (u) (u) Z t Dt = Z t L t = exp



t 0

(ϕs + u) dX s −

1 2



t 0

(ϕs + u)2 ds ∈ Mloc (P),

da (X , P) eine τ Brownsche Bewegung ist. Sei τn eine lokalisierende Folge, so dass Z (u) D n ∈ M und sei σ eine beschränkte Stoppzeit. Nach dem Optional

132

4





Elemente der stochastischen Analysis



Sampling Theorem ist Dτ = E ddPP | Aτ für alle beschränkten Stoppzeiten τ . Weiter gilt wieder nach dem Optional Sampling Theorem (u)

(u)

E P Z τn ∧σ = E P Z τn ∧σ Dτn ∧σ = E P Z 0(u) D0 da Z τn ∧t Dτn ∧t ∈ M(P) (u)

= E P Z 0 ,

∀ beschr¨ankten Stoppzeiten σ.

Mit der Charakterisierung der Martingaleigenschaft durch Stoppzeiten folgt  und damit nach Proposition 4.37 die Behauptung. Z (u) ∈ Mloc ( P)  Bemerkung 4.42 a) Hinreichend   ∞ für die Anforderung E L T = 1 sind die Novikov-Bedingung E exp 21 0 ϕs2 ds < ∞ oder die Kazamaki-Bedingung. b) Es gibt auch eine analoge multivariate Version des Satzes von Girsanov sowie eine Version auf [0, ∞). Für d ≥ 1 ist der Dichtequotientenprozess von der Form

d  1 t i 2 L t = exp (ϕ · X )t − (ϕs ) ds . 2 0 i=1

Ist X eine d-dimensionale Brownsche Bewegung bzgl. P, dann ist    t i i i  ϕs ds (Xt ) = Xt − 0

 mit Dichteprozess L eine Brownsche Bewegung bezüglich dem stetigen Maß P bzgl. P. In der obigen Version des Satzes von Girsanov geht es darum, wie sich eine Brownsche Bewegung unter einer Maßtransformation verhält. Für die Verallgemeinerung des Satzes auf den Fall allgemeiner Martingale bzw. Semimartingale benötigen wir die folgende Aussage über den Dichteprozess. loc

Proposition 4.43 Sei Q  P, dann ist der Dichteprozess Dt > 0 Q-fast sicher ∀ t und es gilt, inf {t ∈ R+ ; Dt = 0 oder Dt− = 0} = ∞ Q-fast sicher falls Q  P. Beweis Es genügt den Fall Q  P zu betrachten;, sonst kann man das Problem reduzieren auf den Fall [0, t], t > 0. Sei τ := inf{t; Dt = 0 oder Dt− = 0}. (Dt ) ist ein nichtnegatives lokales Martingal und damit auch ein nichtnegatives Supermartingal. Nach Korollar 3.10 folgt D = 0 auf [τ, ∞). Also gilt D∞ − dQ d P = 0 auf {τ < ∞}. Wegen Q = D∞ P folgt daher Q({τ < ∞}) = 0, d. h. inf{t ∈ R+ ; Dt = 0 oder Dt− = 0} = ∞. Damit folgt die Behauptung. 

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

133

loc

Proposition 4.44 a) Falls Q  P, dann gilt für alle Stoppzeiten τ Q = Dτ P

au f Aτ ∩ {τ < ∞},

d. h. Q hat den gestoppten Dichteprozess als Dichte bezüglich P auf Aτ auf τ < ∞. b) Falls Q  P, dann ist Q = Dτ P au f Aτ . Beweis Zuerst beweisen wir b). b) Nach Proposition 4.37 ist der Dichteprozess im stetigen Fall gegeben durch Dt = E

 dQ dP

 | At .

Das ist ein gleichgradig integrierbares Martingal und Dt −→ D∞ = und f. s. Mit dem Optional Sampling Theorem folgt für alle Stoppzeiten τ : Dτ = E

dQ dP

in L 1

 dQ

 dQ|Aτ . | Aτ = dP d P|Aτ

loc

a) Für Q  P ist D gleichgradig integrierbar auf endlichen Intervallen [0, t]. Sei A ∈ Aτ , dann folgt für alle t: A ∩ {τ ≤ t} ∈ Aτ ∧t . Daraus folgt mit dem Optional Sampling Theorem:    E Dt | Aτ ∧t d P Q A ∩ {τ ≤ t} = A∩{τ ≤t}   = Dτ ∧t d P = A∩{τ ≤t}

A∩{τ ≤t}

Dτ d P;

also gilt die Behauptung auf [0, t]. Für t ↑ ∞ folgt:  Q A ∩ {τ < ∞} =

 A∩{τ 0 Q f .s. Sei X ∈ L 1 (At , Q), und sei Mu := E Q (X | Au ). Dann folgt M ∈ M(Q), und daher ist nach Proposition 4.45 D M ∈ M(P). Hieraus folgt Ds E Q (X | As ) = Ds Ms = E P (Dt Mt | As ) = E P (X Dt | As ), also die Behauptung. Der Fall X ∈ L+ (At ) ist analog.



Der folgende Satz erweitert die Aussage des Satzes von Girsanov auf stetige lokale Martingale unter der Annahme eines stetigen Dichteprozesses.

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

135 loc

Satz 4.47 (Satz von Girsanov für stetige lokale Martingale) Sei Q  P und sei der Dichteprozess D stetig, dann gilt: a) Ist X ein stetiges Semimartingal bezüglich P, dann ist X auch ein stetiges Semimartingal bezüglich Q: X ∈ Sc (P) =⇒ X ∈ Sc (Q). b) Ist M ∈ Mloc,c (P), dann gilt:  Q = M P  := M − D −1 · M, D ∈ Mloc,c (Q) und  M M Die Abb. formation.

 heißt Girsanov-Trans · : Mloc,c (P) → Mloc,c (Q), M  → M loc

c) Ist D > 0 [P] (d. h. P ∼ Q), dann folgt:  1) ∃! L ∈ Mloc,c (P) : D = E (L) = exp L − 21 L , D ist stochastisches Exponential von  · L. 2) L = log D0 + 0 Ds−1 dDs = L(D), L ist stochastischer Logarithmus von D. 3) P = E (− L)Q Beweis a) folgt aus b). Denn X ∈ S (P) hat eine Zerlegung X = M + A mit M ∈ Mloc,c und A ∈ Vc .  = M − D −1 · M, D ∈ Mloc,c (Q). Nach b) folgt dann M Daraus folgt dann die Zerlegung  + (A + D −1 · M, D) ∈ Sc (Q); X=M    ∈ Vc

X ist also ein stetiges Q-Semimartingal. b) Ist X D ∈ Mloc (P) dann folgt nach Proposition 4.45 X ∈ Mloc (Q).  D ∈ Mloc,c (P). Also ist zu zeigen: M Mit der partiellen Integrationsformel für stetige Semimartingale gilt:  t  t t Dt = M0 D0 + s dDs + s +  M,  Dt M M Ds d M 0 0  t  t s dDs + M = M 0 D0 + Ds dMs − M, Dt + M, Dt ∈ Mloc,c (P). 0

0

Dazu verwenden wir die folgende Beziehung:  +  M,  D = D · M − D · (D −1 · M, D) +M, D − D −1 · M, D, D. D·M       ∈Mloc,c

=M,D

Der letzte Term ist Null, da M, D vorhersehbar und von endlicher Variation ist.  Q = M Q = [M] Q = [M] P = M P Schließlich gilt, dass  M

136

4

Elemente der stochastischen Analysis

c) Nach der Itô-Formel gilt 

t

log Dt = log D0 +  0

=L t

Ds−1 dDs



1 − 2



t 0

1 Ds−2 dDs = L t − Lt . 2

Daraus folgt aber, dass D das stochastische Exponential von L ist, Dt = E (L)t und damit auch L = L(D), L ist stochastischer Logarithmus von D. Zum Nachweis von c): Nach Definition und dem ersten Teil von b) ist  = M − D −1 · M, D M = M − M, D −1 · D = M − M, L ∈ Mloc,c (Q) ein lokales stetiges Q-Martingal. Weiter ist:  L = L − L ∈ Mloc,c (Q). Daraus folgt: 1 E (− L) = exp(−L + L − L) = E (L)−1 . 2 Damit ergibt sich, dass L)Q. P = E (L)−1 Q = E (−



Stetige lokale nichtnegative Martingale, insbesondere also stetige Dichtequotienten äquivalenter Maße sind somit dadurch charakterisiert, dass Sie eine Darstellung als stochastisches Exponential eines stetigen lokalen Martingals besitzen. Bemerkung 4.48 Insbesondere für den Fall der Brownschen Bewegung M = B gilt  für die Girsanov-Transformierte M:  ∈ Mloc,c (Q) und  M  tQ = MtP = t. M Mit dem Satz von Lévy folgt:  Q) ist eine Brownsche Bewegung. Der Dichteprozess D hat die Form ( M,   1 D = E (L) = exp L − L mit L ∈ Mloc,c (P). 2 Nach dem Martingaldarstellungssatz ist L von der Form L = L 0 + ϕ · B mit ϕ ∈ L 0 (B). Die Girsanov-Transformierte  t  ϕs ds Bt = Bt − B, Lt = Bt − 0

liefert also einen stochastischen Shift und wir erhalten den Satz von Girsanov über die Brownsche Bewegung als Spezialfall des allgemeinen Satzes.

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

137

Auch für nicht stetige lokale Martingale gibt es eine Version des Satzes von Girsanov. Wir verwenden im Beweis einige Aussagen aus Jacod und Shiryaev (1987, I, Abschn. 3.5 und 4.49). loc

Satz 4.49 (Allgemeine Maßtransformation) Sei Q  P mit Dichteprozess D und sei M ∈ Mloc (P) mit M0 = 0 und [M, D] ∈ Aloc (P). Dann gilt:  := M − 1 · M, D = M − M, L(D) ∈ Mloc (Q), L(D) der stochastia) M D− sche Logarithmus  c  Q ; die vorhersehbaren quadratischen Variationen der stetigen b) M c  P =  M  bezüglich P und Q sind gleich. Martingalanteile von M, M Beweis  wohldefiniert ist. a) D1− ist lokal beschränkt nach Proposition 4.43, so dass M

A := D1− · M, D ∈ V ∩ P ist vorhersehbar, da in Aloc (P) (vgl. Jacod und Shiryaev (1987, I, Abschn. 3.5)). Daraus folgt mit der partiellen Integrationsformel für Semimartingale AD = A · D + D− · A = A · D + M, D (vgl. Jacod und Shiryaev (1987, I, Abschn. 4.4)). Wieder mit partieller Integration ergibt sich  D = M D − AD = M− · D + D− · M +[M, D] − A · D −M, D M          ∈Mloc (P)

=

∈Mloc (P)

∈Mloc (P)

+ [M, D] − M, D ∈ Mloc (P) Y    

∈Mloc (P)

∈Mloc (P)

mit Y := M− · D + D− · M − A · D ∈ Mloc (P). Diese Martingaleigenschaft  D bzgl. P impliziert nach Proposition 4.45 von M  ∈ Mloc (Q). M b) M =

 M 

∈Mloc (Q)

+  A ∈ SQ

ist ein spezielles Semimartingal bezüglich Q. Es

∈V P

gilt Gleichheit der quadratischen Variation von M unter P und Q. Denn wegen loc

P  Q impliziert der Pt stochastische Limes denselben Q t stochastischen Limes (Übergang zu f.s. konvergenten Teilfolgen), d. h. [M] Q = [M] P .

138

4

Elemente der stochastischen Analysis

Für A ∈ V ist der stetige Martingalanteil von A gleich Null, Ac = 0 da Ac ∈ V ∩ Mloc,c . c = M c . Damit folgt: M Als Resultat erhalten wir daher:   c  Q = M c  Q = [M] Q − M (Ms )2 s≤·

 c  P . = [M] − (Ms )2 =  M P



s≤·

Auf ähnliche Weise ergibt sich eine Verallgemeinerung von Proposition 4.49 zu einer Version des Satzes von Girsanov für Semimartingale. loc

Proposition 4.50 Sei Q  P, X ∈ S P , ϕ ∈ L0P (X ), dann folgt: X ∈ S Q , ϕ ∈ L0Q (X ) und es gilt: [X ] Q = [X ] P , (ϕ · X ) Q = (ϕ · X ) P

und X c  Q = X c  P .

Beweis Zum Beweis verweisen wir auf Jacod und Shiryaev (1987, III, Abschn. 3.13).   Bemerkung 4.51 a) Sei ϕ ∈ L0loc (M), dann folgt ϕ ∈ L0loc ( M). Für die Girsanov-Transformation von ϕ · M gilt:  ϕ · M = ϕ · M.  also gilt L0 (M) = L0 ( M).  Beweis: Es ist M =  M loc loc ϕ ist lokal beschränkt und daher gilt:  = ϕ · M − (ϕ D −1 ) · M, D = ϕ · M − D −1 · ϕ · M, D = ϕ ϕ·M · M.  b) (P, Q) heißt Girsanov-Paar, falls P ∼ Q auf A∞ und D stetig ist. Dann folgt: S (P) = S (Q)

 und die Girsanov-Transformation G Q P : Sc (P) −→ Sc (Q), M  → M ist bijektiv.

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

4.3.1

139

Anwendungen des Satzes von Girsanov

Die Girsanov-Transformation ist eine der wichtigen Operationen, die es ermöglichen Analysis auf unendlich-dimensionalen Räumen zu betreiben. Wir behandeln zwei Anwendungen des Satzes von Girsanov.

4.3.1.1 Satz von Cameron-Martin Sei (Cd [0, T ],  · ∞ , W ) der Wiener Raum, d. h. W ist das Wiener Maß auf Cd [0, T ], die Verteilung einer d-dimensionalen Brownschen Bewegung auf [0, T ]. Die Standard-Konstruktion der Brownschen Bewegung B auf  = Cd [0, T ] ist dann gegeben durch die Auswertungsabbildung βt : Bt (ω) = βt (ω) = ω(t), w ∈ Cd [0, T ]. Für jede stetige Funktion h ∈ Cd [0, T ], h : [0, T ] −→ Rd , sei τh (ω) der h-Shift (die Translation um h), d. h.  (τh ω)(t) = βt τh (ω) = βt (ω) + h(t) Wir betrachten das Bildmaß vom Wiener Maß unter dem h-Shift Wh := W τh = P B+h .

1.0

1.5

Wh ist die Verteilung der um h verschobenen Brownschen Bewegung (Abb. 4.3).

0.5

B

−0.5

0.0

B+h(y)

−1.0

h(y)

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Abb. 4.3 Brownsche Bewegung, normal und verschoben, B = Brownsche Bewegung; h(y) = cos(4π y), B + h = Addition von B und h

140

4

Elemente der stochastischen Analysis

Eine grundlegende Frage ist: Für welche Funktionen h ∈ Cd [0, T ] gilt, Wh ≈ W , d. h. das translatierte Maß Wh ist äquivalent zu W und man bestimme in diesem Fall h die Dichte dW dW . Dieses ist ein Grundproblem für die statistische Analyse von stochastischen Prozessen bzw. von Maßen auf dem unendlich-dimensionalen Raum der stetigen Funktionen. Für zwei Gaußsche Maße auf Cd [0, T ] gilt ein 0-1-Gesetz. Entweder sind die Maße orthogonal, d. h. man kann sie statistisch perfekt unterscheiden oder sie sind äquivalent. Ist B σ eine Brownsche Bewegung mit Varianz Var(Btσ ) = σ 2 t, dann sind B σ1 und B σ2 für σ1 = σ2 orthogonal. Denn die quadratische Variation von B σ ist [B σ ]t = σ 2 t. Damit sind aber B σ1 und B σ2 auf disjunkte Pfadmengen konzentriert. Der Satz von Cameron-Martin beantwortet die Frage, für welche stetigen Funktionen h ∈ Cd [0, T ] Wh ≈ W bzw. Wh ⊥W gilt und gibt eine Formel für die Dichte dWh / dW an. Offensichtlich ist für die Äquivalenz von Wh und W notwendig, dass h i (0) = 0 für h = (h 1 , . . . , h d ). Definition 4.52 Sei H : = h ∈ Cd [0, T ]; h = (h 1 , . . . h d ), h i absolut stetig, h i (0) = 0 und

 T  2 |h i (s)| ds < ∞ . 0 Der Teilraum H ⊂ Cd [0, T ] heißt Cameron-Martin-Raum. Bemerkung 4.53 Der Cameron-Martin-Raum H ist ein Hilbertraum mit Skalar$ T produkt h, g := i 0 h i (s)gi (s) ds und h H := h, h1/2 . H ⊂ Cd,0 [0, T ] = {h ∈ Cd [0, T ]; h(0) = 0} und H ist dicht bzgl. der Supre· $d  ·  i mumsnorm  · ∞ . Für h ∈ H erfüllt h  ◦ β = 0 h  · dβ = i=1 0 h i dβ die Novikov-Bedingung. Daher ist das stochastische Exponential E (h  ◦ β) ein Martingal. Der folgende Satz wurde 1949 von Cameron-Martin mit funktionalanalytischen Methoden bewiesen. Der hier angeführte Beweis basiert auf einer ideenreichen Kombination des Satzes von Girsanov mit dem Martingaldarstellungssatz. Satz 4.54 (Satz von Cameron-Martin) Die Shifts Wh des Wiener Maßes sind entweder äquivalent oder orthogonal zu W und es gilt: a) Wh ≈ W ⇐⇒ h ∈ H b) Für h ∈ H gilt die Cameron-Martin-Formel  dWh = E (h  ◦ β)T . dW

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

141

Beweis a) „=⇒“: Sei Wh ≈ W , dann folgt nach dem Satz von Girsanov (in multivariater Fassung): Es gibt ein stetiges Martingal L bzgl. dem Wiener Maß W , so dass dWh B := β − β, L, = E (L)T und  dW (d. h.  B i := β i − β i , L) eine Brownsche Bewegung bzgl. Wh ist. Nach Definition von Wh gilt bezüglich Wh aber auch die Darstellung β = B + h, mit einer Brownsche Bewegung B bzgl. Wh . Also gilt bzgl. Wh : h=β−B = ( B − B) + β, Lt ∈ Sc (Wh ), h ist ein deterministisches stetiges Semimartingal bzgl. Wh . Hieraus folgt, dass h endliche Variation besitzt, V h (T ) < ∞. Damit erhalten wir zwei Zerlegungen von β bzgl. Wh , β = B+h =  B + β, L, mit Brownschen Bewegungen B,  B. Da h, β, L vorhersehbar sind folgt, dass β ein spezielles Semimartingal ist. Wegen der Eindeutigkeitseigenschaft der Zerlegung spezieller Semimartingale folgt damit h = β, L f.s. L ist ein Martingal in der von β erzeugten Filtration. Nach dem MartingaldarT stellungssatz existiert ein vorhersehbarer Prozess  ∈ L0 (B), 0 |is |2 ds < ∞, 1 ≤ i ≤ d so dass bzgl. dem Wiener Maß W L = L 0 +  · β. Daraus folgt: h i (t) = β i , Lt i i i = (  t ·i β , β )t = 0 s ds, f¨ur alle t ∈ [0, T ]. Nach dem Differentiationssatz von Lebesgue ist daher h i absolut stetig und es gilt is = h i (s) fast sicher.

142

4

Elemente der stochastischen Analysis

Also ist (unabhängig von ω ∈ ) h ∈ H da  ∈ L0 (B) und es gilt dWh = E (L)T dW = E ( · β)T = E (h  · β)T . Die Radon-Nikodým-Dichte von Wh ist also gegeben durch das stochastische Exponential von h  · β. „⇐=“: Für h ∈ H sei Q das Wahrscheinlichkeitsmaß Q := E ((h  · β))T · W Nach dem Satz 4.40 von Girsanov gilt: Q ∼ W und bzgl. Q gilt:  β = (β ) = i

 B + i

0

·

h i (s) ds



= (B + h i ) = B + h, denn h i (0) = 0 i

mit einer Brownschen Bewegung (B, Q). β ist also eine Brownsche Bewegung mit Shift und daher gilt: Q = Wh . Sei h ∈ Cd [0, T ], dann ist β bezüglich Wh ein Gaußscher Prozess. Es gilt das 0–1-Gesetz für Gaußsche Maße: W , Wh sind a¨ quivalent Wh ∼ W oder W , Wh sind orthogonal Wh ⊥ W . Entweder kann man Wh und W aufgrund einer Beobachtung unterscheiden. Das ist genau dann der Fall wenn W ⊥ Wh ⇐⇒ h ∈ / H. Oder W , Wh sind äquivalent und es gilt W ∼ Wh ⇐⇒ h ∈ H .  Bezeichne supp μ den Träger eines Maßes μ, d. h. die kleinste abgeschlossene Menge A, so dass μ(Ac ) = 0. Als Konsequenz obiger Überlegung ergibt sich auch ein einfaches Argument für die Bestimmung des Trägers des Wiener Maßes W . Korollar 4.55  suppW = Cd,0 [0, T ] = { f ∈ Cd ([0, T ]); f (0) = 0}. Beweis Es gibt ein Element x ∈ suppW = ∅. Dann folgt: x + H ⊂ suppW , denn Wh ≈ W für h ∈ H . H ist eine dichte Teilmenge von Cd,0 [0, T ]. Damit folgt die Behauptung. 

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

4.3.2

143

Clark-Formel

Eine weitere Anwendung des Satzes von Girsanov ist die Herleitung einer Formel für den Integranden des Martingaldarstellungsatzes für den Fall der Brownschen Bewegung: die Clark-Formel. β Sei (At ) = (At ) die Brownsche Filtration in Cd [0, T ] und sei β die Standardkonstruktion der Brownschen Bewegung. Sei X ein L 2 -Funktional der Brownschen Bewegung X := F(β) ∈ L2 (AT ). Nach dem Martingaldarstellungssatz hat X eine Darstellung der Form  X = EX +

0

T

s · dβs .

Wie kann man  bestimmen als Funktional von F. Für den Spezialfall harmonischer Funktionen F hatten wir eine Lösung dieses Problems mit Hilfe der Itô-Formel erhalten. Wir treffen die folgende Annahme. Annahme F ist Lipschitz, d. h. 1. ∃K : |F(β + ) − F(β)| ≤ K . 2. Es gibt einen Kern F  von Cd [0, T ] nach [0, T ], so dass ∀  ∈ H 1 lim F(β + ε) − F(β) = ε→0 ε



T 0

(t)F  (β, dt) f.s.

Die Richtungsableitung von F wird durch ein Maß F  (β, dt) gegeben. Bemerkung 4.56 a) Ist F Fréchet-differenzierbar mit beschränkter Ableitung, dann gelten Bedingungen 1) und 2). Die stetigen Linearformen auf Cd [0, T ] sind die beschränkten Maße auf [0, T ]. b) Im folgenden Satz benötigen wir die vorhersehbare Projektion (predictable projection). Sei X ∈ L(A ⊗ B+ ) ein messbarer Prozess, dann existiert genau ein vorhersehbarer p Prozess X ∈ L(P ), so dass für alle vorhersehbaren Stoppzeiten τ  p X τ = E X τ | Aτ − auf {τ < ∞}. p

p

X heißt vorhersehbare Projektion von X , X :=  πP (X ). p X ist charakterisiert durch die Gleichungen  E 0

T

 X s d As = E

T 0

p

X s d As

∀ As ↑∈ L(P ).

(4.20)

144

4

Elemente der stochastischen Analysis p

In vielen Fällen ist die vorhersehbare Projektion X von X gegeben durch den p linksseitigen Limes X t = X t− oder auch durch E P (X t | At− ). Der folgende Satz bestimmt den Integranden  der Martingaldarstellung von F(β) als vorhersehbare Projektion des Ableitungsmaßes F  (β, (t, T ]). Satz 4.57 (Clark-Formel) Sei X = F(β) ∈ L 2 (AT , W ) und es gelten die Annahmen 1), 2). Dann gilt für den Integranden  in der Martingaldarstellung F(β) = T E X + 0 s dBs von X :  = πP F  (β, (t, T ]) .  ist die vorhersehbare Projektion von F  (β, (t, F]) in L 2 (P , μ). Beweis Sei u ∈ B(P ) beschränkt, P -messbar und sei  ψt :=

t 0

u s ds,

t := ψ

 0

t

)T W . u s dβs und Q := E (εψ

Nach dem Satz von Girsanov folgt: β − εψ ist eine Brownsche Bewegung bzgl. Q. Damit lässt sich der Erwartungswert von F(β) auch über einen Maßwechsel berechnen: E W F(β) = E Q F(β − εψ) )T . = E W F(β − εψ)E (εψ Äquivalent hierzu ist die folgende Gleichung % )T − 1) + E W (F(β − εψ) − F(β)) E W (F(β − εψ) − F(β))(E (εψ & )T − 1) = 0. + E W F(β)(E (εψ In dieser Form lassen sich nun die Differenzierbarkeitsannahmen an F einbringen. Multiplikation mit 1ε führt zu: 1 (. . .) = 0 = I1 (ε) + I2 (ε) + I3 (ε), ∀ ε > 0, ε wobei die I j (ε) die drei sich ergebenden Terme bezeichnen. Für ε → 0 konvergiert I1 (ε) → 0, denn F erfüllt die Lipschitzbedingung. 1  ε |F(β − εψ) − F(β)| ≤ ψ und E (ε ψ )T → 1. Zu: I2 (ε) + I3 (ε) → 0:

(4.21)

4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov

145

Mit der Differentialgleichung für das stochastische Exponential gilt ε

−1



)T − 1 = E (εψ

 0

T

)s u s dβs . E (εψ

Der Integrand ist majorisiert und konvergiert punktweise gegen u. Nach dem Satz über majorisierte Konvergenz für stochastische Integrale folgt )T − 1) −→ ε −1 (E (εψ



T

0

u s dβs

in L2 (P, AT ).

Es gilt also: I2 (ε) + I3 (ε) −→ 0 und daher nach (4.21) und Annahme 2:  E W F(β)

0

T

 u s dβs = − lim I2 (ε) = E W F(β) ε↓0

T

0

ψt F  (β, dt).

(4.22)

Mit den Eigenschaften des stochastischen Integrals folgt aus (4.22)  EW

0

T

 s u s ds = E W

T

0

 s dβs 

= E W F(β)  = EW

0

 = EW

T

0

 = EW

T

0

T

0

T

0

u s dβs

T

u s dβs

ψt F  (β, dt)

 mit ψt =

u t F  (β, (t, T ]) dt

t

0

u s ds

nach partieller Integration

 ut  πP F  (β, (t, T ]) dt,

da u ∈ L(P ).

Die letzte Gleichheit folgt aus den Projektionsgleichungen für die vorhersehbare Projektion in (4.20). Diese Gleichung impliziert jedoch, dass die vorhersehbare Projektion  πP (F  (β, (t, T ))) von F  (β, (t, T ]) gleich dem Integranden  ist,  = πP F  (β, (t, T ]) in L2 (P , μ).



146

4.4

4

Elemente der stochastischen Analysis

Stochastische Differentialgleichungen

Stochastische Differentialgleichungen sind ein wichtiges Mittel für die Modellierung stochastischer zeitabhängiger Prozesse. Das lokale Verhalten der Prozesse lässt sich oft gut beschreiben und führt dann auf stochastische Differentialgleichungen als geeignete Modelle. Eine wichtige Beispielklasse sind Diffusionsprozesse, die durch lokale Drift- und Diffusionskoeffizienten gesteuert werden. Zwei Beispiele für stochastische Differentialgleichungen sind bisher schon aufgetreten. Bemerkung 4.58 1) Für ein stetiges lokales Martingal M ∈ Mloc,c ist das stochastische Exponential  E (M)t = exp Mt − Mt die eindeutige Lösung der stochastischen Integralgleichung  Xt = 1 +

0

t

X s dMs .

Zu dieser Integralgleichung äquivalent ist die stochastische Differentialgleichung '

d X t = X t dMt , X 0 = 1.

2) Die geometrische Brownsche Bewegung wird beschrieben durch die stochastische Differentialgleichung dX t = μX t dt + σ X t dBt ,

X 0 = x0 .

Wir haben hier einen lokalen Drift und einen lokalen Variationsterm. Der Driftterm ist proportional zu X t und hat den Wert μX t . Der Variationsterm σ X t ist ebenfalls proportional zu X t . Die Lösung dieser stochastischen Differentialgleichung ist die geometrische Brownsche Bewegung X t = x0 exp

  1  μ − σ 2 t + σ Bt . 2

Die geometrische Brownsche Bewegung ist ein Standardmodell in der Finanzmathematik. Man kann hier einige Eigenschaften von X direkt an der expliziten Lösung ablesen, z. B. die Entwicklung des Erwartungwertes: E X t = x0 eμt .

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

147

Dieses folgt daraus, dass das stochastische Exponential E (σ B) ein Martingal ist,   1 exp σ Bt − σ 2 t ∈ M. 2 Für t → ∞ gilt Bt /t → 0. Daher folgt: X t −→ 0, wenn 

Ist μ > σ 2 /2, dann gilt X t ∼ e

 2

μ− σ2

t

σ2 2

> μ > 0.

.

Wir wollen nun allgemeiner den folgenden Typ von stochastischen Differentialgleichungen untersuchen: Gegeben sei eine Brownsche Bewegung B auf (, A, P) mit natürlicher Filtration A = A B und es sei X Lösung der stochastischen Differentialgleichung ⎧ ⎨ dX = b(t, X ) dt + σ (t, X )dB t t t t (4.23) ⎩ X = Z, 0 t t d. h. X t = Z + 0 b(s, X s ) ds + 0 σ (s, X s )dBs . b ist ein lokaler Driftterm und σ ist ein lokaler Diffusionsterm. Man kann die obige stochastische Differentialgleichung auch auf einem Intervall [s, t] betrachten. Der Anfangswert Z sollte in diesem Fall in L(As ) liegen. Lösungen X von (4.23) heißen verallgemeinerte Diffusionsprozesse, da sie durch die Diffusion einer Brownschen Bewegung erzeugt werden. Genauer spricht man hier vonstarken Lösungen. Man kann einen zusätzlichen Freiheitsgrad einführen, nämlich die Konstruktion einer geeigneten Brownschen Bewegung und erhält dann eine erweiterte Klasse von Lösungen – die schwachen Lösungen. Die stochastischen Differentialgleichungen in (4.23) beschreiben den Markovschen Fall von Diffusionsgleichungen, bei denen b = b(t, X t ), σ = σ (t, X t ) nur vom aktuellen Zustand X t des Prozesses abhängt. Nicht-Markovsche Diffusionsgleichungen sind eine Verallgemeinerung von (4.23) mit allgemeinen vorhersehbaren Drift- und Diffusionskoeffizienten bt , σt . Bemerkung 4.59 Die Differentialgleichung (4.23) kann man verstehen als Verallgemeinerung der deterministischen Differentialgleichungen, bei der der stochastischer Diffusionsterm fehlt, oder äquivalent bei der σ = 0 ist,  t Xt = X0 + b(s, X s ) ds. 0

Bei solchen deterministischen Differentialgleichungen ist das Lösungsverhalten gut untersucht. Unter einer lokalen Lipschitzbedingung bzgl. x für den Koeffizienten b = b(x, t) in x, Beschränktheit von b auf Kompakta in [0, ∞) × Rd , d. h. in Ort und Zeit kann man das Iterationsverfahren von Picard Lindelöf anwenden und erhält: Die Iteration X t(0) = x, (n+1) Xt

=x+



t 0

b(s, X s(n) ) ds, n ≥ 0,

148

4

Elemente der stochastischen Analysis

konvergiert für hinreichend kleine Zeiten t gegen eine Lösung in [0, t]. Die Lösung ist eindeutig. Man kann jedoch keine globale Lösung erwarten. Betrachtet man z. B. die Differentialgleichung  Xt = 1 +

0

t

X s2 ds,

so gilt für den Koeffizienten b(s, x) = x 2 die lokale Lipschitz-Bedingung. Die eindeutige lokale Lösung der Differentialgleichung mit x = 1 ist Xt =

1 . 1−t

Diese Lösung explodiert für t ↑ 1. Es gibt keine globale Lösung. Eine grundlegende Frage für stochastische Differentialgleichungen ist wie im Fall deterministischer Gleichungen die Frage nach Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen. Es gibt Beispiele von Koeffizienten, bei denen eine deterministische Lösung nicht, oder nur auf kompakten Intervallen existiert, bei denen es aber mit dem Diffusionsterm eine globale Lösung gibt. Die erste allgemeine Existenz und Eindeutigkeitsaussage ist ein Analogon zum Satz von Picard Lindelöf für deterministische Differentialgleichungen. Satz 4.60 Seien b, σ zwei messbare Koeffizientenfunktionen die lokal Lipschitz in x sind, d. h. ∀ T > 0, ∃K = K T < ∞ mit |b(t, x) − b(t, y)| + |σ (t, x) − σ (t, y)| ≤ K |x − y|, 0 ≤ t ≤ T . Weiter haben die Koeffizienten b, σ ein höchstens lineares Wachstum in x, d. h. |b(t, x)| + |σ (t, x)| ≤ K (1 + |x|), 0 ≤ t ≤ T , ∀ x und der Anfangswert habe ein endliches zweites Moment, E Z 2 < ∞, dann gilt: Es existiert eine eindeutige Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.23) in [0, T ] d. h. sind X und Y Lösungen, dann gilt: X t = Yt ∀ t ∈ [0, T ] [P]. Die Lösung hat beschränkte zweite Momente: E sups≤T |X s |2 < ∞. Beweis Der Beweis beruht ähnlich wie im deterministischen Fall auf einem Iterations- und Fixpunktargument. Sei E die Klasse aller (At )-adaptierten, stetigen Prozesse X = (X t )0≤t≤T , so dass X 2 := E sup0≤t≤T |X t |2 < ∞. Dieser Grundraum (E ,  · ) ist ein Banachraum, also ein vollständiger, separabler, normierter

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

149

Vektorraum. Nun folgt ein Fixpunktargument: Zu einem Prozess X ∈ E definieren wir einen neuen Prozess  t  t (X )t := Z + b(s, X s ) ds + σ (s, X s )dBs . 0

0

Die obigen Annahmen sichern die Wohldefiniertheit dieser Integrale;  ist eine wohldefinierte Abbildung  : E → E . Gesucht ist ein Fixpunkt von . Zur Anwendung des Banachschen Fixpunktsatzes ist zu zeigen, dass  eine Kontraktion bezüglich der eingeführten Norm ist. Mit der Ungleichung (a + b)2 ≤ 2(a 2 + b2 ) gilt: 

!

2

|(X )t − (Y )t | ≤ 2 sup s≤T

+ sup s≤T



t 0 t

0



"2

b(s, X s ) − b(s, Ys ) ds 2

(σ (s, X s ) − σ (s, Ys )dBs )

.

Nach der Doob-Ungleichung folgt mit Hilfe der Lipschitzbedingung ( t  (2   ( ( σ (s, X s ) − σ (s, Ys ) dBs (( ≤ 4E E sup (( t≤T

0

 = 4E

T

0 T

0

(σ (s, X s ) − σ (s, Ys ))dBs

2

(σ (s, X s ) − σ (s, Ys ))2 ds

≤ 4K 2 E sup |X s − Ys |2 T . s≤T

Als Konsequenz ergibt sich: (X ) − (Y ) ≤ (4K 2 T 2 + 4K 2 T )1/2 X − Y . Des Weiteren erhält man mit der Ungleichung (a + b + c)2 ≤ 3a 2 + 3b2 + 3c2 für den Anfangswert (0) die Abschätzung ( t ( t (2 (2   ( ( ( ( b(s, 0) ds (( + sup (( σ (s, 0) ds (( |(0)t |2 ≤ 3 Z 2 + sup (( t≤T

0

t≤T

0

und es folgt mit der Dreiecksungleichung wie oben  E sup |(0)t |2 ≤ 3 E Z 2 + K 2 T 2 + 4K 2 T < ∞. t≤T

Als Resultat erhalten wir:  : E → E ist eine Lipschitz-Abbildung mit der Lipschitzkonstanten  1/2 k(T ) := 2(K 2 T 2 + 4K 2 T ) .

150

4

Elemente der stochastischen Analysis

Wählt man T hinreichend klein (T ≤ T0 ), dann ist k(T ) < 1, d. h. die Abbildung ist eine Kontraktion auf E . Mit dem Banachschen Fixpunktsatz folgt:  hat genau einen Fixpunkt X ∈ E für T ≤ T0 , d.h die Differentialgleichung (4.23) eingeschränkt auf [0, T0 ] hat eine Lösung in E , und in E ist die Lösung eindeutig. Es ist noch zu zeigen: Jede Lösung von (4.23) liegt in E . Sei X eine Lösung von (4.23), sei τn := inf{s ≥ 0; |X s | ≥ n} und sei f (n) (t) := E sup |X s |2 . s≤t∧τn

Dann gilt wie oben mit der Lipschitz- und linear growth-Bedingung   E sup |X s |2 ≤ 3 E Z 2 + E s≤t∧τn

t∧τn

0

K 2 (1 + |X s |2 ) ds + 4E



t∧τn 0

K 2 (1 + |X s |)2 ds



    t ≤ 3 E Z 2 + 10K 2 1 + E sup |X u |2 ds 0

≤ 3(E Z 2 + 10K 2 T ) + 30K

u≤s∧τn t 2 (n)



f

0

(s) ds.

Also gilt mit geeigneten Konstanten a, b:  t f (n) (t) ≤ a + b f (n) (s) ds, 0

0 ≤ t ≤ T.

Stetige Funktionen f , die solch einer rekursiven Ungleichung genügen, können höchstens exponentiell anwachsen. Das ist Inhalt des folgenden Lemmas von Gronwall aus der Theorie der Differentialgleichungen. Lemma 4.61 (Gronwall’s Lemma) Sei f stetig auf [0, T ] und für t ≤ T sei  t f (t) ≤ a + b f (s) ds. (4.24) 0

Dann folgt  f (T ) ≤ a 1 + ebT . Beweis Sei u(t) := e−bt

t 0

f (s) ds. Dann ist u(0) = 0 und nach Voraussetzung gilt:

u  (t) = e−bt



 f (t) − b

t

0

 f (s) ds

≤ ae−bt .

Daraus folgt:  u(T ) ≤ a

0

T

e−bt dt =

a a  −bT +1 ≤ . −e b b

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

151

Damit erhalten wir als Ergebnis die gewünschte Schranke  f (T ) ≤ a + b

T

0

 f (s) ds ≤ a + bu(T )ebT ≤ a 1 + ebT .



Damit folgt im Beweis von Satz 4.60: f (n) (T ) < K < ∞, K = K T unabhängig von n. Mit dem Lemma von Fatou folgt: E sup |X s |2 = E lim sup |X s |2 ≤ K < ∞. n s≤T ∧τn

s≤T

Also erfüllt X die Integrierbarkeitsbedingung und es folgt: X ∈ E . Damit folgt die Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen für t ≤ T0 . Für beliebige Zeitpunkte T betrachten wir die Intervalle [0, Tn ], [ Tn , 2T n ], . . . , n−1 T [ n T , T ]. Für n ≥ n 0 genügend groß, so dass n ≤ T0 folgt die Existenz der Lösung mit Anfangswert X 0(1) = Z im ersten Intervall [0, Tn ]. Die im Beweis angegebene Schranke ist unabhängig vom Anfangswert. Im zweiten Intervall betrachten wir als (2) neuen Anfangswert X 0 = X T , von der Lösung auf dem ersten Intervall. Dieses Vern fahren kann man iterieren und damit alle Intervalle durchlaufen. Als Anfangswert verwenden wir jeweils den Wert auf dem rechten Rand. Die Lösung lässt sich konsistent zusammensetzen, da die Schranke nur von E Z 2 abhängt. Für E Z 2 hatten wir eine universelle obere Schranke gefunden. Deshalb verkleinern sich die Lösungsintervalle nicht. Als Ergebnis erhalten wir also eine eindeutige Lösung auf [0, T ].  Es folgen zwei Beispiele zur Bestimmung von Lösungen von stochastischen Differentialgleichungen. Beispiel 4.62 (Brownsche Brücke) Ein stetiger Gaußscher Prozess mit normalverteilten, endlichdimensionalen Randverteilungen B 0 = (Bt0 )0≤t≤1 , auf dem Zeitintervall [0, 1] heißt Brownsche Brücke, wenn E Bt0 = 0, 0 ≤ t ≤ 1 und Cov(Bs0 , Bt0 ) = s(1 − t), 0 ≤ s ≤ t ≤ 1. Im Vergleich zur Brownschen Brücke hat die Brownsche Bewegung die Kovarianzfunktion min(s, t). Insbesondere ist (Abb. 4.4) Var Bs0 = s(1 − s) und B00 = B10 = 0, d. h. die Brownsche Brücke beginnt und endet bei null. Die besondere Bedeutung der Brownschen Brücke B 0 ergibt sich daraus, dass der empirische Prozess Vn die Brownsche Brücke als Grenzprozess hat, Vn (s) = D

√  n Fn (s) − s , s ∈ [0, 1]

Vn −→ B 0 .

152

4

Elemente der stochastischen Analysis

1,5 1 0,5 0 1

−0,5 −1 −1,5

Abb. 4.4 Brownsche Brücke

Deshalb gilt wie bei dem Donskerschen Invarianzprinzip: Alle stetigen Funktionale von Vn konvergieren gegen das entsprechende Funktional der Brownschen Brücke. In der Statistik sind viele empirische Größen von Interesse durch Funktionale des empirischen Prozesses gegeben oder approximierbar. Man erhält also die Möglichkeit, die Verteilung von statistischen Funktionalen durch die Verteilung von Funktionalen der Brownschen Brücke angenähert zu beschreiben. Eine Möglichkeit, eine Brownsche Brücke zu konstruieren ist die folgende: Man nimmt die Brownsche Bewegung und bedingt darunter, dass diese an der Stelle eins (d. h. am Ende) den Wert null hat: d

B 0 = B|B1 = 0. Man betrachtet also die Pfade der Brownschen Bewegung, die zur Zeit 1 in der Gegend von null‘ landen. Eine zweite Möglichkeit zur Konstruktion der Brownschen ’ Brücke ist die folgende: Definiere Bt0 := Bt − t B1 . B 0 ist eine Brownsche Brücke, denn für diesen Prozess ist E Bt0 = 0 und E Bs0 Bt0 = E(Bs − s B1 )(Bt − t B1 ) = (s ∧ t) − ts − st + st = s(1 − t),

f¨ur s ≤ t.

B 0 ist ein Gaußscher Prozess mit der Kovarianz der Brownsche Brücke. Damit ist B 0 eine Brownsche Brücke. Die oben konstruierte Brownsche Brücke B 0 ist kein Prozess, der an die Filtration der Brownschen Bewegung angepasst ist. Für die Definition verwendet man nämlich den Wert der Brownschen Bewegung an der Stelle t = 1. Die Frage ist: Kann man auch aus der Brownschen Bewegung selbst eine Brownsche Brücke auf der Brownschen Filtration erzeugen?

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

153

Die Idee ist, die Brownsche Brücke mit Hilfe einer Differentialgleichung zu konstruieren, bei der ein Drift in Richtung null eingeführt wird. Sei der Drift b(t, X t ) zur Zeit t gegeben durch b(t, x) := −

x . 1−t

Dieser Drift treibt den Prozess in der Restlaufzeit 1 − t in Richtung null. Die zugehörige stochastische Differentialgleichung ist gegeben durch dX t = −

Xt dt + dBt . 1−t

(4.25)

Zur Lösung dieser Differentialgleichung verwenden wir die aus der Theorie der Differentialgleichungen bekannte Methode der Variation der Koeffizienten‘. Wir ’ betrachten den Lösungsansatz 



X t = a(t) x0 +

0

t

 b(s)dBs ,

(4.26)

mit a, b differenzierbar. Mit partieller Integrations folgt 





dX t = a (t) x0 +

t

0

 b(s)dBs dt + a(t)b(t)dBt .

Falls a(0) = 1, a(t) > 0, ∀ t, dann löst X die folgende stochastische Differentialgleichung ⎧ ⎨ dX = a  (t) X dt + a(t)b(t)dB t t a(t) t (4.27) ⎩ X =x 0

0

Um hierdurch die Differentialgleichung (4.25) zu erzeugen, ergibt sich durch Koeffizientenvergleich a  (t) 1 =− , a(t) 1−t Diese Gleichungen haben die Lösung folgt:  X t = (1 − t)

0

t

a(t)b(t) = 1.

a(t) = 1 − t und b(t) =

1 dBs , 1−s

ist Lösung der Differentialgleichung (4.25).

0 ≤ t ≤ 1,

1 1−t .

Mit x0 = 0

154

4

Elemente der stochastischen Analysis

Behauptung: X ist eine Brownsche Brücke. Nach Konstruktion ist X ein stetiger Gaußscher Prozess und E X t = 0. Für s ≤ t folgt mit der Unabhängigkeit der Zuwächse der Brownschen Bewegung   t   s 1 1 E X s X t = (1 − s)(1 − t)E dBu dBv 0 1−u 0 1−v 2  s 1 = (1 − s)(1 − t)E dBu 0 1−u  s 1 = (1 − s)(1 − t) du = s(1 − t) = Cov(Bs0 , Bt0 ) 2 0 (1 − u) Die Lösung X der stochastischen Differentialgleichung (4.25) hat also die Kovarianz der Brownschen Brücke Cov(X s , X t ) = s(1 − t) = Cov(Bs0 , Bt0 ). X ist also eine Brownsche Brücke und X ist adaptiert an die Filtration der Brownschen Bewegung B. Beispiel 4.63 (Ornstein-Uhlenbeck-Prozess) Das Ornstein-Uhlenbeck-Modell geht zurück auf Langevin in 1908 und Ornstein und Uhlenbeck in 1930. Der OrnsteinUhlenbeck-Prozess ist ein Modell für die Geschwindigkeit von Molekularteilchen und ist definiert als Lösung der stochastischen Differentialgleichung. ⎧ ⎨ dX = −α X dt + σ dB , t t t ⎩ X =x , 0

0

σ und α sind dabei positive Konstanten. Das Ornstein-Uhlenbeck-Modell ist eine Modifikation des Modells der Brownschen Bewegung. Da die Pfade der Brownschen Bewegung nirgends differenzierbar sind, kann man für die Brownsche Bewegung keine Geschwindigkeit definieren. Der Ornstein-Uhlenbeck-Prozess ist mean reverting‘. Für X t > 0 gibt es einen negati’ ven, für X t < 0 einen positiven Drift proportional zu X t , der den Prozess in Richtung null treibt. Diese mean reverting‘ Eigenschaft bewirkt eine Dämpfung der Pfade der ’ Brownschen Bewegung und führt zu einer stationären Limesverteilung. Die Pfade verbleiben jedoch nicht differenzierbar. Zur Lösung der Differentialgleichung verwenden wir die Methode zur Variation der Koeffizienten in (4.27) mit a  (t) = −α, a(t)b(t) = σ, a(0) = 1. a(t) Es folgt dann: a(t) = e−αt ,

b(t) = σ eαt

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

155

und wir erhalten Xt = e

−αt





t

αs



x0 + σ e dBs 0  t = x0 e−αt + σ e−α(t−s) dBs . 0

X ist ein Gaußscher Prozess mit E X t = x0 e−αt −→ 0 (t → ∞)  t 2 e−2α(t−s) ds Var X t = σ 0

σ2  σ2 = 1 − e−2αt −→ 2α 2α 2

Die Varianz verschwindet nicht sondern konvergiert im Limes gegen σ2α . Je stärker der rücktreibende Drift α ist, umso kleiner wird die Varianz. Der Prozess X t konvergiert in Varianz gegen die Normalverteilung  σ2  D X t −→ N 0, , 2α die stationäre Verteilung dieses Prozesses. Wenn man den Ornstein-UhlenbeckProzess in der stationären Verteilung startet, dann erhält man einen stationären Prozess. In Analogie zu Markovketten in diskreter Zeit ist der Ornstein-UhlenbeckProzess ein Markovprozess in stetiger Zeit und konvergiert für t → ∞ gegen die stationäre Verteilung.

Den Existenz- und Eindeutigkeitssatz kann man auf dieselbe Weise auch für den mehrdimensionalen Fall behandeln. Sei B = (B 1 , . . . , B r ) eine r -dimensionale Brownsche Bewegung, d. h. einen Vektor aus r unabhängigen Brownschen Bewegungen. Diese treibt die Differentialgleichung an. Die erzeugte Filtration nennen wir (At ). Sei b : R+ × Rd −→ Rd (s, x) −→ b(s, x) ein Driftvektor, σ eine Matrix von Diffusionskoeffizienten, gegeben durch eine d × r -Matrix σ : R+ × Rd −→ Rd×r  (s, x) −→ σi j (s, x)

156

4

Elemente der stochastischen Analysis

und Z ∈ L d (A0 ) ein Anfangsvektor. Der Diffusionsprozess X wird dann durch die folgende stochastische Differentialgleichung definiert: ⎧  t  t ⎪ ⎪ = Z + b(s, X ) ds + σ (s, X s )dBs X ⎪ t s ⎨ 0 0 t r  t  j i i i ⎪ ⎪Xt = Z + b (s, X s ) ds + σi j (s, X s )dBs . ⎪ ⎩ 0

(4.28)

j=1 0

Satz 4.64 Es gelte die Lipschitzbedingung: |b(t, x) − b(t, y)| + |σ (t, x) − σ (t, y)| ≤ K |x − y| und die lineare Wachstumsbedingung:  |b(t, x)| + |σ (t, x)| ≤ K 1 + |x| , E|Z |2 < ∞, 0 ≤ t ≤ T . Dann existiert genau eine Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.28), so dass E sup |X s |2 < ∞. s≤T

Beispiel 4.65 (Lineare Differentialgleichungen) Für die spezielle Klasse von linearen stochastischen Differentialgleichungen der Form  dX = A(t) X t + a(t) dt + σ (t) dBt , X 0 = ξ, t      d×1

d×d d×1

d×1

(4.29)

d×r r ×1

mit lokal beschränkten deterministischen Koeffizienten A, a, σ , lassen sich Lösungen in expliziter Form angeben. Solche linearen Differentialgleichungen treten beispielsweise in der Ökonomie auf, bei Modellen mit vielen Faktoren (Multifaktormodelle). Um die Lösung von (4.29) zu finden, betrachten wir die zugehörige inhomogene, deterministische, lineare Differentialgleichung, bei der der stochastische Term fehlt ζ˙ (t) = A(t)ζ (t) + a(t),

ζ (0) = ξ ∈ Rd .

(4.30)

Nach Standard Existenz- und Eindeutigkeitsaussagen existiert eine eindeutige Lösung für (4.30). Zur Bestimmung dieser Lösung betrachten wir die zugehörige homogene Matrix-Differentialgleichung: ˙ (t) = A(t) (t),  d×d

(0) = I .

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

157

(t) ist eine d × d-Matrix. Das Matrixsystem hat eine eindeutige Lösung , die Fundamentallösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung ζ˙ (t) = A(t)ζ (t). (t) ist nichtsingulär für alle t. Denn sonst existiert ein λ ∈ Rd , λ = 0, und t0 , so dass (t0 )λ = 0. Aber (t)λ ist eindeutige Lösung der homogenen Gleichung mit ζ (t0 ) = 0. Daraus folgt: (t)λ = 0, ∀ t im Widerspruch zu (0) = I . Die Lösung der deterministischen Gleichung (4.30) ist nun erhältlich über die Fundamentallösung ! "  t ζ (t) = (t) ζ (0) + −1 (s) · a(s) ds . 0

(4.31)

Für die stochastische Differentialgleichung erhalten wir auf ähnliche Weise einen Ansatz " !  t  t −1 −1 X t = (t) X 0 + (4.32)  (s) · a(s) ds +  (s) · σ (s)dBs . 0

0

Mittels partieller Integration (Produktformel) lässt sich mit der Itô-Formel verifizieren, dass X eine Lösung der linearen stochastischen Differentialgleichung (4.29) ist. Die Eindeutigkeit folgt nach dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz. Bemerkung 4.66 Lösungen der SDE (4.23) sind Markovprozesse, d. h. es gilt: E( f (X t ) | As ) = E( f (X t )|X s ) = ψ(X s ), f u¨ r s < t, mit ψ(x) := E( f (X t ) | X s = x), wie bei der Brownschen Bewegung. Die Markoveigenschaft ist eine Konsequenz der Flusseigenschaft. Sei (X st,x )s≥t Lösung von (4.23), bei Start in x zur Zeit t,  X st,x = x +

s t

 b(u, X ut,x ) du +

t

s

σ (u, X ut,x )dBu , t ≤ s.

Dann gilt die Flusseigenschaft: t,X t0,x

X s0,x = X s

, s > t.

(4.33)

(4.33) ist eine Folgerung aus der Eindeutigkeit von Lösungen und der Stetigkeit von Lösungen in (s, t, x). In d = 1 gibt es eine Existenz und Eindeutigkeitsaussage unter abgeschwächten Annahmen an den Diffusionskoeffizienten, vgl. Karatzas und Shreve (1991, Prop. 5.2.13).

158

4

Elemente der stochastischen Analysis

Satz 4.67 (Yamada, Watanabe) d = 1: Es existiere ein K < ∞ so dass |b(t, x) − b(t, y)| ≤ K |x − y| und |σ (t, x) − σ (t, y)| ≤ h(|x − y|), ε für eine Funktion h ↑, h(0) = 0 und 0 h −2 (u) du = ∞, ∀ ε > 0 (z. B. und h(u) = u α ). Dann existiert genau eine Lösung der SDE (4.23).

1 2

≤α≤1

Beispiel 4.68 Die Lösung X der stochastischen Differentialgleichung ) γ X t+ dBt mit X 0 = x ≥ 0, γ > 0, a, b ≥ 0

dX t = a(b − X t+ ) dt +

heißt Fellersche Verzweigungsdiffusion mit Immigration oder in der Finanzmathematik auch Cox-Ingersoll-Ross-Modell für die zeitliche Entwicklung von Zinsraten. Mit h(x) = C x α , α ∈ [ 21 , 1] ist die Bedingung von Satz 4.67 erfüllt mit α = 21 , √ K = γ + α. Es gilt X t ≥ 0, ∀ t und X t > 0, ∀ t > 0 falls 2ab γ ≥ 1, X t = 0 unend-

lich oft mit Wahrscheinlichkeit 1 falls 2ab γ < 1. Im Spezialfall a = b = 0 (keine Drift) gilt mit Hilfe der Itô-Formel e

−λX t

−e

−λx

λ2 −γ 2



t

e 0

−λX s

 X s ds = λ

0

t

* e−λX s γ X s dBs ∈ M.

Die Laplace-Transformierte ϕ(t, λ, x) = E x e−λX t von X t löst die Differentialgleichung d γ λ2 d λ2 ϕ(t, λ, x) = γ E X t e−λX t = − ϕ(t, λ, x), ϕ(0, λ, x) = e−λx . dt 2 2 dλ Die eindeutige Lösung der Gleichung ist:  ϕ(t, λ, x) = exp −

 λ x . γ /2t + 1

Für γ = 2 ist das identisch mit dem Limes von reskalierten Galton-WatsonVerzweigungsprozessen.

4.4.1

Starke Lösung – schwache Lösung von stochastischen Differentialgleichungen

Das Problem starker Lösungen von stochastischen Differentialgleichungen betrifft die Frage: Gegeben sei ein Wahrscheinlichkeitsraum (, A, P), eine Brownsche Bewegung B mit Filtration A B auf (, A, P ). Gesucht ist eine Lösung von (4.23), adaptiert an AB .

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

159

In Erweiterung des Begriffes der starken Lösung hat die schwache Lösung zusätzliche Freiheitsgrade: Gesucht sind ein Wahrscheinlichkeitsraum (, A, P), eine Filtration und eine Brownsche Bewegung B bzgl. dieser Filtration und eine Lösung X von (4.23) bzgl. dieser Brownschen Bewegung B, d. h. (X , B) ist Lösung von  Xt = X0 +

0

t

 σ (s, X s )dBs +

0

t

b(s, X s ) ds

(4.34)

d

X 0 = μ, die Startverteilung von X 0 ist vorgegeben und gleich μ. Dieser zusätzliche Freiheitsgrad ermöglicht die Konstruktion von Lösungen auch in einigen Fällen, in denen keine starke Lösung existiert. Ein Beispiel einer solchen Situation behandelt das folgende Beispiel. Beispiel 4.69 Wir betrachten die Differentialgleichung dX t = sgn(X t )dBt , X 0 = 0,

(4.35)

wobei sgnx := 1(0,∞) (x) − 1(−∞,0) (x) die Vorzeichenfunktion bezeichnet. (4.35) ist äquivalent zu  t sgn(X s )dBs Xt = X0 + 0  t  t dBs = sgn(X s )dX s , ∀ t ≥ 0. ⇐⇒ Bt = 0

0

(4.36) (4.37)

(4.37) folgt aus (4.35) durch Multiplikation mit sgnX t . Behauptung: Es existiert eine schwache Lösung von (4.36). Denn sei X eine Brownsche Bewegung auf (, A, P), A = A X , dann definiere B durch (4.37). Dann folgt: t B ist stetiges Martingal und Bt = 0 (sgn(X s ))2 ds = t. Daraus folgt, dass B eine Brownsche Bewegung ist. Also ist (B, X ) eine schwache Lösung der Differentialgleichung in (4.36). Es gibt aber keine starke Lösung ! Denn sei (X , B) eine beliebige schwache Lösung. Dann ist wie oben X ein stetiges Martingal mit X t = t, also eine Brownsche Bewegung. Mit einem Approximationsargument (vgl. Karatzas und Shreve (1991, S. 562)) erhält man σ (B) ⊂ σ (|X s |; s ≤ t) ⊂ σ (X s ; s ≤ t). Die zweite Inklusion ist echt. X ist also nicht an σ (B) adaptiert. Ein Beispiel für die erweiterten Möglichkeiten der schwachen Lösungen liefert der folgende Satz. Im Fall σ ≡ 1 wird an den Driftterm b nur Beschränktheit, lineares Wachstum und Messbarkeit, aber keine Lipschitzbedingung vorausgesetzt.

160

4

Elemente der stochastischen Analysis

Satz 4.70 Die stochastische Differentialgleichung dX t = b(t, X t ) dt + dBt , 0 ≤ t ≤ T ,

(4.38)

 b(t, x) beschränkt und messbar, und |b(t, x)| ≤ K 1 + |x| hat eine schwache Lösung mit Anfangsverteilung P X 0 = μ, μ ∈ M 1 (Rd , B d ). Beweis Sei X = (X t , At , (Px )x , (, A)) d-dimensionale Brownsche Bewegung mit Start in x bzgl. Px . Dann ist Z t := exp

 d 

t

j=1 0

b j (s,

j X s )dX s

1 − 2

  1 = exp (b · X )t − b · X t 2



t 0

2



|b(s, X s )| ds

das exponentielles Martingal. Z ist ein Martingal bzgl. Px , da wegen der linearen Wachstumsbedingung und Beschränktheit von b die Novikovbedingung erfüllt ist. Wir definieren dQ x := Z T . d Px Nach dem Satz von Girsanov folgt dann  Bt := X t − X 0 −

0

t

b(s, X s ) ds, 0 ≤ t ≤ T

ist eine Brownsche Bewegung bzgl. Q x , mit Q x (B0 = 0) = 1 ∀ x.  Definiere Q μ (A) := Q x (A)dμ(x), dann folgt  Xt = X0 +

t

0

b(s, X s ) ds + Bt bzgl. Q μ .

Bezüglich Q μ ist B eine Brownsche Bewegung und  (Q μ )

X0

=

 Q xX 0 dμ(x)

=

εx dμ(x) = μ

Q xX 0 (A) = 1 A (x). Es folgt also, dass (X , B, (, A, Q μ ), (At )) eine schwache Lösung von (4.38) ist. 

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

161

Bemerkung 4.71 a) Die Aussage aus Satz 4.70 lässt sich wie folgt verallgemeinern. Sei X eine Lösung der stochastischen Differentialgleichung dX t = μt dt + σt · dBt . Sei νt ein weiterer Drift, so dass ϑt :=  Mt = exp Mit

dQ dP

− ϑt · Bt −

μt −νt σt

1 2



t 0

beschränkt ist, dann folgt ϑs 2 ds

 ∈ Mc (P).

:= MT folgt nach dem Satz von Girsanov  Bt = Bt +



t

0

ϑs ds ist Brownsche Bewegung bzgl. Q

und es gilt Bt bzgl. Q. dX t = νt dt + σt d 

(4.39)

Beweis: dX t = μt dt + σt · dBt = νt dt + σt · dBt + (μt − νt ) dt = νt dt + σt ( dBt + νt dt ).    d Bt

Das Paar (X ,  B) ist also auf dem neuen Wahrscheinlichkeitsraum mit dem Maß Q eine schwache Lösung von (4.39).  b) Mit Girsanov lässt sich auch die schwache Eindeutigkeit von Lösungen, d. h. die Eindeutigkeit der Verteilungen von schwachen Lösungen nachweisen (vgl. Karatzas und Shreve (1991, S. 304)). Definition 4.72 (Pfadweise Eindeutigkeit) Die Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.23) mit Anfangsverteilung μ ∈ M 1 (Rd , B d ) heißt pfadweise eindeutig, falls für je zwei schwache Lösungen (X , B), (Y , B) auf (, A, P) bezüglich Filtrationen (At ) und (Bt ) und Anfangsverteilung μ gilt: P(X t = Yt , ∀ t ≥ 0) = 1. Bemerkung 4.73 Für die stochastische Differentialgleichung d X t = sgn(X t )d Bt aus Beispiel 4.69 ist mit X auch −X ein Lösung, d. h. es gilt keine pfadweise Eindeutigkeit. Die Lösung ist aber schwach eindeutig, d. h. für zwei Lösungen X , Y mit derselben Anfangsverteilung μ gilt P X = P Y .

162

4

Elemente der stochastischen Analysis

Proposition 4.74 Es sind äquivalent: a) Die stochastische Differentialgleichung (4.23) hat eine eindeutige starke Lösung. b) Es existiert eine schwache Lösung und es gilt pfadweise Eindeutigkeit (für die Startverteilung μ = P X 0 ). Unter a), b) gilt: die Lösung ist schwach eindeutig (Karatzas und Shreve (1991)). Definition 4.75 a) X ∈ C d heißt Lösung des lokalen Martingalproblems mit Drift b und Diffusion a, Startverteilung μ (Bezeichnung: X ∈ L M P(a, b, μ)), falls:  · P X 0 = μ und M := X − b(s, X s ) ds ∈ Mloc,c 0  t mit M i , M j t = ai j (s, X s ) ds ∀ i, j, t ≥ 0

(4.40)

0

b) Die Lösung von L M P(a, b, μ) ist eindeutig, wenn für zwei Lösungen X und Y gilt: P X = PY . Das lokale Martingalproblem ist über die Martingaleigenschaft von M definiert. Es gibt nun einen wichtigen Zusammenhang zwischen dem Begriff der schwachen Lösung und dem lokalen Martingalproblem. Satz 4.76 (schwache Lösung – lokales Martingalproblem) a) X ist genau dann Lösung des lokalen Martingalproblems L M P(σ σ T , b, μ),  =:a

 ⊃  des Wahrscheinlichkeitwenn es gegebenenfalls auf einer Erweiterung  raumes eine Brownsche Bewegung B gibt, so dass (X , B) eine schwache Lösung von (4.23) ist. b) Es gibt eine eindeutig schwache Lösung von (4.23) mit Startverteilung μ ⇐⇒ Das lokale Martingalproblem L M P(σ σ T , b, μ) ist eindeutig lösbar. Beweis Wir führen den Beweis für m = d = 1; d ist die Dimension und m die Anzahl der Brownschen Bewegungen. Wir betrachten die stochastische Differentialgleichung dX = σ (t, X t ) dBt + b(t, X t ) dt. t        d×1

d×m

m×1

d×1

“⇐” Ist (X , B) schwache Lösung der stochatischen Differentialgleichung in (4.23),

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

163

dann folgt  Xt −

t

0

 b(s, X s ) ds =

0

t

σ (s, X s )dBs ∈ Mloc,c .

Also löst X das lokale Martingal-Problem L M P(σ σ T , b, μ). t „⇒“ Sei nun X Lösung des L M P(σ 2 , b, μ) und Mt := X t − 0 b(s, X s ) ds ∈  ⊃  und eine Brownsche Bewegung Mloc,c . Dann existiert eine Erweiterung      B auf (, A, P), so dass (vgl. z. B. Klenke (2006, S. 542))  Mt = Mit Bt :=

t 0

t

0

|σ (s, X s )|d  Bs .

sgn(σ (s, X s ))d  Bs gilt dann die Darstellung  Mt =

0

t

σ (s, X s )dBs .

Also ist (X , B) schwache Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.23).  Den Zusammenhang zwischen schwachen Lösungen und dem lokalen Martingalproblem kann man nun nutzen um allgemeine Existenssätze für schwache Lösungen bzw. für das lokale Martingalproblem zu beweisen. Die Formulierung des lokalen Martingalproblems ist besonders geeignet für die Anwendung von Approximationsargumenten und Verteilungskonvergenz. Satz 4.77 Seien b, σi j R+ × Rd → R stetig beschränkt. Dann existiert für alle Startverteilungen μ ∈ M 1 (Rd , B d ) mit x2m dμ(x) < ∞ für ein m > 1 eine Lösung des lokalen Martingalproblems L M P(a, b, μ) mit a = σ σ T , sowie eine schwache Lösung der stochastischen Differentialgleichung in (4.23). Beweisskizze: Wir führen zunächst eine diskretisierte Version der stochastischen Differentialgleichung ein. Seien t nj := 2δn und n (t) = t nj für t ∈ (t nj , t nj+1 ] die dyadisch rationale Approximation von g. Dann sind für y ∈ Cd ([0, ∞)) b(n) (t, y) := b(y(n (t))), σ (n) (t, y) := σ (y(( t))) progressiv messbar. Sei weiter (Bt , AtB ) eine d-dimensionale Brownsche Bewegung auf (, A, P) und ξ eine Zufallsvariable unabhängig von B mit P ξ = μ. Wir definieren die Folge (n) (X (n) ) = (X t , At ) rekursiv durch ein Euler-Schema: (n) X 0 := ξ (n)

Xt

    (n) (n) (n) (n)  (n) (n) := X t j + b X (n) (t − t j ) + σ X (n) Bt − Bt (n) , t j < t ≤ t j+1 . tj

tj

j

164

4

Elemente der stochastischen Analysis

Dann gilt nach Definition von b(n) , σ (n) : X t(n) = ξ +

 0

t

b(n) (s, X (n) ) ds +



t

0

σ (n) (s, X (n) )dBs .

(4.41)

X (n) löst also die modifiziert stochastische Differentialgleichung mit approximativen Koeffizienten. Es gilt nun wie im Beweis zum allgemeinen Existenz- und Eindeutigkeitssatz (Satz 4.60) die folgende Abschätzung auch für Momente der Ordnung 2m > 2 (vgl. Karatzas und Shreve (1991, Problem 3.15)). Der Beweis verwendet die BurkholderDavis-Ungleichung anstelle der Doobschen Ungleichung. Gilt b(t, y)2 + σ (t, y)2 ≤ K (1 + maxs≤t y(s)2 ) und ist (X , B) eine schwache Lösung der Diffusionsgleichung (4.23) mit EX 0 2m < ∞, dann gilt für alle T < ∞ E maxs≤t X s 2 m ≤ C(1 + EX 0 2 m )eCt , t ≤ T und EX t − X s 2 m ≤ C(1 + EX 0 2 m )(t − s)m , s < t ≤ T .

(4.42)

Für die Lösung X (n) der diskretisierten stochastischen Differentialgleichung in (4.41) gilt also: (n)

sup E|X t n

− X s(n) |2 m ≤ C(1 + EEξ 2 m )(t − s)m , s ≤ t < T .

(n)

Sei P (n) := P X das zugehörige Wahrscheinlichkeitsmaß auf Cd = C([0, ∞), d R ). Dann folgt dass die Folge (P (n) ) straff ist, denn sie erfüllt das stochastische Arzela-Ascoli-Kriterium: ∃ ν, α, β > 0 : ∀ n ∈ N : EX 0(n) ν ≤ M und (n)

EX t

− X s(n) α ≤ C T |t − s|1+β , ∀ s, t ≤ T , ∀ T . D

eine konvergente Teilfolge. O.E. gilt P (n) −→ P ∗ , d. h.   Also(n)existiert f d P → f d P ∗, für alle stetig, beschränkten Funktionen f auf Cd . Wir behaupten: 1.) P ∗ ({y ∈ Cd ; y(0) ∈ }) = μ(), d. h. P ∗ hat die Startverteilung μ. Denn für f ∈ Cb (Rd ) gilt E ∗ f (y(0)) = lim E (n) f (y(0)) = n

D

D

 f dμ,

da P (n) → P ∗ impliziert, dass μ = (P (n) )π0 → (P ∗ )π0 . Also hat P ∗ die Startverteilung μ.

4.4 Stochastische Differentialgleichungen

165

2.) Die Standardkonstruktion auf Cd (πt ), P ∗ ) ist eine Lösung des zugehörigen Martingalproblems, d. h. E ∗ ( f (y(t)) − f (y(s)) −



t

Au f (y(u)) du | As ) = 0 [P ∗ ]

(4.43)

s

für 0 ≤ s < t < ∞, f ∈ C K2 (Rd ) und mit dem zugehörigen Differentialoperator   2 1 T ∂ f (y(t)) σ (t, y). At f (y) = b(t, y) · ∇ f (y(t)) + σ (t, y) 2 ∂ xi ∂ x j Mit Hilfe der Itô-Formel folgt, dass die Formulierung in (4.43) äquivalent ist zu der Formulierung in der Definition des lokalen Martingalproblems. X (n) löst die stochastische Differentialgleichung mit diskretisierten Koeffizienten. Daher ist nach Satz 4.76 X (n) eine Lösung des zugehörigen lokalen Martingalproblems, d. h. für f ∈ C K2 (Rd ) gilt:  Mt

f ,n

 := f (y(t)) − f (y(0)) −

t 0

A(n) u

 f (y) du, At

∈ Mc (P (n) ),

f ∈ C K2

1 (n) (n) )T (t, y)D 2 f (y(t))σ (n) (t, y). mit A(n) t f (y) := b (t, y) · ∇ f (y(t)) + 2 (σ Daraus folgt für As -messbares g ∈ Cb (Cd ) :

E (n)



 f (y(t)) − f (y(s)) −  

t s

g(y) = 0. A(n) f (y(u))du u 

=Fn (y)=Fns,t (y)

t Sei F(y) := f (y(t)) − f (y(s)) − s Au f (y)(u) du, dann gilt: Fn (y) − F(y) → 0 gleichmäßig auf Kompakta des Rd (vgl. Karatzas und Shreve (1991, S. 325)). Denn für K ⊂ Cd kompakt gilt M := sup y∈K , y(s) < ∞ und limn sup y∈K 0≤s≤t

ωt (y, 2−n ) = 0, ∀ t < ∞ mit dem Stetigkeitsmodul ωt auf [0, t]. b, σ sind gleichmäßig stetig auf {y; y ≤ M}. Daraus folgt, dass sup {b(n) (s, y) − b(y(s)) + σ (n) (s, y) − σ (y(s))} ≤ ε, ∀ n ≥ n ε .

0≤s≤t

Damit folgt, dass E ∗ F(y)g(y) = 0, ∀ g. Also ist ((πt ), P ∗ ) Lösung des lokalen Martingalproblems (4.43). Nach Satz 4.76 folgt daher die Existenz einer schwachen Lösung der stochastischen Differentialgleichung. Bemerkung 4.78 a) Eine analoge Existenzaussage für schwache Lösungen gilt auch im zeitinhomogenen Fall mit beschränkten, stetigen Koeffizienten b = b(t, x), σ = σ (t, x).

166

4

Elemente der stochastischen Analysis

b) Aus der Lösbarkeit des Cauchy-Problems ∂u ∂t = Au, u(0, ·) = f , u beschränkt auf [0, T ] × Rd folgt die schwache Eindeutigkeit von Lösungen (Stroock und Varadhan (1979), Karatzas und Shreve (1991)). Hinreichend für die Lösbarkeit des Cauchy-Problems ist, dass die Koeffizienten beschränkt und Hölderstetig sind und dass die Diffusionsmatrix a uniform positiv definit ist.

4.5

Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen

Ziel dieses Abschnittes ist es, die Konstruktion von Diffusionsprozessen mittels Halbgruppentheorie, partiellen Differentialgleichungen (PDE) – insbesondere den Kolmogorov-Gleichungen – und mittels stochastischer Differentialgleichungen (SDE) zu beschreiben und die Wechselwirkungen dieser Zugänge zu erläutern. Sei X = (X t )t≥0 ein Markovprozess in Rd mit Übergangswahrscheinlichkeiten Ps,x (t, A) := P(X t ∈ A|X s = x),

A ∈ B d , 0 ≤ s < t ≤ T , x ∈ Rd .

Dann gilt die Chapman-Kolmogorov-Gleichung  Ps,x (t, A) =

Rd

Pu,z (t, A)Ps,x (u, dz) ∀ s < u < t, x ∈ Rd .

Beispiele sind etwa die Brownsche Bewegung B mit Übergangskern − d2



2 /2(t−s)

e−|y−x|

Ps,x (t, A) = (2π(t − s))

dy

A

oder der multidimensionale Ornstein-Uhlenbeck-Prozess mit Übergangskern 

Ps,x (t, A) = π(1 − e

−2(t−s)



)

− d  2

exp A

2 y − e−(t−s) x dy. 1 − e−2(t−s)

Definition 4.79 Ein Rd -wertiger Markovprozess (X t )0≤t≤T heißt Diffusionsprozess, wenn ∀ t ≤ T , x ∈ Rd , c > 0 gilt:

2) 3)



1 ε {|y−x|≥c} Pt,x (t + ε, dy) = 0 1 limε&0 ε {|y−x| y. Obige Argumentation lässt sich exakt durchführen und liefert die folgende Existenzaussage. −

Satz 4.89 Seien , a stetig und , a erfüllen die Lipschitzbedingung und lineare Wachstumsbedingungen in x. Weiter existiere ein c > 0, so dass a(t, x) ≥ c, t ≤ T , x ∈ R. Dann folgt: Die Kolmogorovsche Rückwärtsgleichung (4.47) hat eine eindeutige Übergangsfunktion F als Lösung. Es exisistiert ein stetiger Markovprozess X mit Ps,x ∼ Fs,x und X ist ein Diffusions1 prozess mit Koeffizienten , σ = |a| 2 . Bemerkung 4.90 a) Ein analoges Resultat gilt in Dimension d ≥ 1 unter der Bedingung: ∃c > 0, ∀ t und ∀ v ∈ Rn \ {0} gilt die uniforme Eliptizitätsunglei’ chung‘ v ) a(t, x)v ≥ c|v|2 . b) Ist X stationär, dann ist für alle s ≥ 0: Ft (x, y) = Fs,x (s + t, y). Daher folgt: ∂ Fs,x (s + t, y) = 0. ∂s Also gilt die Stationaritätsgleichung ∂ ∂ Ft (x, y) = − Fs,x (u, y)|u=s+t . ∂t ∂s

174

4

Elemente der stochastischen Analysis

Daraus folgt die Kolmogorov-Gleichung im stationären Fall: ⎧ ∂ ∂ 1 ∂2 ⎪ ⎨ ∂t Ft (x, y) = (x) ∂'x Ft (x, y) + 2 a(x) ∂ x 2 Ft (x, y) 1, x < y, ⎪ ⎩limt&0 Ft (x, y) = 0, x > y.   (2) c) Sei u(t, x) := f (y)Pt (x, dy) = f (y)Ft (x, dy) wobei f ∈ Cb . Aus obiger Gleichung folgt dann '

∂u ∂t

= Au

2

d u(0, x) = f (x), A := (x) dx + 21 a(x) dx 2

(4.48)

d. h. u ist Lösung des Cauchy-Problems zu dem Differentialoperator A. A ist der infinitesimale Erzeuger des Markovprozesses X . d) Kolmogorov Vorwärtsgleichung Sei ps,x (t, dy) = ps,x (t, y) dy Übergangsdichte eines Markovprozesses X . Nach Chapman-Kolmogorov folgt dann für s ≤ u ≤ t  ps,x (t, y) =

pu,z (t, y) ps,x (u, z) dz

Die Kolmogorovsche Vorwärtsgleichung, auch auch Fokker-Planck-Gleichung genannt, für p erhält man durch Variation zu einem Zeitpunkt in der Zukunft. Satz 4.91 (Kolmogorovsche Vorwärtsgleichung) ∂a ∂ 2 a a,  erfüllen die Bedingungen aus Satz 4.89 und zusätzlich seien ∂ ∂ x , ∂ x , ∂ x 2 Lipschitz und es gelte die lineare Wachstumsbedingung. Dann hat die Kolmogorovsche Vorwärtsgleichung für die Übergangsdichte p  ∂ ps,x (t, y) = − ∂∂y (t, y) ps,x (t, y) + ∂t lim ps,x (t, y) = δx (y)

1 ∂2 2 ∂ y2

 a(t, y) ps,x (t, y)

(4.49)

t&s

eine eindeutige Lösung ps,x . Es existiert genau ein Diffusionsprozess X mit Übergangsdichte p. Beweisidee: Sei X ein Diffusionsprozess mit Übergangsdichte p zu den obigen Daten. Sei ϑ(t) := ξ(y) ps,x (t, y) dy, ξ ∈ Cb2 , und sei ε > 0.

4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen

175

Die Chapman-Kolmogorov-Gleichung angewendet auf ϑ(t + ε) ergibt:   ξ(y) pt,z (t + ε, y) ps,x (t, z) dz dy "  ! = ξ(y) pt,z (t + ε, y) dy ps,x (t, z) dz "  !  1   2 ps,x (t, z) dz ≈ ξ(z) + ξ (z)(y − z)+ ξ (z)(y − z) ) pt,z (t + ε, y) dy 2    1 ξ(z) + ξ  (z)ε(t, z) + ξ  (z)εa(t, z) ps,x (t, z) dz = 2 R    1   = ϑ(t) + ε ξ (z)(t, z) + ξ (z)a(t, z) ps,x (t, z) dz. 2 

ϑ(t + ε) =

Daraus folgt mit partieller Integration  1  ξ (z)(t, z) + ξ (z)a(t, z) ps,x (t, z) dz ϑ (t) = 2    1 ∂2 ∂ (a(t, z) p (t, z)) dz. = ξ(z) − ((t, z) ps,x (t, z)) + s,x ∂z 2 ∂z 2 

 



Anderseits gilt nach Definition 

ϑ (t) =







∂ ξ(z) ps,x (t, z) ∂t

dz, ∀ ϑ ∈ Cb2 .

Hieraus folgt durch Vergleich der Integranden die Kolmogorov Vorwärtsgleichung in (4.48). Im Unterschied zur Rückwärtsdifferentialgleichung in Satz 4.89 ist die Vorwärtsdifferentialgleichung in Satz 4.91 für die Übergangsdichten p (anstelle der Übergangsverteilungsfunktion F) formuliert. Dieses führt zu den relativ stärkeren Annahmen in Satz 4.91. Ein analoges Resultat zu Satz 4.91 gibt es auch im multivariaten Fall d ≥ 1. 3.) Zugang durch stochastische Differentialgleichungen (Itô-Theorie) Wir nehmen an, dass die Koeffizienten , a die Vorraussetzungen von Satz 4.89 erfüllen. √ Sei d = 1 und sei σ (t, x) = a(t, x). Dann gilt |a(t, x) − a(t, y)| 1 |σ (t, x) − σ (t, y)| = √ ≤ √ |a(t, x) − a(t, y)|. √ 2 c a(t, x) + a(t, y) Also erfüllt σ die Lipschitzbedingung und es gilt lineares Wachstum. Nach dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz existiert also eine eindeutige Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.23).

176

4

Elemente der stochastischen Analysis

Satz 4.92 Unter den obigen Annahmen ist die eindeutige Lösung X der stochastischen Integralgleichung  Xt = ξ +

0

t

 σ (s, X s )dBs +

0

t

(s, X s ) ds

ein Diffusionprozess mit Koeffizienten , a. Die Übergangsverteilungsfunktion Fs,x (t, y) von X t für t, y fest, ist eindeutige Lösung der Kolmogorov-Rückwärtsgleichung. Unter den zusätzlichen Bedingungen in Satz 4.91 existiert eine Übergangsdichte ps,x (t, y). p ist eindeutige Lösung der Kolmogorov-Vorwärtsgleichung. Bemerkung 4.93 Ist d ≥ 1, dann ist die Lösung σ (t, x) von σ (t, x)σ (t, y)T = a(t, x) i.A. nicht eindeutig. Ist U z. B. eine orthogonale Matrix, UU T = I , dann ist σ U auch eine Lösung. U B ist ebenfalls eine Brownsche Bewegung. Die Übergangsverteilungsfunktion der Lösung X der stochastischen Differentialgleichung ist unabhängig von der Wahl von σ . Wir vergleichen die vorgestellten Konstruktionsmethoden zur Konstruktion eines Diffusionsprozesses X anhand eines Spezialfalls: Vergleich der Methoden Sei d = 1, a(x) = 2 und (x) = −x. Das Problem besteht also darin, einen Diffusionsprozess in d = 1 mit Koeffizienten a(x) = 2 und (x) = −x und dem infinitesimalen Erzeuger A f (x) = f  (x) − x f  (x) zu konstruieren. 1.) Halbgruppentheorie Zur Anwendung der Halbgruppentheorie muss man nachprüfen, ob (I − n1 A)−1 existiert, und ob (I − n1 A)−1  ≤ 1 für ein n ∈ N; eine schon in diesem Beispiel nicht ganz leichte Aufgabe; zu untersuchen ist das Spektrum des Operators. 2.) PDE-Methode Wir analysieren die Kolmogorovsche Vorwärtsgleichung ∂ ∂t

limt↓0

pt (x, y) = ∂∂y (ypt (x, y)) + pt (x, y) = δx (y).

∂2 ∂ y2

pt (x, y)

(4.50)

Wir vermuten dass der stationäre Limes p(y) = lim pt (x, y) existiert, und unabhängig von x ist. Für die Dichte des invarianten Masses für die Diffusion X erhalten wir die Stationaritätsbedingung: ∂t∂ p(y) = 0.

4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen

177

Dann folgt aus (4.50) im Limes die Gleichung für die stationäre Dichte: p(y) + yp  (y) + p  (y) = 0. 2

Diese Gleichung hat als Lösung eine Dichte p(y) = √1 e−y /2 . 2π Diese Vorüberlegungen führen uns zu dem Ansatz mit unbestimmten Koeffizienten λ(t), ϑ(t): pt (x, y) = Hierfür erhalten wir ∂ pt (x, y) = pt (x, y) · ∂t

√ 1 2πϑ(t)



·e

−(y−λ(t)x)2 2ϑ(t)

.

 ϑ  (t) ϑ  (t)(y − λ(t)x)2 λ (t)x(y − λ(t)x) . + + 2ϑ(t) 2ϑ 2 (t) ϑ(t)

Weiter ist ∂ ∂2 (ypt (x, y)) + 2 pt (x, y) ∂y ∂y   y(y − λ(t)x) (y − λ(t)x)2 1 . = pt (x, y) 1 − + − ϑ(t) ϑ 2 (t) ϑ(t) Durch Einsetzen in (4.50) ergibt sich (y − λ(t)x)2 ϑ  (t) λ (t)x(y − λ(t)x) − + ϑ  (t) + 2ϑ(t) 2ϑ 2 (t) ϑ(t) 1 y(y − λ(t)x) (y − λ(t)x)2 + − . =1− ϑ(t) ϑ(t) ϑ(t) Koeffizientenvergleich liefert die Äquivalenz dieser Differentialgleichung mit: ϑ  (t) = −2ϑ(t) + 2 und ϑ  (t)λ(t) + 2ϑ(t)λ (t) = −2λ(t). Aus den Anfangsbedingungen folgt: ϑ(0) = 0, λ(0) = 1. Dieses impliziert die Lösung ϑ(t) = 1 − e−2t , λ(t) = e−t und damit die Übergangsdichte   1 (y − e−t x)2 . pt (x, y) = * exp − 2(1 − e−2t ) 2π(1 − e−2t ) p ist die Übergangsdichte des Ornstein-Uhlenbeck-Prozesses. 3.) SDE-Methode Zur Bestimmung des Diffusionsprozesses mit Hilfe √ von stochastischen Differentialgleichungen mit a(x) = 2, (x) = −x, ist σ (x) = 2. Zu lösen ist die stochastische Differentialgleichung: √ dX t = 2dBt − X t dt mit X 0 = 0,

178

4

Elemente der stochastischen Analysis

oder die dazu äquivalente Integralgleichung X t = x0 +

 t√  2dBs − 0

0

t

X s ds.

Deren Lösung ergibt sich aber direkt aus der Itô-Formel (vgl. Beispiel 4.63) X t = e−t x0 +

√  t −(t−u) 2 e dBu . 0

Hieraus folgt aber, dass X t normalverteilt ist: 

−t



X t ∼ N e x0 , 2

t

e

−(t−u)

0

 du

 = N e−t x0 , 1 − e−2t

und damit ergibt sich die Übergangsdichte in expliziter Form. Die SDE-Methode ist bei diesem Beispiel am einfachsten auszuführen. PDEs, infinitesimaler Erzeuger und SDEs Im Folgenden behandeln wir einige Aussagen zum Zusammenhang von PDEs, infinitesimalem Erzeuger und SDEs. Aus der Halbgruppeneigenschaft in (4.48) bzw. t der Martingaleingenschaft von f (X t , t) − f (x, 0) − 0 A f (X s , s) ds, wobei Af =

  ∂f ∂f ∂2 f bi (x) + aik (x) , + As f , As f (x) = ∂s ∂ xi ∂ xi ∂ xk i

i,k

folgt, dass u(t, x) = E x f (t, X t ) Lösung einer partiellen Differentialgleichung ist. Korollar 4.94 Ist X eine schwache Lösung der stochastischen Differentialgleichung (4.28), f ∈ C K1,2 und ist σi j beschränkt auf dem Träger supp f , dann gilt:  t

E x f (t, X t ) = f (0, x) + E x

0

∂f + As f ∂s

 (s, X s ) ds.

(4.51)

Im homogenen Fall sei für f ∈ C K2 : A f (x) = lim t↓0

E x f (X t ) − f (x) t

der infinitesimale Erzeuger. Dann folgt aus (4.51) mit Hilfe des Satzes von der majorisierten Konvergenz: 1 A f (x) = lim E x t↓0 t



t 0

A f (X s ) ds = A f (x).

4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen

179

Korollar 4.95 Seien f ∈ C K2 , X Lösung der stochastischen Differentialgleichung dX t = b(X t ) dt + σ (X t )dBt und seien b, σi, j beschränkt auf supp f . Dann folgt: A f (x) = A f (x) =

 i

bi (x)

∂f 1 ∂2 f + aik (x) . ∂ xi 2 ∂ xi ∂ xk i, j

Der infinitesimale Erzeuger A des durch stochastische Differentialgleichung gegebenen Diffusionsprozesses ist identisch mit dem zugehörigen Diffusionsoperator A. Bemerkung 4.96 a) Korollar 4.95 gilt auch im nichtstationären Fall. Für f ∈ C K2 und u(t, x) := E x f (X t ) gilt: u(0, x) = f (x),

∂ u = Au. ∂t

u ist also Lösung des Cauchy-Problems. Denn 1 (E x f (X t+u ) − f (X t )) u   f (X t+u ) − f (z) (( = Ex E ( X t = z −→ E x A f (X t ) = Au(t, x), u→0 u wenn die Vertauschung von Erwartungswert und A möglich ist wie z. B. für f ∈ C K2 . Als Spezialfall ergibt sich die (eindimensionale) Wärmeleitungsgleichung ∂u 1 ∂ 2u , u(0, x) = f (x). = ∂t 2 ∂x2 Die Übergangsdichte der Brownschen Bewegung 1 p(t, x, y) = √ exp(−(x − y)2 /2t) 2ut ist eine Fundamentallösung obiger Gleichung ∂p 1 ∂2 p . = ∂t 2 ∂x2

(4.52)

180

Falls

4



Elemente der stochastischen Analysis

2

e−ax | f (x)| dx < ∞, dann ist  u(t, x) := E x f (Bt ) =

f (y) p(t, x, y) dy

1 Lösung der Wärmeleitungsgleichung (4.52). für 0 < t < 2a Analog lässt sich für d ≥ 1 die Lösung mit der multivariaten Brownschen Bewegung konstruieren. b) Korollar 4.94 gilt mit Hilfe des Optional Sampling Theorems auch für Stoppzeiten. Sei f ∈ C K2 , τ eine Stoppzeit mit E x τ < ∞, dann gilt:

 E x f (X τ ) = f (x) + E x

τ 0

A f (X s ) ds (Dynkin-Formel).

(4.53)

Beispiele für den Zusammenhang mit PDE: $ $ 2 Sei A der semi-elliptische Differentialoperator A = ai j (x) ∂ x∂i ∂ x j + bi ∂∂xi , wobei a = (ai j ) ≥ 0 positiv semidefinit ist. 1) Dirichlet-Problem Sei D ⊂ Rd ein beschränktes Gebiet und betrachte das Dirichlet-Problem auf D ' Au = 0 in D (4.54) (D) u = f auf ∂ D für eine stetige Funktion f ∈ C(∂ D). Zur Konstruktion einer Lösung dieses Problems sei X eine Itô-Diffusion d. h. Lösung von dX t = b(X t ) dt + σ (X t )dBt ,

1 T σ σ = a. 2

Wir definieren in Analogie zum Fall der Brownschen Bewegung für das klassische Dirichlet-Problem: u(x) := E x f (X τ D ), mit τ D = inf{t; X t ∈ ∂ D}. Unter der Annahme dass Px (τ D < ∞) = 1, x ∈ D, d. h. X verlässt das Gebiet D in endlicher Zeit, folgt E x τ D < ∞, ∀ x ∈ D. Damit folgt wie im klassischen Fall: u ist eindeutige L¨osung des Dirichlet-Problems (D). Der Eindeutigkeitsbeweis aus Bemerkung 4.16 b) mit Hilfe der Itô-Formel überträgt sich analog. Damit ist u eindeutige Lösung des Dirichlet-Problems. Hinreichend für die Existenz einer Lösung ist die Bedingung ∃ i : inf aii (x) > 0 x∈D

4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen

181

Diese Bedingung impliziert insbesondere, die Elliptizitätsbedingung, A > 0. Sie folgt aus der uniformen Elliptizität: x ) A(x)x ≥ δ|x|2 . 2) Cauchy-Problem Sei f = f (x), g = g(t, x) ≥ 0, und sei v ∈ C 1,2 polynomial beschränkt in x und Lösung der parabolischen Differentialgleichung ' d − ∂v ∂t + kv = At v + g in [0, T ] × R v(T , x) = f (x).

(4.55)

Die parabolische Differentialgleichung (4.55) hat zeitabhängige Koeffizienten, einen Potentialterm k und eine Lagrangeterm g. Die Lösung v hat die FeynmanKac-Darstellung !



v(t, x) = E t,x f (X T ) exp  +

 − t

T

g(s, X s ) exp

t

T

 k(u, X u ) du



 −

T

"

k(u, X u ) du ds .

t

Im Spezialfall der Kolmogorov-Rückwärtsgleichung mit g = k = 0 gilt v(t, x) = E t,x f (X T ) = E( f (X T ) | X t = x). Als Konsequenz der Feynman-Kac-Darstellung ergibt sich insbesondere die Eindeutigkeit der Lösung. Der Beweis dieser Darstellung folgt durch Anwendung der Itô-Formel auf  v(s, X s ) exp



s



 k(u, X u ) du .

t

Die Lösung von parabolischen Differentialgleichungen der Form (4.55) steht also in eindeutiger Beziehung zur Bestimmung von Erwartungswerten für Funktionen von Diffusionsprozessen. 3) Poisson-Gleichung Sei D ⊂ Rd ein beschränktes Gebiet. Die Poisson-Gleichung ist eine Verallgemeinerung des Dirichlet-Problems. Sie lautet ' (P)

1 2 u

= −g in D u= f auf ∂ D.

Die Poisson-Gleichung (P) hat die Lösung hat Lösung  u(x) = E x

 f (Bτ D ) +

0

τD

 g(Bt ) dt , x ∈ D.

(4.56)

182

4

Elemente der stochastischen Analysis

Allgemein lassen sich für einen Diffusionsoperator A Lösungen für Gleichungen der Form ' Au = −g in D u= f auf ∂ D in der Form (4.56) erhalten, wobei die Brownsche Bewegung B durch einen Diffusionsprozess X zu ersetzen ist und E x τ D < ∞, x ∈ D vorausgesetzt wird.

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Schon im Einführungskapitel 1 wird in nicht-technischer Weise eine Einführung in die Grundprinzipien der Theorie arbitragefreier Preise, des Hedging-Prinzips und des risikoneutralen Preismaßes gegeben, die von der Binomialpreisformel durch Approximation auf die Black-Scholes-Formel führt. Das dazu notwendige Bindeglied von Prozessen in diskreter Zeit (Binomialmodell) zu solchen in stetiger Zeit (Black-Scholes-Modell) wird durch Approximationssätze für stochastische Prozesse in Kap. 2 gegeben. Sätze dieses Typs erlauben eine Interpretation der stetigen Finanzmarktmodelle mit Hilfe von einfachen diskreten Modellen wie z. B. dem Cox-Ross-Rubinstein-Modell. Kap. 5 führt in die Grundlagen der allgemeinen arbitragefreien Bepreisungstheorie ein. Grundlegend sind das erste und zweite Fundamentaltheorem der Asset Pricing und die zugehörige risikoneutrale Bewertungsformel, die auf der Bewertung mittels äquivalenter Martingalmaße basiert. Für deren Konstruktion erweist sich der Satz von Girsanov als sehr nützlich. Für die Standardoptionen lassen sich damit auf einfache Weise die entsprechenden Preisformeln (Black-Scholes-Formeln) ermitteln. Die Bestimmung der zugehörigen HedgingStrategien führt im Black-Scholes-Modell (geometrische Brownsche Bewegung) auf eine Klasse von partiellen Differentialgleichungen, den Black-Scholes-Differentialgleichungen, zurückgehend auf die grundlegenden Beiträge von Black und Scholes sowie die Verbindung mit stochastischem Kalkül von Merton in 1969. Dieses führte in der Periode 1979–1983 zur Entwicklung einer allgemeinen Theorie der arbitragefreien Bepreisung für zeitstetige Preisprozesse und der dazu wichtigen Rolle der äquivalenten Martingalmaße durch Harrison, Kreps und Pliska. Zentrale Themen dieser allgemeinen Theorie sind die Vollständigkeit und Nichtvollständigkeit von Marktmodellen, die Bestimmung zugehöriger arbitragefreier Preisintervalle über die äquivalenten Martingalmaße und der entsprechenden Sub- bzw. Super-Hedging-Strategien (optionaler Zerlegungssatz).

5.1

Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

Wir betrachten ein zeitkontinuierliches Finanzmarktmodell mit Zeithorizont T und zwei Wertpapieren, einer risikolosen Anleihe (bond) St0 und einem risikobehafteten Wertpapier (stock) St (Abb. 5.1).

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5_5

183

184

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Abb. 5.1 Finanzmarktmodell, stock und bond

Die allgemeine Aufgabe der Finanzmathematik besteht darin, die Wertentwicklung des stocks im Vergleich zu dem bond zu beschreiben und insbesondere für Funktionale des stocks (Optionen) einen korrekten‘ Preis zu ermitteln. ’ Beispiel 5.1 (Black-Scholes-Modell) Beim Black-Scholes-Modell wird der bond S 0 beschrieben durch dSt0 = r S0t dt d. h. St0 = er t mit einem deterministischen Zinssat z r . Der stock S ist gegeben durch eine geometrische Brownsche Bewegung, d. h. eine Lösung von dSt = St (μ dt + σ dBt ). S hat die explizite Darstellung   1  St = S0 exp σ Bt + μ − σ 2 t , t ∈ [0, T ]. 2 Das Modell der geometrischen Brownschen Bewegung hat zwei Parameter, die Volatilität σ und den Drift μ. Die log returns‘ ln SS0t von S werden durch eine Brownsche ’ Bewegung mit Drift a = μ − 21 σ 2 , und Diffusionskoeffizient σ beschrieben. Die log returns haben also unabhängige Zuwächse, nicht aber S. Der Grund für diese Modellierung ist, dass empirisch die relativen Zuwächse St − Su St St = − 1 ≈ ln Su Su Su sich für u ∼ t als unabhängig erweisen. Dieses führt dazu, dass ln SS0t als Prozess mit unabhängigen Zuwächsen modelliert wird. Deshalb ist eine natürliche Modellierung von Wertpapierprozessen durch die geometrische Brownsche Bewegung oder allgemeiner durch eine Modellierung mit exponentiellen Lévy-Prozessen St = exp(X t ) gegeben.

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

185

Ein diskretes Analogon der geometrischen Brownschen Bewegung ist das multiplikative Modell (n)

S k = S0 n

k 

(n)

Yi

i=1

= S0 exp

k 

 ln Yi(n) .

i=1

Definiert man für geeignete Konstanten u n ≥ r ≥ dn  u   (n) P Yi = n = pn , 1 − pn , dn dann approximiert S (n) das Modell der geometrischen Brownschen Bewegung S wenn  r  n( pn log u n + (1 − pn ) log dn ) = nμn ≈ a = μ − σ 2 2   und n pn log u 2n + (1 − pn ) log dn2 − μ2n ≈ σ 2 .   √σ a Diese Bedingungen sind z. B. erfüllt, wenn u n = e n , dn = u1n , pn = 21 1 + σ √ . n Dieses diskrete Modell mit einem up- und einem down-Sprung u n bzw. dn ist das klassische Cox-Ross-Rubinstein-Modell, das als Näherung für die geometrische Brownsche Bewegung in der Praxis verwendet wird. Im allgemeinen Fall wird das Marktmodell durch ein Semimartingal beschrieben. Wir führen nun einige Grundbegriffe der Optionspreistheorie ein.   Eine Handelsstrategie ,  = (t ) = ϕt0 , ϕt ∈ L(P ) ist ein vorhersehbaradaptierter Prozess bestehend aus zwei Anteilen: ϕt0 beschreibt den Anteil von bonds zur Zeit t im Portfolio‘ ’ ϕt beschreibt den Anteil von stocks zur Zeit t im Portfolio‘ ’ T Erste generelle Annahme ist, dass ϕ 0 , ϕ integrierbar sind: 0 |ϕt0 | dt < ∞, ϕ ∈ L0 (S). Der Wert des Portfolios zur Zeit t ist dann Vt () = ϕt0 St0 + ϕt St . Selbstfinanzierende Handelsstrategien In diskreter Zeit werden selbstfinanzierende Handelsstrategien n definiert durch die Eigenschaft, dass zum Zeitpunkt n nur Umschichtungen des Portfolios vorgenommen

186

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

T werden, d. h. der Wert des umgeschichteten Portfolios n+1 · Sn ist identisch mit dem Wert zur Zeit n: T nT · Sn = n+1 · Sn T ⇐⇒ Vn+1 () − Vn () = n+1 (Sn+1 − Sn ).

Der analoge Begriff in stetiger Zeit wird durch die Gleichung dVt () = ϕt0 dSt0 + ϕt dSt

t

t 0 0 ⇐⇒ Vt () = V0 () + ϕs dSs + ϕu dSu 0

0



beschrieben. Sei  :=  = (ϕ 0 , ϕ) ∈ L0 (S);  ist eine selbstfinanzierende Handelstrategie die Menge aller selbstfinanzierenden Handelsstrategien. diskontierter Preisprozess

t () := e−r t Vt () den St := e−r t St bezeichnet den diskontierten Preisprozess, V diskontierten Wert des Portfolios  zur Zeit t. Die Bezugsgröße St0 fungiert dabei als numéraire‘. ’ Lemma 5.2 Sei  = (ϕ 0 , ϕ) ∈ L0 (S), dann gilt:

t () = V0 () +  ∈  ⇐⇒ V



t

0

ϕu d Su , ∀ t > 0.

t () = e−r t Vt () gilt mit partieller Beweis „=⇒“: (für S stetig) Für  ∈  und V Integration

t () = −r V

t () dt + e−r t dVt () dV   = −r e−r t ϕt0 er t + ϕt St dt + e−r t ϕt0 d(er t )ϕt dSt   = ϕt − r e−r t St dt + e−r t dSt = ϕt d St . Es folgt also

t () = V0 () + V „⇐=“: analog

0

t

ϕu d Su 

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

187

Bemerkung 5.3 Wenn  ∈  und ϕ 0 , ϕ von endlicher Variation sind, dann gilt mit partieller Integration dVt () = d(ϕt0 St0 ) + d(ϕt St ) = ϕt0 dSt0 + St0 dϕt0 + ϕt dSt + St dϕt , da [ϕ, S] = 0, = ϕt0 dSt0 + ϕt dSt . Daraus folgt St0 dϕt0 + St dϕt = 0, d. h. die Wertänderung durch Umschichtung im bond ist identisch mit den Negativen der Wertänderung durch Umschichtung im stock. Ein Grundprinzip der Preistheorie ist das No-Arbitrage-Prinzip, das besagt, dass in einem realistischen Marktmodell‘ kein risikoloser Gewinn möglich ist. Eine grund’ legende Frage ist es, Preismodelle zu beschreiben, die dem No-Arbitrage-Prinzip genügen. Definition 5.4  ∈  heißt Arbitrage-Strategie, falls V0 () = 0, VT () ≥ 0 [P] und P(VT () > 0) > 0, d. h. es existiert ein risikoloser Gewinn aus dem Anfangswert Null. Bemerkung 5.5 (Erweitertes No-Arbitrage-Prinzip) Für ein erweitertes Portfolio bestehend aus Wertpapieren (stocks, bonds) S i und Derivaten Ci ordnen wir einer Strategie π = ((ϕ i ), (ai )) mit ϕ i Anteilen von S i , ai Anteilen von Ci , ai = ai (t, ω) den Wert   Vt (π ) = ϕt0 St0 + ϕti Sti + ai (t, ·)Ci zu. Das erweiterte No-Arbitrage-Prinzip besagt, dass in diesem erweiterten Marktmodell keine Arbitrage-Strategie existiert. Definition 5.6 Sei (S 0 , S, P) ein Marktmodell. Q ∈ M 1 (, A) heißt äquivalentes (lokales) Martingalmaß zu P, wenn: a) Q ∼ P, die Maße Q und P sind äquivalent. b) S ∈ Mloc (Q). Me = Me (P) sei die Menge der äquivalenten(lokalen) Martingalmaße. Elemente aus Me heißen auch risikoneutrale Maße.

188

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Für selbstfinanzierende Handelsstrategien und äquivalente Martingalmaße Q ∈ Me gilt

0 () +

t () = V V

0

t

ϕu d Su ∈ Mloc (Q);

der diskontierte Werteprozess ist gleich dem Anfangswert plus dem diskontierten

() nur ein lokales Martingal. Gewinnprozess aus dem stock. Im Allgemeinen ist V Die Abwesenheit von Arbitragemöglichkeiten ist eine zentrale ökonomische Anforderung an ein stochastisches Marktmodell. Schon in diskreten Modellen existieren jedoch für unendlichen Zeithorizont typischerweise Arbitragestrategien, wie man anhand von Verdoppelungsstrategien sieht. In Modellen in stetiger Zeit existieren solche Strategien schon bei endlichem Zeithorizont. Wir müssen daher die Menge der Strategien geeignet einschränken. Definition 5.7

t () ein Supermara) Für Q ∈ Me heißt  ∈  Q-regulär,  ∈ r (Q), wenn V tingal bzgl.Q ist. Sei r = Q∈Me r (Q) die Menge der regulären Handelsstrategien. b) Sei Q ∈ Me (P), dann heißt eine Handelsstrategie  ∈ b := { ∈  | ∃ c ∈

t () ≥ c, ∀ t ∈ [0, T ]} Q-zulässig, wenn V

T () ein Martingal R, so dass V bzgl. Q ist, Sei a (Q) die Menge der Q-zulässigen selbstfinanzierenden Handelsstrategien und sei a = Q∈Me (P) a (Q) die Menge der zulässigen Strategien. Bemerkung 5.8

t () ∈ Mloc (Q) und da V

t () ≥ c nach a) Es gilt b ⊆ r , denn für  ∈ b ist V

unten beschränkt ist, ist Vt () ein Supermartingal. b) Für nichtnegative Wertprozesse S i ≥ 0 reicht es auch anstelle der Beschränktn heit nach unten die schwächere Bedingung V () ≥ − i=1 ci S i mit ci ≥ 0 zu fordern. Die Existenz von äquivalenten Martingalmaßen schließt die Existenz von regulären Arbitragestrategien aus. Satz 5.9 Sei Me (P) = ∅, dann existiert keine reguläre Arbitrage-Strategie.

t () ein Beweis Sei Q ∈ Me (P),  ∈ r , dann ist der diskontierte Werteprozess V Supermartingal bzgl. Q. Daraus folgt:

T () ≤ E Q V

0 (). EQV

(5.1)

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

189

0 () = 0, V

T () ≥ 0, Angenommen  wäre eine Arbitrage-Strategie, dann wäre V aber damit gilt nach (5.1)

T () ≤ 0 also V

T () = 0[Q]. EQV

T () = 0 [P] und damit ein Widerspruch zur Definition der Daraus folgt auch V Arbitrage-Strategie.  Im diskreten Fall gilt auch die Umkehrung von Satz 5.9, d. h. No-Arbitrage ist a¨ quivalent zu Me (P) = ∅. Im stetigen Fall benötigt man eine Modifikation des No-Arbitrage-Begriffs. Definition 5.10 a)  ∈  heißt δ-zulässig, δ > 0, wenn V0 () = 0 und Vt () ≥ −δ, ∀ t ∈ [0, T ]. b) S erfüllt die NFLVR-Bedingung (No free lunch with vanishing risk) ⇐⇒ ∀ δn ↓ 0 : ∀ n ∈  die δn -zulässig sind, gilt

P

VT (n ) −→ 0.

Satz 5.11 (Erstes Fundamentaltheorem des Asset Pricing) Im Marktmodell (S 0 , S, P) sei (S, P) lokal beschränktes Semimartingal. Dann gilt: S erfüllt die NFLVR-Bedingung ⇐⇒ Me (P) = ∅ d. h. es gibt ein äquivalentes Martingalmaß. Beweis „⇐=“ Wie in Satz 5.9. „=⇒“ Beweisidee 1) Im ersten Schritt Reduktion auf beschränkte Semimartingale mit Hilfe eines Change of Numeraire‘ Argumentes unter Verwendung des Satzes von Girsanov. ’ 2) Approximation durch diskretes Semimartingalmodell. 3) Im dritten Schritt wird mit dem Trennungssatz von Hahn-Banach ein äquivalentes Martingalmaß konstruiert (vgl. Delbaen und Schachermayer (2006)).  Bemerkung 5.12 Im Fall allgemeiner (nicht lokal beschränkter) Semimartingale muss die Klasse Me (P) der äquivalenten Martingalmaße durch die Klasse Mσ (P) der äquivalenten σ -Martingalmaße ersetzt werden. Ein d-dimensionales Semimartingal S in Md heißt σ -Martingal bzgl. Q wenn ein ϕ in L(P ) mit Werten in R+ existiert, so dass ϕ · S = (ϕ · S i ) ∈ M(Q).

(5.2)

190

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Es gilt nun die folgende Charakterisierung der NFLVR-Bedingung durch die Existenz eines äquivalenten σ -Martingalmaß (ESMM) (vgl. Delbaen und Schachermayer (1998)): Satz 5.13 ((Allgemeines) Erstes Fundamentaltheorem des Asset Pricing:) Sei S ∈ S d , dann sind äquivalent: 1. (ESMM): ∃ Q ∼ P : S ∈ Mσ (Q) 2. (NFLVR): S erfüllt die NFLVR-Bedingung. Insbesondere gilt, dass Mloc ⊂ Mσ . Wir zeigen nun als Anwendung des Satzes 5.11, dass das Black-Scholes-Modell der geometrischen Brownschen Bewegung arbitragefrei ist. 2 Sei also St = e−r t St = S0 e X t mit X t = σ Bt + (μ − r − σ2 )t, Volatilität σ 2 und 2

Drift μ − r − σ2 . Um zu zeigen, dass S arbitragefrei ist, zeigen wir, dass es ein äquivalentes Martingalmaß gibt. Proposition 5.14 Definiere Q ∈ M 1 (, A) durch die Radon-Nikodým-Dichte   r −μ (r − μ)2 dQ T . := L T = exp BT − dP σ 2σ 2 Dann gilt: a) S ∈ M(Q) d. h. Q ∈ Me (P). 2 b) (X , Q) ist eine Brownsche Bewegung mit Drift − σ2 und mit der Volatilität σ 2 . Beweis B ist eine Brownsche Bewegung bzgl. P und L ist das exponentielle Martingal. Daher folgt nach dem Satz von Girsanov: r −μ t ist eine Brownsche Bewegung bzgl. Q. σ   σ2 σ2 t = σ Bt − t X t = σ Bt + μ − r − 2 2 B t := Bt −

2

ist also eine Brownsche Bewegung mit Volatilität σ 2 und mit Drift − σ2 bzgl. Q. Daraus folgt aber

St = S0 eσ B t − und damit ist S ∈ M(Q).

σ2 2 t

ist exponentielles Martingal bzgl. Q, 

Es gibt also im Black-Scholes-Modell keine reguläre Abitrage-Strategie im erweiterten Sinne.

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

5.1.1

191

Risikoneutrale Bewertung von Optionen

Eine Option ist ein messbares Funktional des Prozesses, d. h. ein Element aus L(AT ). Die Basisoptionen C = (ST − K )+ = European Call

und

C = (K − ST )+ = European Put

heißen Vanilla-Optionen. Bei den europäischen Optionen kann das (erworbene) Kauf-Verkaufrecht nur zum Ende der Laufzeit (Gültigkeit) der Option ausgeübt werden, hier zur Zeit T . Dagegen können „amerikanische Optionen“, wie z. B. ein American Call C = (Sτ − K )+ bzw. American Put C = (K − Sτ )+ , während der ganzen Laufzeit zu einer beliebigen Stoppzeit τ ausgeübt werden. Definition 5.15 a) Eine Option C ∈ L(AT ) heißt duplizierbar ⇐⇒ ∃  ∈ r : VT () = C. Jedes solche  heißt Hedge von C. b) Ein Hedge  von C heißt zulässig oder Martingal-Hedge für C, falls  ∈ a , d. h.

() ∈ M(Q). ∃ Q ∈ Me (P) mit V c) C heißt stark hedgebar, wenn es einen Martingal-Hedge von C gibt. Bemerkung 5.16 Ist  zulässige Hedge-Strategie von C, dann ist

T () = e−r T C ∈ L1 (Q). V Für das Folgende ist nun von grundlegender Bedeutung, dass zwei zulässige HedgeStrategien für eine Option C dieselben Anfangskosten verursachen. Proposition 5.17 Seien , ∈ a zulässige Hedge-Strategien der Option C, dann gilt: V0 () = V0 ( ). Beweis Seien Q i ∈ Me (P) und  ∈ a (Q 1 ), ∈ a (Q 2 ) und seien x := V0 (), y := V0 ( ) die Anfangskosten dieser Strategien. Dann gilt:  

T ( ) = E Q 1 V

T () − V

T () − E Q 1 V

T ( ). 0 = E Q1 V      

=C

=C

192

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

T () = E Q 1 V

0 () = x. Es ist aber E Q 1 V

( ) ein Supermartingal bzgl. Q 1 . Daraus folgt Weiter ist ∈ r , und daher ist V

T ( ) ≤ E Q 1 V

0 ( ) = y. E Q1 V Insgesamt ergibt sich

T () − E Q 1 V

T ( ) ≥ x − y. 0 = E Q1 V Also ist x ≤ y. Umgekehrt erhält man analog y ≤ x und damit x = y.



Bemerkung 5.18 a) Allgemeiner gilt für zulässige , : VT () ≥ VT ( ) impli ziert Vt () ≥ Vt ( ), 0 ≤ t ≤ T . b) Sind , ∈ a (Q) Martingal-Hedges von C mit demselben Martingalmaß Q, dann gilt auch ohne die Annahme der Regularität V0 () = V0 ( ). Nach diesen Vorbereitungen können wir nun als Konsequenz aus dem No-ArbitragePrinzip den grundlegenden No-Arbitrage-Preis einführen. Definition 5.19 (No-Arbitrage-Preis) Sei Q ∈ Me (P), C ∈ L1 (AT , Q) ein Claim. Ist  ∈ a (Q) eine zulässige Hedge-Strategie von C, dann heißt p(C) := V0 () = ϕ00 S00 +ϕ0 S0 .  =1

No-Arbitrage-Preis (Black-Scholes-Preis) von C (zur Zeit t). p(C, t) := Vt () = ϕt0 er t + ϕt St0 heißt No-Arbitrage-Preis zur Zeit t. Bemerkung 5.20 a) Nach Proposition 5.17 ist der No-Arbitrage-Preis eines hedgebaren Claims eindeutig definiert. Sind Q 1 , Q 2 ∈ Me (P) und C ∈ L1 (Q 1 ) ∩ L1 (Q 2 ) mit zulässigen Hedge-Strategien , , dann ist V0 () = V0 ( ). Also ist p Q 1 (C) = p Q 2 (C) unabhängig von Q i definiert. Der No-Arbitrage-Preis ist also definiert für stark hedgebare Claims C ∈ L(AT ), d. h. es existiert ein Q ∈ Me (P) und ein  ∈ a (Q), so dass C = VT ().

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

193

b) Ökonomische Begründung des No-Arbitrage-Preises Das verallgemeinerte No-Arbitrage-Prinzip, das auch nicht hedgebare Claims mit ihren Preisen einbezieht, besagt, dass in einem realistischen Marktmodell kein risikoloser Gewinn möglich ist. Wäre der Preis p(C) einer hedgebaren Option C ungleich dem No-ArbitragePreis V0 (), p(C) = V0 (), so ergäbe sich ein risikoloser Gewinn: Falls p(C) < V0 (), dann besteht eine risikolose Gewinnstrategie aus folgenden Schritten: 1.) shortselling (Leerverkauf) vom Aktienportfolio, 2.) Kauf der Option C, 3.) Differenz risikolos anlegen. Diese Strategie führt zu risikolosem Gewinn. Falls p(C) > V0 (), dann führt die analoge duale Strategie zu risikolosem Gewinn: 1.) shortselling vom Claim, 2.) Kauf vom Aktienportfolio, 3.) Differenz risikolos anlegen. Es ergibt sich wieder ein risikoloser Gewinn im Gegensatz zum No-ArbitragePrinzip. Eine äquivalente Formulierung des No-Arbitrage-Prinzips ist: Zwei Finanzinstrumente mit gleicher Auszahlung zur Zeit T sind gleich teuer zur Zeit t, ∀ t ≤ T . Von fundamentaler Bedeutung ist die folgende risikoneutrale Bewertungsformel. Der No-Arbitrage-Preis kann als Erwartungswert bzgl. eines äquivalenten Martingalmaßes bestimmt werden ohne Hedge-Strategien explizit bestimmen zu müssen. Satz 5.21 (Risikoneutrale Bewertungsformel) Sei Q ∈ Me (P) und C∈L(AT , Q) eine duplizierbare Option mit zulässigem hedge  ∈ a (Q). Dann gilt:

C

= e−r T C. p(C) = E Q C,

| At ). Allgemeiner gilt: p(C, t) = e−r (T −t) E Q (C | At ) = er t E Q (C Bemerkung 5.22 Der Erwartungswert ist bzgl. dem Martingalmaß Q, aber nicht bzgl. dem zugrundeliegenden Modellmaß P zu bestimmen. Es stellt sich aber heraus, dass sich reale Märkte ‘approximativ’ wie risikoneutrale Märkte verhalten. Um den Preis einer Option zu berechnen braucht man nicht die Hedge-Strategie zu kennen.

194

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Beweis Sei  ∈ a (Q) eine Hedge-Strategie von C. Dann ist

VT () = V0 () +

0

T

ϕs dSs +

0

T

ϕs0 dSs0 = C.

Äquivalent dazu ist

T () = V0 () + V

0

T

(vgl. Lemma 5.2). ϕd S=C

Nun ist

t () = V0 () + V

0

t

ϕu d Su ∈ M(Q), da  zul¨assig bzgl. Q.

Daraus folgt

= EQV

T () = E Q V0 () = V0 () = p(C). EQC Ebenso folgt

t = er t E Q (V

T () | At ) p(C, t) = Vt () = er t V = er t E Q (C | At ).



Grundfragen 1.) Für welche Modelle ist jeder Claim stark hedgebar? Diese Fragestellung führt auf den Begriff des vollständigen Marktmodells. 2.) Wie ist eine sinnvolle Preisbestimmung für nicht hedgebare Claims möglich? Mit dem No-Arbitrage-Prinzip erhält man in allgemeinen (nicht vollständigen) Modellen nur ein Intervall verträglicher Preise. Dieses sogenannte No-ArbitrageIntervall werden wir im Folgenden genauer beschreiben. Proposition 5.23 (triviale Preisschranken) Sei Me (P) = ∅, S ≥ 0, K ≥ 0, und sei C := (ST − K )+ ein European Call. Dann gilt für jeden No-Arbitrage-Preis p(C) im Sinne des verallgemeinerten No-Arbitrage-Prinzips: (S0 − K )+ ≤ p(C) ≤ S0 . Beweis Falls p(C) > S0 , dann betrachte die folgende Strategie: 1.) Zur Zeit t = 0 kaufe Aktie, 2.) Leerverkauf der Option C und 3.) Anlage der Differenz risikolos in bonds.

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

195

Zur Zeit t = T ist der Wert der Aktie ST ≥ (ST − K )+ . Der Gewinn ist dann > 0 wegen der risikolosen Anlage der Differenz in bonds. Falls 0 ≤ p(C) < (S0 − K )+ , dann ergibt ein analoges Argument wieder einen risikolosen Gewinn.  Bemerkung 5.24 Forwards sind OTC-Kontrakte (OTC – over the counter), d. h. Verträge zwischen Parteien, die nur bei Vertragsabschluss zusammenkommen. Börsenhandel ist im weiteren Verlauf bis zur Fälligkeit nicht vorgesehen. Es gibt zur Bewertung von Forwards kein No-Arbitrage-Argument mit Handelsstrategien. Mit dem erweiterten No-Arbitrage-Prinzip lässt sich jedoch in analoger Weise eine Bewertung vornehmen. Beispiel: Zwei Parteien, die eine erhält zur Zeit T Basispapier S 1 , die andere erhält zur Zeit T den Forwardpreis K . K sei so gewählt, dass der Vertrag zur Zeit 0 nichts kostet. Die Auszahlung bei Fälligkeit beträgt C := ST1 − K zur Zeit T aus Sicht von Partei 1. Die Finanzierung geschieht durch das Basispapier und einer in T fälligen Anleihe, d. h. ein Wertpapier S 0 , das zur Zeit T den Wert 1 auszahlt (ein frei gehandelter zero coupon bond). Das konstante Portfolio ϕ = (ϕ 0 , ϕ 1 ) = (−K , 1) hat bei Fälligkeit den Wert C. Der Anfangswert dieses Portfolios ist V0 () = −K S00 + S01 . Aus dem erweiterten No-Arbitrage-Prinzip folgt für den fairen Preis‘: ’ V0 () = 0 oder a¨ quivalent: K =

S01

S00

ist eindeutiger fairer

Forwardpreis f u¨ r das Basispapier S 1 . Für das Black-Scholes-Modell lassen sich alle Optionen eindeutig mit dem NoArbitrage-Preis bewerten. Satz 5.25 Im Black-Scholes-Modell mit Zinsrate r und äquivalentem Martingalmaß Q gilt: a) Jeder Claim C ∈ L1 (AT , Q) ist stark hedgebar. b) ∀ C ∈ L2 (AT , Q) existiert genau ein Martingal-Hedge von C. Beweis Der diskontierte Preisprozess S hat die Darstellung

St = e−r t St = S0 eσ B t −

σ2 2 t

,

wobei B eine Brownsche Bewegung bzgl. Q ist und A B = A B . Für C ∈ L1 (AT , Q)

t = E Q (C|A

t ), das von C

= e−r T C erzeugte Martingal, gilt dann nach und mit C

196

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

dem Martingaldarstellungssatz: ∃ f s ∈ L0 (B) (∃ ! f ∈ L2 (B), falls C ∈ L2 (Q)), so dass

t

Ct = E Q C + f s dB s . 0

Es gilt d St = σ St d B t , denn S ist exponentielles Martingal bzgl. Q. Wir definieren:

t ft

+ ϕt := , ϕt0 := E Q C f s dB s − ϕt St und  := (ϕ 0 , ϕ). σ St 0 Dann ist  ∈ a (Q) ein zulässiger hedge von C, denn:

0 () = ϕ 0 + ϕ0

nach Definition von ϕ 0 . 1) V S0 = E Q C 0

t ∈ M(Q), denn

t () = C 2) V

t = e−r t Vt () = e−r t (ϕt0 er t + ϕt St ) = ϕt0 + ϕt V St

t

+

+ = EQC f s dB s − ϕt St + ϕt St = E Q C 0

0 2

t

f s dB s

t ∈ Mc (Q), und V

t ∈ M2c (Q), falls C ∈ L (AT , Q). =C

() ist also ein stetiges Martingal. V

t () = C

t ∈ M(Q) für C ∈ L1 (AT , Q). 3)  ist regulär, denn V

folgt aus der 4)  ist selbstfinanzierend, denn mit Hilfe obiger Darstellung von V Doléans-Dade-Gleichung für S

t () = V0 () + V



t

0

= V0 () +

f s dB s

0

= V0 () +

t

0

fs σ Ss dB s σ Ss    d Ss

t

ϕs d Ss .

Also ist  nach Lemma 5.2 selbstfinanzierend.

T () = C

T = C

und daher folgt 5)  ist ein Martingal-Hedge für C, denn V VT = C. Aus 1) bis 5) folgt:  ∈ a (Q). Die Eindeutigkeitsaussage in b) folgt aus der entsprechenden Eindeutigkeitsaussage für die Brownsche Bewegung. 

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

197

Als Konsequenz des obigen Satzes erhalten wir: Jeder contingent claim C ∈ L1 (Q) im Black-Scholes-Modell ist stark hedgebar. Diese Aussage gilt analog auch für nach unten beschränkte claims C ≥ c. Insbesondere lässt sie sich auf das Beispiel des „European Call“ anwenden. Sei C = (ST − K )+ ein European Call mit Strike K und Laufzeit T . Als Konsequenz aus der risikoneutralen Bewertungsformel in Satz 5.21 ergibt sich die klassische Black-Scholes-Formel für die Bewertung einer European-Call-Option. Satz 5.26 (Black-Scholes-Formel) Der No-Arbitrage-Preis eines European Calls C = (ST − K )+ mit strike K und Laufzeit T ist gegeben durch p(C) = E Q e−r T C = S0 (d1 ) − K e−r T (d2 ) =: p(S0 , T , K , σ ). Dabei ist  die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung N (0, 1), d2 :=

log

S0 K

+ (r − √ Tσ T

σ2 2 )

√ und d1 := d2 + σ T .

Beweis Mit der risikoneutralen Bewertungsformel in Satz 5.21 gilt für den No-Arbitrage-Preis p(C) σ2

p(C) = E Q e−r T (ST − K )+ = E Q e−r T (S0 eσ B T +(r − 2 )T − K )+  σ2  = E Q e−r T (S0 e Z − K )+ mit Z := σ B T + r − T. 2 2

Z ist normalverteilt, Q Z = N ((r − σ2 )T , σ 2 T ). Allgemein gilt für eine normalverteilte Zufallsvariable Z ∼ N (a, γ 2 ) die folgende Formel: E(be Z − c)+ = bea+

γ2 2

 

log bc + a + γ 2 γ

Daraus folgt durch Spezialisierung die Behauptung.



 − c

 log bc + a . γ 

Bemerkung 5.27 a) Analog ergibt sich für den Preisprozess p(C, t) = p(St , T − t, K , σ ). Zum Nachweis ersetze in obiger Formel S0 durch St , T durch die Restlaufzeit T − t. b) Approximationsformel Für die Berechnung der Black-Scholes-Formel wird in der Praxis eine (sehr gute) Approximation der Verteilungsfunktion  verwendet: 1 (x) ≈ 1 − ϕ(x)(a1 k + a2 k 2 + · · · + a5 k 5 ), wobei k := 1+γ x , γ = 0.23167, a1 = 0.31538, a2 = . . . Diese Approximation liefert eine sechsstellige Genauigkeit für den Preis p.

198

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Mit folgender Call-Put-Parität ergibt sich der No-Arbitrage-Preis für die EuropeanPut-Option. Proposition 5.28 (Call-Put-Parität) Seien cT := p((ST − K )+ ) und pT := p((K − ST )+ ) die Preise vom European Call und Put. Dann gilt: pT = cT − S0 + K e−r T . Beweis Es gilt: (K − ST )+ = (ST − K )+ − ST + K . Daher folgt aus der No-Arbitrage-Bewertungsformel mit dem äquivalenten Martingalmaß Q pT = p((K − ST )+ ) = E Q e−r T (K − ST )+ = E Q e−r T (ST − K )+ − E Q e−r T ST +K e−r T    S0

= cT − S0 + K e

5.1.2

−r T

.



Diskussion der Black-Scholes Formel

a) Dividendenzahlungen Eine Faustregel für Kursänderungen bei Dividenenzahlungen ist: Im Anschluss an eine Dividendenzahlung in Höhe von d sinkt der Kurs um 80 % der ausgeschütteten Dividende, also um 0,8 d. Zur Bewertung kann der Aktienpreis in zwei Komponenten zerlegt werden. In eine risikofreie Komponente, die der Summe der mit 0,8 multiplizierten abdiskontierten Dividendenzahlungen entspricht; und in die verbleibenden Risikokomponente, die mit der Black-Scholes-Formel bewertet wird. b) Absicherndes Portfolio – Hedge-Strategie p(x, t, K , σ ) ∼ bezeichne den Preis für einen Call C = (ST − K )+ mit Kurswert, verbleibender (Rest-)Laufzeit t und strike K . p ist nur abhängig vom Volatilitätsparameter σ , aber unabhängig vom Driftparameter μ des Modells. Für t → 0, d. h. Restlaufzeit geht gegen Null gilt p(x, t, K , σ ) → (x − K )+ .

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

199

Die Black-Scholes-Formel p(x, t, K , σ ) = x(d1 ) − e−r t K (d2 ) lässt auch eine Interpretation als Wert eines absichernden Portfolios zu: Die erste Komponente x(d1 ) entspricht dem Wert eines Portfolios mit (d1 ) Aktienanteilen zur Zeit t, der zweite Anteil entspricht einer short position von K (d2 ) Anteilen in bonds, d. h. ((d1 ), −K (d2 )) ist ein absicherndes Portfolio für die Option C mit Restlaufzeit t. Es bleibt noch zu zeigen, dass diese Strategien selbstfinanzierend sind, d. h. ϕt0 = (d1 ), ϕt = −K (d2 )e−r (T −t) definiert eine Hedge-Strategie für den Call C. c) Die Greeks‘ ’ Im folgenden diskutieren wir die Abhängigkeit des Black-Scholes-Preises p(x, t, K , σ ) von den Parametern x = Kurswert, t = Restlaufzeit, K = strike und σ = Volatilität. Diese Beziehungen haben Bezeichnungen mit griechischen Buchstaben und heißen die Greeks‘. ’ Nützlich hierzu ist die folgende Beziehung für die Dichte ϕ der Standardnormalverteilung. Es gilt mit di = di (x, t, K , σ ) nach der Black-Scholes-Formel angegeben: xϕ(d1 ) − K e−r t ϕ(d2 ) = 0. c1) Aus (5.3) und

∂d1 ∂x

=

∂d2 ∂x

(5.3)

folgt

  ∂d1 ∂p = (d1 ) + xϕ(d1 ) − K e−r t T ϕ(d2 ) = (d1 ) > 0. ∂x   ∂x 

(5.4)

=0

Also ist p wachsend im Spotpreis x.  := ∂∂ xp heißt Delta der Option.  beschreibt den Aktienanteil im absichernden Portfolio mit Restlaufzeit t (Delta-hedging). 2 ∂d1 c2)  := ∂∂ x p2 = ∂ ∂ x = ϕ(d1 ) ∂ x > 0 heißt Gamma der Option und beschreibt die Sensitivität im absichernden Portfolio in Abhängigkeit vom Kurswert x. Der Black-Scholes-Preis p ist strikt konvex in x. c3)  ∂p σ ϕ(d2 )  = K e−r t r (d2 ) + √ > 0. ∂t 2 t

(5.5)

Der Preis p ist monoton wachsend in der Restlaufzeit t. √ ∂p = xϕ(d1 ) t > 0 heißt Lambda der Option. Der Preis p ist wachsend c4)  = ∂σ in der Volatilität σ .

200

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

c5) ∂p = K te−r t (d2 ) > 0. ∂r

(5.6)

p ist monoton wachsend in der Zinsrate r . c6) ∂p = −e−r t (d2 ) < 0, ∂K

(5.7)

p ist monoton fallend im strike K . d) Die Volatilität σ ist aus Marktdaten zu schätzen. Dazu verwendet man historische Daten, etwa die Daten der letzten 30–180 Handelstage. Sei nun σ die implizite Volatilität, d. h. die Lösung der Gleichung p(x, t, K , σ ) = p wobei p den aktuellen Marktpreis bezeichnet. Dann sollte, wenn das Black-ScholesModell den Markt korrekt beschreibt, σ unabhängig vom strike K der gehandelten Optionen sein. Tatsächlich beobachtet man bei empirischen Daten aber eine Abhängigkeit in Form eines Smiles‘ (vgl. Abb. 5.2), ein Indiz dafür, dass das Black’ Scholes-Modell die Aktienpreise nicht korrekt beschreibt, insbesondere, dass es die Tailwahrscheinlichkeiten unterschätzt: Für x ≈ K (at the money) ist σ < σ , für x  K und x  K (out of the money) ist σ > σ . Das heißt, dass Aktien mit einem strike K  x oder K  x teurer gehandelt werden, als im Black-Scholes-Modell angegeben. Das BS-Modell unterschätzt die großen Sprünge der Kurse, d. h. die Tails der Verteilungen.

Abb. 5.2 Smile Effect

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

201

e) Beispiele für Optionen Die Basis-Optionen (vanilla options) sind der European Call und Put. Mit Hilfe dieser Basis-Optionen lassen sich durch einfache Kombinationen eine Fülle weiterer Optionen (Derivate) konstruieren und bewerten. e1) European Call: (ST − K )+ = f (ST ) Sei c = cT der No-Arbitrage-Preis, dann ist der Gewinn des Käufers VT = f (ST ) − cT von der nebenstehenden Form. Ein Call liefert also bei ansteigendem Kurs des zugrunde liegenden Wertpapiers einen Gewinn.

e2) European Put: f (ST ) = (K − ST )+ pT = cT − S0 + K e−r T ist der Preis des European Put. Damit ist der Gewinn des Käufers VT = f (ST ) − pT von der nebenstehenden Form. Ein Put bringt somit bei fallenden Kursen des zugrunde liegenden Wertpapiers einen Gewinn.

202

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

e3) Ein straddle ist eine Kombination aus einem Call und einem Put mit gleichem strike K . Die Kosten des straddle sind c = cT + pT und mit f (ST ) = |ST − K | ist der Gewinn VT von der nebenstehenden Form. Ein straddle liefert also einen Gewinn, wenn eine größere Änderung des Preises in unbekannter Richtung erwartet wird.

e4) Ein strangle ist eine Kombination von einem Call und einem Put mit verschiedenen strikes. Dieses führt zum Gewinn VT = (ST − K 2 )1(ST >K 2 ) + (K 1 − ST )1(ST K 1 . Dies führt zu einem Gewinnprofil der Form VT = (K 2 − K 1 )1(ST ≥K 2 ) + (ST − K 1 )1(K 1 2z − x)     2z − x x . = √ −1+ √ t t

Daraus ergibt sich: ⎧ ⎪ ⎨1,   x > z, x 2z−x P(Bt ≤ x|Mt < z) = ( √ ) − 1 +  √ t t ⎪ ⎩ , x ≤ z. P(Mt < z)

206

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Diese bedingte Verteilung hat die Dichte     2z − y  y 1 ϕ √ −ϕ √ , h(y) = √ t P(Mt < z) t t

y ≤ z.

Damit ergibt sich

P(X t ≤ x, Z t < z) =

f (y)h(y) dy P(Mt < z)

mit a2

f (y) = 1(−∞,x] (y)eay− 2 t   

z  2z − y  a2 y 1 1(−∞,x] (y)e−ay− 2 t dy = √ ϕ √ −ϕ √ t t t −∞

z  y2 a2 1 (2z − y)2  = eay− 2 t √ dy e− 2t − e 2t 2π t −∞  x − 2z − at   x − at  − e2az  . = √ √ t t



Satz 5.31 (Preis einer Barrier-Option) Der No-Arbitrage-Preis der Barrier-Option CB = (ST − K )+ 1 inf

0 ≤ t ≤ T St > B



im Black-Scholes-Modell ist p(C B ) = E Q e−r T C B = p(S0 , T , K , σ ) −

e2αβ p(S0 , T , γ K , σ ). γ

σ r Dabei ist p der Black-Scholes-Preis des European Call, α := − , β := log 2 σ  2 S0 . und γ := B



S0 B



σ2 )t 2 bzgl. Q, mit einer Brownschen Bewegung Beweis Es ist St = S0 e (B, Q). Damit folgt nach Proposition 5.30 σ B t + (r −

EQ

e−r T (S 

T 





− K )+ 1{inf t≤T 

=: f (ST )

f (ST )dQ − e2αβ f St >B} = {ST >B} {ST >B} = E Q e−r T (ST − K )+ − = p(S0 , T , K , σ ) −



 ST dQ γ

e2αβ E Q e−r T (ST − γ K )+ γ

e2αβ p(S0 , T , γ K , σ ). γ

1 σ

5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

207

Für die zweite Gleichheit wurde dabei verwendet Q(St ≥ x, inf s≤t Ss > B) = Q(St ≥ x) − e2αβ Q( Sγt ≥ x).  Beispiel 5.32 (American Option) Ausübung zu Stoppzeiten 0 ≤ τ ≤ T . Sei Z = (Z t ) ein adaptierter Prozess und Z t die Auszahlung zur Zeit t. Die zur Auswahl stehenden Auszahlungen sind C(Z , τ ) := Z τ mit dem Wert p(C(Z , τ )). Die optimale Auszahlung ist gegeben durch p(Z ) := =

sup

p(C(Z , τ ))

τ ≤T , τ Stoppzeit sup E Q e−r τ Z τ . τ

Die Bestimmung des American Calls führt also auf ein optimales Stopp-Problem. Proposition 5.33 (American Call) Der No-Arbitrage-Preis der amerikanischen Call-Option ist identisch mit dem Preis des European Call. Es gilt also sup E Q e−r τ (Sτ − K )+ = E Q e−r T (ST − K )+

τ ≤T

= p(St , T , K , σ ). Beweis Wir zeigen, dass e−r t (St − K )+ ein Submartingal bzgl. Q ist. Die Funktion f (x) = (x − K )+ ist konvex. Also folgt nach der Jensen-Ungleichung E Q (e−r t (St − K )+ | As ) ≥ e−r t (E Q (St | As ) − K )+ = (E Q ( St | As ) − e−r t K )+ = ( Ss − e−r t K )+ ≥ e−r s (Ss − K )+ , da (x − α K )+ ≥ (x − K )+ für α ≤ 1, K ≥ 0. Daraus folgt, dass e−r t (St − K )+ ein Submartingal ist. Für alle Stoppzeiten τ ≤ T gilt daher nach dem Optional Sampling Theorem E Q e−r τ (Sτ − K )+ ≤ E Q e−r T (ST − K )+ . Der Preis des American Call ist also identisch mit dem Preis des European Call.  Für den American Put ist der Preis allerdings von dem des European Put verschieden. Um einen Eindruck von dem Preis eines American (oder European) Put zu erhalten, betrachten wir ein Beispiel aus Geske und Johnson (1984) mit dem Zeitraum T = 7 Monate, S0 = 40A C, dem strike K = 45, der Zinsrate r = 4,88 % und der Volatilität σ = 0,3. Die Black-Scholes-Formel ergibt in diesem Fall den Preis des Europäischen Puts p E (C) = 5,97 A C, der Preis des amerikanischen Puts hingegen liegt bei p A (C) = 6,23 A C.

208

5.1.3

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Hedging-Strategien und partielle Differentialgleichungen

Für den European Call hatten sich als Konsequenz aus der Black-Scholes-Formel ein absicherndes Portfolio für den Call ergeben: p(x, t, K , σ ) = x (d1 (x, t, K , σ )) −e−r t K (d2 (x, t, K , σ )) .       =:h(x,t)= ∂∂ xp =

=:g(x,t)

t ist dabei die Restlaufzeit (zu ersetzen durch T − t für den Preis zur Zeit t). h(x, t) = ∂p ∂ x =  das Delta der Option gibt den Anteil von Aktien im absichernden Portfolio an. In der folgenden Proposition geben wir allgemeine Bedingungen dafür an, dass eine Handelsstrategie (h(St , t), g(St , t)) selbstfinanzierend ist. Proposition 5.34 Im Black-Scholes-Modell seien h, g ∈ C 2,1 Lösungen der Differentialgleichung  xh x + er t gx =0 (5.8) 1 2 2 r t g = 0. σ x h + xh + e x t t 2 Sei ϕ := h(St , t), ϕt0 := g(St , t). Dann ist die Handelsstrategie  = (ϕ 0 , ϕ) selbstfinanzierend, d. h.  ∈ . Beweis Definiere f (x, t) = g(x, t)er t + xh(x, t), dann ist Vt = Vt () = f (St , t). Mit der Itô-Formel folgt daraus 1 dVt = f x (St , t)dSt + f t (St , t) dt + f x x (St , t)dSt 2   1 = f x (St , t)dSt + f t (St , t) + f x x (St , t)σ 2 St2 dt. 2 Zu zeigen ist die Selbstfinanzierungsbedingung: dVt = h(St , t) dSt + r er t g(St , t) dt. Also zu zeigen ist: f x = h, f t + 21 f x x σ 2 x 2 = r er t g. 1.) f x = h + xh x + er t gx = h unter Verwendung von (5.8).    2.) f t +

=0 1 2x2 = f σ x x 2

xh t + gt er t + rger t + 21 σ 2 x 2 h x nach 1) = rger t nach Voraussetzung.

Daraus folgt: Die Handelsstrategie  ist selbstfinanzierend.



5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung

209

Bemerkung 5.35 Obige Bedingungen in (5.8) an g, h gelten für das absichernde Portfolio im Black-Scholes-Modell für Europäische Optionen. Daraus folgt: Die Delta-Hedge-Strategie ist selbstfinanzierend und somit zulässige Hedge-Strategie. Allgemeiner liefert der folgende Satz für Optionen des Typs C = f (ST , T ) einen analytischen Zugang zur Bestimmung selbstfinanzierender Handelsstrategien. Satz 5.36 (Black-Scholes-Differentialgleichung) Im Black-Scholes-Modell sei f ∈ C 2,1 Lösung der Black-Scholes-Differentialgleichung 1 2 2 σ x f x x + r x f x + f t − r f = 0. 2

(5.9)

Seien g := e−r t ( f − x f x ), h := f x , dann ist  = (ϕ 0 , ϕ) mit ϕt0 := g(St , t), ϕt := h(St , t). selbstfinanzierend mit Werteprozess Vt = f (St , t). Beweis Der Werteprozess Vt () hat die Form Vt () = g(St , t)er t + h(St , t)St = ( f (St , t) − St f x (St , t)) + f x (St , t)St = f (St , t). Zum Nachweis von  ∈  weisen wir die Bedingungen aus Proposition 5.34 nach: xh x + er t gx = x f x x + er t (e−r t ( f x − f x − x f x x )) = 0 und 1 2 2 σ x h x + xh t + er t gt 2 1 = σ 2 x 2 f x x + x f xt + er t (−r )e−r t ( f − x f x ) + er t e−r t ( f t − x f xt ) 2 1 = σ 2 x 2 f x x + x f xt − r f + r x f x + f t − x f xt 2 1 = σ 2 x f x x − r f + r x f x + ft = 0 2 nach der Black-Scholes-Differentialgleichung. 

Konsequenz Um eine Option C = f (ST , T ) zu bewerten und zu hedgen sind folgende Schritte nötig:

210

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

1) Löse die Black-Scholes-Differentialgleichung (5.9) mit Randbedingung f (x, T ). Dieses ist ein Cauchy-Randwertproblem. Dann ist der No-Arbitrage-Preis von C: p(C) = f (S0 , 0) der No-Arbitrage-Preis 2) Bestimmte die Hedge-Strategie: ϕt0 = g(St , t), ϕt = h(St , t) mit g = e−r t ( f − x f x ), h = f x aus Satz 5.36. Für die explizite Lösung der Black-Scholes-Gleichung im Fall eines European Call C = (x − K )+ = f (x, T ) wird durch eine Transformation die Black-Scholes-Gleichung in die Wärmeleitungsgleichng übergeführt. Diese kann dann explizit gelöst werden. Bemerkung 5.37 1) Obiger PDE-Ansatz für die Black-Scholes-Formel wurde in der originalen BlackScholes-Arbeit (1973) verwendet. Das elegante Martingalargument geht auf die Arbeit von Harrison und Pliska (1981) zurück. Das No-Arbitrage-Argument zur Bestimmung von Preisen wurde von Merton (1973) eingeführt. Schon kurz nach der Black-Scholes-Arbeit (seit 1973) wurden Optionen an der Börse in Chicago (CBO) gehandelt. 2) Sei nun allgemeiner C = f (X T , T ) eine Option mit Werteprozess VT = E Q (C | At ) und sei (X , Q) ein Diffusionsprozess mit infinitesimalem Erzeuger A. Sei h eine Lösung des Randwertproblems 

 ∂ + A h = 0, h(·, T ) = f (·, T ), ∂t

(5.10)

dann folgt mit der Itô-Formel:

h(X t , t) = f (X 0 , 0) +

0

t

h x (X s , s)dX s .

Daraus ergibt sich analog zu Satz 5.36: ϕsC = h x (X s , s) ist eine selbstfinanzierende Hedge-Strategie für C = f (X T , T ). Der zugehörige Werteprozess ist Vs = h(X s , s).

5.2

Vollständige und unvollständige Märkte

Wir betrachten ein Marktmodell S = (S 0 , S 1 , . . . , S k ) mit einem bond S 0 stetig, wachsend, St0 > 0, S00 = 1 und mit Semimartingalen Sti . Sei (At ) = (AtS ) die von Si S it = t0 die diskontierten stocks. (S 0 , S 1 , . . . , S k ) erzeugte Filtration und seien St

Sei ϑ = (x, π ) eine Handelsstrategie mit Anfangskapital x, π = (π 0 , . . . , π k ), i π der Anteile von Wertpapier i im Portfolio.

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

211

t gilt: ϑ heißt selbstfinanzierend, wenn für den diskontierten Werteprozess V

t (ϑ) = x + V

k

 i=1

t 0

πui d S iu .

Wir machen die generelle Annahme: Me (P) = ∅. Diese Annahme impliziert die Arbitragefreiheit des Marktmodells. Definition 5.38 Das Marktmodell S heißt vollständig, wenn für alle Q ∈ Me (P) und für alle Claims C ∈ L 1 (AT , Q) ein Martingal-Hedge ϑ ∈ a (C) existiert, d. h.

t (ϑ) ∈ M(Q) und VT (ϑ) = C. V Proposition 5.39 Sei S ∈ S k ein Semimartingalmodell, dann gilt: S ist vollständig ⇐⇒ ∀ Q ∈ Me (P),  ∀M ∈ M(Q) existiert eine Darstellung der Form k t i i 0 Mt = E Q MT + i=1 0 ϕu d S u , ϕ ∈ L ( S). ⇐⇒ ∀ Q ∈ Me (P), ∀ F ∈ L(AT , Q) existiert eine Integraldarstellung k T i i 0

= E Q F + i=1 F 0 ϕu d S u , ϕ ∈ L ( S). Beweis Der Beweis ist ähnlich wie der Beweis von Satz 4.27.

| At ). Für F ∈ L(Q, At ) sei M das zugehörige erzeugte Martingal, Mt := E Q ( F Falls F beschränkt ist, dann ist die Hedge-Eigenschaft VT (ϑ) = F äquivalent zu

Wegen der Dichtheit von B(AT ) in L 1 (AT , Q) folgt durch Appro T (ϑ) = F. V ximation die Darstellbarkeit für F ∈ L 1 (AT , Q) aus dem beschränkten Fall. Das Approximationsargument verwendet Stoppzeiten und die Stetigkeit.  Definition 5.40 C ∈ L(AT ) heißt contingent claim, wenn C ≥ 0 und ∃ Q ∈

∈ L 1 (Q). Me (P), so dass C Korollar 5.41 Ist S vollständig und C ein contingent claim, dann ist C stark hed = V

(π ). gebar, d. h. ∃ Q ∈ Me (P), ∃ π ∈ a (Q) so dass C

erzeugte Martingal, Beweis Sei Mt das von C

| At ), Mt := E Q (C

M ∈ M(Q).

Nach Proposition 5.39 hat M eine stochastische Integraldarstellung

Mt = Vt (π ) = V0 (π ) +

0

t

πu d Su .

π ist also ein Martingal-Hedge und π ist regulär, da Mt ≥ 0.



212

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Bemerkung 5.42 In vollständigen Märkten kann also allen contingent claims eindeutig ein No-Arbitrage-Preis zugeordnet werden.

= x + t πu d

T (π ) mit C

∈ L 1 (Q) gilt: Für C S = V u 0

p(C) = x = E Q C. Beispiel 5.43  (Diffusionsmodell) SeiS ein multivariantes Diffusionsmodell, so dass dSt = St  b(t, St ) dt + σ (t, St ) dBt , wobei  das komponentenweise Produkt darstellt, B = (B 1 , . . . , B k ), eine k-dimensionale Brownsche Bewegung ist und St0 = er t . Dann hat S die explizite Darstellung   t  

t 1  2  St = S0  exp bs − σi j (s) ds + σs · dBs , bs = b(s, ·). 2 0 0 j

Annahme: a(t, x) := σ (t, x) · σ (t, x)T sei positiv definit.  T   2 S u ) · dBu − 21 S u ) du das exponentielle Marf i (u, Sei RT := exp 0 f (u, tingal mit f i (u, S u ) :=

k 

(σ −1 )i j (b j (u, S u ) − r ).

(5.11)

i=1

Sei E RT = 1 und definiere dQ d P = R T . Dann folgt mit dem Satz von Girsanov: t B t := Bt − 0 f (u, S u ) du ist eine Brownsche Bewegung bzgl. Q. Nach (5.11) folgt die Beziehung: b−r ·1 = σ f, und damit d St = S  {(b − r · 1 − σ f ) dt + σ (t, St ) · dB t = S  σ (t, St ) · dB t bzgl. Q.

Also ist S exponentielles Martingal bezüglich Q, S ∈ M(Q) und A S = A B , da σ positiv definit ist. S

| A

Ist C ein contingent claim, C ∈ L 1 (AT , Q) und Mt := E Q (C t ) = E Q (C | AtB ) das erzeugte Martingal, denn folgt nach dem Martingaldarstellungssatz (für k-dim Martingale)

t

+ gs dB s mit g ∈ L0 (B) Mt = E Q C 0

und nach (5.11) gilt: dB it =

k  j=1

(σ −1 )i j

j d St . j

St

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

213

Daraus folgt

+ Mt = E Q C

k

 i=1

t

0

k 

iu d Su mit iu = j

gui (σ −1 )i j

j=1

1 j

Su

.

Damit ergibt sich die Darstellung

T (ϑ) = x +

= MT = V C

 T j

0

mit ϑ = (x, 1 , . . . , k ), x = E Q (C).

u d Su j

j

duplizierbar durch einen regulären Martingal-Hedge. Das DiffusionsmoAlso ist C dell ist also vollständig. Für Semimartingalmodelle ist die Vollständigkeit eng gekoppelt an die Existenz eines eindeutigen äquivalenten Martingalmaßes. Der folgende Satz behandelt den Fall stetiger Modelle. Satz 5.44 (Zweites Fundamentaltheorem des Asset Pricing, Vollständigkeit) Sei S ein stetiges Martingalmodell, Me (P) = ∅, S = (S 0 , . . . , S k ) mit einem bond S 0 und k stocks S 1 , . . . , S k . Dann gilt: S ist vollst¨andig ⇐⇒ |Me (P)| = 1. Beweis „=⇒’“ : Seien Q 0 , Q 1 ∈ Me (P) äquivalente Martingalmaße, dann ist Q := 21 (Q 0 + Q 1 )  Q 0 und Q ist ein äquivalentes Martingalmaß, Q ∈ Me (P). dQ Sei R := dQ 0 , dann ist die Behauptung äquivalent zu: R ≡ 1. Sei Rt := E Q 0 (R | Ast ) ∈ M(Q) das von R erzeugte Martingal. Wegen der Vollständigkeit und nach Proposition 5.4 gilt: ∃ ϕ ∈ L 0 ( S) so dass Rt = 1 +

0

t

ϕu d Su

Durch Stoppen mit τm := inf{t ≥ 0; | S t | ≥ m} ∧ T können wir o.E. annehmen, dass S i Martingale bezüglich Q und Q 0 sind, ( S i ) ∈ M(Q) ∩ M(Q 0 ). Daraus folgt ∀ B ∈ AsS und ∀ i gilt

S it = E Q 1 B S is . E Q 1B

Es ist aber: E Q 1B S it = E Q 0 1 B S it Rt

und

E Q 1B S is = E Q 0 1 B S is Rs .

214

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Daher folgt: E Q0 1 B S it Rt = E Q 0 1 B S is Rs f¨ur B ∈ AsS . Daher ist ( Sti Rt ) ein Martingal bezüglich Q 0 , ( S it Rt ) ∈ M(Q 0 ). i Die Martingale S und R sind daher orthogonal bezüglich Q 0 oder äquivalent dazu ist die vorhersehbare quadratische Kovariation gleich null,  S i , Rt = 0, ∀ t [Q 0 ]. Daraus folgt aber, dass auch die quadratische Variation von R null ist RT =

k

 0

i=1

T

ϕui d S i , Ru = 0, d. h. Rt2 ∈ M(Q 0 ).

Damit folgt aber: Rt = RT = 1 [Q 0 ], also auch Q f.s. und P fast sicher. Es ergibt sich Q = R Q0 = Q0, d. h. es existiert nur ein äquivalentes Martingalmaß. „⇐=“ : Angenommen es existiert nur ein äquivalentes Martingalmaß Q, d. h. Me (P) = {Q}.

darstellbar durch einen MartingalZu zeigen ist: ∀ C ∈ B(ATS ) mit |C| ≤ K ist C Hedge.

| AtS ) das von C

erzeugte Martingal in H2 . Dazu sei Mt := E Q (C Nach dem Satz von Kunita-Watanabe hat M eine Darstellung der Form

+ Mt = E Q C



t 0

ϕu d Su + Z t ,

S) und einem L 2 -Martingal Z bzgl. Q, mit E Q Z t = 0 und  Si , Z  = mit ϕ ∈ L2 ( 0, ∀ i. Zu zeigen ist, dass Z = 0 ist. Sei σm die Stoppzeit definiert durch   t     

σm := inf t ≥ 0 :  ϕu d S u  ≥ m ∧ T . 

0

Wegen der Stetigkeit von S i ist Z tσm = Z t∧σm beschränkt durch K 1 := 2K + m. Weiter ist  S i , Z σm t =  S i , Z σt m = 0, ∀ m und daher ist S i Z σm ein Martingal, Si · σ m Z ∈ M(Q). 1 Durch Rt := 1 (K 1 + Z tσm ) wird ein nichtnegativer Prozess definiert mit   K ≥0

S i R ein Q-Martingal, S i R ∈ M(Q). E Q Rt = 1, Rt ≥ 0, ∀ t und es ist

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

215

Bezüglich des Wahrscheinlichkeitsmaßes Q 0 definiert durch die Radon-NikodýmDichte RT , Q 0 := RT Q ist dann S i ein Martingal, S i ∈ M(Q 0 ). Das Argument hierzu ist wie im ersten Teil des Beweises. Damit ist aber Q 0 auch ein äquivalentes Martingalmaß. Nach Annahme folgt daher Q 0 = Q. Also ist Rt = R = 1 [Q]. Nach der Definition von R folgt dann Z σm = 0 [Q], f.s. ∀ m. σm ist eine Folge von Stoppzeiten die gegen unendlich konvergiert. Aus obiger Kunita-Watanabe-Darstellung folgt dann die Darstellbarkeitseigenschaft von M,

t

+ Mt = E Q C ϕu d Su , 0

also die Vollständigkeit von S.



Allgemeines zweites Fundamentaltheorem Das zweite Fundamentaltheorem lässt sich auf allgemeine nicht notwendig stetige Semimartingale verallgemeinern. Dazu benötigt wird der Begriff der predictable representation property (PRP). M ∈ M2loc hat die PRP, wenn der erzeugte stabile Teilraum F (M) := {ϕ · M; ϕ ∈ L2 (M)} = M2 ist, d. h. jedes Element H ∈ M2 hat eine Darstellung der Form

H = H0 + ϕ dM, ϕ ∈ L2 (M). Die Eigenschaft ϕ ∈ L2 (M) ist wichtig. Sogar für stetige lokale Martingale lassen T sich Darstellungen finden, z. B. der Form 1 = 0 ϕt dMt . Notwendig ist hierbei aber T ϕ∈ / L2 (M), da sonst E( 0 ϕt dMt ) = 0 wäre. Für ein Semimartingalmodell S gilt nun: Satz 5.45 (Allgemeines) Zweites Fundamentaltheorem: Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) S ist vollständig (ii) |Me (P)| = 1 (iii) ∃ Q ∈ Me , so dass S die PRP bzgl. Q hat. Beweis (i) =⇒ (ii): Wegen der Vollständigkeit existiert zu A ∈ A ein Martingal-Hedge T ϑ ∈ a (1 A ), d. h. f A = c + 0 ϑt dSt . Daher gilt für alle Q ∈ Me , Q(A) = E Q 1 A = c, d. h. Q ist eindeutig bestimmt.

216

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

(ii) =⇒ (iii): Für diesen aufwendigen Teil verweisen wir auf Protter (1990, Section IV.3) (iii) =⇒ (i): Sei H ∈ B(AT ) ein beschränkter Claim. Dann gilt für das assoziierte Q-Martingal Mt = E Q (H | AT ) nach der PRP eine Darstellung der Form

Mt = M0 +

0

t

ϑn dSn .

Da M beschränkt ist folgt, dass M ein Martingal ist und daher ϑ ∈ a eine Martingal-Hedgingstrategie ist.  Es ist bemerkenswert, dass nicht nur stetige Semimartingale wie z.B. Diffusionsprozesse, z. B. die Brownsche Bewegung oder Brownsche Brücke, vollständig sind. Es gibt auch (rein) unstetige Prozesse die vollständig sind. In vollständigen Modellen wird einem contingent claim durch das No-ArbitrageArgument ein eindeutiger Preis zugeordnet. In nichtvollständigen Modellen sind die Preise im Allgemeinen nicht mehr durch das No-Arbitrage-Argument eindeutig bestimmt. Definition 5.46 Sei S = (S 0 , . . . , S k ) ein Marktmodell mit St0 = er t und sei C ∈ L + (AT ) ein contingent claim. Ein Preis p = pC für C heißt arbitragefrei, wenn ein Q ∈ Me (P) und ein adaptierter Prozess S k+1 ∈ M(Q) existiert, so dass S0k+1 = p, Stk+1 ≥ 0, ∀ t ≤ T und STk+1 = C,

(5.12)

und das erweiterte Marktmodell  S = (S 0 , . . . , S k , S k+1 ) arbitragefrei im Sinne von NFLVR ist. Sei C die Menge der arbitragefreien Preise für C und es bezeichnen π∗ (C) := inf p und ∗ (C) := sup p p∈C

p∈C

den unteren bzw. den oberen arbitragefreien Preis Der folgende Satz besagt, dass die Menge der arbitragefreien Preise ein Intervall bildet. Jeder arbitragefreie Preis wird durch den Erwartungswert bezüglich eines äquivalenten Martingalmaßes beschrieben. Satz 5.47 (Arbitragefreie Preise) Sei Me (P) = ∅ und C ∈ L + (AT ) ein contingent claim. Dann gilt:

Q ∈ Me (P), E Q C < ∞} a) C = {E Q C;

π ∗ (C) = sup Q∈M (P) E Q C.

b) π∗ (C) = inf Q∈Me (P) E Q C, e

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

217

Beweis a) Nach dem ersten Hauptsatz, Satz 5.31, ist p ∈ C ein arbitragefreier Preis für C genau dann, wenn C im erweiterten arbitragefreien Modell  S gehedgt werden kann und daher äquivalent dazu, dass für das diskontierte erweiterte Martingalm S    ∈ M

odell S ein Martingalmaß existiert, Q S i ∈ M( Q), C, e (Q) mit p = E Q T

= 1 ≤ i ≤ k + 1 und C S k+1 = p + 0 1d S k+1 . t T C ist also hedgebar mit einem Martingal-Hedge im erweiterten Modell  S. Ins ∈ Me (P) und p = E C

nach der risikoneutralen Bewerbesondere gilt also Q Q

Q ∈ Me (P), E Q C < ∞}. tungsformel in Satz 5.21, d. h. C ⊂ {E Q C;

< ∞ für ein Q ∈ Me (P). Für die umgekehrte Inklusion sei pC = E Q C k+1 Dann definiere einen neuen Prozess St als das von C erzeugte Martingal bzgl. Q Stk+1 = E Q (C | At ), t ≤ T . Es gilt dann S0k+1 = pC und STk+1 = C. Das erweiterte Marktmodell  S ist arbi tragefrei und Q ist ein Martingalmaß für das diskontierte erweiterte Modell S. Also ist pC ∈ C ein arbitragefreier Preis. Daraus folgt die Behauptung

Q ∈ Me (P), E Q C < ∞}. C = {E Q C;

b) Die Darstellung vom unteren arbitragefreien Preis ∗ (C) = inf Q∈Me (P) E Q C folgt direkt aus a). Die Darstellung von ∗ (C) braucht ein Zusatzargument: Wir zeigen: Falls E Q ∗ C = ∞ für ein Q ∗ ∈ Mc (P), dann existiert für alle c > 0 ein p ∈ C mit p > c. p > c und definiere Sei dazu n so, dass E Q ∗ C ∧ n =: Stk+1 := E Q ∗ (C ∧ n | At ), t ≤ T . S = (S 0 , . . . , S k+1 ); dieses Q ∗ ist ein Martingalmaß für das erweiterte Modell  ist also arbitragefrei. Sei o.E. C =  und Q ∈ Me (P) und E Q C < ∞. Wir betrachten Q als neues zugrunde liegendes Maß anstelle von P.

∼ Q, so dass 

Der Nach dem ersten Fundamentalsatz existiert Q S ∈ M( Q). Beweis des Fundamentalsatzes basiert auf einem Trennungsargument nach Hahn Q Banach (L 1 − L ∞ -Dualität) und impliziert, dass die Dichte ddQ beschränkt gewählt werden kann. Daraus folgt: E Q C < ∞

218

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Abb. 5.4 Konvexes Preisintervall

∈ Me (S) ist nach Teil a) des Beweises p = E Q C ein arbitragefreier Wegen Q Preis für C. Weiter gilt: p = E Q C ≥ E Q C ∧ n = E Q STk+1 = S0k+1 = p > c. Daraus folgt die Behauptung.



Bemerkung 5.48 a) Die Menge der äquivalenten Martingalmaße Me (P) ist konvex. Daher folgt, aus Satz 5.47, dass die Menge der arbitragefreien Preise von C auch konvex, also ein Intervall, ist (siehe Abb. 5.4) b) Die arbitragefreien Preise bestimmen also ein Intervall, das No-Arbitrage-Intervall [(π∗ (C), π ∗ (C))]. Im Allgemeinen ist nicht klar, ob die untere bzw. obere Schranke angenommen wird. Preise unterhalb von π∗ (C) bevorzugen den Käufer, Preise oberhalb von π ∗ (C) den Verkäufer. Es stellt sich heraus, dass eindeutige Preise genau für die hedgebaren Claims existieren. Es gilt: Ein Claim C ∈ L + (AT ) ist stark hedgebar ⇐⇒ π∗ (C) = π ∗ (C). In nichtvollständigen Modellen lassen sich Claims C im allgemeinen nicht hedgen. Die folgende Erweiterung der hedging Idee führt auf einem grundlegenden Zusammenhang mit dem arbitragefreien Preisprinzip und dem No-Arbitrage-Intervall. Definition 5.49 Sei S = (S 0 , . . . , S k ) ein Marktmodell, Me (P) = ∅ und sei C ∈ L + (AT ) ein contingent claim. a) ϑ = (x, π ) heißt Super-Hedge-Strategie von C, wenn

T (ϑ) ≥ C

[P], V0 (ϑ) = x. π ∈ r und V + := {ϑ = (x, π ); ϑ ist Super-Hedge-Strategie f u¨ r C} die Menge der Sei AC Super-Hedge-Strategien für C. + b) p  (C, P) := inf{x; ∃ (x, π ) ∈ AC } heißt der obere Hedge-Preis von C.

Satz 5.50 Sei S ein lokal beschränktes Semimartingalmodell mit Me (P) = ∅.

< ∞ der obere arbitragefreie Sei C ∈ L + (AT ) und π  (C) = sup Q∈Me (P) E Q C Preis. Dann gilt: π  (C) = p  (C, P)

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

219

d. h. der obere Hedge-Preis von C ist identisch mit dem oberen arbitragefreien Preis von C. Beweis Der Beweis basiert auf dem optionalen Zerlegungssatz (vgl. Kramkov (1996)). Optionaler Zerlegungssatz: Sei X ∈ S lokal beschränktes Semimartingal, V = (Vt ) ≥ 0 ein adaptierter Prozess zu A X , dann gilt: V ist ein Supermartingal ∀ Q ∈ MeX (P) ⇐⇒ ∃ Zerlegung Vt = V0 + (ϕ · X )t − L t , t ≥ 0 mit ϕ ∈ L0 (X ), L t ist ein optionaler wachsender Prozess, L 0 = 0. L ist ein adaptierter, optionaler Prozess kann im Allgemeinen aber nicht vorhersehbar gewählt werden. Eine Richtung des Beweises von Satz 5.50 ist einfach: + „ ≤“: Ist ϑ = (X , ϕ) ∈ AC eine Super-Hedge-Strategie für C und ist Q ∈ T

Me (P), dann folgt C ≤ x + 0 ϕu d Su .

≥ 0 ist t ϕu d Wegen C S ein Supermartingal. Daher folgt: u 0

≤ x + EQ EQC

0

T

ϕu d Su ≤ x.

Damit ergibt sich die Ungleichung π ∗ (C) ≤ p ∗ (C, P). „ ≥“: Für den Nachweis der umgekehrten Ungleichung definiere

| At ). Vt := ess sup E Q (C Q∈Me (P)

Dabei ist At = AtS und ess sup ist das wesentliche Supremum. Es folgt nun, dass V = (Vt ) ein Supermartingal bzgl. Q ist, ∀ Q ∈ Me (P) =

MeS (P). Diese Eigenschaft ist etwas aufwendig zu zeigen und verbleibt hier ohne Beweis. Nach dem optionalen Zerlegungssatz folgt die Zerlegung

Vt = x0 +

0

t

ϕu d Su − L t

mit ϕ ∈ L0 ( S), 0 ≤ L t , L 0 = 0. L t ist monoton wachsend, adaptiert und optional. Für t = 0 folgt aus dieser Darstellung V0 = x0 =

sup

Q∈Me (P)

= π  (C). EQC

220

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Nach Definition ist Vt ≥ 0 und daher ist ϑ0 = (x0 , ϕ) ∈ r . + Also ist ϑ0 = (x0 , ϕ) eine Super-Hedge-Strategie ϑ0 ∈ AC . Daraus ergibt sich aber die umgekehrte Ungleichung x0 = π  (C) ≥ p  (C, P).



Bemerkung 5.51

≤ K , dann ist |Vt | ≤ K . Also gilt ∀ Q ∈ Me (P) : E Q L T ≤ x0 + K . Dara) Ist |C| aus folgt E Q sup |(ϕ · S)t | ≤ x0 + K + E Q L T < ∞, t≤T

denn L t ist monoton wachsend in t. Daraus folgt, dass ϕ · S ∈ M(Q), d. h. t

Vt (ϑ0 ) = x0 + 0 ϕu d Su ist ein Martingal bzgl. Q. Für beschränkte Optionen kann man also auf die Regularitätsannahme für Strategien verzichten und als Strategienklasse a = Q∈Me a (Q) verwenden. b) Ebenso lässt sich auch der untere Hedge-Preis s∗ (C, P) über die SubhedgeStrategien definieren und es gilt in Analogie zu Satz 5.50 die Gleichheit vom unteren Hedge-Preis und dem unteren arbitragefreien Preis: s∗ (C, P) = π∗ (C). In das Hedge-Problem für einen Claim H ∈ L + (AT ) lässt sich auch als zusätzliche Komponente ein Konsumprozess C einführen. Definition 5.52 Für das Marktmodell (S, (At ), P) heißt π = (x, ϕ, C) (erweiterter) Portfolioprozess, wenn ϕ ∈ L0 (S) ist und der Konsumprozess (Ct ) ein adaptierter wachsender Prozess ist mit C0 = 0.

t := x + t ϕs d V Ss − Ct heißt (diskontierter) Werteprozess (Kapitalprozess mit 0 Konsum) zum Portfolio π.

t ≥ 0, ∀ t.

π heißt zulässiger Portfolioprozess, wenn V Änderungen im Werteprozess werden durch die Portfoliostrategie ϕ und den Konsum C hervorgerufen. Bemerkung 5.53 (Charakterisierung von Kapitalprozessen) Der optionale Zerlegungssatz hat nun die folgende Interpretation: Sei Vt ≥ 0 ein adaptierter Prozess. Dann gilt:

ist Kapitalprozess mit Konsum eines verallgemeinerten Portfolioprozesses V

ist ein Supermartingal, ∀ Q ∈ Mc (P). ⇐⇒ V

Kapitalprozess (ohne Konsum) eines Portfolioprozesses, Entsprechend ist V

∈ Mloc (Q), ∀ Q ∈ Me (P). genau dann, wenn V

5.2 Vollständige und unvollständige Märkte

221

Definition 5.54 Sei H ∈ L + (AT ) ein Claim. a) Ein Portfolioprozess π = (x, ϕ, C) heißt Super-Hedge-Portfolio (mit Konsum)

T ≥ H . für H , wenn V  mit Kapitalprozess V  heißt minimales Superb) Ein Portfolioprozess  π = ( x,  ϕ , C) Hedge-Portfolio, wenn t ≤ V

t [P], ∀ t ≤ T und f u¨ r alle Super-Hedge-Portfolios (

). V π, V Satz 5.55 Sei H ∈ L + (AT ) ein contingent claim mit sup Q∈Me (P) E Q H < ∞ und sei S ein lokal beschränktes Semimartingal. Dann existiert ein minimales Super und der zugehörige Kapitalprozess V  hat die DarHedge-Portfolio  π = ( x,  ϕ , C) stellung t =  t = ess sup E Q (H | At ). V x + ( ϕ · S)t − C Q∈Me (P)

und Q ∈ Me (P) ist Beweis Für alle zulässigen Portfolioprozesse π = (x, ϕ , C)

ein Supermartingal. Daher gilt: der zugehörige Kapitalprozess V

t ≥ ess sup E Q (V

T | At ). V Q∈Me (P)

Ist π ein Super-Hedge-Portfolio, dann folgt hieraus

t ≥ ess sup E Q (H | At ). V Q∈Me (P)

Nach dem optionalen Zerlegungssatz wird aber die untere Schranke angenommen,  ≥ 0 adaptiert (sogar optional), so dass für den d.h. es existieren  x,  ϕ ∈ L0 (S) und C  mit Konsum gilt: zugehörigen Werteprozess V t =  t = ess sup E Q (H | At ). V x + ( ϕ · S)t − C Q∈Me (P)



Die Annahme der lokalen Beschränktheit des Semimartingals S lässt sich durch die schwächere Bedingung der w-Zulässigkeit ersetzen. Definition 5.56 (w-Zulässigkeit) Seien w ∈ L + (A), w ≥ 1, Q 0 ∈ Meσ mit E Q 0 w < ∞ und a > 0. ϕ ∈ L(P ) heißt (a, w)-zulässig ⇐⇒ ∀ Q ∈ Meσ , ∀ t ≥ 0 : (ϕ · S)t ≥ −a E Q (w | At ) ϕ heißt w-zulässig ⇐⇒ ∃ a > 0 : ϕ ist (a, w)-zulässig.

222

5

Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten

Bemerkung 5.57 (Semimartingal-Topologie) Auf die Menge der Semimartingale S d (P) wird die Emery-Metrik von zwei Semimartingalen X , Y definiert durch d(X , Y ) = sup



|ϑ|≤1 n

2−n E min(1, |(ϑ · (X − Y ))n |),

(5.13)

t (ϑ · X )t = 0 ϑs dX s das (Vektor-)stochastische Integral über ϑ ∈ L(P ) mit |ϑ| ≤ 1. Sei L(S) der Raum der S-integrierbaren Prozesse (L(S) die Menge der Äquivalenzklassen solcher Prozesse). Dann gilt: a) ϑ ∈ L(S) ⇐⇒ (ϑ1{|ϑ|≤n} · S) ist eine Cauchyfolge bzgl. der von d erzeugten Semimartingal-Topologie auf S d (P). b) {ϑ · S; ϑ ∈ L(S)} ist abgeschlossen in S d (P) und c) (L(S), d) ist ein vollständiger topologischer Vektorraum (vgl. Memin (1980)). Es gibt S ∈ S p und ϑ ∈ L(S) so, dass ϑ · S ∈ / Mloc . Genauer gilt für S ∈ S p , S = M + A: ϑ ∈ L(S) ⇐⇒ ϑ · M ∈ Mloc und ϑ · A existiert als Lebesgue-Stieltjes-Integral. Die folgenden Sätze von Jacka (1992) und Ansel und Stricker (1994) verallgemeinern das super hedging-Resultat in Satz 5.50. Satz 5.58 Sei S ∈ S p und C ≥ −w ein Claim, w ≥ 1 eine Gewichtsfunktion. Dann gilt: a)

sup

Q∈Meσ E Q w −∞}. Dieses impliziert, dass dom(u) = (x, ∞) oder dom(u) = [x, ∞). Klassische Beispiele von Nutzenfunktionen sind • u(x) = 1 − e− px exponentielle Nutzenfunktion, p > 0 xp • u(x) = , x > 0, p ∈ (−∞, 1) \ {0} Potenznutzenfunktion p • u(x) = log x, x > 0 logarithmische Nutzenfunktion Ziel des Händlers ist es, bei gegebenem Anfangskapital x seinen Nutzen durch Investition in den Finanzmarkt zu maximieren. Mit einer Klasse E zulässiger Handelsstrategien und Marktpreismodell S führt das zu dem nutzenbasierten PortfolioOptimierungsproblem 



T

V (x) = sup Eu x + ϑ∈E

 ϑt dSt .

(6.2)

0

Das optimale Hedgen eines Claims B führt nutzenbasiert auf das HedgingOptimierungsproblem   V (x − B) = sup Eu x + ϑ∈E

T

 ϑt dSt − B

(6.3)

0

Die Lösung dieser Probleme wird ermöglicht durch einen Dualitätssatz aus der konvexen Analysis. Definition 6.1 Die konvex konjugierte Funktion u ∗ : R+ → R von u ist definiert durch u ∗ (y) = sup (u(x) − x y).

(6.4)

x∈R

Es gilt: u ∗ (y) = u(I (y)) − y I (y) mit I := (u  )−1 .

(6.5)

Mit (6.1) folgt: I nimmt Werte in (x, ∞) an und I (0) = ∞. p

Bemerkung 6.2 Für die Potenznutzenfunktion xp , die logarithmische Nutzenfunktion log x und die exponentielle Nutzenfunktion 1 − e− px sind die zugehörigen  Konp p−1 p−1 y y ∗ jugierten u (y) gegeben durch − p y , − log y − 1 und 1 − p + p log yp . Aus der Definition von u ∗ folgt eine Form der Fenchel-Ungleichung −x y ≤ u ∗ (y) − u(x).

(6.6)

6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße

227

Die Nutzenindifferenzmethode basiert auf dem Vergleich zwischen dem optimalen Verhalten unter den alternativen Szenarien einen Claim zu verkaufen und dafür eine Prämie zu erhalten und den Claim nicht zu verkaufen. Definition 6.3 (Nutzenindifferenzpreis) Der Nutzenindifferenzpreis π (des Verkäufers) eines Claims B ist definiert in einem Markt ohne Handelsmöglichkeiten als Lösung π = π(B) der Gleichung u(x) = Eu(x + π − B).

(6.7)

In einem Markt mit Handelsmöglichkeiten E ist er definiert als Lösung π = π(B) der Gleichung V (x) = V (x + π − B).

(6.8)

Der Nutzenindifferenzpreis  π eines Käufers wird analog definiert als Lösung der Gleichung V (x) = V (x −  π + B).

6.2

Minimumdistanz-Martingalmaße

Ein Minimumdistanz-Martingalmaß minimiert die Distanz vom zugrundeliegenden Basismaß zur Klasse der Martingalmaße (bzw. einer geeigneten Teilmenge). Als Distanzen werden dazu f -Divergenzen betrachtet. Definition 6.4 Seien Q, P ∈ P mit Q P und sei f : (0, ∞) → R eine konvexe Funktion. Die f -Divergenz zwischen Q und P ist definiert durch  ⎧  ⎨ f dQ d P, falls das Integral existiert, dP f (Q P) := ⎩ ∞, sonst, wobei f (0) = lim x↓0 f (x). Eine detaillierte Behandlung von f -Divergenzen findet sich in Liese und Vajda (1987). Für f (x) = x log x ergibt sich als f -Divergenz die relative Entropie   ⎧ ⎨ E dQ log dQ , falls Q P, dP dP H (Q P) = ⎩ ∞, sonst.

228

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Für f (x) = − log x ergibt sich die reverse relative Entropie, für f (x) = |x√ − 1| der Totalvariationsabstand und für f (x) = − x der Hellinger-Abstand. Sei K eine konvexe dominierte Teilmenge von Wahrscheinlichkeitsmaßen auf (, A). Definition 6.5 Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q ∗ ∈ K heißt f -Projektion (oder minimales Distanzmaß) von P auf (in) K, falls f (Q ∗ P) = inf f (Q P) =: f (K P). Q∈K

(6.9)

f -Projektionen sind eindeutig bestimmt. Proposition 6.6 (Eindeutigkeit der f -Projektion) Die Funktion f sei strikt konvex und f (K P) < ∞. Dann existiert höchstens eine f -Projektion von P auf K. Beweis Seien Q 1 und Q 2 zwei f -Projektionen von P auf K mit Q 1 = Q 2 . Dann

:= 1 (Q 1 + Q 2 ) ein Wahrscheinlichkeitsmaß. Wegen der strikten Konvexität ist Q 2 gilt    1 dQ 1 1 dQ 2

P) = dP f f (K P) = inf f (Q P) ≤ f ( Q + 2 dP 2 dP Q∈K      dQ 2 1 1 dQ 1 + f d P = ( f (Q 1 P) + f (Q 2 P)) < f 2 dP dP 2 = f (K P), ein Widerspruch und es folgt, dass es höchstens eine f -Projektion geben kann.  Die Existenz von f -Projektionen gilt unter einer Abgeschlossenheitsbedingung an K (vgl. Liese und Vajda (1987)). Satz 6.7 (Existenz der f -Projektion) Ist K abgeschlossen bezüglich der Topologie des Variationsabstandes und gilt lim x→∞ f (x) x = ∞, so existiert eine f -Projektion von P auf K. Das Hauptargument des Beweises besteht darin zu zeigen, dass die Menge der Wahrscheinlichkeitsmaße Q ∈ K mit f (Q P) ≤ 2a schwach kompakt ist. Bezeichne im Folgenden M f die Menge aller Elemente Q ∈ K mit f (Q P) 0. Da Q ∼ P gilt auch dP   ∗ Q dQ d P = 0 > 0. Nach Satz 6.8 (i) gilt 

f



dQ ∗ dP



dQ ∗ −



f



dQ ∗ dP

 dQ ≤ 0.

6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße



231





 Da aber Q dQ d P = 0 > 0 und nach Voraussetzung f (0) = −∞ erhalten wir daraus einen Widerspruch. 

Als Anwendung ergibt sich eine Charakterisierung des MinimumdistanzMartingalmaßes. Die Menge der Martingalmaße lässt sich als verallgemeinerte Momentenfamilie beschreiben. Seien dazu   G := (ϑ · S)T : ϑ i = H i 1(si ,ti ] , si < ti , H i beschr¨ankt Fsi -messbar ∪ {1 B : P(B) = 0} und  G loc := (ϑ · S)T : ϑ i = H i 1(si ,ti ] 1[0,T i ] , si < ti , 

i ∈ γ i ∪ {1 B : P(B) = 0} , H i beschr¨ankt Fsi -messbar, T  i 

Stoppzeit; (S i )T i ist beschr¨ankt . wobei γ i := T Der folgende Satz gibt eine notwendige Bedingung für eine f -Projektion auf die Menge der Martingalmaße. 

Satz 6.10 Sei Q ∗ ∈ M f ∩ M und f  von P auf M, dann gilt f



dQ ∗ dP



 =c+

T

dQ ∗ dP



∈ L 1 (Q ∗ ). Ist Q ∗ die f -Projektion

ϑt dSt Q ∗ -fast sicher

(6.12)

0

für einen Prozess ϑ ∈ L(S, Q ∗ ), so dass

· 0

ϑt dSt ein Martingal bezüglich Q ∗ ist.

Beweis Die Klasse M der Martingalmaße lässt sich als von G erzeugte Momentenfamilie charakterisieren, M = {Q ∈ P : G ⊂ L 1 (Q) und E Q g = 0 ∀g ∈ G}

Sei F der Vektorraum, der von 1 und G erzeugt wird. Die Voraussetzungen von Satz 6.8 (ii) sind erfüllt und es folgt daher, dass f





dQ ∗ dP



= ξ Q ∗ -fast sicher.

für ein ξ ∈ L 1 (F, Q ∗ ), dem L 1 (Q ∗ )-Abschluss von F. Mit einer Abgeschlossenheitsaussage für stochastische Integrale von Yor (1978, Korollar 2.5.2), (für

232

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

eine mehrdimensionale Version siehe Delbaen und Schachermayer (1999, Theorem 1.6)) können wir den Abschluss L 1 (G, Q ∗ ) mit stochastischen Integralen, die Q ∗ -Martingale sind, identifizieren und es gilt, dass L 1 (G, Q ∗ ) ⊂ {(ϑ · S)T : ϑ ∈ L(S, Q ∗ ), so dass ϑ · S ein Q ∗ -Martingal ist}. Dieses Resultat gilt auch ohne die Annahme einer vollständigen Filtration, siehe Jacod (1979, Proposition 1.1). Nach Schaefer (1971, Proposition I.3.3) erhalten wir die notwendige Bedingung, da F von 1 und G erzeugt wird.  In Satz 6.10 reicht es, dass S ein allgemeines Rd+1 -wertiges Semimartingal ist. Im nächsten Satz zeigen wir, dass die notwendige Bedingung aus Satz 6.10 auch für die Menge der lokalen Martingalmaße gilt, unter der zusätzlichen Bedingung, dass der Preisprozess S lokal beschränkt ist. Satz 6.11 (Dichte der f -Projektion) Sei S lokal beschränktes Semimartingal. Sei  ∗ 1 (Q ∗ ). Ist Q ∗ die f -Projektion von P auf Q ∗ ∈ M f ∩ Mloc und f  dQ ∈ L dP Mloc , so gilt f





dQ ∗ dP



 =c+

T

ϑt dSt Q ∗ -fast sicher

(6.13)

0

für einen Prozess ϑ ∈ L1loc (S, Q ∗ ), so dass

· 0

ϑt dSt ein Q ∗ -Martingal ist.

Beweis Betrachte folgende Charakterisierung von Mloc als Momentenfamilie Mloc = {Q ∈ P : G loc ⊂ L 1 (Q) und E Q g = 0 ∀g ∈ G loc }.

Die Behauptung folgt nun analog zum Beweis von Satz 6.10. Bemerkung (1) Ist Q ∗ ∼ P und ist zusätzlich − f 



dQ ∗ dP





nach unten beschränkt, so erhält man  ∗ als stochasnach Goll und Rüschendorf (2001) die Darstellbarkeit von f  dQ dP tisches Integral mit Satz 6.8 (i), dem Martingaldarstellungsresultat Theorem 3.4 aus Jacka (1992) und Theorem 3.2 aus Ansel und Stricker (1994). (2) Ist S (lokal) beschränkt, so ist Mloc abgeschlossen bezüglich dem Variationsabstand. Man kann dies mit der Charakterisierung von Mloc mit Hilfe von G loc prüfen (siehe Lemma 7.8 in Rheinländer und Sexton (2011)). Gilt zusätzlich lim x→∞ f (x) x = ∞ so existiert nach Satz 6.7 eine f -Projektion von P auf Mloc . Diese Bedingung ist insbesondere für die relative Entropie erfüllt. Als Nächstes folgen einige hinreichende Bedingungen für eine f -Projektion von P auf Mloc .

6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße

233

Proposition 6.12 Sei Q ∗ ∈ M f ∩ Mloc und es gelte f für

T 0



dQ ∗ dP



 =c+

T

ϑt dSt P-fast sicher

(6.14)

0

ϑt dSt ∈ G loc . Dann ist Q ∗ die f -Projektion von P auf Mloc .



Beweis Sei F derVektorraum, der von 1 und G loc erzeugt wird. Wegen der DarstelT ∗ lung von f  dQ als Integral und wegen 0 ϑt dSt ∈ G loc kann man Satz 6.8 (iii) dP anwenden.  Die Bedingung aus Proposition 6.12 lässt sich wie folgt verallgemeinern. Satz 6.13 Sei Q ∗ ∈ M f ∩ Mloc so, dass für einen vorhersehbaren Prozess ϑ ∈ L(S)   T dQ ∗ =c+ f ϑt dSt P -fast sicher, dP 0  . − ϑt dSt ist P-fast sicher nach unten beschr¨ankt, 0  T E Q∗ ϑt dSt = 0 



0

gilt. Dann ist Q ∗ die f -Projektion von P auf Mloc . Beweis Nach Voraussetzung ist ϑ ∈ L(S) ein vorhersehbarer S-integrierbarer Prozess bezüglich P und man erhält mit Proposition 7.26 (b) aus Jacod (1979), dass ϑ in der Dimension d = 1 auch S-integrierbar bezüglich einem beliebigen Q ∈ Mloc ist. Mit Proposition 3 aus Jacod (1980) kann man dieses Resultat auf Dimensionen d ≥ 1 ausweiten. Nach der Definition von Mloc := {Q P : Q ist ein (lokales) Martingalmaß} ist der Preisprozess S ein (lokales) Q-Martingal. Mit Korollar 3.5 aus Ansel und Stricker (1994) ist −ϑ · S ein lokales Q-Martingal und da es nach unten beschränkt ist somit auch ein Q-Supermartingal für jedes Q ∈ Mloc . Also gilt E Q (ϑ · S)T ≥ E Q (ϑ · S)0 = 0 und es folgt EQ f 



dQ∗ dP

 = c + E Q (ϑ · S)T ≥ c + E Q (ϑ · S)0    = c + E Q ∗ (ϑ · S)T = E Q ∗ f    



=0

 dQ∗ . dP

=0

Da Q ∈ Mloc beliebig gewählt war, folgt die Behauptung mit Satz 6.8 (i).



234

6.3

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Dualitätsresultate

Das Problem der Nutzenmaximierung wird durch einen Dualitätssatz der konvexen Optimierung mit dem Problem der Bestimmung der Minimierung der f -Divergenz verknüpft. Genauer: Minimumdistanz-Martingalmaße bezüglich der konvex Konjugierten der Nutzenfunktion erweisen sich als äquivalent zu Minimaxmaßen. Eine Charakterisierung für Minimumdistanz-Martingalmaße führt dann zu einer Charakterisierung von optimalen Portfoliostrategien.

6.3.1

Minimumdistanz-Martingalmaße und Minimax-Maße

Sei K ⊂ M(P) eine konvexe Menge von P-stetigen Martingalmaßen auf (, A) und u eine Nutzenfunktion wie in Abschn. 6.1. Für Q ∈ K und x > x definieren wir U Q (x) := sup{Eu(Y ) : Y ∈ L 1 (Q), E Q Y ≤ x, Eu(Y )− < ∞}.

(6.15)

Man kann U Q (x) interpretieren als den maximal zu erwartenden Nutzen, der mit einem Grundkapital x erreicht werden kann, falls die Marktpreise mit Q berechnet werden. Dabei möchte man vermeiden, dass der zu erwartende Nutzen −∞ wird, dass also ein Ruin eintritt.   Lemma 6.14 Sei Q ∈ K und E Q I λ dQ d P < ∞, ∀λ > 0. Dann gilt   (i) U Q (x) = inf λ>0 {Eu ∗ λ dQ d P + λx}.   (ii) Für die Gleichung E Q I λ dQ d P = x gibt es eine eindeutige Lösung für λ, bezeichnet durch λ Q (x) ∈ (0, ∞) und es gilt    dQ . U Q (x) = Eu I λ Q (x) dP Beweis Sei Y ∈ L 1 (Q) mit E Q Y ≤ x und Eu(Y )− < ∞. Dann gilt für λ > 0: Eu(Y ) ≤ Eu(Y ) + λ(x − E Q Y ) dQ = Eu(Y ) − E λ Y + λx dP   dQ + λx ≤ Eu ∗ λ dP      dQ dQ dQ (6.6) −E λ + λx = Eu I λ I λ dP dP dP       dQ dQ = Eu I λ + λ x − EQ I λ . dP dP

6.3 Dualitätsresultate

235





Gleichheit gilt genau dann, wenn Y = I λ Q (x) dQ d P mit λ Q (x) Lösung der Glei  chung E Q I λ dQ d P = x. Nach (6.1) folgt I (0) = ∞ und I (∞) = x. Damit und mit der strikten Konkavität von u folgt, dass wir mit der  I streng  erhalten  monoton fallend ist. Insgesamt  dQ dQ Voraussetzung E Q I λ d P < ∞ für alle λ > 0, dass E Q I λ d P eine in λ stetige, monoton fallende Funktion mit Werten in (x, ∞) ist. Da x > x ist die eindeutige Existenz von λ Q (x) garantiert.    − Es bleibt zu prüfen, dass E u I λ Q (x) dQ < ∞. Mit einer UmformuliedP rung der Fenchel-Ungleichung in (6.6) u(x) − x y ≤ u(I (y)) − y I (y) erhält man      dQ dQ dQ − −λ E u I λ < ∞. I λ dP dP dP

(6.16)

Mit der Ungleichung  −          dQ dQ − dQ − dQ dQ dQ −λ I λ I λ u I λ ≤ u I λ + λ dP dP dP dP dP dP

   − erhalten wir, dass die Bedingung E u I λ Q (x) dQ < ∞ erfüllt ist. dP



Bemerkung 6.15   (1) Man kann I λ Q (x) dQ d P als optimalen Claim, der unter dem Preismaß Q mit dem Kapital x finanzierbar ist, interpretieren.   (2) Existiert für Q ∈ K ein λ > 0 mit Eu ∗ λ dQ d P < ∞, so können wir mit Lemma 6.14 (i) feststellen, dass UQ (x)< ∞ für alle x > x ist. Ist für Q ∈ K mit U Q (x) < ∞ die Annahme E Q I λ dQ d P < ∞ ∀λ > 0 aus Lemma 6.14 erfüllt, so ist   Eu ∗ λ Q (x) dQ d P < ∞.

(3) Die konvex Konjugierte zur Nutzenfunktion u(x) = 1 − e−x ist u ∗ (y) = 1 − y + y log y. Der u ∗ -Divergenzabstand der exponentiellen Nutzenfunktion ist somit Eu ∗



dQ dP



  dQ dQ dQ = E 1− + log dP dP dP   dQ dQ = H (Q P) =E log dP dP

der relative Entropieabstand. Analog sieht man, dass der zur logarithmischen Nutzenfunktion gehörige u ∗ -Divergenzabstand die inverse relative Entropie ist.

236

6

(4) Für log x, p p−1

xp p ,

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

1 − e−x sind die konvex konjugierten Funktionen − log x − 1,

und 1 − x + x log x. Daher ist für u(x) = 1 − e−x log x der u ∗ -Di− p−1 p x vergenz-Abstand die relative Entropie, für u(x) = log x die inverse relative Entropie und für u(x) = −x −1 der Hellinger-Abstand. Definition 6.16 Ein Maß Q ∗ = Q ∗ (x) ∈ K heißt Minimaxmaß für x und K, falls es Q → U Q (x) über alle Q ∈ K minimiert, d. h. wenn gilt U Q ∗ (x) = U (x) := inf U Q (x). Q∈K

Im Allgemeinen hängt das Minimaxmaß Q ∗ von x ab. Für die standardmäßige p Nutzenfunktionen wie u(x) = xp ( p ∈ (−∞, 1)\{0}), u(x) = log x und u(x) = 1 − e− px ( p ∈ (0, ∞)) ist das Minimaxmaß jedoch unabhängig von x. Wir nehmen in diesem Kapitel durchgehend an, dass ∃x > x mit U (x) < ∞,   dQ < ∞, ∀λ > 0, ∀Q ∈ K. EQ I λ dP Bemerkung 6.17 (1) Die Annahme (6.18) ist für u(x) = log x erfüllt: Hierfür ist I (y) = erhalten   1 1 dP dQ = EQ = < ∞. EQ I λ dP λ dQ λ

(6.17) (6.18)

1 y

und wir

Gilt für jedes Q ∈ K, u ∗ (Q P) < ∞, so ist die Annahme (6.18) ebenso für p u(x) = 1 − e− px für p ∈ (0, ∞) und u(x) = xp ( p ∈ (−∞, 1)\{0}) erfüllt. Für   u(x) = 1 − e− px ist I (y) = − 1p log yp und wir erhalten 

dQ EQ I λ dP



  1 λ dQ = E Q − log p p dP     1 dQ 1 λ − E Q log = − log < ∞. p p p dP   

0 : u ∗λ (Q P) < ∞}.

6.3 Dualitätsresultate

237

Wir bezeichnen mit ∂U (x) das Subdifferential der Funktion U an der Stelle x. Für f (x) = u ∗ (λ0 x) bezeichnen wir die zugehörige f -Divergenz mit u ∗λ0 (· ·). Folgende Proposition stellt einen wichtigen Zusammenhang zwischen Minimaxmaßen und Minimumdistanz-Martingalmaßen her. Proposition 6.18 Sei x > x, λ0 ∈ ∂U (x), λ0 > 0. Dann gilt (i) U (x) = u ∗λ0 (K P) + λ0 x. (ii) Ist Q ∗ ∈ K eine u ∗λ0 -Projektion von P auf K, so ist Q ∗ ein Minimaxmaß und λ0 = λ Q ∗ (x). (iii) Ist Q ∗ ∈ K ein Minimaxmaß, dann ist Q ∗ eine u ∗λ ∗ (x) -Projektion von P auf K, Q λ Q ∗ (x) ∈ ∂U (x) und es gilt U Q ∗ (x) = inf U Q (x) = sup{Eu(Y ); sup E Q Y ≤ x} Q∈K

Q∈K(x)

wobei K(x) := {Q ∈ K; U Q (x) < ∞}. Die Proposition zeigt, dass Minimaxmaße durch Distanzminimierung beschrieben werden können. Umgekehrt gilt auch, dass u ∗λ0 -Projektionen im Sinne der Nutzenmaximierung interpretiert werden können. Beweis (i) Nach Lemma 6.14 gilt     dQ + λx U (x) = inf U Q (x) = inf inf Eu ∗ λ dP Q∈K Q∈K λ>0  ∗  = inf u λ (K P) + λx . λ>0

(6.19)

Definiere H : (0, ∞) → R ∪ {∞} durch H (λ) := u ∗λ (K P). Nach Bemerkung 6.15 garantieren die Annahmen (6.17) und (6.18), dass es ein λ > 0 mit H (λ) < ∞ gibt. Aus der Darstellung von U (x) in (6.19) folgt daher, dass U (x) < ∞ für alle x ∈ dom(u) = dom(U ). Somit erhalten wir H (λ) < ∞ für alle λ > 0. Zeige nun: H ist eine konvexe Funktion. Sei dazu ε > 0 und Q 1 , Q 2 ∈ K, so dass   dQ 1 ∗ und H (λ1 ) + ε ≥ Eu λ1 dP   dQ 2 . H (λ2 ) + ε ≥ Eu ∗ λ2 dP

238

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Hiermit und mit der Konvexität von u ∗ gilt: γ H (λ1 ) + (1 − γ )H (λ2 ) + 2ε     dQ 1 dQ 2 ≥ γ Eu ∗ λ1 + (1 − γ )Eu ∗ λ2 dP dP   dQ dQ 1 2 ≥ Eu ∗ γ λ1 + (1 − γ )λ2 dP dP    dQ 1 dQ 2 (1 − γ )λ2 γ λ1 = Eu ∗ (γ λ1 + (1 − γ )λ2 ) + γ λ1 + (1 − γ )λ2 d P γ λ1 + (1 − γ )λ2 d P   (∗) dQ ≥ inf Eu ∗ (γ λ1 + (1 − γ )λ2 ) = H (γ λ1 + (1 − γ )λ2 ) . Q∈K dP

Zu (∗): Da K eine konvexe Menge ist und da für Q 1 , Q 2 ∈ K gilt dQ 1 dQ 2 γ λ1 (1 − γ )λ2 + ∈ K. γ λ1 + (1 − γ )λ2 d P γ λ1 + (1 − γ )λ2 d P Da H eine konvexe Funktion ist, können wir die Äquivalenz (a) ⇐⇒ (b) aus Theorem 23.5 aus Rockafellar (1970) anwenden und inf λ>0 {H (λ) + λx} nimmt somit sein Infimum in λ bei λ = λ0 genau dann an, wenn −x ∈ ∂ H (λ0 ) oder äquivalent genau dann, wenn λ0 ∈ ∂U (x). Wir erhalten somit mit Gl. (6.19), dass U (x) = u ∗λ0 (K P) + λ0 x. (ii) Diese Aussage folgt aus Lemma 6.14:    dQ ∗ + λx Eu ∗ λ λ>0 dP  ∗  = inf u λ (K P) + λx 

U Q ∗ (x) = inf

λ>0

= U (x). (iii) Ist Q ∗ ∈ K ein Minimaxmaß, so folgt mit Lemma 6.14 (i), dass Q ∗ eine u ∗λ ∗ (x) Q Projektion von P auf K ist, denn man erhält ähnlich wie in Gl. (6.19):  U (x) = inf U Q (x) = inf inf Eu Q∈K Q∈K λ>0  ∗  = inf u λ (K P) + λx





dQ λ dP



 + λx

λ>0

= U Q ∗ (x). Für den zweiten Teil der Aussage gilt:  u ∗λ (x) = −λI (λx),



(6.20)

6.3 Dualitätsresultate

239

denn 

   u ∗λ (x) = u ∗ (λx) = (u(I (λx)) − λx I (λx)) = u  (I (λx))I  (λx)λ − λI (λx) − λx I  (λx)λ = u  ((u  )−1 (λx))I  (λx)λ − λI (λx) − λx I  (λx)λ = λx I  (λx)λ − λI (λx) − λx I  (λx)λ = −λI (λx).

Nach Bemerkung 6.17 gilt K(x) = {Q ∈ K : U Q (x) < ∞} = {Q ∈ K : u ∗λ Q ∗ (x) (Q P) < ∞}.

Das heißt die Voraussetzungen für Satz 6.8 sind erfüllt. Wegen dem ersten Teil von (iii) ist Q ∗ eine u ∗λ ∗ (x) -Projektion und mit Satz 6.8 (i) und Gl. (6.20) folgt Q

 E

Q∗

I λ

Q∗

dQ ∗ (x) dP



 ≥ EQ I λ

Q∗

dQ ∗ (x) dP

 .

Mit Lemma 6.14 (ii) folgt U Q ∗ (x) = sup{Eu(Y ) : sup E Q Y ≤ x}. Q∈K(x)



Als Korollar aus Proposition 6.18 ergibt sich Korollar 6.19 Sei x > x, λ0 ∈ ∂U (x) und λ0 > 0. Weiterhin sei U differenzierbar in x. Dann ist Q ∗ genau dann ein Minimaxmaß, wenn Q ∗ die u ∗λ0 -Projektion ist, wobei λ0 = ∇U (x). Beweis Wegen der Annahme der Differenzierbarkeit besteht das Subdifferential nur aus einem Punkt, der die Ableitung an der Stelle x ist. Jetzt folgt die Aussage direkt aus Proposition 6.18.  Im Allgemeinen kennt man U (x) oft nicht explizit und ist daher die Verifizierung der Bedingung λ0 ∈ ∂U (x) schwierig. Im Fall der Standardnutzenfunktionen u(x) = p 1 − e− px ( p ∈ (0, ∞)), u(x) = xp ( p ∈ (−∞, 1)\{0}) und u(x) = log x hängt das Minimaxmaß nicht von x und dementsprechend die u ∗λ -Projektion nicht von λ ab, deshalb ergibt sich hier nicht das Problem λ zu bestimmen. Proposition 6.20 Sei x = 0 und sei u von oben beschränkt. Dann ist U in jedem x > 0 differenzierbar.  Beweisskizze Nach Theorem 26.3 aus Rockafellar (1970) besteht das Hauptargument darin zu zeigen, dass H (λ) = u ∗λ (K P) strikt konvex ist. Die strikte Konvexität von H (λ) zeigt man mit der Konvexität von K, dem Satz von Alaoglu, dem Satz der dominierten Konvergenz und der strikten Konvexität von u ∗ .

240

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Die Differenzierbarkeitsbedingung aus Korollar 6.19 ist erfüllt, falls es für alle λ > 0 eine u ∗λ -Projektion gibt. Proposition 6.21 Sei K abgeschlossen bezüglich der Topologie des Variationsabstandes und dom(u) = (−∞, ∞). Dann gibt es für alle λ > 0 eine u ∗λ -Projektion von P auf K.  ∗

Beweis Nach Satz 6.7 reicht es zu zeigen, dass lim x→∞ u (λx) = ∞. Da u ∗ (λx) = x  n  n ∗ ≥ sup{u(y) − λx y} ≥ u − λ + nx folgt mit u − λ > −∞, dass lim x→∞ u (λx) x y

n für jedes n ∈ N.



Die hinreichenden Bedingungen für Projektionen aus Abschn. 6.2 liefern einen Weg, den Parameter λ0 ∈ ∂U (x) und somit auch den mit einem Minimaxmaß verbundenen f -Divergenzabstand zu bestimmen. Proposition 6.22 Sei Q ∗ ∈ M (Mloc ), λ > 0 mit u ∗λ (Q ∗ P) < ∞, so dass für einen S-integrierbaren Prozess ϑ gilt:    T dQ ∗ =x+ I λ ϑt dSt P-fast sicher. dP 0 Gelten zudem noch die hinreichenden Bedingungen für eine u ∗λ -Projektion aus Proposition 6.12 (Satz 6.13), dann ist Q ∗ das Minimaxmaß für x und λ ∈ ∂U (x).  Bemerkung 6.23 Man beachte, dass die Bedingungen in Proposition 6.12 und in Satz 6.13 für (u ∗λ ) (x) = −λI (λx) formuliert sind. für M Beweis Im Folgenden steht K entweder   oder Mloc . Gelten die Bedingungen T aus Satz 6.13, so gilt bereits E Q ∗ 0 ϑt dSt = 0. Gilt die Bedingungen aus Proposition 6.12 dann lässt sich Satz 6.10 bzw. Satz 6.11anwenden  und es folgt, dass · dQ ∗ ∗ ∗ = x und mit Lemma 0 ϑt dSt ein Martingal unter Q ist. Es gilt also E Q I λ d P 6.14 (ii) erhält man, dass λ = λ Q ∗ (x). Wegen Proposition 6.12 (Satz 6.13) ist Q ∗ die u ∗λ -Projektion von P auf K, d. h. die Voraussetzung aus Satz 6.8 ist erfüllt. Aus Satz 6.8 und aus Gl. (6.20) folgt für alle Maße Q ∈ K mit u ∗λ (Q P) < ∞, dass gilt       dQ ∗   dQ ∗ ≤ E Q u ∗λ E Q ∗ u ∗λ dP dP     ∗ ∗ dQ dQ ≤ E Q∗ I λ = x. ⇐⇒ E Q I λ dP dP   ∗ Das heißt der Claim I λ dQ ist finanzierbar bezüglich allen Maßen Q ∈ K. Der dP maximal zu erwartende Nutzen bezüglich Q ∈ K finanzierbarer  Claims  ist also min∗ destens so groß wie der zu erwartende Nutzen des Claims I λ dQ dP .

6.3 Dualitätsresultate

241

   ∗ Es gilt U Q (x) ≥ Eu I λ dQ = U Q ∗ (x) für alle Q ∈ K. dP Nach Bemerkung 6.15 gilt wegen Annahme (6.18), dass {Q ∈ K : u ∗λ (Q P) < ∞} = {Q ∈ K : U Q (x) < ∞}. Also ist U Q ∗ (x) < ∞ und es folgt, dass Q ∗ das Minimaxmaß für x und K ist. Mit Proposition 6.18 folgt somit λ = λ Q ∗ (x) ∈ ∂U (x). 

6.3.2

Zusammenhang zur Portfoliooptimierung

Thema dieses Abschnittes ist es einen Zusammenhang der Resultate in Abschn. 6.3.1 über Minimumdistanz-Martingalmaße und Minimaxmaße zum Portfoliooptimierungsproblem in (6.2) zu zeigen. Generell werden die Bedingungen (6.17) und (6.18) für K = Mloc angenommen sowie vorausgesetzt, das x > −∞ ist. Für eine Lösung des Portfoliooptimierungsproblems müssen Zulässigkeitsbedingungen an die Klasse der Strategien gestellt werden um Verdoppelungsstrategien auszuschließen. Definition 6.24 (Zulässige Handelsstrategien) Die Mengen der zulässigen Integranden seien     0 = ϑ ∈ L(S)  ϑ dS ist gleichm¨aßig nach unten beschr¨ankt ,     1 = ϑ ∈ L(S)  ϑ dS ist ein Q ∗ -Supermartingal ,     2 = ϑ ∈ L(S)  ϑ dS ist ein Q-Supermartingal f¨ur alle Q ∈ M f . Weiterhin seien die Mengen 1 und 2 dadurch definiert, dass man in 1 bzw. 2 Supermartingal durch Martingal ersetzt. 0 repräsentiert die Klasse der zulässigen Handelsstrategien für einen Händler mit endlichem Kreditrahmen. DieseDefinition verwenden Goll und Rüschendorf (2001) d t und dabei ist i=0 ϑti Sti = x + 0 ϑ dS für jedes t ∈ [0, T ]. Die Mengen 1 und 2 werden für den exponentiellen Nutzen in Rheinländer und Sexton (2011) verwendet. Eine Diskussion zulässiger Strategien findet sich in Schachermayer (2003). Für x = −∞ ist das optimale Portfolio im Allgemeinen nicht nach unten beschränkt und somit ist die optimale Portfoliostrategie nicht in 0 enthalten. Der folgende Satz verbindet Minimumdistanz-Martingalmaße mit Minimaxmaßen und mit optimalen Portfoliostrategien.

242

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

 Satz 6.25 Sei Q ∗ ∈ Meloc , so dass u ∗λ0 (Q ∗ P) < ∞ und I λ0 sei S (lokal) beschränkt, und sei λ0 ∈ ∂U (x). Dann gilt

dQ ∗ dP



∈ L 1 (Q ∗ ),

(i) Folgende Aussagen sind äquivalent: Minimumdistanz-Martingalmaß. (a) Q ∗ ist ein (lokales)    ∗ dQ ∗ ∗ (b) E Q I λ0 dQ ≤ E Q ∗ I λ0 d P , ∀Q ∈ Mloc mit u λ0 (Q P) < ∞. dP   T ∗ =x+ 0 (c) I λ0 dQ ϑ dS und ϑ ∈ 1 . dP (ii) Gilt (c) so gilt für i = 0, 1, 2   sup Eu x +

ϑ∈ i

T

   ϑ dS = Eu x +

0

T



ϑ dS = U Q ∗ (x) = U (x),

0

ϑ die optimale Strategie in 1 . und ϑ ∈ i für i = 0, 1, 2. Außerdem ist ∗ (iii) Gilt (a) so ist Q ein (lokales) Minimaxmaß. Beweis Nach Gl. (6.20) gilt (u ∗λ ) (x) = −λI (λx). (i) Die Äquivalenz (a) ⇔ (b) folgt mit Satz 6.8 (i): Q ∗ ∈ Meloc mit u ∗λ0 (Q ∗ P) < ∞ ist genau dann ein (lokales) Minimumdistanz-Martingalmaß, wenn   E Q ∗ u ∗λ0



dQ ∗ dP



  ≤ E Q u ∗λ0



dQ ∗ dP

 , ∀Q ∈ Mloc

mit u ∗λ0 (Q P) < ∞. Mit Gl. (6.20) erhält man     ∗  dQ ∗ dQ ∗ ≤ E Q u λ0 E Q∗ dP dP     ∗ dQ dQ ∗ ≥ E Q I λ0 . ⇐⇒ E Q ∗ I λ0 dP dP 

 u ∗λ0



(a) ⇒ (c): Ist Q ∗ ein (lokales) Minimumdistanz-Martingalmaß, so folgt aus Satz  ∗ 6.10 bzw. Proposition 6.12 und Gleichung (6.20) die Darstellung von I λ0 dQ dP · mit 0 ϑ dS ein Q ∗ -Martingal für einen S-integrierbaren, vorhersehbaren Prozess ϑ , d. h. ϑ ∈ 1 . Es bleibt also noch die Richtung (c) ⇒ (a) zu zeigen. Aus I : R→ (x, ∞) und der Annahme, dass x > −∞ erhalten wir, dass x+ ϑ · S ein Q ∗ -Martingal ist und Q ∗ ∼ P, ϑ · S T ≥ x > −∞. Da zudem ist − ϑ · S P-fast sicher nach unten beschränkt. Somit erhalten wir mit Satz 6.13, dass Q ∗ die u ∗λ0 -Projektion von P auf Mloc ist.

6.3 Dualitätsresultate

243

(ii) Zuerst zeigen wir, dass die Strategie ϑ in der jeweiligen Menge der zulässigen Strategien ist. Nach (c) ist ϑ ∈ 1 und da 1 ⊂ 1 ist ϑ somit auch in 1 . Wie im Beweis von (i) kann man für einen Prozess ϑ , der die Bedingung (c) erfüllt, folgern, dass ϑ · S nach unten beschränkt ist und somit gilt ϑ ∈ 0 . Weiter kann man mit Korollar 3.5 aus Ansel und Stricker (1994) folgern, dass ϑ · S T ein Q-Supermartingal für alle Q ∈ M f und somit in 2 ist. Es bleibt zu zeigen, dass ϑ die optimale Strategie ist. Nach Korollar 3.5 aus Ansel und Stricker (1994) ist ϑ · S ein lokales Q ∗ -Martingal und für jedes ϑ ∈ 0 auch nach unten beschränkt, und somit ein Q ∗ -Supermartingal. Für ϑ ∈ 1 , 2 und ϑ ∈ 1 folgt die Supermartingaleigenschaft direkt. Wegen der Supermartingaleigenschaft gilt E Q ∗ [x + (ϑ · S)T ] ≤ E Q ∗ [x + (ϑ · S)0 ] = x. Analog zu Lemma 6.14 (ii) kann man für i = 0, 1, 2 schließen, dass 



T

sup Eu x +

ϑ∈ i







T

ϑ dS = Eu x +

0

ϑ dS



0

und somit ist ϑ eine optimale Portfoliostrategie. Genauso folgt, dass ϑ die optimale Strategie in 1 ist. Weiterhin gilt nach (c) 



Eu x + 0

T

    dQ ∗

= U Q ∗ (x). ϑ dS = Eu I λ0 dP

Nach Proposition 6.18 folgt daher U Q ∗ (x) = U (x). (iii) Da Q ∗ ein (lokales) Minimumdistanz-Martingalmaß ist und die Voraussetzungen von Proposition 6.18 erfüllt sind, erhalten wir durch Anwendung von Proposition 6.18 (ii), dass Q ∗ ein (lokales) Minimaxmaß ist.  Bemerkung 6.26   (1) Ist x = −∞, so ist in (i) und (ii) nur x + ϑ · S T ≥ −∞, woraus in Teil (i) nicht folgt, dass − ϑ · S P-fast sicher nach unten beschränkt ist. Des Weiteren können wir in Teil (ii) nicht folgern, dass ϑ ∈ 0 ist. Folglich reicht es für x = −∞ nicht aus, 0 als Menge der zulässigen Strategien zu betrachten. In diesem Fall verwendet man die größere Klasse 2 (vgl. Schachermayer (2003)). (2) Für den exponentiellen Nutzen ist die optimale Strategie ϑ auch in 2 . Für  allgemeine Nutzenfunktionen liegt diese jedoch nicht in 2 . Korollar 6.27 Sei Q ∗ ein Minimaxmaß für x und Mloc .  

P < ∞ für ein Maß Q

∈ Me , dann ist Q ∗ ∼ P. (i) Ist u ∗ Q loc

244

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

(ii) Falls Q ∗ ∼ P und S (lokal) beschränkt ist, dann gilt    T dQ ∗

=x+ I λ Q ∗ (x) ϑ dS, dP 0 wobei ϑ eine optimale Portfoliostrategie ist und es gilt ¨ alle Q ∈ Mloc }. U (x) = U Q ∗ (x) = sup{Eu(Y ) : E Q Y ≤ x f ur Beweis  

P = (i) Proposition 6.18 (iii) zeigt, dass Q ∗ eine u ∗λ ∗ (x) -Projektion ist. Da u ∗ Q Q   Eu ∗ ddQP

sup E Q B.

Q∈Meloc

Dabei entspricht sup E Q B den minimalen Kosten einer Super-Hedging-Strategie. Q∈Meloc

Wir wählen x zum einen so klein, dass nicht ausschließlich Super-Hedging-Strategien zugelassen werden und zum andern so groß, dass Super-Hedging-Strategien nicht ausgeschlossen werden. Analog zu Abschn. 6.3.2 definieren wir für Q ∈ K und x > x U QB (x) := sup{Eu(Y − B); E Q Y ≤ x, Eu(Y − B)− < ∞}. U QB (x) entspricht dem maximal zu erwartenden Nutzen bei nutzenbasiertem Hedging des Claims B, das mit einem Grundkapital x erreicht werden kann, wenn Marktpreise mit Q berechnet werden. Das folgende Lemma verallgemeinert Lemma 6.14, der Beweis dazu ist ähnlich.     Lemma 6.31 Sei Q ∈ Mloc und E Q I λ dQ + B < ∞ ∀λ > 0. Dann gilt dP      (i) U QB (x) = inf λ>0 Eu ∗ λ dQ dP + λ x − EQ B .     + B = x gibt es eine eindeutige Lösung für (ii) Für die Gleichung E Q I λ dQ dP λ, bezeichnet durch λ Q (x) ∈ (0, ∞), und es gilt    dQ . U QB (x) = Eu I λ Q (x) dP

248

6



Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …



1 − Beweis Sei I λ dQ d P + B ∈ L (Q) mit E Q Y ≤ x und Eu(Y − B) < ∞. Dann gilt für λ > 0

Eu(Y − B) ≤ Eu(Y − B) + λ(x − E Q Y )   = Eu(Y − B) + λ x − E Q [Y − B + B]   dQ = Eu(Y − B) − E λ (Y − B) + λ x − E Q B dP     dQ + λ x − EQ B (6.26) ≤ Eu ∗ λ dP        dQ dQ dQ −E λ + λ x − EQ B I λ = Eu I λ dP dP dP        dQ dQ + λ x − EQ I λ +B . = Eu I λ dP dP   Gleichheit gilt genau dann, wenn Y − B = I λ Q (x) dQ d P mit λ Q (x) Lösung der     Gleichung E Q I λ dQ d P + B = x. Die eindeutige Existenz von λ Q (x) sowie die Tatsache, dass  −   dQ E u I λ Q (x) 0

     dQ + λ x − EQ B . Eu ∗ λ dP



Definiere U B (x) :=

inf

sup Eu(Y − B).

Q∈Mloc E Q Y ≤x

(6.28)

Das Maß Q ∗ , das die Abbildung Q  → U QB minimiert, ist das Analogon zum Minimaxmaß im nutzenbasierten Hedging-Fall. Im Folgenden sei U B (x) < ∞ und Annahme (6.18) sei für Mloc erfüllt. Des Weiteren sei S lokal beschränktes Semimartingal.

6.4 Nutzenbasiertes Hedging

249

Zu dem Hedging-Problem (6.3) wird dual ein Minimierungsproblem über Martingalmaße eingeführt, nämlich für λ0 ∈ ∂U B (x):   dQ dQ − λ0 E u ∗ λ0 B . dP dP Q∈Mloc

(D)

inf

Für nutzenbasiertes Hedging erhält man folgendes Dualitätsresultat. Satz 6.32 Sei λ0 ∈ ∂U B (x) und sei Q ∗ ∈ Meloc , so dass u ∗λ0 (Q ∗ || P) < ∞ und 

dQ ∗ I λ0 dP



+ B ∈ L 1 (Q ∗ ).

Dann gilt (i) Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (a) Q ∗ löst  Problem  (D).      ∗ dQ ∗ (b) E Q I λ0 d P + B ≤ E Q ∗ I λ0 dQ + B , ∀Q ∈ Mloc mit dP     dQ B < ∞. − λ E u ∗ λ0 dQ 0 dP dP   T dQ ∗ (c) I λ0 d P + B = x + 0 ϑ dS und ϑ ∈ 1 . (ii) Gilt (c) so ist ϑ eine optimale Hedging-Strategie. Der Beweis verwendet wesentlich ein Resultat analog zu Satz 6.8 (i).  Satz 6.33 Sei Q ∗ ∈ Mloc mit u ∗λ0 (Q ∗ P) < ∞ und I λ0 löst Q ∗ das duale Problem (D) genau dann, wenn

dQ ∗ dP



∈ L 1 (Q ∗ ). Dann

    dQ ∗ dQ ∗ + B ≤ E Q ∗ I λ0 + B , ∀Q ∈ Mloc E Q I λ0 dP dP   mit E u ∗ λ0

dQ dP



− λ0

dQ dP

 B < ∞.

Beweis Der Beweis ist analog zu dem Beweis von Satz 6.8. Für Q ∈ Mloc mit E u





dQ λ0 dP



dQ − λ0 B 0 dP     dQ ∗ dQ ∗ −λ B + λx = inf E u ∗ λ λ>0 dP dP     dQ dQ −λ E u∗ λ B + λx = inf inf λ>0 Q∈Mloc dP dP     dQ dQ −λ B + λx = inf inf E u ∗ λ dP dP Q∈Mloc λ>0 

U QB∗ (x) = inf

=

inf

Q∈Mloc

U QB (x) = U B (x).

Insgesamt gilt also   U B (x) = sup Eu(Y − B) : E Q ∗ Y ≤ x, Eu(Y − B)− < ∞    dQ ∗ , = Eu I λ0 dP     ∗ und E Q ∗ I λ0 dQ + B = x. Da ϑ · S ein Q ∗ -Martingal ist, folgt c = x und dP     ∗ +B=x+ es gilt I λ0 dQ ϑ · S T. dP (c) =⇒ (b) Mit I : R → (x, ∞) und da B nichtnegativ ist, dass     x+ ϑ · S T − B ≥ x. ϑ·S T ≥x+ Wie im Beweis von Satz 6.25 ist ϑ · S ein Q ∗ -Martingal und mit Q ∗ ∼ P, dass

ϑ · S P-fast sicher nach unten beschränkt ist. Nach Ansel und Stricker (1994, Korollar 3.5) folgt, dass ϑ · S ein lokales Q-Martingal ist und somit auch ein

6.4 Nutzenbasiertes Hedging

253

Q-Supermartingal für jedes Q ∈ Mloc . Somit erhalten wir mit Voraussetzung (c) und der Supermartingaleigenschaft     dQ ∗ + B = x + EQ E Q I λ0 ϑ·S T dP   ≤ x + EQ ϑ·S 0=x   dQ ∗ +B . = E Q ∗ I λ0 dP (ii) Zuerst zeigen wir, dass die Strategie ϑ in der jeweiligen Menge der zulässigen Strategien ist. Nach (c) ist ϑ ∈ 1 ⊂ 1 . Für einen Prozess ϑ , der (c) erfüllt, kann man wie in (i) schließen, dass ϑ · S P-fast sicher nach unten beschränkt   ist und somit ϑ ∈ 0 . Wie oben folgt, dass ϑ · S T ein Q-Supermartingal für alle Q ∈ M f ist und somit ϑ ∈ 2 . Ist ϑ ∈ i für i = 0, 1, 2 bzw. ϑ ∈ 1 eine zulässige Strategie, so gilt Eu (x + (ϑ · S)T − B)             ≤E u x+ ϑ · S T − B + u x + ϑ · S T − B (ϑ · S)T − ϑ·S T   dQ ∗           =E u x+ ϑ·S T ϑ · S T − B + u  I λ0 (ϑ · S)T − dP          dQ ∗  =E u x+ ϑ · S T − B + λ0 ϑ·S T − ϑ·S T dP     ≤ Eu x + ϑ·S T −B . Da u konkav ist, ist −u konvex; es gilt Die erste  daher  die erste Ungleichung. T dQ ∗

Gleichheit gilt mit der Darstellung I λ0 d P + B = x + 0 ϑ dS aus (c). Die  −1 zweite Gleichheit folgt mit I := u  . Wie gehabt ist ϑ · S − ϑ · S ein lokales Q ∗ -Martingal. Für die letzte Ungleichung differenzieren wir bei der Argumentation danach ob wir das Supremum über ϑ ∈ 0 oder über ϑ ∈ i für i = 1, 2 bzw. ϑ ∈ 1 betrachten: Ist ϑ ∈ 0 , so ist ϑ · S nach unten beschränkt. Wie in Teil (i) kann man folgern, dass − ϑ · S fast sicher nach unten beschränkt ist. Somit ist auch ϑ · S − ϑ·S ∗ fast sicher nach unten beschränkt und daher, da es auch ein lokales   Q ∗ Martingal ist, ein Q -Supermartingal. Es gilt also E Q ∗ (ϑ · S)T − ϑ·S T ≤    E Q ∗ (ϑ · S)0 − ϑ · S 0 = 0. Die letzte Ungleichung folgt, da λ0 > 0. Ist ϑ ∈ i für i = 1, 2 bzw. ϑ ∈ 1 so ist ϑ · S ein Q ∗ -Supermartingal und es gilt E Q ∗ (ϑ · S)T ≤ E Q ∗ (ϑ · S)0 = 0.

254

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Analog zu Teil (i) sieht man, dass − ϑ · S fast sicher nach unten beschränkt ist, also auch ein Q ∗ -Supermartingal. Damit gilt       E Q∗ − ϑ · S T ≤ E Q∗ − ϑ·S 0 =0 und die letzte Ungleichung folgt, da λ0 > 0.



Zum Schluss dieses Kapitels geben wir noch das Dualitätsresultat für den exponentiellen Nutzen mit Claim B an (vgl. Rheinländer und Sexton (2011)). Korollar 6.34 Für jedes x ∈ R gilt







T

sup E 1 − exp − p x +

ϑ∈ i

 ϑt dSt − B

0



 = 1 − exp − p inf

Q∈M f

1 H (Q P) + x − E Q B p

 .

und das Supremum wird angenommen für ϑ ∈ 2 . Der Beweis dieses Resultats basiert auf einer Anwendung des Satzes 6.30, Maßwechsel und auf der Darstellung der Dichte des minimalen Entropie-Martingalmaßes.

6.5

Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen

Exponentielle Lévy-Prozesse sind wichtige Modelle für Preisprozesse. In diesem Kapitel werden mit Hilfe der Resultate aus den Abschn. 6.2 und 6.3 optimale Portfolios sowie Minimumdistanz-Martingalmaße für einige Standardnutzenfunktionen ermittelt. Exponentielle Nutzenfunktion Der zu minimierende Abstand, der zur exponentiellen Nutzenfunktion u(x) = 1 − e− px gehört, ist die relative Entropie, die durch die Funktion f (x) = x log x gegeben ist. Mit den notwendigen und hinreichenden Bedingungen aus den Sätzen 6.10–6.13 erhalten wir für das Minimumdistanz-Martingalmaß eine Darstellung der Dichte der Form dQ ∗ 1 exp (− p (x + (ϑ · S)T )) . = dP λ0

(6.29)

Satz 6.13 liefert eine hinreichende Bedingung: Ist das stochastische Integral aus (6.29) P-fast sicher nach unten beschränkt und ein Q ∗ -Martingal, so ist Q ∗ das minimale Entropie-Martingalmaß und ϑ ist eine optimale Portfoliostrategie. Generell ist die Frage, ob (ϑ · S)T nach unten beschränkt ist, d. h. die Zulässigkeit von ϑ, ein interessanter Punkt.

6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen

255

Sei X = (X 1 , . . . , X d ) ein Rd -wertiger Lévy-Prozess, E das stochastische Exponential und der positive Preisprozess S = (S 1 , . . . , S d ) sei gegeben durch S i = S0i E (X i ).

(6.30)

 i X für einen Diese Prozesse lassen auch eine Darstellung der Form S i = S0i exp  Rd -wertigen Lévy-Prozess  X zu (siehe Goll und Kallsen (2000)). Sei (b, c, F) das charakteristische Triplet (die differentielle Charakteristik) von X bezüglich einer Abschneidefunktion h : Rd → Rd . Weiterhin existiere ein γ ∈ Rd mit folgenden Eigenschaften:   1. |xe−γ x − h(x)|F( dx) < ∞,     b − cγ + xe−γ x − h(x) F( dx) = 0. (6.31) 2. t d f¨ur i = 1, . . . , d, ϑt0 := x + 0 ϑs dSs − i=1 ϑti Sti       für t ∈ (0, T ]. Definiere Z t = E −γ  X sc + e−γ x − 1 ∗ μ X − ν s . t Das Minimumdistanz-Martingalmaß bzgl. der Entropie beschreibt das folgende Korollar.

Sei ϑti :=

γi i St−



∗ Korollar 6.35 Das durch dQ d P = Z T definierte Maß Q ist ein äquivalentes lokales Martingalmaß. Ist γ · X nach unten beschränkt, dann minimiert Q ∗ die relative Entropie zwischen P und Mloc , d. h. H (Q ∗ | P) = H (Mloc | P).

Beweis In Kallsen (2000) wird gezeigt, dass Z wie oben definiert, ein Martingal ist und S i Z ein lokales Martingal bezüglich P für i ∈ {1, . . . , d} ist. Die Dichte Z T = dQ ∗ ∗ d P von Q bezüglich P ist ein stochastisches Exponential und hat eine Darstellung wie in (6.29) mit ϑti :=

γi i . Des Weiteren gilt E Q ∗ (ϑ St−

· S)T = 0. Dies impliziert, dass  ∗ die relative Entropie zwischen Q ∗ und P endlich ist, d. h. E Q ∗ log dQ < ∞. dP Ist der Prozess ϑ · S = γ · X nach unten beschränkt, so folgt nach Satz 6.13, dass  Q ∗ die relative Entropie zwischen P und Mloc minimiert.

Die Bedingung, dass γ · X = ϑ · S nach unten beschränkt ist, ist im Allgemeinen nicht erfüllt. Im Zusammenhang der Portfoliooptimierung für den nicht-beschränkten Fall wird diese Fragestellung in Kallsen (2000) und Schachermayer (2001) diskutiert. Logarithmische Nutzenfunktion Zur der logarithmischen Nutzenfunktion u(x) = log x ist der f -Divergenzabstand mit f (x) = − log x assoziiert, die reverse relative Entropie.

256

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Die Charakteristik (B, C, ν) des Rd -wertigen Semimartingals (S 1 , . . . , S d ) bezüglich einer festen Abschneidefunktion h : Rd → Rd sei gegeben durch  ·  · B= bt d At , C = ct d At , ν = A ⊗ F, (6.32) 0

0

A+ loc

ein vorhersehbarer Prozess, b ein vorhersehbarer Rd -wertiger Prowobei A ∈ zess, c ein vorhersehbarer Rd×d -wertiger Prozess, dessen Werte nichtnegative, symmetrische Matrizen sind, und F ein Übergangskern von ( × R+ , P ) nach (Rd , Bd ) ist. Dabei beschreibt A+ loc die Klasse der lokal integrierbaren, adaptierten, wachsenden Prozesse und P die vorhersehbare σ -Algebra. Weiterhin existiere ein Rd -wertiger, S-integrierbarer Prozess H mit folgenden Eigenschaften: 1. 1 + Ht x > 0 für (A ⊗ F)-fast alle (t, x) ∈ [0, T ] × Rd ,   x   − h(x) 2. Ft ( dx) < ∞ (P ⊗ A)-fast überall auf  × [0, T ],   1 + Ht x    x (6.33) − h(x) Ft ( dx) = 0 3. bt − ct Ht + 1 + Ht x (P ⊗ A)-fast überall auf  × [0, T ]. Sei für t ∈ (0, T ]  ϑti

:=

x Hti E



·

Hs dSs 0

 |t−

f¨ur i = 1, . . . d,

ϑt0

t

:= x +

ϑs dSs −

0

d !

ϑti Sti .

i=1

für t ∈ (0, T ]. In Satz 3.1 aus Goll und Kallsen (2000) wird gezeigt, dass ϑ, definiert wie oben, eine optimale Portfoliostrategie für das logarithmische Nutzenmaximierungsproblem ist. Hierauf basierend ergibt sich mit Satz 6.13 eine Charakterisierung des lokalen Martingalmaßes, das die reverse relative Entropie minimiert.      Korollar 6.36 Ist Z t := E −H · Ssc + 1+H1  x − 1 ∗ μ S − ν s ein Martint

gal, so ist das zugehörige Maß Q ∗ mit Dichte Z T ein äquivalentes lokales Martingalmaß und minimiert die reverse relative Entropie. Beweis Nach Goll und Kallsen (2000, Beweis zu Satz 3.1) ist (Z t ) ein positives, lokales Martingal, so dass S i Z ein lokales Martingal für i ∈ {1, . . . , d} ist. Weiter ist ZxT = x + (ϑ · S)T und ϑ · S nach unten beschränkt. Ist Z wie vorausgesetzt ein Martingal, so ist Z T die Dichte eines äquivalenten lokalen Martingalmaßes Q ∗ . Für Q ∗ gilt     1 dQ ∗ = E log E − log = E log (x + (ϑ · S)T ) − log x. dP ZT

6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen

257

Wie im Beweis zu Lemma 6.14 folgt, dass     dQ dQ ∗ + log x = E log (x + (ϑ · S)T ) ≤ E − log +x E − log dP dP für alle Q ∈ Mloc . Ist die reverse relative Entropie von Q ∗ unendlich, so folgt aus dieser Ungleichung, dass auch alle anderen Maße Q ∈ Mloc unendliche inverse relative Entropie besitzen. Wegen E Q ∗ [x + (ϑ · S)T ] = E[Z T (x + (ϑ · S)T )] = x folgt mit Satz 6.13, dass Q ∗ die inverse relative Entropie minimiert.



Derivatbepreisung durch die Esschertransformierte In diesem Unterkapitel zeigen wir, dass die Lösung des Nutzenmaximierungsproblems bezüglich einer speziellen Potenznutzenfunktion mit Hilfe der Esschertransformation bestimmt werden kann. Die Esschertransformation ist ein klassisches Mittel, um ein äquivalentes Martingalmaß zu finden. Der Preisprozess S = (St )t≤T sei durch einen Lévy-Prozess X = (X t )t≤T mit X 0 = 0 erzeugt, so dass St = e X t . Sei M die momenterzeugende Funktion von X mit M(u, t) = M(u)t = Eeu X t . M existiere für |u| < C für eine  ϑ Konstante C > 0. Die Esschertransformation definiert eine Menge von Maßen Q : |ϑ| < C durch dQ ϑ eϑ X T . = dP M(ϑ)T Ist ϑ eine Lösung von  0 = log

 M(ϑ + 1) , M(ϑ)

(6.34)

dann ist Q ϑ ein äquivalentes Martingalmaß, das Esscher-Preis-Maß (die EscherTransformierte). p Sei u die Potenznutzenfunktion, u(x) = xp , p ∈ (−∞, 1)\{0}. Dann ist die Bedingung (c) aus Satz 6.25 (i) für ein minimales Distanz-Martingalmaß und einer Strategie ϕ äquivalent zu dQ ∗ ϕ · S)T ) p−1 (x + ( = dP λ0

und ϕ · S ist ein Q ∗ -Martingal.

258

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Das Esscher-Martingalmaß Q ϑ , definiert durch



dQ ϑ eϑ X T = dP M( ϑ )T

mit p= ϑ + 1,

mit der konstanten Strategie ϕ = x und λ0 = x ϑ M( ϑ ) erfüllt die Bedingung (c) aus Satz 6.25 (i) beziehungsweise die Annahme aus Proposition 6.12. Als Folgerung ergibt sich daher das folgende Korollar. Korollar 6.37 Im Modell eines exponentiellen Lévy-Prozesses ist die Esscher transformierte Q ϑ ein Minimumdistanz-Martingalmaß für Potenzdivergenz f (x) =

p

p −1 − x p−1 , falls ϑ (6.34) löst und p= ϑ + 1 < 1. Darüber hinaus ist Q ϑ ein Mini p

maxmaß für die Potenznutzenfunktion

p x

p .

Korollar 6.37 zeigt, dass das Esschermaß Qϑ Minimumdistanz-Martingalmaß zu

p p so der (speziellen) Potenznutzenfunktion u(x) = x p gehört, wobei der Parameter X T bestimmt ist, dass K · e dem Wert des optimalen Portfolios zur Zeit T entspricht. Die optimale Portfoliostrategie investiert konstant das komplette Vermögen in das risikobehaftete Wertpapier. Im nächsten Unterkapitel betrachten wir die Lösung dieses Problems für allgemeine Potenznutzenfunktionen. Potenznutzenfunktion Als Nächstes bestimmen wir das lokale Martingalmaß, das den f -Divergenzabstand p p−1 ( p ∈ (−∞, 1) \ {0}) für die allgemeine Potenznutzenfunktion f (x) = − p−1 p x minimiert, falls der diskontierte Preisprozess S = (S 1 , . . . , S d ) von der Form S i = S0i E (X i )

(6.35)

für einen Rd -wertigen Lévy-Prozess X = (X 1 , . . . , X d ) ist. Nach Satz 6.25 entspricht dieses Problem dem Problem der Portfoliooptimierung zur Nutzenfunktion p u(x) = xp , fs Sei (b, c, F) das differentielle Triplet von X bezüglich einer Abschneidefunktion h : Rd → Rd . Es existiere ein γ ∈ Rd mit den folgenden Eigenschaften:

6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen

259

1. F({x ∈ Rd : 1 + γ  x ≤ 0}) = 0,   x   − h(x) 2. F( dx) < ∞,  (1 + γ  x)1− p    x 3. b + ( p − 1)cγ + − h(x) F( dx) = 0. (1 + γ  x)1− p Sei ϑti :=

γi  Vt− f¨ur i = 1, . . . , d, ϑt0 := x + i St−



t

ϑs dSs −

0

(6.36) d !

ϑti Sti

i=1

 der Werteprozess bezüglich ϑ ist, d. h. für f = u ∗ . für t ∈ (0, T ], wobei V     Definiere Z t := E ( p − 1)γ  X sc + (1 + γ  x) p−1 − 1 ∗ (μ X − ν)s t , dann gilt Korollar 6.38 Das durch

dQ ∗ dP

= Z T definierte Maß Q ∗ ist ein äquivalentes lokales p

p−1 . Martingalmaß und minimiert den f -Divergenzabstand für f (x) = − p−1 p x

Beweis Im Beweis zu Satz 3.2 in Kallsen (2000) wird gezeigt, dass Z ein positives Martingal ist, so dass S i Z ein lokales Martingal bezüglich P für i ∈ {1, . . . , d} ist. ∗ ∗ Der Dichteprozess Z T = dQ d P von Q bezüglich P besitzt die Darstellung ZT = mit ϑti :=

(x + (ϑ · S)T ) p−1 E (x + (ϑ · S)T ) p−1

γi  i Vt− . Des Weiteren gilt St−

E Q ∗ (ϑ · S)T = 0 und daher folgt f (Q ∗ P)
0 Q∈M f

0





V (x + π(B) − B) = sup Eu x + π(B) + ϑ∈ 2

= inf

λ>0 Q∈M f

T

(6.37)

 ϑt dSt − B

0





u ∗λ (Q P) + λ(x + π(B) − E Q B)

(6.38)

Die folgenden Resultate basieren auf den Arbeiten Owen und Žitkovi´c (2009), Biagini et al. (2011) sowie Rheinländer und Sexton (2011). Proposition 6.40 (Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises) Der Nutzenindifferenzpreis ist wohldefiniert und erfüllt folgende Eigenschaften: (1) (Translationsinvarianz) π(B + c) = π(B) + c für c ∈ R; (2) (Monotonie) π(B1 ) ≤ π(B2 ) falls B1 ≤ B2 ; (3) (Konvexität) Gegeben zwei contingent claims B1 und B2 , so gilt für jedes γ ∈ [0, 1] π(γ B1 + (1 − γ )B2 ) ≤ γ π(B1 ) + (1 − γ )π(B2 ); (4) (Bepreisung hedgebarer Claims) Für einen hedgebaren Claim B = b + ϑt dSt mit ϑ ∈ 2 gilt:   π b+ 0

T

 ϑt dSt = b;

T 0

6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises

261

(5) (Bepreisung mit entropischem Strafterm) π(B) erlaubt die duale Darstellung π(B) = sup {E Q B − α(Q)} Q∈M f

mit

einem

Strafterm

α : M f → [0, ∞),

1 ∗ (u (Q λ>0 λ λ

α(Q) = inf

P) +

λx − V (x)) (6) (Preisschranken) Sei Q ∗ das Minimumdistanz-Martingalmaß, so gilt E Q ∗ B ≤ π(B) ≤ sup E Q B, Q∈M f

wobei E Q ∗ B Davis’ fairer Preis ist; (7) (Starke Stetigkeit) Ist (Bn )n≥0 eine Folge von contingent claims, so dass sup E Q [Bn − B] → 0 und

Q∈M f

inf

Q∈M f

E Q [Bn − B] → 0,

so gilt π(Bn ) → π(B); (8) (Fatou-Eigenschaft) Für eine Folge von contingent claims (Bn )n≥0 gilt   π lim inf Bn ≤ lim inf π(Bn ); n→∞

n→∞

(9) (Stetigkeit nach unten) Ist (Bn )n≥0 eine Folge von contingent claims, dann gilt Bn ↑ B P-fast sicher ⇒ π(Bn ) ↑ π(B).



Bemerkung (a) Für den Nutzenindifferenzpreis  π des Käufers nach Definition 6.3 erhält man in Teil (3) anstelle der Konvexität die Konkavität des Nutzenindifferenzpreises des Käufers. In Teil (5) erhält man für den Nutzenindifferenzpreis des Käufers die Darstellung  π (B) = inf {E Q B + α(Q)}, Q∈M f

in Teil (6) erhält man als Preisschranken inf

Q∈M f

EQ B ≤  π (B) ≤ E Q ∗ B

und in Teil (9) erhält man Stetigkeit von oben.

262

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

(b) Als Konsequenz der starken Stetigkeit wird in Biagini et al. (2011) die Normstetigkeit gezeigt. Das Hauptargument besteht darin, eine Erweiterung des Namioka-Klee-Theorems (siehe Biagini und Frittelli (2009, Theorem 1)) anzuwenden. Aus dieser Erweiterung des Namioka-Klee-Theorems folgt ebenfalls, dass π subdifferenzierbar ist. Beweis Für die Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung von (6.1) betrachte V (x + p − B). Analog zum Beweis von Teil (2) und (3) kann man zeigen, dass diese Funktion in p monoton wachsend und konkav ist. Mit dem Satz über monotone Konvergenz und der Fenchel-Ungleichung sieht man, dass die Funktion V (x + p − B) in p Werte in (−∞, u(+∞)] annimmt und es folgt die Wohldefiniertheit. (1) Folgt direkt aus der Definition und der Wohldefiniertheit von π. (2) Mit Hilfe des Dualitätsresultats (6.37) folgt, dass V (x) monoton wachsend ist. Sei dazu x1 ≤ x2 und Q ∗2 optimal im dualen Problem für den Anfangswert x2 . Dann gilt V (x1 ) = inf



λ>0 Q∈M f

u ∗λ (Q P) + λx1



  ≤ inf u ∗λ (Q ∗2 P) + λx1 λ>0   ≤ inf u ∗λ (Q ∗2 P) + λx2 λ>0   = inf u ∗λ (Q P) + λx2 = V (x2 ). λ>0 Q∈M f

Damit folgt die Behauptung aus der Monotonie von V (x) und der Definition des Nutzenindifferenzpreises. (3) Aus dem Dualitätsresultat (6.37) folgt weiter, dass V (x) konkav ist. Sei dazu γ ∈ [0, 1], dann gilt V (γ x1 + (1 − γ )x2 ) = inf {u ∗λ (Q P) + λ(γ x1 + (1 − γ )x2 )} λ>0 Q∈M f

= inf {γ (u ∗λ (Q P) + λx1 ) + (1 − γ )(u ∗λ (Q P) + λx2 )} λ>0 Q∈M f

≥ inf {γ (u ∗λ (Q P) + λx1 )} + inf {(1 − γ )(u ∗λ (Q P) + λx2 )} λ>0 Q∈M f

= γ V (x1 ) + (1 − γ )V (x2 ).

λ>0 Q∈M f

6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises

263

Ebenso ist V (x, B) := V (x − B) = sup Eu(x +

T 0

v∈ 2

für γ ∈ (0, 1) gilt

ϑt dSt ) konkav in B. Denn

V (x, γ B1 + (1 − γ )B2 ) = sup Eu(x + (ϑ · S)T − (γ B1 + (1 − γ )B2 )) ϑ∈ 2

= ≥

sup

ϑ1 ,ϑ2 ∈ 2

Eu(γ (x + (ϑ1 · S)T − B1 ) + (1 − γ )(x + (ϑ2 · S)T − B2 ))

sup [γ E(x + (ϑ1 · S)T − B1 ) + (1 − γ )E(x + (ϑ2 · S) − B2 ]

ϑ1 ,ϑ2 ∈ 2

= γ V (x, B1 ) + (1 − γ )V (x, B2 ). Daraus folgt V (γ x + (1 − γ )x + γ π(B1 ) + (1 − γ )π(B2 ) − γ B1 − (1 − γ )B2 ) = V (γ (x + π(B1 ) − B1 ) + (1 − γ )(x + π(B2 ) − B2 )) ≥ γ V (x + π(B1 ) − B1 ) + (1 − γ )V (x + π(B2 ) − B2 ) = γ V (x) + (1 − γ )V (x) = V (x). Insgesamt ergibt sich damit V (x) = V (x + π(γ B1 + (1 − γ )B2 ) − (γ B1 + (1 − γ )B2 )) ≤ V (x + γ π(B1 ) + (1 − γ )π(B2 ) − (γ B1 + (1 − γ )B2 )). Wegen der Monotonie von V (x) gilt daher π(γ B1 + (1 − γ )B2 ) ≤ γ π(B1 ) + (1 − γ )π(B2 ), d. h. π ist konvex.  (4) Da ϑ ∈ 2 ist ϑ dS ein Q-Martingal für alle Q ∈ M f . Zusammen mit dem Dualitätsresultat (6.38) erhalten wir    V x +π b+ = inf

λ>0 Q∈M f

T

  ϑt dSt − b −

0







T

ϑt dSt

0

u ∗λ (Q P) + λ x + π b +



T



  ϑt dSt − b .

0

Damit    V x +π b+ 0

T

  ϑt dSt − b −

T

 ϑt dSt = V (x)

0

  T gilt, muss wegen (6.37) bereits π b + 0 ϑt dSt = b gelten.

264

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

(5) Mit Definition 6.3 von π(B) und der dualen Darstellung (6.38) ergibt sich V (x) = V (x + π(B) − B) = inf {u ∗λ (Q P) + λ(x + π(B) − E Q B)} λ>0 Q∈M f

≤ inf {u ∗λ (Q P) + λ(x + π(B) − E Q B)}, ∀λ > 0. Q∈M f  ∗  u λ (Q P) V (x) Daher gilt: π(B) ≥ − inf + x − E Q B , ∀λ > 0 λ λ Q∈M f V (x) u ∗λ (Q P) ≥ − − x + E Q B, ∀λ > 0, ∀Q ∈ M f . λ λ Es folgt also, dass für alle Q ∈ M f gilt  π(B) ≥ E Q B − inf

λ>0

 u ∗λ (Q P) V (x) , +x− λ λ

mit Gleichheit für das optimale Maß Q ∗ . Damit folgt  π(B) = sup

Q∈M f

 E Q B − inf λ>0 

 u ∗λ (Q P) V (x) . +x− λ λ   =:α(Q)

(6) Die erste Ungleichung folgt aus der Darstellung in (5) und aus α(Q ∗ ) = 0: π(B) = sup {E Q B − α(Q)} ≥ E Q ∗ B − α(Q ∗ ) ≥ E Q ∗ B. Q∈M f

Die zweite Ungleichung folgt, da der Strafterm α(Q) ≥ 0 ist und wir erhalten als obere Schranke den schwachen Superreplikationspreis sup Q∈M f E Q B. (7) Diese Eigenschaft folgt aus der Darstellung des Nutzenindifferenzpreises in Teil (5), da inf

Q∈M f

E Q [Bn − B] = − sup E Q [B − Bn ] Q∈M f

= − sup {(E Q B − α(Q)) − (E Q Bn − α(Q))} Q∈M f

≤ − sup {E Q B − α(Q)} + sup {E Q Bn − α(Q)} Q∈M f

Q∈M f

= π(Bn ) − π(B) ≤ sup {(E Q Bn − α(Q)) − (E Q B − α(Q))} Q∈M f

= sup E Q [Bn − B]. Q∈M f

Somit folgt π(Bn ) → π(B).

6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises

265

(8) Diese Eigenschaft folgt aus der Darstellung des Nutzenindifferenzpreises in Teil (5) und dem Lemma von Fatou:       π lim inf Bn = sup E Q lim inf Bn − α(Q) n→∞

n→∞

Q∈M f





≤ sup lim inf E Q [Bn ] − α(Q) Q∈M f

n→∞

≤ lim inf sup n→∞



Q∈M f



E Q [Bn ] − α(Q)

= lim inf π(Bn ). n→∞

(9) Diese Eigenschaft folgt direkt aus der Fatou-Eigenschaft. Es gilt   π(B) = π lim inf Bn ≤ lim inf π(Bn ). n→∞

n→∞



Bemerkung (a) Wegen der Darstellung aus Teil (5) kann der Nutzenindifferenzpreis als Bepreisung mit entropischem Strafterm betrachtet werden. (b) Für den Fall der exponentiellen Nutzenfunktion hängt der Nutzenindifferenzpreis nicht vom anfänglichen Kapital ab und man kann den Nutzenindifferenzpreis π(B; p) zum Risikoaversionsparameter p nach (5) auch darstellen als π(B; p) = sup

Q∈M f



EQ B −

 1 H (Q P) − H (Q ∗ P) . p

(vgl. Rheinländer und Sexton (2011, Gl. 7.15)). In diesem Fall erhält man die Darstellung des Nutzenindifferenzpreises auch durch die duale Darstellung des Nutzenmaximierungsproblems: inf

Q∈M f

 1 1 H (Q P) = inf H (Q P) + π(B; p) − E Q B . p Q∈M f p

(c) Nach Definition 6.3 gilt π(B) = − π (−B) mit  π der Nutzenindifferenzpreis des Käufers. Wegen der Konvexität des Nutzenindifferenzpreises und π(0) = 0 folgt, dass π(B) ≥  π (B). (d) Der Nutzenindifferenzpreis ist wachsend bezüglich der Risikoaversion. Ist der Investor risikoavers, erwartet er für ein eingegangenes Risiko eine Risikoprämie. Das heißt je risikoscheuer der Investor ist, desto höher ist die Risikoprämie und somit der Nutzenindifferenzpreis.

266

6

Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße …

Das nächste Thema ist die Untersuchung der Volumen-Asymptotik-Eigenschaften für den Mittelwert des Nutzenindifferenzpreises des Verkäufers für b Einheiten b > 0 für b → ∞ und b → 0 des contingent claims B, also für π(bB) b . Proposition 6.41 (Volumen-Asymptotik) Sei B ein contingent claim und b > 0. Dann ist π(bB) eine in b stetige, wachsende Funktion. Des Weiteren gilt b (i) E Q ∗ B ≤

π(bB) b

≤ sup E Q B; Q∈M f

(ii)

lim π(bB) b↑∞ b

= sup E Q B;

(iii)

lim π(bB) b b↓0

= E Q ∗ B.

Q∈M f



Beweis Die Stetigkeit in b folgt aus der starken Stetigkeit aus Proposition 6.40. Sei 0 < b1 ≤ b2 . Setze γ = bb21 , B1 = b2 B und B2 = 0. Wegen der Konvexität von π(B) gilt π(b1 B) 1 = π b1 b1



  b1 b1  b2 B + 1 − B2 b2  b    2  =0  =B1 =γ

=(1−γ )

1 π(b2 B) 1 b1 b1  π(b2 B) + . ≤ 1− π(0) = b1 b2 b1 b2  b2 =0

(i) Folgt aus Proposition 6.40, Teil (6). (ii) Diese Aussage beweisen wir durch Widerspruch. Angenommen es existiere ein  ∈ M f , so dass E  B > lim π(bB) . Dann gilt für jedes b > 0, Q Q b b↑∞

V (x) = V (x + π(bB) − bB) = inf {u ∗λ (Q P) + λ(x + π(bB) − bE Q B)} λ>0 Q∈M f

     P + λx + λb π(bB) − E Q B . ≤ inf u ∗λ Q λ>0 b Die rechte Seite geht für b ↑ ∞ gegen −∞ und führt daher zu einem Widerspruch. (iii) π  (C, B) bezeichne die Richtungsableitung von π an der Stelle C in Richtung B, d. h. π  (C, B) = lim b↓0

π(C + bB) − π(C) . b

6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises

267

Für konvexe Funktionen f (auf einem Banachraum X mit Werten in R ∪ {∞} gilt für alle Stetigkeitsstellen x mit f (x) < ∞ f  (x, d) = max{x ∗ , d; x ∗ ∈ ∂ f (x)} (vgl. Borwein und Zhu (2005)). Damit folgt für die konvexe Preisfunktion π und einen Stetigkeitspunkt C die Darstellung π  (C, B) =

sup

E Q B.

Q∈∂π(C)

Mit C = 0 und π(0) = 0 erhalten wir lim b↓0

π(bB) = π  (0, B) = b

sup

E Q B.

Q∈∂π(0)

Nach einer Folgerung aus der Eigenschaft der dualen Darstellung aus Proposition 6.40 Teil (5) (siehe Biagini et al. (2011, Proposition 4.2, Gl. (4.4))), ist das Subdifferential von π an der Stelle Null ∂π(0) gleich dem minimierenden Maß des dualen Problems (6.37), also gleich Q ∗ und die Aussage folgt.  Bemerkung 6.42 (a) Für den Limes in Teil (ii) erhält man als asymptotisches Verhalten den schwachen Superreplikationspreis für B. (b) Mit Hilfe von Proposition 6.41 ergibt sich für die exponentielle Nutzenfunktion mit Korollar 7.28 (iii) aus Rheinländer und Sexton (2011): lim π(B; p) = sup E Q B,

p↑∞

Q∈Me

lim π(B; p) = E Q ∗ B. p↓0

Strebt der Risikoaversionsparameter p gegen unendlich, so konvergiert der Nutzenindifferenzpreis gegen den Superreplikationspreis. Geht der Risikoaversionsparameter p gegen 0, so ergibt sich eine lineare Bepreisungsregel unter dem minimalen Entropie-Martingalmaß Q ∗ . Der Preis bezüglich dem minimalen Entropiemaß ist mit Davis’ fairem Preis (vgl. Korollar 6.29) identisch. Als Folgerung aus Proposition 6.40 erhält man Korollar 6.43 Die Abbildung  : B  → π(−B) ist ein konvexes Risikomaß auf der Menge der beschränkten Claims. Beweis Wegen der Translationsinvarianz, der Monotonie und der Konvexität aus Proposition 6.40 (1), (2) und (3) und π(0) = 0 sind die geforderten Eigenschaften eines konvexen Risikomaßes erfüllt. 

7

Varianz-minimales Hedgen

Dieses Kapitel ist der Bestimmung von optimalen Hedging-Strategien durch das Kriterium der varianz-minimalen Strategie gewidmet. In unvollständigen Marktmodellen ist nicht jeder Claim H hedgebar. Eine natürliche Frage ist daher: Wie gut ist H hedgebar? Bezüglich der quadratischen Abweichung wurde diese Frage in Föllmer und Sondermann (1986), in Föllmer und Schweizer (1991) und in Schweizer (1991) untersucht. Die Antwort auf diese Frage beruht auf der Föllmer-Schweizer-Zerlegung, einer Verallgemeinerung der Kunita-Watanabe-Zerlegung, und dem assoziierten minimalen Martingalmaß.

Es lassen sich zwei Typen von Hedging-Problemen unterscheiden. Im ersten Typ wird das Anfangskapital x0 der Hedging-Strategie fixiert. Im zweiten wird über alle Startwerte x der Strategie der Hedging-Fehler minimiert. Als Kriterien ergeben sich dazu die folgenden Hedging-Probleme: Definition 7.1 (mean-variance Hedging-Problem) Sei H ∈ L 2+ (AT , P) ein contingent claim. a) Eine Strategie ϕ heißt zulässig, wenn ϕ ∈ L2 (S). b) Ein Paar  = (x0 , ϕ ∗ ), ϕ ∗ zulässig, heißt varianz-minimale Hedging-Strategie für H , wenn E P (H − xo − VT (ϕ ∗ ))2 = inf . x,ϕ

(7.1)

c) Eine zulässige Strategie ϕ ∗ ∈ L2 (S) heißt varianz-minimal für C zum Anfangskapital x, wenn E P (H − x − VT (ϕ ∗ ))2 = inf . ϕ

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5_7

(7.2)

269

270

7 Varianz-minimales Hedgen

Ist (x, ϕ) Lösung des Hedging-Problems (7.1), dann ist x + VT (ϕ) der hedgebare Anteil des Claims H . x ist der zugehörige faire‘ Preis von H bzgl. des Varianz’ Kriteriums.

7.1

Hedgen im Martingalfall

Im Fall des Hedgens bzgl. eines Martingalmaßes Q liefert die Kunita-WatanabeZerlegung für Martingale eine optimale Hedging-Strategie. Sei also P = Q ein Martingalmaß für S, S ∈ Mloc (Q) und H ∈ L2 (AT , Q). Dann induziert H das Martingal Vt = E Q (H | At ), 0 ≤ t ≤ T . Satz 7.2 (mean-variance hedging, Martingalfall) Seien S ∈ Mloc (Q) und H ∈ L 2 (AT , Q) und sei  H = x0 + 0

T

ϕu∗ dSu + L T

(7.3)

die Kunita-Watanabe-Zerlegung von V mit ϕ ∗ ∈ L2 (S), L 0 = 0, L ∈ M2 , so dass L streng orthogonal zu V ist, d. h. V , L = 0. Dann ist ∗ = (x0 , ϕ ∗ ) eine varianz-minimale Hedging-Strategie für H . Beweis Nach dem Projektionssatz für L2 (Q) ist ∗ = (x0 , ϕ ∗ ) optimale HedgingStrategie ⇐⇒ E(H − x0 − VT (ϕ ∗ ))(x + VT (ϕ)) = 0, ∀ x, ∀ ϕ ∈ L2 (S), E = E Q . Hierzu äquivalent ist aber, dass x0 = E Q H und mit Hilfe der Kunita-WatanabeZerlegung, dass E(H − x0 − VT (ϕ ∗ ))VT (ϕ) = E L T  =E 0

 0 T

T

ϕu∗ dSu



ϕn∗ dL, Su = 0,

da L streng orthogonal zu S ist, d. h. L, S = 0. ∗ = (x0 , ϕ ∗ ) ist also eine varianzminimale Hedging-Strategie für H .  Ein alternativer Zugang zum optimalen Hedgen wird ermöglicht durch die Betrachtung verallgemeinerter, nicht notwendig selbstfinanzierender Strategien, die den Claim H hedgen.

7.1 Hedgen im Martingalfall

271

Definition 7.3 (verallgemeinerte Hedging-Strategie) Ein Paar  = (ϕ 0 , ϕ), ϕ ∈ L2 (S), ϕ 0 ein adaptierter càdlàg-Prozess heißt (verallgemeinerte) HedgingStrategie für H ∈ L 2 (Q), wenn der Werteprozess Vt () = ϕt0 + ϕt St ∈ L 2 (Q) und VT (Q) = H .

(7.4)

t () = ϕt0 + ϕt  Implizit wird der diskutierte Werteprozess V St betrachtet, so dass hier der Zinsfaktor rt ≡ 1 gewählt wird. Es gilt  Vt () = Vo () +

t

ϕu dSu

(7.5)

0

genau dann, wenn  selbstfinanzierend ist, d. h. der Werteprozess Vt() ist gegeben t durch den Anfangswert V0 () plus dem Gewinnprozess G t (ϕ) := 0 ϕu dSu . Definiert man den Kostenprozess als Differenz zwischen dem Werteprozess und dem Gewinnprozess Ct := Ct () := Vt () − G t (),

(7.6)

dann ist  selbstfinanzierend, genau dann wenn Ct = const. = V0 (). Der Kostenprozess beschreibt also, wie viel Kapital zusätzlich zu dem Handeln mit  aufzubringen ist, um den Werteprozess zu realisieren. Ziel ist es dann: Minimiere (quadratische) Funktionale des Kostenprozesses C unter allen verallgemeinerten Strategien, die den Claim H hedgen, d. h. VT () = H . Unter der Annahme H ∈ L 2 (P), St ∈ L 2 (P), ∀ t, führt dies zu folgender Definition. Definition 7.4 (risikominimierende Strategie) a)  = (ϕ 0 , ϕ) heißt L2 -zulässige (Hedging-)Strategie für H , wenn VT () = H , ϕ ∈ L2 (S) und Vt ∈ L 2 (P), ∀ t. b) (Rest-)Risikoprozess Rt () := E((C T − Ct )2 | At ) heißt (Rest-)Risikoprozess von .  für H ist risiko-minimierend, wenn c) Eine L2 -zulässige Strategie  ) ≤ Rt (), ∀ t ≤ T , ∀  L2 -zulassig. ¨ Rt (

(7.7)

272

7 Varianz-minimales Hedgen

Unter allen L2 -zulässigen Strategien für H minimiert eine risiko-minimierende Stra den Risikoprozess zu allen Zeitpunkten ≤ T . Für hedgebare Claims H tegie  und insbesondere im Fall eines vollständigen Marktmodells ist risiko-minimierend äquivalent dazu, dass ϕ selbstfinanzierend ist und Rt () = 0, ∀ t ≤ T . Risikominimierende Strategien haben die abgeschwächte Eigenschaft selbstfinanzierend ’ im Mittel‘ zu sein. Definition 7.5 (selbstfinanzierend im Mittel) Eine L2 -zulässige Strategie  für H ist selbstfinanzierend im Mittel, wenn C() ∈ M(P), d. h. für s ≤ t gilt E(Ct () | As ) = Cs (). Proposition 7.6 Ist  risikominimierend für H , dann ist  selbstfinanzierend im Mittel. Beweis Zu s ∈ [0, T ] und  = (ϕ 0 , ϕ) sei  ϕ ∈ L2 (S) und  η so, dass ) = Vt () f¨ur 0 ≤ t < s Vt (  T     ϕu dSu  At . und Vt () = E VT () − t

) = Vt () = H und C T ( ) =  eine zulässige Strategie für H , denn VT ( Dann ist  C T ().  gilt: Nach Konstruktion von  ) − Cs ( ) + E(C T ( ) | As ) − Cs (). C T () − Cs () = C T ( Damit folgt

) + E(C T () | As ) − Cs () 2 . Rs () = Rs ( Da  risiko-minimierend ist gilt ) ≤ 0. Rs () − Rs ( Damit folgt: E(C T () | As ) = Cs () f.s., d. h.  ist selbstfinanzierend im Mittel.  Die Existenz und Eindeutigkeit einer risikominimierenden Strategie wird in Föllmer und Sondermann (1986) gezeigt. Eine Beschreibung dieser Strategie ergibt sich aus der Kunita-Watanabe-Zerlegung (KW-Zerlegung) von H 

T

H = EH + 0

ϕuH dSu + L TH ,

(7.8)

7.1 Hedgen im Martingalfall

273

wobei L H ∈ M2 ein L 2 -Martingal orthogonal zu S ist, d. h. H , S = 0. Mit dem Werteprozess  VtH = H0 +

t

0

ϕuH dSu + L tH

(7.9)

ergibt sich VtH = E(H | At ) und ϕH =

dV H , S . dS

(7.10)

Zum Nachweis, dass ϕ H risikominimierend ist, noch eine Definition. Definition 7.7 Der Prozess t = E((L TH − L tH )2 | At ) = R t (H ), 0 ≤ t ≤ T R heißt intrinsischer Risikoprozess von H . Satz 7.8 Es existiert eine eindeutige risiko-minimierende Strategie für H , nämlich  : (V H − ϕ H · S, ϕ H ) und es gilt  t . ) = R Rt (  zulässig für H , d. h. VT ( ) = H f.s. Sei  eine Beweis Nach Definition ist   zur Zeit t, d. h. zulässige Fortsetzung von  s f¨ur s < t und VT () = VT ( ) = H . s =  Dann gilt  C T () − Ct () = VT () − Vt () − 0 + =V  = t

 0

T

T

ϕu dSu

t T

ϕuH dSu + L TH − Vt () −



T

ϕu dSu

t

) − Vt ()) (ϕuH − ϕu ) dSu + (L TH − L tH ) + (Vt (

Da S und L H orthogonal sind folgt Rt () = E((C T () − Ct ())2 | At )   T ) + (Vt ( ) − Vt ())2 (ϕuH − ϕu )2 dSu  | At + Rt ( =E t

); ≥ Rt (

(7.11)

274

7 Varianz-minimales Hedgen

 eine risiko-minimale Strategie für H . also ist   = ( Zum Nachweis der Eindeutigkeit sei  η,  ϕ ) eine weitere risiko-minimale Strategie für H . Dann folgt aus (7.11), dass ϕtH =  ϕt f.s. für 0 ≤ t ≤ T . ) = V ( ) − G() ein Martingal ist folgt, dass Da nach Proposition 7.6 C( ) ein Martingal ist. Wegen VT ( ) = VT ( ) = H folgt daher Vt ( ) = Vt ( ), V (   0 ≤ t ≤ T und daher  = .  Insbesondere ergibt sich für hedgbare Claims das folgende Korollar. Korollar 7.9 (Hedgebare Claims) Die folgenden Aussagen sind äquivalent: Die risiko-minimierende Strategie ist selbstfinanzierend t (H ) = 0, für alle t ≤ T ⇐⇒ Das intrinsische Risiko von H ist 0, R ⇐⇒ H ist hedgebar, d. h. H hat eine Darstellung der Form  H = EH + 0

T

ϕuH dSu f .s.

Es zeigt sich jedoch im Folgenden, dass im nicht-vollständigen Fall die risikominimierende Strategie ϕ H = ϕ Q vom gewählten Martingalmaß Q abhängig ist. Daher stellt sich die Frage nach der Auswahl eines geeigneten‘ Martingalmaßes sowie die ’ Frage nach dem Hedgen unter dem (statistischen) Maß P.

7.2

Hedgen im Semimartingalfall

Sein nun S = (St )0≤t≤T ein Semimartingal mit Doob-Meyer-Zerlegung S = S0 + M + A

(7.12)

mit M ∈ M2 und A ∈ V vorhersehbar mit beschränkter Variation |A|. Dann ist E(S02 + X T + |A|2T ) < ∞ und X  = M. Der Kostenprozess einer Strategie  = (ϕ 0 , ϕ) ist gegeben durch  Ct () = Vt () − 0

t

 ϕs dMs −

t

ϕs d A s .

(7.13)

0

Im Unterschied zum Martingalfall existiert keine direkte Verallgemeinerung der KWZerlegung von H in ein stochastisches Integral und eine orthogonale Komponente. Schweizer (1991) führte das Konzept der lokal risiko-minimierenden Strategie ein, d. h. einer Strategie die das Risiko unter kleinen Störungen minimiert. Es zeigt sich, dass lokal risiko-minimierende Strategien selbstfinanzierend sind (vgl.

7.2 Hedgen im Semimartingalfall

275

Abschn. 7.2.1). Zur Bestimmung solcher optimalen (= risiko-minimalen) Strategien gibt es eine Charakterisierung über eine erweiterte Zerlegung, der FöllmerSchweizer-Zerlegung, die auf die Lösung einer Optimalitätsgleichung für die optimale Strategie führt (vgl. Abschn. 7.2.1). Ein zweiter Ansatz von Föllmer und Schweizer (1991) führt die Bestimmung der optimalen Strategie im Semimartingalfall bzgl. des Maßes P zurück auf die Bestimmung einer optimalen Strategie im Martingalfall, d. h. bzgl. eines geeigneten äquivalenten Martingalmaßes, dem mini’ malen Martingalmaß‘ (vgl. Abschn. 7.2.2).

7.2.1

Föllmer-Schweizer-Zerlegung und Optimalitätsgleichung

Zur Einführung von lokal risiko-minimierenden Strategien wird der Begriff einer kleinen Störung‘ einer Strategie ϕ benötigt. ’ Definition 7.10 Eine Strategie  = (ε, δ) heißt (kleine) Störung(sstrategie), wenn 1)  δ ist beschränkt, T δs d |A|s ist beschränkt und 2) 0

3) δT = εT = 0. Insbesondere gilt für eine zulässige Strategie  und eine (kleine) Störung, dass  +  zulässig ist und die Einschränkung von  auf ein Teilintervall wieder eine kleine Störung ist. Für eine endliche Zerlegung τ = (ti )1≤i≤N von [0, T ] mit 0 = t0 < t1 < · · · < t N = T sei |τ | = max |ti − ti−1 |. Eine Folge (τn ) von Zerlegungen heißt aufsteigend, wenn τn ⊂ τn+1 , ∀ n; Bezeichnung: (τn ) ↑. Für eine Störung  = (ε, δ) sei die Restriktion  |(s,t] = (ε |(s,t] , δ |(s,t] ) definiert durch δu |(s,t] (u, w) = δu (w)1(s,t] (u) und ε |(s,t] (u, w) = ε − u(w)1(s,t] (u). Definition 7.11 a) Für eine Strategie , eine Störung  und eine Partition τ sei r τ (, )(w, t) :=

Rti ( +  |(ti ,ti+1 ] −Rti () (w)1(ti ,ti+1 ] (t) E(Mti+1 − Mti | Ati ) t ∈τ i

der Risiko-Quotient. b) Eine zulässige Strategie  für H heißt lokal risiko-minimierend, wenn für alle Störungen  lim r τn (, ) ≥ 0.

n→∞ (τn )↑, |τn |→0

(7.14)

276

7 Varianz-minimales Hedgen

Der Risiko-Quotient beschreibt den relativen Wechsel des Risikos, wenn  durch eine Störung  entlang einer Partition τ gestört wird. Es gilt ein Analogon von Proposition 7.6 für lokal risiko-minimierende Strategien. Proposition 7.12 Sei für P fast alle w der Träger des Maßes dM(w) gleich [0, T ]. Dann gilt: Ist  lokal risiko-minimierend, dann ist  selbstfinanzierend im Mittel.  = ( Beweisidee: Der Beweis ist ähnlich zu dem von Proposition 7.6. Sei  ϕ0 ,  ϕ) eine selbstfinanzierende Strategie mit  ϕ = ϕ und  ϕ = E(C () | A ) + 0,t T t t  −  eine Störung. Mit ähnlichen Überlegunϕ dS − ϕ S . Dann ist  =  u u t t 0 gen wie im Beweis zu Proposition 7.6 folgt dann, dass für eine geeignete Partition τ der Risiko-Quotient r τ (, ) nicht P f.s. größer gleich 0 ist im Widerspruch zur Annahme, dass  risiko-minimierend ist.  Insbesondere benötigt man zum Auffinden einer lokal risiko-minimalen (LRM)Strategie nur die Bestimmung von ϕ, da ϕ 0 sich dann eindeutig aus der Martingaleigenschaft von C() ergibt. Wir treffen nun die folgenden Regularitätsannahme: Annahme A) 1) A ist stetig 2) A  M mit Dichte α ∈ L log+ L [P × M] 3) S ist stetig in T P f.s. Es gilt nun der folgende Charakterisierungssatz von Schweizer (1991), den wir ohne Beweis angeben: Theorem 7.13 (Charakterisierungssatz von LRM) Unter der Annahme A) gilt für eine H -zulässige Strategie :  ist LRM ⇐⇒  ist selbstfinanzierend im Mittel und das Martingal C() ist orthogonal zu M. LRM-Strategien bezeichnen wir unter Verwendung von Theorem 7.13 als optimal. Definition 7.14 Eine zulässige im Mittel selbstfinanzierende Strategie  für H heißt optimal‘, wenn das Martingal C() orthogonal zu M ist. ’ Der folgende grundlegende Satz gibt eine Charakterisierung optimaler Strategien und ist eine Erweiterung der Kunita-Watanabe-Zerlegung.

7.2 Hedgen im Semimartingalfall

277

Satz 7.15 (Föllmer-Schweizer-Zerlegung, (FS-Zerlegung) Die Existenz einer  für H ist äquivalent zur Existenz der FS-Zerlegung optimalen Strategie  

T

H = H0 + 0

ϕuH dSu + L H

(7.15)

mit H0 = E(H | A0 ), ϕ H ∈ L2 (S) und L tH = E(L TH | At ) ∈ M2 , so dass L H orthogonal zu M ist, d. h. L H , M = 0. Beweis  Hat H eine Darstellung der Form (7.15) und sei  t dieH Strategie H definiert H H  durch  = (V − ϕ · S, ϕ ) mit Vt = H0 + 0 ϕu dSu + L t . Dann ist  ϕ zulässig für H und der Kostenprozess Ct = H0 + L tH ist ein Martingal  ist optimal für H (vgl. Definition 7.14). bzgl. P orthogonal zu M, d. h.  H  Ist  = (ϕ0 , ϕ ) optimal für H , dann ist Ct = E(C T | At ) ein zu M orthogonales Martingal. Damit gilt die FS-Zerlegung

„⇐=“:

„=⇒“:

) = C T + H = VT (

 

T

0

= H0 +

T

0

ϕuH dSu ϕuH dSu + L TH

mit L TH = C T − C0 und L H ist orthogonal zu M unter P.



Mit Satz 7.15 ist die Bestimmung optimaler und damit lokal risiko-minimierender Hedging-Strategien für H äquivalent zur Bestimmung der FS-Zerlegung von H . Ein direkter Zugang hierzu besteht in folgenden drei Schritten: 1) Anwendung der KW-Zerlegung von H bzgl. dem Martingal M ∈ M2 liefert  H = N0 +

T

μs dMs + N H f.s. bzgl. P

(7.16)

0

mit dem Martingal NtH = E(N TH | At ). Es ist E N H = 0 und N H ist orthogonal zu M bzgl. P.  2) Anwendung der KW-Zerlegung auf ϕ H d A liefert  0 ϕH

mit Nt zu M.

ϕH

= E(N T

T

ϕ

ϕsH d As = N0 +

 0

T

μϕs dMs + N ϕ H

ϕH

| At ), einem Martingal mit E Nt

H

(7.17)

= 0 und N ϕ orthogonal H

278

7 Varianz-minimales Hedgen

3) Aus der FS-Zerlegung (7.15) und der KW-Zerlegung (7.16) folgt: ϕH



H = (H0 + N0 ) +

0

T

ϕH

(ϕsH + μϕs ) dMs + (L TH + N T ). H

(7.18)

: Da die KW-Zerlegung von H eindeutig ist, folgt für eine optimale Strategie    ist Lösung der Optimalitätsgleichung: ϕH

ϕsH + μ S = μs ,

(7.19)

Der Integrand ϕ H der FS-Zerlegung unterscheidet sich also i. A. von dem Integranden μ der KW-Zerlegung durch den Kompensationsterm μϕ H . Für einige Klassen von Beispielen wird dieses Programm in Schweizer (1990, 1991) durchgeführt.

7.2.2

Minimale Martingalmaße und optimale Strategien

Die Bestimmung optimaler Strategien lässt sich alternativ auch auf den Martingalfall zurückführen durch die Auswahl eines geeignete Martingalmaßes, dem minimalen Martingalmaß. ∈ Definition 7.16 (minimales Martingalmaß) Ein äquivalentes Martingalmaß P e M (P) heißt minimal, wenn  = P auf A0 und 1) P  2) L ∈ M2 und L, M = 0 P f.s. impliziert L ∈ M( P).  ist eindeutig bestimmt durch das rechtsseitig steEin äquivalentes Martingalmaß P 2  tige Martingal G ∈ M (P), definiert durch    t = E d P | At . G dP

(7.20)

Bzgl. P ist die Doob-Meyer-Zerlegung von S gleich S = S0 + M + A. Daher ist die  gegeben durch Doob-Meyer-Zerlegung von M bzgl. P M = −S0 + S + (−A).

(7.21)

Mit Hilfe der Girsanov-Transformation ergibt sich, dass der vorhersehbare Prozess  in der Form −A ∈ V bestimmt werden kann mit Hilfe von G  t 1  s, 0 ≤ t ≤ T . −At = dM, G (7.22) s − 0 G

7.2 Hedgen im Semimartingalfall

279

  M = S ist A absolut stetig bzgl. S hnd hat daher eine Darstellung Da M, G der Form  t At = αu dSu , 0 ≤ t ≤ T . (7.23) 0

Damit erhält man eine Existenz- und Eindeutigkeitsaussage für das minimale Martingalmaß. Wir nehmen in folgendem Satz an, dass S ein stetiges Semimartingal ist. Satz 7.17 (Existenz und Eindeutigkeit) Sei S ein stetiges Semimartingal.  ist eindeutig bestimmt, falls es existiert. 1) Das minimale Martingalmaß P  2) P existiert genau dann, wenn    t  1 t 2 t = exp − G αs dMs − αs dSs 2 0 0

(7.24)

 ∈ M2 (P). In diesem Fall gilt: ein L 2 -Martingal unter P definiert, d. h. G  dP T . =G dP

(7.25)

 erhält die Orthogonalität von L 2 -Martingalen, 3) Das minimale Martingalmaß P 2 d. h.: Wenn für ein L ∈ M gilt: L, M = 0 bzgl. P, dann gilt L, S = 0 auch  bzgl. P. Beweis  minimales Martinalmaß und sei G  ∈ M2 (P), dann gilt nach KW 1) Sei P 0 + t = G G



t

βs dMs + L t , 0 ≤ t ≤ T ,

0

 ist mit L ∈ M2 (P), L, M = 0, β ∈ L2 (M). Bzgl. P  −At = 0

t

1 s= dM, G s − G

 0

t

1 β dSu . s − u G

Daher folgt: α=−

β .  G−

(7.26)

  > 0[P] wegen P  ≈ P und M = S und daher gilt, dass T αu2 dSu < Es ist G o

 minimal ist, folgt G 0 = E d P | A0 = 1 und ∞ P f.s. Da nach Annahme P dP

280

7 Varianz-minimales Hedgen

 nach Definition 7.16. Daher folgt: L, G  = 0 und damit L = L ∈ M( P)  L, G = 0, also L = 0.  löst daher die Gleichung G t = 1 + G



t

s − (−αs ) dMs . G

(7.27)

0

Die Lösung für ein stetiges Martingal M von (7.27) ist gegeben durch das sto in (7.24). Daraus folgt die Eindeutigkeit des minimalen chastische Exponential G Martingalmaßes  definiert in (7.24) ein L 2 -Martingal, G ∈ M2 (P). Um nachzuweisen, dass 2) Sei G  P minimal ist, ist zu zeigen:  L ∈ M2 (P) und L, M = 0 bzgl. P =⇒ L ∈ M( P).  ∈ M2 (P), folgt nach der Maximalungleichung Da L, G   T E  sup |L t | = E sup |L t | G P

0≤t≤T

≤E



0≤t≤T

sup L 2t

0≤t≤T

1 2

2T ) 2 ≤ 4(E L 2T ) 2 (E G 2T ) 2 < ∞. (E G 1

1

1

 Daraus folgt, dass L ∈ M( P).  die Orthogonalität erhält, sei L ∈ M2 und L, M = 0 3) Zum Nachweis, dass P bzgl. P. Für Semimartingale Y , Z ist die quadratische Kovariation [Y , Z ] = Y c , Z c  + Ys Z s . s

Da S und A stetig sind, gilt: L, S = L c , S + L d , S = L c , S = L, S = [L, M] + [L, A] = [L, M]  Wegen der Stetigkeit von M gilt bzgl. P. [L, M] = L c , M = L, M = 0 bzgl. P und daher ist auch [L, M] = 0  bzgl. P.  Das minimale Martingalmaß wird durch die exponentielle Dichte in (7.24) beschrie damit unter den dortigen Voraussetzungen eine Proben. Nach Korollar 6.35 ist P jektion von P auf die Menge der Martingalmaße bzgl. der relativen Entropie ⎧ ⎨ log dQ dQ, f¨ur Q  P, dP H (Q  P) = ⎩ ∞ sonst. Der folgende Satz gibt einen eigenständigen Beweis zu diesem wichtigen Resultat.

7.2 Hedgen im Semimartingalfall

281

Satz 7.18 (Minimales Martingalmaß und Entropie)  minimiert das Funktional a) Das minimale Martingalmaß P H (Q  P) −

1 EQ 2



T

αu2 d Su

0

(7.28)

auf der Menge Me , α die S-Dichte von A aus (7.23). b) Für Q ∈ Me gilt: H (Q  P) ≥

1 EQ 2



T

αu2 d Su .

0

(7.29)

 gilt Gleichheit in (7.29). Für Q = P  c) P minimiert die relative Entropie H (·  P) auf der Menge der Martingalmaße Q ∈ Me mit  EQ 0

T

 αu2 d Su

≥ E P

0

T

αu2 d Su .

Beweis Sei Q ∈ Me ; dann hat M bzgl. Q die Doob-Meyer-Zerlegung (vgl. (7.21)) 



Mt = St − S0 + −

t

 αu d Su .

(7.30)

0

   P) = G T log G T d P < ∞. T = d P ∈ L2 (P) und daher H ( P Nach (7.24) ist G dP T = d Q nach  ∈ Me das minimale Martingalmaß, dann folgt mit G Sei nun Q dP (7.30):    P) = H ( P   Q)  + log G T d P  H(P    T   1 T 2   Q)  +  = H(P − αs dMs − αu d Su d Q 2 0 0   T   Q)  + 1 E Q = H(P αu2 d Su  2 0 < ∞ nach Annahme. Daraus ergibt sich   P) − H(P

 1 E Q 2



T 0

   Q)  ≥ 0. αu2 d Su = H ( P

(7.31)

282

7 Varianz-minimales Hedgen

Hieraus folgen (7.28) und (7.29).   Q)  = 0 genau dann, wenn P  = Q.  Hieraus folgt In Gleichung (7.31) ist H ( P c).  Als Resultat ergibt sich nun, dass die FS-Zerlegung bestimmt werden kann über die KW-Zerlegung bzgl. des minimalen Martingalmaßes. Damit erhält man auch eine Darstellung der optimalen Strategie. Satz 7.19 (Optimale Strategie)  und damit auch die FS-Zerlegung in (7.15) ist eindeutig a) Die optimale Strategie  bestimmt. Sie kann mit Hilfe der KW-Zerlegung von H in (7.3) bzgl. des minimalen  bestimmt werden. Martingalmaßes P  b) Ist V eine rechtsseitig stetige Version des Martingals E P(H | At ), dann ist die  gegeben durch optimale Strategie   − ϕ H · S) mit ϕ H =  = (ϕ H , V 

, S dV  bzgl. P dS

(vgl. Definition 7.11). 

 und das Martingal Beweis Da H ∈ L 2 (P) und ddPP ∈ L 2 (P), folgt H ∈ L 2 ( P)  E P(H | At ) = Vt ist wohldefiniert. Sei nun  Vt = H0 + 0

t

ϕuH dSu + L tH

(7.32)

  und t ϕuH dSu ∈ M( P)  eine FS-Zerlegung von H unter P, dann ist L H ∈ M( P) 0  und damit gilt Vt = E P(H | At ) = Vt . Mit P = P × dX  definiert auf der σ Algebra P der vorhersehbaren Mengen in = × [0, T ], P(dω, dt) = P(dω)  gilt: dSt (ω) und analog P L H , S = 0 [P]  Daher ist der Prozess L H aus der und daher auch nach Satz 7.17 3): L H , S = 0 [ P].  FS-Zerlegung in (7.32) auch ein P-Martingal orthogonal zu S. Die FS-Zerlegung in (7.32) bzgl. P ist also identisch mit der KW-Zerlegung von H unter dem minimalen  Martingalmaß P.  = (ϕ H , V − ϕ H · S) eine optimale StraNach Satz 7.8 folgt also, dass durch  tegie definiert wird.  Bemerkung In Föllmer und Schweizer (1991) wird der vorliegende Zugang zu optimalen Strategien erweitert auf den Fall mit unvollständiger Information, d. h.

7.2 Hedgen im Semimartingalfall

283

t ⊂ At , 0 ≤ t ≤ T , so dass H darstellbar ist bzgl. dieser es gibt eine Filtration A größeren Filtration 0 + H=H

 0

T

 ϕnH dSu ,

) vorhersehbar bzgl. (A t ). Die optimale Strategie erhält man dann aus  ϕ H ∈ L(P der Projektion der optimalen Strategie  ϕ H auf P , die vorhersehbare σ -Algebra bzgl. (At ), bzgl. des minimalen Martingalmaßes ϕuH | P ) und ϕ0H = V − ϕuH · S, Vt = E P(H | At ). ϕuH = E P(

Literatur

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Stichwortverzeichnis

A Abschlusssatz, 29, 64 absolut stetig, 128 adaptiert, 26 American Call, 2, 191, 207 American options, 207 American Put, 191 Approximation Riemann-, 48 Approximationsformel, 197 äquivalent, 128 lokal, 128 (lokales) Martingalmaß, 187 Arbitrage-Strategie, 5, 187 Arcus-Sinus-Gesetz, 23 Arcus-Sinus-Verteilung, 23 Arzela-Ascoli-Kriterium, stochastisches, 164 Asset Pricing Erstes Fundamentaltheorem, 189 Zweites Fundamentaltheorem, 213 (a, w)-zulässig, 221 B Barrier-Option, 204 Preis, 206 bearspread, 203 Binomialpreisformel, 8 Black-Scholes -Differentialgleichung, 209 -Formel, 9, 10, 197 -Modell, 10, 184 -Preis, 3, 192 bond, 1 stock und, 184 Borelsche σ -Algebra, 19

Brownsche Bewegung, 139 Eigenschaften, 39 geometrische, 100, 146 Rekurrenz, 105 Brownsche Brücke, 151, 152 bullspread, 203 C càdlàg, 26 -Prozess, 26, 75 Call, 2 American, 2, 207 European, 2, 191 Call-Put-Parität, 198 Cameron-Martin-Raum, 140 Cameron-Martin, Satz von, 139, 140 Cauchy-Netz, 51 Cauchy-Problem, 181 Chaos-Darstellung, Wiener, 121 Chapman-Kolmogorov-Gleichung, 166 Charakteristik differentielle, 255 Semimartingal, 88 Clark-Formel, 143, 144 compensator, predictable, 59 contingent claim, 211 Cox-Ingersoll-Ross-Modell, 158 Cox-Ross-Rubinstein-Modell, 5, 9 D Darstellung, kanonische, 60 Davis’ fairer Derivatpreis, 245 Davis’ fairer Preis, 245 δ-zulässig, 189 Delta der Option, 199

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Rüschendorf, Stochastische Prozesse und Finanzmathematik, Masterclass, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5

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290 Derivatpreis, Davis’ fairer, 245 Differentialgleichung Black-Scholes, 209 stochastische, 146 Diffusionsgleichung Nicht-Markovsche, 147 Diffusionsmatrix, 167 Diffusionsmodell, 212 Diffusionsprozess, 103, 166 verallgemeinerter, 147 Dirichlet-Klasse, 56 lokale, 56 Dirichlet-Problem, 180 Eindeutigkeit, 103 Distanzmaß, minimales, 228 Dividenenzahlung, 198 Doléans-Dade-Formel, 98 Doléans-Maß, 41, 69 eingeschränktes, 41, 68 Donsker-Theorem, 10, 11 Donskersches Invarianzprinzip, 19, 20 Doob-Meyer-Zerlegung, 59 Doob-Ungleichung, 32 Driftkoeffizient, 167 dual predictable projection, 59 E Einbettungssatz, Skorohodscher, 15 eindeutig, schwach, 161 Eindeutigkeit, pfadweise, 161 Emery-Metrik, 222 Entropie relative, 227 reverse relative, 228 Erd˝os und Kac, Satz von, 24 Erzeuger, infinitesimaler, 103, 169 ESMM, 190 Esscher-Martingalmaß, 258 Esscher-Preis-Maß, 257 Esscher-Transformierte, 257 European Call, 2, 191, 197, 201 European Put, 191, 201 Existenzsatz, 222 Exponential stochastisches, 95, 96, 146 verallgemeinertes stochastisches, 98 F f -Projektion, 228 Eindeutigkeit, 228 Existenz, 228 Feller-Eigenschaft, 169 Fellersche Verzweigungsdiffusion, 158

Stichwortverzeichnis Fenchel-Ungleichung, 226 Feynman-Kac-Darstellung, 181 Finanzmarktmodell, 184 Flusseigenschaft, 157 Föllmer-Schweizer-Zerlegung, 277 Folge, lokalisierende, 32 Föllmer-Schweizer-Zerlegung, 277 Forwards, 1, 195 FS-Zerlegung, 277 Fundamentaltheorem Asset Pricing, 189, 213 zweites allgemeines, 215 Funktion, konvex konjugierte, 226 Futures, 1 G Galton-Watson-Verzweigungsprozess, 158 Gamma der Option, 199 Gesetz Arcus-Sinus-, 23 großer Zahlen, starkes, 12 iterierter Logarithmus, 12 Girsanov-Paar, 138 Girsanov, Satz von, 127, 135 Girsanov-Transformation, 135 Gleichgewichtsmaß, 6 Gleichung von Chapman-Kolmogorov, 166 Greeks, 199 Grenzwertsatz funktionaler, 19 zentraler, 12, 16 Grundbegriffe Optionspreistheorie, 185 H Handelsstrategie, 4, 124, 185, 188 reguläre, 188 selbstfinanzierend, 185 zulässige, 241 harmonisch, 103 Hartmann-Wintnersches Gesetz, 17, 18 Hedge, 191 zulässiger, 191 Hedge-Preis oberer, 218 Hedge-Strategie, 198 hedgebar stark, 191 Hedgen, quadratisches, 124 Hedging-Optimierungsproblem, 226 Hedging-Strategie varianz-minimale, 269 verallgemeinerte, 271

Stichwortverzeichnis Hellinger-Abstand, 228 Hermitesche Polynome, 110 Hilbertraum, Teilmenge, 113 Hille-Yosida-Theorie, 168 I Integral Elementarprozesse, 39 Lebesgue-Stieltjes-, 222 multiples stochastisches, 119 pfadweise L2 -Prozesse, 50 stochastisches, 42, 43, 67, 70, 81 Vektor-, 222 Stoppzeiten, 44 unendliche Intervalle, 49 Integranden L 2 , 41 Integration Semimartingal, 78 stochastische, 25 Integrationsformel, partielle, 77, 84 Interpolation, lineare, 20 Intervall No-Arbitrage-, 218 stochastisches, 36 unendliche, Integral, 49 Invarianzprinzip, Donskersches, 19, 20 Isometrie-Eigenschaft, 115 Itô-Formel, 91 allgemein, 94 Itô-Integral, 38 Itô-Theorie, 168 K Kapitalprozess, 220 mit Konsum, 220 Kazamaki-Bedingung, 101 KHG, 169 Klammerprozess, eckiger, 76 Klasse monotone Satz über, 36 Kolmogorov Vorwärtsgleichung, 174 Kolmogorov-Gleichungen, 168 Kolmogorov-Rückwärtsdifferentialgleichung, 173 Kompensator, vorhersehbar, 59 Kontraktionshalbgruppe (KHG), 169 Konvergenz dominierte, 74 in Verteilung, 19 Positivitätsbereiche, 24 stochastische, 48

291 Konvergenzmenge, 66 Kostenprozess, 271 Kovariation, 84 quadratische, 77 vorhersehbare, 85 vorhersehbare quadratische, 60, 80 Kriterium, stochastisches Arzela-Ascoli-, 164 Kunita-Watanabe-Ungleichung, 63 Kunita-Watanabe-Zerlegung, 122, 272 KW-Zerlegung, 272 L L 2 -beschränkte Martingale, 63 L 2 -Integranden, 41 L 2 -Martingal, 27 Lambda der Option, 199 Lebesgue-Stieltjes-Integral, 222 Leerverkauf, 193 Limes, stochastischer, 51 Logarithmus iterierter, Gesetz, 12 stochastischer, 98, 135 lokal äquivalent, 128 Lokalisieren, 56 Lösung schwache, 147, 159, 162 starke, 147, 158 LRM-Strategie, 276 M Markovzeit, 28 Martingal, 25, 26 beschränktes, 43 exponentielles, 95 L 2 -beschränktes, 43, 63 lokal quadratintegrierbar, 124 lokal stetig, 73 lokales, 32 lokales L 2 -, 32 -problem, 103 lokales, 162 σ -, 189 Martingalanteil, stetiger, 79, 88 Martingaldarstellungssatz, 112, 116 Martingaleigenschaft, 56 lokal, 56 Martingalfall, 270 Martingal-Hedge, 191 Martingalmaß äquivalentes (lokales), 187 Esscher-, 258 minimales, 278 Minimumdistanz-, 225, 227

292 Martingalproblem, lokales, 162 Maß risikoneutrales, 6, 187 zufälliges, 34 Maßwechsel, 127 mean-variance hedging, 270 Menge, vorhersehbare, 36 Metrik, Emery-, 222 minimal Distanzmaß, 228 Martingalmaß, 278 Super-Hedge-Portfolio, 221 Minimumdistanz-Martingalmaß, 225, 227 Modell, allgemeine diskrete für Wertpapiere, 4 Modifikation, 26 Momentenfamilie, 228 N NFLVR, 4, 190 NFLVR-Bedingung, 189 Nicht-Markovsche Diffusionsgleichungen, 147 NIP, 260 No-Arbitrage-Intervall, 218 No-Arbitrage-Preis, 192 No-Arbitrage-Prinzip, 4, 187 erweitertes, 187 verallgemeinertes, 193 Norm für Klasse H2 , 64 Normalverteilungsdichte, 110 Novikov-Bedingung, 101 numéraire, 186 Nutzenfunktion exponentielle, 226 logarithmische, 226 Potenz-, 226 Nutzenindifferenzpreis, 225, 227, 260 O Operator, infinitesimaler, 103 Optimalitätsgleichung, 278 Optimierungsproblem Hedging-, 226 Portfolio-, 226 Option, 2 amerikanische, 191, 207 Delta der, 199 duplizierbare, 191 Gamma der, 199 Lambda der, 199 Optional Sampling Theorem, 29 für lokale Martingale, 50 Optionspreistheorie, Grundbegriffe, 185 Ornstein-Uhlenbeck-Modell, 154 Ornstein-Uhlenbeck-Prozess, 154, 166

Stichwortverzeichnis OTC-Kontrakt, 195 P Poisson-Gleichung, 181 Polynom Hermitesches, 110 standardisiertes hermitesches, 110 Portfolio, 4 absicherndes, 198, 199 duplizierend, 3 -Optimierungsproblem, 226 Wert, 185 Portfolioprozess, 220 zulässiger, 220 Positivitätsbereich, 23 Konvergenz, 24 Potenznutzenfunktion, 226 predictable compensator, 59 predictable projection, 59, 143 dual, 59 Theorem, 45 predictable representation property (PRP), 215 Preis arbitragefrei, 216 Barrier-Option, 206 Black-Scholes-, 3 fairer, 3 Davis’, 245 oberer arbitragefreier, 216 unterer arbitragefreier, 216 Preismaß, Esscher-, 257 Preismodell, 3 einfaches, 3 exponentielles, 9 Preisprozess, diskontierter, 186 Preisschranke, triviale, 194 projection dual predictable, 59 predictable, 59, 143 Projektion, 228 vorhersehbare, 143 Prozess càdlàg, 26 elementar vorhersehbarer, 36 endl. quadr. Variation, 52 integrierbar wachsender, 34 integrierbare Variation, 34 lokal beschränkter, 34 lokal integrierbarer, 34 mit endlicher Variation, 33 Ornstein-Uhlenbeck, 166 orthogonaler, 102 pfadweise L2 -, Integral, 50 stetig, 26, 37

Stichwortverzeichnis vorhersehbarer, 25, 36 Prozesse pfadweise L2 -, Integral, 50 Q Q-zulässig, 188 quadratisch Hedgen, 124 Kovariation, 77 vorhersehbar, 80 vorhersehbare, 60 Variation, 38, 51, 57, 75, 83 vorhersehbar, 52, 80 Variationsprozess, 76 Quotient, Risiko-, 275 R random walk, 22 Regularitätssatz, 26 Rekurrenz, 105 der Brownschen Bewegung, 105 Return, 100 Riemann-Approximation, 48 Riemann-Integral, 48 Risiko-Quotient, 275 risikoneutral Bewertungsformel, 193 Maß, 187 Risikoprozess intrinsischer, 273 Rest-, 271 S Satz Abschluss-, 29 Cameron-Martin, 139, 140 Doob, 28 Erd˝os und Kac, 24 Existenz-, 222 Girsanov, 127, 135 monotone Klassen, 36 Riesz, 70 schwach eindeutig, 161 selbstfinanzierend, 5, 211 Strategie, 272 Semimartingal, 34, 60, 78 Charakteristik, 88 spezielles, 60, 78 Sprünge bei, 85 stetiges, 75 -Topologie, 222 -Zerlegung, 91 shortselling, 193

293 σ -Algebra Borelsche, 19 der τ -Vergangenheit, 28 optionale, 38 progressive, 38 σ -Martingal, 189 Simulation-Brownsche-Bewegung, 12 Skalierung, zeitliche, 20 Skorohod-Darstellung, 12 Skorohodscher Einbettungssatz, 11, 15 speziell Semimartingal, 60, 78 Zerlegungssatz, 80 Spitzklammerprozess, 60 Sprünge bei Semimartingalen, 85 Sprungprozess, 85 Stationaritätsbedingung, 176 stetig absolut, 128 lokal, 128 Martingalanteil, 79, 88 Prozess, 26 Semimartingal, 75 stochastisch Arzela-Ascoli-Kriterium, 164 Differentialgleichung, 146 Exponential, 95, 96, 98, 135, 146 Integral, 42, 43, 67, 70, 81 als Isometrie, 71 Charakterisierung, 70 für Semimartingale, 82 Integral, multiples, 119 Integral, Vektor-, 222 Integration, 25 Intervall, 36 Konvergenz, 48 Limes, 51 Logarithmus, 98, 135 stock, 1 und bond, 184 Stoppzeit, 28 endliche, 28 erreichbare, 36 Integral, 44 vorhersehbare, 36 Störung, kleine, 275 Störungsstrategie, 275 straddle, 202 strangle, 202 strap, 202 Strategie lokal risiko-minimierende, 275 LRM-, 276 optimale, 282

294 reguläre Handels-, 188 risiko-minimierende, 271 selbstfinanzierend im Mittel, 272 selbstfinanzierende Handels-, 185 Störungs-, 275 varianz-minimale, 269 zulässige, 188 strike, 3 Submartingal, 26 Super-Hedge-Portfolio, 221 minimales, 221 Super-Hedge-Strategie, 218 Supermartingal, 26, 31 T Teilmenge dichte, 113 Hilbertraum, 113 totale, 113 Teilraum, stabiler, 215 Teleskopsumme, 35 Theorem Hille-Yosida, 171 Optional Sampling, 29 predictable projection, 45 Topologie, Semimartingal-, 222 Totalvariationsabstand, 228 Transformation, Girsanov, 135 Transformierte Esscher-, 257 U Übergangsdichte, 174 V vanilla options, 201 Vanilla-Optionen, 191 varianz-minimal Hedging-Strategie, 269 Strategie, 269 Variation endlich quadratische, 52 integrierbare, 34 quadratische, 38, 51, 75, 83 von A, 33 vorhersehbare quadratische, 52, 80 Variationsmaß, 34

Stichwortverzeichnis Variationsprozess, quadratischer, 76 Version, 26 Verteilung, Arcus-Sinus-, 23 Verzweigungsdiffusion, 158 Verzweigungsprozess, Galton-Watson-, 158 Volatilität, 100 Vollständigkeitssatz, 114 Volumen-Asymptotik-Eigenschaft, 266 vorhersehbar Kompensator, 59 Kovariation, 85 Menge, 36 Projektion, 59, 143 Prozess, 25, 36 quadratische Kovariation, 60, 80 quadratische Variation, 52, 80 Stoppzeit, 36 W w-zulässig, 221 w-Zulässigkeit, 221 Wärmeleitungsgleichung, 179 walk, random, 22 Wert, 4 Werteprozess, diskontiert, 220 Wertzuwachs, 5 Wiener Chaos, 120 Darstellung, 121 Z zentraler Grenzwertsatz, 16 Zerlegung Föllmer-Schweizer-, 277 FS-, 277 kanonische, 78 Kunita-Watanabe-, 122, 272 KW-, 272 Semimartingal-, 91 Zerlegungssatz, 80 optionaler, 219 spezieller, 80 zero coupon bond, 195 zulässig, 221 δ-, 189 Handelsstrategie, 241 Portfolioprozess, 220 Strategie, 188 Zulässigkeit, 221