Stieffamilien: Beziehungsqualität und kindliche Kompetenzentwicklung [1. Aufl. 2020] 978-3-658-28777-1, 978-3-658-28778-8

Susann Kunze untersucht den direkten und indirekten Einfluss der partnerschaftlichen Beziehungsqualität auf die Kompeten

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German Pages XVI, 362 [373] Year 2020

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Stieffamilien: Beziehungsqualität und kindliche Kompetenzentwicklung [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-28777-1, 978-3-658-28778-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVI
Einführung (Susann Kunze)....Pages 1-8
Stieffamilie (Susann Kunze)....Pages 9-53
Innerfamiliales Untersuchungsfeld (Susann Kunze)....Pages 55-97
Theoretischer Bezugsrahmen (Susann Kunze)....Pages 99-136
Modell- und Hypothesenentwicklung (Susann Kunze)....Pages 137-162
Methodik (Susann Kunze)....Pages 163-188
Ergebnisse (Susann Kunze)....Pages 189-293
Pädagogischer Handlungsleitfaden (Susann Kunze)....Pages 295-315
Zusammenfassung und Ausblick (Susann Kunze)....Pages 317-322
Back Matter ....Pages 323-362

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Susann Kunze

Stieffamilien Beziehungsqualität und kindliche Kompetenzentwicklung

Stieffamilien

Susann Kunze

Stieffamilien Beziehungsqualität und kindliche Kompetenzentwicklung

Susann Kunze Neuburg an der Donau, Deutschland Dissertation der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt Gutachter: Prof. Dr. Franz-Michael Konrad, Prof. Dr. Jörg Althammer Datum der mündlichen Prüfung: 26.06.2019

ISBN 978-3-658-28777-1 ISBN 978-3-658-28778-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung

Ich möchte mich bei all denen bedanken, die mir diese Dissertation ermöglicht haben und mich in mannigfaltiger Weise unterstützt haben. Herrn Prof. Dr. Franz-Michael Konrad, meinem Doktorvater und Erstgutachter, und Herrn Prof. Dr. Jörg Althammer, meinem Zweitgutachter, gilt mein ganz besonderer Dank für Ihre Inspiration, Ihre kritischen Anmerkungen, Ihr entgegengebrachtes Vertrauen und Ihre fachliche Unterstützung. Erst Sie haben mir diese Dissertation ermöglicht! Sie haben mich stets ermutigt und Ihre Anregungen gelten für mich als unersetzbar! Meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt danke ich für ihre fachkundige Beratung, ihre Inspiration, ihre Unterstützung und ihr Verständnis. Dem gesamten Team des Lehrstuhls für Unternehmensethik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Herrn Prof. Dr. Peter Erath, Herrn Prof. Dr. Jens Kratzmann, Herrn Dr. Michael Köck und meinen Kollegen des Doktorandenkolloquiums danke ich für ihre zahlreichen hilfreichen Anregungen. Ingo Campus und Berit Telaar danke ich sehr herzlich für ihre kritischen Anmerkungen und Hinweise bei ihrer Durchsicht dieser Arbeit. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für ihre Unterstützung in allen Phasen dieser Arbeit. Besonders Du, lieber Ingo Campus, bist mein Begleiter durch alle Höhen und Tiefen dieser Arbeit gewesen. Du hast mich stets unterstützt, meine langen Arbeitsschichten mitgetragen und bist immer für mich da gewesen. Dir gilt mein ganz besonderer Dank!

Anmerkung

Sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen. Zur besseren Lesbarkeit werden geschlechtsneutrale oder die männlichen Bezeichnungen verwendet und nur bei geschlechtsspezifischen Unterschieden beide Geschlechter verwendet. Frauen sind selbstverständlich mit einbezogen.

Inhalt

1  Einführung..................................................................................................... 1  1.1  Hintergrund der Untersuchung und Forschungsfrage ............................. 1  1.2  Aufbau der Arbeit ................................................................................... 7  2  Stieffamilie ..................................................................................................... 7  2.1  Begriffskonzeption .................................................................................. 9  2.2  Stieffamilien im bundesdeutschen Raum .............................................. 14  2.3  Gesellschaftliche Rahmenbedingungen................................................. 19  2.4  Untersuchungsansätze zu Stieffamilien ................................................. 27  2.4.1 Defizit- und problemorientierte Modelle...................................... 27  2.4.2 Systemisch-entwicklungsbezogene Ansätze ................................ 30  2.4.3 Besonderheiten von Stieffamilien ................................................ 47  2.5  Fazit ....................................................................................................... 52  3  Innerfamiliales Untersuchungsfeld ............................................................ 55  3.1  Innerfamilialer Kontext ......................................................................... 55  3.1.1 Besonderheiten der Familie als Lern- und Erziehungsort ............ 55  3.1.2 Erziehungsinhalte und Beziehungsstrukturen .............................. 61  3.2  Paarbeziehung und Beziehungsqualität ................................................. 63  3.3  Lernen und Kompetenz ......................................................................... 72  3.4  Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten ................................. 78  3.4.1 Mittlere Kindheit und Jugend ....................................................... 78  3.4.2 Emotionale Sicherheit in der mittleren Kindheit und Jugend ....... 82  3.4.3 Prosoziales Verhalten in der mittleren Kindheit und Jugend ....... 87  3.5  Elterliche Erziehung, Erziehungsziele, Erziehungskompetenzen.......... 90  3.6  Zusammenfassung ................................................................................. 96  4  Theoretischer Bezugsrahmen ..................................................................... 99  4.1  Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen..................................... 99  4.1.1 Emotionsbasierte Aspekte ............................................................ 99  4.1.2 Sozialbasierte Aspekte ............................................................... 104  4.1.3 Schlussfolgerung ........................................................................ 109 

VIII

Inhalt

4.2  Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive ... 110  4.2.1 Familienklima ............................................................................ 110  4.2.2 Haltung zum Kind, elterliches Verantwortungsbewusstsein und Attribution ........................................................................... 111  4.2.3 Eltern-Kind-Beziehung, Eltern-Kind-Kommunikation und Konfliktstil ................................................................................. 117  4.2.4 Gegenwärtige Erziehungsgestaltung und autoritativer Erziehungsstil ............................................................................. 121  4.3  Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten .... 126  4.3.1 Anette Engfer’s Spill-Over-Hypothese ...................................... 126  4.3.2 Jay Belsky’s Prozessmodell ....................................................... 129  4.3.3 Richard R. Abidin’s Erziehungs-Stress-Modell ......................... 135  4.4  Zusammenfassung und Ausblick......................................................... 135  5  Modell- und Hypothesenentwicklung ...................................................... 137  5.1  Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung ....................................................................... 137  5.1.1 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität auf das Kind .............. 137  5.1.2 Elterliche Kommunikation und Selbstregulation ....................... 140  5.1.3 Erziehungsstil ............................................................................. 144  5.1.4 Attribution .................................................................................. 148  5.2  Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern........................ 152  5.3  Gesamtzusammenhang und Grenzen der Untersuchung ..................... 158  6  Methodik .................................................................................................... 163  6.1  Das Beziehungs- und Familienpanel pairfam...................................... 163  6.2  Variablen ............................................................................................. 166  6.2.1 Die abhängigen Konstrukte der kindlichen Kompetenzen ......... 166  6.2.2 Das unabhängige Konstrukt: Beziehungsqualität ....................... 167  6.2.3 Mediatoren: Elternkompetenzen ................................................ 169  6.2.4 Soziodemografische Kontrollvariablen ...................................... 172  6.3  Statistisches Analyseverfahren ............................................................ 174  6.3.1 Strukturgleichungsmodelle......................................................... 174  6.3.2 Gütekriterien .............................................................................. 181  6.3.3 Gruppenvergleich ....................................................................... 186  6.3.4 Prozedere.. .................................................................................. 188  7  Ergebnisse .................................................................................................. 189  7.1  Stichprobe ........................................................................................... 189  7.2  Deskriptive Statistik ............................................................................ 194 

Inhalt

7.3 

7.4 

7.5 

7.6 

IX 7.2.1 Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten ...................... 195  7.2.2 Beziehungsqualität ..................................................................... 200  7.2.3 Elternkompetenzen ..................................................................... 203  7.2.4 Zusammenfassung ...................................................................... 208  Struktur der einzelnen Messmodelle ................................................... 208  7.3.1 Überprüfung auf uni- und multivariate Normalverteilung ......... 209  7.3.2 Abhängige Konstrukte: Kindliche Kompetenzen ....................... 213  7.3.3 Unabhängiges Konstrukt: Beziehungsqualität............................ 216  7.3.4 Mediatoren: Elternkompetenzen ................................................ 219  7.3.5 Abschließende Beurteilung der Messmodelle ............................ 225  Strukturgleichungsmodelle.................................................................. 227  7.4.1 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität ................................... 227  7.4.2 Kommunikationsmodelle ........................................................... 229  7.4.3 Modelle zur autoritativen Erziehung .......................................... 242  7.4.4 Die Rolle der soziodemografischen Merkmale .......................... 254  7.4.5 Zusammenfassung und Fazit ...................................................... 260  Gruppenvergleiche .............................................................................. 262  7.5.1 Messinvarianz ............................................................................ 262  7.5.2 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität ................................... 265  7.5.3 Kommunikationsmodelle ........................................................... 267  7.5.4 Modelle zur autoritativen Erziehung .......................................... 274  7.5.5 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse ............................ 281  Zusammenfassung und Grenzen der vorliegenden Untersuchung ...... 290 

8  Pädagogischer Handlungsleitfaden ......................................................... 295  8.1  Grundsätzliche pädagogische Prinzipien ............................................. 295  8.2  Integration und Kooperation ............................................................... 298  8.3  Die Förderung der kindlichen Kompetenzen ...................................... 301  8.4  Empfehlungen für die sozialen und leiblichen Eltern ......................... 311  9  Zusammenfassung und Ausblick ............................................................. 317  Literaturverzeichnis ....................................................................................... 323  Anhang............................................................................................................. 351 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1:

Verteilung der Familienformen mit minderjährigen Kindern ................................................................................... 14 Abbildung 4.1: Innerfamiliale systemische Einflussprozesse nach Anette Engfer........................................................................ 127 Abbildung 4.2: Systemisches Prozessmodell nach Jay Belsky ...................... 129 Abbildung 5.1: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität ............................. 140 Abbildung 5.2: Einfaches Kommunikationsmodell ....................................... 144 Abbildung 5.3: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung ..................... 147 Abbildung 5.4: Erweitertes Kommunikationsmodell .................................... 151 Abbildung 5.5: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung ................... 152 Abbildung 6.1: Strukturgleichungsmodell mit zwei latenten Variablen ........ 176 Abbildung 6.2: Direkte und indirekte Effekte des Kausalmodells ................ 179 Abbildung 7.1: ES I und PV I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität ..... 228 Abbildung 7.2: ES II: Einfaches Kommunikationsmodell ............................ 230 Abbildung 7.3: ES III: Erweitertes Kommunikationsmodell ......................... 232 Abbildung 7.4: PV II: Einfaches Kommunikationsmodell ............................ 234 Abbildung 7.5: PV III: Erweitertes Kommunikationsmodell ........................ 235 Abbildung 7.6: ES IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung.......... 243 Abbildung 7.7: ES V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung ........ 244 Abbildung 7.8: PV IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung ......... 246 Abbildung 7.9: PV V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung ........ 247 Abbildung 7.10: Die Bedeutung der soziodemografischen Merkmale im Modell ES III ........................................................................ 255 Abbildung 7.11: Die Bedeutung der soziodemografischen Merkmale im Modell PV V......................................................................... 257 Abbildung 7.12: Gruppenvergleich ES I und PV I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität................................................................ 266

Abbildungsverzeichnis

XI

Abbildung 7.13: Gruppenvergleich ES II: Einfaches Kommunikationsmodell ....................................................... 267 Abbildung 7.14: Gruppenvergleich ES III: Erweitertes Kommunikationsmodell ....................................................... 269 Abbildung 7.15: Gruppenvergleich PV IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung......................................................... 275 Abbildung 7.16: Gruppenvergleich PV V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung......................................................... 277 Abbildung A.1: Familienformen nach Gebietsgrößenklassen in der amtlichen Statistik ................................................................ 351 Abbildung A.2: Gruppenvergleich PV II: Einfaches Kommunikationsmodell ....................................................... 357 Abbildung A.3: Gruppenvergleich PV III: Erweitertes Kommunikationsmodell ....................................................... 358 Abbildung A.4: Gruppenvergleich ES IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung......................................................... 360 Abbildung A.5: Gruppenvergleich ES V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung......................................................... 361

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Tabelle 2.2: Tabelle 2.3: Tabelle 5.1: Tabelle 5.2: Tabelle 6.1: Tabelle 6.2: Tabelle 6.3: Tabelle 6.4: Tabelle 6.5: Tabelle 7.1: Tabelle 7.2: Tabelle 7.3: Tabelle 7.4: Tabelle 7.5: Tabelle 7.6: Tabelle 7.7: Tabelle 7.8: Tabelle 7.9: Tabelle 7.10: Tabelle 7.11: Tabelle 7.12: Tabelle 7.13: Tabelle 7.14:

Familienformen mit minderjährigen Kindern in Deutschland .............................................................................. 15  Geschätzte Anteile der Stieffamilien an den Familienhaushalten in Deutschland .......................................... 17  Klassifizierung der Selbstdefinitionen von Stieffamilien ......... 50  Zusammenfassung der Hypothesen ........................................ 159  Konstrukte und ihre Inhalte .................................................... 160  Items zu den kindlichen Kompetenzfeldern ............................ 167  Items zu der Beziehungsqualität ............................................. 168  Items zu den eingesetzten Mediatoren .................................... 171  Gütekriterien ........................................................................... 184  Messinvarianzen: Voraussetzungen und Überprüfungsmethode ............................................................ 187  Beziehungsmuster der Stieffamilienhaushalte ........................ 191  Charakteristika der Respondenten .......................................... 192  Deskription der kindlichen emotionalen Sicherheit ................ 196  Deskription des kindlichen prosozialen Verhaltens ................ 199  Deskription der Intimität innerhalb der Partnerschaft ............. 200  Deskription der Wertschätzung innerhalb der Partnerschaft... 201  Deskription der Kommunikation innerhalb der Partnerschaft ........................................................................... 202  Deskription der Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft ..... 202  Deskription der Eltern-Kind-Kommunikation ........................ 203  Deskription der Selbstregulation............................................. 204  Deskription der Warmherzigkeit ............................................. 205  Deskription der Konsequenz ................................................... 206  Deskription der Attributionsmuster ........................................ 207  Deskriptivstatistik zu den eingesetzten Indikatoren ................ 211 

Tabellenverzeichnis Tabelle 7.15: Tabelle 7.16: Tabelle 7.17: Tabelle 7.18: Tabelle 7.19: Tabelle 7.20: Tabelle 7.21: Tabelle 7.22: Tabelle 7.23: Tabelle 7.24: Tabelle 7.25: Tabelle 7.26: Tabelle 7.27: Tabelle 7.28: Tabelle 7.29: Tabelle 7.30: Tabelle 7.31: Tabelle 7.32: Tabelle 7.33: Tabelle 7.34: Tabelle 7.35: Tabelle 7.36: Tabelle 7.37: Tabelle 7.38: Tabelle 7.39:

XIII

Test auf multivariate Normalverteilung der Untersuchungsvariablen .......................................................... 212  Messmodell der emotionalen Sicherheit ................................. 214  Messmodell des prosozialen Verhaltens ................................. 216  Messmodell der Beziehungsqualität ....................................... 218  Beziehungsqualität: Faktorkorrelationen und Fornell-Larcker-Kriterium ...................................................... 219  Messmodell zu den Mediatoren des Kommunikationsmodells ........................................................ 220  Messmodelle zu den Mediatoren des Modells zur autoritativen Erziehung ........................................................... 223  Messmodell der Attribution .................................................... 224  Faktorkorrelationen und Fornell-Larcker-Kriterium ............... 226  ES II: Standardisierte indirekte und totale Effekte.................. 231  ES III: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................ 233  PV II: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................. 235  PV III: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................ 236  ES IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................ 243  ES V: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................. 245  PV IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte................ 246  PV V: Standardisierte indirekte und totale Effekte ................. 248  ES III mit Soziodemografie: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 256  PV V mit Soziodemografie: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 258  Ermittelte Einflussmechanismen für die Gesamtstichprobe ... 261  Messinvarianz der Kausalmodelle .......................................... 264  Gruppenvergleich ES II: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 268  Gruppenvergleich ES III: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 271  Gruppenvergleich PV IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 276  Gruppenvergleich PV V: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 279 

XIV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 7.40:

Unterschiede zwischen den Elternschaften ............................. 282 

Tabelle A.1: Tabelle A.2: Tabelle A.3: Tabelle A.4: Tabelle A.5: Tabelle A.6:

MCAR-Test nach Little .......................................................... 352 Gebietsverteilung der Stieffamilienhaushalte ......................... 352 Anzahl der Kinder in den Stieffamilienhaushalten ................. 353 Einkommensverteilung nach Stieffamilienhaushalten ............ 353 Merkmale der Bezugskinder ................................................... 354 Korrelationen der Variablen zu den kindlichen Kompetenzbereichen .............................................................. 354 Korrelationen der Variablen zur Beziehungsqualität .............. 355 Messmodell: Beziehungsqualität als ein Konstrukt ................ 355 Korrelationen der Variablen zur Kommunikation mit dem Kind .......................................................................... 356 Korrelationen der Variablen zur autoritativen Erziehung ....... 356 Korrelationen der Variablen zur Attribution ........................... 356 Gruppenvergleich PV II: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 357 Gruppenvergleich PV III: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 359 Gruppenvergleich ES IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 360 Gruppenvergleich ES V: Standardisierte indirekte und totale Effekte ........................................................................... 362 

Tabelle A.7: Tabelle A.8: Tabelle A.9: Tabelle A.10: Tabelle A.11: Tabelle A.12: Tabelle A.13: Tabelle A.14: Tabelle A.15:

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Allgemeine Abkürzungen EFA Explorative Faktorenanalyse FIML Full Information Maximum Likelihood KFA Konfirmatorische Faktorenanalyse ML Maximum Likelihood MLR ML mit Yuan-Bentler-Korrektur und nach Huber-White geschätzten Standardfehlern SGA/SGM Strukturgleichungsanalyse/Strukturgleichungsmodell Modellbezogene Abkürzungen Modell I Direkter Einfluss der Beziehungsqualität auf den kindlichen Kompetenzbereich Modell II Einfaches Kommunikationsmodell Modell III Erweitertes Kommunikationsmodell Modell IV Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung Modell V Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung ES I-V Modell I bis V zur emotionalen Sicherheit PV I-V Modell I bis V zum prosozialen Verhalten Parameter im Strukturgleichungsmodell β (beta) Pfadkoeffizient zwischen zwei endogenen Variablen γ (gamma) Pfadkoeffizient zwischen endogener und exogener Variable δ (delta) Residualkoeffizient zu einer Messvariablen x ε (epsilon) Residualkoeffizient zu einer Messvariablen y ζ (zeta) Residualkoeffizient zu einer endogenen Variablen η (eta) Latentes endogenes Konstrukt λ (lambda) Faktorladung ξ (xi) Latentes exogenes Konstrukt Direkte, indirekte und totale Effekte von ξ auf η ξ→η ϕ (phi) Varianz des latenten Konstrukts Intercept τ (tau) x Manifeste Messvariable für eine latente exogene Variable Matrizen und Vektoren der Parameter im Strukturgleichungsmodell Β (Beta) Matrix der Beziehungen zwischen η-Variablen (Pfadkoeffizienten) Γ (Gamma) Matrix der Beziehungen zwischen ξ und η (Pfadkoeffizienten) Γx (Gamma-x) Matrix der Pfade zwischen x und ξ-Variablen Γy (Gamma-y) Matrix der Pfade zwischen y und η-Variablen Matrix der Ladungskoeffizienten zur Messvariablen x Λx (Lambda-x) Λy (Lambda-y) Matrix der Ladungskoeffizienten zur Messvariablen y Φ (Phi) Matrix der Kovarianzen der exogenen Konstrukte ξ Ψ (Psi) Matrix der Kovarianzen zwischen den Fehlertermen ζ und den endogenen Konstrukten η S Empirische Varianz-Kovarianz-Matrix Ʃ (Sigma) Modelltheoretische, geschätzte Varianz-Kovarianz-Matrix Θ (Theta) Parametervektor

XVI

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Globale und lokale Gütekriterien (KFA, SGA) AGFI Adjusted Goodness of Fit-Index (globales Gütemaß) CFI Comparative Fit Index (globales Gütemaß) C. R. Critical Ratio (lokales Gütemaß; entspricht auch dem z-Wert) DEV Durchschnittlich extrahierte Varianz (lokales Gütemaß) FR Faktorreliabilität (lokales Gütemaß) GFI Goodness of Fit-Index (globales Gütemaß) λ2 (lambda) Indikatorreliabilität (quadrierte standardisierte Faktorladung; lokales Gütemaß) Quadrierte Faktorkorrelation r2 Aufgeklärter Varianzanteil R2 Fornell-Larcker-Kriterium (lokales Gütemaß) r2 < DEV RMSEA Root Mean Square Error of Approximation (globales Gütemaß) SRMR Standardized Root Mean Square Residual (globales Gütemaß) TLI Tucker-Lewis-Coefficient (globales Gütemaß) 2 χ (chi) Chi-Quadrat (globales Gütemaß) Ergänzende mathematische Maße/Angaben α (alpha) Cronbach’s Alpha (Reliabilität) d Cohen’s d df Freiheitsgrad KMO Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium (Gütemaß der EFA) MAR Missing at Random (zufällig auftretende Fehlwerte) MCAR Missing Completely at Random (vollständig zufällig auftretende Fehlwerte) MNAR Missing Not at Random (nicht zufällig auftretende Fehlwerte) ω (omega) Interne Konsistenz bei Second-Order-Modellen Kovarianz σ (sigma) t Anzahl der zu schätzenden Parameter t (df) t-Test mit angegebenen Freiheitsgraden Zusätzliche Abkürzungen AID:A Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten; Survey des Deutschen Jugendinstituts (DJI) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Alabama Parenting Questionnaire EDAPQ FEE Fragebogen zum erinnerten elterlichen Erziehungsverhalten GGS Generations and Gender Survey des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung H Hypothese IGLU Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung Inv. Invertiert NRI Network of Relationship Inventory PISA PISA-Studien (internationale Schulleistungsuntersuchungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) pairfam Beziehungs- und Familienpanel (pairfam) SDQ Strengths and Difficulties Questionnaire u. a. unter anderem z. B. zum Beispiel zusammenfassend zus. fas.

1

1.1

Einführung

Hintergrund der Untersuchung und Forschungsfrage

Die Familie ist eine Lebenswelt, in welcher Kinder geliebt, gefördert, erzogen und gebildet werden. Als sozio-emotionaler Lernort prägt sie die kindliche Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung nachhaltig. Diese Arbeit fokussiert sich auf ausgewählte elterliche Interaktions- und Kommunikationsmuster, welche die kindliche Kompetenzausbildung in der mittleren Kindheit und Jugend unterstützen. So können sich die Kompetenzniveaus der Kinder deutlich unterscheiden, selbst wenn sie in ähnlichen soziodemografischen Umwelten aufwachsen. Zwei fiktive Beispiele beschreiben, wie sich dies in der Praxis auswirken kann: Da gibt es Martin, der mit seinen 12 Jahren bereits mehrmals Klassensprecher war und aktuell wieder ist. Er engagiert sich in der SMV (Schülermitverantwortung). Er ist bei seinen Klassenkameraden und Lehrern gleichermaßen beliebt. Mit Prüfungen geht er selbstbewusst um und meistert sie häufig mit guten Noten. Gegenüber neuen Situationen ist er aufgeschlossen, neugierig und offen. Braucht jemand Hilfe, ist er zur Stelle. Dabei zeigt er Geduld mit jüngeren Kindern. Thomas, ebenfalls 12 Jahre alt, ist dagegen eher scheu. Er hält sich bei Gruppenaktivitäten lieber im Hintergrund und wirkt introvertiert. Unabhängig davon, wie gut er sich auf schulische Tests vorbereitet, beschleicht ihn jedes Mal ein „mulmiges Gefühl“ und bei einigen Prüfungen hat er einen Blackout. Neue, ungewohnte Situationen und Aufgaben bereiten ihm Angst und Sorgen. Er kompensiert seine Unsicherheiten immer wieder durch „flapsiges“ Verhalten und psychosomatische Beschwerden (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit). Braucht jemand Hilfe, erkennt er das häufig nicht oder zeigt nur selten die Motivation, andere zu unterstützen.

Während Martin ein hohes Maß an emotionaler Sicherheit und prosozialem Verhalten aufweist, sind die beiden Kompetenzen bei Thomas geringfügig ausgeprägt. Diese Unterschiede treten auf, obwohl ihre Familien in wirtschaftlich stabilen Verhältnissen leben, ihre Eltern berufstätig sind und vergleichbare Bildungsniveaus aufweisen, sie in ähnlichen Wohngegenden heranwachsen und in die gleiche Klasse gehen. Sie wachsen beide in Stieffamilien auf. Diese Familienform umfasst Kinder, ihren leiblichen Elternteil und dessen Partner, der mit mindestens einem © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_1

2

Einführung

der Kinder nicht biologisch verwandt ist (vgl. Bien et al. 2002: 11). Der Partner wird im Folgenden synonym als Stiefelternteil oder sozialer Elternteil bezeichnet. Auch wenn die beiden Kinder frei erfunden sind, stellt die Forschung bei Kindern aus Stieffamilien genau diese Bandbreite fest (vgl. u. a. Amato et al. 2016; Berger und McLanahan 2015; Bray 1992; Hetherington 1989, 1993; Jensen und Lippold 2018; Walper und Gerhard 1999). Die zentrale pädagogische Frage lautet, wie die Stieffamilie die sozio-emotionale Kompetenzausbildung des Kindes unterstützen kann. Ein erziehungswissenschaftlicher Diskurs zu Stieffamilien findet bisher, abgesehen von einigen Ausnahmen, kaum statt und wird derzeit überwiegend anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Soziologie und der Psychologie, überlassen. Deren Erkenntnisse zeigen die unterschiedlichen Aufwachsbedingungen für Kinder aus Stieffamilien auf. Die Entwicklung des Kindes und seiner Kompetenzen ist demzufolge durch die leiblichen und sozialen Eltern förderbar und kein naturgegebener Prozess. Die vorliegende Arbeit untersucht eine Auswahl unterstützender Faktoren anhand zweier spezifischer kindlicher Kompetenzen: der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens. Der Fokus liegt auf den innerfamilialen elterlichen Erziehungsprozessen, auf der Partnerschaft und der Eltern-Kind-Kommunikation. Damit liefert diese Arbeit eine erziehungswissenschaftliche Perspektive auf ausgewählte Aspekte des Aufwachsens in Stieffamilien. Die quantitative Untersuchung verwendet dafür das deutschlandweit durchgeführte, repräsentative Beziehungs- und Familienpanel pairfam. Die zum Einsatz kommenden Konstrukte sind nicht direkt messbar. Sie werden theoretisch hergeleitet und empirisch mit konfirmatorischen Faktorenanalysen getestet. Die theoretisch eruierten Wirkmechanismen der Konstrukte werden mithilfe von Strukturgleichungsmodellen überprüft. Bevor näher auf die Forschungslage eingegangen wird, erfolgt eine Begründung dieser Arbeit aus gesellschaftlicher Sicht. Seit einigen Jahren wird relativ übereinstimmend eine Pluralisierung der Lebens- und Familienformen in der deutschen Gesellschaft konstatiert, auch wenn die klassische Kernfamilie weiterhin im bundesdeutschen Raum dominiert. Im Jahr 2016 sind die Eltern von 69.5 % aller Familienhaushalte mit minderjährigen Kindern verheiratet und damit 11.9 % weniger als 1996. Die Zahlen geben nicht wieder, ob es sich um eine Erstehe oder eine wiederverheiratete Ehe handelt. Im gleichen Zeitraum weisen die Alleinerziehenden ein Plus von 6.0 % auf 19.8 % und die nichtehelichen Lebensgemeinschaften einen Anstieg um 5.9 % auf 10.7 % auf (vgl. Statistisches Bundesamt; nähere Ausführungen in Abschnitt 2.2). Neben der Kernfamilie existieren zum Beispiel Alleinerziehende, Stieffamilien, Familien mit gleichgeschlechtlichen Partnern (Regenbogenfamilien), Adoptiv- und Pflegefamilien, heterologe Inseminationsfamilien und Mehrgenerationenhaushalte.

Hintergrund der Untersuchung und Forschungsfrage

3

Das Grundgesetz verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland mit Art. 6 Abs. 1 zum besonderen Schutz von Ehe und Familie. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter einer Familie Folgendes: „Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als Gemeinschaft von Eltern mit Kindern. Dabei ist nicht maßgeblich, ob die Kinder von den Eltern abstammen und ob sie ehelich oder nichtehelich geboren wurden (vgl. BVerfGE 10, 59 ; 18, 97 ; 79, 256 ). Familie ist die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern, die für diese Verantwortung tragen“ (Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1493/96 - Rn. (1-126).).

Dieses rechtliche Verständnis stellt neben Kernfamilien unter anderem auch Stieffamilien unter den besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, da Kinder mit ihren Eltern nicht biologisch verwandt sein müssen. Die Haushaltsgemeinschaft und die gelebte Elternverantwortung gelten als ausschlaggebend. Nach dem Soziologen Norbert F. Schneider (2015) berücksichtigt die Familienpolitik jedoch die bereits gelebte Vielfalt in Deutschland noch unzureichend und bezieht sich überwiegend auf Kernfamilien: „Im Mittelpunkt einer modernen Familienpolitik sollte die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen, insbesondere von Eltern und Kindern stehen. Lebensqualität gründet dabei auf den Säulen Chancengleichheit, wirtschaftliche Stabilität und Wahlfreiheit (Schneider et al. 2013). Damit Wahlfreiheit bei der Lebensführung besteht, müssen die Menschen die Chance haben, Familie – in den rechtlich gesteckten Grenzen – so zu leben und so zu gestalten, wie sie es wünschen und für richtig erachten. Die Chancen auf berufliche, familiale und gesellschaftliche Teilhabe dürfen nicht durch Geschlecht oder Lebensform begrenzt werden. Gesellschaftliche Strukturen, die in dieser Hinsicht einschränkend wirken, sind durch eine gezielte familienorientierte Politik umzugestalten, soweit dies möglich ist. Die Vielfalt der Erscheinungsformen und der Entwicklungsverläufe sind Kernmerkmale von Familie und kennzeichnen die Lebensrealität in Deutschland. Politisch wird diese Vielfalt bislang noch nicht angemessen anerkannt und nicht hinreichend adressiert“ (Schneider 2015).

Schneiders Äußerung kann auch auf Stieffamilien übertragen werden (nähere Ausführungen in Abschnitt 2.3). Stieffamilien verfügen, den theoretischen Analysen dieser Arbeit zufolge, über wenig institutionalisierte Orientierungspunkte. Wie sie ihr Familienleben gestalten, welche Rollen, Funktionen, Beziehungs- und Erziehungsformen der Einzelne zum Wohle des Kindes einnimmt und wie alle am Erziehungsprozess Beteiligten eingebunden werden können, „erfinden“ Stieffamilien häufig jeweils für sich. Die zunehmende Pluralisierung der Familienformen, der von Schneider beschriebene Nachholbedarf in der Familienpolitik und die

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Einführung

noch aufzuzeigende Ausbaufähigkeit des Familienrechts begründen zuerst diese Arbeit. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass jedes Kind unabhängig von seiner familiären Herkunft die gleichen Entwicklungs- und Lernchancen erhalten sollte. Zusätzlich können das öffentliche Interesse und die ausgeprägte Sensibilität gegenüber Stieffamilien eine Unsicherheit der Mitglieder dieser Familien begünstigen. So genießen Stieffamilien, insbesondere in den USA, ein evidentes Interesse in der Medien- und Forschungslandschaft. In Deutschland reagierte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auf die zunehmende Häufigkeit von Stieffamilien mit Forschungsaufträgen, Forschungsberichten und Ratgebern für Stieffamilien. Eine Fülle an populärwissenschaftlicher Ratgeberliteratur geht auf Chancen, Risiken, Ressourcen und Problemfelder ein. Die frühesten wissenschaftlichen Forschungen stammen aus den USA. Sie betonen eine problem- und defizitorientierte Sichtweise auf Stieffamilien. Im deutschsprachigen Raum nahmen sich verschiedene psychologische und soziologische Forschergruppen dieser Familienform seit den 1990er Jahren an. Die USamerikanische Entwicklungspsychologin Mavis E. Hetherington führte mit ihrem Team die erste Längsschnittuntersuchung zu Stieffamilien durch. Allgemein diskutierte diese Forschergruppe in ihren Ergebnissen unterschiedliche Beeinträchtigungen der sozio-emotionalen Entwicklung von Kindern aus Stieffamilien, welche sich bis ins Erwachsenenalter der Betroffenen auswirken können (vgl. u. a. Cherlin 1978; Flinn 1988; Hetherington 1989; Hetherington und Clingempeel 1992). Neuere Studien markieren einen Paradigmenwechsel hin zu einer systemisch-entwicklungsbezogenen Betrachtungsweise, in der die Forscher betonen, welche Ressourcen und Chancen diesen Familien zur Verfügung stehen. Demzufolge können Kinder in Stieffamilien ähnliche Kompetenzen aufbauen wie Kinder aus Kernfamilien. Dies erfordert von den Erwachsenen spezifische Anpassungsleistungen. Das innerfamiliale Beziehungssystem wie die Kompetenzentwicklung und das Wohlbefinden der Kinder sind abhängig von der Reorganisation der Beziehungen zu Verwandten aus der ursprünglichen Kernfamilie, von der Beziehungsgestaltung innerhalb der Stieffamilie, von den sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Familie und von ihrem sozialen Netzwerk (vgl. Engstler und Menning 2003). Weitere Einflussfaktoren bilden unter anderem das Rollenverständnis des Stiefelternteils (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014), die gelebte Regelung des Kontakts zum anderen leiblichen Elternteil (vgl. u. a. Krähenbühl 2007) und die Selbstdefinitionen der Stieffamilien (vgl. Berger 1996; Bien et al. 2002; Friedl und Maier-Aichen 1991; nähere Ausführungen in Abschnitt 2.4.3). Alle genannten Faktoren prägen die kindliche Kompetenzausbildung in Stieffamilien. Eine erziehungswissenschaftliche Perspektive auf die Stieffamilie bietet die Möglichkeit, die interdisziplinäre Forschung zur Stieffamilie zu erweitern und den

Hintergrund der Untersuchung und Forschungsfrage

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Familien zusätzliche Hilfsmittel an die Hand zu geben. Einzelne Autoren haben sich bisher der Familienpädagogik zu Stieffamilien angenommen (z. B. Ecarius 2007; Giesecke 1987). Die erziehungswissenschaftliche Literatur zur Familie im Allgemeinen ist insgesamt erweiterbar. Erziehungswissenschaftliche Studien zu Familien existieren seit den 1970er Jahren. Es gibt jedoch bisher „noch keine erziehungswissenschaftliche Theorie von Familie“ (Macha und Witzke 2011: 103), sondern es werden unterschiedliche Themenfelder erforscht und daraus Konzepte abgeleitet.1 Jutta Ecarius stellt in diesem Zusammenhang eine theoretische Lücke fest (vgl. Ecarius 2002: 28). Drei für diese Arbeit relevante erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse können bereits festgehalten werden: (1) Die Ausformung von Familienbeziehungen und -interaktionen sowie von Erziehungs- und Lernprozessen in Familien ist dem jeweiligen Zeitgeist unterworfen und kulturell bzw. gesellschaftlich eingebettet. (2) Vertrauensvolle, stabile, dauerhafte, reziproke Eltern-Kind-Beziehungen werden als essenziell und erfolgversprechend für elterliche Erziehungs- und kindliche Lernprozesse eingestuft. Diese Ergebnisse befinden sich im Einklang mit bindungstheoretischen Überlegungen und Forschungen zur Hospitalisierung und zur Deprivation. (3) Weiterhin ist der autoritative Erziehungsstil mit seiner Verbindung von elterlicher emotionaler Wärme und elterlicher Konsequenz immer wieder als besonders günstig für das Aufwachsen von Kindern rezipiert worden. Diese Erkenntnisse finden bisher überwiegend bei Kernfamilien Verwendung. Das gesamte Feld, wie Kinder in Stieffamilien ihre Kompetenzen ausbauen können, wird in der Folge hauptsächlich der Soziologie, der Psychologie und einer Fülle an populärwissenschaftlichen Erziehungsratgebern überlassen. Daraus ergibt sich ein zusätzliches Forschungsdefizit bei Stieffamilien: Es ist bisher unzureichend erforscht, wie deren intern gelebter Beziehungs- und Erziehungsalltag die kindliche Kompetenzentwicklung fördern kann und welche elterlichen Kompetenzen und Verhaltensweisen dabei besonders hilfreich sind. Denn es besteht eine große Bandbreite der kindlichen Kompetenzen, wie bereits eingangs an den beiden fiktiven Beispielen dargestellt worden ist. Vor dem beschriebenen Hintergrund verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, auf einer empirischen Grundlage ausgewählte unterstützende elterliche Kompetenzen zu ermitteln, zu analysieren und daraus konstruktives pädagogisches Handeln in Stieffamilien abzuleiten. So umrahmt die folgende Forschungsfrage diese Arbeit:

1

Einen Überblick zu den erziehungswissenschaftlichen Studien und den dazu geführten Kontroversen bietet Ecarius (2002). Einzelne Pädagogen entwickelten theoretische Annahmen zur Familie auf Basis empirischer Untersuchungen wie zum Beispiel Ecarius (2002), (2007) oder theoriegeleitet unter Einbezug von Nachbardisziplinen. Darunter fallen unter anderem die Arbeiten von Liegle (2017); Lüscher und Liegle (2003); Macha (2011); Mollenhauer et al. (1978) und Winkler (2012).

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Einführung

Wie beeinflusst die Beziehungsqualität die kindliche Kompetenzentwicklung in Stieffamilien? Welche Mechanismen treten dabei auf? Zur Klärung dieser Frage wird ein systemisch-entwicklungsbezogener Ansatz gewählt, der mit seiner Verknüpfung von Familiensystem- und Familienentwicklungstheorien das theoretische Fundament dieser Arbeit darstellt. Neben lerntheoretischen Aspekten und einer pädagogisch-ethischen Perspektive werden psychologische Modelle selegiert, um die Einflussmechanismen genauer aufzuschlüsseln. Die analysierten Ressourcen und Kompetenzen der Eltern beinhalten die Beziehungsqualität innerhalb der Partnerschaft, den autoritativen Erziehungsstil und den respektvollen Umgang mit dem Kind in Bezug auf die Kommunikation und die Attribution. Analog zu den ausgewählten Perspektiven wird für Stieffamilien angenommen, dass sich die Beziehungsqualität auf die sozio-emotionale Kompetenzentwicklung des Kindes auswirkt. Die Beziehungsqualität dient dazu als Ressource der Eltern, welche mit der Ausprägung der elterlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen gekoppelt ist. Aus der psychologischen und soziologischen Forschung zu Kernfamilien ist bekannt: Kinder in konfliktreichen Elternhäusern zeigen vermehrt Auffälligkeiten im sozio-emotionalen Bereich. Konflikthäufigkeit und Beziehungsqualität stehen dabei in einem engen negativen Zusammenhang (vgl. Kunze 2014, 2015c). Die psychologischen Modelle von Anette Engfer, Jay Belsky und Richard R. Abidin beschreiben für Kernfamilien einen generellen Zusammenhang der Beziehungsqualität mit der Erziehung, der Eltern-Kind-Beziehung und der kindlichen Entwicklung. Unterstützung erfahren sie im Rahmen einer pädagogisch-ethischen Betrachtung durch Ludwig Liegle, Janusz Korczak, Michael Winkler und Sigrid Tschöpe-Scheffler. Diese Arbeit überträgt diese Konzepte und Modelle auf Stieffamilien und deren kindliche Kompetenzentwicklung. Sie geht auf die innerfamiliären Mechanismen näher ein. Sie nimmt an, dass die Beziehungsqualität direkt und indirekt die kindlichen Kompetenzen emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten beeinflusst. Dabei wird zusätzlich davon ausgegangen, dass die Partnerschaftsqualität sich darauf auswirkt, inwieweit die Eltern ihre Beziehungs- und Erziehungskompetenzen im Alltag einsetzen können und wie sie die Eltern-KindKommunikation gestalten. Eine Verknüpfung dieser Faktoren erlaubt eine Ermittlung der direkten und indirekten Wirkzusammenhänge und die Entwicklung eines pädagogischen Handlungsleitfadens für Eltern und für Praktiker, die mit Stieffamilien zusammenarbeiten (z. B. Beratungseinrichtungen, Schulpsychologie, Kinder- und Jugendhilfe etc.). Dieser zeigt auf, wie Eltern positiv auf die beiden ausgewählten kindlichen Kompetenzen einwirken können. Aus der ersten Forschungsfrage lässt sich speziell für Stieffamilien folgende zweite Forschungsfrage anschließen:

Aufbau der Arbeit

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Wirken die Mechanismen bei den Elternschaften auf die gleiche Weise? Die leiblichen Eltern sind mit den Kindern biologisch verwandt und können im Normalfall auf eine längere gemeinsame Geschichte und auf eine in der Regel grundlegend tiefer gehende emotionale Bindung mit den Kindern zurückgreifen. Kompetenzen entstehen aus Erfahrung. Ein mögliches Kompetenzgefälle zwischen den leiblichen und sozialen Eltern kann die Folge sein. Die leiblichen Eltern können in der Folge, so die zugrunde liegende Annahme, die sozio-emotionale Kompetenzentwicklung des Kindes auf andere Weise fördern als die Stiefeltern. Ferner können die beiden Elternteile innerhalb des Familiensystems unterschiedliche Rollen ausüben, welche mit verschiedenen Funktionen, Aufgaben und Verhaltenskodices einhergehen können. Ein Vergleich beider Gruppen zeigt auf, worauf die Elternschaften im Umgang mit dem Kind jeweils achten sollten und inwieweit sie sich in den Wirkmechanismen unterscheiden. 1.2

Aufbau der Arbeit

Das Ziel dieser Studie ist es, einen pädagogischen Handlungsleitfaden für Stieffamilien mit dem Blick auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes zu erarbeiten. Dazu werden die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität und der Elternkompetenzen erfasst und zwischen den Elternschaften miteinander verglichen. Diese Arbeit geht dabei folgendermaßen vor: Das zweite Kapitel stellt die vorliegende Arbeitsdefinition von Stieffamilie, ihre Prävalenz in der deutschen Bevölkerung, für diese Untersuchung relevante gesellschaftliche Rahmenbedingungen und das systemisch-entwicklungsbezogene Grundverständnis dieser Arbeit vor. Dabei bezieht es die erziehungswissenschaftliche Sichtweise auf dieses Grundverständnis und systemisch-entwicklungsbezogene Besonderheiten von Stieffamilien mit ein. Das dritte Kapitel steckt das innerfamiliale Untersuchungsfeld ab und definiert zentrale Begriffe der vorliegenden Arbeit. Das vierte Kapitel verdeutlicht den theoretischen Bezugsrahmen. Lerntheoretische Aspekte, pädagogisch-ethische Gesichtspunkte und ausgewählte psychologische Erklärungsmodelle zu den Wirkmechanismen und zu möglichen einflussreichen Elternkompetenzen werden genauer beleuchtet. Das Ziel ist es, mögliche Einflussmechanismen im Rahmen der Forschungsfragen zu extrahieren. Die Erklärungsansätze stellen grundlegende direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen der Beziehungsqualität und den untersuchten kindlichen Kompetenzfeldern her. Auf dieser Basis werden im fünften Kapitel die sich aus den Forschungsfragen ergebenen Hypothesen zu den Einflussmustern abgeleitet und mit bisherigen Studienergebnissen begründet. Das sechste Kapitel beschreibt die eingesetzte Methodik.

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Einführung

Das siebte Kapitel überprüft die aufgestellten Hypothesen. Nach der Stichprobenbeschreibung und der Deskription der Untersuchungsvariablen werden die Messkonstrukte unter anderem mithilfe konfirmatorischer Faktorenanalysen evaluiert. Zusätzlich werden die empirischen Ergebnisse der Hypothesenprüfung vorgestellt, interpretiert und mit den Hypothesen verglichen. Verschiedene Strukturgleichungsmodelle kommen dabei zum Einsatz. Damit können die Effekte der Beziehungsqualität auf die kindlichen Kompetenzbereiche extrahiert werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen werden jeweils für die angenommenen direkten und indirekten Einflüsse der Beziehungsqualität überprüft. Das achte Kapitel erstellt einen kurzen pädagogischen Handlungsleitfaden auf der Basis der theoretisch und empirisch ermittelten Ergebnisse. Zuletzt wird diese Arbeit im neunten Kapitel zusammengefasst und es werden mögliche zukünftige Forschungsthemen diskutiert.

2

Stieffamilie

Dieses Kapitel nähert sich dem Begriff Stieffamilie an und leitet daraus eine Arbeitsdefinition ab (2.1). Im Anschluss werden die Verbreitung der Stieffamilie in der deutschen Gesamtbevölkerung (2.2) und ausgewählte gesellschaftliche Rahmenbedingungen diskutiert (2.3). Die beiden letztgenannten Abschnitte veranschaulichen den gesellschaftlichen und soziokulturellen Rahmen, innerhalb welchem sich Stieffamilien in Deutschland bewegen. Sie lassen Rückschlüsse auf mögliche Folgen für Stieffamilien zu. Die Einbettung der Familie in die Gesellschaft wie die Kultur und die sich daraus bedingenden Sinnmuster, Normen, Werte und Lebensweisen begründen dieses Vorgehen. Anschließend werden die Untersuchungsansätze zu Stieffamilien aus der interdisziplinären Familienforschung vorgestellt und diskutiert (2.4). Zuletzt folgt ein Fazit (2.5). 2.1

Begriffskonzeption

Der Begriff Familie kann unterschiedlich breit gefasst sein und ist dem jeweiligen Zeitgeist unterworfen. Während frühere Definitionen von Familie die Haushaltsgemeinschaft und anschließend das gegengeschlechtliche Paar mit leiblichen Kindern betont haben, treten gegenwärtig unterschiedliche Familienformen stärker in das öffentliche Bewusstsein und erweitern den interdisziplinären familienwissenschaftlichen Diskurs (Alleinerziehende, Stieffamilien, Regenbogenfamilien etc.). Die engere Betrachtungsweise des Psychologen Klaus A. Schneewind definiert eine Familie als ein intimes Beziehungssystem aus zwei Generationen, die dauerhaft und emotional aneinandergebunden sind, zusammenwohnen und sich nach außen hin abgrenzen (vgl. Schneewind 2010: 35). Diese Definition lässt jedoch eine Fülle an Familienkonstellationen außer Acht, auf welche Michael Winkler in seiner Begriffsbestimmung von Familie hindeutet: „Familie ist mithin ein sozialer Zusammenhang, der von den Beteiligten als solcher begriffen und ergriffen, gegenüber anderen Zusammenhängen als besonderer und eigener verteidigt wird. Familien bestehen dann, wenn die an einer Familie Beteiligten ihre Praxis als Familie gestalten und eine Vorstellung von Familie, von ihrer Familie haben; auf den ersten Blick wird man Familie und Haushalt verbinden, doch zählen oft andere Personen, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_2

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Stieffamilie Großeltern etwa, zur Familie, die einen eigenen Haushalt führen. Fehlt eine solche Selbstdeutung als Familie, mögen zwar verwandtschaftliche Beziehungen bestehen, die jedoch nicht als Familie gelebt werden. Oder mehr noch: Familie ist offensichtlich das, was die Beteiligten als ihre Familie behaupten und in lebendiger Praxis gestalten – oder in manchen Fällen vermeiden, weil sie im Wissen um ihre Familie mit dieser eben gerade nichts zu tun haben wollen“ (Winkler 2012: 13f.).

Während Winkler mit seiner Definition der heutigen Komplexität von Familie eher Rechnung trägt, erlaubt Schneewinds klare Abgrenzung von Familie eher eine quantitative empirische Erfassung von Familie. Er vernachlässigt dabei jedoch Drei-Generationen-Familien, Familien, bei denen das Elternpaar zwei Haushalte führt (Living-Apart-Together), Familien, in denen das Kind zum Beispiel aufgrund schul- oder ausbildungsbezogener Begebenheiten zeitweise nicht im Haushalt lebt,2 und weitere haushaltsübergreifende Familienformen. Beiden Definitionen gemeinsam sind die Grenzziehungen der Familie nach außen. Schneewind betont die Beziehungsebene und das emotionale Band zwischen den Familienmitgliedern. Winkler ergänzt diesen Aspekt um die Handlungsebene und die innerfamiliäre Selbstdeutung als konstituierende Merkmale von Familie. Unter der Berücksichtigung der in dieser Arbeit verwendeten Methodik zur Untersuchung der Forschungsfragen wird folgende, eher eng gefasste Definition abgeleitet: Familien stellen Beziehungssysteme aus zwei Generationen dar, die mindestens zeitweise zusammenleben, in langfristiger, enger Beziehung zueinander stehen, ihren Alltag gemeinsam gestalten, eine Vorstellung von sich als Familie haben und sich nach außen hin abgrenzen. Diese Arbeitsdefinition schließt damit weitere Verwandtschaftsverhältnisse (z. B. Großeltern) und Familien mit dauerhaft getrennten Haushalten aus. Miteingeschlossen ist, dass die Familienmitglieder ihr Familienleben und ihre soziale Wirklichkeit selbst gestalten (vgl. Winkler 2012: 14f.; Winkler 2015: 72f.). Die Kernfamilie besteht aus einem Paar und dessen leiblichen Kindern.3 Wissenschaftliche Studien definieren die Stieffamilie unterschiedlich breit. Unter diesem Begriff werden verschiedene Formen zusammengefasst, die sich in ihrer Familienstruktur und ihrer Komplexität voneinander unterscheiden. Anstelle des 2

Diese Bedingungen bilden zum Beispiel auf schulischer Ebene das Internat und auf der Ebene des Ausbildungswesens die nicht in Wohnortnähe befindlichen Ausbildungsstätten (Berufsschule, Berufsfachschule, Betrieb etc.), welche zumindest eine zeitweise Abwesenheit des Kindes aus dem familiären Haushalt erfordern. 3 Im klassischen Sinne sind die Partner zudem verheiratet. Es finden derzeit noch nicht abgeschlossene Diskurse darüber statt, ob die Ehe ein konstituierendes Merkmal der Kernfamilie ist oder auch nichteheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen leiblichen Kindern zur Kernfamilie gehören.

Begriffskonzeption

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Begriffs Stieffamilie werden zudem Alternativen wie zum Beispiel Fortsetzungsfamilie, binukleare Familie, rekonstruierte Familie oder Patchwork-Familie in Forschungsarbeiten verwendet, um die in der Gesellschaft weiterhin bestehenden negativen Assoziationen mit dieser Familienform zu vermeiden. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Begrifflichkeiten Stieffamilie und PatchworkFamilie teilweise synonym gebraucht. Diese Begriffsverwendung vernachlässigt jedoch den besonderen Charakter der jeweiligen Kategorien. So umschreibt die Patchwork-Familie eine Unterkategorie der Stieffamilie, wie im Folgenden genauer herausgearbeitet wird. All diese teilweise unscharfen alternativen Begrifflichkeiten zur Stieffamilie vernachlässigen nach der Soziologin Anja Steinbach (2015) die Benennung der Familienmitglieder, weshalb bei der Beschreibung der Beziehungsgestaltung auf bewährte Begriffe wie Stiefeltern, Stiefkind und Stiefgeschwister zurückgegriffen wird. Auch gibt Steinbach zu bedenken, dass neue Terminologien nicht dazu führen, bestehende Vorurteile gegenüber der Familienform abzubauen. Wissenschaftliche Forschung ist in diesem Zusammenhang zielführender. Diese Argumente sprechen für die Verwendung des Begriffs Stieffamilie in der vorliegenden Arbeit. Seine mehrdeutige Natur ist begründet in der je nach Forschungsinteresse unterschiedlich ausgerichteten Definition. Deshalb dient eine fundierte Begriffsherleitung als Basis, die Familienform im vorliegenden Untersuchungsrahmen empirisch greifbar zu machen. Für die Definition des Begriffs Stieffamilie ist der gewählte Bezugspunkt wichtig. Ist der Bezugspunkt das Kind, erstrecken sich Stieffamilien häufig über mehr als einen Haushalt hinweg. Sie umfassen die Elternhaushalte, innerhalb derer es sich bewegt. Nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern können beide leiblichen Eltern ihren Kindern in getrennt lebenden Haushalten weiterhin zur Verfügung stehen. Diese gegenüber der ursprünglichen Kernfamilie gewachsene Komplexität vergrößert sich durch eine neue Partnerschaft eines Elternteils und bei der gemeinsamen Haushaltsbildung dieses Paares. Lebt das Kind mindestens zeitweise innerhalb dieses Haushalts, besteht eine Stieffamilie. Durch die vorhandenen Kinder reichen die familiären Grenzen meist über einen Haushalt hinaus, da üblicherweise ein leiblicher Elternteil außerhalb des Haushaltes wohnt (vgl. u. a. Bien et al. 2002; Teubner 2002b; Unverzagt 2002).4 Auf dieser Basis sind alle Elternhaushalte, in denen sich das Kind bewegt, zu berücksichtigen. Wird der Bezugspunkt auf den Haushalt gesetzt, umfasst eine Stieffamilie einen Elternteil, seine leiblichen Kinder und den Partner des Elternteils, der mit 4

Ein Einbezug der Eltern- und/oder der Geschwisterebene der leiblichen und sozialen Eltern zeigt eine realitätsnahe Darstellung der Wirklichkeit auf und potenziert die Komplexität der Familie. Darauf wird in dieser Arbeit zugunsten der Komplexitätsreduzierung und mit Blick auf die Arbeitsdefinition von Familie verzichtet.

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Stieffamilie

mindestens einem der Kinder nicht biologisch verwandt ist und damit eine soziale Elternschaft innehat (vgl. Bien et al. 2002: 11). Unter der Berücksichtigung der Forschungsfragen wählt die vorliegende Arbeit diesen Bezugspunkt. Auf Haushaltsebene können die Definitionen weiterhin unterschiedlich breit gefasst werden. Innerhalb einer engen Definition herrscht eine Stieffamilie nur vor, wenn das Paar verheiratet ist und das Kind seinen Hauptwohnsitz in dieser Stieffamilie hat (vgl. Bliersbach 2000; Friedl und Maier-Aichen 1991). Eine breite Begriffsdefinition vernachlässigt, ob das Paar verheiratet ist, in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder in getrennten Haushalten (Living-Apart-Together) lebt (vgl. Bien et al. 2002: 11). Ferner haben die Kinder entweder ihren Hauptwohnsitz bei dem Paar (primäre Stieffamilie) oder leben zeitweise bei dem Paar (Wochenendstieffamilie, sekundäre Stieffamilie; vgl. Bien et al. 2002: 11; Teubner 2002b: 5355; Teubner 2002c: 25). Steinbach (2010) zieht zusätzlich Stieffamilien mit erwachsenen Kindern mit ein, die nicht mehr bei den leiblichen und sozialen Eltern wohnen. Die hier vorliegende Arbeit verwendet eine auf die Haushaltsebene bezogene Begriffsdefinition mittlerer Reichweite. Somit lautet die Arbeitsdefinition von Stieffamilie: Stieffamilien verkörpern Familien mit minderjährigen Kindern, von denen mindestens eines ein Stiefkind von einem der Eltern und das leibliche Kind des anderen Elternteils ist. Das Paar lebt dabei in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen. Ein Kind wächst gemäß dieser Definition in zwei Stieffamilien auf, wenn es sich zwischen zwei Haushalten bewegt, in denen ihre leiblichen Eltern jeweils mit ihren Partnern zusammenleben. Es werden Stieffamilien einbezogen, deren Haushalt sowohl Lebensmittelpunkt der Kinder als auch zeitweise einen regelmäßigen kindlichen Lebensort bildet (Wochenendstieffamilie). Es werden auch Stieffamilien eingeschlossen, in denen das Paar verheiratet ist oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wohnt. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird mitberücksichtigt, da sie eine häufige Stieffamilienform bildet. So sind laut dem Familiensurvey 45 % der Paare in Stieffamilien in Deutschland verheiratet, 27 % leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und 28 % wohnen in getrennten Haushalten (vgl. Teubner 2002c: 46f.). Ferner macht es psychologisch und pädagogisch gesehen kaum einen Unterschied, ob das zusammenlebende Paar verheiratet ist oder nicht (vgl. Fuhrer 2009). Es kann allerdings einen Unterschied machen, ob die Stiefeltern in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind leben oder den Haushalt im Rahmen der Partnerschaft immer wieder besuchen. So kann der soziale Elternteil zwar eine wichtige Bezugsperson für das Kind repräsentieren, er hat jedoch nur einen begrenzten Einfluss auf die Erziehungsprozesse (vgl. Feldhaus

Begriffskonzeption

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2016; Ganong et al. 1999). Im Zuge dessen werden getrennt lebende Paare auch im Hinblick auf die Arbeitsdefinition von Familie ausgeschlossen. Da in der vorliegenden Arbeit die Bezugskinder zwischen acht und 16 Jahren alt sind, werden Stieffamilien mit erwachsenen Stiefkindern ausgeschlossen. Stieffamilien sind heterogene Familienformen. Verschiedene soziodemografische Merkmale führen zu voneinander unterscheidbaren Unterkategorien. Die grundlegenden Merkmale umfassen das Geschlecht des Stiefelternteils, die Vorgeschichte der aktuellen Stieffamilie, die Partnerschaftsform, die Haushaltsform und die Zusammensetzung der Kinder. Autoren differenzieren nach dem Geschlecht des Stiefelternteils zwischen Stiefvater- und Stiefmutterfamilien. Eine Trennung/Scheidung der leiblichen Eltern oder eine Verwitwung des leiblichen Elternteils kann einer Stieffamilie vorausgehen. Zusätzlich treten auch mehrfach fragmentierte Stieffamilien auf, bei denen sich die Familienzusammensetzung durch wiederholte Trennungsprozesse der leiblichen Eltern mit unterschiedlichen Partnern verändert (vgl. Ecarius 2007: 152). Die Partnerschaftsform wird gegliedert in die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Ehe. Stieffamilien können Alltagsstieffamilien oder Teilzeitstieffamilien sein. Die Alltagsstieffamilie (primäre Stieffamilie) bildet den Lebensmittelpunkt des Kindes, in welchem das Kind vorrangig lebt. Die Teilzeitstieffamilie (Wochenendstieffamilie, sekundäre Stieffamilie) ist durch sporadische bis tägliche Besuche des Kindes gekennzeichnet. Die Zusammensetzung der Kinder verweist auf einfache, zusammengesetzte und komplexe Stieffamilien. Einfache Stieffamilien sind solche, in welchen nur ein Elternteil mit den vorhandenen Kindern verwandt ist. Bringen beide Partner eigene leibliche Kinder in die Stieffamilie mit ein, liegt eine zusammengesetzte Stieffamilie vor. Allein diese Familienform wird streng genommen als PatchworkFamilie definiert. Hier befindet sich jeder Erwachsene in der Doppelrolle des leiblichen und sozialen Elternteils. Die Kinder haben in dieser Konstellation neben möglichen leiblichen Geschwistern auch Stiefgeschwister, mit denen sie ebenfalls innerhalb der Familie zusammenleben. Hat das Paar mindestens ein gemeinsames Kind, liegt eine komplexe Stieffamilie vor. Es gibt mindestens ein Halbgeschwisterpaar. Eine Vielfalt an unterschiedlichen Formen von Stieffamilien verbirgt sich folglich hinter diesem Begriff. Kinder wachsen in Stieffamilien allein unter den genannten formalen Aspekten in verschiedenen Lebenswelten auf.

14 2.2

Stieffamilie Stieffamilien im bundesdeutschen Raum

Die verheirateten Ehepaare mit Kindern bilden gegenwärtig weiterhin die dominierende Familienform in Deutschland. Werden die Kennzahlen dieser Familien, der Alleinerziehenden und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern miteinander verglichen, gehörten laut dem Mikrozensus im Jahr 2016 69.5 % aller Familienhaushalte mit minderjährigen Kindern dazu (vgl. Statistisches Bundesamt 2016). Innerhalb der letzten 20 Jahre ist ein Rücklauf der verheirateten Paare mit Kindern erkennbar. Im Jahr 1996 fallen in diese Kategorie 81.4 % der drei erfassten Familienformen. 10 Jahre später waren es 7.5 % weniger mit 73.9 % und 20 Jahre später sind es 69.5 % (- 4.4 %; vgl. Abbildung 2.1). Die Verteilung der Familienformen mit minderjährigen Kindern verzeichnet einen Anstieg der nichtehelichen Lebensgemeinschaften um 5.9 % zwischen den Jahren 1996 bis 2016. Auch die Alleinerziehenden haben innerhalb dieses Zeitraums zugenommen, und zwar um 6.0 %. Diese Kennzahlen unterstreichen die eingangs proklamierte Pluralisierung der Familienformen im bundesdeutschen Raum. Der Trend verlief bei den Alleinerziehenden zwischen den Jahren 1996 und 2006 rapider und hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre abgeschwächt. Bei den nichtehelichen Lebensgemeinschaften kann ein kontinuierlicher Trend festgehalten werden (1996 bis 2006: + 2.8 %; 2006 bis 2016: + 3.1 %). Ehepaare 13.8 4.8

81.4

1996

nichteheliche Lebensgemeinschaft 18.5 7.6

Alleinerziehende 19.8 10.7

73.9

69.5

2006

2016

Abbildung 2.1: Verteilung der Familienformen mit minderjährigen Kindern Quellen: Statistisches Bundesamt; Statistisches Bundesamt 2016; Statistisches Bundesamt 2017b; Prozentangaben auf Haushaltsebene, eigene Berechnungen

Stieffamilien im bundesdeutschen Raum

15

Die Kennzahlen der amtlichen Statistik werden in Tabelle 2.1 weiter ausdifferenziert (vgl. Statistisches Bundesamt): In Ostdeutschland bildet im Jahr 2016 bereits nur noch jede zweite Familie eine Familie mit verheirateten Eltern (51.9 %), in Westdeutschland ist diese Familienform mit 73.6 % weitaus verbreiteter als in den neuen Bundesländern. Sie nimmt aber ebenfalls ab. Die Kennzahlen des Statistischen Bundesamtes lassen die Prognose zu, dass die Vielfalt der Familienformen weiterhin zunehmen und die Häufigkeit von Familien mit verheirateten Eltern abnehmen wird. Die heutigen Lebensformen umfassen eine gewachsene Bedeutung der Familien mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften der Eltern und der Alleinerziehenden. Der Anteil dieser Familienformen ist in Ostdeutschland ausgeprägter als in Westdeutschland. 10.7 % der Familienhaushalte mit minderjährigen Kindern sind nichteheliche Lebensgemeinschaften (Westdeutschland: 7.9 %, Ostdeutschland: 22.3 %; vgl. ebd.). Der Anteil der Alleinerziehenden lag im Jahr 2016 bei 19.8 % und wird weiterhin zunehmen, wenn auch nicht mehr in dem markanten Ausmaß. Damit gab es im Jahr 2016 insgesamt 1.6 Mio. Alleinerziehenden-Haushalte mit minderjährigen Kindern in Deutschland. In Ostdeutschland (25.7 %) liegt der Anteil Alleinerziehender deutlich höher als in Westdeutschland (18.4 %). Innerhalb der Ehepaare und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften befinden sich die Stieffamilien. Die Daten des Statistischen Bundesamtes geben bei beiden Gruppen nicht wieder, ob beide Eltern die leiblichen Eltern des Kindes sind oder eine Stieffamilie besteht. Die erfassbaren Wiederheiratsquoten helfen nur bedingt weiter, da eine Angabe über vorhandene Kinder fehlt.5 Ferner kann das Ehepaar einer Stieffamilie eine Erstehe vollziehen, wenn die leiblichen Eltern des Kindes vorher nicht verheiratet waren. Auch wenn die geschilderten Daten keine Angaben zu Stieffamilien machen, verdeutlichen sie die zunehmende Pluralisierung von Familienformen. Tabelle 2.1: Familienformen mit minderjährigen Kindern in Deutschland WestOstdeutschland deutschland Ehepaare 73.6 51.9 Nichteheliche Lebensgemeinschaften 7.9 22.3 Alleinerziehende 25.7 18.4 Familienhaushalte (Gesamt) 6 638 000 1 503 000 Angabe in Prozent; Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung

5

Gesamtdeutschland 69.5 10.7 19.8 8 199 000

Im Jahr 1996 waren 76.3 % aller Ehen Erstehen und 23.8 % eine Wiederheirat, bei denen 7.7 % einer Verwitwung eines Partners und 92.3 % einer Scheidung von mindestens einem der Partner vorausgingen. Diese Kennzahlen unterliegen in den letzten 20 Jahren marginalen Schwankungen (2006: 73.2 % Erstehen, 26.8 % Wiederheirat, darunter 5.6 % aufgrund von Verwitwung, 94.4 % aufgrund von Scheidung; 2016: 76.5 % Erstehen, 23.5 % Wiederheirat, darunter 5.3 % aufgrund von Verwitwung, 94.7 % aufgrund von Scheidung; vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2017).

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Stieffamilie

In den amtlichen Statistiken des Statistischen Bundesamtes sind keine Daten zu Stieffamilien ermittelbar. Auch der Mikrozensus differenziert in seiner Abfrage nicht zwischen Stief-, Adoptiv-, Pflege- und leiblichen Kindern (vgl. Lengerer et al. 2005: 40). Um die Verteilung von Stieffamilien innerhalb der deutschen Bevölkerung ansatzweise abbilden zu können, muss auf deutschlandweite Surveys zurückgegriffen werden, welche Stieffamilien mit erfassen. Aktuell erlauben einzelne Surveys eine Schätzung von Familien, bei denen mindestens ein Stiefkind unter 18 Jahren im Haushalt lebt bzw. zeitweise lebt. Dazu gehören der Generations and Gender Survey (GGS) des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, der Familiensurvey sowie der Survey Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und das Familien- und Beziehungspanel pairfam. Stieffamilien bilden je nach Datengrundlage zwischen 7.0 % und 13.6 % aller Familien in Deutschland (vgl. Tabelle 2.2). Die ältesten Daten aus dem Jahr 1999 ermittelten 7.0 % Stieffamilien, 15.0 % Alleinerziehende und 78.0 % Kernfamilien (vgl. Familiensurvey des DJI: Teubner 2002c). Die aktuellere Welle des Generations and Gender Survey (GGS) aus dem Jahr 2005 erfasst höhere Anteile von Stieffamilien mit 13.6 % Stieffamilien, 14.8 % Alleinerziehende und 71.5 % Kernfamilien (vgl. Steinbach 2008). Leicht darunter liegen die Daten des AID:A aus dem Jahr 2009 und die Kennzahlen der ersten Welle des pairfam aus dem Jahr 2008. Die erste Welle des pairfam weist 10.2 % Stieffamilien, 5.7 % Alleinerziehende und 74.4 % Kernfamilien nach (vgl. Feldhaus 2016).6 Die Soziologinnen Michaela Kreyenfeld und Valerie Heintz-Martin zeigen im AID:A 10.0 % Stieffamilien, 11.0 % Alleinerziehende und 79.0 % Kernfamilien auf (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013). Die Schätzungen aus den vier verschiedenen Surveys zeigen insgesamt auf, dass Stieffamilien häufiger in Ost- als in Westdeutschland vorkommen. Diese Beobachtung kann auf die höheren Scheidungs- und Trennungsraten in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland zurückzuführen sein. Die Ergebnisse der vier Surveys zeichnen weitere Trends ab (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013; Feldhaus 2016; Steinbach 2008; Teubner 2002c): Die Stiefvaterfamilien bilden die am häufigsten auf-

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Der Autor ergänzt die Haushaltskonstellationen noch: Diese umfassen 2.5 % Alleinerziehende im weiteren Sinne und 3.1 % Stieffamilien im weiteren Sinne sowie 0.7 % zusätzliche Familienkonstellationen wie zum Beispiel Mehr-Generationen-Haushalte. Die Alleinerziehenden im weiteren Sinne sind solche, bei denen das Kind nicht im Haushalt lebt. Die Stieffamilien im weiteren Sinne bilden solche, in denen der Partner nicht im Haushalt lebt (vgl. Feldhaus 2016: 353f.).

Stieffamilien im bundesdeutschen Raum

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tretende Stieffamilienform. Stiefmutterfamilien und zusammengesetzte Stieffamilien sind dagegen eine Minderheit unter den Stieffamilien. 7 Diese Zusammensetzung kann damit zusammenhängen, dass Kinder nach der Trennung oder Scheidung der Eltern ihren Hauptwohnsitz vorrangig bei ihrer Mutter haben und sich die statistischen Angaben auf primäre Stieffamilien beziehen. Weiterhin weisen Stieffamilien im Vergleich zu Kernfamilien mehr Kinder auf. Dies gilt im besonderen Maße, wenn eine zusammengesetzte oder komplexe Stieffamilie vorliegt. Die Soziologin Anja Steinbach (2015) ergänzt die Ergebnisse mithilfe des Generations and Gender Survey (GGS) noch: So sind die Partner in Stieffamilien seltener verheiratet als die Partner mit einzig gemeinsamen leiblichen Kindern. Die Gründung einer Stieffamilie scheint zu einer finanziellen Stabilisierung nach einer Alleinerziehendenphase zu führen, jedoch weisen Stieffamilien in Westdeutschland größere finanzielle Schwierigkeiten auf als Kernfamilien. In Ostdeutschland tritt dieses Problem nicht auf. Die Bildungsabschlüsse von Frauen in Kernfamilien sind durchschnittlich höher als von Frauen in Stieffamilien. Dieser Unterschied trifft bei Männern nur im ostdeutschen Raum zu. In Westdeutschland treten keine Unterschiede des Bildungsniveaus zwischen den Männern aus den unterschiedlichen Familienformen auf. Tabelle 2.2: Geschätzte Anteile der Stieffamilien an den Familienhaushalten in Deutschland8 Westdeutschland Ostdeutschland Gesamtdeutschland Familiensurvey des DJI 1999 6.0 11.5 7.0 GGS 2005 13.2 15.6 13.6 pairfam 2008 10.2 AID:A 2009 10.0 12.0 10.0 Angabe in gültige Prozent; Quellen: Teubner 2002c (Familiensurvey des DJI 1999); Steinbach 2008 (GGS 2005); Feldhaus 2016 (pairfam 2008); Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013 (AID:A 2009); eigene Darstellung

Die dargestellten Ergebnisse zu den vier Surveys unterliegen mehreren Einschränkungen: Die unterschiedlichen Kennzahlen veranschaulichen Trends zur Prävalenz von Stieffamilien und können nicht ohne Weiteres miteinander verglichen

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Feldhaus (2016) hat zu den Ost-West-Vergleichen und den beschriebenen Stieffamilienformen keine Berechnungen angeführt. Teubner (2002c) unterscheidet ferner allein zwischen Stiefvater- und Stiefmutterfamilien. Die zusammengesetzten Stieffamilien werden in seiner Untersuchung ausgeschlossen. 8 Die Schätzungen beziehen sich allein auf primäre Stieffamilien. Sekundäre Stieffamilien wurden beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2013), bei Steinbach (2008) und bei Teubner (2002c) nicht aufgeführt. Einzig Feldhaus (2016) liefert Kennzahlen zu sekundären Stieffamilien, welche 3.4 % aller Familienhaushalte in pairfam ausmachen und damit den Anteil von Stieffamilien auf 13.6 % aller Familienhaushalte erhöhen.

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Stieffamilie

werden. So unterscheiden sich die Studiendesigns (Stichprobenziehung, Alterseffekte, Kategorisierung der Stieffamilienformen), worauf die Unterschiede der Kennzahlen zurückzuführen sind.9 Keiner der Autoren differenziert zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes zu den Familienformen lassen in diesem Bereich einen Unterschied vermuten. Die Verteilung der Familienformen nach Gebietsgrößenklassen zeigt (vgl. Abbildung A.1 im Anhang): Je höher die Einwohnerzahl liegt, desto weniger traditionelle Familien sind vorzufinden und desto häufiger wachsen Kinder in nicht-traditionellen Familienkonstellationen auf. So steigt der Anteil Alleinerziehender mit ledigen Kindern, welche überwiegend einer Stieffamilie vorausgehen, mit zunehmender Gebietsgrößenklasse von 19.1 % bei unter 5 000 Einwohnern an, bis zu 28.1 % bei Großstädten. Der Anteil der verheirateten Eltern mit ledigen Kindern verringert sich dagegen von 72.4 % (ländliche Regionen) auf bis zu 61.7 % in Großstädten.10 Die beschriebenen Tendenzen basieren unter anderem auf der Scheidungsund Trennungsentwicklung von den 1970er Jahren bis heute. Diese begünstigt die Entstehung von Stieffamilien und den Rücklauf von Kernfamilien. Eine weitere Zunahme von Stieffamilien ist aufgrund der weiterhin hohen Scheidungs- und Trennungsraten zu erwarten. „Nach den derzeitigen Scheidungsverhältnissen werden etwa 35 % aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der nächsten 25 Jahre wieder geschieden, also mehr als jede dritte Ehe. (…) Etwa die Hälfte der 166 200 geschiedenen Ehepaare im Jahr 2014 hatte Kinder unter 18 Jahren“ (KrackRoberg et al. 2016: 50).

Nach einer Scheidung teilen sich die leiblichen Eltern meist das Sorgerecht (96 %, vgl. ebd.: 51). Im Jahr 2014 waren 31 % der Eheschließungen für mindestens einen der Partner eine Wiederheirat (vgl. ebd.: 50). Die ermittelten Kennzahlen zeigen das Familienleben in Deutschland als ein Sammelsurium an familialen Lebensentwürfen. Darunter befindet sich die Stieffamilie als eine mögliche Lebensform. Die Scheidungs- und Wiederheiratsquoten bestätigen die zunehmende Relevanz der 9

Teubner (2002c) analysierte die zweite und dritte Welle des Familiensurveys mit Personen im Alter von 18 bis 67 Jahren und rechnete die Ergebnisse mit dem Mikrozensus aus den Jahren 1995 bis 1999 hoch. Steinbach (2008) verwendete Eltern im Alter von 17-79 Jahren. Kreyenfeld und Heintz-Martin ermittelten ihre Ergebnisse anhand von Respondenten zwischen 0 und 55 Jahren (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013). Feldhaus (2016) nutzte die zwei älteren Geburtskohorten (1971-73; 1981-1983) des pairfam-Datensatzes und merkt eine eventuelle Unterschätzung in seinen Berechnungen an. 10 Eine Unterscheidung der Familienformen mit minderjährigen Kindern nach Gebietsgrößenklassen ist in den verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamtes nicht vorzufinden, weshalb auf die Kennzahlen zu Familienformen mit ledigen Kindern zurückgegriffen werden muss.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

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Stieffamilien und ihre bereits beschriebene Komplexität als haushaltsübergreifende Lebenswelt für Kinder. 2.3

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Die Familie führt die Kinder in die Gesellschaft und Kultur ein und wird von diesen beiden Bereichen in vielfacher Hinsicht beeinflusst. So wirkt die Familie gegenüber ihren Kindern als Vermittler und Zensor der Gesellschaft und der Kultur (vgl. u. a. Ecarius 2007; Herzberg 2011; Liegle 2017; Schneider 2011; Winkler 2012). Dabei kommt es darauf an, das Kind in einem individuell angemessenen Tempo „gesellschaftsfähig“ zu machen. Der familienpädagogische Ansatz von Mollenhauer et al. (1978) erfasst die Multiperspektivität von Gesellschaft, Familie und Erziehung (Ecarius 2007: 137), welche miteinander verwoben sind und nicht unabhängig voneinander gesehen werden dürfen, wollen innerfamiliale Einflussmechanismen auf kindliche Lernprozesse verstanden werden. So sind kindliche Lernprozesse, die Interaktionsstruktur der Familie und die Art der Beziehung zur Umwelt miteinander verknüpft (vgl. Mollenhauer et al. 1978: 107). Dieser Aspekt behält bis heute seine Aktualität in den erziehungswissenschaftlichen Positionen. So wirken die Gesellschaft und die Kultur in die Familie, ihre Beziehungen, ihre Lern- und Erziehungsprozesse hinein (vgl. u. a. Ecarius 2002, 2007; Grundmann und Hoffmeister 2011; Herzberg 2011; Liegle 1984, 2017; Lüscher und Liegle 2003; Macha 2011; Roth 1971; Schneider 2011; Winkler 2012). Dies betrifft zum Beispiel die äußeren Rahmenbedingungen, die Wertestruktur und die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse. Diese Hintergründe erfordern es, die Familie unter ihrem gesellschaftlichen, zeitlichen und kulturellen Hintergrund zu betrachten. Die gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse werden im Folgenden genauer eruiert. So werden aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen aufgezeigt, denen Familien im Allgemeinen und Stieffamilien im Speziellen gegenüberstehen. Es gibt einige herausfordernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen, mit denen Familien unabhängig von ihrer Gestalt konfrontiert sind. Weiterhin gibt es solche, mit denen sich insbesondere Stieffamilien auseinandersetzen müssen. Allgemeine gesellschaftliche Rahmenbedingungen, welche Familien beeinflussen und teilweise beeinträchtigen können, sollen nur ausschnittsweise dargestellt werden. Hier ist zum Teil die Rede von einer „strukturellen Rücksichtslosigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse“ gegenüber Familien und Kindern (vgl. Peuckert 2007: 48; Schön 2011: 218). Dies betrifft die Flexibilitätsanforderungen des Arbeitsmarktes und die damit erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Beruf

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Stieffamilie

bzw. Karriere, insbesondere von Frauen.11 Aber auch andere Faktoren gehören dazu. Entgrenzungs- und Beschleunigungstendenzen im Zuge von Modernisierungs- und Individualisierungsprozessen sorgen für eine Brüchigkeit und Schnelllebigkeit, welche den Aufwand für die alltägliche Lebensführung und den Erhalt von Beziehungen erhöhen (vgl. Winkler 2012: 113-118). Diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen intensivieren den Leistungsdruck auf Familien. Es gilt zum Beispiel widersprüchliche Anforderungen aus Berufs-, Schul- und Familienwelt miteinander zu vereinbaren. Diese Herausforderungen tangieren unter anderem die Dimensionen Zeit, physische sowie psychische Energie und Aufmerksamkeit (vgl. Jurczyk et al. 2009; Lange 2010). In diesem Zusammenhang soll der Faktor Zeit herausgegriffen werden. Die Arbeits- und Schulzeiten sind schwer aneinander anzupassen, eine entsprechende Kinderbetreuung ist insbesondere bei jüngeren Kindern zu organisieren. Die allgemeine Zeitnot im Zuge von Entgrenzungs- und Beschleunigungsprozessen steht im Widerspruch mit den Bedürfnissen der Kinder (aber auch der Eltern), welche Zeit für Beziehungen, Erziehungs-, Bildungs- und Lernprozesse benötigen (vgl. u. a. Krappmann 2002; Lange 2010; Liegle 1987, 2017; Winkler 2012, 2015).12 Unsicherheiten in Bezug auf den Umgang mit neuen Medien wirken ebenfalls ins Familienleben hinein. Besonders deutlich wird dies an den „neuen“ Medien. Smartphones, Tablets, soziale Medien etc. halten Einzug in das familiäre Alltagsleben und wirken sich auf die innerfamilialen Kommunikationsstrukturen und Interaktionen aus. Weiterhin existieren soziale Ungleichheiten und Armutsrisiken insbesondere bei Alleinerziehenden mit ihren Kindern. Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der deutschen Bundesregierung bescheinigt den Haushalten mit minderjährigen Kindern ein um 2-3 % höheres Armutsrisiko als den anderen Haushaltsformen. Unter 18-Jährige aus Alleinerziehendenhaushalten sind einem mindestens doppelt so hohem Armutsrisiko ausgesetzt als Minderjährige aus anderen Familienformen. Auch sind sie zu 12 % von materieller Deprivation betroffen (vgl. Deutscher Bundestag 2017: 174-177; siehe auch Winkler 2012, 2015). Die angesprochenen ausgewählten Themenfelder verdeutlichen, dass die familiäre Alltagsgestaltung, die Erziehungs- und Beziehungsarbeit der Eltern, die 11

Im Zuge dessen sind zahlreiche Audits, Programme und Netzwerke ins Leben gerufen worden, welche auf eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzielen. Dazu gehören zum Beispiel die „familiengerechte Hochschule“ und das „audit berufundfamilie“ der berufundfamilie gGmbH, das Unternehmensprogramm und Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“, die Netzwerke der „Lokalen Bündnisse für Familie“, oder das Netzwerk „Familie in der Hochschule“. Weitere Informationen liefert u. a. der Online-Auftritt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 12 Weiterführende Informationen und Studienergebnisse bieten unter anderem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010); Jurczyk et al. (2009); Lange (2010); Sinus (2014); Vorwerk (2012) und Winkler (2012), (2015).

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

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kindlichen Lern- und Aufwachsprozesse besondere Leistungen der Familie erfordern.13 Bereits im Jahr 1991 hat der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen seine Forderung nach einer Autonomie der Familie gestellt, welche es ihr erlaubt, ihren Alltag zum Wohlbefinden aller zu gestalten und Erziehungs- und Lernprozesse zu meistern: „Damit die Familie als Institution zwischen Gesellschaft und Person die anfallenden Aufgaben angesichts der sich wandelnden Lebensverhältnisse zu erfüllen vermag, ist es notwendig, ihr Eigenständigkeit (Autonomie) zuzubilligen. Dazu gehören Spielräume zur Gestaltung des Alltages, die Entscheidungsfreiheit über die biographischen Entwicklungen und die grundsätzliche Anerkennung des Leistungspotentials und der Leistungsbereitschaft für die familialen Versorgungs-, Pflege- und Sozialisationsaufgaben“ (Bundesministerium für Familie und Senioren 1991: 11).

Michael Winkler appelliert über zwei Jahrzehnte später in ähnlicher, weiter konkretisierter Form, welche die Brisanz der Familienautonomie erneut in den Vordergrund rückt: „In Wirklichkeit brauchen Familien weniger Druck und Kontrolle, sondern stabile Lebensverhältnisse und soziale wie kulturelle Sicherheiten; sie müssen sich auf ihre Umgebung verlassen können, weil sie in sich selbst mit viel Ungewissheit und Unsicherheit zu tun haben. Denn Erziehung, Bildungsprozesse gehen an sich mit solcher Instabilität einher, gehen sie doch mit zuweilen radikalen Veränderungen einher, die Zweifel, Ängste und Besorgnisse auslösen. Wer bildet, muss das von ihm schon Erreichte aufgeben, Identität wird erst einmal zur Nicht-Identität. Aufwachsen ist kein Kinderspiel, Lernen, Entwicklungsprozesse, Bildung strengen an, zusätzliche Belastungen gefährden das Geschehen“ (Winkler 2012: 109).

Diese Forderung verweist nicht nur darauf, wie eine Förderung von Familie gestaltet werden kann. So sind Stabilität, Sicherheit und weniger Druck auf Familien notwendig. Gleichzeitig verdeutlicht Winkler, dass Familienerziehung ein anstrengendes Unterfangen bildet, welches die Familienmitglieder ganzheitlich fordert, herausfordert und mit instabilen Phasen verbunden ist. Dieser kurze Abriss über familienwissenschaftlich ermittelte gesellschaftliche Problemfelder und die damit einhergehenden eindringlichen Forderungen sollen allerdings nicht über positive Veränderungen hinwegtäuschen. Die konkreten Erziehungsziele und Erziehungspraktiken werden von der Gesellschaft und der Kultur beeinflusst. Dies zeigt sich zum Beispiel eindrücklich im Wandel der Familie 13

Auf eine intensivere Auseinandersetzung wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Tiefergehende Ausführungen finden sich unter anderem bei Bertram (2011); Lange (2007), (2010); Liegle (2017) und Winkler (2012), (2015).

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vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt (vgl. Ecarius 2002, 2007; Lüscher und Liegle 2003). Ecarius (2002) hat in ihrer qualitativ angelegten Studie untersucht, wie sich Generationenverhältnisse über drei Generationen hinweg verändert haben. Die Veränderung innerfamilialer Machtstrukturen wird dabei mit berücksichtigt. Die Machtbalance verweist darauf, ob eher ein Befehls- oder ein Verhandlungshaushalt besteht. Eine ausgeprägte elterliche Autorität und deutlich eingeschränkte kindliche Mitspracherechte prägen den Befehlshaushalt. In einem Verhandlungshaushalt werden Kinder in Entscheidungen mit einbezogen, können durch Argumente ihre Interessen gegenüber ihren Eltern vertreten und sollen Einsicht in die bestehenden Familienregeln im Zuge von Verhandlungsprozessen gewinnen (vgl. Ecarius 2002, 2007; Lüscher und Liegle 2003). In den letzten Jahrzehnten wurden familiäre Befehlshaushalte zunehmend durch familiäre Verhandlungshaushalte abgelöst. Dies impliziert mehr Partizipation der Kinder und eine veränderte Beziehungsstruktur zwischen Eltern und ihren Kindern im Sinne einer eher symmetrischen Machtbalance. Zugleich verweist diese Veränderung auf die Verbindung des Erziehungsstils bzw. der Erziehungspraxis mit der Gesellschaft und der Zeitepoche (vgl. Ecarius 2002, 2007: 145; Gloger-Tipelt 2007; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Matthes 2011; Winkler 2012). So haben sich die Wertestruktur (Selbstfindung, Selbstverwirklichung, Sinnsuche), Erziehungsvorstellungen, Erziehungsziele und das Bild vom Kind dahingehend verändert, dass sie einen Verhandlungshaushalt gegenüber einem Befehlshaushalt bevorzugen. Mögliche Folgen dieser Veränderungen fasst Winkler treffend zusammen: „Junge Menschen lernen in ihren Familien, andere zu schätzen und zu achten, Zuneigung zu einander zu entwickeln, die bei Konflikten dazu führt, einigermaßen menschlich miteinander umzugehen. Weder Eltern noch Kinder führen Kriege gegeneinander, sie sind entspannter, zugleich sensibler, ansprechbarer für gemeinsame Lösungen. Es scheint fast, als ob die familiäre Lebenspraxis tatsächlich als ein gutes Unternehmen betrieben wird, das allen Beteiligten gehört. Der Druck aufeinander fehlt, zugleich herrschen Offenheit und die Bereitschaft, sich gegenseitig zu fragen und zu unterstützen, selbst in schwierigen Fragen der Beziehungsgestaltung oder des Bildungs- und Berufswegs“ (Winkler 2015: 79).

Dieses Zitat zeigt eine Vielzahl positiver Entwicklungen innerhalb von Familien, welche durch die gegenwärtigen Werte mit beeinflusst werden. Studienergebnisse können dieses Bild weiter verfestigen. Die Familie wird von der Mehrheit von Kindern und Jugendlichen positiv gesehen und erlebt. Sie gestaltet sich für ihre Mitglieder als wichtiger Ort des Zusammenlebens. So kommt die Shell-Studie aus dem Jahr 2015 zu dem Ergebnis, dass die meisten Jugendlichen ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern pflegen und sie in der Familie mehrheitlich den notwendigen

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Rückhalt und eine positive emotionale Unterstützung erleben (vgl. Shell Deutschland Holding 2015). Die Generationenkonflikte haben sich im Vergleich zur Vergangenheit zugunsten einer symmetrischeren Machtbalance zwischen Eltern und Kindern entschärft (vgl. Ecarius 2002, 2007; Grundmann und Hoffmeister 2011) und die Toleranz gegenüber alternativen Familienformen hat zugenommen (vgl. Statista 2016; Winkler 2012). Mit diesen gesellschaftlichen Faktoren und Entwicklungen sind die Familien im Allgemeinen, darunter auch Stieffamilien, konfrontiert. Zugleich verdeutlichen sie, dass Gesellschaft, Kultur und Politik noch einigen Nachholbedarf haben, um ihre Lebensumstände gerechter zu gestalten. Dies reicht von den beschriebenen Faktoren Arbeitsmarkt, Entgrenzung und Zeit bis hin zu Themen der sozialen Gerechtigkeit. Die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Trends (Pluralisierung der Familienformen, Zunahme der Stieffamilien) stehen in einer Diskrepanz zur Familienpolitik und zum Familienrecht, welche für Stieffamilien im Gegensatz zu Kernfamilien kaum praxisnahe Rahmenbedingungen verankert haben, wie nachfolgend genauer erläutert wird. Im Zuge dieser mangelnden Orientierungspunkte suchen sie eigene Wege der Selbstorganisation – häufig anhand bereits gelernter Vorbilder. Die besondere Bedeutung pädagogischer Kompetenzen der Eltern wird im Zuge dessen bereits erahnbar und im Folgenden genauer begründet. Die Stieffamilie ist immer noch mit Vorurteilen besetzt. Bereits die Grimm’schen Märchen sprechen von der „bösen“ Stiefmutter (z. B. in Schneewittchen). Begriffe der gegenwärtigen Alltagssprache wie „stiefmütterliche Behandlung“ oder „wird wie ein Stiefkind behandelt“ verweisen auf Zurückweisung oder Vernachlässigung und verdeutlichen die negativen Assoziationen mit dieser Familienform. Sprache an sich beeinflusst das Bewusstsein, damit einhergehende Stereotypen, mögliche Stigmatisierungen und somit auch das Selbst- wie Fremdbild. Erschwerend kommen defizit- und problemorientierte Ansätze in der Forschung zu Stieffamilien hinzu, welche dieses negativ gefärbte Gesellschaftsbild längere Zeit verfestigt haben. Diese sind erst seit den 2000er Jahren zunehmend durch systemisch-entwicklungsbezogene Modelle ersetzt worden (vgl. zus. fas. bei Ganong und Coleman 1997; Walper und Wild 2002; nähere Ausführungen in Abschnitt 2.4.2). Die Stieffamilie und ihre einzelnen Mitglieder müssen sich mit diesem negativen Gesellschaftsbild ihrer Familienform, ihrer Familienmitglieder und daraus möglichen sozio-emotionalen Belastungen auseinandersetzen. Es gilt zugleich zu vermeiden, ein Elternteil ersetzen oder dieses übertrumpfen zu wollen. Die Stieffamilie bildet insgesamt kein neues Phänomen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein kamen diese Familien vorwiegend durch den Tod eines leiblichen Elternteils und der wirtschaftlichen Notwendigkeit zur Wiederheirat des Verwitwe-

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Stieffamilie

ten zustande (vgl. u. a. Mitterauer und Sieder 1977; Nave-Herz 1990, 2007; Phillips 1997; Rosenbaum 1996). Die Wortherkunft „Stief“ entstammt dem althochdeutschen Wort „Steof“ bzw. „Stiuf“, welches verwaist oder hinterblieben bedeutet (vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm 1971). Die Bezeichnung bezieht sich auf die in der Vergangenheit dominierenden Entstehungsbedingungen von Stieffamilien. Eine Wiederheirat nach dem Tod eines Ehepartners war aufgrund sozialer, ökonomischer und kultureller Umstände in vorindustrieller Zeit notwendig. Das Ehepaar bildete dabei das Zentrum eines Haushalts ökonomischer Beziehungen mit geschlechtsspezifischen und komplementär verteilten Aufgaben (vgl. Rosenbaum 1996). Der Tod eines Ehepartners hatte schwere ökonomische Folgen für die Familie und zwang zu einer raschen Rekonstituierung der Familienwirtschaft durch eine Wiederheirat (vgl. Phillips 1997; Rosenbaum 1996). Ein Stiefelternteil ersetzte damit den verstorbenen Elternteil. Diese Rahmenbedingungen für die Gründung einer Stieffamilie sind gegenwärtig eher Ausnahmeerscheinungen. Heutzutage entstehen Stieffamilien überwiegend nach der Scheidung oder Trennung der leiblichen Eltern. Diese Vorgeschichte beendet zwar die Partnerschaft der Eltern. Die Elternebene besteht jedoch, unabhängig von den elterlichen Vorstellungen, nach der Beendigung der Paarbeziehung fort. Theoretisch stehen beide Elternteile dem Kind als Ansprechpartner, Erziehungs- und Bezugspersonen in zwei getrennten Haushalten zur Verfügung. Eine neue Partnerschaft eines Elternteils bietet dem Kind ein Stiefelternteil als eine zusätzliche Bezugs- und Erziehungsperson. Die daraus erwachsene Komplexität kann dazu führen, dass die einzelnen Familienmitglieder die Zugehörigkeit zu ihrer Familie vollkommen unterschiedlich wahrnehmen. So weisen Krähenbühl et al. (2007) in ihrer Untersuchung nach, dass die Erwachsenen vor allem ihre Partnerschaft und die Kinder als eine Familie betrachten. Für die Erwachsenen erscheint damit die Familienzugehörigkeit unter Umständen klarer als für die Kinder. Für die Kinder bleibt ihr außerhalb des Haushalts lebender leiblicher Elternteil in der Regel weiterhin eine wichtige Bezugs- und Erziehungsperson. Geht er auch eine neue Beziehung zu einem neuen Partner ein, stehen dem Kind vier Erwachsene als mögliche Elternteile zur Verfügung. Allein die Komplexität und unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster verdeutlichen mögliche Chancen und Risiken der Kinder, welche durch die Eltern und ihr Verhalten beeinflusst werden können. Auf diese Verhältnisse hat der deutsche Staat bisher unzureichend reagiert. Es gibt kaum praxisnahe gesetzliche Vorgaben über die Rechte und Pflichten von Stiefbeziehungen, wie es bei biologischen Eltern und ihren Kindern der Fall ist. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) gibt es zu den Rechten und Abstammungsregelungen bei

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Stiefbeziehungen unterschiedliche Regelungen. Auch wenn das Stiefkind nicht vom Stiefelternteil abstammt (vgl. § 1589 BGB), ist es bei einem gemeinsamen Sorgerecht der leiblichen Eltern durch eine Heirat seines Elternteils mit dem sozialen Elternteil im ersten Grad in gerader Linie verschwägert (vgl. § 1590 BGB Abs. 1). Diese Verschwägerung besteht auch nach einer möglichen Scheidung von den leiblichen und Stiefeltern fort (vgl. § 1590 BGB Abs. 2). Damit ist der soziale Elternteil gesetzlich nicht zum Unterhalt für das Kind verpflichtet (vgl. § 1601 BGB) und die beiden Parteien sind gegenüber dem jeweils anderen nicht erbberechtigt – außer es existiert ein entsprechendes Testament (vgl. § 1924 BGB; § 1925 BGB; § 1926 BGB; § 1928 BGB). Allerdings wird der Stiefelternteil bei der Berechnung staatlicher Leistungen für das Kind zur Bedarfsgemeinschaft gezählt (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe), wenn beide in einem gemeinsamen Haushalt leben. Damit werden die stiefelterlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der genannten Berechnung mitberücksichtigt (vgl. Bundessozialgericht B 14 AS 2/08 R.). Bei einem gemeinsamen Sorgerecht der leiblichen Eltern treten die Rechte und Pflichten aus dem genannten Verschwägerungsgrad in Kraft. Dies gilt unabhängig von der emotionalen Bindung zwischen Stiefkindern und Stiefeltern und der Dauer der bestehenden Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung. Ferner liegt die Entscheidungsbefugnis, welche das Kind betrifft, allein bei den beiden sorgeberechtigten leiblichen Eltern. Einzig durch eine entsprechende Einwilligung der leiblichen Eltern können dem Stiefelternteil Erziehungs- und Mitspracherechte eingeräumt werden (§ 1687a BGB). Auch bei Alltagsentscheidungen darf der Stiefelternteil nur mit dem Einverständnis der leiblichen Eltern mitbestimmen. Allerdings hat der soziale Elternteil, unabhängig davon, ob er mit einem der leiblichen Eltern verheiratet (gewesen) ist, ein Umgangsrecht, wenn er mit dem Kind längere Zeit in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt bzw. zusammengelebt hat, für das Kind Verantwortung übernimmt bzw. übernommen hat (§ 1685 BGB Abs. 2) und eine Bindung zwischen dem sozialen Elternteil und dem Kind besteht (§ 1626 BGB Abs. 3). Diese Regelungen treffen auch für den Fall einer Auflösung der Partnerschaft zu. Die genannten gesetzlichen Regelungen können sich unter Umständen ungünstig auf Machtverhältnisse und Beziehungsstrukturen in Stieffamilien auswirken. So werden Stiefeltern bei einem gemeinsamen Sorgerecht der leiblichen Eltern wenige Rechte eingeräumt, obwohl ein funktionierendes Familienleben in der Praxis auch in der Verantwortung der sozialen Eltern liegt. Die leiblichen Eltern können wiederum von ihrem Partner bei einer bestehenden ehelichen Verbindung einzig Unterstützung im Sinne der ehelichen Beistandspflicht einfordern (§ 1353 BGB).

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Stieffamilie

In der Realität wachsen Stiefeltern idealerweise in ihre Elternrolle hinein und werden von den Kindern und vom Partner als zusätzliche Eltern im Sinne einer Bezugs- und Erziehungsperson akzeptiert. Will die Stieffamilie zusammenwachsen und für die Kinder eine konstruktive Lernumgebung schaffen, sind klare Absprachen zwischen den Partnern in der Praxis essenziell. Bereits im Jahr 1994 ging der Jurist Michael Coester auf die Unstimmigkeit zwischen der Gesetzgebung und der gelebten Wirklichkeit näher ein (vgl. Coester 1994).14 Diese Diskrepanz zwischen den rechtlichen Rahmenbedingungen und der idealen Entwicklungs- und Lernumgebung für das Kind (und die restlichen Familienmitglieder) bekräftigt die hier aufgestellte These, dass die Beziehungsqualität in Stieffamilien zentral für die Erziehungspraxis und damit auch für die kindliche Kompetenzentwicklung ist. Dies gilt im Vergleich zu Kernfamilien, welche durch eine Reihe von gesetzlichen Rahmenbedingungen geschützt werden, in besonderer Weise. Ein Fortschritt der Gesetzgebung wurde im Jahr 2001 mit dem kleinen Sorgerecht erzielt. Dieses erteilt dem Stiefelternteil sorgerechtliche Befugnisse, die allerdings mit dem Ende der Ehebeziehung erlöschen (vgl. Drischmann 2007: 127). „(1) Der Ehegatte eines allein sorgeberechtigten Elternteils, der nicht Elternteil des Kindes ist, hat im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. § 1629 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend. (2) Bei Gefahr im Verzug ist der Ehegatte dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der sorgeberechtigte Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten. (4) Die Befugnisse nach Absatz 1 bestehen nicht, wenn die Ehegatten nicht nur vorübergehend getrennt leben“ (§ 1687b (1, 2, 4) BGB).

Das kleine Sorgerecht kommt nur begrenzt zum Einsatz. So gelten die Ehe der Partner und die Alleinsorge des Elternteils als konstitutive Merkmale. Dabei sind zwei Punkte zu berücksichtigen: Erstens wird seit dem Jahr 1998 im Falle einer Scheidung in der Regel das gemeinsame Sorgerecht verabschiedet (vgl. KindRG von 1998).15 Zweitens leben nach Teubner (2002c) 38 % der zusammenwohnenden Paare mit Stieffamilien in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Damit wird

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Der Autor geht auf weitere Rahmenbedingungen zum Adoptionsrecht (§ 1741 BGB), zu Bestimmungen beim Todesfall des leiblichen Elternteils (§ 1681 BGB) und zur Namensänderung des Stiefkindes bei der Heirat des leiblichen und sozialen Elternteils ein (§ 1618 BGB). Ferner zeigt er auf, wie eine Reform der Gesetzgebung aussehen könnte (vgl. Coester 1994). 15 Eine gemeinsame Sorgerechtsregelung wirkt sich nach Hartl (2002a) positiv auf den Kontakt zwischen dem Kind und dem außerhalb lebenden Elternteil aus. So sehen 85 % der Kinder bei gemeinsamem Sorgerecht den genannten Elternteil mindestens mehrmals im Jahr. Bei einem alleinigen Sorgerecht sind es dagegen nur 37 %.

Untersuchungsansätze zu Stieffamilien

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die eingeschränkte Anwendbarkeit dieses Gesetzes deutlich. Zusammengenommen sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Stieffamilien bereits vorangeschritten. Besteht ein gemeinsames Sorgerecht der leiblichen Eltern, ist von rechtlicher Seite unter Umständen ein Nachholbedarf im Sinne Coesters vorhanden, um den staatlichen Schutz dieser Familienform nach Art. 6 Abs. 1 GG zu gewährleisten (vgl. Abschnitt 1.1). 2.4

Untersuchungsansätze zu Stieffamilien

Wissenschaftliche Untersuchungen zu Stieffamilien basieren auf drei unterschiedlichen theoretischen Perspektiven: Dazu gehören die (1) defizit- und problemorientierten, (2) die systemisch-entwicklungsbezogenen Ansätze und (3) das rollentheoretische Modell. Die Untersuchungsergebnisse zum letztgenannten Konzept sind inkonsistent und weisen auf methodische Mängel hin (vgl. Walper und Wild 2002), weshalb es nur der Vollständigkeit halber erwähnt und nicht weiter erörtert wird.16 Die defizit- und problemorientierten Ansätze zeichnen die Historie der Forschung zu Stieffamilien nach und vertiefen einige gesellschaftliche Problemfelder, weshalb sie eingangs kurz skizziert und kritisch diskutiert werden.

2.4.1 Defizit- und problemorientierte Modelle Defizit- und problemorientierte Modelle gehen von einer grundsätzlichen Beeinträchtigung von Kindern aus Stieffamilien gegenüber Kindern in Kernfamilien aus. Die nachfolgenden drei Ansätze gehören zu den gängigsten dieser Perspektive. Während die (1) normative und (2) die sozio-biologische Position in ihrer Argumentation die Stieffamilie jeweils als „minderwertig“ gegenüber der Kernfamilie stigmatisieren, verfolgt (3) Andrew J. Cherlin’s soziologische Hypothese von der „Stieffamilie als unvollständige Institution“ die Folgen einer fehlenden Unterstützung der Stieffamilie durch politische und soziale Systeme (vgl. zus. fas. bei Ganong und Coleman 1997).

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Der rollentheoretische Ansatz nimmt eine ressourcenorientierten Perspektive an. Die Gründung einer Stieffamilie bedeutet danach eine Bereicherung im Vergleich zu Einelternfamilien: Diese reichen von der geteilten Kinderbetreuung und -erziehung, der partnerschaftlichen emotionalen Unterstützung bis hin zur finanziellen Entlastung der Familie durch ein zweites Einkommen (vgl. Walper und Wild 2002).

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(1) Aus normativer Sicht stellt die Kernfamilie die ideale Familienform dar. Aus ihrer Perspektive bedeutet die Stieffamilie eine Abweichung von der Kernfamilie, weshalb in ihrer Argumentation die Stieffamilien gegenüber den Kernfamilien ein generell geringeres Funktionsniveau mit mangelhaften Beziehungskonstellationen besitzen (vgl. Ganong und Coleman 1997; Walper und Wild 2002). Die Argumentation dieser Perspektive wird im Zuge gegenwärtiger Verhältnisse obsolet. Gegenwärtige Trends zeigen eine deutliche Verringerung der Haushaltsgröße (vgl. Schneider 2011) und mehr Vielfalt in ihrer Zusammensetzung (vgl. Abschnitt 2.3). Die Pluralisierung der Lebens- und Familienformen bildet im bundesdeutschen Raum für das 20. und 21. Jahrhundert ein empirisch nachweisbares Faktum.17 Jedoch veranschaulicht der Ansatz die bereits beschriebene Stigmatisierung Stieffamilie innerhalb der Gesellschaft, mit welcher Stieffamilien konfrontiert sind und verstärkt diese noch (vgl. Abschnitt 2.2 und Abschnitt 2.3). (2) Die sozio-biologische Perspektive des Soziologen David Poponoe sieht Risiken in der fehlenden biologischen Verwandtschaft zwischen dem Kind und den Stiefeltern, was demnach deren Beziehung, das stiefelterliche Erziehungsverhalten und damit die kindliche Entwicklung beeinträchtige. Nach Poponoe hängt die Bereitschaft elterlichen Engagements mit der biologischen Verwandtschaft zusammen (vgl. Flinn 1988; Walper und Wild 2002). Stiefeltern behandeln demzufolge ihre Stiefkinder anders als ihre eigenen Nachkommen. Poponoe (1994) verweist auf evolutionsbiologische, darwinistische Zusammenhänge, welche gemäß seinem Ansatz im Tierreich existieren und trotz der kulturellen Menschheitsentwicklung noch im Menschen schlummern. Nach seinem Verständnis investieren Menschen mehr in ihren eigenen leiblichen Nachwuchs als in Kinder, die biologisch nicht von ihnen abstammen. Diese, seiner Ansicht nach, aus der Jäger- und Sammler-Zeit stammende Disposition dient dazu, das Überleben der eigenen Gene in der Nachkommenschaft sowie die eigene Existenz zu sichern. Dieser Ansatz vernachlässigt in vielfacher Weise die Komplexität des Innenlebens einer Stieffamilie.18 So kann er zwar Studienergebnisse erklären, welche Probleme in der Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung erfassen (vgl. u. a. Hofferth 2006; Hofferth und Anderson 2003; Stewart 2005) und ihre Andersartigkeit gegenüber Beziehungen zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern feststellen (vgl. u. a. Arránz Becker et al. 2013). Er liefert jedoch keine Erklärung dazu, wenn Stiefkinder von ihren sozialen Eltern genauso gut behandelt werden wie leibliche Kinder (vgl. u. a. Stein-

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Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Familien flexible Gebilde mit vielen Formen. Der zeitliche Horizont ist folglich bei der Evaluation der Pluralisierung der Familienformen zu beachten (vgl. Schneider 2011: 136). 18 Andere Autoren widersprechen diesem Ansatz vehement (vgl. zus. fas. bei Crosbie-Burnett 1996; Ganong und Coleman 1997).

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bach 2010). Die Einflüsse der beiden leiblichen Eltern auf die Beziehungsgestaltung zwischen Stiefeltern und ihren Stiefkindern, auf die stiefelterliche Rolle, auf die Paarebene sowie auf das Kind werden ebenfalls übergangen (vgl. u. a. Furstenberg 1987; Kunze 2014, 2015a; Steinbach 2010). Zudem ist der Zeithorizont zu berücksichtigen. Stiefeltern, welche bereits länger mit ihren Stiefkindern zusammenleben, können zu ihnen andere, unter Umständen intensivere, Beziehungsmuster pflegen als zu Beginn einer Stieffamiliengründung (vgl. u. a. Bray und Kelly 1998; Hetherington 1991; Papernow 1993; Walper et al. 2009). Zusätzlich vernachlässigt dieses Modell unter anderem die im Laufe der Geschichte stattgefundenen Kulturwandlungsprozesse des Menschen und den zeitgeschichtlichen wie gesellschaftlichen Horizont. Solche Prozesse können auch das Verständnis als Eltern beeinflussen. Als Beispiel kann der Wandel der Vaterrolle in der jüngeren Vergangenheit aufgezeigt werden. Während deutsche Väter in den 1950er und 1960er Jahren eher die traditionelle Rolle des Ernährers eingenommen haben, engagieren sich heutzutage Väter zunehmend in ihrer Vaterrolle (vgl. u. a. LBSInitiative Junge Familie 1999; Li et al. 2015; Schütze 1989). Die Literatur spricht von einer „aktiven Vaterschaft“. Sie nehmen Erziehungsurlaub, verlangen für sich selbst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, pflegen eine intensive Beziehung zu ihren Kindern, betreuen und erziehen ihre Kinder und engagieren sich auch in weiteren Familienaufgaben, wie Haushaltsarbeiten. Aber nicht nur dieses Beispiel eines historisch gesehen jungen kulturellen Wandels entkräftet die sozio-biologische Perspektive. Dieser Ansatz vernachlässigt ferner die menschlichen Lern-, Reflexions- und Beziehungsfähigkeiten sowie die Natur der Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung, welche eine andere Form einnimmt als die zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Diese beiden aufgeführten defizit- und problemorientierten Ansätze zeigen mehrere Schwächen: Die häufig auftretende Vorgeschichte (Trennung, Scheidung oder Tod eines Elternteils) eines Teils der Stieffamilie und die daraus resultierenden stressauslösenden Probleme und Anpassungsprozesse bleiben unberücksichtigt. Diese zu bewältigenden Stresserlebnisse gibt es bei Kernfamilien nicht. Ferner treten viele Stiefeltern eben nicht in früher Kindheit in das Leben ihrer Stiefkinder, wodurch frühe Bindungserfahrungen ausbleiben. Stiefeltern wachsen zu Beginn nicht in ihre Rolle hinein, wie es bei leiblichen Eltern durch die Schwangerschaft gegeben ist. Sie sind häufig ex abrupto mit ihrer neuen Rolle konfrontiert. Erst im Laufe des Lebens in ihrer Stieffamilie erarbeiten sie ihre Rolle, ihre Beziehung zum Stiefkind und ihr Modell verantworteter Elternschaft im Zuge von innerfamilialen Aushandlungsprozessen. Im Gegensatz zu Kernfamilien entwickeln sich die Partnerschaft und die Stiefeltern-Stiefkind-Beziehungen häufig parallel. Eine Zeit ohne Kinder, wie sie das Paar einer Kernfamilie in der Regel

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erlebt und sich dabei zusammenfinden kann, existiert bei Stieffamilien normalerweise nicht, zumindest nicht in der ausgeprägten Form. Die Reifung dieser Beziehungskonstellationen benötigt Zeit, Anpassungsprozesse, ausgebildete Beziehungskompetenzen und Geduld. Die strukturellen Unterschiede zwischen Kernund Stieffamilie und die daraus resultierenden Folgen für die individuellen und familialen Anpassungsprozesse bleiben damit in diesen beiden defizit- und problemorientierten Ansätzen unberücksichtigt (vgl. u. a. Coleman und Ganong 1990; Esses und Campbell 1984; Pasley und Ihinger-Tallman 1992; Price-Bonham und Balswick 1980; Walper und Wild 2002). (3) Der dritte Ansatz geht auf mögliche Folgen ein, wenn Stieffamilien unzureichende gesellschaftliche, soziale und politische Unterstützung erhalten. Cherlin (1978) bezeichnete in seinem Ansatz die Stieffamilie als unvollständige Institution, für die keine gesellschaftlich anerkannten Normen und Regeln vorherrschen. So bleibt eine Reihe von Fragen ungeklärt (vgl. ebd.; auch zus. fas. bei Ganong und Coleman 1997): Wie sollen sich Stieffamilien organisieren? Welche Rolle soll der Stiefelternteil einnehmen? Welche Richtlinien, Rechte, Pflichten und Erwartungen gelten für die Stiefeltern? Wie können leibliche und soziale Eltern ihre Kinder bei Lern- und Kompetenzaufbauprozessen fördern? Mit welchen Interaktionsformen können die Erziehungs- und Bildungseinrichtungen die Stieffamilien unterstützen? Im Zuge dieser offenen Fragen greifen Stieffamilien häufig auf die Normen und Regeln von Kernfamilien zurück. Cherlin’s These ist nicht vollkommen unbegründet. So haben bereits die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Abschnitt 2.3 einige Problematiken aufgezeigt, welche im Zuge unzureichender gesellschaftlicher und politischer Hilfestellungen möglich sind. Cherlin’s Ansatz liefert Impulse für Verantwortungsträger unterschiedlicher Couleur. Neben der Psychologie, der Soziologie, der Politik- und Rechtswissenschaft etc. kann die Erziehungswissenschaft wichtige Perspektiven bieten, um die aufgeführten offenen Fragen zu klären. Um innerfamiliale Prozesse zu untersuchen, bieten sich die systemisch-entwicklungsbezogenen Ansätze aufgrund ihrer neutralen, nicht wertenden Grundstruktur an. Darauf geht der folgende Abschnitt genauer ein.

2.4.2 Systemisch-entwicklungsbezogene Ansätze Die systemisch-entwicklungsbezogenen Ansätze verbinden systemische Theorien mit Familienentwicklungsmodellen und beziehen diese Kombination auch auf die Familienform Stieffamilie. Sie bieten sich aus zweierlei Hinsicht als wissenschaftliche Grundlage dieser Arbeit an: So berücksichtigen sie die strukturellen Eigenheiten der Stieffamilie, ihre Vorgeschichte und ihre Herausforderungen. Seit den

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2000er Jahren basieren wissenschaftliche Untersuchungen zu Stieffamilien überwiegend auf diesen Ansätzen. Ferner betonen erziehungswissenschaftliche Positionen zur Familie und ihren Erziehungs- wie Lernprozessen die Notwendigkeit systemisch-entwicklungsbezogenen Denkens. Auch wenn es keine pädagogische Theorie zur Erziehung innerhalb der Familie gibt, erklären bereits Mollenhauer et al. (1978) innerfamiliale Mechanismen unter dem Einbezug systemischen Denkens.19 Familiensystemtheorien Die Familiensystemtheorien beschreiben interpersonale Aspekte, wie den gegenseitigen Austausch der Familienmitglieder, ihre Vernetzung, ihre Beziehungen und ihre wechselseitige Beeinflussung (vgl. u. a. Ecarius 2002, 2007; Hofer 2002; Liegle 1984, 2017; Lüscher und Liegle 2003; Macha 2011; Mollenhauer et al. 1978; Montada 1998; Winkler 2012). Die Ansätze zeigen zum Beispiel bei der Gründungsphase von Stieffamilien auf, wie die Zusammenführung der Haushalte der Familie des Alleinerziehenden und des Stiefelternteils das Familienleben verändert und welche Schwierigkeiten dabei auftreten können. Der Fokus familiensystemtheoretischer Ansätze liegt auf den Beziehungen der Stieffamilienmitglieder zueinander und auf zentralen Mechanismen des Zusammenlebens, weshalb diese Ansätze in der vorliegenden Arbeit herangezogen und kurz erläutert werden. 19

Klaus Mollenhauer, Michael Brumlik und Hubert Wudtke (1975/1978) gehören zu den ersten Vertretern einer Theorie zur Erziehung in der Familie. Auch wenn ihr Ansatz teilweise verschiedenen Kritiken unterworfen ist, stellen die Autoren einige nützliche Thesen auf, welche in jüngeren erziehungswissenschaftlichen Ansätzen zur Familie wieder aufgegriffen und erweitert werden. Sie liefern für den Untersuchungsgegenstand erste wichtige erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse und beziehen systemisches Denken, den symbolischen Interaktionismus, die Kognitionsforschung und das marxistische Paradigma zur Vergesellschaftung des Subjekts mit ein. Auf ihren Ausführungen fußen auch die jüngeren pädagogischen Positionen. Dabei begreifen die Autoren ihre Theorie als erweiterbar, weshalb diese Arbeit sie als erziehungswissenschaftliche Position versteht. Wesentliche Kritikpunkte an ihren Gesamtausführungen bilden die marxistische Definition der sozialen Klassen, die nicht immer trennscharfe Verwendung der Begriffe Interaktion und Kommunikation, welche teilweise auch synonym verwendet werden, die Konzentration auf das Bild der Kernfamilie und der Fokus auf die Eltern-Kind-Perspektive (vgl. Ecarius 2002, 2007). Insbesondere der erstgenannte Punkt wird in den nachfolgenden Positionen zur Familie nicht weiterverfolgt. Stattdessen gewinnt in der Folge Pierre Bourdieu’s Habitus an Bedeutung. Zugleich verweisen die Autoren auf ein klassisch geprägtes Rollenverständnis der Geschlechter und ein eher ausgeprägtes Machtgefälle zwischen Eltern und Kindern bzw. auch teilweise zwischen Mann und Frau, welche im Zuge von Modernisierungs- und Postmodernisierungstendenzen der gegenwärtigen Gesellschaft an Aktualität eingebüßt haben. Auch entsprechen diese Punkte im Rahmen der „aktiven Vaterschaft“, der zunehmenden Berufs- und Karriereorientierung von Frauen, auch Müttern, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der zunehmenden Gleichberechtigung von Kindern (vgl. Verhandlungshaushalt in Abschnitt 2.3) nicht mehr unbedingt dem aktuellen Zeitgeist. Trotz aller Kritik liefert die von Mollenhauer et al. (1978) aufgestellte theoretische Abhandlung zur Familie einige fundamentale Grundmuster von Familie und Familienerziehung.

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Die Betonung der innerfamilialen Beziehungen ist aus erziehungswissenschaftlicher Sicht zentral. So basieren Lern- und Erziehungsprozesse auf Beziehungen (vgl. Ecarius 2002, 2007; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Winkler 2012). In der Familienforschung führten insbesondere klinisch-therapeutische Fragestellungen zu einer Festlegung grundlegender Prinzipien familialer Systeme (vgl. Hofer 2002; Minuchin 1985; Minuchin und Stopfel 2015; Satir 2010; Schneewind 1998, 2010). In der Familienpsychologie entwickelten unter anderem Klaus A. Schneewind, Salvador Minuchin, Murray Bowen und Virginia Satir Modelle zur Familiensystemtheorie. In der Soziologie hat unter anderem Niklas Luhmann zentrale Begrifflichkeiten im Rahmen seiner Systemtheorie geprägt. Die Familie gehört zu den Mikrosystemen innerhalb einer Gesellschaft. Das Mikrosystem ist das unmittelbare System, in dem ein Individuum lebt, und beinhaltet seine direkten Kontakte. Die Familie stellt in den meisten Fällen das primäre Mikrosystem dar, gefolgt von den Freunden und der Schule bzw. der Arbeitswelt (vgl. Bronfenbrenner 1990: 76f.; Hofer 2002: 13). Das Familiensystem ist in überund nebengeordnete Systeme, wie zum Beispiel Verwandtschaftsbeziehungen, Arbeitsstelle, Schule oder Nachbarschaft, eingebettet (vgl. Ahrons und Wallisch 1987; Ambert 1986; Clingempeel et al. 1984; Fine et al. 1993, 1993; Hobart 1987; Ihinger-Tallman 1988; Unverzagt 2002: 13). Ihre Abgrenzung nach außen ist erforderlich für ihre Existenz und die Herausbildung ihrer eigenen Identität (vgl. Macha 2011; Winkler 2012). Michael Winkler verweist auf ein zentrales pädagogische Element in Familien, welches aufzeigt, was die Beteiligten als Familie im Allgemeinen und als ihre eigene Familie im Besonderen verstehen (vgl. Winkler 2012: 15). Dies mündet in einer Selbstdefinition des Familiensystems. Das sich daraus entwickelnde Zugehörigkeitsgefühl, wer gehört zur Familie und wer nicht, führt zu einem Gefühl der gegenseitigen Annahme und Anerkennung und der gemeinsam getragenen Verbindlichkeiten und Regeln. Im Zuge dessen bilden Grenzen nach außen ein wichtiges Element der Familienidentität, des Schutzes, des Abfangens von Krisen, des Filterns von Außeneinflüssen und dienen damit den kindlichen altersangemessenen Lernprozessen (vgl. Mollenhauer et al. 1978; Winkler 2012, 2015). In ihrer Erziehungsfunktion filtern Eltern Außeneinflüsse und erzeugen so soziale und moralische Sinn- und Wertstrukturen. Grenzöffnungen erlauben die Entwicklung von Selbständigkeitspotenzialen und Erfahrungsmöglichkeiten. Dies impliziert ein Zusammenspiel von Schließung und Öffnung der familiären Grenzen, welches Entwicklungsprozesse gestaltet, biografische Veränderungen erlaubt und durch die Familienstruktur aufgefangen wird. Funktioniert diese Dynamik nicht adäquat, entstehen psychopathologische Beziehungen (vgl. Winkler 2012:

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86). Zusätzlich ergibt sich durch die Grenzziehung nach außen, neben der Schutzfunktion und der Etablierung des Familiensystems, eine Lernaufgabe für das Kind. Die Familie verfügt über einen exklusiven Charakter, indem Nicht-Mitglieder ausgeschlossen werden, sie ihre Grenzen nach außen verteidigt – so dürfen zum Beispiel Verwandte nur vorübergehend in den familialen Raum – und auf ihrer eigenen Exklusivität beharrt. Auf diese Weise erlernen Kinder differenzierte Sozialmodelle und Muster der Beziehungsgestaltung mit unterschiedlichen Abstufungen von Nähe, Vertrauen und Verhaltensabstufungen (vgl. Winkler 2012: 29, 87; Winkler 2015). Die Grenzziehung zwischen Umwelt und Familiensystem entsteht nach dem Soziologen Niklas Luhmann durch die „Steigerung der Sensibilität für Bestimmtes und Steigerung der Insensibilität für alles übrige – also Steigerung von Abhängigkeit und Unabhängigkeit zugleich“ (Luhmann 1991: 250) im Sinne einer Selbstreferenz. Selbstreferentielle Systeme nehmen die System-UmweltDifferenz wahr, stellen einen Bezug zu sich selbst in Abgrenzung zu ihrer Umwelt her, verarbeiten Umwelteinflüsse nach eigenen Maßstäben und errichten eigene Strukturen (vgl. Luhmann 1991: 31, 59). Diese Mechanismen der Abgrenzung und der Selbstreferenz treffen auch für die einzelnen Subsysteme zu. So können innerhalb des Familiensystems einzelne Subsysteme voneinander abgegrenzt werden. Die Subsysteme setzen sich zusammen aus der Paardyade, den ElternteilKind-Dyaden (Elternteil bzw. Stiefelternteil und Kind), den Geschwister-Dyaden (leibliche, Halb- und Stiefgeschwister) und den einzelnen Individuen.20 Klaus Mollenhauer und seine Forschungskollegen betrachten die Familie als den primären sozialen Ort der ganzheitlichen Entwicklung des Kindes, in welchem die einzelnen Subsysteme durch jeweils eigene Rollen, Regeln, Interaktions- und Kommunikationsmuster festgelegt werden (vgl. Ecarius 2007; Liegle 1984, 2017; Mollenhauer et al. 1978; Winkler 2012). Die Subsysteme stehen dabei in interdependenter, wechselseitiger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig, auch in ihren Beziehungen bzw. Beziehungsmustern (vgl. auch Liegle 1984,

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Einige Erziehungswissenschaftler differenzieren noch weitere Subsysteme innerhalb der Familie: Mollenhauer et al. (1978) ermitteln zusätzlich das Dominanz-, Sympathie- und sachbezogene System. Das Dominanzsystem umfasst das hierarchische Verhältnis zwischen den Generationen, aber auch zwischen den Geschlechtern. Das Sympathiesystem bezieht sich auf die Art der affektiven Beziehungen. Das sachbezogene System verweist auf die Alltagsorganisation, die kindlichen Lern- und die elterlichen Erziehungsprozesse (vgl. Liegle 1984; Mollenhauer et al. 1978). Liegle (2017) verweist auf das Lehr-Lernsystem. Weitere Unterscheidungen umfassen die Familie als soziales Bezugssystem, welches dem Sympathiesystem inhaltlich ähnelt, die Familie als Interaktionssystem (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011: 194f.) und die Familie als Bindungssystem (vgl. GlogerTipelt 2007). Die Familie als soziales System personaler und sozialer Handlungsorientierungen ist durch die laufende wechselseitige Bezugnahme der Familienmitglieder geprägt (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011: 194).

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2017; Macha 2011). Die Interaktion der Eltern, ihre geschlechtsspezifischen Rollen, ihre persönlichen Aufgaben und die Organisation des Familienalltags bilden den Kern des Ehe-Systems, welches auf der anderen Seite mit Konflikten zur Aufgabenteilung, dem Beruf, der Partnerschaft und der Organisation des Familienalltags konfrontiert sein kann. Das Ehe-System ist komplex und für das familiale Erziehungsgeschehen von Bedeutung (vgl. Mollenhauer et al. 1978: 52-59). Jüngere Überlegungen zum Paarsystem fügen ergänzend hinzu: Die Partnerschaft konstituiert sich überwiegend frei und beruht in jüngerer Zeit häufig auf gegenseitiger Zuneigung und gemeinsam erlebter Sexualität (vgl. Winkler 2012). Das Kind-System (Geschwister) ist eigenständig mit eigenen Regeln, Regulationsmechanismen, Inhalten, Interpretations- und Verständigungsmustern und dem Spiel als Grundmuster der Interaktion. Die beiden Systeme werden durch das Eltern-Kind-System miteinander verbunden, welches die zu lernenden Probleme, die Handlungsnormen der Erwachsenen, die Fähigkeiten wie Motivationen und die familiale Interaktionsstruktur umfasst (vgl. Ecarius 2007: 139). Es bildet ein Abhängigkeitsverhältnis, in welchem Eltern ihren Kindern Schutz und Fürsorge geben sollen, damit ein Gefühl von Sicherheit und Selbstwirksamkeit beim Kind entstehen kann (vgl. Winkler 2012: 19-21) und sich die kindliche Identität ausbildet (vgl. Winkler 2015). Diese Faktoren sind unumgänglich für die kindliche Kompetenzentwicklung von emotionaler Sicherheit und prosozialem Verhalten (nähere Ausführungen in den Abschnitten 3.4.2 und 3.4.3). Die Beziehungs- und Bindungsmuster innerhalb und zwischen den Subsystemen existieren in einem Spannungsfeld zwischen Gemeinsamkeiten und Ausschließungen. Die Eltern sollen das Kind in die Gesellschaft, die Kultur und die gesellschaftlichen Strukturen einführen. Dies erfolgt unter anderem im Rahmen von Interaktionsregeln. Die Interaktion und Kommunikation sind zentrale Aspekte einer systemischen Sichtweise. Beide Begriffe sind eng miteinander verwoben und definieren marginal unterschiedliche Aspekte. Häufig stellt die Interaktion den Oberbegriff dar. Die Interaktion betont den aufeinander bezogenen Handlungsaspekt, zum Beispiel, wenn die Eltern ihr Kind in den Arm nehmen, mit dem Kind spielen oder gemeinsame Rituale mit ihrem Kind pflegen. Die Kommunikation vollzieht sich generell in Sprache und Symbolen. Die Eltern erklären dem Kind etwas, sie kritisieren es, sie loben es oder sie streiten mit ihm. Die Interaktion und Kommunikation beinhalten jeweils einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Die Inhaltsebene bezieht sich auf die kognitive Informations- und die Sachebene. Die Beziehungsebene verweist auf die affektive, emotionale Ebene im Interaktionsbzw. Kommunikationskontext (vgl. zus. fas. bei Mollenhauer et al. 1978; Reich 2010). Auf der Inhaltsebene fragen Eltern ihr Kind zum Beispiel nach den Ergebnissen einer Schulklausur. Im Rahmen der Beziehungsebene zeigen sie damit ihr

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Interesse an ihrem Kind und ihr Bedürfnis, am Leben ihres Kindes teilhaben zu wollen. Zwischen den Subsystemen ergibt sich eine Struktur aufeinander bezogener wie interdependenter Interaktionen und Kommunikationsmuster im Sinne einer Reziprozität. Eine gelingende Kommunikation setzt ein Bewusstsein der Reziprozität voraus, welches es ermöglicht, die eigene Wahrnehmung offen zu legen und die Perspektive des anderen im Kommunikationsprozess einzunehmen (vgl. Mollenhauer et al. 1978). Die Kommunikations- und Interaktionsstruktur ist im Sinne Hildegard Machas zusätzlich von Interferenz geprägt.21 Die Interferenz bezeichnet die gegenseitige Verbundenheit und Abhängigkeit aller Familienmitglieder voneinander und die wechselseitigen Einflüsse, die die Mitglieder aufeinander ausüben. Dabei machen Interferenzen den Mehrwert an Erfahrungen aus, die ein Individuum in der Familie erwerben kann (vgl. Macha 2011: 8). Als intimes Beziehungssystem sind die Familienmitglieder miteinander verbunden, interagieren permanent miteinander und pflegen wechselseitige spezifische Beziehungen zueinander. Im Zuge dessen beeinflussen sie sich gegenseitig in ihren Erfahrungen, ihrem Verhalten, ihren Bedürfnissen, ihren Kompetenzen, ihren Persönlichkeitseigenschaften und ihren Beziehungen (zirkuläre Kausalität, Rekursivität). Daraus folgt: „Jedes Verhalten ist sowohl Ursache als auch Wirkung!“ (Reich 2010: 30). Wissenschaftliche Studien zeigen zum Beispiel auf, dass die Qualität der Geschwisterbeziehung von der Beziehungsqualität und der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung abhängt (vgl. Liegle 2017: 75). Ferner gibt es bei Stiefmüttern Hinweise, dass sie ihre Beziehungsqualität von der Beziehung zu ihren Stiefkindern abhängig machen (vgl. Bliersbach 2000: 135). Die zirkulare Kausalität zeigt auf, dass sich Ursache und Wirkung in einem Kreislauf befinden und eine eindeutige Ursachsenzuschreibung nur noch schwer ermittelbar ist (vgl. Huschke-Rhein 2003: 197199). So können Beziehungskonflikte nicht am Verhalten eines einzelnen Partners 21

Nach Hildegard Macha ist die Familie eine Einheit mit Außengrenzen. Als flexibles Mikrosystem ist sie, ihren Ausführungen nach, gekennzeichnet durch Kohärenz, Dissens, Interferenzen nach innen und Kontakt bzw. Abgrenzung nach außen. Macha legt in ihren Konturen einer erziehungswissenschaftlichen Theorie der Familie den Schwerpunkt auf die Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Familie und die Ko-Konstruktionen der Familienmitglieder in ihrer Familienbiografie (vgl. Macha 2011: 7). In ihre Position fließen die biografietheoretische, das Process-Person-Context-Modell und die ökologisch-systemische Perspektive mit ein. Die biografietheoretische Perspektive besagt, dass die Familie eine Familienbiografie entwickelt. Nach dem Process-Person-Context-Modell nehmen das Individuum, die Umwelt und die Zeit Einfluss auf die Gestaltung von Familie, dabei ist die Wahrnehmung und Deutung des Einzelnen von der Interaktion in der Familie entscheidend (vgl. ebd.: 10-15). Aus ökologisch-systemischer Perspektive ist die Familie ein Mikrosystem. Die Familie bezieht sich damit auf die Systemebenen Subjekt, Mikrosystem, Meso- Exo-, Makro- und Chronosystem im Sinne des Psychologen Urie Bronfenbrenners, welche miteinander verknüpft sind. Nähere Informationen zum ökologisch-systemischen Ansatz bietet Bronfenbrenner (1990). Da dieser in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt wird, wird dieser Ansatz hier nicht weiter ausgeführt.

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ermittelt werden, sie entstehen vielmehr durch ein Wechselspiel des Verhaltens beider Partner. Winkler betont in dem Zusammenhang die wichtige Rolle des CoParentings, welches die gemeinsame Ausrichtung im Erziehungsprozess, die gegenseitige Unterstützung, den Zusammenhalt und ähnliche Erziehungsstile impliziert. Zu große Unterschiede in diesen Bereichen verursachen nicht nur Stress oder können die Beziehungsqualität reduzieren, sie schaffen beim Kind auch Verwirrung und die Gelegenheit, die Eltern gegeneinander auszuspielen (vgl. Winkler 2012: 20). Dieser Faktor verweist darauf, dass die Beziehungsqualität auf den Umgang mit dem Kind und damit auch auf sein Wohlbefinden und seine Kompetenzentfaltung abfärbt. Die Erziehung wirkt wiederum auf die Beziehungsgestaltung zurück. Diese Einflussmechanismen sind wechselseitiger Natur. Die Familienmitglieder richten ihr Familienleben nach gemeinsamen Zielen, Sinndeutungen und Strukturen des Denkens und Handelns aus, welche durch Sprache, Kultur, Werte und Normen reguliert werden (vgl. Luhmann und Baecker 2009; Schneewind 2010; Zinn 1997). Dies betrifft im Allgemeinen die innerfamilialen Interaktions- und Kommunikationsmuster und die Familienbeziehungen, im Speziellen umfassen sie unter anderem die Familienerziehung. Die innerfamilialen Interaktions- und Kommunikationsmuster können direkt verbalisiert werden – im Sinne eines „Wir machen das nicht“ (vgl. Winkler 2012: 12). Sie zeigen sich aber auch im Alltagshandeln: Anhand sich implementierter Alltagsrituale, Traditionen, Familiengeschichten, Spiele und Erziehungspraktiken zeigen die Familien ihre gemeinsamen Regeln, die Rollen- wie Verhaltenserwartungen für die einzelnen Familienmitglieder und vermitteln damit auch Stabilität und Geborgenheit (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011; Macha 2011). Die Beziehungsgestaltung unterliegt Regelhaftigkeiten im Sinne sich wiederholender Interaktionen, einer gewissen zeitlichen Dauer und der Notwendigkeit eines vorhandenen Systems (vgl. Lüscher und Liegle 2003: 54f.). Die innerfamilialen Machtverhältnisse, die gelebte Nähe-Distanz-Balance und die Generationenordnung des Eltern-Kind-Systems offenbaren die gelebten Regulierungen der Familienbeziehungen (vgl. Ecarius 2002, 2007; Lüscher und Liegle 2003). 22 Sie sind dabei behilflich, die Familienbeziehungen im Allgemeinen und die Generationenbeziehungen im Besonderen zu etablieren, aufrecht zu erhalten und zu verdeutlichen (vgl. Bavelas und Segal 1982; Heidbrink et al. 2009; Lüscher und Liegle 2003) und die Identität des 22

Die Generationenordnung gestaltet im Rahmen eines Regelsystems die Generationenbeziehungen. Die Gestaltung der Generationenbeziehungen beruht nicht allein auf spontanem Verhalten und Handeln, sondern wird durch gesellschaftliche Erwartungen, kulturelle Vorstellungen und rechtliche Regulierungen mitbestimmt. Daraus ergeben sich eine evolutionäre und eine normative Generationenordnung. Erstere beruht auf historischen Entwicklungen und Umbrüchen sowie wandelnden Orientierungsmustern für die Gestaltung von Generationenbeziehungen. Letztere definiert Rechte und Pflichten (vgl. Lüscher und Liegle 2003: 55).

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Einzelnen und der Familie an sich aufrecht zu erhalten (vgl. Engemann 1990). Die bereits genannten Regulierungen treffen auch auf die Erziehung zu. Weiterhin inkludieren sie bei der Erziehung die realisierte familiäre Lebenspraxis, die angewandten Erziehungsregeln, die verfolgten Erziehungsziele, zum Beispiel bei den Lern- und Bildungsanforderungen, die im Alltag angewendeten Erziehungsstile und Erziehungspraktiken (vgl. u. a. Ecarius 2002, 2007; Mollenhauer et al. 1978; Winkler 2015). Im familiären Alltag werden die Regeln häufig durch elterliches Zeigen und Antworten deutlich (vgl. u. a. Liegle 2017; Winkler 2012). Diese Ausrichtungen und Regulierungen dienen insbesondere im Rahmen gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse als Orientierungsanker für die eigene Lebensgestaltung (vgl. Liegle 2017: 28). Diese Mechanismen sind aufgrund der Komplexität des Familiensystems notwendig, da Handlungsunsicherheiten durch die Vielfalt an Handlungsoptionen entstehen. So besteht für Stiefeltern Unklarheit, in welcher Weise sie für die Kinder Erziehungsverantwortung übernehmen. Ihre Handlungsoptionen reichen von einer Nicht-Einmischung in den erzieherischen Prozess bis hin zur Ersetzung des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils. Die daraus erwachsene Handlungsunsicherheit kann nach Luhmann als doppelte Kontingenz beschrieben werden (vgl. Luhmann 1991: 154). Familieninterne Regeln können das stiefelterliche Agieren absichern. Aber auch wenn diese Regeln vorherrschen, können dennoch unvorhersehbare Systemveränderungen stattfinden (Emergenz nach Luhmann 1991: 44). So kann das Stiefkind zum Beispiel die Rolle des Stiefelternteils oder die Person als Solche nicht akzeptieren und dementsprechend ablehnend gegenüber diesem auftreten. Weicht das Verhalten eines Familienmitglieds von den familieninternen Regeln, ab, finden positive (veränderungsorientierte) oder negative (stabilitätsorientierte) Rückkoppelungsprozesse durch die Familienmitglieder statt. Positive Rückkoppelungsprozesse werden zum Beispiel durch die Eskalation eines Konflikts deutlich und verlangen neue Lösungen. Negative Rückkoppelungsprozesse zielen auf die Rückkehr zur Ausgangslage vor der Störung ab (z. B. Beruhigung eines weinenden Kindes; vgl. Schneewind 1998: 133; Schneewind 2010: 103). Durch diese Rückkoppelungsprozesse soll ein (neues) Gleichgewicht (Homöostase) erreicht werden, welches die Fähigkeit der Familienmitglieder zur Anpassung erfordert (Autopoiese).23 Dabei können zwei mögliche Veränderungen auftreten: Ein Wandel erster Ordnung impliziert den Wechsel des internen Zustands 23

Die Homöostase zielt auf eine Stabilisierung des familiären Gleichgewichts. Dem steht der später entwickelte transformative Blickwinkel gegenüber, welcher auf die Veränderung von Beziehungen abzielt (vgl. Huschke-Rhein 2003: 91). Die Dynamik der Familie wird in den homöostatischen und transformativen Aspekt unterschieden (vgl. Hofer 2002: 12f.). Der Begriff Autopoiese (altgriechisch: autós = selbst; poeín = schaffen) geht auf die Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco J. Varela zurück. Dieses ursprünglich auf biologische Systeme bezogene Konzept erweitert

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mit einem gleichbleibenden System. Gleiche Problemlösungsmuster mit steigendem Eskalationsniveau werden bei Konflikten, Problemen oder Regelverletzungen herangezogen. Ein Wandel zweiter Ordnung verändert das System selbst, zum Beispiel die Kommunikationsregeln oder das Rollenverständnis. Daneben sind aus pädagogischer Sicht auch Familiengeschichten von Bedeutung. Diese dienen dazu, Erfahrungen, Werte, Normen – auch in Bezug auf die Familie und die familieninternen Beziehungsregeln – für den Einzelnen in einem Narrations- und Identifikationsprozess zu vermitteln. Sie üben damit eine Integrations- und Normbildungsfunktion aus (vgl. Macha 2011: 11; Winkler 2012: 15). Familiengeschichten stiften nach Winkler Zugehörigkeit und Identität, stellen einen Traditionszusammenhang dar, markieren Verwandte, Zugehörige und Fremde und legen damit die Familienzugehörigkeit fest. Sie erzeugen eine zeitliche Rahmung und Ordnung, bieten den Familienmitgliedern Orientierung, schaffen eine Welt der Symbole und Zusammenhänge, eine sinnhafte Deutung ihrer familienspezifischen Kultur und vermitteln eine Grammatik des Verstehens und Handelns. In Familiengeschichten gewinnen die Beteiligten ihre Weltzuständigkeit und Kompetenz. Sie bestehen aus objektivierter Erfahrung und subjektiver Erinnerung. Sie beeinflussen Mentalitäten, Einstellungen und Haltungen. Sie versinnbildlichen das generationenübergreifende Familiengedächtnis und stützen den erzieherischen Prozess (vgl. Winkler 2012: 16f.). Die so entstehende individuelle interne Repräsentation der Familie spiegelt das subjektive Wissen des Einzelnen über die Familienrealität, über sich selbst innerhalb der Familie, von den Familienmitgliedern und den Familienbeziehungen wider (vgl. Liegle 2017: 47; Schneewind 1998: 134f.; Schneewind 2010: 105f.). Dieser Punkt ermöglicht auch die subjektiv gefärbte Erfassung familialer Systeme durch die inneren Erfahrungsmuster einzelner Familienmitglieder und wird bei Stieffamilien in ihren Selbstdefinitionen deutlich (vgl. nähere Ausführungen in Abschnitt 2.4.3). Zugleich verweist diese interne Repräsentation auf die individuelle Wahrnehmung des eigenen Handelns innerhalb der Familie und der Gestaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Familienmitglieds. Diese individuelle Perspektive findet sich im Alltag in Beziehungs-, Erziehungs- und Lernprozessen wieder und wird in die lebenslange Persönlichkeitsentwicklung integriert (vgl. Liegle 2017: 47). Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive erweist sich die Familie in Anlehnung an den Soziologen Pierre Bourdieu zusätzlich als ein Referenz- und Orientierungssystem für die kindliche Habitus-Entwicklung. Bourdieu betont in seiner unter anderem der Soziologe Niklas Luhmann auf psychische und soziale Systeme. Die Autopoiese bildet die Selbstorganisationsfähigkeit der Familie durch Selbstherstellung, -anpassung und –erhaltung bei inner- und außerfamilialen Veränderungen (vgl. Huschke-Rhein 2003: 14, 195; Luhmann 1991; Luhmann und Baecker 2009; Schneewind 2010; Ziemann 2009: 477).

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kritischen Analyse der kapitalistischen Gesellschaft die Macht- und Ungleichheitsstruktur. Er unterscheidet zwischen dem ökonomischen, sozialen und kulturellen Bildungskapital, deren spezifische Konstellation die Art zu denken und zu handeln, also den Habitus, prägt und identifiziert Individuen als Angehörige einer Klasse und setzt diese von anderen ab. Der Habitus verfestigt damit Ungleichheiten (vgl. Liegle 2017: 108f.). Der Habitus wird erworben und formiert sich von früher Kindheit an in den sozialen Beziehungen, im Rahmen der Auseinandersetzung mit der sozialen Welt. Die Familie bildet damit ein zentrales Referenzsystem für die individuelle Habitusentwicklung. Ihre Ressourcen können vom Subjekt nur angemessen genutzt werden, wenn der reifende Habitus eine genügende Nähe zu den Habitusformen der eigenen Familienmitglieder hat. Im Rahmen des alltäglichen familialen Zusammenlebens finden Prozesse der Habitusentwicklung für alle Familienmitglieder statt (vgl. Büchner 2011: 160f.). Die Familie lehnt sich zwar an gesellschaftliche Normen und Werte an, interpretiert sie jedoch auf ihre eigene Weise und entwickelt daraus sogenannte Normalitätsmuster, welche sie im Alltagshandeln zu Ausdruck bringt. Die Kinder nehmen diese Normalitätsmuster auf. Sie lernen zwischen Normalität, Abweichung und Fremdheit zu unterscheiden und formen daraus ihren eigenen Habitus (vgl. Winkler 2012: 84). Familienentwicklungstheorien Die Familienentwicklungstheorien betrachten den Familienlebenszyklus über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens. Diese psychologischen Ansätze finden in den erziehungswissenschaftlichen Positionen ebenfalls Beachtung. So beschreiben unter anderem Jutta Ecarius (2002, 2007), Ludwig Liegle (2017) und Michael Winkler (2012) die Familie als dynamisches System, welches wandlungs- und anpassungsfähig ist. Dabei können sich die Familienbeziehungen, ihre Kommunikations- und Interaktionsmuster im Laufe des Familienlebenszyklus wandeln. Diese Veränderungen werden über Erziehungsprozesse, die kindlichen Entwicklungsprozesse und das Älterwerden der Eltern in Gang gesetzt (vgl. Ecarius 2007: 48). Allein die biologische Natur – das Kind wächst heran und vergrößert im Zuge seiner Lern- und Entwicklungsprozesse seine Autonomie – beeinflusst diese Dynamik. Auch beteiligen sich Heranwachsende aktiv an der Gestaltung des Familienlebens, an der Beziehung zu den Eltern und zu den Geschwistern sowie an den familialen Problem- und Konfliktlösungsbemühungen. Dies formt einen Prozess wechselseitiger Interpenetration von Eltern und Kindern. Die zunehmende Bedeutung der Handlungsautonomie in familiären Erziehungsprozessen, die zugenommene Symmetrie der Beziehungsverhältnisse zwischen Eltern und ihren Kindern, also der Verhandlungshaushalt, und die Beziehungsdynamiken zeigen die Wechselseitigkeit des Generationenlernens auf. Aus lerntheoretischer Perspektive gilt

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die Familie als ein Ort des reziproken Lernprozesses der Erkundung, Nachahmung, Abgrenzung und des Motivierens, Belehrens, Belehrtwerdens (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011: 199). Die Lernprozesse initiieren damit die Entwicklung des Familiensystems und seiner Mitglieder. Aber auch die Bedürfnislagen, die Befindlichkeiten, aktuell zu lösende Problemfelder und gesellschaftliche Herausforderungen bzw. Entwicklungen können eine Dynamik in der Familie anstoßen. Die Ausführungen verdeutlichen eine Dynamik zwischen Lernen, Erziehung und Beziehung und begründen die Relevanz der psychologischen und soziologischen Ansätze zur Familienentwicklung. Dieser Aspekt wird in den nachfolgenden Abschnitten erneut aufgegriffen und intensiviert. Bei der Einteilung der Entwicklungsphasen und -aufgaben orientieren sich die Forscher häufig an den individuumsbezogenen Entwicklungsaufgaben von Robert J. Havighurst (vgl. Fuhrer 2009: 92; Hofer 2002: 20; Schneewind 1998: 136; Schneewind 2010: 107). Eine individuelle Entwicklungsaufgabe kennzeichnet nach Havighurst (1979), wenn eine Mehrzahl von Personen einer Altersstufe vor einer neuen Aufgabe steht (z. B. Berufswahl bei Jugendlichen) und ihre erfolgreiche Bewältigung die Erfolgswahrscheinlichkeit für spätere Aufgaben vergrößert und ein Scheitern mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Schwierigkeiten bei nachfolgenden Aufgaben verbunden ist. Biologische Reifungsprozesse, kulturelle Erwartungen und persönliche Ziele repräsentieren den dazugehörenden Hintergrund. Die Entwicklung im Familienlebensverlauf wird in unterschiedliche Phasen mit Übergängen und sich daraus ergebenen Aufgaben für die Familie und ihre Mitglieder eingeteilt. Jeder Abschnitt, unabhängig davon, ob es ein normativer oder nicht-normativer Übergang ist, wird von bestimmten systemischen Umstrukturierungsprozessen begleitet, welche spezifische Anpassungsprozesse des Einzelnen und des Familiensystems erfordern. Die Entwicklungsaufgaben bedürfen einer Bewältigung. Die entworfenen Phasenmodelle zur Familie weisen Unterschiede bei der Einteilung der einzelnen Entwicklungsabschnitte auf, weshalb sie auch einer Kritik unterworfen sind: Die Phasen und ihre Terminologien werden auf der Basis divergierender Einteilungskriterien strukturiert. Es fehlt eine Einigkeit darüber, welche Ereignisse Phasenübergänge auszeichnen (vgl. Schneewind 2010: 107f.). Je nach dem gewählten Fokus (strukturelle Veränderungen, Belastungspotenziale, Beziehungsebene) ergeben sich voneinander abweichende Phasenabschnitte und -einteilungen. Im Zuge dessen haben sich zwei verschiedene Perspektiven herausgebildet: (1) Die strukturelle Perspektive beschreibt Wahrscheinlichkeiten von Entwicklungsstufenübergängen, welche mit gesellschaftlichen Erwartungen verbunden sind. Dazu gehört zum Beispiel das von den Soziologen Reuben Hill und Roy H. Rodgers (1967) stammende Modell, welches sich

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an strukturellen Faktoren wie der Familiengröße, der Altersentwicklung des ältesten Kindes und der aktiven elterlichen beruflichen Erwerbsbeteiligung orientiert. Sie entwickelten daraus ein Acht-Phasen-Modell bestehend aus der Kinderlosigkeit, der Geburt des ersten Kindes, der Vorschulzeit, dem Schulalter, der Adoleszenz, dem Auszug des ältesten Kindes, der nachelterlichen Gefährtenschaft und dem beruflichen Rückzug (vgl. Hill und Rodgers 1967; Schneewind 2010). (2) Die interaktionale Perspektive, betont mehr den beziehungsorientierten und entwicklungspsychologischen Aspekt (vgl. Schneewind 2010: 108). Darauf konzentrieren sich die folgenden Ausführungen. Die Familienentwicklungsaufgaben können nach Hofer (2002) folgendermaßen unterschieden werden: Jedes Familienmitglied hat seine persönlichen Entwicklungsaufgaben, welche unter Umständen die Mithilfe der anderen Familienmitglieder erfordern. Daneben gibt es noch dyadische Entwicklungsaufgaben (Partnerschaft, Geschwisterbeziehungen, Eltern-Kind-Beziehung) und solche, die das gesamte Familiensystem betreffen. Nach diesem Ansatz bilden Familien ein System von Rollenträgern, deren Rollen sich durch Veränderungen im Familienlebenszyklus verändern können (vgl. Fuhrer 2009; Schneewind 1998, 2010). Innerhalb der Phasenmodelle werden normative und nicht-normative Übergänge unterschieden. Die normativen Übergänge orientieren sich am Lebensverlauf einer Kernfamilie. Die nicht-normativen Übergänge schließen Alleinerziehende und Stieffamilien mit ein. Folgende Grundannahmen haben sich bei den unterschiedlichen Ansätzen durchgesetzt (vgl. Fuhrer 2009; Schneewind 2010: 106): (1) Vergangene Erfahrungen der Familienmitglieder bestimmen ihr gegenwärtiges Verhalten und ihre Zukunftserwartungen. (2) Familien, die sich in der gleichen Lebensphase befinden, zeigen vergleichbare Verhaltensmuster. Dies gilt unabhängig von der jeweiligen Familienform. (3) Zudem stehen Familien vor ähnlichen selbstgestellten und von außen herangetragenen Aufgaben. Das vielfach zitierte Modell der Familientherapeutinnen Betty Carter und Monica McGoldrick (1989) konzentriert sich auf strukturelle und auf Beziehungsfaktoren. Es umfasst sechs normative und zwei nicht-normative Phasen mit ihren jeweiligen Entwicklungsaufgaben. Zuerst wird das normative Modell veranschaulicht. (1) In der ersten Phase verlassen die jungen Erwachsenen ihr Elternhaus und leben als Alleinstehende. Ihre zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben bestehen aus der Selbstdifferenzierung in den Beziehungen zur Herkunftsfamilie sowie der Entwicklung intimer Beziehungen zu Gleichaltrigen, neuer Arbeitsverhältnisse und finanzieller Unabhängigkeit. (2) In der zweiten Phase werden die Herkunftsfamilien durch eine Heirat mit dem Partner miteinander verbunden. Das Paar muss in der Folge ein Ehesystem herausbilden und durch den Einbezug von Familien

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und Freunden des Partners seine Beziehungen neu orientieren. (3) Die Phase „Familie mit jungen Kindern“ stellt die Familie vor die Aufgabe, ihr Ehesystem anzupassen, die Kindererziehung, den Haushalt und das verfügbare Geld zu koordinieren und die Beziehungen zur erweiterten Familie und zum erweiterten Freundeskreis neu zu orientieren. (4) Innerhalb der „Familie mit Jugendlichen“ müssen dem Jugendlichen für seine persönliche Weiterentwicklung Freiräume geschaffen werden, welche sich auf die Eltern-Kind-Beziehung, die Ehe und den Beruf auswirken. (5) Ziehen die Kinder aus dem Elternhaus aus, beginnt die Phase der „Entlassung der Kinder und des Weitergehens“ als Paar. Die Aufgaben in dieser Phase beinhalten unter anderem, das Ehesystem als Dyade neu auszuhandeln, eine Beziehung auf Erwachsenenebene zu den Kindern zu entwickeln, mit dessen eigener Familie Beziehungen einzugehen und sich mit Behinderungen und dem Tod der eigenen Eltern auseinanderzusetzen. (6) In der letzten Phase, „Familie im letzten Lebensabschnitt“, steht die Familie vor den Aufgaben, sich als Person/Paar im Zuge des körperlichen Zerfalls aufrechtzuerhalten, die zentrale Rolle der mittleren Generation zu stärken, sich Raum zu schaffen und von der jüngeren Generation unterstützt zu werden. Weiterhin bedarf es, sich mit dem Tod des Partners und anderer Nahestehender sowie mit dem bevorstehenden eigenen Tod auseinanderzusetzen und sein Leben zu reflektieren.24 Neben diesen grundsätzlichen Familienaufgaben sorgen die bereits aufgeführten permanenten gegenseitigen Einflussnahmen der Familienmitglieder dafür, dass divergierende Interessen der Familienmitglieder immer wieder ausgehandelt werden müssen, seien es zum Beispiel der Umgang mit schulischen Aufgaben, der Freizeitgestaltung oder wie lange der Heranwachsende abends außer Haus sein darf. Das Zusammenleben wird folglich immer wieder neu gestaltet. Die Beziehungsstrukturen und ihre Qualitäten verändern sich dadurch laufend und bedürfen der Kommunikation und Interaktion (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011: 194). So verlangt das Aufwachsen der Kinder immer wieder Verhandlungen über das Ausmaß kindlicher Autonomie, über die Balance von Nähe und Distanz sowie über die Partnerschaft als Solcher. Zudem entwickelt sich die Familie insgesamt weiter. Auf diese Weise können Erfahrungen von einer Generation auf die Nächste übertragen werden, wobei die Erkenntnisse der älteren Generation von der jünge-

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Ein weiteres sechsstufiges Modell hat zum Beispiel Manfred Hofer (2002) entwickelt. Sein Modell beginnt mit der Geburt des ersten Kindes und orientiert sich an den Altersstufen der Kinder bis hin zum mittleren Erwachsenenalter der Kinder. Dabei geht er auf verschiedene Herausforderungen im emotionalen und Beziehungsbereich (zwischen den Partnern sowie den Eltern und ihren Kindern) ein.

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ren Generation nicht nur gelernt, sondern auch transformiert und in die sozialgeschichtlichen Gegebenheiten angepasst werden können (vgl. Ecarius 2002; Lüscher und Liegle 2003).25 Bei Stieffamilien klassifizieren die Autoren die Familienentwicklung mit ihren Abschnitten und dazugehörigen Aufgaben anhand spezifischer kritischer Ereignisse, wie der Scheidung oder Trennung einer Kernfamilie, der Reorganisation der Einelternfamilie und der Bildung einer Stieffamilie. Diese Entwicklungsaufgaben bedürfen einer Bewältigung. Die Trennungs- und Scheidungsphase der Kernfamilie wird in drei (vgl. Textor; Textor 1991) oder mehr Phasen unterschieden (vgl. u. a. Bohannan 1973; Carter und McGoldrick 1989; Kaslow 2001; Kessler 1975). Die nachfolgende Beschreibung der einzelnen Phasen lehnt sich an Carter und McGoldrick (1989) und Martin R. Textor (Textor; Textor 1991) an. (1) Zu Beginn steigen emotionale Belastungen (möglicherweise auch psychische Probleme), Paarkonflikte, Desillusionierung und ambivalente Trennungsgedanken an, welche bei mindestens einem der Partner zu einer Realisierung des Scheiterns der Partnerschaft und damit zur Trennungsentscheidung führt.26 (2) Im nächsten Schritt wird die räumliche Trennung vollzogen (vgl. Textor; Textor 1991). Diese Phase ist weiterhin geprägt von emotionalen Problemen aller Beteiligten. Zugleich gilt es, die Regelungsprozesse zu Besitz, Unterhalt und Sorgerecht und die Reorganisation der Beziehung zwischen dem Kind und dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil auszuhandeln und umzusetzen. Weitere Reorganisationsprozesse betreffen den sozialen, psychischen, finanziellen und beruflichen Bereich. Aber auch Gewohnheiten, Rollen, Selbstbilder und das soziale Netzwerk müssen an die neue Situation angepasst werden. Die Neigung, in dieser Phase inkonsequent zu erziehen, ist hoch. Weitere Gefährdungspotenziale verbergen sich hinter einer potenziellen Überforderung der Kinder durch erhöhte Anforderungen an ihre Selbständigkeit und dem aus möglichen elterlichen Konflikten erwachsenen Loyalitätskonflikt der Kinder. Diese Faktoren können sich negativ auf das Kind auswirken.27 (3) Mit der vollzogenen rechtskräftigen Scheidung beginnt die Nachscheidungsphase bzw. die Alleinerziehendenphase. Das Familienleben stabilisiert sich 25

Dies erklärt auch den Wandel vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt in Familien. Ecarius (2002) zeigt in ihrer qualitativen Studie zur Entwicklung der Erziehung und Generationenverhältnisse über drei Generationen diese Mechanismen auf. 26 Diese Phase wird bei einzelnen Autoren in weitere Abschnitte unterteilt. Bei Kessler (1975) finden in diesem Abschnitt drei einzelne Phasen statt: die Desillusionierung, die Erosion und der Rückzug. Bei Carter und McGoldrick (1989) wird zwischen der Entscheidung zur Trennung und der Planung der Trennung als jeweils eigene Phasen unterschieden. Die Planungen betreffen Besuchsregelungen, Finanzen, Kinderbetreuung und der Umgang mit dem erweiterten Verwandtenkreis. 27 Diese Phase unterteilen Carter und McGoldrick (1989) in die Trennungs- und Scheidungsphase. Die formulierten Aufgaben ähneln den aufgeführten Themenfeldern von Textor und Textor (1991), weshalb sie in dieser Arbeit in Anlehnung an seine Arbeiten in einer Phase beschrieben werden.

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wieder, der Umgang zwischen Eltern und Kindern auch, insbesondere wenn beide Eltern miteinander kooperieren. Beide Eltern haben nach Carter und McGoldrick (1988) die Aufgabe, die eigene finanzielle und berufliche Neuorientierung zu bewältigen, die gemeinsamen Erziehungsaufgaben neu auszubalancieren, die Kontakte zwischen dem Kind und dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil zu organisieren, miteinander zu kooperieren und Konflikte beizulegen, das eigene soziale Netzwerk umzugestalten und Trauer, Wut wie Schuld aufzuarbeiten (vgl. auch Hofer 2002). Mit einer neuen Partnerschaft von einem der beiden Elternteile entsteht eine Stieffamilie. Unterschiedliche Entwicklungsaufgaben müssen innerhalb des Familienbildungsprozesses der Stieffamilie gemeistert werden, will diese Familie erfolgreich sein (vgl. Carter und McGoldrick 1989; Fuhrer 2009; Hofer 2002; Papernow 1984, 1993; Textor; Walper et al. 2009). Dazu gilt es auf systemischer Ebene, die eigene Familienform mit ihren Eigenschaften anzuerkennen, die Familiengrenzen so umzustrukturieren, dass alle Familienmitglieder einbezogen werden, und die Beziehungen innerhalb der Subsysteme neu zu strukturieren. Für Stieffamilien ist es erforderlich, durchlässige, klare (Sub-) Systemgrenzen zu schaffen, welche einen weiteren Kontakt zwischen dem Kind und seinem außerhalb lebenden Elternteil ermöglicht (vgl. u. a. Fuhrer 2009; Schneewind 2010; Walper und Wild 2002: 340). Im Alltag zeigen sich diese Aufgaben darin, die eigene Vorgeschichte (emotional) zu verarbeiten bzw. verarbeitet zu haben, die unterschiedlichen Erziehungserfahrungen von leiblichen und sozialen Eltern anzunehmen, die gegenseitige Akzeptanz von Stiefeltern und Stiefkind wachsen zu lassen und die Beziehung zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil zu regeln. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben mündet in dem Aufbau einer vertrauensvollen Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung und in der Festigung der Partnerschaft. Dies ermöglicht es, dass der Stiefelternteil seine Rolle und seinen Platz in der Stieffamilie findet. Walper et al. (2009) führen ergänzend hinzu, dass zwischen vorhandenen Stiefgeschwistern der Aufbau positiver Beziehungen gefördert werden soll und bei gemeinsamen Kindern des Paares mögliche zusätzliche Anpassungsprozesse zu bewältigen sind. Für eine bessere Bewältigung dieser Aufgaben und die Integration der Familienmitglieder ist es günstig, sich über die Vergangenheit und die Familiengeschichte auszutauschen (vgl. Fuhrer 2009; Hofer 2002). Familiengeschichten sind im Zuge dessen identitäts- und kohärenzstiftend (vgl. Macha 2011; Winkler 2012). Die Psychologin Patricia Papernow (1984, 1993) beschreibt in sieben Phasen eines der ausführlichsten Phasenmodelle für Stieffamilien: (1) In der Anfangsphase haben die Erwachsenen hohe Erwartungen, welche in Wunschbildern von

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einer „richtigen“ Familie münden können. Diese kollidieren meist mit den Wünschen der Kinder (Reunion der Eltern, leiblichen Elternteil nicht teilen wollen). (2) In der zweiten Phase erfolgt die Konfrontation mit der Realität. Sich verändernde Familienmuster, erste Loyalitätsverluste und der endgültige Verlust der Kernfamilie verunsichern die Kinder. Sie sind emotional unausgeglichen. Stiefeltern erfahren sich in einer Außenseiterposition und sind ebenfalls verunsichert. Innerhalb dieser Phase haben leibliche Eltern eine Schlüsselrolle und zentrale Position für die anderen beiden Parteien. (3) Die Stiefeltern drängen mit der Zeit zunehmend aus dem Schattendasein, womit die dritte Phase beginnt. So verlangen die sozialen Eltern eine stärkere Position innerhalb der Familie, die Kinder nicht in jedem Punkt einzuschließen (insbesondere im Bereich der Paardyade) und die Neuverhandlung der bestehenden Regeln. Dadurch gerät der leibliche Elternteil unter Druck, da er gleichzeitig seine Kinder vor Verletzungen schützen und seine Partnerschaft pflegen möchte. Hat der leibliche Elternteil bis zu dieser Phase seine vorherige Beziehung innerlich noch nicht abgeschlossen und verarbeitet, reagiert er ängstlich, zögernd und gefährdet dadurch die Beziehungsqualität des Paares. Eine offene und verständnisvolle Haltung leitet dagegen die vierte Phase ein. (4) Die vierte Phase ist ebenfalls von Unruhe und Konflikten geprägt. Die Person mit dem größten Veränderungsbedarf gibt den Anstoß für weitere Veränderungen der Familienstruktur, um die Berücksichtigung von Bedürfnissen zu klären. Diese Phase stellt den Scheideweg dar. Entweder bleibt die bestehende Teilfamilie (Elternteil mit Kindern) erhalten und der Stiefelternteil wird zu einem assoziativen Mitglied oder die Struktur der Familie verändert sich. Innerhalb dieser Phase besteht die Möglichkeit, dass sich die biologische Familienstruktur lockert und neue Strukturen verwirklicht werden können. (5) Wird die zweitgenannte Gelegenheit wahrgenommen, beginnt die fünfte Phase innerhalb der das Paar das Gleichgewicht von Bedürfnissen und Gefühlen aushandelt. Spätestens ab dieser Phase nimmt sich das Paar auch Zeit für sich. Auch die Stiefbeziehungen verfestigen sich und der soziale Elternteil wird eine weitere Erziehungsperson der Kinder. (6) Die Kommunikationskompetenz der Partner und ihre Zusammenarbeit ermöglicht die sechste Phase. In dieser Phase werden die Partner ein Team und die klare Stiefelternrolle des neuen Familienmitglieds ist gefunden. (7) Die siebte Phase führt zu einem neuen Gleichgewicht. Die Familienmitglieder haben klare Positionen eingenommen, die Stiefbeziehungen haben sich verfestigt, die Rollen und neue, verhandelbare Regeln sind ausgehandelt (vgl. Papernow 1984, 1993; Unverzagt 2002). Für die Bildung einer familiären Kohäsion (gefühlsmäßige Nähe) bedarf es Zeit. Der Prozess endet in einer Integration als Stieffamilie und dauert im Durchschnitt mindestens drei bis fünf Jahre (vgl. Bray und Kelly 1998; Hetherington 1991). Walper et al. (2009) gehen von durchschnittlich fünf Jahren aus.

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Resümee Die systemisch-entwicklungsbezogenen Ansätze berücksichtigen die wechselseitigen Einflüsse unterschiedlicher Beziehungssysteme aufeinander (auch diejenigen mit dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil) und die dynamischen Veränderungen, welche im Zuge von Anpassungsprozessen und der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben auftreten (vgl. Walper und Wild 2002). Die Familie befindet sich in einem laufenden Entwicklungsprozess, welcher durch das gesamte System, einzelne Subsysteme und Mitglieder des Systems angestoßen werden kann. „Nicht nur die einzelnen Mitglieder einer Familie, sondern das Familiensystem insgesamt ist charakteristischen Entwicklungsprozessen unterzogen, die sowohl durch die lebenslaufbezogenen Veränderungen der einzelnen Familienmitglieder in ihrer Interaktion mit dem familiären System, als auch durch die kulturspezifischen Vorgaben für die Gestaltung des familiären Zusammenlebens bedingt sind. Letztere konstituieren in entscheidender Weise den umfassenden gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich positive und negative Entwicklungen der Familienmitglieder und der Familie als Gesamtsystem vollziehen“ (Rollett und Werneck 2002: 8).

Die behandelten Autoren zeigen die Relevanz systemisch-entwicklungsbezogenen Denkens im Zusammenhang mit der Familie und mit der in ihr stattfindenden Erziehung. Sie differenzieren zwischen verschiedenen Subsystemen von Familien. Neben den Unterscheidungen zwischen Paar-, Kind- und Eltern-Kind-System (vgl. u. a. Ecarius 2002, 2007; Ecarius et al. 2017; Grundmann und Hoffmeister 2011; Huschke-Rhein und Macha 2011; Jürgens 1989; Schütze 1989) kommen weitere Differenzierungen zum Einsatz. Zugleich ist die Familie dynamischer Natur, wobei Veränderungen von jedem Familienmitglied angestoßen werden können. Dieser geschilderte Charakter von Familie betrifft in seiner Gesamtheit ihre Beziehungsgestaltung, die kindlichen Lern- und die elterlichen Erziehungsprozesse.28 Sie weisen ein systemisch-interaktionistisches Denken auf, mit welchem Familie betrachtet werden soll, in welchem die einzelnen Familienmitglieder und die einzelnen Subsysteme sich gegenseitig in ihren Handlungen, Gefühlen wie Wahrnehmungen beeinflussen und eigenen Interaktions- und Kommunikationsregeln folgen. Innerhalb familialer Erziehungsprozesse bildet das Kind folglich keinen passiven Empfänger. Vielmehr strukturiert es seine Lern- und Erziehungsprozesse aktiv mit und wirkt als Gestalter in das Familienleben hinein.

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Weitere Faktoren, welche auf diese Bereiche Einfluss nehmen, jedoch aufgrund des Untersuchungsgegenstands nicht weiter berücksichtigt werden, bilden das Verwandtschafts-, Freundschaftssystem und die externen Umweltfaktoren. Unter Letztgenannten sind insbesondere die Berufs-, Schulwelt, das soziale Netzwerk der einzelnen Familienmitglieder und gesellschaftliche, soziokulturelle Rahmenbedingungen hervorzuheben.

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Stieffamilien stehen zu Anfang vor verschiedenen Entwicklungsaufgaben, die es zu bewerkstelligen gilt. Dazu gehören die emotionale Bewältigung der Verluste und weiterer negativer Erfahrungen vorangegangener Entwicklungsphasen (insbesondere der Trennung und Scheidung), der Aufbau der unterschiedlichen Stiefbeziehungen und der Partnerschaft sowie die Sicherstellung des Kontakts zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil und dessen Verwandtschaft (vgl. Walper und Wild 2002: 340). Auf systemischer Ebene hat sich die „Etablierung stabiler, aber durchlässiger (Sub-) Systeme sowie der Reorganisation der familialen Rollenverteilung“ (ebd.: 340) als vorteilhaft für die Familienentwicklung gezeigt. Im weiteren Entwicklungsverlauf der Stieffamilie bedarf es einer familialen Umstrukturierung bei der Geburt eines weiteren Kindes (vgl. ebd.: 340). Aus systemischer Sicht wirken sich die Entwicklungsaufgaben der Heranwachsenden auf das gesamte Familiensystem aus. Die Aufgabe der Eltern besteht darin, ihr Kind durch eine positive Eltern-Kind-Beziehung, durch Erziehung und Sozialisation zu unterstützen. Zudem liegt es in der elterlichen Verantwortung, ein gesundes Maß an Kontrolle auszuüben und dabei insbesondere dem Jugendlichen mehr Freiräume und einen zunehmenden partnerschaftlichen gemeinsamen Umgang zu ermöglichen sowie den Konflikten mit ihren Kindern oder Jugendlichen konstruktiv zu begegnen (vgl. Hofer und Pikowsky 2002; Kreppner 1989). Je besser Eltern diese Unterstützungsmechanismen einsetzen (können), desto besser können Kinder und Jugendliche ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen: „Lernen initiiert eine Vielzahl innerer Entwicklungsprozesse, die nur dann ablaufen können, wenn das Kind mit Menschen in seiner Umgebung kooperieren und interagieren kann“ (Fuhrer 2009: 81).

2.4.3 Besonderheiten von Stieffamilien Stieffamilien sind offene und dynamische Systeme mit einem hohen Integrationsgrad. Ihre Außengrenze ist durchlässiger und ihr Komplexitätsgrad ist aufgrund der vielschichtigen Familienbeziehungen höher als bei Kernfamilien. Ein gemeinsames Kind verändert mit seiner Geburt ein Stieffamiliensystem, in dem die bereits vorhandenen Kinder zu den leiblichen Eltern in der Regel eine intensivere Beziehung pflegen als zu den Stiefeltern (vgl. Bernstein 1990). Je nach Konstellation entstehen ein eigenes Beziehungsgefüge und eigene Herausforderungen für die Familie. Die erweiterte Stieffamilie, die Selbstdefinitionen von Stieffamilie

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und ausgewählte Herausforderungen für Stieffamilien aus systemischer Sicht bilden drei relevante Besonderheiten von Stieffamilien, welche nachfolgend genauer betrachtet werden.29 Auch wenn sich die zugrunde liegende Definition der Stieffamilie auf die Haushaltsebene begrenzt, ist es wichtig, einen Blick auf die erweiterte Stieffamilie zu werfen und besondere Einflussmechanismen zu eruieren. Stieffamilien sind dazu angehalten, klare, durchlässige Grenzen zwischen den einzelnen Subsystemen und nach außen zu definieren, wollen sie langfristig zum Wohle aller Familienmitglieder funktionieren (vgl. u. a. Fuhrer 2009; Schneewind 2010; Walper und Wild 2002: 340). Bei einer vorausgegangenen Scheidung oder Trennung ist die Paarbeziehung der leiblichen Eltern zwar beendet, ihre Elternebene besteht jedoch weiterhin fort. So bleiben die Kinder ihren beiden leiblichen Eltern auch nach der Trennung bzw. Scheidung emotional verbunden (vgl. Winkler 2012: 23). Klare Vereinbarungen bei der Besuchsregelung des Kindes, der Ausgestaltung der Elternrolle und der Eltern-Kind-Beziehung aller Elternteile sind in diesem Fall zu treffen. Die Sorgerechtsform hat Konsequenzen auf die Besuchsregelung der Kinder. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass ein gemeinsames Sorgerecht den Einfluss des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils erhöht und dieser auch seltener den Kontakt zu den Kindern abbricht als bei alleinigem Sorgerecht (vgl. zus. fas. u. a. bei Bernstein 1990; Hartl 2002a; Steinbach 2010: 113-119). Die gerichtlich festgesetzte Besuchsregelung und ihre praktische Umsetzung können sich unterscheiden. Das Verhältnis zwischen den Eltern und der Grad ihrer Kooperation spielen dabei eine wichtige Rolle. Weiterführende Konflikte der getrennten Eltern können die Kinder in Loyalitätskonflikte drängen. Weiterhin bleibt das Familienleben einer Stieffamilie durch die Besuchsregelung nicht unberührt. Entspricht der Hauptwohnsitz des Kindes der Stieffamilie, ist der Alltag vorwiegend vom Erleben als Familie geprägt (vgl. Bernstein 1990). Der andere, sich nicht im Haushalt befindliche leibliche Elternteil beeinflusst die primäre Stieffamilie, ihre Beziehungen und die kindliche Entwicklung. Noch prägnanter ist der Einfluss auf die sekundäre Stieffamilie. Das Kind besucht seine sekundäre Stieffamilie in verdichteter Form und nimmt nur eingeschränkt am Familienleben teil. Es wechseln sich Paar- und Familienleben ab, die Zeit mit dem Kind ist komprimierter und die Beteiligten müssen sich innerhalb dieser verdichteten Form aufeinander einstellen (vgl. ebd.).

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Daneben ist das Rollenverständnis der Stiefeltern hervorzuheben, welches eine große Bandbreite einnehmen kann. Diese Thematik ist bereits von der Autorin in einem gesonderten Beitrag aufgegriffen worden (vgl. Kunze 2014; siehe auch Fine et al. 1993; Friedl und Maier-Aichen 1991; Guisinger et al. 1989; Weatherly 1996).

Untersuchungsansätze zu Stieffamilien

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Untersuchungsergebnissen zufolge sehen Kinder aus Stieffamilien ihren außerhalb lebenden leiblichen Elternteil seltener als Kinder Alleinerziehender. Die Trennungsdauer der Eltern, eine Wiederheirat des Elternteils und eine neue Partnerschaft des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils verringern die Kontakthäufigkeit zwischen dem Kind und seinem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil (vgl. u. a. Hartl 2002a; Hetherington 1993; Leridon 1998; Steinbach 2010). Einen signifikant positiven Effekt auf die Kontakthäufigkeit haben ein gemeinsames Sorgerecht der leiblichen Eltern und das Bildungsniveau der Mutter (vgl. Hartl 2002a; Steinbach 2010; Unverzagt 2002). Weiterhin sehen Kinder aus einfachen Stieffamilien ihren außerhalb lebenden Elternteil häufiger als Kinder aus komplexen Stieffamilien (vgl. Bernstein 1990; Hartl 2002a; Steinbach 2010).30 Ist der außerhalb lebende leibliche Elternteil der Vater, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit des Kontaktabbruchs, als wenn es die Mutter ist (vgl. ebd.). Ein weiterer Einflussfaktor ist die Beziehung zwischen dem Elternteil und dem gleichgeschlechtlichen Stiefelternteil. Dies trifft besonders für die Stiefmutter und die leibliche Mutter zu, da die außerhalb lebende leibliche Mutter stärker in die Stieffamilie hineinwirkt, als dies bei außerhalb lebenden leiblichen Vätern der Fall ist (vgl. Furstenberg 1987; Kunze 2014).31 Eine weitere Besonderheit bei Stieffamilien bilden ihre Selbstdefinitionen, welche sich auf die interne Repräsentation der Familie beziehen. Unterschiedliche Qualitäten der einzelnen Beziehungen, Erziehungsmuster, Konfliktpotenziale und Auswirkungen auf die sozio-emotionale Kompetenzentfaltung des Kindes werden durch sie deutlich. Dies betrifft die Selbstdefinition als solche und die möglichen Unterschiede der Definitionen zwischen den Familienmitgliedern. Drei gängige Kategorisierungen werden im Folgenden erläutert. Bien et al. (2002) unterscheiden auf der Strukturebene zwischen der gescheiterten Stieffamilie, der Als-obNormalfamilie und der erweiterten Stieffamilie. Auf der Beziehungsebene differenzieren Friedl und Maier-Aichen (1991) zwischen der Als-ob-Normalfamilie, der ambivalenten und der Aushandlungsfamilie. In Bergers (1996) Unterscheidung zwischen der übernommenen Familie, der Familie aus dem Nichts und der integrierten Familie wird insbesondere die Kommunikations- und Handlungsebene berücksichtigt (vgl. Tabelle 2.3).

30

Die Geburt eines gemeinsamen Kindes korreliert mit der Trennungsdauer der Eltern und der Wiederheirat zwischen dem Elternteil und dem Stiefelternteil (vgl. Hartl 2002a). 31 Weitere Untersuchungsergebnisse zeigen: Kinder aus Ostdeutschland sehen ihren außerhalb lebenden Elternteil weniger als Kinder aus Westdeutschland (vgl. Hartl 2002a; Marbach 1998; Walper und Gerhard 1999).

50

Stieffamilie

Tabelle 2.3: Klassifizierung der Selbstdefinitionen von Stieffamilien Typ Strukturebene Beziehungsebene (1) (2)

Gescheiterte Stieffamilie Als-ob-Normalfamilie

(3)

Erweiterte Stieffamilie

Als-ob-Normalfamilie

Kommunikations- und Handlungsebene Übernommene Stieffamilie Familie aus dem Nichts Integrierte Stieffamilie

Ambivalente Stieffamilie Aushandlungsfamilie Quellen: Berger (1996); Bien et al. (2002); Friedl und Maier-Aichen (1991); eigene Darstellung

(1) Die gescheiterte Stieffamilie konnte den Stiefelternteil nicht in die Familie integrieren. Das Kind lehnt diesen Erwachsenen als Stiefelternteil und Partner des Elternteils ab (vgl. Bien et al. 2002). Konflikte sind unausweichlich und das Risiko einer Trennung des Paares ist langfristig hochwahrscheinlich. (2) Die Als-ob-Normalfamilie nach Bien et al. (2002) und Friedl und MaierAichen (1991) leugnen ihre Besonderheiten, betrachten sich selbst als Kernfamilie und grenzen den anderen leiblichen Elternteil aus. Berger (1996) differenziert innerhalb dieser Selbstsicht die übernommene Stieffamilie, in der die Beziehungsmuster der ehemaligen Kernfamilie fortgesetzt werden und der Stiefelternteil den außerhalb lebenden Elternteil ersetzt, und die Familie aus dem Nichts, die die vergangene Familie verleugnet und die gegenwärtige Stieffamilie in den Fokus rückt. Die unterschiedlichen Beziehungswirklichkeiten der alten und neuen Familie werden geleugnet. Diese Systemstruktur kann sich vor allem dann negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung und die sozio-emotionale Entwicklung des Kindes auswirken, wenn das Kind den Kontakt zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil sucht (vgl. Berger 1996; Bien et al. 2002; Friedl und Maier-Aichen 1991). (3) Die erweiterte bzw. integrierte Stieffamilie hat ihre Familiengrenzen erweitert, sodass der soziale und der außerhalb lebende leibliche Elternteil mit ihren jeweiligen Herkunftsfamilien integriert sind (vgl. Bien et al. 2002) und vergangene Beziehungserfahrungen einbezogen werden (vgl. Berger 1996). Es wird haushaltsübergreifend kommuniziert und interagiert. Eine Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten wurde geschaffen. Die unterschiedlichen Beziehungen und Erziehungskompetenzen können sich auf diese Weise positiv entwickeln. Damit werden den Kindern Entwicklungsspielräume geschaffen. Die Kinderbetreuung wird auf leibliche bzw. soziale Eltern und deren Eltern verteilt (vgl. Bien et al. 2002). Innerhalb dieser Selbstdefinition differenzieren Friedl und Maier-Aichen (1991) die ambivalente Stieffamilie und die Aushandlungsfamilie, welche sich in ihrem Konfliktmaß unterscheiden. Die ambivalente Stieffamilie reflektiert in hohem Maße ihr eigenes Handeln. Die kognitive Ebene dominiert, worunter Authentizität, Emotionalität und Spontaneität leiden können. Die Aushandlungsfamilie entwickelt eine eigenständige Familienform, in der die Familienmitglieder flexibel

Untersuchungsansätze zu Stieffamilien

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und autonom agieren. Dieser letzte Typ (mit seinen beiden Subtypen) der klassifizierten Selbstdefinitionen bietet den Stiefeltern die beste Möglichkeit, eine geeignete Rolle innerhalb des Familiensystems zu finden. Als günstigste Stiefelternrolle stellt sich die freundschaftliche Mentorenrolle heraus (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Diese reduziert die Gefahr einer Konkurrenzsituation zwischen dem Stiefelternteil und seinem gleichgeschlechtlichen Gegenpart, überfordert ihn nicht und bietet den Kindern die Möglichkeit, eine eigenständige Beziehung zum Stiefelternteil zu pflegen, ohne dass sie in mögliche Loyalitätskonflikte gegenüber ihrem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil geraten (vgl. ebd.). Stieffamilien unterliegen spezifischen Herausforderungen, welche für Kernfamilien nicht gelten. Die Stieffamilie tendiert in ihren Beziehungen teilweise häufiger zu Unsicherheiten und zum Ausschluss eines Familienmitgliedes als andere Familienformen. Fühlt sich ein Stieffamilienmitglied nicht verstanden, besteht die Gefahr des Rückzugs und damit auch die Einnahme einer Außenseiterposition (vgl. Bliersbach 2000). Unterschiedliche Wahrnehmungen bergen Risiken: Elternteile können sich und ihre Kinder als Familie auffassen und ihren Partner allein als Partner wahrnehmen. In diesem Falle fällt es dem Stiefelternteil schwer, seinen Platz in der Familie zu finden. Aber auch Stiefeltern können die Kinder des Partners als nicht zu ihrer Partnerschaft zugehörig empfinden, was ein Konfliktpotenzial zwischen den Subsystemen in sich birgt (vgl. Krähenbühl et al. 2007). Im Gegensatz zur Bindungstheorie behält Michael Winkler auch die Bedürfnisse älterer Kinder nach Zuwendung und die Wandlungsfähigkeit von Bindungsbeziehungen im Blick. So können neue Formen von Bindungsbeziehungen auch bei älteren Kindern entstehen (vgl. Winkler 2012: 22). Dieser Faktor zeigt, dass eine enge Beziehung auch zwischen Stiefkindern und Stiefeltern möglich ist, bemühen sich die Stiefeltern empathisch und im für das Kind angemessenen Tempo um diese Beziehung. Jutta Ecarius geht in ihren Ausführungen speziell auf Stieffamilien näher ein. So verdeutlicht sie die bereits in Abschnitt 2.3 aufgeführten Ambivalenzen von Stiefeltern, welche in den Erziehungsprozess eingebunden sind, aber nicht die gleichen Rechte wie leibliche Eltern zugestanden bekommen. Innerhalb der Selbstdefinitionen von Stieffamilien von Bien et al. (2002) sieht sie ebenfalls besondere Stärken bei der Aushandlungsfamilie, welche das Risiko kindlicher Loyalitätskonflikte durch den Einbezug des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils reduziert. Die Aufgabe der Stieffamilie ist es zudem, eine eigene Identität als Familie zu entwickeln, darin die Erziehung zu definieren und Interaktionsmuster auszubilden, welche den Stiefelternteil einschließt und ihm Raum gibt und zugleich den abwesenden Elternteil nicht völlig ausblendet. Innerhalb dieser Beziehungs-

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Stieffamilie

strukturen findet Erziehung statt (vgl. Ecarius 2007). Die verantwortete Elternschaft enthält die Norm der bestmöglichen Förderung und des ständigen Einsatzes der leiblichen und sozialen Eltern als aufgeklärte Eltern und soziale Bezugspersonen. Dies zeigt sich im Rahmen der Unterstützung des kindlichen Wohlbefindens in einem reflexiven Handeln, einer intimen Kommunikationskultur und einer fortlaufenden Wissensaneignung über mögliche Risiken, Entwicklungsprobleme und Schäden des Kindes (vgl. Ecarius 2007: 153; Ecarius et al. 2017: 40). 2.5

Fazit

Eingangs wird auf die Problematik einer eindeutigen Definition des Begriffs Stieffamilie unter anderem dahingehend verwiesen, dass der gewählte Bezugspunkt relevant für die Arbeitsdefinition ist. Die in diesem Forschungsdesiderat verwendete Definition bezieht sich mit Hinblick auf die Forschungsfragen auf die Haushaltsebene. Wie die Verteilung im bundesdeutschen Raum aufzeigt, wird die Häufigkeit von Stieffamilien im Zuge gesellschaftlicher Prozesse voraussichtlich weiter zunehmen. Dabei stellt sich als Problem heraus, dass für Stieffamilien keine amtlichen Statistiken vorhanden sind und auf Schätzungen von deutschlandweiten Surveys zurückgegriffen werden muss. Die tatsächliche Verbreitung von Stieffamilien in der Bundesrepublik Deutschland ist demzufolge unbekannt. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verweisen auf positive Trends wie den Wandel der innerfamilialen Befehlsstrukturen und dem zugenommenen allgemeinen Wohlbefinden von Kindern in ihren Familien. Sie zeigen aber auch auf, dass die Familie an sich in der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft mehr Unterstützung im Rahmen postmoderner Entwicklungsprozesse bedarf, auch wenn die familieninternen Beziehungen verschiedenen Studienergebnissen zufolge als positiv verstärkender Rückhalt für Heranwachsende wahrgenommen wird. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Stieffamilien im Besonderen bieten dieser Familienform und ihren Mitgliedern noch zu wenig Sicherheit und verstärken eine eher defizitorientierte Sichtweise auf Stieffamilien. Der nächste Abschnitt dieses Kapitels zeigt die Vorzüge einer systemisch-entwicklungsbezogenen Sichtweise auf Stieffamilien auf. So vernachlässigen defizitorientierte Ansätze die besondere Natur von Stieffamilien und sind eher normativ orientiert. Cherlin’s Hypothese offenbart Problematiken von Stieffamilien, welche der politischen und gesellschaftlichen Unterstützung bedürfen. Die systemisch-entwicklungsorientierten Ansätze berücksichtigen die Besonderheiten der genannten Familienform, ohne dabei normativ zu bewerten. Die Gründung einer Stieffamilie kann unterschiedliche Einflüsse auf das Kind ausüben. Das Kind kann sich zurückgesetzt fühlen, den Stiefelternteil nicht akzeptieren oder von ihm abgewiesen werden. Es kann aber auch durch den

Fazit

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Stiefelternteil Inspiration, Geborgenheit oder neuartige, interessante Handlungsmuster erfahren, wodurch Lernprozesse angestoßen werden können. Das bedeutet eine Bereicherung des Kindes durch die hinzugewonnenen Lernmöglichkeiten. Die Beziehungsstrukturen, innerhalb derer ein Kind aufwächst, sind folglich zu betrachten. Dabei können die Besonderheiten der Familienform als mögliche Chancen oder Risiken für das kindliche Lernpotenzial gelten, je nachdem, wie die Erwachsenen mit den spezifischen Herausforderungen umgehen. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht ist eine systemisch-entwicklungsorientierte Denkweise zu bevorzugen, da sie die unterschiedlichen Einflussmechanismen in den Lernund Erziehungsprozessen innerhalb der Familie berücksichtigt. Die systemischentwicklungsbezogenen Besonderheiten von Stieffamilien zeigen stieffamilientypische Merkmale auf. An dieser Stelle sei noch einmal auf Michael Winklers Forderung nach stabilen Lebensverhältnissen und sozialen wie kulturellen Sicherheiten verwiesen (vgl. Winkler 2012: 109). Stieffamilien sind komplex, haben häufig Brüche in ihrer Vergangenheit erlebt und sind mit Vorurteilen gegenüber ihrer Familienform konfrontiert. Ihre Familienmitglieder können unterschiedliche Sichtweisen davon haben, wer zur eigenen Familie gehört. Diese Herausforderungen verlangen nach Sicherheit in Form gesetzlicher und familienpolitischer Rahmenbedingungen, um auch für Kinder in Stieffamilien gleichrangige Entwicklungs- und Lernbedingungen zu gewährleisten. Die unzureichend vorhandene Sicherheit unterstreicht die aufgestellte These, dass Stieffamilien von ihren Familienmitgliedern ausgereifte Beziehungs- und Erziehungskompetenzen einfordern, wollen diese Familien langfristig zum Wohle aller Familienmitglieder funktionieren sowie emotionale Stabilität, das Wohlbefinden des Einzelnen und die kindliche Kompetenzentwicklung fördern.

3

Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Dieses Forschungsdesiderat untersucht Stieffamilien dahingehend, wie die Beziehungsqualität leiblicher und sozialer Eltern die emotionale Sicherheit und das prosoziales Verhalten des Kindes beeinflusst. Diese Arbeit betrachtet die elterliche Erziehung als möglichen Mediator. Die Altersspanne der Bezugskinder reicht von der mittleren Kindheit bis zur Jugend. Das vorliegende Kapitel grenzt den Untersuchungsgegenstand ein. Es beginnt mit der Vorstellung des innerfamilialen Kontextes (3.1), erläutert die Paarbeziehung und die Beziehungsqualität (3.2), geht näher auf den Lern- und den Kompetenzbegriff ein (3.3) und beschreibt zentrale Lernprozesse in der mittleren Kindheit und Jugend in den Kompetenzbereichen der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens (3.4). Es betrachtet die Erziehung und die Elternkompetenzen (3.5). Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung (3.6). 3.1

Innerfamilialer Kontext

Erziehungswissenschaftler betonen die Einbindung der Familie, ihrer Erziehung und ihrer Beziehungen in den jeweiligen zeitgeschichtlichen wie gesellschaftlichen Horizont (vgl. Abschnitt 2.3). Ihre gegenwärtigen, im westlichen Kulturkreis überwiegend auftretenden Muster sind nicht ohne Weiteres mit denen aus anderen Kulturen und Zeitepochen vergleichbar. Zugleich ist die Familie bereits innerhalb eines Kulturkreises an soziale und kulturelle Ungleichheitsstrukturen gebunden (vgl. u. a. Ecarius 2007: 148; Liegle 2017; Winkler 2012). Deshalb konzentrieren sich die Ausführungen in diesem Abschnitt und in den nachfolgenden Kapiteln vorwiegend auf die jüngeren Erkenntnisse aus dem westlichen Kulturkreis.

3.1.1 Besonderheiten der Familie als Lern- und Erziehungsort Die Familie weist als eigenständiges Gruppenhandlungsfeld (vgl. Liegle 1984: 322) im Vergleich zu anderen Lern- und Erziehungsorten, wie zum Beispiel der

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_3

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Schule oder dem Kindergarten, einige spezifische, einzigartige Merkmale auf. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit ausgewählten Besonderheiten der Familie und geht näher auf (1) die Leistungen der Familie, (2) ihre Bedeutung, (3) die grundlegende Struktur familialer Erziehungsprozesse und (4) die Individualität der familialen Erziehung ein. (1) Die Familie bildet einen primären sozio-emotionalen und kognitiven Lernort für Kinder, in welchem die Eltern Leistungen der Fürsorge, Pflege, Betreuung, Erziehung und Beziehung gegenüber ihren Kindern ausüben. Von Geburt an fördern die Eltern die emotionale, soziale und kognitive Kompetenzentwicklung des Kindes und leisten dadurch einen wichtigen Beitrag bei der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung. Die Eltern arrangieren in diesem Rahmen Lern-, Bildungs- und Entwicklungsangebote (vgl. u. a. Büchner 2011; Fuhrer 2009; Schneider 2011). Die Familie vermittelt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Sie führt das Kind durch erzieherische Prozesse und die Vermittlung von Werten und Einstellungen in die gesellschaftlichen Strukturen ein. Als primärer Bildungsort gibt die Familie dem Kind Orientierung und unterstützt es, grundlegende Kompetenzen in Erziehungs- und Lernprozessen zu erwerben. Dies betrifft weniger das Wissen und die Fähigkeiten, welche sich Kinder in Bildungseinrichtungen wie der Schule aneignen, sondern es handelt sich vor allem um Haltungen, Einstellungen und Interaktionsformen im Sinne der Heranbildung einer gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit (vgl. u. a. Böhnisch und Schröer 2011; Büchner 2011; Ecarius 2003; Herzberg 2011; Jürgens 1989; Liegle 2017; Winkler 2012). Die Haltungen und Einstellungen beziehen sich auf solche zu sich selbst, zu anderen, Werte, Normen und ethische Grundsätze. Sie spiegeln sich in Interaktionsformen insoweit wieder, wie das Kind als emotional sicheres Individuum uneingeschränkt danach handeln kann. Unsicherheiten in der emotionalen Sicherheit können diese Handlungsprozesse einschränken (vgl. Macha 2011; Winkler 2012). Die Leistungen der Familie zeigen sich im Alltag durch Handlungen, welche die gemeinsame Lebenspraxis erhalten wollen (vgl. u. a. Mollenhauer et al. 1978; Schneider 2011; Winkler 2012: 25). Im Zuge dessen unterstützt sie auch das individuelle Wohlbefinden der Familienmitglieder und ihre emotionale Stabilisierung. Damit bietet die Familie idealerweise einen Ort der Geborgenheit, Sicherheit, Anregung und emotionalen Nähe, in der das Kind seine Fähigkeiten entwickeln kann und seine Bedürfnisse berücksichtigt werden. Zusätzlich dient die Familie der Fortpflanzung, der Haushaltsführung, der Gesundheit, der Erholung und der wechselseitigen Hilfe (vgl. u. a. Ecarius 2002: 37f.; Lange 2007, 2011; Schneider 2011). (2) Der Familie kommt bei der Erziehung und Entwicklung der Kinder eine bedeutsame, wenn nicht sogar die wichtigste Funktion zu (vgl. u. a. Grundmann

Innerfamilialer Kontext

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und Hoffmeister 2011; Liegle 2017; Tschöpe-Scheffler 2005). Sie verfügt über Fähigkeiten, welche in anderen Gruppen nicht so ohne Weiteres herstellbar sind. Konkret benennt Ludwig Liegle „(…) die Vermittlung von Gefühlen der Zugehörigkeit, des Vertrauens etc., die Toleranz gegenüber Lebensäußerungen wie Angst, Aggression und Sexualität; die Möglichkeit, akute Spannungen und Konflikte, gegensätzliche Erwartungen und Bedürfnisse auf dem Hintergrund dauerhafter Sympathiebeziehungen auszuhalten und auszuhandeln“ (Liegle 1984: 326).

Aufgrund der damit einhergehenden familialen Beziehungsstruktur wirken familiale Erziehungs- und Lernprozesse nachhaltiger auf aktuelle und zukünftige Lernerfahrungen als andere Lernumgebungen: „(…) Zweitens erweisen sich, wie zahlreiche Studien ergeben haben, die Erziehungs- und Lernprozesse im Kontext familialer Generationenbeziehungen als wirksamer im Vergleich zu den Erziehungs- und Lernprozessen im Kontext des Bildungssystems bzw. im Kontext der Beziehungen zwischen Gesellschaftsgenerationen, wirksamer zum Beispiel im Sinne der Übertragbarkeit des Gelernten auf andere als die ursprünglichen Lernkontexte sowie im Sinne der Nachhaltigkeit der Wirkungen des Gelernten im Rahmen der individuellen Lebensspanne. Diese Forschungsbefunde kann man versuchsweise dahingehend interpretieren, dass die Beziehungspraxis und die von dieser geprägten Erziehungs- und Lernprozesse eine Alltagsnähe und eine emotionale Tiefenstruktur (durchaus ambivalenter Natur) aufweisen, die in der Beziehungspraxis im öffentlichen Bildungssystem nicht im selben Ausmaß anzutreffen sind“ (Liegle 2017: 23).

Wissenschaftliche Studien zur Bindungs-, Kleinkind-, Kindheits- und Jugendforschung bestätigen die entscheidende Bedeutung der Familie für die kindlichen Entwicklungs- und Lernprozesse. Das US-amerikanische National Institute of Child Health and Human Development kommt in seiner umfangreichen SECCYD-Studie (The Study of Early Child Care and Youth Development) zu dem Ergebnis, dass sich die Merkmale der Eltern und der Familie stärker auf die kindliche Entwicklung auswirken als die außerhäusliche Kleinkindbetreuung.32 So beeinflussen die soziale und kognitive Qualität des häuslichen Umfelds die kindliche 32

Die Studie des NICHD (National Institute of Child Health an Human Development) untersucht verschiedene Einflussfaktoren auf die intellektuelle, soziale und emotionale Entwicklung von Kleinkindern (vgl. NICHD Early Child Care Research Network 1998, 2006b). Sie gliedert sich in vier Phasen in den Jahren 1991 bis 2007 und begann mit 1 364 Teilnehmern. Untersucht wurden Kinder in neun Bundesstaaten der USA. Am häufigsten konzentrieren sich die Untersuchungsergebnisse auf Kinder bis zu 4.5 Jahren. Ergebnisse zu älteren Kindern liegen aber ebenfalls vor (vgl. NICHD Early Child Care Research Network 2006b). Sie gilt aufgrund ihres Auswahlverfahrens als nicht-repräsentativ für die USA (vgl. Textor).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Entwicklung und Kompetenzausbildung. Je weniger ein Kind außerhäuslich betreut wird, desto stärker wirken die familiären Effekte (vgl. NICHD Early Child Care Research Network 1998). Aber auch bei Heranwachsenden wird die Bedeutung der Familie und der Eltern für die Kinder in verschiedenen Studien hervorgehoben. Die Familie kristallisiert sich für eine große Mehrheit der Heranwachsenden als einen „Ort der Geborgenheit, des Vertrauens und der positiven Unterstützung“ heraus (mpfs 2012: 11) und besitzt einen hohen und zugleich weiterhin wachsenden Stellenwert (vgl. Haumann 2006; Leven et al. 2010, 2015). Die Eltern stellen wichtige Bezugs- und Vertrauenspersonen für die Heranwachsenden dar. Ein solches Klima unterstützt das kindliche Wohlbefinden und schafft ein förderliches Lernmilieu für die Kompetenzentwicklung. Dabei übt die Familie einen stärkeren Einfluss auf das kindliche Wohlbefinden aus als die Schule, der Freundeskreis oder das Wohnumfeld (vgl. LBS-Gruppe und PROSOZ Institut für Sozialforschung 2014: 51).33 Die Bedeutung der Familie für das kindliche Aufwachsen kann demzufolge anhand ihrer Einflüsse auf die Kompetenzentwicklung und die Befindlichkeit des Kindes (auch im Jugendalter) bestätigt werden. Liegle hat die Mechanismen mit den weiter oben aufgeführten Zitaten treffend zusammengefasst. (3) Eine weitere Besonderheit der Familie bildet die grundlegende Struktur familialer Erziehungs- und Lernprozesse. Als komplexes Lernfeld besitzt die Familie die Struktur des Alltagshandelns. Innerfamiliales Lernen und elterliche Erziehung vollziehen sich im Familienalltag und zielen teilweise auf andere Lerninhalte als die Schule (vgl. u. a. Büchner 2011; Ecarius 2002, 2003, 2010; Liegle 1984, 1989, 2017; Macha 2011; Mollenhauer et al. 1978; Schneider 2011; Schweitzer 2002; Winkler 2012). Eltern gestalten den familialen Alltag, den kindlichen Erfahrungsraum, das Schließen und Öffnen familialer Grenzen und sind nicht auf Erziehung spezialisiert (vgl. Liegle 2017; Winkler 2012). Die Familie ist „ihren Mitgliedern überwiegend in den alltäglichen Interaktionen gegeben, in denen sie versuchen müssen, die für die Erhaltung der Gruppe notwendige Verständigung (Kommunikation) zu vollbringen“ (Mollenhauer et al. 1978: 9). Diese Alltagsstruktur bildet eine wesentliche Grundvoraussetzung für das Erlernen von Handlungsfähigkeit (vgl. Liegle 2017: 30) und den Erhalt der gemeinsamen Lebenspraxis (vgl. Winkler 2012). Zusätzlich bildet sie ein Konfliktfeld, in welchem unterschiedliche Bedürfnisse, Erfahrungen und Intentionen der Familienmitglieder aufeinandertreffen und der Kompromisse bedürfen (vgl. Mollenhauer et al. 33

Der LBS-Kinderbarometer befragt seit dem Jahr 2007 Kinder zwischen neun und 14 Jahren im gesamten deutschen Bundesgebiet mithilfe einer Zufallsstichprobe und standardisierten, schriftlichen Fragebögen. Er ist eine Querschnittstudie, welche kontinuierlich wiederholt wird. Im Jahr 2013 nahmen 10 800 Kinder an der Befragung teil (nähere Informationen zur Studie: LBS-Gruppe und PROSOZ Institut für Sozialforschung 2014).

Innerfamilialer Kontext

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1978: 86). Daraus ergeben sich zwei Grundmuster innerhalb von Familien: die Kommunikation und Interaktion auf der einen Seite und das Konfliktpotenzial auf der anderen Seite. Regeln und Rituale unterstützen das Alltagshandeln und können ein mögliches Konfliktpotenzial reduzieren. Das Gelingen des familialen Alltagslebens ist abhängig von den verfügbaren Ressourcen zur Alltagsgestaltung und den zu erlernenden Kompetenzen, mit diesen Ressourcen sorgsam, solidarisch und nutzbringend umzugehen (vgl. Schweitzer 2002: 272). Die Familie bildet aber nicht nur ein grundlegendes Lern- und Erziehungsmilieu für Kinder. Sie gestaltet sich zudem – im Sinne einer symbolisch-interaktionistischen Denkweise – als ein nach Regeln geordnetes Lernmilieu mit einem hohen Grad an Individualität. Keine Familie gleicht der anderen. Zu den Regeln gehören neben Interaktionsregeln auch solche der Darstellung und Mitteilung von Erfahrungen, also der kognitiven Schemata (vgl. Mollenhauer et al. 1978).34 Jedes Familienmitglied verfügt über eine eigene Identität, entwickelt diese über Rollendiskussionen und Ambiguitätstoleranz und fügt sich in die Erwartungen der anderen Familienmitglieder ein. Die so geschaffenen Verbindlichkeiten folgen Regeln (vgl. Winkler 2012). Die Interaktionsschemata beinhalten Machtdimensionen. Familienerziehung als Interaktion beruht auf vermuteten oder gestellten Erwartungen zwischen den Familienmitgliedern, den einzelnen Identitäten und den darin eingebetteten Machtdimensionen zwischen und innerhalb der einzelnen Subsysteme. Die wechselseitigen Erwartungen werden in Schemata organisiert. Die Familienerziehung und -interaktionen sind konflikthaft, widersprüchlich und häufig paradox. Auch hegen Eltern gegenüber ihren Kindern Erwartungen, welche Eltern-Kind-Konflikte auslösen können. (4) Auch wenn die Familie in ihren gesellschaftlichen und soziokulturellen Zusammenhang eingebunden ist, verfügt eine Familie und die in ihr stattfindende Erziehung über eine individualisierte Natur. Familienerziehung wird von ihren Mitgliedern selbst gestaltet im Sinne einer Autonomie der familiären Lebenspraxis (vgl. Winkler 2012, 2015). Daraus ergibt sich nicht nur eine Pluralität der Lebensformen, wie sie bereits in Abschnitt 2.2 aufgeführt wurde. Auch innerhalb einer Familienform existieren individuelle, eigene Muster des Zusammenlebens, der Alltagspraktiken, der Rituale, der Beziehungsgestaltung sowie der Kommunikation und der Interaktion. Dies ist der Besonderheit von Familie geschuldet, in welcher Eltern und Kinder in enger Interaktion und Kommunikation miteinander agieren, intensive Beziehungen zueinander pflegen, aufeinander reagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Familienthemen zeigen die grundsätzliche Wertestruktur 34

Der Begriff kognitive Schemata geht auf den Psychologen Jean Piaget zurück. Diese bilden relativ stabile, bewusste und unbewusste Ordnungsstrukturen, welche Umwelteindrücke und Erfahrungen in den eigenen Wissensbestand aufnehmen und einordnen. Sie steuern damit die Informationsverarbeitung und das Verhalten, sind ziel- wie handlungsorientiert und von Emotionen begleitet (vgl. Köck und Ott 2002: 609; Schuch 2000).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

von Familien auf, indem sie das, was den Familien wichtig ist, in den Alltag als Handlungskonfigurationen transferieren (vgl. Ecarius 2002, 2003, 2007). Sie ergeben sich aus inter- und intragenerationalen Erfahrungen, welche auf familialen Sinnstrukturen und kognitiven Schemata der familialen Interaktion beruhen. „Das Familienthema offenbart die spezifische Art und Weise der Interaktion, mit der jede nachfolgende Generation über Regeln, Sichtweisen und Bildungsanforderungen konfrontiert wird“ (Ecarius 2002: 101). Familienthemen bieten damit Orientierungen für das Handeln und werden in Interaktionen weitervermittelt: „Familienthemen enthalten Möglichkeiten des Handelns und der biografischen Strukturierung. Sie eröffnen Wege, aber sie begrenzen auch und manifestieren das Subjekt. Sie sind richtungsweisend und hemmend zugleich. In alltäglichen Interaktionsstrukturen und Aushandlungsprozessen werden Familienthemen innerhalb der Generationsbeziehung transformiert“ (Ecarius 2003: 544).

Dabei können sich die Familienthemen über Generationen hinweg verändern und die Ausgestaltung der Beziehungsstrukturen kann ihre Bedeutung für die nachwachsende Generation beeinflussen, wie Jutta Ecarius in ihrer Studie aus dem Jahr 2002 eindeutig vermittelt hat (vgl. Ecarius 2002). Mit den Familienthemen verwandt sind die bereits in Abschnitt 2.4.3 aufgeführten Familiengeschichten. Beide entstehen durch gemeinsame Erfahrungen. Diese Ausführungen verdeutlichen ausschnitthaft den besonderen Charakter von Familie und den in ihr stattfindenden Lern- und Erziehungsstrukturen. Deren Nachhaltigkeit sucht seinesgleichen. Insgesamt bildet die Familie ein Beziehungssystem, welches als Anker von Lebensführung und Lebensgestaltung fungiert und von internen wie externen Faktoren des Familiensystems geprägt wird (vgl. u. a. Liegle 2017; Mollenhauer et al. 1978; Schneider 2011). Die Strukturen sind somit individuell ausgestaltet und auf das Alltagshandeln ausgerichtet. Dabei bekommen die innerfamiliären Kommunikationsprozesse (Häufigkeit und Stil) sowie die innerfamiliären Beziehungen mit ihren Qualitäten wie ihren Tiefenstrukturen eine besondere Bedeutung auf die genannten Aspekte und die Lernbereitschaft, -fähigkeit und -prozesse des Kindes (vgl. Liegle 1984, 2017). Im Rahmen familialer Erziehungs- und Lernprozesse entwickeln Kinder unter anderem ihre eigene Wertestruktur, Haltungen und ihre sozio-emotionalen Kompetenzen. Darunter befinden sich auch die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten.

Innerfamilialer Kontext

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3.1.2 Erziehungsinhalte und Beziehungsstrukturen Die Familienerziehung beinhaltet nach Jutta Ecarius zwei verschiedene, eng miteinander verschränkte Bereiche, welche den Gegenstand dieser Untersuchung genauer ausdifferenzieren können. Nach Ecarius gestaltet sich die Erziehung innerhalb der Familie als ein dynamisches Geschehen, welches die kindlichen Entwicklungsprozesse und die Prozesse des Älterwerdens der Eltern beinhaltet, Inhalte und Beziehungsstrukturen von Erziehung umfasst, welche teilweise mit den im vorangegangenen Absatz angesprochenen Familienthemen verflochten sind. Die Erziehungsinhalte und Beziehungsstrukturen sind eng miteinander verknüpft (vgl. Ecarius 2002, 2007, 2010). Die Erziehungsinhalte umfassen Erziehungsregeln, das Bild vom Menschen, vom Zögling (z. B. Ausmaß an Autonomie bzw. Unterordnung), Lern- und Bildungsanforderungen sowie die Gestaltungsräume in Bezug auf Familie und Freizeit (vgl. Ecarius 2002: 48f.). Von zentraler Bedeutung für diese Arbeit ist das Bild vom Kind, welches auf die elterliche Haltung zum Kind verweist und darauf basierend die elterlichen Umgangsformen mit dem Kind konstituiert. Wollen Eltern ihrer Verantwortung, aber auch ihren eigenen Ansprüchen, gerecht werden, ist eine pädagogisch-ethische Grundhaltung hilfreich. Die Familie schafft den Rahmen für das kindliche Aufwachsen. Als primärer, emotional essenzieller Bezugspunkt dienen Eltern und ihre Wertestruktur dem Kind dazu, seine spezifische Wahrnehmung, Deutung und Einstellung zur Welt zu erlernen und Orientierung innerhalb der Welt zu finden (vgl. Brezinka 1993: 220; Macha 2011: 9). Das innerfamiliäre Erziehungs- und Beziehungsgeschehen verpflichtet die Eltern Verantwortung für ihre Kinder und die Familie zu übernehmen. Es gilt im Zuge dessen, eine verlässliche, gemeinsame Wertestruktur und eine stabile – zugleich dynamische – Familienstruktur herzustellen und zu vermitteln (vgl. Brezinka 1993: 219; Macha 2011; Winkler 2012). Dies fängt beim Schutz des psychischen, gesundheitlichen und sozialen Kindeswohls an und beinhaltet eine entwicklungsfördernde Haltung. Dazu gehört es, das Kind in seiner Person und Persönlichkeit anzunehmen, sich für das Kind, die Eltern-Kind-Beziehung und die Erziehung zuständig zu fühlen und die Elternrolle zu übernehmen (vgl. Tschöpe-Scheffler 2013). Diese Haltung legt den Grundstein für ein positives Erziehungsverhalten, einen wertschätzenden Umgang mit dem Kind und für die Entwicklung einer sicheren Bindung des Kindes zu seinen Eltern (vgl. Ainsworth et al. 2011; Bowlby 2006, 2010; Keppler et al. 2002; Liegle 2017; Papastefanou und Hofer 2002; Tschöpe-Scheffler 2013). Der Charakter dieser elterlichen Haltung ist für eine verantwortete Elternschaft, für die elterlichen Erziehungs- und kindlichen Lernprozesse essenziell, weshalb ihm im vierten Kapitel ein eigener Abschnitt gewidmet wird.

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Die Beziehungsstrukturen zeigen auf, wie die Erziehung gestaltet ist. Hier geht es um das familiale Generationengefüge, die ambivalente Beziehungsstruktur zwischen Nähe und Distanz, die symmetrische und asymmetrische Machtbalance und die jeweilige Position in der Generationenbeziehung (vgl. Ecarius 2002, 2007; Ecarius et al. 2017). Die Strukturmuster der Beziehungen sind von Ambivalenz gekennzeichnet. Das Aufeinandertreffen von Interessen und Intentionen der Eltern und Kinder führt zu diesen Ambivalenzen, welche in unterschiedlichen Ausprägungen von Nähe und Distanz sichtbar werden (vgl. Ecarius 2007: 148). Diese Ambivalenzen und die in Abschnitt 2.3 ausgeführten gesellschaftlichen Tendenzen der Moderne und Postmoderne erfordern eine fortwährende aktive Beziehungsarbeit der Familienmitglieder (vgl. u. a. Ecarius et al. 2017; Jurczyk 2014). Das hier untersuchte Generationengefüge setzt sich aus der Paarbeziehung und der Eltern-Kind-Beziehung zusammen, die Großelterngeneration wird ausgeschlossen. Die Position innerhalb des Generationengefüges bildet die des Kindes und die des Elternteils. Die Machtbalance zeigt auf, ob eher ein Befehls- oder ein Verhandlungshaushalt besteht (vgl. Abschnitt 2.3). Die Beziehungsstruktur im Sinne einer Balance von Nähe und Distanz muss ausführlicher besprochen werden, da sie auf die Bedeutung der emotionalen Nähe für kindliche Lernprozesse innerhalb der Familie verweist. Die Balance zwischen Nähe und Distanz zeigt sich in den verschiedenen Beziehungsdyaden (Paar, Eltern-Kind, Geschwister), vermittelt die Qualität der jeweiligen Beziehungen und wirkt sich auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung und die Kompetenzentwicklung des Kindes aus. Die Mutter und der Vater sind wichtige Bezugs- und Erziehungspersonen für das Kind. Emotionale Nähe wird von beiden Elternteilen vermittelt durch Liebe, Fürsorge, Unterstützung und emotionale Wärme gegenüber dem Kind. Ein hoher Grad an emotionaler Nähe bildet nach den Studienergebnissen von Ecarius eine wichtige Ressource, um Schicksalsschläge gemeinsam zu verarbeiten, sich gegenseitig trotz unterschiedlicher Bedürfnisse zu unterstützen, im Falle von Konflikten keine langfristigen Verletzungen und keine Störung der Bindung zu verursachen und Bildungsaspirationen erfolgreich an die Kinder weiter zu vermitteln (vgl. Ecarius 2002). Emotionale Nähe wird dabei unter anderem durch eine intime Kommunikationskultur hergestellt. Diese impliziert die elterliche Fähigkeit, dem Kind zuzuhören, ihm gegenüber Verständnis zu zeigen und es insbesondere ab dem Jugendalter zu beraten (vgl. Ecarius et al. 2017). Emotionale Distanz kann sich in Kälte, Vernachlässigung oder Gleichgültigkeit ausdrücken. Das Kind hat in der Folge Probleme, ein Selbstbewusstsein heranzubilden, es fühlt Einsamkeit, es sehnt sich nach Liebe, es ist sich unsicher, es kann keinen Lebensplan entwickeln und es fehlt ihm an Handlungsorientierung (vgl. Ecarius 2002). Die emotionale Nähe bildet damit einen

Paarbeziehung und Beziehungsqualität

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entscheidenden, unterstützenden Faktor für die kindliche Kompetenzentwicklung. Dies gilt auch, wenn zwischen den Generationen eine eher asymmetrische Machtbalance vorherrscht (vgl. ebd.). Die emotionale Nähe zeigt sich im Alltag durch die eingesetzten Erziehungspraktiken und konkreten Handlungen der emotionalen Anerkennung, also wie der Elternteil auf das kindliche Verhalten reagiert, gegenüber dem Kind agiert und mit ihm kommuniziert. Die Bedeutung der innerfamiliären emotionalen Nähe für kindliche Lernprozesse wird im Rahmen von familiären Interaktionen noch einmal deutlich: „In familialen Interaktionsbeziehungen besteht – im idealen Fall – die Anerkennung des Subjekts, die Unterstützung und der Aufbau von Vertrauen, die Achtung und Schätzung des Anderen sowie die Anerkennung des eigenen Selbst, das ebenfalls zu Selbstachtung und Selbstschätzung sowie zu Selbstvertrauen führt. Dies gilt für die älteren Generationen untereinander als auch für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern“ (Ecarius 2010: 18).

Die Interaktionen sollen damit warmherziger, wertschätzender, vertrauensbildender Natur sein, soll das Kind emotional sicher und prosozial agieren. Innerfamiliäre Konflikte können dabei auftreten, sie können allerdings bei einer ansonsten förderlichen Interaktionskultur die Familienbeziehungen nicht gefährden. Ecarius bezieht die Elternebene in ihren Ausführungen explizit mit ein. Auch deren Beziehungsqualität beeinflusst das Selbstvertrauen der Erwachsenen. Bewahrheitet sich diese Annahme, könnte die Beziehungsqualität auch das selbsteingeschätzte Kompetenzniveau der Eltern und gegebenenfalls das elterliche Erziehungsverhalten beeinflussen. Die Bedeutung der Haltung zum Kind wie der emotionalen Nähe für innerfamiliale Beziehungs-, Erziehungs- und Lernprozesse und die dabei zugrunde liegenden Mechanismen werden in Kapitel 4 genauer reflektiert. 3.2

Paarbeziehung und Beziehungsqualität

Die Paarbeziehung und ihre Qualität sind kein vorrangiger Untersuchungsgegenstand der Erziehungswissenschaft. Sie bilden jedoch als Teil des Familiensystems und seiner Prozesse eine elementare Grundlage für die Eltern-Kind-Beziehung, die elterlichen Erziehungs- und die kindlichen innerfamilialen Lernprozesse. Ihre Kommunikations- und Interaktionsmuster beeinflussen die genannten Bereiche, wobei sich der Zusammenhalt und die Kooperation der Eltern günstig auf innerfamiliale Erziehungs- und Lernprozesse auswirken (vgl. u. a. Liegle 1984; Mollenhauer et al. 1978; Schütze 1989; Winkler 2012). Die unterschiedlichen Geschlechtsrollen und Persönlichkeitsmerkmale der Eltern helfen dem Kind, sich mit

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

dem jeweils anderen Geschlecht, den jeweiligen Verhaltensmustern und der Elternfigur auseinanderzusetzen. Es entwickelt daraus unter anderem seine eigene Geschlechtsidentität (vgl. Schütze 1989; Winkler 2012: 20). Auch lernt es, dass Verhaltensmuster verschieden und zugleich gleichwertig sein können, dass es elterliche Erwartungen erfüllen kann, ohne sich gegen ein Elternteil stellen zu müssen. Diese Punkte legen den Grundstein für die Kompetenz „Rollenhandeln“ des Heranwachsenden (vgl. Schütze 1989: 58). Daraus ergibt sich eine Notwendigkeit von Zusammenhalt und Zusammenarbeit der Eltern. Eine weitere These dieser Arbeit lautet, dass genau hier die Beziehungsqualität zum Tragen kommt. Sie kann demzufolge diese Form der Interaktions- und Kommunikationsmuster des Paares und damit das Familiensystem insgesamt stärken. Weiterhin stärkt sie das elterliche Wohlbefinden, welches eine Grundlage für eine gelingende Erziehung und damit in der Konsequenz für das kindliche Wohlbefinden darstellt (vgl. Ecarius et al. 2017: 166; Reicherts und Genoud 2011: 388-393). Zuletzt stellt die Paarbeziehung für Kinder ein Lernmodell für Beziehungsprozesse dar (vgl. Mollenhauer et al. 1978: 110; Reicherts und Genoud 2011: 377f.; nähere Ausführungen in Abschnitt 4.1.2). Im Zuge dessen widmet sich dieser Abschnitt einer theoretischen Herleitung und einer Operationalisierung der Beziehungsqualität. Die Beziehungsqualität und die Partnerschaft werden in der Forschungsliteratur nicht konsistent und einheitlich definiert, operationalisiert und konstruiert. Vorwiegend wird sie in der Psychologie und Soziologie untersucht. Deren theoretische und empirische Forschung dient als Grundlage für die nachfolgende Begriffsklärung. Die Definition der Paarbeziehung hängt mit der jeweiligen Schwerpunktsetzung der einzelnen Modelle zusammen (vgl. zus. fas. bei Lösel und Bender 2003: 45). Da diese Arbeit einem systemisch-entwicklungsbezogenen Paradigma folgt (vgl. Abschnitt 2.4.2), stehen systemische und Prozessmodelle im Fokus. Eine systemische Betrachtungsweise definiert eine Partnerbeziehung als interdependente, intime Beziehung, in welcher das Verhalten, die Emotionen und die Gedanken der Partner miteinander verbunden sind (vgl. Clark und Reis 1988: 611). Konkret zählen Paarbeziehungen zu den intimen Beziehungssystemen, welche sich durch die Dimensionen Abgrenzung, Privatheit, Dauerhaftigkeit sowie physische, geistige und emotionale Nähe kennzeichnen lassen (vgl. Schneewind 2010: 25f.). Prozessmodelle dienen dazu, sich dem Begriff Partnerschaft aus entwicklungsbezogener Sicht anzunähern. Danach gilt das Paar als ein Subsystem innerhalb der Familie mit einer gemeinsamen Beziehungsgeschichte, gemeinsamen Entwicklungsaufgaben und gemeinsamen Zielen (vgl. zus. fas. bei Schneewind und Wunderer 2003). Die gemeinsame Beziehungsgeschichte vermittelt, was das Paar in welcher Weise gemeinsam erlebt hat und wie diese Erlebnisse einzeln und gemeinsam gedeutet

Paarbeziehung und Beziehungsqualität

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werden, in welchem Tempo sie die jeweils nächsten Beziehungsetappen eingegangen sind (z. B. der erste Kuss, Haushaltszusammenführung) und wie die gemeinsamen Erlebnisse erzählt werden. Die Vergangenheit wirkt dabei in der Gegenwart fort. Die gemeinsamen Entwicklungsaufgaben werden in verschiedenen Prozessmodellen beschrieben (vgl. zus. fas. bei ebd.). Die gemeinsamen Ziele können sich im Verlauf der Partnerschaft verändern, können unterschiedlich gedeutet werden und bedürfen ständiger Kommunikation und Abstimmung zwischen den Partnern. Heidbrink et al. (2009) grenzen die Partnerschaft von anderen sozialen Beziehungen ab, indem sie den Exklusivitätsanspruch der Liebe als entscheidendes Merkmal von Partnerbeziehungen herausstellen (vgl. ebd.: 80; siehe auch Gagliardi 2015: 106). Anhand dieser kurzen Ausführungen kann die Partnerschaft folgendermaßen definiert werden: Die Partnerschaft bildet eine dauerhafte, interdependente, intime Beziehung, welche durch physische, geistige und emotionale Nähe gekennzeichnet ist, auf eine gemeinsame Geschichte zurückgreifen kann und ihre Gegenwart und Zukunft durch Kommunikations- und Abstimmungsprozesse aktiv gestaltet. Der Begriff Qualität offenbart nach seiner Wortherkunft aus dem lateinischen Wort qualitas die Beschaffenheit oder Eigenschaft einer Sache oder Person. Im neutralen Sprachgebrauch umfasst er die Gesamtheit der innewohnenden charakteristischen Eigenschaften. Im Sinne einer wertenden Begriffsverwendung charakterisiert die Qualität die positiven Eigenschaften bzw. die Güte einer Person bzw. einer Sache (vgl. Dudenredaktion o. J.). In Anlehnung an Spanier (1976) wird „Qualität“ in Bezug auf die Partnerschaft wertend gebraucht.35 Die Beziehungsqualität als Güte einer Partnerschaft bildet ein mehrdimensionales Konstrukt. Was darunter zu verstehen ist, ist nicht losgelöst vom gesellschaftlichen Rahmen, Zeitgeist und der Schwerpunktsetzung der Modelle. Sie ist das Resultat von Partnerund Umweltmerkmalen und wird von den Partnern selbst konstruiert (vgl. Felser 2007: 476). Allgemein kann die Beziehungsqualität mit dem Blick auf das verwendete Verständnis von Partnerschaft wie folgt definiert werden: Die Beziehungsqualität gibt nach einem gegenwärtigen Verständnis innerhalb der westlichen Kultur eine Auskunft darüber, wie ausgeprägt die emotionale, geistige und physische Nähe zwischen den Partnern ist und 35

Generell wird der Begriff „Qualität“ der Partnerschaft wertend definiert, zum Beispiel bei Banse (2003); Bodenmann (2000); Bodenmann und Cina (2000); Bodenmann und Fux Brändli (2011); Brandtstädter und Felser (2003); Bray et al. (1994); Clark und Reis (1988); Fine und Kurdek (1995); Fletcher et al. (2000); Gottman und Silver (2000); Hahlweg (1996); Hassebrauck und Fehr (2002); K. Lenz (2009); Siffert und Bodenmann (2010) und Spanier (1976).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld wie konstruktiv die Kommunikations- und Abstimmungsprozesse zwischen den Partnern erfolgen.

In Zusammenhang mit einer Partnerschaft stehen in westlichen Kulturen weitere Begriffe, welche jedoch andere Aspekte als die Beziehungsqualität beschreiben: (1) Die Liebe begründet gegenwärtig in den westlichen Gesellschaften häufig das Eingehen und den Erhalt einer Partnerschaft. Sie beinhaltet die Triade von Leidenschaft, Vertrautheit/Intimität und Bindung/Entscheidung des Einzelnen für die Partnerschaft, welche unterschiedlich ausgeprägt sein können (vgl. Gagliardi et al. 2015: 106; Sternberg 1986).36 Eine Gleichsetzung von Liebe und Partnerschaft ist fatal. Sie bilden „zwei verschiedene Sinnsysteme mit verschiedenen Handlungslogiken“ (Retzer 2011: 55). Gleiches gilt für die Liebe und Partnerschaftsqualität. So ergeben sich zwar inhaltliche Überschneidungen zwischen diesen beiden Bereichen (z. B. Vertrauen, gegenseitige Wertschätzung, Intimität, Sexualität). Die Liebe gestaltet sich jedoch unbeständiger und zielt eher auf bedingungslose Hingabe und weniger auf Gegenseitigkeit ab, als es jeweils bei der Beziehungsqualität der Fall ist (vgl. Fehr 1988; Hassebrauck 1995). (2) Die Beziehungsstabilität weist auf die Dauerhaftigkeit und das Fortbestehen einer Beziehung hin. Einer stabilen Beziehung kann eine lange Beziehungsdauer prognostiziert werden. Bei einer instabilen Beziehung besteht die Gefahr einer Trennung der Partner. (3) Die Beziehungszufriedenheit als subjektiv wahrgenommener Teilaspekt der Beziehungsqualität, beschreibt, wie zufrieden die Partner mit ihrer Beziehung sind. Sie lässt strukturelle Merkmale der Beziehungsqualität unberücksichtigt, wie im Folgenden genauer herausgearbeitet wird. Die Forscher differenzieren verschiedene Dimensionen der Beziehungsqualität und fokussieren einmal eher die Bewertungen der Partnerschaft und/oder des Partners, ein andermal eher die strukturellen Merkmale einer Partnerschaft. Die Bewertungen umfassen allgemein die Zufriedenheit mit der Partnerschaft, mit dem Partner oder mit Bereichen der Partnerschaft. Sie werden in Fragebögen durch Skalen erfasst, welche sich auf den Grad der Zufriedenheit beziehen. Dazu gehören Items wie zum Beispiel „Wie zufrieden sind Sie mit diesem oder jenem Bereich innerhalb Ihrer Partnerschaft?“. Die strukturellen Merkmale beziehen sich eher

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Die Leidenschaft als motivationale Komponente umschreibt den Wunsch nach Bindung und die sexuellen Bedürfnisse. Die Vertrautheit und Intimität als emotionale Komponenten umfassen die Verbundenheit, die Zuverlässigkeit und die gegenseitige Empathie. Die Komponente „Entscheidung“ verdeutlicht den kognitiven Prozess, eine Bindung einzugehen und aufrechtzuerhalten. Je nach Ausprägung dieser drei Bereiche entwickeln sich unterschiedliche Liebesstile (vgl. Sternberg 1986). Eine ähnliche Kategorisierung der Liebe unternimmt Rubin (1970) bei seiner Entwicklung der drei Komponenten Bindung, Intimität und Unterstützung innerhalb seiner Modellierung von sechs verschiedenen Liebesstilen (vgl. auch Bierhoff 2003a: 262f.; Gagliardi et al.: 106f.).

Paarbeziehung und Beziehungsqualität

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auf verschiedene Bereiche der Partnerschaftsgestaltung. Dazu gehören zum Beispiel Faktoren wie die Konflikthäufigkeit, das Ausmaß des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Offenheit. Diese Merkmale werden in Befragungsinstrumenten überwiegend durch Variablen erfasst, welche sich auf die Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens beziehen. Diese Vielfalt in der Partnerschaftsforschung soll anhand der beiden Strömungen dyadic adjustment-Ansatz und subjective feelings-Ansatz kurz ausgeführt werden. Während Vertreter des dyadic adjustment-Ansatzes die strukturellen Merkmale der Beziehung in den Fokus rücken, dabei Bewertungen jedoch nicht unbedingt ausschließen, konzentrieren sich Vertreter des subjective feelings-Ansatzes allein auf die individuellen Bewertungen in Bezug auf die Partnerschaft (vgl. Arránz Becker 2008: 16f.). Einer der frühesten und wichtigsten Vertreter des dyadic adjustment-Ansatzes ist der Soziologe Graham B. Spanier. Nach Spanier (1976) umfasst die Beziehungsqualität das Ausmaß an Meinungsverschiedenheiten, interpersonellen Spannungen und individueller Ängstlichkeit sowie die Ausprägung der Beziehungszufriedenheit, der dyadischen Kohäsion und des Konsenses darüber, was für die Partnerschaft wichtig ist.37 Diese Beziehungsmerkmale bewegen sich ihm zufolge dynamisch auf einem Kontinuum zwischen gut und schlecht. Befürworter dieses Ansatzes sehen seine Stärke darin, dass er die Funktionsweise der Partnerschaft und das Verhalten der Partner innerhalb ihrer Partnerschaft betrachtet (vgl. Arránz Becker 2008: 16f.). Kritiker monieren die fehlende theoretische Fundierung und die willkürliche Auswahl der Anzahl und Inhalte der Subskalen der Beziehungsqualität (vgl. zus. fas. bei ebd.: 16f.). Der in der Folge entworfene subjective feelings-Ansatz legt seinen Schwerpunkt auf das Individuum und erfasst die subjektive Partnerschaftszufriedenheit. Diese wird zum Beispiel durch die Relationship Assessment Scale (RAS) der Psychologin Susan S. Hendrick (1988) erfasst. Dieser eindimensionale Ansatz vernachlässigt die strukturellen Merkmale einer Partnerschaft und blendet damit relevante Informationen zur Güte der Partnerschaft aus.38 Im Zuge dessen ist ein Modell in der Tradition des dyadic adjustment-Ansatzes zu bevorzugen. Umfassende psychologische Konstrukte zur Beziehungsqualität haben in diesem Zusammenhang unter anderem Fletcher et al. 37

Aus dieser Definition von Beziehungsqualität wurde unter anderem die Dyadic Adjustment Scale (DAS) von Spanier (1976) entwickelt, welche die dyadische Übereinstimmung, den Ausdruck von Gefühlen, die Erfüllung in der Partnerschaft sowie den partnerschaftlichen Zusammenhalt erfasst (vgl. auch Banse 2003: 22). 38 In der Literatur besteht keine Einigkeit über die Rolle der Beziehungszufriedenheit für die Beziehungsqualität: Während Karney und Bradbury (1995) die Zufriedenheit mit einer Partnerschaft mit der Beziehungsqualität gleichsetzen, betrachten andere Autoren diese als eine unter mehreren Dimensionen. Dazu gehören zum Beispiel Bierhoff (2003a); Bodenmann (2000); Fletcher et al. (2000); Hahlweg (1996) und Spanier (1976). Andere Autoren wie zum Beispiel Hassebrauck und Fehr (2002) schließen sie sogar aus.

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

(2000), Hassebrauck und Fehr (2002) sowie Siffert und Bodenmann (2010) erarbeitet. Die Dimensionen bei Fletcher et al. (2000) bilden die subjektiven Beurteilungen von Zufriedenheit, Commitment, Intimität, Vertrauen, Leidenschaft und Liebe. Je höher die Beziehungsqualität ausfällt, desto ausgeprägter sind diese sechs voneinander unabhängigen Bereiche. Im Verhalten manifestieren sich die Dimensionen durch Zuneigung, Sorge füreinander, Sehnsucht nacheinander sowie Gegenseitigkeit im Vertrauen, in der Toleranz und in der sexuellen Anziehung (vgl. auch Banse 2003; Clark und Reis 1988). Hassebrauck und Fehr (2002) erfassen die Übereinstimmung und Intimität zwischen den Partnern sowie die Unabhängigkeit und das Sexualleben als grundlegende Dimensionen der Beziehungsqualität. Dabei hat sich die Intimität unter den vier Kategorien als die Bedeutendste herausgestellt. Siffert und Bodenmann (2010) verweisen auf die Skalen Faszination für den Partner, Engagement für die Partnerschaft, Sexualleben (erfüllende Sexualität), Zukunftsperspektive (Potenzial der Partnerschaft), Misstrauen und Einschränkungen in der Freiheit bzw. Unabhängigkeit. Anhand dieser umfassenden Klassifizierungen von Merkmalen der Beziehungsqualität wird die große Bandbreite ihrer ermittelten Inhalte deutlich. Die Beziehungsqualität mithilfe individueller Aussagen zur Partnerschaft und zum Partner in geschlossenen Fragebögen zu ermitteln, gilt als eine gängige Praxis in der Forschung und gehört zu den expliziten Verfahren (vgl. Banse 2003).39 In der Literatur wurden für die Erfassung der Beziehungsqualität unterschiedliche Fragebogeninstrumente entwickelt. Hassebrauck (1995) verdeutlicht die Vielfalt der unterschiedlichen Operationalisierungen von Beziehungsqualität damit, dass die Items zur Erfassung der Beziehungsqualität von einem einzelnen bis hin zu 280 Variablen umfassen können und seinerzeit allein im angloamerikanischen Sprachraum 58 Messinstrumente zur Erfassung der Beziehungsqualität existiert haben. Diese Vielfalt an Operationalisierungsmöglichkeiten verdeutlicht die unklare wissenschaftliche Konzeption der Beziehungsqualität. Die Operationalisierung der Konstrukte von der Beziehungsqualität sollte allgemein Folgendes berücksichtigen: „Für die Untersuchung von Determinanten der Partnerschaftsqualität (…) muss gesichert sein, dass unabhängige und abhängige Variablen keinerlei inhaltliche Überschneidungen (…) aufweisen, da diese zu trivialen Zusammenhängen führen würden“ (Banse 2003: 23f.).

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Darüber hinaus kommen auch Verhaltensbeobachtungen, offene Interviewverfahren und reaktionszeitgestützte Verfahren wie der Implizite Assoziationstest (IAT) von Greenwald et al. (1998) zum Einsatz (vgl. Banse 2003).

Paarbeziehung und Beziehungsqualität

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Die Aussage von Banse sollte auch bei der Konstruktbildung der Beziehungsqualität berücksichtigt werden. Dieser kurze Abriss über die Gütemerkmale und Fragebogeninstrumente der Beziehungsqualität zeigt ihre Vielschichtigkeit auf. Zwei Fragebögen haben sich in der Forschung und in der klinischen Praxis, trotz möglicher Kritikpunkte, in besonderer Weise bis heute bewährt (vgl. Banse 2003: 20-22):40 Die Dyadic Adjustment Scale (DAS) von Spanier (1976) erfasst die Subskalen dyadische Übereinstimmung, Kohäsion, Konsens, affektiver Ausdruck von Gefühlen und erfragt zuletzt die Bereitschaft, die Partnerschaft aufrecht zu erhalten. Der Partnerschaftsfragebogen (PFB) von Hahlweg (1996) evaluiert die Bereiche Streitverhalten, Zärtlichkeit und Gemeinsamkeit/Kommunikation. Beide Fragebögen beinhalten die allgemeine Zufriedenheit mit der Partnerschaft, die Themen Sexualität und Konflikte. Der Partnerschaftsfragebogen (PFB) geht innerhalb seiner Subskalen auf Fragen zur Intimität und zur Wertschätzung durch den Partner ein. Daneben existiert das schlanke Instrument Relationship Assessment Scale (RAS) von Hendrick (1988; deutsche Version: Sander und Böcker 1993), welches die Partnerschaftszufriedenheit erfasst.41 Das Network of Relationships Inventory (NRI) von Furman und Buhrmester (1985), welches im Beziehungs- und Familienpanel pairfam zum Einsatz kommt (vgl. Schmahl et al. 2012), beinhaltet die Intimität, Wertschätzung, Kommunikation und Dominanz als Faktoren der Beziehungsqualität. Er wurde ursprünglich für die Erfassung von kindlichen Beziehungen zu ihrem Umfeld entwickelt (vgl. Furman und Buhrmester 1985: 1016). Er kann allerdings auch auf Partnerschaften übertragen werden, wie das pairfam aufzeigt. Diese Arbeit lehnt ihre Operationalisierung der Beziehungsqualität an das Network of Relationships Inventory (NRI) an, vernachlässigt jedoch die Dominanzskala und erweitert das Konstrukt in Anlehnung an Fletcher et al. (2000), Spanier (1976) und Hahlweg (1996) um die Aspekte der Partnerschaftszufriedenheit und der Zufriedenheit mit dem Sexualleben. So findet die Dominanzskala in keinem anderen der aufgeführten Fragebögen Beachtung, weshalb sie in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt wird.42 Diese Ausführungen erlauben es, die Bestandteile der Beziehungsqualität genauer aufzuschlüsseln und ihre bereits dargestellte allgemeine Definition weiter zu konkretisieren: 40

Daneben werden der Marital Adjustment Test (MAT) von Locke & Wallace (1959; deutsche Fassung: Scholz 1978) und das Marital Satisfaction Intenvory (MSI) von Snyder (1981; deutsche Fassung: Klann et al. 1990) vermehrt eingesetzt (vgl. zus. fas. bei Hinz et al. 2001). 41 Weitere Verfahren untersuchen unterschiedliche Aspekte wie die Partnerbindung, die Liebe und Liebesstile, das Vertrauen, die Problembereiche und den Austausch/die Fairness innerhalb einer Partnerschaft. Das zugrunde liegende theoretische Modell und die Forschungsfrage beeinflusst die Auswahl des jeweiligen Instruments (vgl. Banse 2003: 25). 42 Die Instrumente werden auch gegenwärtig in wissenschaftlichen Studien zur Beziehungsqualität angewendet. Die Vernachlässigung der Dominanzskala dient neben den aufgeführten Argumenten auch dazu, das Konstrukt Beziehungsqualität möglichst „schlank“ zu halten.

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld Die Beziehungsqualität setzt sich aus den strukturellen Komponenten Intimität, Wertschätzung und Kommunikation sowie aus den Bewertungen zur Sexualität und zur Partnerschaft zusammen.

Im Fokus steht nicht nur, wie der Einzelne seinen Partner und seine Beziehung wahrnimmt, beurteilt und welche Haltung er gegenüber beiden einnimmt, sondern auch wie die Beziehung von den Partnern gestaltet wird. Die Beziehungsqualität bezieht sich, nach der vorliegenden Begriffsauslegung, auf die strukturellen Merkmale einer Partnerschaft (Intimität, Wertschätzung, Kommunikation) und umfasst zusätzlich die Sichtweise der Partner von ihrer Beziehung (Zufriedenheitsskalen). Die Definition bewegt sich damit in der Tradition des dyadic adjustment-Ansatzes und wird durch zahlreiche Studienergebnisse gestützt: Verschiedene wissenschaftliche Studien weisen die Intimität und Wertschätzung als wichtige Indikatoren der Beziehungsqualität nach (vgl. u. a. Hassebrauck 1995; Hassebrauck und Fehr 2002; Jourard 1971; Nussbeck et al. 2012; Siffert und Bodenmann 2010). Gleiches gilt für die Kommunikation (vgl. u. a. Bodenmann et al. 2006; Gottman und Silver 2000; Hahlweg 1996; Hassebrauck 1995; Meeks et al. 1998; Nussbeck et al. 2012; Spanier 1976), die Zufriedenheit mit der Sexualität (vgl. u. a. Hahlweg 1996; Hassebrauck 1995; Hassebrauck und Fehr 2002; Siffert und Bodenmann 2010) und die Beziehungszufriedenheit (vgl. u. a. Fletcher et al. 2000; Hahlweg 1996; Spanier 1976). Zugleich beachtet die Arbeitsdefinition der Beziehungsqualität die inhaltliche Abgrenzung der einzelnen Konstrukte mit (1) der Intimität als emotionale Komponente, (2) der Wertschätzung als wahrgenommene Einstellung des Partners, (3) der Kommunikation als Verhaltensskala und (4) den beiden Items zur Zufriedenheit als motivationale Ebene im Sinne einer Bewertung der Partnerschaft. (1) Die Intimität verkörpert die emotionale Komponente der Beziehungsqualität. Sie umfasst Gefühle der Nähe, der Vertrautheit, der emotionalen Offenheit und der Zusammengehörigkeit (vgl. Heidbrink et al. 2009; Sternberg 1986). Sie beschreibt das Bedürfnis nach einer intensiven Partnerschaft. Diese beinhaltet, gemeinsames Glück und gemeinsame Geborgenheit zu erfahren, Gedanken, Gefühle und Eigentum miteinander zu teilen, sich gegenseitig mit allen Aspekten der Persönlichkeit anzunehmen wie Verständnis für den anderen zu zeigen und einander zu verstehen bzw. sich dem jeweils anderen zu öffnen. Die Intimität entsteht durch eine positive emotionale Nähe, zeigt sich in der Kommunikation und im Vertrauen (vgl. Grau 2003). Sie wird erfassbar durch das Ausmaß der gegenseitigen Selbstöffnung von Alltagserlebnissen wie intimer Gedanken und Gefühle, welche gemeinsam zu einem besseren Verständnis des jeweils anderen führen sowie das Vertrauen in den anderen voraussetzen und untereinander fördern (vgl. Bierhoff und Grau 1999; Jourard 1971; Schmahl et al. 2012). Das resultiert in einer sich

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gegenseitig verstärkenden Spirale von Intimität und Vertrauen. Je mehr Vertrauen zwischen den Partnern besteht, desto intimer gestaltet sich die Partnerschaft, was wiederum das Vertrauen ineinander verstärkt (vgl. Bierhoff und Grau 1999). (2) Die wahrgenommene Wertschätzung durch den Partner offenbart in dieser Arbeit die Einstellung. Die Wertschätzung impliziert positive Attributionsmuster gegenüber dem Partner, den Respekt und die Achtung voreinander. Sie demonstriert eine gemeinsame Begegnung auf Augenhöhe und damit eine ausgewogene Machtbalance zwischen den Partnern. Es geht um das Bedürfnis, das Wohlbefinden des Partners fördern zu wollen und die individuelle Persönlichkeit des anderen anzunehmen. Ersichtlich wird die Wertschätzung durch die Anerkennung des Andersseins, der Einzigartigkeit des Partners und seiner Unverfügbarkeit (vgl. Liegle 2017: 266). So bleibt der Partner auch innerhalb der Partnerschaft ein freies, autonomes Individuum mit einem eigenen Willen, eigenen Bedürfnissen, eigenen Entscheidungen und Handlungen. Wird der Partner in seiner Person bedingungslos geschätzt und werden zusätzlich seine Handlungen anerkannt, liegt ein hohes Niveau an Wertschätzung vor. Auf dieser Basis erhaltene Wertschätzung wirkt bestätigend, stärkt die Partnerschaft und das Selbstwertgefühl des Einzelnen. (3) Der Kommunikationsbereich konzentriert sich in der vorliegenden Arbeit auf das Konfliktniveau. Die jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkte einer Partnerschaft sind beziehungsspezifisch und werden zwischen den Partnern abgestimmt, wobei eine schlechte Abstimmung Konflikte verursachen kann (vgl. Bierhoff und Grau 1999). Im Kontext der Familie können zum Beispiel individuelle Vorstellungen und Bedürfnisse zur innerfamilialen Arbeitsteilung, Alltagsinteraktion, Kindererziehung, Freizeitgestaltung, der Balance von Beruf und Familie, der Karriereorientierung, zum Umgang miteinander und Erwartungen aneinander auftreten. Konstruktive Kommunikationsmuster zeigen Verhaltensebenen auf, inwiefern die Partner in ihrem Bild ihrer gemeinsamen Beziehung und ihrer Schwerpunkte übereinstimmen, in welchem Ausmaß Störfaktoren für die Partnerschaft vorhanden sind und inwieweit die Partner mit Störfaktoren und der Individualität des anderen konstruktiv umzugehen wissen. Konflikte treten zum Beispiel dann vermehrt auf, wenn das Bedürfnis nach emotionaler Nähe zwischen den Partnern unterschiedlich ausgeprägt ist (vgl. Grau 2003), wenn die Partner sich gegenseitig verändern wollen (vgl. Bierhoff 2003a), wenn sie die jeweilige Individualität des anderen schwer annehmen und akzeptieren können.43 (4) Die als erfüllend erlebte Sexualität und Beziehungszufriedenheit umfassen in Anlehnung an Sternberg (1986) die Motivation für die Aufrechterhaltung der Partnerschaft. Die Beziehungszufriedenheit signalisiert, wie zufrieden die Partner 43

Nähere Ausführungen liefern unter anderem Gottman (1993a), (1993b), (1994); Gottman und Silver (2000) und Nussbeck et al. (2012).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

mit ihrer Beziehung sind. Die Zufriedenheit mit der Sexualität impliziert das Ausmaß der gegenseitigen sexuellen Anziehung sowie des Genusses der gemeinsamen Sexualität und der Leidenschaft füreinander. 3.3

Lernen und Kompetenz

Lernen und Kompetenzen stehen in einem engen Zusammenhang derart, dass Lernen zum Kompetenzerwerb führt. Die unterschiedlichen Definitionen beider Begriffe im wissenschaftlichen Diskurs bedürfen einer Herleitung der verwendeten Begriffsbestimmung. Niemand kann gelernt werden. Lernen benötigt die Eigenaktivität des Lernenden und vollzieht sich in Handlungen. Bereits der antike griechische Philosoph Aristoteles bezeichnet Lernen als eine Aneignungstätigkeit (vgl. Liegle 2017: 13). Lernen gilt allgemein als „die innere Organisation von Wissen und Fertigkeiten, die sich das Individuum in Interaktion mit seiner Umwelt aneignet, um handlungsund leistungsfähiger zu werden“ (Kron et al. 2013: 55; vgl. auch Gudjons 2012; Koch 2011b). Daneben bezieht sich Lernen auf „die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential eines Organismus in einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zurückgeht“ (Bower & Hildegard 1983: 31, zitiert nach Gudjons 2012: 219f.). Lernen kann damit am Ende „als relativ überdauernde Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen aufgrund von Erfahrungen“ (Köck und Ott 2002: 435; vgl. auch Koch 2011a) angesehen werden. Lernen strukturiert folglich Wissen und Fertigkeiten, um die individuelle Handlungsfähigkeit zu fördern, und geht über reine Informationsverarbeitung hinaus. Aus Lernen erwächst Erkenntnis durch die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten, dem Verstehen im Sinne einer intellektuellen Verarbeitung und der Ableitung möglicher Folgen (vgl. Koch 2011b: 366). Dabei zielt Lernen nicht allein auf die rein kognitive Aneignung von Wissensbeständen ab, sondern schließt alle Bereiche des Seins, darunter auch den sozio-emotionalen Anteil eines Menschen, mit ein. Darin stimmen die eingangs genannten Autoren überein. Lernprozesse vollziehen sich den Definitionen zufolge in der Interaktion mit der Umwelt. Sie verändern durch wiederholte Erfahrungen das Verhalten bzw. das Verhaltenspotenzial nachhaltig. Das Kind benötigt einen Lerngegenstand, andere Personen und/oder spezifische Situationen, um seine Fähigkeiten, seine Wissensbestände und seine Kompetenzen auszuweiten. Es erfolgt im Zuge von Erfahrungen, daraus abgeleiteten Generalisierungen und stößt nachhaltige Veränderungsprozesse an. Daraus kann folgende Arbeitsdefinition abgeleitet werden:

Lernen und Kompetenz

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Lernen bildet einen aktiven Prozess, welcher auf der Basis von sich wiederholenden Interaktionserfahrungen erfolgt, auf eine Verbesserung der Handlungsfähigkeit abzielt und nachhaltige Veränderungen von Verhalten und Einstellungen anstößt.44 Im Rahmen von Lernprozessen treten unterschiedliche Lernformen zutage. So kann zwischen formalem, nicht-formalem und informellem Lernen unterschieden werden. Das formale Lernen vollzieht sich in strukturierter und intentionaler Form. Es dient dem Erreichen eines staatlich anerkannten Schul-, Hochschul- oder Berufsabschlusses und ist institutionell in Bildungseinrichtungen organisiert. Das nicht-formale Lernen ist strukturiert und zielorientiert. Es kann in Bildungseinrichtungen organisiert sein, ohne jedoch einen staatlichen Abschluss anzubieten. Das informelle Lernen erfolgt ungeplant, ohne Intention und im Alltag. Der Lernende ist sich dabei nicht immer des Lernprozesses bewusst (vgl. Koch 2011a: 372f.). Dieser letztgenannte Lernaspekt findet überwiegend in familiären Beziehungs-, Interaktions- und Kommunikationsprozessen statt. Verschiedene Begrifflichkeiten sind mit dem Lernen verbunden und stellen verschiedene Teilbereiche davon dar. Darunter fallen die Individuation, die Sozialisation und die Enkulturation (vgl. Gudjons 2012; Hurrelmann und Bauer 2015; Köck und Ott 2002; Lüscher und Liegle 2003; Raithel et al. 2009): (1) Die Individuation umschreibt den Prozess der Personalisation, durch welchen sich die Persönlichkeit eines Individuums im Rahmen von Lernprozessen formt (Persönlichkeitsentwicklung). Historisch gesehen geht der Begriff der Personalisation dem Terminus „Individuation“ voraus. (2) Die Sozialisation hebt das Erlernen sozialen Verhaltens im Zusammenhang mit Beziehungen zur sozialen und materiellen Umwelt und dem Verständnis von sich selbst hervor. In ihr werden die relativ stabilen Verhaltensweisen erworben, welche ein Individuum dazu befähigen, am sozialen Leben teilzunehmen und dieses mitzugestalten. Die Person wird ein Mitglied der Gemeinschaft und Gesellschaft. Dieser stetige Prozess setzt sich lebenslang in der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen fort. (3) Die Enkulturation führt zum Erwerb der allgemeinen kulturellen Lebensweisen und kulturellen Basisfähigkeiten, wie zum Beispiel das Erlernen der deutschen Sprache.

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Lernen kann außerdem als Erwerb von Wissen, zum Beispiel in der Schule, angesehen werden. Alfred Petzelt und Lutz Koch reflektieren im Zuge einer philosophischen Perspektive Lernen als Erkennen. Petzelt verbindet Lernen mit Stellung beziehen und der Kraft der Argumente. Bei Koch beruht Lernen auf Anschauungen und mündet im Werden des Wissenden (vgl. Meyer-Drawe 2011: 404f.). Diese Bereiche werden mit Blick auf den Inhalt und die Untersuchungsfragen der Arbeit nicht näher behandelt.

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Alle drei Lernbereiche dienen der ganzheitlichen Entwicklung des Kindes und dem Aufbau seiner Kompetenzen. Innerhalb der Familie tritt eine weitere Sonderform des Lernens in den Fokus: das Generationenlernen.45 Der Begriff Generation verweist allgemein auf individuelle und kollektive Differenzen bzw. Ähnlichkeiten der Erfahrung und des Handelns, welche biologisch im Sinne einer Altersdifferenz bzw. Altersgleichheit gegeben sind (vgl. Lüscher und Liegle 2003). So treten in Familien, entsprechend dem Verwandtschaftsgrad, synchrone (Geschwister) und diachrone Generationenbeziehungen (Eltern-Kind, Großeltern-Kind) auf (vgl. Ecarius 2002: 38f.). Die innerfamilialen Positionen und die damit verbundenen Rollen zeigen auf, welche Form von Generationenbeziehung vorliegt. Das bedeutet, dass Stiefeltern und ihre Stiefkinder sich unabhängig vom jeweiligen Alter in einer diachronen Generationenbeziehung befinden. Generationenlernen beruht auf der Annahme, dass die Erfahrung und Gestaltung von inter- und intragenerationalen Beziehungen in Familie und Gesellschaft spezifische Lernerfahrungen ermöglichen und erfordern (vgl. Liegle 2017: 33; Lüscher und Liegle 2003: 187). Die intergenerationalen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sind in dieser Studie von besonderer Bedeutung, weshalb auf diese genauer eingegangen wird. Für das Generationenlernen bedarf es positiver Eltern-Kind-Beziehungen, wie im Anschluss und in Kapitel 4 genauer ausgeführt wird. Lerntheoretische Erkenntnisse der Neurowissenschaft und psychologische Ansätze können das Verständnis vertiefen, wie Lernen funktioniert. Nach der Neurowissenschaft verändert Lernen die synaptische Übertragung. In diesem Zusammenhang erfordert Lernen Relevanz und Häufigkeit (vgl. Gudjons 2012; Spitzer 2003). Relevanz, als Bedeutung des Lerninhalts, verweist auf den emotionalen Kontext der Lernsituation (vgl. Gudjons 2012: 226). Häufigkeit geht mit Wiederholung einher. Beim Lernen wird neues Wissen mit bereits Vorhandenem verknüpft. Lernen ereignet sich folglich dann, wenn das zu Lernende von individueller Bedeutung ist und wiederholt wird. Die lerntheoretischen Positionen der Psychologie können in den Behaviorismus (Vertreter: Pawlow, Watson, Skinner, Thorndike), den Kognitivismus (Vertreter: Bower/Hilgard, Gagnè, Ausubel, Bruner, Piaget, Bandura, Rotter, Seligman) und den Konstruktivismus (Vertreter: Maturana/Varela) unterschieden werden.46 Ihre Modelle zeigen auf, wie gelernt wird.

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Auch in anderen sozialen Zusammenhängen kann intergenerationales Generationenlernen stattfinden. Dazu gehören unter anderem Lehrer-Schüler-, Erzieher-Zögling-, Ausbilder-Lehrling- oder MentorMitarbeiter-Verhältnisse. 46 Die Ansätze des Behaviorismus betonen die Außensteuerung des Lernens und betrachten das Gehirn als einen Behälter, in welchem Wissen abgelagert wird (vgl. Imhof 2016; Raithel et al. 2009: 68). Sie betonen die Verhaltenskomponente, ohne weiter auf kognitive und emotionale Aspekte einzugehen.

Lernen und Kompetenz

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Der Begriff Kompetenz wird nicht konsistent und einheitlich verwendet. Er ist vielmehr kontextabhängig. Zwischen und innerhalb der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen sind differente Definitionen, Kompetenzformen und theoretische Modelle vorzufinden. Insofern ist es hilfreich, einen Blick auf die Wortherkunft zu werfen. Kompetenz geht etymologisch auf den lateinischen Begriff competentia zurück, welcher den Sachverstand, die Fähigkeit, das Vermögen, die Befugnis und die Zuständigkeit ausdrückt (vgl. Langenscheidt Digital 2018). Er „leitet sich vom lateinischen competere ab, was zunächst soviel bedeutet wie zusammenfallen oder zusammentreffen. Der Wortstamm gibt einen deutlichen Hinweis auf konstitutive Faktoren des Begriffs Kompetenz: Wenn die Erfordernisse der Situation mit dem individuellen Konglomerat von Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen zusammentreffen, so besitzt dieser die Kompetenz zur Bewältigung der Situation“ (Wollersheim 1993: 89).

Bei Kompetenzen treffen also die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person auf eine spezifische Problemlage oder Situation, welche bewältigt werden will. Kompetenzen und Lernen stehen in einem Wechselspiel. Im Zuge von Lernen bilden sich Wissen, Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten sowie Kompetenzen heraus. Diese drei Bereiche bauen aufeinander auf. Wissen beschreibt die erste Stufe des Kompetenzerwerbs. Wissen unterscheidet sich von Meinung und Glauben. Es beruht auf erlernten Erkenntnissen, welche auf generalisierbaren Fakten und Erfahrungen basieren. Das vorliegende Wissen sagt noch nicht aus, ob jemand etwas kann, also die Fertigkeit bzw. Fähigkeit besitzt. Ein Beispiel kann dies und die Zusammenhänge zwischen den Begriffen näher veranschaulichen. So könnte das Wissen vorhanden sein, wie ein Klavier gespielt wird, die Notenkenntnisse sind auch disponibel, die Melodie des zu spielenden Liedes ist ebenfalls bekannt. Setzt sich eine Die klassische Konditionierung geht von einem Stimulus-Reaktion-Lernen aus. Dabei wird die Verbindung zwischen einem Stimulus und einem Reiz erlernt, wodurch der Stimulus als Hinweisreiz für einen nachfolgenden Reiz dient (vgl. Bodenmann et al. 2016: 47). Die operante Konditionierung ergänzt dieses Modell um die Konsequenzen, d. h. das spontane Auftreten eines bestimmten Verhaltens wird durch positive oder negative Belohnung (Wegfall eines unangenehmen Reizes) erlernt. Eine positive Konsequenz, zum Beispiel Loben oder Belohnung, dient als Verstärker und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung des Verhaltens. Negative Konsequenzen, wie Bestrafung oder Entzug von Privilegien, reduzieren dagegen seine Auftretenswahrscheinlichkeit (vgl. u. a. Bodenmann et al. 2016; Imhof 2016; Stein 2013). Die Modelle des Kognitivismus definieren das Gehirn als ein Instrument der Informationsverarbeitung mit unterschiedlichen Gedächtnisarten, das Wissensstrukturen aufbaut und verändert (vgl. Bodenmann et al. 2016; Imhof 2016; Raithel et al. 2009; Stein 2013). Emotionen und Kognitionen sind wichtige Bausteine der Lernmodelle. Die konstruktivistischen Theorien betonen die Eigentätigkeit und den sozialen Charakter des Lernens. Sie betrachten das Gehirn als ein informationell geschlossenes, Wissen konstruierendes System (vgl. ebd.). „Der Lernende konstruiert auf der Basis seiner subjektiven Erfahrungsstrukturen Wirklichkeit individuell“ (Raithel et al. 2009: 72).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Person mit diesem Wissen zum ersten Mal an ein Klavier, um das Lied zu spielen, wird es für gewöhnlich stark vom Original abweichen. Die Umsetzung dieses Wissens bedarf in der Praxis Übung, um aus reinem Wissen Fertigkeiten zu generieren und das Lied fehlerfrei und flüssig spielen zu können. Die damit erworbenen Fertigkeiten können allerdings nicht sofort auf ein neues Lied übertragen werden (Transfer). Um das Wissen und die Fertigkeiten weiter ausbauen zu können, ist es zudem dienlich, mit einfach strukturierten Liedern zu beginnen und den Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit zu erhöhen. Hier geht es auch darum, die intrinsische Motivation aufrecht zu erhalten und eine Balance zwischen Über- und Unterforderung zu halten, in der sich ein „Lern-Flow“ einstellt.47 Der weitere Fortschritt von Wissen, Fertigkeiten, Erfahrung, Verständnis sowie die intrinsische Motivation fördern den Ausbau der sich zunehmend entwickelnden Kompetenz, welche das Klavierspiel immer weiter verfeinert und in Stimmungen zum Beispiel durch abwechselnde Lautstärken oder Improvisation übersetzt. Neue, noch unbekannte Lieder können begriffen und nach kurzer Übung gespielt werden. So beschreibt der vielfach zitierte Psychologe Franz E. Weinert Kompetenz folgendermaßen: Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2014: 27f.).

Kompetenzen setzen sich nach Weinert aus Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen. Zudem ist das Individuum motiviert, gewillt und erfahren genug, spezifische Aufgaben zu lösen. Kompetenzen werden im Zuge von Lernerfahrungen ausgebildet. Dabei kann Kompetenz eher performativ im Sinne situativen Handelns oder als Disposition mit dem Fokus auf mentale Prozesse und Kapazitäten betrachtet werden (vgl. Klieme und Hartig 2007: 13). Nach Heinrich Roth (1971) fördern Kompetenzen neben der Handlungsfähigkeit auch die Mündigkeit im emanzipatorischen Sinne: „Mündigkeit, wie sie von uns verstanden wird, ist als Kompetenz zu interpretieren, und zwar in einem dreifachen Sinne: a) als Selbstkompetenz (self 47

Die Psychologie unterscheidet zwischen der intrinsischen und extrinsischen Motivation. Eine intrinsische Motivation ist der extrinsischen Motivation zu bevorzugen. So erfolgt Erstere aus eigenem Antrieb und einer Eigenaktivität heraus, das Kind exploriert neugierig und fasziniert die Welt. Es sieht das zu Lernende eher als Herausforderung denn als Belastung. Extrinsische Motivation bedarf dagegen äußerer Anreize in Form von Belohnungen oder Angst vor Bestrafung, welche beide ein eher passives Lernen einleiten.

Lernen und Kompetenz

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competence), d. h. als Fähigkeit für sich selbstverantwortlich handeln zu können, b) als Sachkompetenz, d. h. als Fähigkeit, für Sachgebiete urteilsund handlungsfähig und damit zuständig sein zu können, und c) als Sozialkompetenz, d. h. als Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- oder Sozialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können“ (Roth 1971: 180).

Roth zielt in seinem Begriffsverständnis von Kompetenz auf die allgemeine Handlungsfähigkeit des Menschen, welche seine Autonomie und Mündigkeit erhöht. Dabei differenziert er zwischen drei verschiedenen Arten der Kompetenz, welche untrennbar miteinander verwoben sind. (1) Die Selbstkompetenz ermöglicht selbstverantwortliches Handeln. Sie schließt unter anderem Selbstregulationsfähigkeiten, Werthaltungen und Reflexionsfähigkeiten mit ein. (2) Die Sachkompetenz betrifft fachliche, berufliche Fähigkeiten, aber auch allgemeine Problemlösefähigkeiten. (3) Die Sozialkompetenz betrifft den Bereich der sozial-kommunikativen Fähigkeiten und Gemeinschaftsfähigkeiten. Sie umfasst unter anderem Empathie-, Kooperations- und Konfliktlösungsfähigkeiten (vgl. Klieme und Hartig 2007). Im Zuge dessen kann folgende Arbeitsdefinition abgeleitet werden: Kompetenzen bauen auf Wissen und Fertigkeiten bzw. Fähigkeiten auf. Sie ermöglichen, intrinsisch motiviert, Erlerntes anzuwenden und auf neue Situationen erfolgreich zu übertragen. Damit erhöhen sie die Autonomie und Mündigkeit des Individuums. Innerhalb der Kompetenzen können verschiedene Felder unterschieden werden. Lernen und Kompetenzaufbau hängen untrennbar miteinander zusammen. Lernprozesse als Interaktionsgeschehen unterstützen den Aufbau von Kompetenzen jeglicher Art. Die untersuchten kindlichen Kompetenzfelder bilden die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten in der mittleren Kindheit und Jugend. Eltern fördern diesen Kompetenzaufbauprozess im Rahmen der innerfamilialen Erziehung und Beziehungen, dienen als Modell (vgl. nähere Ausführungen in Abschnitt 4.1.2) und können die Motivation beeinflussen. Sie benötigen selbst Erziehungs- und Beziehungskompetenzen, um das Kind optimal fördern zu können (vgl. nähere Ausführungen in Abschnitt 3.5).

78 3.4

Innerfamiliales Untersuchungsfeld Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten

3.4.1 Mittlere Kindheit und Jugend Die Vorstellungen von einer Kindheit und Jugendphase als eigenständige Lebensabschnitte hat eine intensivierte Erziehung, Kontrolle und die Etablierung eigener Räume für diese Altersabschnitte im Sinne einer Pädagogisierung der Kindheit und eines pädagogischen Schonraums in Gang gesetzt (vgl. u. a. Böhnisch und Schröer 2011; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Matthes 2011; Rotthaus 2004). Diese Prozesse haben ihren Anfang zu Beginn der Neuzeit genommen (vgl. Ariès 2014) und sind bis heute biologisch, psychisch, sozial, politisch und kulturell geprägt (vgl. u. a. Fend 2001; Fuhs 2007; Hurrelmann 2013; Matthes 2011; Teubner 2002b).48 Der vorliegenden Arbeit liegt das Verständnis der westlichen, modernen Kultur zugrunde. Ein pädagogischer Schonraum impliziert eine noch unvollständige Teilhabe an den Verantwortungsbereichen und Erfahrungswelten Erwachsener. 49 So wachsen Kinder und Jugendliche zeitweise in für sie speziell eingerichteten öffentlichen Institutionen wie Kindertagesstätte, Kindergarten und Schule auf. Zudem ist die Familie als primärer Lern- und Erziehungsort von zentraler Bedeutung. Heranwachsende sollen zugleich in einem gesellschaftlich normierten und im für sie individuell angemessenen Tempo in die Erwachsenenwelt eingeführt werden. Zugleich tendieren Kinderwelten mehr und mehr zu verinseln, indem Eltern ihre Kinder von einer Erfahrungswelt zur Nächsten bringen. Dies betrifft neben den bereits genannten Einrichtungen Vereine, nicht-schulischen Unterricht (z. B. Musik-, Sportunterricht), Besuch von Freunden des Kindes oder der Erwachsenen und viele mehr. Parameter wie der kindliche Entwicklungsstand, elterliche Vorstellungen, kulturelle und gesellschaftliche Normen, technologische 48

In der vorindustriellen Zeit endete die Kindheit, in Abhängigkeit vom Stand, erheblich früher und war mehr in die alltägliche Erwachsenenwelt integriert als heute. Mit der Herausbildung des Interesses am Kind, der bürgerlichen Familie und ihrer Ideale sowie der zunehmenden Schulentwicklung formierten sich die Kindheit und Jugend als eigene Lebensabschnitte und der pädagogische Schonraum immer mehr heraus. Einen ausführlichen Überblick dazu bieten unter anderem Ariès (2014); Fuhs (2007); Matthes (2011) und Postman (1995). 49 Diese Prozesse haben in der Aufklärung begonnen. Deren Vertreter verstanden den Menschen „als vernunftbegabtes Wesen, das durch zunächst Fremd-, dann Selbsterziehung seine Individualität entfalten und einen seinen Kräften sowie seiner Anstrengungsbereitschaft entsprechenden Platz in der Gesellschaft einnehmen könne“ (Matthes 2011: 110). Die Erziehung könne allerdings nach den „Aufklärungspädagogen“ nur gelingen, wenn die kindliche Sicht, Denk- und Empfindungsweise akzeptiert wird. Daraus resultiert die Tendenz der Trennung von Kinder- und Erwachsenenwelt wie der Schaffung eines pädagogischen Schonraums mit dem Ziel, Kinder zu Menschen und redlichen Bürgern heranzuziehen. Erziehung wurde insbesondere im Bürgertum Programm. Entsprechende Ratgeber, Kinderliteratur, Kindermode und Kinderzimmer entstanden. Die Kindheit wurde verhäuslicht und kontrolliert (vgl. ebd.: 110).

Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten

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Fortschritte und sozioökonomische Faktoren entscheiden, inwieweit Heranwachsende am gesellschaftlichen Leben teilhaben.50 Der pädagogische Schonraum dient dazu, die kindliche Entwicklung durch Lernen, Erziehung, Sozialisation und Kultivation zu fördern. Er kann auch überspitzt werden, wenn sogenannte Helikopter-Eltern überbehütend in den kindlichen Freiraum eingreifen. Die individuellen Entwicklungsverläufe erlauben allein eine Angabe von Richtwerten für die jeweiligen Altersspannen. Die Normwerte variieren je nach Quelle und Autor. Die beiden untersuchten Altersabschnitte mittlere Kindheit und Jugend sind mit spezifischen Entwicklungsaufgaben verbunden. Ein moderner Entwicklungsbegriff schließt nicht nur die altersbezogenen Veränderungen mit ein. Er umfasst weiterhin Entwicklungen, welche durch individuelle Anlagen, bewältigte Ereignisse (Krisen, Krankheiten etc.), selbstgesetzte Lebensziele und Entscheidungen lebenslang ausgelöst oder begrenzt werden (vgl. Ecarius 2007; Krettenauer 2014). Während endogenistische Entwicklungstheorien davon ausgehen, dass eine Entwicklung allein durch die „Reifung“ vom Individuum und seinen persönlichen Anlagen ausgelöst wird, sehen exogenistische Entwicklungstheorien die Umwelt als alleinigen Auslöser von Entwicklungsprozessen. Moderne Entwicklungstheorien verknüpfen beide Aspekte und ergänzen sie um den Aspekt des aktiven Individuums. Ein systemisch-entwicklungsbezogenes Grundverständnis betrachtet das Individuum als Gestalter seiner eigenen Entwicklung innerhalb eines sozialen Umfeldes, mit dem es in einem wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis steht. In der Folge sind interaktionistische Entwicklungstheorien in dieser Arbeit von besonderer Bedeutung. Die Lern- und Entwicklungsprozesse vollführen sich über die gesamte Lebensspanne hinweg. Sie finden innerhalb der Kindheit und Jugend in verdichteter Form statt und werden durch verschiedene biologische Prozesse begleitet.51 Dabei sind Kinder und Jugendliche keine passiven Empfänger von Einflüssen. Sie gestalten vielmehr ihren Entwicklungsverlauf durch subjektive Deutungen der Umwelt, daraus resultierenden selektiven Entscheidungen für oder gegen verschiedene Umwelteinflüsse sowie durch die Gestaltung ihrer Umwelt aktiv mit (vgl. u. a. Ecarius 2010: 22; Ecarius et al. 2017: 47; Fuhrer 2009: 64f.; Liegle 2017: 47). Auch deshalb unterscheiden sich individuelle Entwicklungsstände voneinander. 50

Die Digitalisierung hebt diesen pädagogischen Schonraum zunehmend auf, da durch Smartphones, soziale Online-Netzwerke, Tablets etc. die Welt zunehmend in die Familie eindringt und von den Eltern ausgereifte Medienkompetenzen erfordert, wollen sie ihr Kind im für ihn angemessenen Tempo bei seiner Entwicklung unterstützen (vgl. Ecarius et al. 2017). 51 Ab dem sechsten Lebensjahr verändern sich die kindlichen Proportionen, die Muskeln wachsen, die Milchzähne werden sukzessive ersetzt, die Grob- und Feinmotorik verbessern sich. Mit der Pubertät entwickeln sich die Geschlechtsorgane, es finden Umstrukturierungsprozesse im Gehirn statt, die Hormonausschüttungen erhöhen sich und der Sexualtrieb verstärkt sich (vgl. Giedd et al. 1999; Weichold und Silbereisen 2008).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Die folgenden Ausführungen zu den Entwicklungsaufgaben sollen daher als normierte Verläufe verstanden werden. Individuelle Unterschiede ergeben sich aus dem persönlichen Kontext und der aktiven Gestaltung des eigenen Entwicklungsprozesses heraus. Entwicklungsaufgaben ergeben sich aufgrund biologischer Prozesse, gesellschaftlicher Erwartungen (z. B. Berufswahl treffen) und individueller Zielsetzungen und Werte (vgl. Fuhrer 2009: 85; Havighurst 1979; Oerter und Dreher 1998: 326f.). Dabei bauen Entwicklungsaufgaben aufeinander auf. Ein grober Richtwert lässt die mittlere Kindheit mit dem Schuleintrittsalter beginnen und mit dem Eintritt in die Adoleszenz enden (vgl. Blos 2015: 17; Erikson 1973: 150f.; Havighurst 1979; Hurrelmann 1997: 31ff.). Diese Phase bereitet auf die Adoleszenz vor. So entwickeln sich neue physische und geistige Fähigkeiten. Es werden neue Wege erprobt und bestritten, um Probleme zu lösen und das eigene Selbstbewusstsein zu erhalten. Infolge der zunehmenden Unabhängigkeit steigt die Spannungstoleranz an und die Ich-Stärkung nimmt zu (vgl. Blos 2015). Für die Gestaltung sozialer Beziehungen in der Adoleszenz ist es obligat, dass Kinder als Sechs- bis Zehnjährige Freundschaften aufbauen können. Die grundsätzlichen Lernaufgaben der mittleren Kindheit reichen von der Bildung der körperlichen Geschicklichkeit, des Aufbaus von Freundschaften, der sozialen Fertigkeiten, der schulischen Grundfertigkeiten (Lesen, Rechnen, Schreiben, Logikverständnis) bis hin zur Moral- und Gewissensbildung, der Entwicklung von Einstellungen, eines Selbstwertgefühls und der Herausbildung der Geschlechtsidentität (vgl. u. a. Fend 2001: 211; Grossmann und Grossmann 2012: 384f.; Oerter und Dreher 1998: 328). Die Schule unterstützt das Kind bei der Entwicklung dieser Kompetenzen und fördert die Herausbildung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit, der Kooperationsfähigkeit, einer auf den Beruf vorbereitenden Arbeitsstruktur und den Ausbau des prosozialen Verhaltens (vgl. Oerter 1998: 278-304). Durch die zunehmende Außenorientierung (Schule, Freunde) nimmt die Abhängigkeit von der elterlichen Unterstützung für das Selbstwertgefühl ab und wird zunehmend durch die Selbstachtung ersetzt. Der Affekt und die Stimmung können immer mehr kontrolliert werden (vgl. Blos 2015). Innerhalb der nachfolgenden Phase sind die Begriffe Adoleszenz, Pubertät und Jugend voneinander abzugrenzen. Die „Adoleszenz wird in der entwicklungspsychologischen Fachliteratur sowohl gleichbedeutend mit (…) Jugendalter als auch als Oberbegriff für die Entwicklungsabschnitte (…) Pubertät und Jugendalter verwendet“ (Köck und Ott 2002: 12). Ihre jeweiligen Zeitangaben sind Orientierungswerte und können sich je nach Quelle unterscheiden. Die Adoleszenz (11.17. Lebensjahr) bildet eine Lebensphase zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter mit zahlreichen Entwicklungsaufgaben, welche mit physischen, psychischen und sozialen Veränderungen verbunden sind (vgl. Blos 2015: 13f.; Fend

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2001: 23f.; Hurrelmann 1997: 31-39; Oerter und Dreher 1998: 312). Die Pubertät zeichnet die biologischen Veränderungen wie die Reifung der Geschlechtsmerkmale und des Längenwachstums nach (vgl. Köck und Ott 2002: 575). Sie beginnt und endet bei Mädchen entsprechend der physiologischen Entwicklung im Durchschnitt zwei Jahre früher als bei Jungen (vgl. Köck und Ott 2002: 575; SeiffgeKrenke 1997: 13). Das Jugendalter beginnt mit der Pubertät (11.-14. Lebensjahr) und endet mit dem Erwachsenenalter (gesetzliche Mündigkeit: 18. Lebensjahr). 52 Die Soziologen beschreiben mit der Jugendphase die sozialen Veränderungen (Anforderungen, Handlungsspielräume, Rollen). Die Adoleszenz baut auf den früheren Phasen auf und kennzeichnet eine Phase der emotionalen Unruhe, der Gefühle von Isolierung, Einsamkeit und Verwirrung. Aus psychoanalytischer Sicht bietet das dem Jugendlichen die Möglichkeit, frühere Kindheitserfahrungen zu modifizieren und zu korrigieren. Er kann defekte und unvollständige frühere Entwicklungen umformen und Konflikte lösen. Dieser Prozess wird durch eine Fluktuation der Ich-Stärke begleitet. Als zweiter Schritt der Individualisierung schafft er am Ende das Bewusstsein über die eigene Identität (vgl. Blos 2015). Die Entwicklungsaufgaben der Jugend hängen miteinander zusammen und sind unter anderem (vgl. u. a. Fend 2001; Havighurst 1979; Hofer und Pikowsky 2002; Hurrelmann 2013; Monigl 2010; Oerter und Dreher 1998: 328f.): (1) Die Identität – und damit unter anderem die persönliche Geschlechtsrolle – und das Wertesystem bilden sich heraus. Darauf basieren unter anderem die Maxime des eigenen Handelns, die politischen Grundüberzeugungen sowie die Vorstellungen zum eigenen beruflichen Lebensweg und zur zukünftigen eigenen Familie. (2) Die Gestaltung sozialer Beziehungen beinhaltet die Entwicklung fundierter Beziehungen zur Peergroup, die Aufnahme intimer Beziehungen und die zunehmende Ablösung vom Elternhaus. (3) Der Umgang mit den eigenen körperlichen Veränderungen und der damit verbundenen Sexualität schließt die Selbstakzeptanz mit ein. (4) Die Leistungsbereitschaft und Berufswahl setzt voraus, sich mit dem Selbstbild sowie den eigenen Fähigkeiten, Vorstellungen und Zukunftsperspektiven auseinandergesetzt zu haben. (5) Die genannten Themen sollten in einer Vereinbarung zwischen den eigenen Zielen und den Bedürfnissen anderer bzw. den gesellschaftlichen Anforderungen münden. (6) Gardner (1991) ergänzt diese Entwicklungsfelder um die Reifung der Empathie und der Selbsterkenntnis.

52

Die Shell-Studien begrenzen die Jugendphase auf das zwölfte bis 25. Lebensjahr (vgl. z. B. Shell Deutschland Holding 2015). Eine engere Einordnung verfolgen die Autoren der SINUSJugendstudien (Jugendphase: 14. - 17. Lebensjahr; vgl. z. B. Calmbach et al. 2016) und des Surveys vom Deutschen Jugendinstitut Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A) (Jugendphase: 13.-17. Lebensjahr; vgl. Rauschenbach und Bien 2012). Einige Entwicklungspsychologen unterteilen die Jugendphase zusätzlich (vgl. Blos 2015; Oerter und Dreher 1998).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld Diese Arbeit definiert die mittlere Kindheit als Phase zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr und die Altersspanne zwischen dem elften und 17. Lebensjahr als Adoleszenz. Die Begriffe Adoleszenz und Jugend werden synonym verwendet.

Wie für die mittlere Kindheit sind auch in der Jugend die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten von besonderer Bedeutung. Beide Kompetenzen sind erforderlich, um die genannten Entwicklungsaufgaben adäquat erfüllen zu können. So fordern diese Entwicklungsaufgaben Heranwachsende beider Altersstufen heraus. Konflikte mit den Eltern, die wachsende Bedeutung der Peergroup, die beginnende Ablösung vom Elternhaus sind nur eine Auswahl der zu bewältigenden Krisen, denen sie im Zuge ihrer Entwicklungsaufgaben begegnen. Emotionale Krisen bleiben dabei nicht aus. Entwicklungsaufgaben lösen Stress aus (vgl. Bodenmann 2007; Lazarus 1999). Ressourcen wie sozialkognitive Kompetenzen, ein gesundes Selbstwertgefühl, unterstützende Eltern, ein Freundeskreis und Erfolge im schulischen oder sozialen Kontext helfen den Kindern aus beiden Altersstufen ihre Entwicklungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen (vgl. Fend 2001: 214). Dies verdeutlicht die Bedeutung der beiden Kompetenzen emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten bei der Bewältigung der Krisen und der Entwicklungsaufgaben. Die emotionale Sicherheit ermöglicht unter anderem ein positives Selbstkonzept, die Souveränität im Umgang mit Krisen und die Herausbildung der Selbstwirksamkeit. Das prosoziale Verhalten unterstützt unter anderem den Ausbau der Kooperationsfähigkeit und den Aufbau von Freundschaften. Dazu bedarf es einer positiven Einstellung zu sich selbst, sozialer Kompetenzen, dem Erreichen einer persönlichen Autonomie und der Herausbildung von Einstellungen (vgl. Oerter und Dreher 1998: 328). Dieses Forschungsdesiderat untersucht den Einfluss der Beziehungsqualität auf diese beiden Kompetenzfelder von Heranwachsenden in der mittleren Kindheit und der Jugend. Die Entwicklung sozialer und emotionaler Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen im Kindes- und Jugendalter ist untrennbar miteinander verbunden. Die emotionalen Faktoren beschreiben internalisierte und die sozialen Faktoren externalisierte Entwicklungsbereiche.

3.4.2 Emotionale Sicherheit in der mittleren Kindheit und Jugend Die emotionale Sicherheit impliziert in erster Linie eine Sicherheit im emotionalen Bereich. Es ist angebracht, den Begriff der Emotion im Vorfeld zu definieren und von inhaltlich verwandten Begrifflichkeiten abzugrenzen. Das Begriffsverständnis

Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten

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von Emotion kann je nach theoretischem Schwerpunkt unterschiedlich ausfallen.53 Mit Hinblick auf die Konstruktion des Begriffs emotionale Sicherheit orientiert sich diese Arbeit an zwei Definitionen, welche die Kernpunkte der unterschiedlichen Ansätze teilweise integrieren, und ergänzt sie um die Betrachtung der Emotion als sozial konstruiertes Phänomen.54 Die Definition der Emotion nach den Psychologen Anne Kleinginna und Paul Kleinginna beruht auf einer Zusammenschau von 96 Definitionen und neun Abgrenzungsversuchen. Die beiden Autoren beschreiben die Emotion als komplexes Interaktionsgeflecht subjektiver und objektiver Faktoren mit neuronalen und hormonellen Vermittlungssystemen. Dabei treten nach den Autoren affektive Erfahrungen (Gefühle), kognitive Prozesse (emotional relevante Wahrnehmungs-, Klassifikationsprozesse, Bewertungen), physiologische Anpassungen und Verhaltensweisen auf (vgl. Kleinginna und Kleinginna 1981: 355). Der Psychologe Dieter Ulich kritisiert diesen summarisch angesetzten Definitionsansatz als eher verwirrend als klärend (vgl. Ulich 1999: 31). Sein Begriffsverständnis ähnelt jedoch dem von Kleinginna und Kleinginna. Emotionen erfolgen, Ulich zufolge, auf der physischen und psychischen Wahrnehmungsebene und aktivieren eine Person. Sie sind subjektive affektive, physiologische, kognitive und interpersonale Verhaltens- und Erlebnisreaktionen auf eine Situation, ein Ereignis oder eine Person (vgl. ebd.: 33). Ulichs Betonung der Subjektivität von Emotionen zeigt auf, dass nicht die Situation per se die Emotion auslöst sondern die individuelle Reaktion darauf. Danach entstehen Emotionen aufgrund einer individuellen Bedeutung und Bewertung eines Ereignisses. Sein Begriffsverständnis ist folglich am Ehesten den erlebnisphänomenologischen Überlegungen zuzuordnen (vgl. Wertfein 2007: 13f.). Diese Definitionen können durch das sozialkonstruktivistische Paradigma ergänzt werden. Dieses beschreibt Emotion mit ihrer Entstehung und ihrem Ausdruck als soziales Konstrukt, das sich durch die Umwelteinflüsse, das Erlernen kultureller Darbietungsregeln und durch Sozialisations- und Erziehungsprozesse entwickelt (vgl. Scheve 2010; Wertfein 53

Wertfein (2007) fasst die Ansätze wie folgt zusammen: Evolutionstheoretische Ansätze zeigen auf, welche Emotion welche mimischen Reaktionen nach sich zieht und wie diese Mechanismen evolutionär entstanden sind. Erlebnisphänomenologische Überlegungen konzentrieren sich auf das affektive Erleben von Emotionen. Sie sehen die Emotion als Reaktion auf die Umwelt, berücksichtigen dabei aber auch das Erleben emotionsspezifischer Kognitionen und die Wahrnehmung physischer Veränderungen aufgrund des emotionsspezifischen Erlebens. Neuro- und psycho-physiologische Ansätze fokussieren sich auf die physiologischen Prozesse und stellen einen Zusammenhang zwischen Kognition, Emotion und Physis her. Behavioristisch-lerntheoretische Ansätze betrachten das emotionsauslösende Moment. Sie definieren Lernprozesse als den Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion im Sinne der klassischen Konditionierung. Kognitive Bewertungstheorien setzen ihren Fokus auf die kognitiven Bewertungsprozesse. Ein Reiz oder ein Ereignis wird kognitiv bewertet, was die Emotion auslöst. 54 Gemäß der sozialkonstruktivistischen Sichtweise werden Emotionen und Lernprozesse auf der Basis subjektiver Erfahrungen individuell konstruiert (vgl. Raithel et al. 2009: 72; Scheve 2010).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

2007). Dieses Leitbild berücksichtigt die emotionsauslösenden Bewertungsprozesse und Bewältigungshandlungen, das aktive Moment von Emotionen im Sinne einer Handlungsaktivierung sowie die Wechselwirkung zwischen den Handlungsformen und der Weiterentwicklung von Emotionen. Die Arbeitsdefinition von Emotion wird an Ulich (1999) angelehnt und ergänzt diese um den Entwicklungsprozess des sozialkonstruktivistischen Paradigmas. Daraus lässt sich folgende Arbeitsdefinition ableiten: Emotionen sind subjektive affektive, physiologische, kognitive und interpersonale Verhaltens- und Erlebnisreaktionen, deren Ausdifferenzierung, Reaktions- und Ausdrucksmuster sich innerhalb von Sozialisations- und Erziehungsprozessen herausbilden. Die emotionale Entwicklung stellt grundsätzlich den reifenden Ausdruck, das Erkennen, den Umgang und die Regulation von Emotionen dar. Emotion ist mit einer Reihe von Begriffen verwandt. Das Gefühl, als „Empfindung des Menschen, die seine Einstellung und sein Verhältnis zur Umwelt mitbestimmt“ (Dudenredaktion o. J.), betont weniger die Aktivität, sondern mehr die Introspektive. Der Affekt als nach außen gerichteter Impuls beschreibt das reflexhafte, unkontrollierbare Moment von Emotionen. Eine Stimmung als „bestimmte augenblickliche Gemütsverfassung“ (ebd.) hält länger als Gefühle, Affekte oder Emotionen an, ist nicht unbedingt an ein bestimmtes Ereignis gebunden und kann durch Gefühle oder Gedanken hervorgerufen werden (vgl. Wertfein 2007). Ein emotional sicheres Kind hat im Sinne der Selbstkompetenz ein gesundes Selbstwertgefühl herausgebildet, ist sich der Zuneigung anderer sicher (Sozialkompetenz), vertraut der eigenen Handlungs- und Problemlösekompetenz (Sachkompetenz) und kann seine Emotionen nicht nur wahrnehmen, sondern gemeinsam mit seiner Aufmerksamkeit und seinem Verhalten angemessen regulieren (Selbstkompetenz). Emotionale Unsicherheit hemmt die Ausbildung eines solchen Verhaltensrepertoires. Emotionale Sicherheit bildet in der Folge alle drei von Heinrich Roth beschriebenen Kompetenzbereiche ab (vgl. Abschnitt 3.3). Die emotionale Sicherheit bildet bindungstheoretisch einen Bereich des sicheren Bindungsstils (nähere Ausführungen in Abschnitt 4.1.1). Eine Evaluation der emotionalen Sicherheit erlaubt Rückschlüsse auf den kindlichen Bindungsstil (vgl. Roelofs et al. 2013), einen Einblick in den Entwicklungsstand der Emotionsregulation und lässt Rückschlüsse zu, wie Eltern diese Kompetenz bisher gefördert haben. Mit zunehmenden Alter lernen Kinder, ihre Emotionen verstärkt zu regulieren, indem sie ihre Ziele nach ihrem Wissen und Können vermehrt ausrichten, also ihr Handeln bewusster planen (vgl. Holodynski und Friedlmeier 2013). Anfangs

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geschieht dies auf der Ebene des zentralen Nervensystems, der Ebene der Aufmerksamkeit und der Ebene der Deutung von Situationen und der eigenen Indikatoren emotionaler Erregung (vgl. Friedlmeier 2013). Das Kind lernt zudem einen Zugang zu externen Bewältigungsressourcen, vergrößert seinen Einfluss auf seine Umwelt, sodass es sich immer stärker bewältigbaren, vorhersehbaren und kontrollierbaren Situationen aussetzt, sowie über ein Sammelsurium geeigneter Strategien der Emotionsregulation verfügt, die situations- und kontextangemessen sind und für die Zielerreichung hilfreich sind (vgl. ebd.). Die Deprivations- und Hospitalismusforschung hat eindeutig belegt, dass eine fehlende oder traumatisierende Eltern-Kind-Beziehung ein schwerwiegendes Risiko für die Herausbildung der emotionalen Sicherheit und für die gesamte kindliche Entwicklung darstellt (vgl. u. a. Bretherton 2009; Joraschky und Retzlaff 2008; Liegle 1973, 2017; Walper 2009). So können sich erfahrene Beziehungsmuster in der Eltern-Kind-Dyade in Beziehungsmustern im Erwachsenenalter fortsetzen, unabhängig davon, ob sie sich konstruktiv oder destruktiv gestalten (vgl. Joraschky und Retzlaff 2008). Die Forschungsergebnisse zur Bindungstheorie kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie betonen die Bedeutung der elterlichen Sensitivität, Wärme und Aufmerksamkeit im Umgang mit dem Kind. Diese elterlichen Verhaltensformen unterstützen das Kind bei der Entwicklung der Kompetenz emotionale Sicherheit (vgl. nähere Ausführungen in Kapitel 4). Ohne eine emotionale Sicherheit hat eine Person im weiteren Lebenslauf Probleme, andere kennenzulernen, seine eigenen Elternpflichten adäquat auszuüben, eine zufriedenstellende Partnerschaft zu führen und es fehlt ihr das Wissen für die Erlangung von Selbsterkenntnis (vgl. u. a. Gardner 1991; Joraschky und Retzlaff 2008; Keppler et al. 2002). Dieser kurze Überblick verdeutlicht die zentrale Position der Familie für die Herausbildung der emotionalen Sicherheit. Neben ausführlicheren Erhebungsinstrumenten steht mit dem Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) des Psychiaters Robert Goodman (1997) ein bewährtes Fragebogeninstrument zur Verfügung, um emotionale Probleme zu erfassen (vgl. auch Schmahl et al. 2012: 143f.).55 Dieser Bereich des Fragebogens kann durch eine Invertierung der betreffenden Variablen genutzt werden, um den Kompetenzbereich emotionale Sicherheit zu repräsentieren. Der Fragebogen bietet die Möglichkeit, psychosomatische, affektive und Verhaltensanteile der emotionalen Sicherheit zu erfassen (nähere Ausführungen in Abschnitt 6.2.1). Emotional gefestigte Kinder und Jugendliche zeigen weniger Ängste und Sorgen auf, leiden unter weniger psychosomatischen Symptomen, verfügen über ein Selbstvertrauen, 55

Einen Überblick zu den bestehenden Verfahren zur Klassifikation von sicherer und unsicherer Bindung bieten Sodian und Ziegenhain (2012): 48. Im Beziehungs- und Familienpanel pairfam kommt der SDQ zum Einsatz.

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sind emotional ausgeglichen und sind in neuartigen Situationen stressresistenter und lösungsorientierter als emotional ungefestigte Kinder und Jugendliche. Die emotionale Sicherheit des Kindes bildet einen Bestandteil seiner emotionalen Kompetenzen. Sie ist gekennzeichnet durch ein niedriges Ausmaß an Ängsten, Sorgen, Niedergeschlagenheit und psychosomatischen Symptomen sowie einem ausgeprägten Selbstvertrauen. Generell zeichnet sich die emotionale Entwicklung in der mittleren Kindheit nach Howard Gardner (1991) durch folgende Schwerpunkte aus: Es nehmen die Empathie, die Deutung der Absichten anderer und das Gefühl für die eigenen Kompetenzen und Schwächen zu. Freundschaften nehmen in dieser Phase einen bedeutenden Platz im Leben der Kinder ein. Die Beziehungen werden intensiver und die Reflexion über das eigene Verhalten im sozialen Bereich sowie dessen Folgen erweitert sich. Ein fehlender Freundeskreis stellt einen Risikofaktor für die emotionale Kompetenzausbildung und die Bildung des Selbstwertgefühls dar (vgl. Gardner 1991). Die Pubertät geht mit hormonellen, kognitiven und physischen Veränderungen einher. Zusätzlich verändern sich in der Adoleszenz die meisten sozialen Funktionen, wodurch sich das Stresspotenzial erhöht (vgl. Abschnitt 3.4.1). Zahlreiche internationale Studien belegen für Jugendliche ein erhöhtes Risiko für emotionale Probleme wie Depressionen, Einsamkeit, niedriges Selbstwertgefühl, soziale Isolation und suizidaler Tendenzen mit Risiken für die weitere Entwicklung (vgl. zus. fas. bei Dekovic und Meuus 1995: 225f.). Die internale Emotionsregulierung im Rahmen des Emotionserlebens unterstützt den Jugendlichen bei der Bewältigung emotionaler Krisen, die im Zuge der Entwicklungsaufgaben nicht ausbleiben (vgl. Saarni 2002). Dieser Schutzmechanismus reduziert das Auftreten negativer Gefühle. Copingstrategien wie reframing (Umdeutung der Situation, vgl. Lazarus 1981, 1999; Lazarus und Folkman 1984), Vermeidung und Ablenkung gehören zu den häufig genutzten Strategien. Die externale Emotionsregulierung und der Emotionsausdruck des Jugendlichen wirken sich auf seine Gestaltung sozialer Beziehungen aus (vgl. Saarni 2002; Seiffge-Krenke 2002). In der Jugend nimmt weiterhin die Reflexionsfähigkeit zu, sie wird differenzierter, und die Empathie verstärkt sich weiter (vgl. Gardner 1991; Seiffge-Krenke 2002). Dies zeigt sich auch in der Auswahl von Beziehungen. Gegenseitiges Verständnis, Beistand, Gemeinsamkeiten im Wertesystem, ähnliche Bildung und Empathie wirken sich auf die Auswahl von Beziehungen aus (vgl. Gardner 1991; Seiffge-Krenke 2002). Die Emotionsregulierung ist im Jugendalter von herausragender Bedeutung und wird von der emotionalen Sicherheit entscheidend beeinflusst. Je geringer zum

Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten

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Beispiel das Selbstwertgefühl ausfällt, desto aggressiver, sozial zurückgezogener und emotional instabiler agiert der Jugendliche mit seiner Umgebung.

3.4.3 Prosoziales Verhalten in der mittleren Kindheit und Jugend Der Begriff prosoziales Verhalten wird in der Literatur nicht eindeutig definiert. Im Zuge dessen erfordert es einer Begriffsherleitung. Prosoziales Verhalten zeichnet sich allgemein durch die Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Menschen aus. Es gewährt einzelnen oder mehreren Personen Hilfe oder Unterstützung, um die Situation des Hilfeempfängers zu verbessern. Das Verhalten ist freiwillig und erfolgt frei von äußeren Anreizen. Es kann laut einigen Autoren auch eine Gegenleistung erwartet werden (vgl. Bierhoff 2003b: 320f.; Eisenberg und Mussen 2003: 3). Prosoziales Verhalten setzt sich neben konkreten sozialen Handlungen aus motivationalen, emotionalen und kognitiven Prozessen zusammen. Nach Bierhoff (2003b) liegt hinter dem prosozialen Verhalten die Absicht, die Situation eines anderen Menschen zu verbessern und dabei persönlichen Aufwand in Kauf zu nehmen. Dies beschreibt den motivationalen Hintergrund prosozialen Verhaltens. Die Handlungen können sowohl egoistisch als auch altruistisch motiviert sein. Ist der Vorteil des anderen im Vordergrund, liegt dem Verhalten eine eher altruistische Intention zugrunde. Werden eher Gegenleistungen, externe Anerkennung oder sonstige Vorteile vom Helfenden erwartet, orientiert sich das Verhalten eher an egoistischen Motiven. Weitere mögliche Motive bilden internalisierte Werte, Normen und Pflichten oder eine selbstreflektierte empathische Orientierung (vgl. Eisenberg 1992; nach Oerter 1998: 301).56 Prosoziales Verhalten gilt als Teil der Sozialkompetenzen und erfordert diese gleichzeitig.57 Es kann zudem als Selbstkompetenz begriffen werden, da es unter Umständen bedingt, eigene Bedürfnisse zurückzustellen, sich selbst zu regulieren, 56

Theoretische Ansätze, welche die Hintergründe für prosoziales Verhalten beschreiben, erörtern unterschiedliche Erklärungsmuster. Biologische Ansätze gehen davon aus, dass prosoziales Verhalten aus natürlicher Selektion heraus genetisch bedingt ist und einer Reziprozitätsnorm folgt. Prosoziale Menschen konnten sich danach im Laufe der Evolution erfolgreicher fortpflanzen als Personen, die dieses Verhaltensmuster seltener zeigen. Der individualistische Ansatz zeigt auf, dass eine positive Stimmung, eine prosoziale Persönlichkeit und Empathie das prosoziale Verhalten fördern. Interpersonale Ansätze gehen von den Motiven sozial motivierter und Austauschbeziehungen aus. Dabei tritt Ersteres eher bei engeren Beziehungen auf und Zweiteres kommt eher bei nicht so engen Beziehungen auf. Auf soziale Systeme bezogene Ansätze ermitteln die Norm der sozialen Verantwortung und die Norm der Fairness als Impulsgeber für prosoziales Verhalten (vgl. Bierhoff 2003b: 322-342). 57 Die Unterscheidungen zwischen Sozial-, Selbst- und Sachkompetenzen erfolgen in der Tradition von Heinrich Roth und wurden bereits in Abschnitt 3.3 beschrieben.

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

sein eigenes Verhalten und dessen Wirkung zu reflektieren und sozialverantwortliche Werthaltungen einzunehmen. Im Rahmen des prosozialen Verhaltens gilt es, Probleme anderer zu lösen, sodass prosoziales Verhalten auch einen Teil der Sachkompetenzen wiedergibt. Zugleich bildet prosoziales Verhalten in Anlehnung an die Psychologin Carolyn Saarni eine emotionale Kompetenz in Beziehungen (vgl. Saarni 2002: 3). Dies wird daran deutlich, dass prosoziales Verhalten neben der reinen Kognition auch emotionale Prozesse erfordert. Diese umfassen zum Beispiel die Empathie, das Verstehen von Emotionen des Gegenübers, die Fähigkeit, zwischen geäußerten und inneren Gefühlsausdruck zu unterscheiden, und die emotionale Sicherheit (vgl. Padilla-Walker et al. 2015; Saarni 2002). Zugleich setzt prosoziales Verhalten voraus, sich in die Perspektive eines anderen hineinversetzen zu können. Diese Perspektivübernahme kennzeichnet die kognitive Seite der Empathie (vgl. Liegle 2017; Mollenhauer et al. 1978). Sie dient dazu, den anderen mit seinen Bedürfnissen, Gedanken, Handlungsinteressen, -orientierungen, -perspektiven und -anforderungen zu verstehen und die Welt bzw. die aktuelle Situation aus seiner Sichtweise zu begreifen. Im Rahmen des prosozialen Verhaltens werden daraus eigene Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung des anderen abgeleitet. Die motivationalen, emotionalen und kognitiven Prozesse werden beim prosozialen Verhalten in konkrete soziale Handlungen transferiert. Die Entwicklung dieser kindlichen Kompetenzen können durch unterschiedliche Theorien erklärt werden. Aus der Bindungstheorie verweist eine sichere Bindung auf ein sich herausgebildetes Vertrauen in andere und eine ausgebildete emotionale Sicherheit beim Kind. Die Eltern haben sich als verlässliche und verständnisvolle Bezugspersonen bewährt. Das ermöglicht es dem Kind, Empathie für andere, die Perspektivübernahme gegenüber anderen sowie eine eigene Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft zu erlernen. Studien zur Bindungsentwicklung bestätigen diese Schlussfolgerungen zahlreich. Eine der entscheidenden Prädiktoren für ausgeprägte kindliche soziale Kompetenzen bildet die Interaktion zwischen der Mutter und ihrem Kind. Geht die Mutter sensibel, aufmerksam und stimulierend auf ihr Kind ein, wirkt sich dies unter anderem positiv auf das Bindungsverhalten und das soziale Verhalten des Kindes aus (vgl. NICHD Early Child Care Research Network 1997, 1998, 1999a, 1999b, 2006a). Das Kind erfährt am eigenen Leib prosoziales Verhalten. Ähnliche Schlüsse können unter anderem aus der sozialkognitiven Lerntheorie des Psychologen Albert Bandura gezogen werden (vgl. nähere Ausführungen in Abschnitt 4.1.2). Die Familie bildet von Beginn an einen zentralen Lernort für prosoziales Verhalten. Dies schließt Eltern und Geschwister mit ein. Im Zuge des Aufwachsens gewinnen außerfamiliale Einflüsse wie Gleichaltrige, Freundschaften und Schule an Bedeutung und der Einfluss der Familie nimmt gleichzeitig ab. Die Familie ist

Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten

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jedoch weiterhin von einer besonderen Bedeutung. Ein Kind oder Jugendlicher mit einer hohen Kompetenz im prosozialen Verhalten zeichnet sich nach Bierhoff (2003b) durch soziale Verantwortung, Empathie und internale Kontrollüberzeugung aus. Die internale Kontrollüberzeugung inkludiert die Wahrnehmung, Situationen durch eigenes Handeln verändern zu können. Soziale Verantwortung und internale Kontrollüberzeugung erhöhen das Pflichtgefühl. Diese Faktoren können durch die Perspektivübernahme ergänzt werden. Empathie und Perspektivübernahme führen zu einem besseren Verständnis des anderen. Analog zur emotionalen Sicherheit bietet sich der Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) von Goodman (1997) als bewährtes Fragebogeninstrument an, das prosoziale Verhalten des Kindes zu erfassen. Konkret zeichnet sich damit prosoziales Verhalten durch Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und der Bereitschaft, mit anderen zu teilen, aus (vgl. Schmahl et al. 2012: 145; nähere Informationen in Abschnitt 6.2.1). Eine mögliche Folge bildet die soziale Integration, die aufzeigt, wie beliebt das Kind bei anderen seiner Altersklasse ist und ob es einen Freundeskreis hat. Fehlen die beiden Faktoren, zeigt das Kind eher einzelgängerisches Verhalten und läuft Gefahr, gemobbt zu werden. Das prosoziale Verhalten des Kindes beinhaltet, dass mit zunehmenden prosozialen Verhalten mehr Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und die Bereitschaft, mit anderen zu teilen, auftreten. In der mittleren Kindheit nehmen die kindlichen Fertigkeiten beim prosozialen Verhalten im Vergleich zu jüngeren Kindern zu. Das Kind wird zunehmend in der Lage versetzt, fremde Perspektiven zu übernehmen und dadurch andere mit ihren Gedanken und Gefühlen besser zu verstehen. Das impliziert auch einen Anstieg seiner Sensibilität und Empathie für andere und für ihre Bedürfnisse. Im Zuge dessen kann das Kind auf subtilere Hilfesignale reagieren als in jüngeren Jahren. Diese Faktoren hängen mit einer Ausdifferenzierung seiner kognitiven Fähigkeiten zusammen. Zugleich verinnerlicht es zunehmend Werte, Normen und Regeln, was seine moralische Kompetenzausbildung begünstigt. In der Folge dieser Lernprozesse nimmt die Qualität kindlicher Unterstützung gegenüber anderen im Vergleich zu früheren Entwicklungsphasen zu. Auch verändert sich die Qualität von Freundschaften dahingehend, dass Vertrauen und Ähnlichkeit bedeutsam werden (vgl. Berk 2011: 480f.; Schmidt-Denter 2005: 94f.). Ob das prosoziale Verhalten gegenüber jüngeren Altersabschnitten quantitativ zunimmt, kann nicht abschließend entschieden werden. Die Studienergebnisse dazu sind nicht konsistent (vgl. zus. fas. bei Schmidt-Denter 2005: 94f.).

90

Innerfamiliales Untersuchungsfeld

In der Jugend treten zunehmend Geschlechterunterschiede auf. Ob Mädchen dabei häufiger prosoziales Verhalten zeigen als Jungen, wird in Studien unterschiedlich beurteilt. Es kann eher davon ausgegangen werden, dass sich die Art der Hilfeleistung zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Während Jungen andere eher durch konkrete Handlungen unterstützen, helfen Mädchen mehr durch Kommunikation, Anteilnahme und warmherziges Verhalten. Die Motive für prosoziales Verhalten verändern sich bereits kurz vor der Jugendphase und die damit verbundene Differenzierung nimmt im Laufe der Adoleszenz zu. Die soziale Anerkennung für die Hilfeleistungen gewinnt an Bedeutung. Weiterhin wird unterschieden, ob der Hilfesuchende ohne Eigenschuld in die Lage geraten ist, wie Schmidt-Denter (2005) festhält: „Ab etwa neun Jahren berücksichtigen die Kinder, ob das geschädigte Kind eine Mitschuld an seiner Lage trägt oder ob es außerstande war, die Situation zu beherrschen. Im letzteren Fall war die Bereitschaft zur Hilfeleistung höher. Prosoziales Verhalten wird somit mit zunehmenden Alter gezielter eingesetzt und hängt stärker vom Urteil über den Hilfeempfänger ab“ (ebd.: 95).

3.5

Elterliche Erziehung, Erziehungsziele, Erziehungskompetenzen

Dieser Abschnitt widmet sich der elterlichen Erziehung, der Erziehungsziele und Erziehungskompetenzen im familiären Kontext. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Erziehung als ein möglicher Mediator die Beziehungsqualität und die beiden kindlichen Kompetenzfelder emotionale Sicherheit bzw. prosoziales Verhalten miteinander verbindet. Erzieherisches Handeln beruht auf einem Menschenbild, das von einer grundsätzlichen Lernfähigkeit des Menschen ausgeht, diesem aber auch bescheinigt, der Erziehung und Förderung zum Überleben zu bedürfen (vgl. Ecarius 2010; Fuhrer 2009; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Rotthaus 2004; Winkler 2012). Das anthropologische Verständnis dieser Arbeit orientiert sich vorwiegend an Jutta Ecarius (2010), Janusz Korczak (1970), Ludwig Liegle (2017), Wilhelm Rotthaus (2004), Sigrid Tschöpe-Scheffler (2013) und Michael Winkler (2012): Die kindlichen Bedürfnisse im Hier und Jetzt erfordern einer gleichwertigen Berücksichtigung wie die Bildung optimaler Lernbedingungen. Beides gilt es in ein Gleichgewicht zu bringen. Das kindliche Wohlbefinden ermöglicht ihm optimale Lern- und Entwicklungsbedingungen. Dies kann geschaffen werden, indem das Kind ernst genommen und respektiert wird. Zentrale Aspekte einer optimalen Familienumwelt zeigen sich damit in der elterlichen Förderung einer sicheren Bindung, der elterlichen Berücksichtigung der kindlichen Würde und des kindlichen

Elterliche Erziehung, Erziehungsziele, Erziehungskompetenzen

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Selbstwertgefühls. Zugleich geht es darum, das Kind durch Erziehung, Zeit, Geduld und Ruhe in seiner Kompetenzausbildung zu fördern. Dafür sind Erziehungskompetenzen erforderlich. Wie der Begriff elterliche Erziehung andeutet, werden im Folgenden elterliche Einflussmechanismen des Erziehungsgeschehens vorgestellt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass daneben kindliche und familienexterne Faktoren das Erziehungsgeschehen mitbestimmen. Für die Erziehung existiert keine allgemeingültige Definition, weshalb die vorliegende Arbeitsdefinition erläutert wird. Fuhrer (2007) führt den mangelnden Konsens im Begriffsverständnis auf den Gegensatz zwischen der normativen und der empirischen Erziehungswissenschaft zurück. Die normative Erziehungswissenschaft reflektiert in erster Linie die Erziehbarkeit und Erziehungsbedürftigkeit sowie die Zielsetzung und Rechtfertigung erzieherischer Interventionen. Die empirische Erziehungswissenschaft orientiert sich dagegen vorrangig an der Erziehungswirklichkeit und analysiert die innerhalb des Erziehungsprozesses stattfindenden Handlungen. Diese Arbeit orientiert sich als empirische Untersuchung eher am empirisch orientierten Erziehungsbegriff. Aus einer neopositivistischen und -rationalistischen Perspektive heraus umfasst Erziehung die Handlungen, welche darauf abzielen, die Persönlichkeit eines Kindes oder Jugendlichen dauerhaft zu fördern (vgl. Brezinka 1990, 1991; Gudjons 2012; Niederbacher und Zimmermann 2011; Rotthaus 2004). Dieses Wesen von Erziehung kann präzisiert werden: „Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge psychischer Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten“ (Brezinka 1990: 95).

Erzieherisches Handeln stellt den Versuch dar, die psychischen Dispositionen anderer Menschen zu beeinflussen. Psychische Dispositionen bilden nach Wolfgang Brezinka ein „(…) Gefüge relativ dauerhafter psychischer Bereitschaften eines Menschen, die wir als seinem Erleben und Verhalten zugrunde denken (…). Kenntnisse, Haltungen, Einstellungen, Handlungsbereitschaften, Gefühlsbereitschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessen usw. müssen als Dispositionen angesehen werden“ (ebd.: 80).

Dazu können die in dieser Arbeit verwendeten Konstrukte der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens gezählt werden (vgl. Abschnitte 3.4.2 und 3.4.3), welche als Kompetenzen im Zuge des Erziehungsprozesses auf- und ausge-

92

Innerfamiliales Untersuchungsfeld

baut werden. Der Versuch impliziert den möglichen Erfolg, aber auch ein mögliches Scheitern von Erziehungsvorgängen. So ist der Heranwachsende als Lernender aktiv am Erziehungsgeschehen beteiligt und wirkt darauf mit seinen individuellen Verhaltensweisen und Dispositionen ein (vgl. Abschnitt 3.3; Fuhrer 2009; Rotthaus 2004). Erziehung innerhalb der Familie vollzieht sich in Kommunikations- und Interaktionsprozessen zwischen den Eltern und ihren Kindern. Im Rahmen des Erziehungsbegriffs ist in dieser Arbeit das erzieherische Verhältnis von besonderer Bedeutung. Erziehungs- und Lernprozesse setzen ein Beziehungsverhältnis zwischen Erziehendem und Zögling voraus (vgl. Liegle 2017: 13) und bilden einen Teil der Erziehung (vgl. Fuhrer 2009; Schneewind 1980). So bedarf es einer Beziehung zwischen Stiefeltern und ihren Stiefkindern, damit die Kinder stiefelterliche Erziehungsversuche annehmen und akzeptieren können. Zugleich erzieht die Form der Eltern-Kind-Beziehung die Kinder (nähere Ausführungen in Abschnitt 4.2). Die Eltern-Kind-Beziehung erfolgt in wechselseitiger, dyadischer Beeinflussung – schon von klein auf. „Beziehung und Erziehung im Eltern-Kind-System ist im Prinzip ein transaktionaler Prozess, der die wechselseitige Beeinflussung von Eltern und Kind umfasst und in dem beide sich gleichermaßen in der Rolle des ’Lehrenden’ und des ’Lernenden’ befinden” (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 51).

Nach Ernst Krieck (1882-1947) kann zwischen intentionaler und funktionaler Erziehung unterschieden werden. Intentionale Erziehung beinhaltet direkte erzieherische Aktivitäten und indirekte erzieherische Aktivitäten durch das Schaffen von Lernarrangements, wie zum Beispiel Schwimmkurse. Eine intentionale Erziehung impliziert eine bewusste, absichtsvolle, zielgerichtete Einflussnahme des Erziehers auf das Kind durch direkte (jemanden etwas erklären) oder indirekte Aktivitäten (Schaffen einer Lernumwelt; vgl. Fuhrer 2009; Kron et al. 2013; Schneewind 1980). Die funktionale Erziehung bezieht sich dagegen auf den nicht beabsichtigten Einfluss auf das Kind. Sie beinhaltet zum Beispiel gemeinsame Aktivitäten, wie spielen, reden, schmusen oder das Ermöglichen sozialer Beziehungen zu anderen. Sie gestaltet die Eltern-Kind-Beziehung (z. B. Feinfühligkeit der Eltern) und ermöglicht die kindliche Akzeptanz der intentionalen Erziehung. Entweder zielt Erziehung auf eine Veränderung ab, die erreicht wird oder nicht, oder sie bewirkt ohne explizite Veränderungsabsicht eine Wandlung (vgl. Fuhrer 2009; Rotthaus 2004). Die durch die Erziehung angestrebten kindlichen Verhaltensänderungen sollen nachhaltig, stabil und dauerhaft sein und bilden dabei Zwischenstufen auf dem Weg zur weiteren Kompetenzausbildung und Entwicklung (vgl. Fuhrer 2009). Diese Unterstützung bedarf einer Vermittlung von Wissen, Verhaltensregeln und

Elterliche Erziehung, Erziehungsziele, Erziehungskompetenzen

93

Normen der Gesellschaft (vgl. Wild und Lorenz 2009). Erziehung bedeutet die ganzheitliche Förderung des Kindes und seine Vorbereitung auf die Gesellschaft. Das endgültige Ziel dieses Wissens-, Fähigkeiten- und Kompetenz-Erwerbs bildet die selbständige Lebensführung im Erwachsenenalter. Erziehung hat ferner entwicklungspsychologische Aspekte (vgl. Fuhrer 2009). Das bedeutet Erziehungseinflüsse, Erziehungsverhalten und Entwicklungsstand hängen eng miteinander zusammen, innerhalb einer Altersgruppe unterscheiden sich Entwicklungsverläufe, ferner hat Erziehung einen langfristigen Aspekt (Stabilität, Variabilität). Erziehungsstile können zur rechten Zeit förderlich sein, die gleichen zu einem anderen Zeitpunkt Fehlentwicklungen auslösen und zusätzlich können Veränderungen im Paar- und Familiensystem auf die Erziehung einwirken. Erziehung umfasst Erziehungsziele, Erziehungsstile und Erziehungspraktiken. Sie basiert auf einer sozialen Interaktion zwischen dem Erzieher und dem Kind und findet im pädagogischen Schonraum statt, welcher auch dem Schutz des Kindes dient (vgl. Abschnitt 3.4.1; Böhnisch und Schröer 2011; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Matthes 2011; Rotthaus 2004). In diesem Raum sollen Kinder sukzessive unter der Kontrolle der Erwachsenen an die Erwachsenenwelt herangeführt werden. Dies unterscheidet die Erziehung von der Sozialisation. Sozialisation beinhaltet alle Einflüsse der Umgebung (z. B. Medien, Gleichaltrige, Schule, Familie etc.), mit denen sich ein Heranwachsender, aber auch ein Erwachsener, im Zuge seiner Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzt (vgl. Rotthaus 2004; Schneewind 1980). Im Rahmen dieser Ausführungen wird folgende Arbeitsdefinition aufgestellt: Elterliche Erziehung verweist auf die Eltern als Erziehungspersonen. Sie geht von einer grundsätzlichen Lernfähigkeit des Heranwachsenden aus. Sie umfasst Handlungen und Interaktionen, welche intentional und funktional sein können. Sie zielt auf eine Förderung des Kindes und seiner Fähigkeiten ab. Sie schließt die Eltern-Kind-Beziehung als Voraussetzung und Bestandteil der Erziehung mit ein. Die elterliche Erziehung stößt kindliche Lernprozesse an und ist damit in der Lage, kindliche Kompetenzen zu fördern. Sie ist durch das Kind beeinflussbar. Eltern verfolgen in ihrer Erziehung kurz-, mittel- und langfristige Ziele. Die Gesellschaft und familiäre Faktoren beeinflussen nach Wolfgang Klafki die Auswahl wichtiger Erziehungsziele (vgl. Klafki et al. 1986). Gesellschaftliche Faktoren kennzeichnen die Leitvorstellungen von Politik, Wirtschaft, Kirche und Verbänden. Die Umweltbedingungen, innerhalb derer sich die Familie befindet, ihre soziokulturelle Einbettung, ihre ökonomische Lage und die Persönlichkeitsmerkmale der Eltern gehören zu den familiären Faktoren (vgl. Kunze 2015b: 11f.).

94

Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Die langfristigen Ziele umfassen fünf Kategorien (vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 2005: 45f.): (1) Die Selbstmaximierung beinhaltet die Entfaltung der Talente, der Fähigkeiten, des Selbstbewusstseins und der Unabhängigkeit. (2) Die Selbstkontrolle umfasst die Kontrolle der eigenen Emotionen. (3) Die Soziabilität charakterisiert die Freundlichkeit, die emotionale Fähigkeit und die Beziehungsfähigkeit. (4) Die Anständigkeit stellt das prosoziale Verhalten dar. (5) Gutes Benehmen, als fünfte Kategorie, deskribiert den Respekt vor anderen, Familienbewusstsein und die Anerkennungen von Autoritäten. Die ersten beiden Kategorien gehören zu dem Bereich Eigenverantwortung, die anderen drei Bereiche decken die Gemeinschaftsfähigkeit ab. Daraus sind drei Kompetenzfelder ableitbar, welche alle drei von Roth definierten Kompetenzarten umfassen (vgl. Abschnitt 3.3): die individuellen (Selbstentwicklungsfähigkeit), die sozialen (soziale Fertigkeiten) und die moralischen Kompetenzen (Entwicklung von Werten/Normen). Für die Umsetzung im Alltag ist es unerlässlich, dass die Eltern sich ihrer Ziele bewusst sind und ein Gespür dafür entwickeln, wie langfristige mit aktuellen Zielen verbunden werden können. Dies betrifft zum Beispiel das Thema „Hausaufgaben“. So wollen Eltern, dass Kinder ihre aktuellen Hausaufgaben für den nächsten Tag verrichten. Gleichzeitig wünschen sie sich die Herausbildung des kindlichen Pflichtgefühls, welches das Kind veranlasst, eigenständig und ohne elterliches Nachfragen die Hausaufgaben zu erledigen. Aus systemischer Sicht wirken die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und die elterliche Erziehung auf das Kind. Die elterlichen Bemühungen hängen ferner, gemäß diesem Blickwinkel davon ab, ob das Kind die Erziehungsziele seines Gegenübers als vereinbar mit seinem eigenen Bezugssystem wahrnimmt und ob die Erziehungsformen vom Kind als förderlich oder bedrohlich für sein eigenes Selbstbild wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang sind Erziehungskompetenzen zentral. Es geht darum, ob sich das Kind angenommen, wertgeschätzt und in der Bildung seines Selbstwertgefühls gefördert sieht. Aber nicht nur das! Es beinhaltet ferner, dass die vermittelten Regeln und Werte von dem Erwachsenen authentisch vorgelebt werden und das Kind erfährt, dass ausgetragene Konflikte die Beziehung nicht beeinträchtigen. Für Erziehungsprozesse benötigen die Eltern Kompetenzen. Elterliche Kompetenzen im Zusammenhang mit Erziehungsprozessen sind „Selbstorganisationsdispositionen, die im Hinblick auf die Befriedigung kindlicher Basisbedürfnisse mehr oder weniger angemessen sein können und sich insofern inter- und intraindividuellen Kompetenzunterschieden äußern” (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 50). Die elterlichen Kompetenzen sind dynamisch und können in Beziehungs- und Erziehungskompetenzen unterschieden

Elterliche Erziehung, Erziehungsziele, Erziehungskompetenzen

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werden. Erziehungskompetenzen können in vier unterschiedlichen Kategorien zusammengefasst werden: selbst-, kind- bzw. partner-, kontext- und verhaltensbezogene Kompetenzen (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005; Kunze 2015b; Minsel 2007; Schneewind und Berkic 2007): (1) Selbstbezogene Kompetenzen umfassen die Fähigkeit und Bereitschaft, sich Wissen über verschiedene Handlungsfelder im Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung und der eigenen Person anzueignen und anzuwenden. Es geht um das Wissen über die kindliche Entwicklung, über beziehungsfördernde Verhaltensweisen im Umgang mit dem Kind, über die Erziehung und über die Bildung. Zusätzlich sind die eigenen Wertvorstellungen, Handlungsvorlieben und Verhaltensgewohnheiten zu reflektieren. Es bedarf, sich der eigenen Erziehungsziele bewusst zu sein und die kindliche Perspektive bei der Umsetzung mit zu berücksichtigen. Auf emotionaler Ebene ist die Fähigkeit, eigene negative Emotionen zu kontrollieren, unabdingbar. (2) Kind- und partnerbezogene Kompetenzen enthalten verschiedene Beziehungskompetenzen. Dazu gehören Empathiefähigkeit, Respekt, Unterstützungsbereitschaft, Warmherzigkeit und das Zugestehen der Eigenständigkeit des Gegenübers. Speziell beim Kind bedarf es, das kindliche Potenzial zu erkennen, zu fordern und zu fördern. (3) Kontextbezogene Kompetenzen zeigen sich in der Fähigkeit, eine entwicklungs- und lernförderliche Umgebung zu gestalten und aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist es zum einen wichtig, den Kindern auch soziale Kontakte und Erfahrungsräume außerhalb der Familie zu ermöglichen. Zum anderen bedarf es, die Kinder von schädlichen Einflüssen fernzuhalten und potenzielle Gefahren zu reduzieren. Für den Einsatz der Kompetenzen sind entwicklungspsychologische Kenntnisse und hinreichende soziomaterielle Voraussetzungen erforderlich.58 (4) Handlungsbezogene Kompetenzen basieren auf den anderen drei beschriebenen Kompetenzbereichen und beziehen sich auf das Handeln in der konkreten Beziehungs- und Erziehungssituation. Sie implizieren das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit, die Entschlossenheit und Konsistenz im eigenen Handeln sowie das situationsgemäße Agieren entsprechend den eigenen Prinzipien. Ferner besteht die Notwendigkeit, das eigene Handeln und die eigenen Ziele der fortschreitendenden kindlichen Autonomie anzupassen.

58

Zu den entwicklungsförderlichen sozio-materiellen Bedingungen gehören unter anderem das Bildungsniveau der Mutter, die finanzielle Sicherheit der Familie, positive Persönlichkeitsmerkmale der Eltern, ein geringes Depressivitätsniveau der Eltern, der Organisierungsgrad der familiären Alltagsroutine, das Vorhandensein von Büchern und Spielmaterial sowie gemeinsame Aktivitäten mit dem Heranwachsenden. Weiterführende Informationen dazu bieten unter anderem NICHD Early Child Care Research Network (1999a), (1999b), (2006b); van den Brink (2009) und Walper (2009).

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Innerfamiliales Untersuchungsfeld

Die letzte Kategorie bildet die Schnittstelle zwischen den selbst-, kind- bzw. partner-, kontextbezogenen Kompetenzen im Rahmen der tatsächlichen Umsetzung und macht die anderen drei Kompetenzen durch direktes Handeln sichtbar (Performanz). Erziehungskompetenzen umfassen individuelle und dyadische Kompetenzen. Das Erziehungshandeln läuft häufig intuitiv und nicht bewusst gesteuert ab. Über selbstreflexive Prozesse ist es veränderbar. Es gilt: „Es ist mittlerweile unbestritten, dass die Frage, ob und wie Erziehung entwicklungsförderlich oder hinderlich wirksam wird, nur befriedigend beantwortet werden kann, wenn der Beziehungskontext und die Interaktionen aller am Erziehungsprozess Beteiligten berücksichtigt werden. Derart lassen sich gelingende und misslingende Entwicklungsprozesse immer nur vor dem Hintergrund der unmittelbaren Verhältnisse, in denen ein Kind aufwächst, darstellen und verstehen. Gleichzeitig sind Entwicklungsprozesse auch von den aktuell zu durchlaufenden Entwicklungsstadien abhängig“ (Fuhrer 2005: 125).

3.6

Zusammenfassung

Dieses Kapitel grenzt den Untersuchungsbereich ein und liefert dazugehörige zentrale Begriffsdefinitionen. Die Familie bildet einen Lern- und Erziehungsort, welcher von einer einzigartigen Nachhaltigkeit geprägt ist, dessen Erziehungs- und Lernprozesse innerhalb einer Alltagsstruktur stattfinden und dadurch individualisiert sind. Innerhalb der innerfamilialen Lern- und Erziehungsprozesse legt diese Arbeit in Anlehnung an Jutta Ecarius ihren Fokus auf den Erziehungsinhalt „Haltung zum Kind“ und auf die Nähe-Distanz-Beziehungsstrukturen. Während die Beziehungsqualität vorwiegend psychologisch und soziologisch hergeleitet worden ist, sind die anderen Grundbegriffe primär aus einer erziehungswissenschaftlichen Sichtweise eruiert worden. Die Beziehungsqualität bildet ein mehrdimensionales Konstrukt aus emotionalen (Intimität), Einstellungs(Wertschätzung), Verhaltens- (Kommunikation) und motivationalen Faktoren (Zufriedenheit). Auf elterlicher Ebene werden in dieser Arbeit Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf Erziehungskompetenzen genauso untersucht wie die Abhängigkeit der Ausprägung zweier kindlicher Kompetenzen von diesen beiden Faktoren. Kompetenzen werden in Lernprozessen angeeignet. Sie bauen auf Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten auf und implizieren die intrinsische Motivation zum Handeln.

Zusammenfassung

97

Die mittlere Kindheit und Jugend haben sich im Zuge von Pädagogisierungsprozessen zu eigenständigen Entwicklungsräumen geformt und unterliegen verschiedenen Entwicklungs- und Lernaufgaben, welche im Zuge ausgeprägter emotionaler Kompetenz und prosozialen Verhaltens konstruktiv bewältigt werden können. Die emotionale Sicherheit wirkt sich unter anderem auf die Fähigkeiten der Selbsterkenntnis, der Beziehungsaufnahme, -gestaltung und der Problemlösung aus. Als Bestandteil der emotionalen Kompetenzen beinhaltet die emotionale Sicherheit ein niedriges Ausmaß an Ängsten, Sorgen, Weinen und psychosomatischen Symptomen sowie ein ausgeprägtes Selbstvertrauen. Prosoziales Verhalten fördert die Übernahme sozialer Verantwortung, die soziale Integration, das Verständnis des anderen und zeichnet sich durch ein hohes Maß an internaler Kontrollüberzeugung aus. Als Teilbereich der sozialen Kompetenzen zeigt sich das prosoziale Verhalten in der Rücksichtnahme, der Hilfsbereitschaft und der Bereitschaft, mit anderen zu teilen. Diese Studie verfolgt die Annahme, dass Erziehung als ein Mediator die Beziehungsqualität und die beiden kindlichen Kompetenzfeldern zusammenfügt. Im Zuge dessen werden Erziehung, Erziehungsziele und Erziehungskompetenzen genauer betrachtet. Erziehung setzt die Lernfähigkeit des Heranwachsenden voraus. Sie wird als elterliches bewusstes und unbewusstes Einflussinstrument im Sinne einer Lernförderung erachtet, welches das Kind bei seiner Kompetenzausbildung und Entwicklung unterstützt. Ihr Erfolg hängt von der Eltern-Kind-Beziehung, den elterlichen Kompetenzen und der kindlichen Akzeptanz ab. Sie zielt auf die kindliche Selbstentwicklung, den Ausbau seiner Werte bzw. Normen, seiner Fähigkeiten und Kompetenzen ab. Ihre Handlungsfähigkeit wird durch selbst-, beziehungs-, kontext- und handlungsbezogene Kompetenzen unterstützt. Aus diesem reichen Repertoire möglicher Elternkompetenzen werden im vierten Kapitel solche ausgewählt, welche in bisherigen Forschungen als relevant eingestuft worden sind, um ihre Bedeutung für Stieffamilien einschätzen zu können.

4

Theoretischer Bezugsrahmen

Dieses Kapitel beinhaltet den theoretischen Bezugsrahmen für die Hypothesenund Modellbildung. Zuerst werden relevante Aspekte innerfamilialen Lernens dargestellt (4.1). Ausgewählte Facetten einer förderlichen familiären Lernumgebung werden anhand einer verantworteten Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive thematisiert (4.2). Im Anschluss werden die verwendeten psychologischen Erklärungsmodelle zu den indirekten Wirkungsmustern der Beziehungsqualität auf das Kind vorgestellt (4.3). Zum Schluss folgt ein Ausblick (4.4). 4.1

Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen

Wie gestalten sich kindliche Lernprozesse innerhalb der Familie? Diese Frage wird anhand ausgewählter Aspekte der Bindungstheorie (John Bowlby, Mary D. S. Ainsworth), der stresstheoretischen Perspektive (Richard R. Lazarus), der sozial-kognitiven Lerntheorie (Albert Bandura) und der pädagogischen Theorie der Entwicklung von Heinrich Roth genauer untersucht.

4.1.1 Emotionsbasierte Aspekte Die Bindungstheorie: John Bowlby, Mary D. S. Ainsworth59 Bindung umreißt eine elementare Form der Liebe, eine intim-wechselseitige Beziehung und umfasst die emotionale Seite des Lern- und Erziehungsgeschehens 59

Der Psychoanalytiker John Bowlby entwickelte die Bindungstheorie auf der Grundlage ethologischer Forschungen, der Psychoanalyse und empirischen Untersuchungen zur Mutterentbehrung (vgl. u. a. Bowlby 2006, 2011; Bretherton 2009; Grossmann und Grossmann 2012). Bindung entsteht nach Bowlby im Säuglings- und Kleinkindalter im Rahmen der kindlichen Interaktionen mit seinen ersten Bezugspersonen. Die Entwicklungspsychologin Mary D. S. Ainsworth bestätigte die Bindungstheorie in zahlreichen Feld- und Laboruntersuchungen. Sie entwickelte auf der Grundlage ihrer Beobachtungen drei Bindungsmuster, ein Verfahren zur Erfassung der Bindungsmuster (Fremde-SituationenTest) sowie eine Skala zur Erfassung des Verhaltens von Bezugspersonen (vgl. u. a. Ainsworth 2011; Ainsworth et al. 2011; Ainsworth und Wittig 2011). Sie entdeckte einen Zusammenhang zwischen dem Bindungsmuster des Kindes und der Sensibilität seiner Bezugsperson gegenüber dem kindlichen Bindungsverhalten. Nachfolgende Forschungen erweiterten die Bindungstheorie, ihre Methoden und

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_4

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Theoretischer Bezugsrahmen

(vgl. Liegle 2017: 32f.). Die Qualität der Beziehungserfahrungen beeinflusst das Bindungsverhalten des Kindes, da das Kind seine Verhaltensweisen auf das erwartete Verhalten seiner Bindungsperson anpasst (vgl. Liegle 2017; Zellmer 2008). Bindung und Bindungsverhalten umschreiben zwei unterschiedliche Bereiche. Die Bindung deskribiert ein ausgeprägtes, weitgehend stabiles und dauerhaftes Kontaktbedürfnis zu spezifischen Personen und ist auf wenige Individuen begrenzt. Das Bindungsverhalten skizziert dagegen die Suche oder Bewahrung von Nähe zu (vermeintlich) kompetenten Personen und wird am stärksten bei Angst, Müdigkeit oder Krankheit aktiviert (vgl. Bowlby 2010). Bowlby hat unter anderem Wechselwirkungsmechanismen zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten von Säuglingen und Kleinkindern formuliert: Das kindliche Bindungs- und Explorationsverhalten bilden die zwei Enden auf einer Waagschale im Sinne eines kybernetischen Verhaltenssystems, wobei das Bindungsverhalten bei Aktivierung intensiver wirkt (vgl. ebd.). Aus den Erfahrungen des Kindes mit seinen Bezugspersonen, mit sich selbst und seinen damit verbundenen Emotionen entwickelt sich von Geburt an ein internales Arbeitsmodell in Bezug auf das Selbst- und Fremdbild und die Reaktionsbereitschaft anderer. Dieses wirkt sich auf das Verhalten und Denken in späteren Beziehungen aus (vgl. u. a. Bierhoff und Grau 1999; Grossmann und Grossmann 2012; Keppler et al. 2002). Ähnliche Erfahrungen werden dabei im Laufe der Entwicklung abstrahiert und generalisiert. Sie führen damit zu Erwartungen an das Verhalten der Bezugspersonen (model of others) und an sich selbst (model of self) (vgl. u. a. Bowlby 2009; Fremmer-Bombik 2009; Grossmann und Grossmann 2012; Keppler et al. 2002; Main et al. 1985). Das model of others beeinflusst die kindliche Emotions-, Verhaltens- und Aufmerksamkeitsregulation. Das model of self wirkt sich auf das Selbstwertgefühl und Selbstkonzept aus. „Die Funktion dieser Modelle besteht darin, Ereignisse in der Realität zu simulieren, wodurch das Individuum in die vorteilhafte Lage versetzt wird, sein Verhalten einsichtig und vorausschauend zu planen“ (Bowlby 2009: 23). Der Bindungsstil ist mit spezifischen Erwartungen an andere verbunden. Seine unbewusste innere Organisation lässt eine prinzipielle Stabilität annehmen (vgl. Bierhoff und Grau 1999; Fremmer-Bombik 2009). Bindungssicherheit führt zu einem positiven internalen Arbeitsmodell. Es gibt drei Bindungsstile und einen zusätzlichen Bindungsstil (vgl. Bierhoff und Grau 1999; Bowlby 2009; Keppler et al. 2002): (1) Sicher gebundene Kinder suchen vertrauensvoll Unterstützung, zeigen offen ihre Gefühle, erleben Sicher-

die Untersuchungsgruppen (vgl. u. a. Grossmann und Grossmann 2011; Grossmann und Grossmann 2012; Main 2009; Main et al. 1985; Main und Solomon 1986; Target et al. 2003).

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101

heit, können ihre negativen Gefühle wahrnehmen und angemessen damit umgehen. (2) Unsicher-ambivalent gebundene Kinder wirken in Beziehungen ängstlich, beobachten das Verhalten anderer und schränken sich selbst in ihrem Explorationsverhalten ein. (3) Unsicher-vermeidend gebundene Kinder gehen davon aus, dass sie sich nicht auf andere verlassen können, weswegen sie nicht einmal versuchen, Hilfe zu erhalten oder ihre negativen Gefühle zu zeigen. Dadurch sind sie im Laufe ihrer Entwicklung begrenzt in der Lage, ihre negativen Gefühle wahrzunehmen und die Verbindung dieser Gefühle mit dem ursächlichen Moment zu verknüpfen. (4) Als zusätzliche Klassifikation gelten die unsicher-desorganisierten Kinder. Häufig finden sich solche Kinder in Familien, in welchen sie oder ihre Eltern ein Trauma erlebt haben. Sie nehmen ihre Eltern gleichzeitig als Ursprung und Beruhigungsfaktor von Angst wahr und zeigen dadurch widersprüchliche Bindungsmuster und teilweise erstarrte Verhaltensmuster (vgl. Main 2009; Main et al. 1985; Main und Solomon 1986). Im Rahmen dieses Forschungsdesiderats sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Das Bindungs- und Explorationsverhalten, die entwickelten internalen Arbeitsmodelle und der Bindungsstil beeinflussen die kindlichen Lern- und Entwicklungsprozesse. Ist das Bindungsverhalten aufgrund äußerer Faktoren oder innerem Befinden aktiv, schränkt dies das Explorationsverhalten ein, das Kind sucht Schutz und Geborgenheit bei einer Bezugsperson. Umgekehrt erhöht ein inaktives Bindungsverhalten das Erkunden der Umgebung und damit das Lernen. Ein model of others, welches ein grundsätzliches Vertrauen in andere beinhaltet, unterstützt die Offenheit im Umgang mit anderen, sodass interpersonale Lernmöglichkeiten geschaffen werden können, welche kompetenzfördernd wirken können. Ein positives Selbstkonzept beeinflusst die Selbstwirksamkeit (vgl. nähere Ausführungen in Abschnitt 4.1.2). Der sichere Bindungsstil fördert im Gegensatz zu den anderen Bindungsstilen das kindliche Explorationsverhalten, den adäquaten Umgang mit den eigenen Emotionen und den Ausbau der sozialen Kompetenzen. Die internalen Arbeitsmodelle stabilisieren sich im Laufe der Entwicklung (vgl. Fuhrer 2007: 124). Intensive Erfahrungen können den Bindungsstil und sein internales Arbeitsmodell jedoch verändern (vgl. Bierhoff und Grau 1999). Studien zur Übertragbarkeit frühkindlicher Bindungsstile auf spätere Lebensalter bescheinigen ihnen höchstens eine mittlere Stabilität über den Lebenslauf hinweg und eine mittlere Generalisierbarkeit auf andere Bezugspersonen (vgl. u. a. Cook 2000; Cozzarelli et al. 2000; La Guardia et al. 2000; Ross und Spinner 2001). Folglich können sich Bindungen auch später entwickeln und verändern (vgl. Winkler 2012:

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Theoretischer Bezugsrahmen

22). Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass Kinder zu ihren Stiefeltern eigenständige Beziehungen entwickeln können und die frühkindlichen Erfahrungen der Eltern-Kind-Beziehung maximal in einem mittleren Maße in diese Beziehungen hineinwirken können. Trennung und Scheidung können häufig eine destabilisierende Wirkung auf Kinder ausüben. Stieffamilien können jedoch im Rahmen ihrer innerfamilialen Beziehungsgestaltung (Partnerschaft, Eltern-Kind-Beziehung, Kinderbeziehungen) zu einer Stabilisierung der Kinder und damit zu einer positiven Lernumgebung beitragen. Emotionale Stabilisierung der Familienmitglieder im Rahmen der stresstheoretischen Perspektive: Richard R. Lazarus Die emotionale Stabilität konstituiert das individuelle Wohlbefinden. Während das Wohlbefinden eher grundsätzlicher Natur ist, erfordern stressintensive Phasen einer emotionalen Stabilisierung. Stressauslösende Situationen untergliedern sich in kritische Lebensereignisse, Entwicklungsaufgaben und alltägliche Widrigkeiten (vgl. Bodenmann 2007; Lohaus et al. 2007).60 Stress entsteht nach dem Psychologen Richard R. Lazarus durch eine unzureichende Balance zwischen inneren bzw. äußeren Anforderungen und individuellen Bewältigungsformen (vgl. u. a. Filipp 1981; Lazarus 1981, 1999; Lazarus und Folkman 1984). Erlebt das Stiefkind die elterliche Partnerschaft als konfliktreich, entsteht ein potenzieller stressauslösender äußerer Moment. Lehnt es die elterliche Partnerschaft dagegen eher ab, da es sich eine erneute Wiedervereinigung seiner beiden leiblichen Eltern erhofft, kann eine hohe Beziehungsqualität das Kind innerlich unter Stress setzen. Stressbewältigungs- bzw. Copingkompetenzen beziehen sich darauf, wie Personen mit Stress und stressreichen Situationen auf emotionaler, kognitiver und Handlungsebene umgehen (vgl. Lazarus 1999; Lazarus und Folkman 1984). Stress löst Emotionen aus, welche wiederum sein Niveau erhöhen können. Stress und seine Bewältigung entstehen durch die Wechselwirkung von einer Situation, der Einschätzung der persönlichen Relevanz des Ereignisses, der wahrgenommen Bedrohlichkeit einer Situation für die betroffene Person (primary appraisal), ihrer Bewertung und Auswahl der eigenen vorhandenen Bewälti-

60

Kritische Lebensereignisse führen zu eklatanten Veränderungen im Leben und gehen mit Reorganisationsprozessen einher. Sie können bei entsprechender Dauer und Intensität das Wertesystem, die Gewohnheiten oder die Wünsche einer Person transformieren. Entwicklungsaufgaben resultieren aus biologischen Veränderungen, wie zum Beispiel der Adoleszenz, und sind kulturell normiert, wie zum Beispiel der Ausbildungsbeginn. Alltagsprobleme treten am häufigsten auf und die darauf folgenden Stressreaktionen werden von der Umwelt im Gegensatz zu den beiden anderen Ereigniskategorien am wenigsten toleriert (vgl. Bodenmann 2007). Über- und Unteranforderungen können jeweils zu Stress führen.

Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen

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gungsmöglichkeiten (secondary appraisal) und ihrem eingesetzten Copingverhalten (vgl. Bodenmann 2007; Filipp 1981; Lazarus 1981, 1999; Lazarus und Folkman 1984). Der primäre Einschätzungsprozess setzt sich aus den persönlichen Merkmalen des Betroffenen (Wert- und Wunschvorstellungen) und dem Bedrohlichkeitsgrad der spezifischen Situation zusammen (Ausmaß an Eindeutigkeit, Vertrautheit, Dauer; vgl. Lazarus 1999). Je intensiver eine Situation die beiden Punkte tangiert, desto emotionsgeladener fällt der erste Einschätzungsprozess aus (vgl. Lazarus und Folkman 1984).61 Die Auswahl der Coping-Strategie (secondary appraisal) basiert auf den Informationen zu vorhandenen persönlichen und sozialen Ressourcen und zu den situationsgerechten Bewältigungsformen. Ferner berücksichtigt der Betroffene die potenziellen Handlungsfolgen auf die eigene Person und die spezifische Situation (vgl. Lazarus 1981; Lazarus und Folkman 1984). Zum Schluss kann es aufgrund der Resultate zu einer Neubewertung der Situation (reappraisal) kommen (vgl. Lazarus & Folkman 1984: 53). Emotionen bestimmen das Leben in der Familie entscheidend mit. Sie werden dort leichter ausgedrückt (z. B. Ärger, Besorgnis, Konflikte) oder verarbeitet (z. B. durch Aufmerksamkeit, Trösten, Unterstützen, Auseinandersetzen) als in anderen sozialen Umfeldern. Die innerfamilialen Beziehungen und der elterliche Umgang mit den eigenen damit verbundenen Emotionen können als innerfamiliale Ressource oder als Stressor auf das Familienklima und das kindliche Aufwachsen wirken (vgl. Reicherts und Genoud 2011: 377f.). Stressoren eines familialen Subsystems können bei einem unzureichenden Copingverhalten die emotionale Befindlichkeit, die Emotionsregulation und die Impulskontrolle aller Familienmitglieder negativ beeinflussen (vgl. Graf 2002; Lohaus et al. 2007). Bei der kindlichen Entwicklung ist der Zusammenhang mit der ökonomischen Deprivation bzw. den ökonomischen Krisen der Eltern gut erforscht. So wirken beide Faktoren als elterliche Stressoren. Kindliche internalisierte und externalisierte Verhaltensprobleme nehmen in der Folge zu (vgl. Parke et al. 2004; Ponnet et al. 2014; Puff und Renk 2014). Die Autoren beschreiben, wie ökonomische Krisen die psychische Gesundheit der Eltern gefährden. Das Depressionsniveau steigt an. In der Folge erhöhen sich Probleme in der Partnerschaft, im Erziehungsverhalten und in der kindlichen Entwicklung. Dies indiziert, dass Eltern ihre Kompetenzen in der Partnerschaft und in der Kindererziehung nicht adäquat abrufen können. Das elterliche Belastungsniveau kann sich auf die Elternkompetenzen und damit auf den elterlichen Umgang mit dem Kind auswirken. In der Folge

61

Fehleinschätzungen zu einer Situation resultieren häufig auf Störungen, fehlendem Wissen, Verleugnung oder der Mehrdeutigkeit der Situation (vgl. Lazarus 1999; Lazarus und Folkman 1984).

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Theoretischer Bezugsrahmen können Eltern unter Umständen keine hinreichend emotional stabile Familienumwelt implementieren. Das kindliche Belastungsniveau kann im Rahmen unzureichender emotionaler Stabilisierung ansteigen. Seine Lernmöglichkeiten können in der Folge eingeengt werden.

4.1.2 Sozialbasierte Aspekte Sozial-kognitive Lerntheorie: Albert Bandura Die sozialen Lerntheorien vermitteln die reziproken Wirkungen von Umwelt und Individuum aus einem systemischen Blickwinkel im Sinne einer zirkulären Kausalität. Die Umwelt beeinflusst das Individuum, welches wiederum auf die Umwelt zurückwirkt. Innerhalb des Individuums interagieren aus Erfahrung erwachsene Persönlichkeitsfaktoren, Gedanken und Handlungen miteinander (vgl. Bandura 1997; Bandura und Kober 1979; Bodenmann et al. 2016; Ittel et al. 2014; Rotter 1966). Die sozial-kognitive Lerntheorie des Psychologen Albert Bandura ermittelt als Ursprung jeglichen Verhaltens (1) das Lernen durch Erfahrung, (2) das Lernen durch Beobachtung (Lernen am Modell) und (3) die Selbstwirksamkeit (vgl. Bandura 1997; Bandura und Kober 1979). (1) Beim Lernen durch Erfahrung ist der Lernende den Konsequenzen des eigenen Handelns direkt ausgesetzt. Das auf diese Weise generierte Wissen beinhaltet, welches Verhalten mit welchen Konsequenzen verbunden ist. Das Kind entwickelt in der Folge einen Katalog an Hypothesen zu den Zusammenhängen zwischen Handeln und Konsequenzen, woraus sich die Motivation für bzw. gegen spezifische Verhaltensweisen sowie Selbstregulationsmechanismen herausbilden.62 Diese Faktoren gelten auch für das Lernen am Modell. (2) Beobachtet ein Kind die Interaktion zwischen seinen Eltern, lernt es Mechanismen sozialer Interaktion. Demzufolge werden die beobachteten Verhaltensweisen zum eigenen Repertoire im interaktiven Handeln. Das Kind erlernt neue Verhaltensweisen, modifiziert alte Verhaltensmuster und bildet Hinweisreize her-

62

Ähnliche Überlegungen zur Handlungsmotivation generiert der Psychologe Julian B. Rotter: Verhaltenspotenziale, im Sinne von Verhalten, Gedanken oder Gefühlen, sind von antizipierten, erwarteten Verstärkern, deren Wert und der psychologischen Situation selbst bestimmt. Die Erwartungen implizieren die individuell angenommenen Wahrscheinlichkeiten, welche Verstärkung aus dem eigenen Verhalten folgen kann. Der Verstärker muss für das Individuum erreichbar und attraktiv, also motivierend, sein. Die psychologische Situation umschreibt die subjektiven Deutungsmuster einer Person auf der Basis ihrer gewonnenen Erfahrungen und ihrer Erwartungen innerhalb der gegenwärtigen Situation. Einen Überblick zu seiner Theorie bieten unter anderem Bodenmann et al. (2016); Ittel et al. (2014) und Rotter (1966).

Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen

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aus. Dabei ist das Individuum nicht der passive Beobachter. Lernprozesse im Rahmen der Beobachtung gliedern sich in die vier Phasen Aufmerksamkeitszuwendung, Gedächtnis- und Behaltensphase, motorische Reproduktion und Motivationsprozesse (vgl. u. a. Bandura und Kober 1979; Bodenmann et al. 2016; Gudjons 2012; Ittel et al. 2014; Stein 2013: 94): In der ersten Phase erweckt ein Modell aufgrund seiner Rolle, Attraktivität und Ähnlichkeiten zum Beobachter dessen Aufmerksamkeit und bewusste Wahrnehmung. Das Kind richtet seine Aufmerksamkeit auf das Modell. Zusätzlich beeinflussen die Art des Verhaltens und die beobachteten Konsequenzen auf das Verhalten das Modell-Lernen. Innerhalb der Familie bestehen häufige, regelmäßige und emotionsreiche Interaktionen, weshalb das dort beobachtete Lernmodell einen besonders intensiven Einfluss auf das Kind ausübt. In der zweiten Phase wird das beobachtete Verhalten im Gedächtnis abgespeichert. In der dritten Phase ahmt das Kind das Verhalten nach und führt es in der vierten Phase, im Falle von erfolgter Verstärkung, weiterhin aus. Die gerichtete Aufmerksamkeit, die kognitive Verarbeitung, die aktive Imitation und die Handlungsmotivation sind entscheidend, in welcher Weise das Gelernte umgesetzt wird. Dabei ist das Individuum eingebunden in seine Umwelt (Umfeld, Personen mit ihren Aktionen und Reaktionen; vgl. Ittel et al. 2014). Die erste Phase illustriert die Relevanz von Beziehungsaspekten beim Anstoßen von Lernprozessen und damit einen bedeutungsvollen Gesichtspunkt für innerfamiliale Lernprozesse. Beziehungen können zum Aneignen motivieren und effektiv sein, da sie die erforderliche Aufmerksamkeit des Lernenden auf sich ziehen (vgl. ebd.: 340). Die Familienumwelt bietet Stimuli, welche physiologische Reaktionen hervorrufen (können). Erlebt das Kind wiederholt elterliche Konflikte, können Angst und Abwehrverhalten, aber auch Aggression, zum Sinnbild einer niedrigen emotionalen Sicherheit werden. Diese Emotionen können ferner Schutzmechanismen aufbauen, sozialen Situationen mit wenig Empathie und Perspektivübernahme zu begegnen, sodass die Kompetenz prosoziales Verhalten unter ihren Möglichkeiten bleibt. Gleichzeitig dient das Verhalten der Eltern als Modell. Gehen die Eltern liebevoll, fürsorglich und wertschätzend miteinander und mit ihrer Umwelt um, kann dieses Modell fördernd auf die Kompetenzausbildung wirken. (3) Beobachtete und erfahrene Konsequenzen dienen als Verstärker für zukünftige Verhaltensweisen. Im Rahmen von Selbsteinschätzungsprozessen bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit wird die Anstrengungsbereitschaft und Selbstwirksamkeit generiert. Je mehr eine Person von ihrem eigenen Erfolg überzeugt ist, desto mehr wird sie sich anstrengen. Rotters Überlegungen gehen ebenfalls unter anderem davon aus, dass es unterschiedliche Grade der individuellen Kontrollüberzeugung bzw. Selbstwirksamkeit gibt. Eine Kontrollüberzeugung weist

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Theoretischer Bezugsrahmen

auf, inwieweit ein Individuum davon überzeugt ist, die Konsequenzen seines eigenen Verhaltens tragen zu müssen und inwieweit es diese durch sein persönliches Handeln beeinflussen kann (vgl. Bodenmann et al. 2016; Ittel et al. 2014; Rotter 1966). Eine hohe internale Kontrollüberzeugung zeigt die Überzeugung auf, Ereignisse und Situationen beeinflussen zu können. Bei einer hohen externalen Kontrollüberzeugung erscheint die Umwelt dagegen übermächtig, Erlebnisse werden als unkontrollierbar angesehen. Die Art der Kontrollüberzeugung kann sich auf die Lern- und Handlungsmotivation auswirken und damit die Kompetenzausbildung beeinflussen. Andauernde Diskrepanzen zwischen den eigenen Handlungen und der Umwelt reduzieren die Selbstwirksamkeitserwartung und schränken die Kompetenzen emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten ein. Dies beschreibt der Psychologe Martin E. P. Seligman (1999) in seinem Konzept der erlernten Hilflosigkeit. Wird Banduras Ansatz auf die vorliegende Arbeit übertragen, bedeutet das Folgendes: Ein hohes Maß individueller Selbstwirksamkeit des Kindes bietet einen Nährboden für den Ausbau der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens. Das Kind ist sich bewusst, dass es mit seinem Verhalten Erfolg generieren kann und welche Konsequenzen sein Verhalten erzeugen kann. Umgekehrt zeigt ein Kind mit einer niedrigen internalen Kontrollüberzeugung diese beiden Kompetenzen weniger. Es erkennt weniger den Zusammenhang zwischen persönlichem Handeln und dessen Konsequenzen, sondern sucht die Ursachen negativer und positiver Konsequenzen in äußeren Faktoren. Das Lernen durch Erfahrung und das Lernen am Modell unterstützen diese Mechanismen sowohl positiv als auch negativ in Abhängigkeit von den eigenen Erlebnissen und Beobachtungen. Einflüsse auf die Effektivität von Lernprozessen: Heinrich Roth In seiner Entwicklung einer pädagogischen Theorie der Entwicklung geht Heinrich Roth auf verschiedene Bedingungen ein, von denen die Effektivität kindlicher Lernprozesse abhängig ist. Im Rahmen dieser Arbeit sind vier Einflussfaktoren von besonderer Bedeutung: (1) das sozioökonomische und soziokulturelle Umfeld, (2) die Lehr- und Erziehungsprozesse, (3) die didaktischen Lernbedingungen und (4) die Lernbereiche (vgl. Roth 1971: 165-179). (1) Lernen wird durch drei verschiedene Rahmenbedingungen beeinflusst. Dazu gehören (a) die individuellen Merkmale des Lernenden von seiner gesundheitlichen Konstitution bis hin zu seinen kognitiven Fähigkeiten und seinen Vorlieben (vgl. ebd.: 165f.). Die Nachhaltigkeit von Lernprozessen wird dadurch bestimmt, wie aufmerksam der Lernende ist, welche Motivation vorliegt, in welchem

Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen

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Ausmaß eine internale Kontrollüberzeugung vorliegt und welche Emotionen während des Lernens auftreten.63 Aufmerksamkeit zeigt sich darin, inwieweit sich der Lernende auf den Lerninhalt fokussiert und nicht relevante Informationen herausfiltert. Motivation ist verbunden mit den Erfolgsaussichten, welche von den eigenen Kompetenzen und dem Lernziel abhängen. Diese individuellen Merkmale unterliegen zugleich sozialen Bewertungsprozessen, welche zusätzlich die Effektivität von Lernprozessen beeinflussen (vgl. ebd.: 165f.). Trauen Eltern ihrem Kind etwas zu und bestärken sie es, unterstützen sie die Effektivität seiner Lernprozesse. Auf gesellschaftlicher Ebene wirken soziale Bewertungen ebenfalls. Bestehende Vorurteile gegenüber einer Bevölkerungsgruppe können Kinder aus dieser Gruppe in ihrem Lernpotenzial einschränken. (b) Sozioökonomische Rahmenbedingungen der Familie wirken zu Roths Zeiten und auch in der Gegenwart auf die Lernprozesse des Kindes, wie zum Beispiel die Armuts- und Reichtumsberichte der Deutschen Bundesregierung wiederholt feststellen (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008, 2013; Deutscher Bundestag 2017). Der elterliche Bildungsstand wirkt sich zum Beispiel auf die kindlichen Bildungsaufstiegschancen aus. (c) Der dritte Einflussfaktor umfasst die soziale Struktur und das kulturelle Milieu, innerhalb derer das Kind aufwächst (vgl. Roth 1971: 166). Dazu gehören zum Beispiel das soziale Netzwerk, die gelebte Familien- und Beziehungskultur und die gesellschaftliche Teilhabe. Die Punkte (a) bis (c) beeinflussen, wie effektiv das Kind lernt und sein innewohnendes Potenzial nutzen kann. (2) Die Effektivität des Lernens ist auch abhängig von der Qualität der Erziehung und des Lehrens (vgl. ebd.: 169). Wie Eltern ihre Kinder erziehen, ist wesentlich von ihren Kompetenzen, den Familienbeziehungen und dem familiären Umfeld abhängig. Insofern bietet innerfamiliales Lernen ausgeprägte individualisierte Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Eltern fördern kindliche Lernprozesse durch das „Antworten“ und das „Zeigen“. Liegle beschreibt das „Antworten“ als Reaktion auf explizite kindliche Fragen, Signale, Bedürfnisse, Ansprüche und Rechte unabhängig vom Alter (vgl. Liegle 2017). Die Kinder zeigen dabei auf das, was ihre Aufmerksamkeit erweckt (Gegenstände, Situationen, Personen etc.; vgl. Liegle 2017; Mollenhauer et al. 1978; Winkler 2012: 90). Beim „Zeigen“ aus elterlicher Sicht machen Eltern ihre Kinder auf Gegenstände, Regeln und Verhaltensweisen aufmerksam und üben diese mit den Kindern ein. Lernen erfolgt systemisch innerhalb eines Beziehungskontextes, wobei positive Beziehungen ein positives Selbstbild genauso fördern wie die Motivation. Sie wirken stressreduzierend und sind damit lernförderlich. Die mit dem Lernen verbundenen Emotionen

63

Die Mechanismen zur internalen Kontrollüberzeugung wurden bereits bei Bandura aufgezeigt. Zum emotionalen Aspekt des Lernens sei auf Abschnitt 4.1.1 verwiesen.

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Theoretischer Bezugsrahmen

können es fördern (Freude) oder behindern (Angst, Stress; vgl. u. a. Gudjons 2012; Spitzer 2003; Stein 2013). (3) Lern- und Erziehungsprozesse bedürfen der individuellen Anpassung an das Kind und an seinen Stand der Fähigkeiten (vgl. Roth 1971: 107-173). Es geht hierbei um die Balance zwischen Über- und Unterforderung für die Unterstützung eines optimalen Kompetenzaufbauprozesses (vgl. Abschnitt 3.3). Eltern wirken ganzheitlich in diesen Prozess hinein, durch ihre individuelle Persönlichkeit, ihre Erziehungsmethoden, das Familienklima, ihre Erziehungsziele, ihre Elternkompetenzen sowie ihren Umgang mit kindlichem Erfolg und Misserfolg. (4) Lernen untergliedert sich in verschiedene Bereiche, welche der Erziehung bedürfen. Es geht darum, sich Wissen anzueignen, Motivationen aufzubauen, ein eigenes Wertesystem zu entwickeln, seine Fähigkeiten einzubringen, das Lernen zu lernen und sich selbst steuern zu lernen (vgl. Roth 1971: 174f.). Roths Ausführungen weisen darauf hin, dass das Niveau der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens unter anderem von innerfamilialen Kommunikations- und Interaktionsprozessen entsprechend ihrer Natur gefördert werden kann. Im Rahmen des sozialen Lernens verweist er zusätzlich auf die zentrale Rolle der Eltern-Kind-Interaktion, der Kommunikation von Regeln und des emotionalen Lernens (vgl. ebd.: 480f.). Innerfamiliales Lernen erfordert demzufolge neben der Erziehung auch die Beziehungsgestaltung. Die sich daraus entwickelnden kognitiven Schemata des Kindes stellen das Gerüst für seine Lern- und Bildungsprozesse dar (vgl. Mollenhauer et al. 1978: 9). Das Kind entwickelt eine Vorstellung, wie ein Umgang miteinander aussehen kann. Dieser Verarbeitungsprozess wird von kindlichen Emotionen beeinflusst. Fühlt es sich mit dem spezifisch erlebten familiären Alltags wohl und emotional sicher oder verunsichern die Eltern das Kind zum Beispiel durch ein hohes Konfliktniveau so weit, dass seine emotionale Sicherheit gefährdet ist? Auch wirken sich diese Erfahrungen auf seine Selbstwirksamkeit, sein Verhalten und seine interpersonalen Kompetenzen in sozialen Interaktionen aus. Erlebt es ein hohes Maß an gegenseitiger Unterstützung, Empathie, Perspektivübernahme, Wertschätzung und Intimität zwischen seinen Eltern und gegenüber der eigenen Person, adaptiert es dieses Verhaltensmuster in seinen Katalog sozialer Kompetenzen und zeigt ein hohes Maß an prosozialem Verhalten. Zugleich fühlt es sich emotional sicher und ist in der Lage, selbstbewusst mit äußeren Anforderungen umzugehen.

Kindliches Lernen im innerfamilialen Rahmen

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4.1.3 Schlussfolgerung (1) In der Familie entwickeln sich das kindliche Bindungsmuster und die internalen Arbeitsmodelle im Rahmen der innerfamilialen Interaktionen und der elterlichen Feinfühligkeit gegenüber dem Kind. Die Bindungstheorie sowie die dazugehörigen ausgewählten Erkenntnisse vermitteln die mittlere Nachhaltigkeit und die Dynamik emotionaler Erfahrungen für den Aufbau kindlicher Kompetenzen. Die interdependente Struktur der Familienbeziehungen offenbart zudem, dass qualitativ hochwertige Familienbeziehungen kindliche Lernprozesse befördern können (vgl. Macha 2011: 8). Dies betrifft alle Familienbeziehungen. (2) Die stresstheoretische Perspektive verdeutlicht aus kindlicher Sicht die elterliche Partnerschaft und das Elternverhalten als mögliche Stressoren bzw. als mögliche Ankerpunkte zur Stressreduzierung. Die innerfamilialen Beziehungsmuster und Copingfähigkeiten beeinflussen, ob die Familie eher einen Ort der emotionalen Stabilisierung bzw. Destabilisierung bildet. (3) In Verbindung mit dem sozialen Lernen lernt das Kind nicht nur durch eigene Erfahrungen, sondern auch durch seine Beobachtungen. Die Kinder nehmen die Eltern und deren Beziehungsmuster als Modell wahr, anhand derer sie entsprechende Verhaltensmuster erlernen können. Das Lernen durch Erfahrung zeigt auf die kindlichen selbsterfahrenen Aktionen und Reaktionen der Eltern. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen lernt das Kind den Umgang mit seinen eigenen Emotionen und soziale Verhaltensweisen. Es eignet sich Muster der Leistungsbereitschaft im Rahmen der Selbstwirksamkeit an. Diese Lernprozesse wirken nachhaltig. (4) Lernen bildet nach Roth einen individualisierten Prozess, welcher vom aktiven Lernenden sowie von inner- und außerfamilialen Faktoren beeinflusst wird. Die Qualität der ersten drei Bereiche wirkt auf die Effektivität des kindlichen Lernens. Erst wenn die Eltern feinfühlig, aufmerksam und bestärkend gegenüber dem Kind sind, gestalten sie die Erziehungsprozesse kindzentriert. Die kindlichen Emotionen beeinflussen seine Lernprozesse. Stressoren behindern sein Lernen. Die kindlichen Erfahrungen und Beobachtungen des Familienalltags wirken auf die kindliche Aufmerksamkeit und damit auch auf das, was in welcher Weise gelernt wird. Kindliches Lernen im familialen Rahmen verfügt aufgrund der Besonderheiten von Familie und der innerfamilialen Beziehungen in spezifischer Weise über emotions- und sozialbasierte Aspekte (vgl. Abschnitt 3.1.1).

110 4.2

Theoretischer Bezugsrahmen Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

Dieser Abschnitt fokussiert die verantwortungsbewusste Haltung zum Kind und zur eigenen Elternrolle, die beziehungspädagogische Ethik im Sinne Ludwig Liegles64 und Janusz Korczaks65 und die fünf Säulen guter Erziehung von Sigrid Tschöpe-Scheffler.66 Der Schwerpunkt liegt auf dem Familienklima, der Haltung zum Kind, der Eltern-Kind-Beziehung und der Erziehungsgestaltung. Diese ausgewählten Aspekte verdeutlichen den pädagogisch-normativen Gesichtspunkt. Die einzelnen Bereiche bauen aufeinander auf und setzen die Ausführungen des jeweils vorherigen Unterabschnitts voraus.

4.2.1 Familienklima Ein positiv-emotionales Familienklima unterstützt das Wohlergehen aller Familienmitglieder.67 Es bedarf einer ausgeprägten Partnerschaftsqualität, einer elterlichen Gelassenheit in Stresssituationen, einer elterlichen Feinfühligkeit, eines hohen Zusammenhalts der Familienmitglieder, der wechselseitigen Unterstützung, der elterlichen emotionalen Wärme, eines allgemein niedrigen Konfliktniveaus, konstruktiver Konfliktmuster und des autoritativen Erziehungsstils (vgl. Macha

64

Liegle (2017) berücksichtigt in seinem Ansatz der Beziehungspädagogik Herman Nohls „Bildungsgemeinschaft“, John Deweys Konzeption der Erziehung als intersubjektive Erfahrung sowie Ansätze der Anthropologie (Michael Tomasello), der Hirnforschung (Wolf Singer), der Philosophie (Martin Buber, Georg Wilhelm Friedrich Hegel), der Psychologie (Georg Herbert Mead, Lev Vygotsky) und der Soziologie (Pierre Bourdieu, Karl Mannheim, Georg Simmel). Auch führt er Janusz Korczak in seinem Ansatz auf. 65 Korczak (1878/79-1942) entwickelte eine Pädagogik der Achtung. Er gilt als einer der bedeutendsten Vorreiter für die Rechte der Kinder. Neben seinen zahlreichen Schriften zur Pädagogik der Achtung war er als Leiter zweier Waisenhäuser in der Praxis tätig. Im Zuge dieser Tätigkeit fiel er gemeinsam mit den Kindern eines seiner Waisenhäuser der Deportation und Ermordung durch die Nationalsozialisten zum Opfer. 66 Tschöpe-Scheffler (2013) beruft sich unter anderem auf die Reformpädagogik, Johann Heinrich Pestalozzi, Erik H. Erikson, die Bindungstheorie (John Bowlby, Mary D. S. Ainsworth) und Janusz Korczak. 67 Wohlbefinden entsteht zudem, wenn die Eltern und Familien sich angenommen und unterstützt fühlen und sie sich in ihrer familiären Lebensführung autonom fühlen. Zusätzliche Faktoren bilden materielle Sicherheit und ausreichender Wohnraum, Gesundheit, elterliche Zufriedenheit mit dem eigenem Leben sowie der eigenen Arbeits- und Bildungssituation, der Möglichkeiten der Selbstentfaltung in Vereinbarung mit der Familie und stützende soziale Netzwerke (vgl. Winkler 2012: 154).

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

111

2011; Wertfein 2007; Winkler 2012: 154). Diese Überlegungen werden unter anderem von dem Psychologen Klaus A. Schneewind gestützt. 68 Diese Faktoren hängen miteinander zusammen. Ein positiv-emotionales Familienklima wird unterstützt durch einen offenen Umgang mit den eigenen Gefühlen und mit denen des Kindes, durch ein gegenseitiges Verständnis und durch die emotionale Nähe. Diese Form des Miteinanders vermittelt dem Kind nicht nur Sicherheit, sie stärkt daneben den Zusammenhalt der Familie. Die Kohäsion wird weiterhin durch die Selbstdefinition als Familie (vgl. Abschnitt 2.4.3), gemeinsame Werte, Rituale und Alltagshandlungen gefördert (vgl. Abschnitt 2.4.2; Ecarius 2002; Macha 2011; Winkler 2012). Sie zeigt sich in der gegenseitigen alltagspraktischen und emotionalen Unterstützung (vgl. Schneewind 1988: 238). Die wechselseitige Unterstützung umfasst zum Beispiel die Arbeitsaufteilung der Hausarbeit, das Co-Parenting, die Unterstützung bei den Hausaufgaben, der wechselseitige Trost im Falle von Traurigkeit, die gemeinsame Freude, das gemeinsame Lachen oder das elterliche Lob. Ein solches Familienklima bietet eine förderliche Lernumgebung für das Kind.

4.2.2 Haltung zum Kind, elterliches Verantwortungsbewusstsein und Attribution Die Moralität bezieht sich auf das Individuum und das Zwischenmenschliche im Sinne einer gegenseitigen Achtung der Handelnden (vgl. Liegle 2017: 214). Die uneingeschränkte Annahme des Kindes und seiner Individualität verweist auf die Verschränkung von Pädagogik und Ethik. Dieses Prinzip zeigt auf, wie Kinder in Würde aufwachsen können. Es geht konform mit Ludwig Liegles Theorie der Beziehungspädagogik und Janusz Korczaks Achtungsprinzip, deren Positionen die ethische Grundhaltung dieser Arbeit widerspiegeln. Ein Kind in der Familie benötigt die uneingeschränkte Anerkennung, Achtung und Wertschätzung seiner ganzheitlichen Persönlichkeit durch die Eltern (vgl. Liegle 2017; Schneewind und Berkic 2007: 645; Tschöpe-Scheffler 2013). Verachtung im Sinne negativer Attributionen und Demütigungen bildet den Gegenpol. Korczak vervollständigt diese 68

Er entwickelte auf der Basis der Family Environment Scale (FES) von Moos und Moos (1981) die Familienklimaskala mit den Beziehungsdimensionen Zusammenhalt, Offenheit und Konfliktneigung, den Dimensionen der Persönlichkeitsentwicklung (Selbständigkeit, Leistungsorientierung, kulturelle Orientierung, aktive Freizeitgestaltung, moralisch-religiöse Orientierung) und zwei familiensystemerhaltenen Dimensionen (Organisation, Kontrolle). Ein hoher Zusammenhalt und Organisationsgrad verbunden mit einem niedrigen Konfliktniveau vermittelt seinen Untersuchungsergebnissen zufolge ein positiv-emotionales Familienklima. Ein hoher Grad an Offenheit und aktiver Freizeitgestaltung kommen bei der Mutter-Kind-Dyade hinzu (vgl. Schneewind 1987).

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Theoretischer Bezugsrahmen

Ausführungen durch die Achtung vor dem Kind in jedem Moment des Alltags, vor seinen Schwierigkeiten des Aufwachsens, vor kindlichen Misserfolgen, vor seiner Unwissenheit, seiner Wissbegierde und seinem Eigentum (vgl. Korczak 1970). Es geht darum, die Lebendigkeit, Aktivität, Aufmerksamkeit, Kompetenz und Sozialität des Kindes wahrzunehmen, anzunehmen und diesen Bereichen Wertschätzung zu zollen (vgl. Winkler 2012: 35). Als verantwortungsbewusste Vorbilder berücksichtigen Eltern die emotionalen, sozialen und kognitiven Bedürfnisse des Kindes und helfen ihm damit ein positives Selbstbild aufzubauen. Zu erfüllende Grundbedürfnisse des Kindes umfassen unter anderem die Geborgenheit, die Gemeinschaft, die Anerkennung, das Wissen, das Sich-Mitteilen und das Verstanden-Werden, die Eigentätigkeit und die Leistung (vgl. Brezinka 1993: 222).69 Ein Lernumfeld, welches die genannten Aspekte berücksichtigt, ermöglicht dem Kind, Überzeugungen und Entscheidungen im Rahmen eines prosozialen Verhaltens zu erwerben sowie Selbstwirksamkeit und damit auch emotionale Sicherheit aufzubauen. Innerhalb der Stieffamilie sind alle Familienmitglieder für das Kind und den Familienalltag zuständig. Selbst soziale Eltern ohne Erziehungsfunktion interagieren im Alltag kontinuierlich mit dem Kind. Ihre bloße Anwesenheit beeinflusst das Familienklima und stößt informelle Lernprozesse des Kindes an. Elterliche Verantwortung entsteht, wenn Eltern sich ihres Einflusses auf die kindlichen Lernund Entwicklungsprozesse bewusst sind und gewissenhaft mit der damit verbundenen „Macht“ umgehen. Eltern tragen auch in Zeiten des Verhandlungshaushalts die Verantwortung, Gefahren vom Kind abzuwenden und es bei seinen Lernerfahrungen zu unterstützen. Sie begleiten ihr Kind dabei, sich die Kultur und Gesellschaft anzueignen und eine eigene Identität herauszubilden (vgl. Lüscher und Liegle 2003: 174). Die Zuständigkeit für das Kind schließt bei Stieffamilien mit ein, seinen Bedürfnissen nach einer Beziehung zu beiden leiblichen Eltern nachzugehen, die Kontakte zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil zu ermöglichen, zu organisieren und umzusetzen. Eine mindestens neutrale Haltung zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil und die fortführende Akzeptanz seiner weiterhin bestehenden Elternrolle gehen damit einher. Diese Haltung dient dem Kindeswohl sowie der neuen Beziehung zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil (vgl. Abschnitt 2.4.3; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013; Golish 2003; Krähenbühl et al. 2007). Ansonsten erhöht sich die Gefahr einer 69

Die Bedürfnisse „Geborgenheit“ und „Gemeinschaft“ verdeutlichen die Verschränkung von Erziehung und Beziehung im familiären Kontext. Diese Bedürfnisse verweisen zugleich auf die sozialen und moralischen Erziehungsziele der Gemeinschaftsfähigkeit verbunden mit einem wertorientierten Handeln. Kindliche Bedürfnisse und gelingende Lernprozesse sind im systemischen Sinne mit Erziehungsprozessen verflochten.

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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kindlichen Ablehnung des Stiefelternteils aufgrund von entstehenden Loyalitätskonflikten oder Triangulationseffekten (vgl. Krähenbühl et al. 2007).70 Üble Nachrede über den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil oder weiterführende Konflikte zwischen den leiblichen Eltern können dazu führen, dass das Kind es ablehnt diesen zu besuchen, da es bei einem Kontakt seiner leiblichen Eltern Stress empfindet und diesen zu vermeiden versucht. Die weiterbestehende Bindung zum außerhalb lebenden Elternteil führt gleichzeitig zu Loyalitätskonflikten, nach dem Motto „ich liebe diesen Elternteil weiterhin, darf es aber nicht zeigen“. Das Kind neigt im Zuge der damit einhergehenden inneren Konflikte eher zu einem Boykott der Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung. Die Zuständigkeit für das Kind erfordert die Haltung des leiblichen Elternteils, eine Beziehung zwischen seinem Partner und seinem Kind zuzulassen, um ein gemeinsames Familienleben zu ermöglichen. Dazu ist Vertrauen in das Kind und den Partner erforderlich. Es impliziert zudem die stiefelterliche Bereitschaft, sich auf die Beziehung zum Kind einzulassen (vgl. Juul 2011). Die Bildung der Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung erfordert von den leiblichen und sozialen Eltern Geduld, Authentizität und Akzeptanz. Geduld ist zum Beispiel gefragt, wenn es um den nachhaltigen Beziehungsaufbau zwischen Stiefeltern und Kind geht, welcher sich nach dem individuellen Tempo des Kindes richten sollte. Es braucht Zeit, von einem Fremden zu einem Vertrauten zu werden. Wie Abschnitt 2.4.2 erwähnt hat, dauert es in der Regel drei bis fünf Jahre, bis sich eine Stieffamilie auf emotionaler Ebene konstituiert hat. Das bedingt, das Kind nicht zu bedrängen, geschweige denn in der Anfangszeit zugleich als soziale Eltern in die Erzieherrolle schlüpfen zu wollen oder aus Sicht des leiblichen Elternteils zu sollen (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Denn das Kind beeinflusst das Erziehungsgeschehen mit. Das beginnt schon damit, ob sich das Kind auf die Beziehung Erzieher-Educand einlässt. Ein Kind bewertet den Erziehenden als Person und in seinen Handlungen auf der kognitiv-emotionalen Ebene mit zunehmendem Alter differenzierter. Eine funktionierende Beziehungsebene und die wahrgenommene Bedeutsamkeit des Erziehenden fördert es, dass das Kind Erziehungsversuche annimmt. Die Handlungen des Erziehenden bewertet das Kind unter der Einbeziehung seiner Vorerfahrungen mit dem Erwachsenen danach, ob sie als gerecht und angemessen empfunden werden.

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Triangulation bedeutet die Koalition zwischen einem Elternteil und dem Kind gegen den anderen Elternteil. Diese Koalitionsbildung erfolgt durch ein Elternteil (Koalitionsdruck) oder durch das Kind (Einmischung aufgrund von bestehendem Leidensdruck). Unabhängig davon, wer die Koalitionsbildung initiiert, verstärkt dieser Prozess das kindliche Leid durch auftretende Loyalitätskonflikte (vgl. Buehler und Welsh 2009; Graf 2002; Schmidtchen 2007: 657).

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Theoretischer Bezugsrahmen

Nach dem Philosophen Johann Friedrich Herbart ist die Achtung der Rechte des Anderen nicht naturgegeben. Sie wird nicht allein durch Erfahrung und Umgang erworben, sondern beruht auf einem bewussten Maßstab des eigenen Handelns, der durch Erziehung vermittelt wird und sich in einem Lernprozess entwickeln muss. Dazu bedarf es der Selbstbeobachtung und der Selbstkontrolle, welche das eigene Handeln an der Verbindlichkeit gegenüber einer Soziabilität misst und ausrichtet (vgl. Liegle 2017: 219). Dieser Gedanke verweist auf die Vorbildfunktion der Eltern. Eine uneingeschränkte elterliche Achtung vor dem Kind und seiner Individualität bildet einen Menschen heran, der sich seiner selbst gewahr ist und selbst Achtung vor dem Anderen ausübt. Dazu ist es auf der Elternseite erforderlich, die innerfamiliären Beziehungen, die Erziehungs- und Lernprozesse zu reflektieren und sich selbst mit seinen Emotionen zu regulieren. Dieser Gedanke erfährt durch den Aspekt der reflexiven Elternschaft Unterstützung. Die reflexive Elternschaft impliziert nach Michael Winkler die Selbstreflexion gegenüber der Elternschaft und der familiären Praxis (vgl. Winkler 2012). Er beruft sich dabei auf den Soziologen Günter Burkart, welcher beschreibt, wie die moderne Gesellschaft die Selbstreflexion des Individuums herausfordert, bestärkt, einfordert und teilweise überfordert. Diese Form der Selbstreflexion auf die Familie übertragen, erfordert es in der familiären Praxis, eine „Balance zwischen reflexivem Zweifel und lebensweltlichen Selbstverständlichkeiten“ (Burkart 2013: 398) bzw. „zwischen Selbstoffenbarung und rituellem Verhalten“ (ebd.: 398) zu schaffen. Es geht darum, reflektiert und verantwortungsvoll zu sein und den Familienalltag zu gestalten. Es will nicht jeder Alltagsmoment zu jedem Zeitpunkt reflektiert werden, sondern es geht um solche Momente, in denen es notwendig ist. In Stieffamilien betrifft dies zum Beispiel die partnerschaftlichen Aushandlungsprozesse hinsichtlich der Stiefelternrolle und die Integration des erweiterten Verwandtschaftskreises. Auch beugt die Selbstreflexion einem Ausschluss des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils aus dem Leben des Kindes vor. Dieser Habitus stärkt die Eltern allgemein mit Unsicherheiten umzugehen, die Autonomie ihrer familiären Lebenspraxis zu bewahren und gleichzeitig, unter der Prämisse der Individualität des Kindes, dieses auf seinem Weg in die Gesellschaft zu unterstützen (vgl. Winkler 2012: 153). Die präferierte pädagogisch-ethische Haltung zum Kind umfasst die uneingeschränkte Achtung vor dem Kind. Ein reflektierter, verantwortungsbewusster Umgang mit der eigenen „Macht“ und der eigenen Vorbildfunktion gehen damit einher. Im Alltag sind Geduld, Verständnis und Vertrauen in die Eltern-Kind-Beziehungen erforderlich. Diese Haltung schützt das Kindeswohl, unterstützt das kindliche Wohlbefinden und damit auch die kindliche Kompetenzausbildung.

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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Elterliche Attributionsmuster zeigen auf, wie das positive oder negative Verhalten des Kindes interpretiert wird und im Zuge dessen, welche Haltung gegenüber dem Kind und seiner Persönlichkeit vorherrscht.71 Dabei können Kausal- und Verantwortungsattributionen unterschieden werden. Die Kausalattribution erklärt die Ursache für ein Verhalten oder Ereignis. Die Verantwortungsattribution beurteilt, ob der Verursacher des Verhaltens oder Ereignisses auch die Verantwortung dafür trägt (vgl. Bradbury und Fincham 1990; Fincham und Hewstone 2003). Heider (1977) konkretisiert diese Aspekte und die damit einhergehenden Folgen: Die Ursachenzuschreibung für das Verhalten kann zum Beispiel auf den Handelnden und auf seine Persönlichkeit zurückgeführt werden (internal). Sie kann aber auch die Situation als Hintergrund des Verhaltens identifizieren (external). Die Ursachenzuschreibung kann daneben stabil-instabil sowie global-spezifisch erfolgen. Stabile, globale Ursachen vermitteln eine Unveränderbarkeit der Situation bzw. der Person. Instabile, spezifische Ursachen ermöglichen es, durch eigene Handlungen auf die Situation bzw. auf die Person einzuwirken (vgl. auch Weiner 1986). Übertritt das Kind zum Beispiel Regeln, können Eltern die Ursachen auf unterschiedliche Weise deuten: (1) Die Regelverletzung erfolgt absichtlich, weil das Kind „einfach schwierig“ ist und immer wieder die Konfrontation sucht. Es ist ein „Störenfried“ und möchte seine Eltern immer ärgern (internale, stabile, globale Ursache). Dieses Attributionsmuster vermittelt eine elterliche Haltung zum Kind mit (mindestens) reduzierter Achtung vor seiner Persönlichkeit. Die Eltern verwehren dem Kind die Unterstützung, im Rahmen von Lernprozessen erneutes Fehlverhalten zu vermeiden, sich mit den bestehenden Regeln auseinanderzusetzen und damit seine Gesellschaftsfähigkeit zu fördern. (2) Das Kind übertritt die Regeln unbeabsichtigt, da es die Regeln nicht kennt, aufgrund seines derzeitigen Gemütszustandes unaufmerksam ist etc. (internale, instabile, spezifische Ursache). Im Rahmen dieses Deutungsmusters bewahren die Eltern ihre Achtung vor dem Kind. So können sich die Eltern veranlasst fühlen, dem Kind Lernhilfen zu bieten, welche eine erneute kindliche Regelverletzung verhindern können. (3) Jeder hätte in einer solchen Situation die Regeln nicht einhalten können (externale, stabile, globale Ursache). Die Eltern können in diesem Zusammenhang schützend gegenüber ihrem Kind auftreten und es entsprechend seinen Reaktionen versuchen

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Der Begriff Attribution entstammt der Sozialpsychologie. Er erweitert den Blick auf elterliche Erklärungsmuster für das kindliche Verhalten und auf die elterliche Haltung zum Kind im Alltag. In diesem Rahmen können nicht alle Facetten der verschiedenen Attributionstheorien eruiert werden, sondern nur solche, welche im Zusammenhang mit den vorherigen Ausführungen zur Haltung zum Kind aufgeführt wurden und für diese Arbeit relevant sind. Nähere Informationen zu den Attributionstheorien bieten unter anderem Fincham (1985); Fincham und Hewstone (2003); Harvey und Weary (1985); Hewstone (1983) und Weiner (1986).

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Theoretischer Bezugsrahmen

zu stützen. Sie achten ihr Kind. (4) Die Regelübertretung erfolgt, da das Kind einen anstrengenden, unangenehmen Schultag gehabt hat, die Situation mehrdeutig ist etc. (externale, instabile, spezifische Ursache). In diesem Zusammenhang können die Eltern innerliche Ruhe bewahren und ähnlich wie beim zweiten Attributionsmuster erzieherisch tätig werden. Die Achtung vor dem Kind bleibt bewahrt. Das erste Attributionsmuster dieses Beispiels hemmt in besonderer Weise das kindliche Lernpotenzial, schränkt seine Selbstwirksamkeit ein und bildet eine spezifische Form von Attributionen ab: den feindseligen Attributionsstil (hostile attribution bias). Dieser verweist auf eine Tendenz, in nicht eindeutigen Situationen das Verhalten des anderen als feindselig und gegen die eigene Person gerichtet zu interpretieren. Diese verzerrte Wahrnehmung beruht auf selektiver Aufmerksamkeit und negativen Grundeinstellungen gegenüber der anderen Person (vgl. Attributionsstil, feindseliger 2017). In der Kindererziehung können feindselige Attributionen unter anderem daran abgelesen werden, wie Erziehungsprobleme und das Fehlverhalten des Kindes vom Elternteil gedeutet werden. Eine Überschätzung der eigenen erzieherischen Möglichkeiten verbunden mit Misserfolgen (Kind/Jugendlicher reagiert nicht in der gewünschten Weise) kann negative Attributionen nach sich ziehen (vgl. Rotthaus 2004). Eltern können sich ihrer Attributionsmuster nicht erwehren: „Die Handlungen und Äußerungen der Heranwachsenden deuten wir durch unseren Alltagsverstand; unsere eigenen Klassifikationen, Schlußfolgerungen und Erfahrungen bringen wir ins Gespräch mit ein; ob wir das wollen oder nicht, unsere eigenen Urteile, Aussagen und Möglichkeiten der rationalen Nachkonstruktion der Handlungen anderer wirken für uns als Maßstab“ (Mollenhauer et al. 1978: 111).

Diese Ausführungen bestätigen die Alltäglichkeit von Attributionsmustern. Sie deuten ihre eher unbewusste und gleichzeitig biografisch entwickelte Natur an. Die konkreten Attributionen bieten somit einen Einblick darüber, wie realistisch Erwachsene ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten einschätzen und welche Haltung gegenüber dem Kind vorhanden ist. Ferner bieten sie die Möglichkeit zu ermitteln, wie gut Erwachsene ihr Kind in seinen Reaktionsmustern einschätzen können (vgl. Rotthaus 2004). Die Haltung zum Kind wird in der Folge über das niedrige Ausmaß feindseliger Attributionen in dieser Studie genauer betrachtet: Ein geringes Niveau feindseliger Attribution wird durch niedrige Werte von Schuldzuschreibungen gegenüber dem Kind erfasst.

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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4.2.3 Eltern-Kind-Beziehung, Eltern-Kind-Kommunikation und Konfliktstil Die Gestaltung der innerfamilialen Beziehungen bildet eine primäre Aufgabe der Eltern. Die Pflege und Herstellung intimer, wechselseitiger Familienbeziehungen benötigen genauso Zeit, wie die Lern-, Verstehens- und Erziehungsprozesse. Die Dichte, Intensität und Emotionalität von Familienbeziehungen zeichnet die Familie als einen einzigartigen Lern- und Lebenszusammenhang aus. Darin liegt die ausgeprägte Nachhaltigkeit kindlicher Lernprozesse innerhalb der Familie begründet (vgl. Liegle 2017: 23). Die Qualität der elterlichen Erziehung und der kindlichen Lernprozesse hängen von der Qualität der Familienbeziehungen ab. Erlebt ein Kind Schutz, Fürsorge und qualitativ hochwertige Beziehungen zu seinen Eltern, fördert dies sein Wohlbefinden und es bildet sich eine nachhaltig förderliche Lernumgebung heraus (vgl. Grundmann und Hoffmeister 2011; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Macha 2011). Das Kind entwickelt in der Folge seine emotionale Sicherheit, erlernt ein gutes Verständnis von der Welt, erfährt die eigene Selbstwirksamkeit und baut die eigenen Handlungskompetenzen aus (vgl. Bindungstheorie in Abschnitt 4.1.1; Liegle 2017; Winkler 2012). Zudem fördern Eltern auf diese Weise das prosoziale Verhalten ihres Kindes. Eine qualitativ hochwertige Eltern-Kind-Beziehung ist unabhängig von der leiblichen bzw. sozialen Elternschaft gekennzeichnet durch Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit und Reziprozität (vgl. Liegle 2017: 32f.): (1) Verlässlichkeit meint, dass sich das Kind der fürsorglichen Nähe der Eltern sicher sein kann und die Chance hat, Vertrauen in die Welt und die eigene Person (Selbstwertgefühl) zu entwickeln. (2) Dauerhaftigkeit steht für die Gewissheit, dass die Erfahrung von Verbundenheit zeitliche Kontinuität aufweist und Krisen übersteht. (3) Reziprozität umschreibt Beziehungsformen, die auf wechselseitiger Verbundenheit beruhen und auf gegenseitiges Geben und Nehmen angelegt sind. Eine elterliche empathische Grundhaltung erleichtert zusätzlich, sich in das Kind hineinversetzen zu können und auf seine Bedürfnisse eingehen zu können (vgl. Korczak 1970; Liegle 2017). Enge Eltern-Kind-Beziehungen sind wesentlich für lebenslange Lernprozesse und die Entstehung von Selbstbewusstsein, Identität und Handlungskompetenz. Nur sicher gebundene Kinder können ihre Umwelt eingehend erforschen (vgl. Abschnitt 4.1.1; Liegle 2017; Winkler 2012: 22). Stiefeltern kommen als „Fremde“ in die Familie. Für ihre Beziehung mit dem Kind bedarf es vertrauensbildender Maßnahmen, damit sie das Kind als verlässlich, dauerhaft und reziprok erlebt. Dazu gehört es, authentisch zu bleiben, mit dem Kind zu interagieren (Spiele, Gespräche etc.) und sich als Stiefeltern dem Kind zu öffnen (vgl. Juul 2011). Vertrauensbildende Maßnahmen entstehen zudem durch gemeinsame regelmäßige Aktivitäten, welche nicht nur die gemeinsam verbrachte Zeit bilden, sondern auch die gemeinsamen Erlebnisse, Erfahrungen

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Theoretischer Bezugsrahmen

und Lernmöglichkeiten schaffen, die in gemeinsamen Familiengeschichten münden können.72 Entsprechend einer systemisch-entwicklungsbezogenen Perspektive dient diese Investition überdies der stiefelterlichen Integration in die Familie (vgl. Abschnitt 2.4.2). Die innerfamiliale Beziehungsgestaltung schafft ein nachhaltiges kindliches Lernmilieu. Zentral ist, eine verlässliche, dauerhafte und reziproke Beziehung zum Kind zu schaffen und zu erhalten. Die Eltern-Kind-Beziehungen bedürfen zusätzlich der altersangemessenen Gestaltung. Innerhalb der mittleren Kindheit strebt das Kind zunehmend nach Unabhängigkeit. Hier ist es die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder durch einen sensiblen Umgang mit den kindlichen Entwicklungsbedürfnissen, durch das Angebot von Freiraum und Gelegenheiten für Eigenaktivität entsprechend den eigenen Fähigkeiten und durch die Vermittlung von Lebensfreude mithilfe eigener Erfahrung zu unterstützen (vgl. Cusinato 1994, zitiert nach Fuhrer 2009: 221).73 In der Jugendphase verändern sich unter anderem die sozialen Beziehungen und entwickeln sich das Selbstbild und die eigene Identität (vgl. Abschnitt 3.4.1; Fend 2001). Der Jugendliche strebt zunehmend nach Autonomie, bei gleichzeitig anhaltender Verbundenheit mit seinen Eltern. In dieser Phase benötigt der Heranwachsende elterliche Unterstützung bei der Selbständigkeits-, Rollen- und Identitätsentwicklung, elterliche Toleranz und Kompromissbildung bei generationsspezifischen Unterschieden und Konflikten sowie eine Rücknahme der elterlichen Kontrolle bei weiterbestehender familiärer Verbundenheit (vgl. Fuhrer 2009: 221; Hofer und Pikowsky 2002: 246). Die genannten Aspekte verweisen bei beiden Altersstufen auf die zentrale Rolle der Eltern-Kind-Kommunikation. Deren Ausprägung gibt Auskunft darüber, inwieweit Aushandlungen zu den Transformationsprozessen – mit dem Ziel zunehmender kindlichen Autonomie – erfolgreich verlaufen, sich das Familiensystem an den kindlichen Entwicklungsverlauf anzupassen vermag und die Eltern die beschriebenen kindlichen Bedürfnisse ausfüllen können.

72

Die LBS-Studie Kinderbarometer von 2014 bestätigt die Notwendigkeit gemeinsamer Familienzeit. So fehlt zwar unter den 8 174 befragten Kindern 43 % nichts in ihrem Leben. Danach folgt jedoch der Wunsch von 17 % der befragten Kinder, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen (vgl. LBS-Gruppe und PROSOZ Institut für Sozialforschung 2014: 53). In der 2. World Vision Kinderstudie von 2010 wurden 2 529 Kinder zwischen sechs und elf Jahren befragt (vgl. Schneekloth et al. 2010: 376). Hier äußerten 78 % der Kinder, genügend Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. 13 % der Kinder beklagten ein Zuwendungsdefizit in diesem Bereich (vgl. Schneekloth und Pupeter 2010: 86). 73 Cusinato entwarf ein entwicklungsbezogenes Modell zur Eltern-Kind-Beziehung vom Säuglingsalter bis hin zu den erwachsenen Kindern mit älteren Eltern, in welchem die kindlichen Entwicklungsaufgaben mit den funktionalen Verhaltensmustern der Eltern in Zusammenhang gesetzt werden (vgl. Fuhrer 2009: 220f.).

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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Die Eltern-Kind-Kommunikation bildet einen zentralen Aspekt im Beziehungs- und Erziehungsgeschehen. Durch die Kommunikation mit einem Gegenüber entsteht die Identität, werden Bedeutungen geschaffen und reflektiert und entstehen die Erwartungen an das Verhalten und Handeln an sich und andere (vgl. Liegle 2017: 95-97). Innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung fokussiert diese Arbeit Aspekte der Eltern-Kind-Kommunikation. Kommunikation als Teil der Beziehungsstruktur zeigt auf, wie Erziehungs- und Lernprozesse innerfamiliär gestaltet werden. Als vorrangig kognitiver Prozess (Wahrnehmen, Verstehen, Produzieren von Zeichen im Sinne von Sprache) erfolgt sie durch Sprache, Intonation, Mimik und Gestik und ist verbunden mit dem Entstehen sozialer Beziehungen und emotionaler Bindungen (vgl. Liegle 1972: 876; 2017). Kommunikation beinhaltet eine Inhalts- und eine Beziehungsdimension. Die Inhaltsdimension impliziert unter anderem das Wissen, die gemeinsamen Erfahrungen und die gemeinsamen Regeln. Die Kommunikation erklärt dem Kind die Welt (vgl. Winkler 2012). Die Beziehungsdimension verweist unter anderem auf die Zugehörigkeit, die Zusammengehörigkeit, die Umgangsformen und auf die Formen der Konfliktbewältigung (vgl. u. a. Grundmann und Hoffmeister 2011; Liegle 2017; Mollenhauer et al. 1978). Die Beziehungsstrukturen bilden den Schwerpunkt dieser Untersuchung (vgl. Abschnitt 3.1.2), weshalb im Bereich der Kommunikation ausgewählte Aspekte der Beziehungsdimension fokussiert werden: die elterlichen Selbstregulationsfähigkeiten und die Eltern-Kind-Konflikte. Die elterlichen Reaktionen auf emotionsauslösende Situationen repräsentieren spezifische Umgangsformen. Sie können als Lernmodell dienen und können die kindlichen Copingfähigkeiten im Umgang mit Stress sowie die Sichtweise des Kindes von sich selbst und seiner Umwelt beeinflussen (vgl. Siegler et al. 2016: 376). So sucht das Kind häufig bei sich selbst nach den Ursachen eines negativen elterlichen Verhaltens (vgl. Klinkhammer und Salisch 2015: 90). Wird das Kind im Zuge mangelnder Selbstregulationsfähigkeiten der Eltern ständig kritisiert, angeschrien oder beschimpft, wird seine Individualität missachtet (vgl. TschöpeScheffler 2013). Dieses elterliche Verhalten schwächt die sichere Eltern-KindBindung, die kindlichen Selbstwirksamkeitserwartungen, seine emotionale Sicherheit und formt damit eine eher selbstunsichere Identität des Kindes heran (vgl. Ecarius 2002; Mollenhauer et al. 1978). Ferner entwickelt das Kind zunehmend die Erwartung, dass es unabhängig von seinen Handlungen derart behandelt wird, weshalb es weniger gewillt ist, prosozial zu handeln (vgl. Jürgens 1989). Die elterlichen Selbstregulationsfähigkeiten in emotional angespannten Erziehungssituationen zeigen eine spezifische selbstbezogenen Erziehungskompetenz auf (vgl. Abschnitt 3.5). Kommunikation erfordert Reflexionsvermögen der Eltern über die

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Theoretischer Bezugsrahmen

Art der Kommunikation mit ihren Kindern, auch dann, wenn sie sich über das Kind und sein Verhalten ärgern. Konflikte gänzlich vermeiden zu wollen, entspricht eher einer Utopie als einer Lebenswirklichkeit. Es macht jedoch einen Unterschied, ob in den Familien ein alltäglicher aggressiver „Kleinkrieg“ untereinander stattfindet oder Konflikte in speziellen Situationen auftreten und dabei die Achtung voreinander bewahrt bleibt. Konflikte innerhalb der Familie können zum Beispiel auftreten, wenn sich die Vorstellung in Bezug auf die Autonomie des Kindes zwischen den Generationen unterscheiden, seien es zum Beispiel die Zu-Bett-Geh-Zeiten, wie lange der Jugendliche abends außer Haus sein kann oder wie lange sich der Heranwachsende am Computer mit welchen Spielen beschäftigt. In Stieffamilien können zum Beispiel Konflikte auftreten, wenn die beiden Elternhaushalte, innerhalb derer sich das Kind bewegt, unterschiedliche Erziehungsvorstellungen und Lebenspraxen verfolgen oder wenn die Stiefeltern voreilig Erziehungsversuche unternehmen.74 Die Folgen divergierender Erziehungsvorstellungen und Lebenspraxen zwischen den Elternhäusern können das Kind verwirren und verunsichern. Es muss lernen, sich zwischen den beiden sozialen Welten zu bewegen und sich jeweils auf die neuen Begebenheiten umzustellen. Die beiden Elternhäuser können diese kindliche Unsicherheit durch Absprachen, Kompromisse und damit einhergehender Kooperationsbereitschaft reduzieren. Kommt es innerhalb der Stieffamilie zu Konflikten, ist die Form der Konfliktbewältigung wesentlich für das Familienklima und das Wohlbefinden der Familienmitglieder (vgl. Macha 2011). Zugleich dienen die praktizierten Konfliktmuster als erfahrbares und beobachtbares Lernmodell, welches das Kind verinnerlichen kann (vgl. Bandura in Abschnitt 4.1.2). Konstruktive und destruktive Konfliktlösungsmuster sind insbesondere in der psychologischen Forschung zur Stabilität und Qualität von Partnerschaften eingehend theoretisch begründet und empirisch überprüft worden. Destruktive Konfliktlösungsmuster sind nach dem Psychologen John M. Gottman die sogenannten „vier apokalyptischen Reiter“ (vgl. Gottman 1993a, 1993b; Zemp und Bodenmann 2015): Dazu gehören die Kritik an der Person des Partners, die Abwehr gegenüber persönlichen Angriffen, die Verachtung des Partners und das Abblocken (Rückzug, Ignorieren, Abwendung). Diese Aspekte verweisen erneut auf die Selbstregulationsfähigkeiten der Eltern, welche auf das allgemeine Konfliktniveau und auf emotionale Spannungen innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung wirken können. So beeinflussen die von Gottman beschriebenen Kommunikationsmuster die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und das kindliche Belastungsniveau. Konstruktive Konfliktmuster sind dagegen durch eine weiterführende wechselseitige Achtung, 74

Der zweite Punkt wurde bereits mehrmals angesprochen, weshalb nicht erneut auf ihn eingegangen wird.

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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durch gegenseitiges Zuhören und durch den Willen, den Konflikt zu lösen, gekennzeichnet. Diese kurz umrissenen Aspekte des Wesens von Kommunikation verweisen auf ihre Bandbreite, die es für die empirische Untersuchung einzuschränken gilt. Diese Arbeit fokussiert das Ausmaß der elterlichen Selbstregulationsfähigkeit und zwei Bereiche der Eltern-Kind-Kommunikation, welche insbesondere in Konfliktsituationen auftreten: Die elterliche Selbstregulation inkludiert ein niedriges Maß an elterlicher psychischer und verbaler Aggression gegenüber dem Kind. Die Selbstregulationsfähigkeiten verweisen darauf, ob Eltern eher eskalierend oder deeskalierend wirken und damit das Konfliktpotenzial zwischen Eltern und Kindern erhöhen bzw. verringern. Je besser die Eltern-Kind-Kommunikation abläuft, desto weniger Konflikte und emotionale Spannungen treten innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung auf.

4.2.4 Gegenwärtige Erziehungsgestaltung und autoritativer Erziehungsstil Das Kind bedarf der allseitigen Förderung und der Entwicklung von Gemeinschaftsfähigkeit. Die Förderung erfolgt im besten Fall innerhalb einer anregenden Umgebung, welche seine Wissbegierde fördert und ihm selbständiges Lernen sowie Erfahrungsbildung ermöglicht (vgl. Tschöpe-Scheffler 2013). Die Umgebung schließt neben der Familie auch außerfamiliale Erfahrungs- und Handlungsspielräume mit ein, welche von den Eltern selektiert, gefiltert und ermöglicht werden, unter der Berücksichtigung, was „gut“ für das Kind ist und seinen Horizont erweitert. Gleichzeitig gestaltet sich das Erziehungsklima in den meisten Familien liberaler als in vergangenen Zeiten. Die Eltern-Kind-Beziehung beruht gegenwärtig eher auf symmetrischen Machtverhältnissen im Sinne eines Verhandlungshaushaltes mit partizipativen Umgangsformen (vgl. u. a. Abschnitt 2.3; Ecarius 2002, 2007; Grundmann und Hoffmeister 2011; Winkler 2012). Eltern räumen ihren Kindern bei Entscheidungen Mitspracherechte ein. Das betrifft zum Beispiel familiale Freizeitaktivitäten genauso wie die kindliche Schul- und Berufslaufbahn. Kinder beanspruchen auch Zeit für sich, für ihre Freundschaften und für ihre eigenen Interessen. Trotz dieser egalitären Strukturen existiert ein Gefälle an Kompetenzen, Ressourcen und Macht fort. Dieses ist nicht mehr so ausgeprägt wie in vergangenen Tagen und wird im Sinne Herman Nohls durch eine Lerngemeinschaft ersetzt (vgl. Ecarius 2002, 2007; Liegle 2017):

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Theoretischer Bezugsrahmen „Die Lernprozesse des heranwachsenden Kindes werden durch das angeborene Bestreben ausgelöst, die Umwelt zu erkunden und Verbundenheit mit den Bezugspersonen in der Umwelt zu erfahren. Sie werden aber auch durch ‚Lernhilfen‘ seitens der Erwachsenen bestimmt, z. B. durch Anregung, Ermutigung und soziale Kontrolle. Dies wiederum beinhaltet Lernerfahrungen seitens der Erwachsenen. Man kann also von wechselseitigen Lernprozessen unter Einbeziehung des sich entwickelnden Selbst aller Beteiligten sprechen. Diese Lernprozesse dauern lebenslang und sind eingeordnet in die Organisation des menschlichen Zusammenlebens“ (Lüscher und Liegle 2003: 171).

Die genannten Herausforderungen und das gemeinsame Lernen führen zu einem Spannungsverhältnis, welches der Aushandlungsprozesse bedarf (vgl. Winkler 2012: 33). Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Aushandlungsprozesse bildet die Eltern-Kind-Kooperation. Sie erfordert von den Eltern die Übergabe von Verantwortung an das Kind, die Akzeptanz kindlicher Fehler, das Zugestehen von kindlichem Freiraum und die Förderung seiner Selbständigkeit (vgl. TschöpeScheffler 2013). Diese Aspekte regen das kindliche Lernpotenzial an und ermutigen das Kind dazu, Lernerfahrungen zu machen.75 Das negative Pendant zur Eltern-Kind-Kooperation wird als Dirigismus beschrieben, welcher das Kind in seiner Selbstentfaltung durch Verbote, Lenkung, Befehle und Drohungen einschränkt (vgl. ebd.). Dem Kind fehlt die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Erziehungswissenschaftler verweisen auf die positive Wirkung der gegenseitigen Wertschätzung und Offenheit in der innerfamilialen Beziehungsgestaltung, welche ihrer Ansicht nach vermehrt in der familiären Alltagspraxis Einzug gehalten haben und diesen dominieren. Elterliche emotionale Wärme gegenüber dem Kind kann das Kind in vielfacher Weise ermutigen und bestätigen. Emotionale Wärme beinhaltet unter anderem Warmherzigkeit, Empathie und Aufmerksamkeit im alltäglichen Umgang (vgl. Tschöpe-Scheffler 2013). Als Teil der emotionalen Nähe lässt sie die innerfamiliale Kommunikation besser gelingen (vgl. Reicherts und Genoud 2011: 392f.). Es wird dem Kind Geborgenheit und Verbundenheit vermittelt. So erhöht zum Beispiel Lob das soziale Verantwortungsgefühl und damit das prosoziale Verhalten (vgl. Jürgens 1989). Für die Erfüllung der kindlichen Bedürfnisse nach „Geborgenheit“ und „Gemeinschaft“ sind gemeinsame, verbindliche Regeln, Werte, Normen, kindliche Erfahrungen, Familienzeit etc. sowie sich wiederholende Rituale, Spiele und Erziehungspraktiken erforderlich (vgl. Liegle 2017; Macha 2011). Die genannten Bedürfnisse weisen auf eine altersangemessene Förderung der kindlichen Begabungen und Kompetenzen hin. Ein Teil dieser Bedürfnisse bedarf der Struktur, welche 75

Ein weiterer im Zitat genannter Aspekt bildet die kindliche Verbundenheit mit seinen Bezugspersonen. An dieser Stelle sei noch einmal auf den vorherigen Unterabschnitt verwiesen.

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

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im Sinne von Konsequenz und klaren Grenzen Klarheit, Verlässlichkeit, Kontinuität und damit Handlungssicherheit schafft. Chaos ist dagegen von Inkonsequenz, Grenzenlosigkeit, Unberechenbarkeit und Beliebigkeit gekennzeichnet (vgl. Tschöpe-Scheffler 2013). Innerhalb der bereits in 3.1.1 beschriebenen familialen Erziehungsleistungen gilt es bei Kindern der mittleren Kindheit und Jugend unter anderem, sie vor Gefahren zu bewahren, ihnen ein Verständnis für Gesundheit, Selbstfürsorge, Ernährung und Hygiene zu vermitteln. Aus familiensystemtheoretischer Sicht erfordert es ferner der genannten Verbindlichkeiten, um das individuelle Familiensystem aufrechterhalten zu können (vgl. Abschnitt 2.4.2). Eltern und ihr Kind leben in einer gemeinsamen Lerngemeinschaft, in welcher die Eltern dem Kind emotionale Wärme geben und ihm auch Grenzen setzen. Diese elterlichen Erziehungsmaßnahmen unterstützen das Kind in Orientierungs- und Lernprozessen. Elterliche Erziehungsmaßnahmen folgen einem Muster und münden in einem Erziehungsstil, welcher die „dominante Form konkreten erzieherischen Verhaltens“ (Köck und Ott 2002: 193) definiert. Die Modelle und wissenschaftlichen Studien entwickelten (zumeist) zwei unterschiedliche Dimensionen des Erziehungsstils: Der Grad der emotionalen Wärme umfasst die beiden Pole Fürsorge/Warmherzigkeit/Liebe vs. Feindseligkeit/Ablehnung und das Ausmaß der elterlichen Kontrolle mit den beiden Eckpunkten Autonomie vs. Strenge/Lenkung/Kontrolle (vgl. Hoppe-Graff 1999; Seitz 1980; Stapf 1980). Diana Baumrind (vgl. u. a. Baumrind 1966, 1971, 1991; Baumrind und Black 1967) klassifizierte auf Basis ihrer Untersuchungsergebnisse (1) den autoritären, den permissiven und (4) den autoritativen Erziehungsstil mit den Dimensionen Forderung und emotionale Unterstützung, welche sich in ihren Wirkungen auf das Kind unterscheiden (vgl. Baumrind 1966, 1971). Der permissive Erziehungsstil wurde in der Folge von Maccoby und Martin (1983) unterschieden in den (2) permissiven/nachgiebigen und den (3) vernachlässigenden Erziehungsstil. Damit berücksichtigen sie den Grad der elterlichen Unterstützung bei einer schwach ausgeprägten elterlichen Kontrollausübung. Diese vier Erziehungsstile setzen sich aus folgenden Merkmalen zusammen (vgl. Fuhrer 2009: 228f.; Maccoby und Martin 1983; Papastefanou und Hofer 2002; Schneewind 2010): (1) Autoritäre Eltern üben starke Kontrolle aus und zeigen wenig emotionale Wärme. Sie verlangen Gehorsam, sind fordernd und kontrollierend, pflegen eine asymmetrische Eltern-Kind-Beziehung zugunsten der Eltern (elternzentrierter Erziehungsstil, Befehlshaushalt), schränken die kindliche Autonomie zu stark ein und können entweder überbehütend oder emotional vernachlässigend sein. Die

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Theoretischer Bezugsrahmen

kindliche Entwicklung wird in mehrerlei Hinsicht gefährdet in Bezug auf die Bindungsentwicklung, die Entwicklung der Individuation, des Selbstbewusstseins, der Prosozialität, der emotionalen Sicherheit, der Neugier, der Toleranzentwicklung und dem Ausmaß der Gewaltbereitschaft. (2) Permissive Eltern gelten als Pendant zu den autoritären Eltern. Sie üben wenig Kontrolle und Grenzen bei gleichzeitig ausgeprägter emotionaler Wärme aus. Sie stellen wenig Regeln und Forderungen an das Kind, verwöhnen das Kind und sind akzeptierend gegenüber den kindlichen Wünschen. Dies kann so weit gehen, dass das Kind seine Eltern dominiert. Ihr kindzentrierter Erziehungsstil ist nachgiebig gegenüber den Kindern, gewährt den Kindern zu viele Freiheiten mit einem geringen Maß an Kontrolle und Anforderungen, bildet eine asymmetrische Eltern-Kind-Beziehung zugunsten der Kinder heraus und überfordert die Kinder durch einen zu großen kindlichen Entscheidungsspielraum. (3) Vernachlässigende Eltern üben wenig Kontrolle aus und zeigen ein geringes Maß an emotionaler Wärme. Sie sind gegenüber ihrer eigenen Erziehungsverantwortung, den Kindern, dem Kindeswohl und seiner Entwicklung gleichgültig, ablehnend und unbeteiligt (elternzentrierter Erziehungsstil). Die Grundversorgung des Kindes (Ernährung, Pflege, gesundheitliche Versorgung, Beaufsichtigung) und seine Entwicklungsförderung bleiben unzureichend. Die Eltern-Kind-Bindung ist gering. Es fehlt die verantwortungsbewusste Grundhaltung gegenüber dem Kind und seiner Erziehung. Die körperliche, kognitive, sozio-emotionale und moralische Kindesentwicklung wird bei diesem Erziehungsstil in seiner Gesamtheit gefährdet. Fuhrer (2009) beschreibt als mögliche Ursachen dieses Erziehungsstils Alkohol- bzw. Drogenprobleme, psychische Erkrankungen bzw. geistige Behinderung der Eltern oder das (sozial schwache) Milieu, in welchem das Kind aufwächst. (4) Autoritative Eltern zeigen hohe Kontrolle und ausgeprägte emotionale Wärme. Sie gewähren und fördern die Eigenständigkeit des Kindes (kindzentrierter Erziehungsstil). Sie sind einerseits fordernd, kontrollierend und konsequent. Andererseits berücksichtigen sie sensibel die Autonomie und den Kindeswillen. Sie kommunizieren und erklären ihre Entscheidungen. Erforderliche Beziehungskompetenzen der Eltern bilden dabei „aktives Zuhören, Selbstöffnung, Umgang mit positiven und negativen Gefühlen, Konfliktregulierung und Problemlösung“ (Schneewind 2010: 87). Die Eltern erkennen die eigenständige Persönlichkeit ihres Kindes an, behandeln es mit Achtung und Respekt, sind unterstützend, zeigen dem Kind ihre Zuneigung und unternehmen mit dem Kind gemeinsame Aktivitäten. Gleichzeitig trauen sie ihrem Kind etwas zu, stellen entwicklungsfördernde Ansprüche an das Kind, verhalten sich in Eltern-Kind-Konflikten konstruktiv, haben eine eigene Meinung, welche sie gegenüber dem Kind vertreten und setzen

Verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive

125

dem Kind klare, altersangemessene Grenzen, deren Einhaltung sie einfordern. Dabei nehmen sie das Kind und seine Bedürfnisse ernst, sind gesprächs- und kompromissbereit, ermöglichen dem Kind eigene Entscheidungen zu treffen (Fördern der Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortung des Kindes) und eigene Erfahrungen zu sammeln (vgl. ebd.: 183). Der Erziehungsstil ist genauso wie das Erziehungsklima liberaler geworden (vgl. Ecarius 2002, 2007; Ecarius et al. 2017; Winkler 2012: 94). Der damit verbundene autoritative Erziehungsstil bietet Kindern Anerkennung, Geborgenheit, Angstfreiheit bei gleichzeitig strukturgebendem, klarem, konsistentem und nachvollziehbarem Verhalten der Eltern (vgl. Winkler 2012: 97). Dieser Aspekt verweist auf die Bedeutung dieses präferierten elterlichen Erziehungsstils, welcher Sicherheit für Eltern (Handlungssicherheit) und Kinder bereithält. Der autoritative Erziehungsstil bildet eine Erziehungspraxis mit gleichzeitig ausgeübter emotionaler Wärme und praktizierter Kontrollmechanismen. Der Grad der Autonomie richtet sich dabei am Alter des Kindes aus. So verfügen Jugendliche über mehr Entscheidungsgewalt als jüngere Kinder. Dies hängt auch damit zusammen, das Kind in seiner Autonomie nicht zu überfordern, sondern es schrittweise und altersadäquat bei der Entwicklung seiner Selbständigkeit zu unterstützen. Der autoritative Erziehungsstil zeichnet sich durch ein hohes Maß an gleichzeitiger Verhaltenskontrolle und Zuneigung aus.76 Daraus lassen sich die elterliche Warmherzigkeit und der Grad der Konsequenz als Mediatoren ableiten, die gleichwertig nebeneinanderstehen. Warmherzige Eltern loben ihr Kind, trösten es, wenn es traurig ist, und zeigen ihrem Kind durch Worte und Gesten, dass sie es gern haben. Der Grad an Verhaltenskontrolle ist gekennzeichnet durch ein konsequentes, konsistentes Erziehungsverhalten, welches auch in dieser Form wahrgenommen wird. Sein Ziel ist, klar kommunizierte Grenzen zu setzen.

76

Von der Verhaltenskontrolle ist die psychologische Kontrolle inhaltlich und ethisch klar zu differenzieren. Während Erstere klare Grenzen und Regeln aufsetzt und Fehlverhalten durch Aktionen sanktioniert, fokussiert Zweitere eher eine emotionale Bestrafung und ist eher manipulativen Charakters. So wird dem Kind zum Beispiel Zuneigung und Aufmerksamkeit entzogen und die Eltern versuchen, bei ihrem Kind ein schlechtes Gewissen zu wecken (vgl. Gray und Steinberg 1999). Erstere ist zeitweise notwendig und ermöglicht Lernprozesse. Zweitere verunsichert das Kind und hemmt Identitätsbildungsprozesse. Die beiden Mediatoren Warmherzigkeit und Konsequenz bilden eine „schlanke“ Darstellung des autoritativen Erziehungsstils.

126 4.3

Theoretischer Bezugsrahmen Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten

Dieser Abschnitt zeigt auf, wie die Beziehungsqualität die ausgewählten Beziehungs- und Erziehungsbereiche und damit indirekt das Kind beeinflussen kann. Dabei stehen drei psychologische Erklärungsmodelle im Fokus.

4.3.1 Anette Engfer’s Spill-Over-Hypothese Die Psychologin Anette Engfer beschreibt vier unterschiedliche Hypothesen zu den Zusammenhängen zwischen der Partnerschaft und der Eltern-Kind-Beziehung. Diese Hypothesen lauten (1) Spill-Over-Hypothese, (2) Kompensationshypothese, (3) Einfluss des Kindes über die Mutter-Kind-Beziehung auf die Partnerschaft und (4) „common-factor“ Hypothese (vgl. Abbildung 4.1). Sie überprüft diese Hypothesen mithilfe einer qualitativen Längsschnittstudie. Innerhalb dieser Hypothesen bildet die Spill-Over-Hypothese das eingesetzte Erklärungsmodell. Die anderen drei Hypothesen werden der Vollständigkeit halber kurz skizziert. (1) Die Spill-Over-Hypothese prognostiziert eine Übertragung der Beziehungsqualität auf das elterliche Verhalten und die Eltern-Kind-Beziehung. Eine hohe Beziehungsqualität fördert einen konstruktiven Umgang mit Stresssituationen und geht mit einem kompetenten Elternverhalten und einer positiv ausgeprägten Eltern-Kind-Beziehung einher. Konkret fördert eine hohe Beziehungsqualität die Sicherheit in die eigene elterliche Kompetenz, die Eltern-Kind-Kommunikation, die elterliche Warmherzigkeit und die elterliche Empathie. Eine konflikthafte Paarbeziehung wirkt sich dagegen negativ auf das elterliche Verhalten und die Eltern-Kind-Beziehung aus (vgl. Engfer 1990: 105, 110; Fuhrer 2007: 59f.). Zahlreiche Studien bestätigen diese und zusätzliche Effekte, worauf Kapitel 5 ausführlicher eingehen wird. Erel und Burman (1995) erklären diesen Effekt mit einer Übertragung des emotionalen Empfindens und der Verhaltensweisen von der Paarbeziehung auf die Eltern-Kind-Beziehung. Dies kann sich bis zu einer Übertragung des (unterschwelligen) Partnerkonflikts auf die Eltern-Kind-Beziehung und das individuell wahrgenommene Problemverhalten des Kindes ausweiten. Weiterhin führt eine niedrige Beziehungsqualität zu einem geringer ausgeprägten Co-Parenting, was das Elternteam schwächt und die Gefahr für Triangulation erhöht (vgl. Fuhrer 2007: 60; Schmidtchen 2007: 657). Zudem kann die Beziehungsqualität sowohl Ressource als auch Stressor für den Einzelnen sein und damit das Elternverhalten beeinflussen (vgl. auch Abidin 1992, 1995). Eine niedrige Beziehungsqualität belastet demnach die Eltern auf vielen Ebenen, weshalb sie ihre el-

Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten

127

terlichen Erziehungskompetenzen nicht adäquat abrufen können und dadurch indirekt das kindliche Stressniveau und die kindlichen Lernprozesse negativ beeinflussen. Umgekehrt wirkt in dieser Hypothese eine ausgeprägte Beziehungsqualität als wichtige Ressource für das Elternverhalten und damit für das kindliche Wohlbefinden bzw. die kindlichen Lernprozesse. Beziehungsqualität

Kind

Beziehungsqualität

Kind

Erziehungskompetenzen

Erziehungskompetenzen

(1) Spill-Over-Hypothese: positiver Wirkmechanismus

(2) Kompensationshypothese: negativer Wirkmechanismus

Beziehungsqualität

Kind

Erziehungskompetenzen (3) Einfluss des Kindes auf die Beziehungsqualität

Beziehungsqualität Elterliche Persönlichkeit

Kind

Erziehungskompetenzen

(4) „common-factor“ Hypothese: Einfluss der elterlichen Persönlichkeit auf die Beziehungsqualität und die Erziehungskompetenzen

Abbildung 4.1: Innerfamiliale systemische Einflussprozesse nach Anette Engfer Quellen: Engfer (1990); Graf (2002): 6; eigene, leicht veränderte Darstellung

(2) Die Kompensationshypothese geht von einem negativen Spill-Over-Effekt aus (vgl. Engfer 1990; Graf 2002): Eltern versuchen, eine niedrige Beziehungsqualität durch ein ausgeprägtes Engagement in ihrer Beziehung zum Kind auszugleichen. Das erhöht die Gefahr elterlicher Überfürsorge bzw. Überbehütung (vgl. Belsky 1981; Engfer 1990; Graf und Frank 2001) und der Parentifizierung,77 in welcher „dem Kind die Last der Verantwortung für das emotionale Wohlbefinden aufge-

77

Die Parentifizierung definiert die Rollenumkehr von Eltern und Kindern. Sie beinhaltet die kindliche Übernahme von Eltern- oder Partnerfunktionen für ihre Eltern. Ferner können Kinder dabei auch Elternfunktionen für ihre Geschwister übernehmen (vgl. Boszormenyi-Nagy und Krasner 1986; Graf und Frank 2001).

128

Theoretischer Bezugsrahmen

bürdet wird“ (vgl. Graf 2002: 10). Dieses Elternverhalten lässt kindliche Bedürfnisse unberücksichtigt, überfordert das Kind durch altersinadäquate Aufgaben und hemmt es dadurch in seiner Entwicklung. Das Kind wird emotional und psychisch missbraucht (vgl. Graf 2010; Graf und Frank 2001: 317). 78 Zwei Unterhypothesen gehen auf die elterlichen Beweggründe näher ein (vgl. Graf 2002; Graf und Frank 2001; Walper 2009): (a) Die Eltern versuchen, ihre Kinder von den Eheproblemen abzuschirmen, negative Folgen für das Kind abzumildern und positiv auf das Kind einzuwirken (Hypothese des kindzentrierten Ausgleichs). (b) Die Eltern wollen sich die innerhalb der Partnerschaft unzureichend befriedigten Bedürfnisse in ihrer Beziehung zum Kind einholen (Hypothese des elterlichen Eigeninteresses). (3) Die dritte Hypothese von Engfer nimmt eine Beeinflussung der Partnerschaft durch die Eltern-Kind-Beziehung und das Kind an. Studien bestätigen eine sinkende Beziehungsqualität mit der Geburt und in den ersten Lebensjahren des ersten Kindes (vgl. u. a. Fthenakis et al. 2002; Graf 2002, 2010; Papastefanou und Hofer 2002).79 Das kindliche Temperament, elterliche Überforderung und Gereiztheit und Paarkonflikte hängen dabei miteinander zusammen (vgl. Engfer 1990). Mütterliche Schwierigkeiten mit dem Kind rufen zeitversetzt väterliche Probleme mit der Partnerschaft hervor (vgl. auch Belsky und Hsieh 1998; Schoppe-Sullivan et al. 2009). (4) Die „common-factor“ Hypothese geht von einem Einfluss der mütterlichen Persönlichkeit auf die Mutter-Kind-Beziehung und auf die Partnerschaftsqualität aus. Dieser Zusammenhang wurde insbesondere bei psychisch kranken Eltern empirisch belegt (vgl. u. a. A. Lenz 2009; Deneke 2005; Engfer 1990; Mattejat und Remschmidt 2008; nähere Ausführungen in Abschnitt 4.3.2). Besonders die Bereiche der innerfamilialen Kommunikation, der Intimität und der Konflikthäufigkeit sind davon betroffen. Das Kind wird in der Folge in seinen Lernprozessen gehemmt. Während die Spill-Over-Hypothese in zahlreichen Studien und Metaanalysen bestätigt wurde (vgl. u. a. Erel und Burman 1995; Grych und Fincham 1990;

78

Die entwicklungsbedingten Folgen des negativen Spill-Over-Effekts reichen von unzureichenden Individuationsprozessen, Bindungsstörungen, Kontaktschwierigkeiten mit dem anderen Geschlecht bis hin zu Problemen bei der selbständigen Lebensführung im Erwachsenenalter (vgl. Graf und Frank 2001; Kaiser 1989; Main und Solomon 1986). Anhaltende Partnerschaftsprobleme und damit verbundene Triangulationsprozesse verstärken die genannten Effekte zusätzlich. Familiensystemtheoretisch bedeutet dieser Prozess eine negative Verstrickung der Familiensubsysteme und der Generationen mit unklaren Grenzen. 79 Eltern schildern in der Phase weniger gemeinsame Zeit und Entspannungsaktivitäten, eine reduzierte Sexualität, eine geringere Aufmerksamkeit und Zuwendung durch den Partner sowie mehr negative partnerschaftliche Kommunikation im Vergleich zur vorherigen kinderlosen Zeit (vgl. Fthenakis et al. 2002: 84-89).

Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten

129

Krishnakumar und Buehler 2000), sind die Belege für die Kompensations-Hypothese geringer (vgl. u. a. Graf 2002; Kouros et al. 2014). Die hier vorliegende Studie konzentriert sich angesichts der ausgeprägten Bestätigung der Spill-Over-Hypothese auf diese Hypothese. Sie verfolgt damit die positive Abhängigkeit der Elternkompetenzen von der Beziehungsqualität, um mögliche elterliche Ressourcen in Stieffamilien zu extrahieren.

4.3.2 Jay Belsky’s Prozessmodell Der Psychologe Jay Belsky geht der Forschungsfrage nach, warum Eltern in ihrer spezifischen Art und Weise ihre Kinder erziehen (vgl. Belsky 1984: 83). Anhand seiner Untersuchungen zu dysfunktionalem Erziehungsverhalten leitet er ein systemisches Prozessmodell ab, welches die Determinanten des elterlichen Erziehungsverhaltens mit ihren Einflüssen auf die kindliche Entwicklung beschreibt. In seinem ersten Modellansatz beeinflussen sich die Partnerschaft, das Elternverhalten und die kindliche Entwicklung gegenseitig.

Beziehungsqualität

Entwicklungsgeschichte

Persönlichkeit

Soziales Netzwerk

Erziehung

Arbeit / sozioökonomische Lage

Kindliche Charakteristika Kindliche Entwicklung

Abbildung 4.2: Systemisches Prozessmodell nach Jay Belsky Quelle: Belsky (1984): 84; eigene, leicht modifizierte Darstellung

Er entwickelte in der Folge sein Modell weiter und ergänzte es um zusätzliche Faktoren (vgl. Abbildung 4.2; Belsky 1981, 1984): Die elterliche Erziehung wirkt sich auf die kindliche Entwicklung aus. Als direkte Determinanten des elterlichen Erziehungsverhaltens identifiziert er außer- (soziales Netzwerk, Arbeit/sozioökonomische Lage) wie innerfamiliale Ressourcen (Beziehungsqualität, elterliche Persönlichkeit) und kindliche Merkmale (Temperament, Charakter). Die außerund innerfamilialen Ressourcen können Stress reduzieren und das Wohlbefinden erhöhen. Die einzelnen Bereiche in Belsky’s Prozessmodell werden im Folgenden

130

Theoretischer Bezugsrahmen

anhand ausgewählter Aspekte diskutiert. Dazu werden zuerst die außer- und anschließend die innerfamilialen Ressourcen betrachtet. Zuletzt wird auf die kindlichen Merkmale eingegangen. Außerfamiliale Ressourcen Das direkte persönliche soziale Netzwerk steht als außerfamiliale Ressource mit der elterlichen Persönlichkeit in Wechselwirkung und beeinflusst die elterliche Erziehung. Es umfasst im engeren Sinne Freunde, Verwandte und Nachbarn. Fällt diese Ressource weg, sind Einsamkeit, Isolation und Überforderung die Folge. Die Bewertung des sozialen Netzwerkes als Ressource hängt nicht nur von seiner Existenz ab. Auch die wahrgenommenen, erhaltenen und gewünschten Unterstützungsleistungen des sozialen Netzwerkes sowie deren Übereinstimmungsgrad sind bedeutsam. Generell kann ein soziales Netzwerk durch emotionale Bindungen, instrumentale, praktische oder finanzielle Hilfen und soziale Unterstützung positiv wirken (persönliche Gespräche, gemeinsame Freizeitgestaltung; vgl. Baas 2008). Negative Effekte des sozialen Netzwerkes können bei Divergenzen zwischen Wahrnehmung, Erhalt und Wunsch der Unterstützungsleistungen auftreten. Dies betrifft zum Beispiel die Verletzung der Familiengrenzen durch die unerwünschte Einmischung in familieninterne Angelegenheiten. Darunter können die Familienbeziehungen und die elterlichen Kompetenzen leiden.80 Die Wechselwirkungsbeziehung mit der Persönlichkeit kann durch verschiedene Mechanismen erklärt werden: Je nach Persönlichkeitsstruktur pflegt ein Elternteil das soziale Netzwerk oder nicht, gestaltet er sein soziales Netzwerk in spezifischer Weise (z. B. durch die Auswahl der Freunde) und nimmt dessen Unterstützungsleistungen subjektiv wahr. Auf der anderen Seite wirkt das soziale Netzwerk im Zuge des ihm eigenen Habitus im Sinne Bourdieus auf die elterliche Persönlichkeit, die Emotionen und Handlungstendenzen ein (vgl. Scheve 2010). Die sozioökonomische Lage und die Erwerbstätigkeit stehen jeweils mit der Persönlichkeit in Wechselwirkung und beeinflussen die Erziehung. Die Auswirkungen der sozioökonomischen Lage der Familie auf die Erziehung und die kindliche Entwicklung belegt zum Beispiel die Armutsforschung. Die nachhaltig wirkenden entwicklungshemmenden Risiken der Armut reichen von reduzierten 80

Dieser Faktor gewinnt bei Stieffamilien – als im erweiterten Sinne häufig haushaltsübergreifende Familiensysteme – an Brisanz. So ist zum Beispiel die Gefahr der Konkurrenz zwischen leiblichen und sozialen Müttern und damit verbundenen Loyalitätskonflikten der Kinder erhöht (vgl. u. a. Friedl und Maier-Aichen 1991; Kunze 2014; Unverzagt 2002). Ferner stellt sich die Frage nach der Akzeptanz bzw. nach bestehenden Vorurteilen des sozialen Netzwerkes gegenüber der spezifischen Familienform und der einzelnen Stieffamilie (vgl. Abschnitt 2.3). Beides hat ganz eigene Folgen auf den Umgang zwischen den Familienmitgliedern und ihrem sozialen Netzwerk. Bestehende Vorurteile innerhalb des sozialen Netzwerkes wirken belastend auf die Familie. Eine akzeptierende Haltung des sozialen Netzwerkes dient dagegen als wertvolle Ressource.

Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten

131

kindlichen Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Bildungsbenachteiligung, sozialer Exklusion, psychosozialen Belastungen bis hin zu gesundheitlichen Problemen (vgl. u. a. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008, 2013; Groh-Samberg 2010; Walper 2001a, 2001b, 2009; Winkler 2012). Im Zusammenhang mit der elterlichen Erziehung gefährdet Armut unter anderem die elterliche Unterstützung, die elterliche Feinfühligkeit, die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung, die familialen Sozialisationsprozesse und das konsistente Erziehungsverhalten der Eltern (vgl. u. a. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013; Walper 2009; Winkler 2012). Diese Risiken können durch eine höhere Bildung (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008: 97; Walper und Silbereisen 1986) und eine vorhandene Erwerbstätigkeit der Eltern abgemildert werden (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008; Holz et al. 2012). Weitere innerfamiliale Schutzfaktoren bilden nach der AWO-ISS-Längsschnittstudie insbesondere eine qualitativ hochwertige Eltern-Kind-Beziehung, ein positives kindzentriertes Familienklima, regelmäßige Familienaktivitäten sowie elterliche Problemlösungs- und Selbstwirksamkeitskompetenzen. Außerfamiliale Schutzmechanismen bieten unter anderem ein gutes soziales Netzwerk, Erholungsräume, eine gelingende Integration innerhalb der Schule und der Altersgruppe sowie schulische Förderung und Erfolge (vgl. Holz et al. 2012: 16). Insgesamt wirken sich genügend finanzielle Ressourcen, ein höherer Bildungsstand der Eltern und eine vorhandene elterliche Erwerbstätigkeit positiv auf die Erziehung und die kindliche Entwicklung aus. Die Auswirkungen der vorhandenen Erwerbstätigkeit auf die elterliche Erziehung hängen nicht nur mit dem Vorhandensein einer Arbeitsstelle zusammen. Bei der Erwerbstätigkeit geht es unter anderem um Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehören unter anderem die verfügbaren Arbeitszeitmodelle, das berufliche Stressniveau, die Angebote des Arbeitgebers zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die subjektiv eingeschätzte Familienfreundlichkeit des Betriebs (vgl. Abschnitt 2.3). Betriebsinterne familiengerechte Regelungen können in diesem Zusammenhang stressreduzierend und ressourcenfördernd wirken – mit Folgen auf das elterliche Wohlbefinden: „Für 68 Prozent der Mütter und 54 Prozent der Väter ist eine gute Vereinbarkeit eine wichtige Voraussetzung für Lebensqualität“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015: 7). Zusätzliche Einflussfaktoren in Bezug auf die Erwerbstätigkeit bilden die Erwerbsbiografie und das Image des Arbeitgebers (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010). Ersteres bezieht sich insbesondere auf Faktoren wie die eigene Ausbildung, den beruflichen Werdegang und mögliche berufliche Unterbrechungen. Zweiteres umfasst unter anderem die interne und externe Kommunikation des Unternehmens, die mögliche Darstellung

132

Theoretischer Bezugsrahmen

des Betriebs und seiner Produkte in den Medien und weiterer Attraktivitätsfaktoren des Arbeitgebers. Ferner beinhaltet der Bereich „Beruf“ die individuelle Zufriedenheit mit der eigenen Arbeitsstelle, welcher durch entsprechende Maßnahmen des Betriebs gefördert werden kann, aber auch von der eigenen Haltung zur Arbeit abhängt. Die Erwerbstätigkeit dient folglich unter bestimmten Bedingungen als Ressource für die elterliche Erziehung. Innerfamiliale Ressourcen Die eigene Entwicklungsgeschichte des Elternteils als Einflussfaktor auf die elterliche Persönlichkeit reicht von den eigenen frühesten Kindheitserfahrungen bis hin zur Gegenwart. Ihr Einfluss kann sich sogar über mehr als zwei Generationen auswirken (vgl. Ecarius 2002). Bei Stieffamilien hat der leibliche Elternteil in der Regel die Trennung und Scheidung vom anderen leiblichen Elternteil und manchmal auch dessen Tod erlebt. Die Scheidung oder Trennung der Lebenspartner bildet auch für die Eltern ein kritisches Lebensereignis. In solchen Situationen sind Stressbewältigungs- bzw. Copingkompetenzen hilfreich (vgl. Abschnitt 4.1.1; Lazarus 1999, Lazarus & Folkman 1984). Personale und soziale Ressourcen beeinflussen den Copingprozess bzw. das Bewältigungsverhalten (vgl. Felner et al. 1988; Klein-Allermann und Schaller 1992: 273). Ist die vorangegangene Trennung bzw. Scheidung noch nicht vollständig verarbeitet, wirkt sich das auf die elterliche Persönlichkeit aus. Die elterliche Persönlichkeit steht mit dem sozialen Netzwerk, der Arbeit/sozioökonomischen Lage und der Beziehungsqualität in Wechselwirkung.81 Sie wirkt auf die elterliche Erziehung. Dieser Zusammenhang ist bei Eltern mit psychiatrischen Auffälligkeiten eingehend erforscht. Die Gefahr von Vernachlässigung, körperlicher und psychischer Misshandlung des Kindes ist bei psychisch erkrankten Eltern erhöht (vgl. zus. fas. bei Deneke 2005). Eine psychische Erkrankung der Eltern geht einher mit kindlichen Entwicklungsrisiken, -verzögerungen und der erhöhten Wahrscheinlichkeit, selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln (vgl. zus. fas. bei A. Lenz 2009). Ca. 40 - 60 % der Kinder psychisch erkrankter Eltern entwickeln selbst psychische Störungsbilder (vgl. zus. fas. bei Mattejat und Remschmidt 2008). Besonders vulnerable Entwicklungsphasen bilden die frühe Kindheit und die Adoleszenz. Diese Studienergebnisse verdeutlichen den direkten Einfluss der elterlichen Persönlichkeit auf die innerfamiliale Erziehung und ihre damit verbundene indirekte Wirkung auf die kindliche Entwicklung. Ferner wirkt sich die elterliche Persönlichkeit auf die Beziehungsqualität aus. Dies fängt bei der Partnerwahl an und setzt sich in der Beziehungsgestaltung fort. Bei 81

Die Zusammenhänge mit den außerfamilialen Faktoren wurden bereits bei den entsprechenden Bereichen dargelegt.

Psychologische Erklärungsmodelle zu den Transmissionseffekten

133

der Partnerwahl geht es zum Beispiel um die Vorstellungen, Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse in Bezug auf den potenziellen Partner und die potenzielle Partnerschaft und welche Kompromisse der Einzelne bereit ist, bei der Partnerwahl einzugehen. All diese Faktoren werden bereits von der Persönlichkeit mitbeeinflusst. Dieses Sammelsurium an Themen wirkt auch in die Beziehungsgestaltung hinein, wovon die Beziehungsqualität beeinflusst wird (vgl. u. a. Bodenmann 2003). Untersuchungen belegen, dass die Depressivität von einem der Partner als Stressor auf die Beziehungsqualität wirkt und damit bei unzureichenden CopingKompetenzen der Partner ihr Niveau reduzieren kann (vgl. u. a. Bodenmann 2003; Ledermann und Bodenmann 2006; Papastefanou et al. 1992). Folglich gefährden psychiatrische Auffälligkeiten die Beziehungsqualität. Umgekehrt wirkt die Beziehungsqualität im systemischen Sinne auf die elterliche Persönlichkeit zurück. Eine niedrige Beziehungsqualität kann auf Dauer unter anderem Depressionen auslösen (vgl. Pihet et al. 2007; Tesser und Beach 1998). Die Wechselwirkung zwischen der Persönlichkeit und der Beziehungsqualität wurde gerade aufgeführt. Belsky (1984) identifiziert die Beziehungsqualität als den entscheidenden Faktor unter den Ressourcen, der mögliche negative Faktoren, wie ein schwieriges Temperament des Kindes und unzureichende externe Ressourcen, ausgleichen und kompetentes Erziehungsverhalten erhalten kann. Gemäß seiner Argumentation bilden die Partner füreinander eine emotionale und instrumentelle Quelle der Unterstützung. In diesem Zusammenhang ist das Co-Parenting wichtig. Dieses beinhaltet das Ausmaß, in welchem die Eltern in ihrer Erziehung solidarisch zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen, die Aufteilung der Erziehungsaufgaben als gerecht wahrnehmen und die unterschiedlichen Familienbeziehungen gestalten. So fördert die Beziehungsqualität das kompetente Erziehungsverhalten (vgl. McHale und Rasmussen 1998), die Eltern-Kind-Beziehung (vgl. Erel und Burman 1995; Floyd et al. 1998) und die kindlichen Kompetenzen. Dieser Aspekt wird bei der Hypothesen- und Modellbildung im fünften Kapitel vertieft. Kindliche Charakteristika Die kindlichen Merkmale wirken auf den elterlichen Erziehungsprozess und den kindlichen Entwicklungsprozess. Dazu gehören die kindliche Persönlichkeit, seine bisherige Entwicklung, der kindliche Umgang mit den eigenen Entwicklungsaufgaben, das kindliche Kompetenzniveau und die Möglichkeit geistiger, körperlicher oder psychischer Erkrankungen des Kindes. All diese Aspekte in den nachfolgenden Ausführungen zu berücksichtigen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb einzelne Punkte herausgegriffen und insbesondere in Bezug auf die Familienform vertieft werden. Kindliche Merkmale, die positiv auf ihre Entwicklung und die Erziehung zurückwirken, bilden unter anderem die kognitiven

134

Theoretischer Bezugsrahmen

Fähigkeiten, die Selbstachtung, Selbstsicherheit und Selbstwirksamkeit sowie ausgeprägte soziale Kompetenzen (vgl. Holz et al. 2012: 16). Belsky hält fest, dass ein schwieriges kindliches Temperament die elterliche Erziehung ziemlich herausfordert. Häufig haben Eltern in diesem Fall ein Problem, warmherzig, unterstützend und konsequent zu bleiben (vgl. Belsky 1984). In diesem Zusammenhang steht die Stieffamilie vor einer ganz eigenen, besonderen Herausforderung: Der Stieffamilie geht in der Regel die Trennung bzw. Scheidung der leiblichen Eltern oder der Tod eines Elternteils voraus. Dieses Ereignis ist nach dem Krisenmodell82 für die betroffenen Kinder ein kritisches Lebensereignis, welches zu kindlichen Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Neben der kindlichen Disposition ist die elterliche Unterstützung von besonderer Bedeutung.83 Dabei sollte das Kind von seinen Eltern bei der Bewältigung dieser Krise unterstützt werden. Unterstützend wirken genügend Kontaktmöglichkeiten zu beiden leiblichen Eltern, eine kooperative, konfliktarme elterliche Zusammenarbeit, wenig Veränderungen der kindlichen Lebenswelt, ein gesundes soziales Netzwerk der Eltern und ein autoritativer Erziehungsstil (vgl. u. a. Figdor 2000; Kodjoe 1997; Levnaic 2011; Pokorny 2011). Insbesondere Konfliktarmut zwischen den leiblichen Eltern ist unerlässlich für das Kindeswohl und für die Vermeidung von Triangulation: 84 „Kinder, die sich durch die Trennung der Eltern belastet fühlen, erleben ihre Eltern als wenig unterstützend und hoch inkonsistent in ihrem Erziehungsverhalten. Während die Väter vor allem als wenig unterstützend erlebt werden, sind die Mütter vor allem wenig verlässlich (inkonsistent) in ihrem Erziehungsverhalten. Zudem erleben die Kinder, die sich durch die Trennung

82

Das Krisenmodell als Modell zu Trennung und Scheidung ist an die Familienstressforschung angelehnt (vgl. emotionale Stabilisierung in Abschnitt 4.1.1). 83 Kodjoe (1997) fasst die kindlichen Merkmale, welche kindliche Bewältigungsversuche der Trennung bzw. Scheidung der Eltern beeinflussen zusammen: Das Alter, das Geschlecht und die Entwicklungsstufe spielen für den Erfolg seiner Copingprozesse ebenso eine Rolle wie seine Verständnisfähigkeit von Beziehungen, seine bisherigen sozialen Erfahrungen, seine erworbenen Kompetenzen und seine Persönlichkeitsmerkmale. Diese Ergebnisse werden durch zahlreiche Studien bestätigt (vgl. u. a. Allison und Furstenberg 1989; Figdor 2000; Levnaic 2011; Pokorny 2011; Reis und Meyer-Probst 1999). 84 Die Kölner Längsschnittstudie von Schmidt-Denter und Beelmann (1994) zeigt ebenfalls auf: Je älter das Kind ist, desto besser kann es die elterliche Trennung bewältigen. Ein konstant bleibender mütterlicher Erziehungsstil, im besten Fall der autoritative Erziehungsstil, ein Konsens zwischen den Eltern bei kindlichen Belangen und solide Geschwisterbeziehungen bilden stabilisierende, bewältigungsfördernde Faktoren für das Kind. Das kritische Lebensereignis „Trennung/Scheidung“ von den Eltern (bzw. Tod eines Elternteils) kann von den betroffenen Kindern bewältigt werden. Dafür bedarf es Kontinuität, Unterstützung, konstruktives Verhalten und stabile Beziehungen. Ist dieses kritische Lebensereignis vom Kind noch nicht vollständig überwunden, können seine Beziehungen zum leiblichen und sozialen Elternteil sowie deren erzieherische Einflussmöglichkeiten herausfordernd sein.

Zusammenfassung und Ausblick

135

der Eltern belastet fühlen, die Umgangskontakte in der Regel als sehr stressig, fühlen sich durch das Verhalten der Eltern in den Konflikt der Eltern eingebunden und können die in der Regel durchaus positive Beziehung zu beiden Elternteilen nur selten offen leben“ (Hermann 2010: 155).

Resümee Belsky’s Modell zeigt auf, dass die Beziehungsqualität, neben weiteren Faktoren, über das Erziehungsverhalten die kindliche Entwicklung beeinflusst. Die Wirkungen der Beziehungsqualität auf das Kind sind in diesem Modell einzig indirekter Natur.

4.3.3 Richard R. Abidin’s Erziehungs-Stress-Modell Der Psychologe Richard R. Abidin (1992, 1995) bietet eine Ergänzung zu Engfer’s Spill-Over-Hypothese und Belsky’s Prozessmodell. Er fokussiert in seinem umfangreichen Erziehungsstress-Modell die Auslöser und Auswirkungen von elterlichem Stress. In seinem Modell wirken sich verschiedene mögliche Stressfaktoren (eigene Persönlichkeit, Arbeit, Umweltfaktoren, Partnerschaft, Alltagsstresssituationen, Lebensereignisse, kindliche Persönlichkeit) auf die Elternrolle aus, welche das Stressniveau im Erziehungsprozess beeinflusst. Dieses wiederum kann durch verschiedene Ressourcen der Eltern (soziale Unterstützung, Co-Parenting, Erziehungskompetenzen, materielle Ressourcen, kognitives Coping) abgefedert werden. Das elterliche Stressniveau und die vorhandenen Ressourcen beeinflussen nach Abidin das Erziehungsverhalten. Daraus entwickelte er einen „Erziehungsstressindex“ (vgl. Abidin 1995). Diesem zufolge stehen der elterliche Stress, die Eltern-Kind-Beziehung und das kindliche Temperament in Wechselwirkung. Gemeinsam beeinflussen sie das Erziehungsverhalten und damit indirekt die kindlichen Kompetenzen. Abidins Identifikation verschiedener Stressoren, z. B. eine niedrige Beziehungsqualität, und ihrer Konsequenzen bildet eine nützliche Ergänzung. Zusätzlich zeigt er die Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung und die abfedernde Wirkung der Erziehungskompetenzen auf. 4.4

Zusammenfassung und Ausblick

Der erste Abschnitt verdeutlicht die besondere Rolle emotions- und sozialbasierter Aspekte des kindlichen Lernens in Familien. Im Zuge dessen bedarf es einer verantworteten Elternschaft, um als Eltern die kindlichen Lern- und Kompetenzauf-

136

Theoretischer Bezugsrahmen

bauprozesse zu fördern. Diese beginnt bei der Gestaltung eines positiv-emotionalen Familienklimas, wozu auch eine ausgeprägte Beziehungsqualität gehört. Eine wertschätzende, auf Achtung basierende Haltung gegenüber dem Kind bildet aus pädagogisch-ethischen Gesichtspunkten eine Notwendigkeit, damit eine vertrauensvolle, enge Eltern-Kind-Beziehung entstehen kann, Eltern ihre Kinder erziehen können und Kindern effektives Lernen ermöglicht wird. In diesem Zusammenhang können Attributionsmuster ermitteln, inwieweit Eltern diesem Anspruch gerecht werden können. Herausfordernde Erziehungssituationen bieten dafür eine besondere Gelegenheit, da gerade diese Situationen Unbewusstes zum Vorschein kommen lassen. Eine verlässliche, dauerhafte und reziproke Eltern-Kind-Beziehung fördert die kindlichen Lernprozesse und unterstützt die elterlichen Erziehungsprozesse. Die Eltern-Kind-Kommunikation ist ein zentrales Beziehungsund Erziehungsinstrument innerhalb der Altersphasen der mittleren Kindheit und Jugend (vgl. Ecarius et al. 2017). In diesen Phasen können vermehrt Konflikte auftreten, da Differenzen zwischen den elterlichen und kindlichen Vorstellungen zum Ausmaß kindlicher Autonomie auftreten können. Diese Differenzen bedürfen der Aushandlungsprozesse zwischen den Eltern und ihrem Kind. Die elterlichen Selbstregulationsfähigkeiten und die Häufigkeit von Eltern-Kind-Konflikten messen demzufolge auch, inwieweit solche Aushandlungsprozesse erfolgreich verlaufen. Ein weiterer Aspekt der verantworteten Elternschaft bietet die Erziehungsgestaltung, in welcher die elterliche Warmherzigkeit und Konsequenz im Rahmen des autoritativen Erziehungsstils eine Schlüsselrolle in dieser Arbeit einnehmen. Die im dritten Abschnitt aufgezeigten psychologischen Erklärungsmodelle zeigen auf, dass die Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Beziehung bzw. die elterliche Erziehung wirkt und damit indirekt die kindliche Kompetenzentwicklung beeinflussen kann. Im Rahmen dieses Forschungsdesiderats wird neben einem direkten Einfluss der Beziehungsqualität auch die mediierende Rolle der vorgestellten Elternkompetenzen evaluiert. Dazu werden ein Kommunikationsmodell und ein Modell zur autoritativen Erziehung entwickelt, welche jeweils um die Attribution in einem nächsten Schritt ergänzt werden.

5

Modell- und Hypothesenentwicklung

Dieses Kapitel konkretisiert die Forschungsfragen aus Abschnitt 1.1 mit Hypothesen und Kausalmodellen. Zuerst geht es um die Forschungsfrage „Wie beeinflusst die Beziehungsqualität die kindliche Kompetenzentwicklung in Stieffamilien?“ (5.1). Die untersuchten kindlichen Kompetenzen bilden die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten (vgl. Abschnitte 3.4.2 und 3.4.3). Abschnitt 5.2 thematisiert potenzielle Unterschiede zwischen den leiblichen und sozialen Eltern im Sinne der zweiten Forschungsfrage: „Wirken die Mechanismen bei den Elternschaften auf die gleiche Weise?“. Der Gesamtzusammenhang und die Grenzen der vorliegenden Studie schließen dieses Kapitel ab (5.3). Die Kausalbeziehungen werden empirisch mit Strukturgleichungsmodellen überprüft. Die Hypothesenund Modellbildung berücksichtigen gleichermaßen die Komplexität der Thematik und die zu beachtende Sparsamkeit der Kausalmodelle im Rahmen der empirischen Untersuchungsmethode. 5.1

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

Zuerst wird ein möglicher direkter Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes hergeleitet (5.1.1). Die Mediatorenfunktion der Eltern-Kind-Kommunikation (5.1.2), des autoritativen Erziehungsstils (5.1.3) und der Attribution (5.1.4) wird nachfolgend eruiert.

5.1.1 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität auf das Kind Wie lässt sich der direkte Einfluss der Beziehungsqualität auf die beiden kindlichen Kompetenzen erklären? Bindungstheoretisch entwickelt das Kind im Rahmen der Erfahrungen mit der elterlichen Partnerschaft internale Modelle der Eltern und der Beziehungsgestaltung. Die Kinder können die elterliche Partnerschaft im Rahmen einer stresstheoretischen Perspektive als Ruhepol oder als Stressfaktor

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_5

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Modell- und Hypothesenentwicklung

erleben, je nachdem wie diese ihre Partnerschaft gestalten. Ist die Beziehungsqualität hoch, dient sie als wertvolle Ressource, von der auch die Kinder profitieren. So verweisen einzelne Studien darauf, dass das dyadische Copingverhalten in Stresslagen des Elternpaares die sozio-emotionale Kompetenzentwicklung des Kindes positiv beeinflusst. In der Folge zeigen die betroffenen Kinder weniger internalisiertes und externalisiertes Problemverhalten und dafür mehr prosoziales Verhalten (vgl. Zemp et al. 2016). Im Rahmen der sozial-kognitiven Lerntheorie bildet die elterliche Beziehungsqualität ein beobachtbares Lernmodell zu sozialen Interaktionen. Die Beziehungsgestaltung wirkt im Sinne Roths auf die Effektivität kindlicher Lernprozesse. Die negativen Auswirkungen von Partnerschaftskonflikten auf die sozio-emotionale Entwicklung von Kindern sind in der Psychologie und Soziologie intensiv erforscht worden. Der direkte Effekt der Partnerschaftskonflikte auf das Kind verweist auf die Bedrohung seiner emotionalen Sicherheit durch Verängstigung und Einschüchterung im Sinne einer stresstheoretischen Perspektive. Das Kind reagiert intensiv auf der emotionalen und physiologischen Ebene auf elterliche Konflikte und entwickelt gemäß des Modell-Lernens mentale Repräsentationen der elterlichen Partnerschaft im Laufe seiner derart erfahrenen Lerngeschichte (vgl. Zemp und Bodenmann 2015: 8f.). Aus bindungstheoretischer Perspektive verunsichern Paarkonflikte und die sich daraus bildenden mentalen Repräsentationen das Kind. Aus dem kindlichen Erleben der elterlichen Partnerschaft entwickeln sich entsprechende Erwartungen an das Verhalten anderer (model of others) und kognitive Schemata, wie soziale Interaktionen ausgestaltet sind. Dieses Erleben dient als Verhaltensmodell für Kinder. Kinder übernehmen im Rahmen des Modell-Lernens den Konfliktstil ihrer Eltern in ihr eigenes Verhaltensrepertoire und tendieren dadurch häufiger zu Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Fuhrer 2007; Bradford et al. 2008; Grundmann und Hoffmeister 2011; Papastefanou und Hofer 2002; Reicherts und Genoud 2011). In der Folge wird die kindliche Lerneffektivität eingeschränkt. Zahlreiche Studienergebnisse zu Kernfamilien bestätigen einen direkten Einfluss der Paarkonflikte auf die sozio-emotionale Entwicklung des Kindes. In den ersten Lebensjahren können zum Beispiel elterliche Konflikte die Entwicklung einer sicheren Bindung gefährden (vgl. Cummings und Davies 2002; Davies und Woitach 2008; Goldberg und Easterbrooks 1984; Howes und Markman 1989; Owen und Cox 1997). Elterliche Konflikte erhöhen das kindliche Risiko, mit emotionaler Unsicherheit, Verhaltensproblemen, Aggression, delinquentem Verhalten, Depression, Ängstlichkeit, Scham und Rückzug zu reagieren (vgl. u. a. Bradford et al. 2008; Cummings und Davies 2002; Davies und Woitach 2008; Emery 1982; Goldberg und Easterbrooks 1984; Grych und Fincham 1990, 1993; Howes und Markman 1989; Mark und Pike 2016). Zusätzlich können sie das kindliche

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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prosoziale Verhalten reduzieren (vgl. Davies und Woitach 2008; Katz und Woodin 2002) und, sollten sie andauern, zu emotionaler Unsicherheit, Stress und damit insgesamt zu beeinträchtigten Fähigkeiten im sozio-emotionalen Bereich führen (vgl. Emery 1982; Grych und Fincham 1990, 1993). Destruktive Partnerkonflikte sind besonders gefährdend für das Kind. Solche Kommunikationsmuster sind gekennzeichnet durch häufiges oder chronisches Auftreten, eine lange Dauer, die Unversöhnlichkeit, eine hohe Intensität, einen negativen Inhalt und dysfunktionale Kommunikationsmuster (verallgemeinernde Kritik, Verachtung, Defensivität, Rückzug; vgl. Gottman 1993a, 1993b, 1994; Gottman und Silver 2000; Zemp und Bodenmann 2015). Mit zunehmender Häufigkeit und Intensität der elterlichen Konflikte nimmt dieses Risiko zu (vgl. Grych und Fincham 1990). Eine Studie beschreibt, wie sich die unterschiedlichen Konfliktstile des Paares auf die kindliche Entwicklung auswirken. Feindselige Kommunikationsmuster und eine fehlende Paarbindung bilden danach eine äußerst destruktive Kombination für die kindliche Entwicklung, seine Integration innerhalb der eigenen Peergroup und seine Kompetenzausbildung (vgl. Katz und Woodin 2002). Die Kompetenz emotionale Sicherheit ist in der Folge durch Partnerschaftskonflikte bedroht, eingeschränkt abrufbar und in ihrer weiteren Ausbildung gefährdet. Jungen reagieren auf elterliche Konflikte eher mit antisozialem Verhalten, angesichts der wahrgenommenen Bedrohlichkeit der Situation. Mädchen zeigen dagegen eher depressive Symptome aufgrund ihrer stärkeren Neigung zu Schuldgefühlen (vgl. Bradford et al. 2008; Zemp und Bodenmann 2015). Kinder im mittleren Kindesalter tendieren dazu, sich in den elterlichen Konflikt einzumischen, wodurch sie eine altersunangemessene, sie überfordernde Erwachsenenrolle einnehmen und in Rollen- bzw. Loyalitätskonflikte geraten können. Jugendliche können angesichts ihres Identitätsbildungsprozesses ungünstige kognitive Schemata entwickeln, weshalb sie soziale Situationen und Personen negativer attribuieren können als in anderen Entwicklungsphasen (vgl. Zemp und Bodenmann 2015: 7f.). Diese Tendenzen indizieren in ihrer Gesamtheit einen möglichen Effekt von Paarkonflikten auf das prosoziale Verhalten. Die aufgeführten Studien vernachlässigen die Beziehungsqualität als Ganzes. In diesem Fall kann nur auf einzelne wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Studien, welche die Beziehungsqualität umfassend betrachten, weisen einen direkten Zusammenhang mit dem kindlichen (prosozialen) Verhalten (vgl. Mark und Pike 2016; McHale und Rasmussen 1998) sowie mit einer sicheren Bindungsentwicklung und Soziabilität nach (vgl. Davies und Woitach 2008; Goldberg und Easterbrooks 1984; Howes und Markman 1989; Werneck und Rollett 2007). Die vorgestellten Mechanismen werden für Stieffamilien in Bezug auf die kindli-

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Modell- und Hypothesenentwicklung

chen Kompetenzfelder emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten angenommen. Es wird eine ganzheitliche Sicht auf die Beziehungsqualität eingenommen (vgl. Abschnitt 3.2). Abbildung 5.1. stellt das Kausalmodell dar. Die Arbeitshypothese lautet: H1:

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes.

Beziehungsqualität

H1

emotionale Sicherheit / prosoziales Verhalten

Abbildung 5.1: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Modell I, eigene Darstellung

5.1.2 Elterliche Kommunikation und Selbstregulation Die Spill-Over-Hypothese zeigt auf, dass die Eltern-Kind-Kommunikationsmuster von der Beziehungsqualität beeinflusst werden. Eine hohe Beziehungsqualität erhöht in der Folge die elterliche Selbstregulation. Eltern innerhalb einer solchen Partnerschaft agieren und reagieren gelassener, kontrollieren in herausfordernden Erziehungssituationen eher ihre Gefühle als Eltern mit einer niedrigen Beziehungsqualität. Die positiven Verhaltensweisen innerhalb der Partnerschaft werden auf die Eltern-Kind-Kommunikation übertragen. Dies gilt auch bei negativen Verhaltensweisen. Häufige Paarkonflikte erhöhen die Impulsivität innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung und die Wahrscheinlichkeit von Konflikten und emotionalen Spannungen innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung. Abidin und Lazarus bieten dazu ein zusätzliches Erklärungsmodell. Die Beziehungsqualität wirkt sich auf das elterliche und kindliche Stressniveau und damit auf die vorhandenen Ressourcen aus. Das Prozessmodell von Belsky vermittelt einen Einfluss der Beziehungsqualität auf die Erziehung im Allgemeinen und damit indirekt auf die kindlichen Kompetenzen. Eltern mit einer hohen Beziehungsqualität können sich gegenseitig besser unterstützen. Dadurch geraten sie in schwierigen Erziehungssituationen nicht so leicht aus der Fassung, reagieren gelassener und können sich gegenseitig im Sinne einer stresstheoretischen Perspektive entlasten. Die Autoren zeigen auf: Die Beziehungsqualität des Paarsystems strahlt im Sinne einer systemischen Betrachtung auf das gesamte Familiensystem und damit auch auf die Kommunikationsmuster innerhalb des Eltern-Kind-Systems aus. Im Folgenden wird dieses Zusammenwirken anhand von Forschungsergebnissen genauer dargestellt. Je intensiver

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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einzelne Stressfaktoren auf die Familie einwirken (dazu gehört auch eine niedrige Beziehungsqualität), desto weniger unterstützende Erziehungs- und Beziehungskompetenzen setzen die Eltern im Erziehungsprozess ein, was zum Beispiel den kindlichen Umgang mit den eigenen Emotionen wenig fördert (vgl. zus. fas. bei Bradford und Barber 2005; Malik und Rohner 2012; Nelson et al. 2009; Zemp und Bodenmann 2015). Eltern mit einer niedrigen Beziehungsqualität und negativen partnerschaftlichen Interaktionen zeigen generell eine destruktivere Eltern-KindBeziehung und weniger ausgeprägte Erziehungskompetenzen als Eltern mit hoher Beziehungsqualität und einem niedrigen Konfliktniveau: Paarkonflikte beeinflussen das Elternverhalten (vgl. u. a. Krishnakumar und Buehler 2000), indem sie die elterliche Sensibilität gegenüber dem Kind (vgl. Bradford et al. 2008; Stroud et al. 2015), das elterliche Engagement (vgl. Grych und Fincham 1990; Owen und Cox 1997) und das Co-Parenting reduzieren (vgl. Katz und Woodin 2002; Schoppe et al. 2001). Sie beeinträchtigen die Eltern-KindBeziehung und -Bindung (vgl. u. a. Cummings und Davies 2002; Davies und Woitach 2008; Emery 1982; Erel und Burman 1995; zus. fas. bei Bradford und Barber 2005; Coiro und Emery 1998; Grych und Fincham 1990). Sie erhöhen das Risiko für Eltern-Kind-Konflikte (vgl. Bradford et al. 2008; Katz und Woodin 2002). Die genannten Effekte können durch konstruktive partnerschaftliche Konfliktlösungsmuster reduziert werden (vgl. Davies und Cummings 1994). Eltern laufen bei ungelösten Paarkonflikten Gefahr, sich von ihren Kindern zurückzuziehen oder das Kind in Loyalitätskonflikte durch versuchte erzwungene Parteinahme zu drängen (vgl. zus. fas. bei Grych und Fincham 1990). Studien zur ökonomischen Deprivation zeigen ferner, dass Spannungen innerhalb der Partnerschaft zu einer mangelnden elterlichen Unterstützung der Kinder führen. Das belastet wiederum die Kinder emotional (vgl. zus. fas. bei Fuhrer 2009). Vereinzelte Studien zeigen bei einer defizitären Beziehungsqualität eine reduzierte kindliche Bereitschaft, sich gegenüber ihren Müttern zu öffnen (vgl. Bradford und Barber 2005; Stroud et al. 2015). Eine hohe Beziehungsqualität geht dagegen mit positiven Eltern-Kind-Interaktionen (vgl. Floyd et al. 1998) und einer hohen Qualität der Eltern-Kind-Beziehung einher (vgl. Erel und Burman 1995). Bei Stieffamilien führt eine hohe Beziehungsqualität letztendlich zu einer besseren Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung (vgl. Jensen und Shafer 2013). Ein niedriges Maß an elterlicher Selbstregulation der Emotionen verweist auf mangelnde bzw. unzureichend abrufbare Elternkompetenzen im Beziehungskontext. Zeigen Eltern häufig Impulsivität im Umgang mit dem Kind, lösen sie auch häufiger Konflikte und emotionale Spannungen innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung aus. Aus stresstheoretischer Perspektive wird ein unzureichendes elterliches Coping-Verhalten erkennbar, welches sich auf das Kind überträgt. Eine elterliche

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Modell- und Hypothesenentwicklung

Überforderung mit eingeschränkter Selbstwirksamkeit wird erkennbar (vgl. Bandura in Abschnitt 4.1.2). Aus Kindersicht ist ein alternatives Erklärungsmodell denkbar: Im Sinne Banduras erfahren Kinder am eigenen Leib die Eltern-KindBeziehung. Werden sie von ihren Eltern häufig angeschrien, beschimpft oder kritisiert, bildet dieses Verhalten für sie ein selbsterfahrenes, stressauslösendes Lernmodell. Die eigenen negativen Gefühle nehmen zu. In der Folge kann die kindliche Impulsivität innerhalb von Beziehungen, auch der Eltern-Kind-Beziehung, ansteigen. Die Eltern-Kind-Konflikte und die emotionalen Spannungen innerhalb des Eltern-Kind-Systems nehmen zu. Das Kind externalisiert die damit verbundenen negativen Gefühle. Alternativ reagiert das Kind aufgrund unzureichend erfahrener Selbstwirksamkeit mit (emotionalem) Rückzug und Depressionen (Internalisierung). Im Zuge dessen kann der angenommene Einfluss der elterlichen Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation aus kindlicher wie aus elterlicher Sicht erklärt werden. Da sich die empirischen Analysen im siebten Kapitel auf die Elternaussagen beziehen, wird der erste Erklärungsansatz bei der Hypothesenbildung fokussiert. Der zweite Erklärungsansatz wird im pädagogischen Handlungsleitfaden mitberücksichtigt. Einzelne Studien weisen auf einen Einfluss der elterlichen Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation hin. Generell führt eine reduzierte Selbstregulation zu einem erhöhten Konfliktniveau in Beziehungen und eingeschränkten konstruktiven Konfliktlösungsmustern (vgl. Türk 2018). Im Bereich der Partnerschaftskonflikte gibt es zahlreiche Belege für den Einfluss der Selbstregulation auf die Konflikthäufigkeit (vgl. Gottman 1993a, 1993b, 1994; Gottman und Silver 2000; zus. fas. bei Arránz Becker et al. 2005). Kinder reagieren auf häufig gezeigte elterliche Aggressionen mit gestörter Aufmerksamkeit gegenüber Aggressionen (vgl. Davies et al. 2018). Eine ausgeprägte elterliche Selbstregulation unterstützt dagegen die Eltern-Kind-Beziehung (vgl. Bridgett et al. 2013; Shaffer und Obradović 2017). Diese Ergebnisse vermitteln einen Einfluss der elterlichen Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation, welcher im Folgenden auch für die Stieffamilien angenommen wird. Die Qualität der Familienbeziehungen wirkt sich auf die Effektivität kindlicher Lernprozesse aus (vgl. Roth in Abschnitt 4.1.2). Kinder benötigen für ihre Lern- und Entwicklungsprozesse eine fürsorgliche, angstfreie und wertschätzende Lernumgebung im Sinne der pädagogisch-ethischen Perspektive. Die von Liegle geforderte Art der Eltern-Kind-Beziehung mit Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit und Reziprozität bietet eine solche Lernumgebung (vgl. Abschnitt 4.2.3). Eine derartige Eltern-Kind-Beziehung erfordert ein hohes Maß an elterlicher Selbstregulation und konstruktiver Eltern-Kind-Kommunikation. Förderliche elterliche Einflussmöglichkeiten auf die sozio-emotionale Kompetenzentwicklung des Kindes

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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umfassen ein feinfühliges Verhalten gegenüber dem Kind und ein überwiegend positives Familienklima, welches von Toleranz und Offenheit geprägt ist (vgl. Siegler et al. 2016: 376; Wertfein 2007: 78). Das Familienklima umfasst unter anderem die Qualität der unterschiedlichen Familienbeziehungen sowie die elterlichen Reaktionen auf emotionsauslösende Situationen und auf das Kind. Im Zuge dessen kann Liegles Forderung auf jede innerfamiliale Beziehung übertragen werden. Zeigen die Eltern ein hohes Niveau an intensiven und feindseligen Emotionen gegenüber ihren Kindern und innerhalb der Partnerschaft, erhöht das die Wahrscheinlichkeit von kindlicher Unsicherheit und mangelhafter sozialer Kompetenzen der Familienmitglieder. Dieser Zusammenhang ist für Kernfamilien ausgiebig erforscht. Die Gefahr eines Anstiegs kindlicher Ängste, Scham- und Schuldgefühle, negativer Selbstattributionen, Unsicherheit, Depressionen und kindlichem Stress ist gegeben (vgl. u. a. Emery 1982; Grych und Fincham 1990, 1993; Klinkhammer und Salisch 2015: 90; Siegler et al. 2016: 376f.; zus. fas. bei Bradford und Barber 2005). Damit beeinflusst die Qualität des elterlichen Verhaltens das Bindungsverhalten des Kindes, da es seine Verhaltensweisen auf das erwartete Verhalten seiner Bindungsperson anpasst (vgl. Zellmer 2008). Daneben können Verhaltensprobleme, Defizite sozialer Kompetenzen zunehmen und prosoziales Verhalten abnehmen (vgl. Davies und Woitach 2008; Katz und Woodin 2002). Floyd et al. (1998) konnten in ihrer Langzeitstudie einen stärkeren Effekt der Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Beziehung bei Jugendlichen als bei jüngeren Kinder festhalten. Dabei stellten sie die elterlichen Kommunikationskompetenzen als besondere Ressource fest (vgl. auch Bradford et al. 2008; Katz und Woodin 2002; McHale und Rasmussen 1998). Der Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung über die elterlichen Kommunikationsmuster findet anhand der Studienergebnisse für Kernfamilien eine Bestätigung. Partnerschaftliche Konflikte erhöhen das Risiko von Auseinandersetzungen zwischen Eltern und ihren Kindern, von kindlicher Depression und kindlichem antisozialem Verhalten (vgl. Bradford et al. 2008; Cummings und Davies 2002). Dies stimmt mit bisherigen Untersuchungen zu Kernfamilien (vgl. auch Bradford et al. 2008; Bradford und Barber 2005; Erel und Burman 1995; Floyd et al. 1998; Fuhrer 2009; Malik und Rohner 2012; Mark und Pike 2016) und zu Stieffamilien überein (vgl. u. a. Golish 2003). Die Beziehungen und Kommunikationsmuster innerhalb der ein Kind aufwächst, beeinflussen, inwieweit das Kind seine Entwicklungsaufgaben wahrnehmen und erfüllen kann, sowie bis zu welchem Ausmaß es sich auf den Ausbau seiner Kompetenzen konzentrieren kann.

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Modell- und Hypothesenentwicklung

Die getroffenen Annahmen und dargestellten Ergebnisse werden auf Stieffamilien übertragen und zum Anlass für folgende Postulate genommen: Die Beziehungsqualität beeinflusst die Eltern-Kind-Kommunikation und die Selbstregulation. Dabei wirkt eine ausgeprägte elterliche Selbstregulation positiv auf die Eltern-Kind-Kommunikation. Die Eltern-Kind-Kommunikation beeinflusst die kindlichen Kompetenzfelder. Der Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten ist indirekter Natur, mit der ElternKind-Kommunikation und der Selbstregulation als Mediatoren. Abbildung 5.2 skizziert das aufgestellte Kausalmodell. Die Arbeitshypothesen lauten: H2:

H2a: H2b: H2c: H2d:

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konstruktiver gestalten die Eltern die Kommunikation mit ihrem Kind und desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konfliktfreier verläuft die Eltern-Kind-Kommunikation. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst. Je häufiger die Eltern sich selbst regulieren, desto konfliktfreier ist die Eltern-Kind-Kommunikation. Je konfliktfreier sich die Eltern-Kind-Kommunikation gestaltet, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich.

Beziehungsqualität

H2a

Eltern-KindKommunikation

H2d

emotionale Sicherheit / prosoziales Verhalten

H2c

H2b

Selbstregulation Abbildung 5.2: Einfaches Kommunikationsmodell Modell II, eigene Darstellung

5.1.3 Erziehungsstil Die Spill-Over-Hypothese, die ursprünglich für die Einflussmechanismen der Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Beziehung entwickelt wurde, bestätigt sich auch bei der autoritativen Erziehung. Bei einer niedrigen Beziehungsqualität lassen die elterliche Warmherzigkeit und die elterliche Zusammenarbeit nach und

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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inkonsistentes Erziehungsverhalten nimmt zu (vgl. zus. fas. bei Graf 2002: 42-46). Aus stresstheoretischer Perspektive fehlt Eltern in diesem Zusammenhang die Unterstützung des Partners. Sie fühlen sich allein gelassen, überfordert und haben nicht die Kraft, ihrer Erziehungsverantwortung in der Weise gerecht zu werden, wie sie es bei einer hohen Beziehungsqualität könnten. Innerhalb der Partnerschaft kann emotionale Verschlossenheit gegenüber dem Partner folgen. Im Sinne eines Spill-Over-Effekts nehmen die betroffenen Eltern unter Umständen ihre Emotionen gegenüber dem Kind eingeschränkt wahr oder ziehen sich sogar emotional von ihm zurück. In der Folge lässt die elterliche Warmherzigkeit gegenüber dem Kind nach. Im Rahmen einer niedrigen Beziehungsqualität kann die Verbindlichkeit gemeinsamer Familienregeln nachlassen, da die Eltern sich gedanklich und emotional zu stark mit sich selbst beschäftigen. Unterschiedliche Vorstellungen der Partner dazu, welche Familienregeln bindend sind, verstärken diese Effekte noch. In der Folge lassen die Strukturierung des Familienalltags und die elterliche Konsequenz nach. Umgekehrt kann eine hohe Beziehungsqualität die elterliche Empathie, Perspektivübernahme, Warmherzigkeit, Kontrollfunktion und Zusammenarbeit stärken, da sie das elterliche Wohlbefinden stärkt (vgl. Tschöpe-Scheffler 2013). Die Modelle von Belsky und Abidin unterstützen diese Argumentation. Ein positiv-emotionales Familienklima wird gestärkt (vgl. Abschnitt 4.2.1). Studienergebnisse stützen diese Argumentationslinie: Der Einfluss der Paarbeziehung auf die autoritative Erziehung ist vorrangig im Bereich von Paarkonflikten gut erforscht. So reduzieren partnerschaftliche Konflikte die elterliche Warmherzigkeit und Konsequenz (vgl. u. a. Cummings und Davies 2002; Davies und Woitach 2008; Emery 1982; Katz und Woodin 2002; Kitzmann 2000; Owen und Cox 1997; Stroud et al. 2015). Weiterhin vermindern sie die elterliche Sensibilität gegenüber dem Kind (vgl. Bradford et al. 2008; Stroud et al. 2015) und das generelle elterliche Engagement (vgl. Grych und Fincham 1990; Owen und Cox 1997). Diese Faktoren können sich auf die autoritative Erziehung auswirken. Konstruktive partnerschaftliche Konfliktmuster können diese Effekte reduzieren (vgl. Davies und Cummings 1994). Ist die Beziehungsqualität niedrig, reagieren Eltern mit weniger Warmherzigkeit auf ihre Kinder und die Kinder erleben in ihrer Eltern-Kind-Beziehung eine zunehmende Ablehnung (vgl. Malik und Rohner 2012). Der Erziehungsstil kann das kindliche Lernen befördern oder hemmen, dahingehend inwieweit Eltern in der Lage sind, die Erziehungsprozesse an das Kind anzupassen (vgl. Roth in Abschnitt 4.1.2). Antworten sie angemessen, sensibel und feinfühlig auf kindliche Signale (vgl. Bindungstheorie in Abschnitt 4.1.1, Liegle in Abschnitt 4.2), und verweisen sie das Kind auf Regeln (vgl. Liegle in Abschnitt 4.2), bieten sie eine hohe Qualität der Erziehung. Ersteres erfordert

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Modell- und Hypothesenentwicklung

Warmherzigkeit. Zweiteres bedarf der Konsequenz. Die damit verbundenen kindlichen Erfahrungen stärken im Sinne Banduras seine Selbstwirksamkeit (vgl. Abschnitt 4.1.2). Vergleichsstudien weisen nach, dass der autoritative Erziehungsstil gegenüber den anderen Erziehungsstilen klare Vorteile bietet. Fuhrers Zusammenfassung erläutert, welche kindlichen Kompetenzen dadurch gefördert werden: „Zumindest für den westlichen Kulturkreis hat sich in dem Sinne eine bemerkenswerte Konsistenz der Forschungsbefunde ergeben, als das autoritative Erziehungsmuster, das sich durch konsequente und flexible Kontrolle sowie emotionale Wärme auszeichnet, am besten abschneidet. Autoritativ erzogene Kinder verfügen im Vergleich zu Kindern, deren Eltern andere Erziehungsmuster ausüben, über das höchste Maß an kognitiven und sozialen Kompetenzen und zeichnen sich durch das geringste Problemverhalten aus. Wenn diese Kinder ins Jugendalter kommen, zeigen sie ein hohes Selbstwertgefühl und vielfältige soziale Fertigkeiten, besitzen eine hohe moralische und prosoziale Haltung und zeigen die besten Schulleistungen“ (Fuhrer 2005: 232).

Der autoritative Erziehungsstil ermöglicht es den Kindern, ihre Eltern als emotional warmherzige, vertrauensvolle Bindungspersonen zu erleben. Die Klarheit von Grenzen schafft Sicherheit und Berechenbarkeit. Dieses Erleben wirkt sich positiv auf die kindliche Kompetenzentwicklung aus. Eltern fördern damit die emotionale Sicherheit, indem sie das Selbstvertrauen, das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit stärken (vgl. u. a. Almas et al. 2011; Gray und Steinberg 1999; Kerr et al. 2012; Reichle und Franiek 2008; Simons und Conger 2007). Der Erziehungsstil unterstützt das Kind beim Aufbau seiner sozialen Fertigkeiten. So reduziert er Verhaltensprobleme, fördert das prosoziale Verhalten und erleichtert damit dem Kind, sich innerhalb seiner Peergroup gut zu integrieren und Freundschaften einzugehen und zu pflegen (vgl. Amato und Fowler 2002; Baumrind 1991; Gray und Steinberg 1999; Kerr et al. 2012; Padilla-Walker et al. 2012; Reichle und Franiek 2008). Die Vorteile des autoritativen Erziehungsstils für die kindliche Entwicklung werden zusätzlich in mehreren Meta-Studien hervorgehoben. Dies gilt im besonderen Maße für die soziale Entwicklung (vgl. zus. fas. bei Pinquart 2017: 874f.). Daneben weisen autoritativ erzogene Kinder erhöhte schulische und kognitive Kompetenzen auf (vgl. Gray und Steinberg 1999; Kerr et al. 2012; Pinquart 2016; Simons und Conger 2007). Wenden beide Elternteile den autoritativen Erziehungsstil an, sind dessen positive Effekte auf die kindliche Entwicklung und Kompetenzausbildung am stärksten (vgl. Simons und Conger 2007). Die genannten Ergebnisse zu Kernfamilien – vorwiegend aus dem anglo-amerikanischen Raum – finden auch im deutschsprachigen Raum ihre Bestätigung (vgl. zus. fas. bei Schneewind 2010; Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 2005).

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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Die Studienergebnisse bestätigen einen Einfluss der Beziehungsqualität auf Bereiche der autoritativen Erziehung und damit indirekt auf die kindlichen Kompetenzen. Es gilt zu überprüfen, ob die dargestellten Mechanismen auch bei Stieffamilien auftreten. Die Beziehungsqualität wird auch in diesem Hypothesenmodell als Ressource gesehen. Es wird postuliert, dass die Beziehungsqualität die Warmherzigkeit und die Konsequenz beeinflusst. Diese beiden Bereiche der autoritativen Erziehung bilden voneinander unabhängige, eigenständige, gleichwertige Faktoren und wirken sich auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten aus. Die Beziehungsqualität beeinflusst demnach indirekt die kindliche Entwicklung über die Warmherzigkeit und die Konsequenz als Mediatoren. Abbildung 5.3 stellt das Kausalmodell dar. Die dazugehörigen Hypothesen lauten: H3:

H3a: H3b: H3c: H3d:

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto häufiger üben die Eltern den autoritativen Erziehungsstil aus, welcher sich positiv auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes auswirkt. Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto warmherziger sind die Eltern im Umgang mit ihrem Kind. Je konsequenter die Eltern ihr Kind erziehen, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Je warmherziger sich die Eltern ihrem Kind gegenüber verhalten, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. H3a

Konsequenz

H3c

emotionale Sicherheit / prosoziales Verhalten

Beziehungsqualität

H3b

Warmherzigkeit

Abbildung 5.3: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung Modell IV, eigene Darstellung

H3d

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Modell- und Hypothesenentwicklung

5.1.4 Attribution Inwiefern die Beziehungsqualität die elterliche Attribution gegenüber dem Kind beeinflusst, kann anhand zweier gegensätzlicher Argumentationslinien aufgeschlüsselt werden. Die Partnerschaftsqualität kann für die Eltern eine Ressource oder ein Stressor, je nach ihrer Ausprägung, sein. Aus der stresstheoretischen Perspektive ist bekannt, dass inner- und außerfamiliale Stressoren die individuellen Ressourcen beeinflussen können. Dieser Faktor betrifft nicht nur die Handlungsebene, sondern auch die elterlichen Kognitionen über ihr Kind. Andauernde Stressoren verzerren damit die elterliche Wahrnehmung über ihr Kind negativ und damit letztendlich auch das elterliche Verhalten gegenüber dem Kind. Eine gegensätzliche Überlegung ist, dass elterliche Attributionsmuster gemäß bindungstheoretischer Überlegungen bereits in der eigenen Kindheit als internale Arbeitsmodelle verinnerlicht werden. Als Kinder haben die Eltern gelernt, Verhaltensmuster anderer zu deuten und entsprechende Erwartungen an deren Verhalten entwickelt. In diesem Zusammenhang deuten feindselige Attributionsmuster darauf hin, dass die Eltern selbst einen unsicheren Bindungsstil entwickelt haben und dadurch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit über eingeschränkte Erziehungs- und Beziehungskompetenzen verfügen. Die bindungstheoretische Argumentation würde bedeuten, dass die Attributionsmuster relativ stabil sind und von der Partnerschaftsqualität weniger beeinflusst werden können. Daraus folgt, dass eine ungünstige elterliche Haltung zum Kind intensiver elterlicher Lernprozesse (Selbstreflexion, Erfahrungen) bedarf, damit Eltern der eigenen Erziehungsverantwortung aus pädagogisch-ethischer Sicht gerecht werden können. Diese Arbeit leistet damit einen Beitrag dazu, die schlüssigere Argumentationslinie aufzuzeigen. Aus der Partnerschaftsforschung ist ein Zusammenhang zwischen Attribution und Beziehungszufriedenheit bekannt (vgl. Fincham 1983, 1985, 1998; Papastefanou et al. 1992). Negatives partnerschaftliches Verhalten wird danach bei hohen Zufriedenheitswerten eher mit der Situation und bei niedrigem Zufriedenheitsniveau eher mit der Persönlichkeit in Verbindung gebracht. Bei positivem Verhalten ist dieser Zusammenhang umgekehrt. Attribuieren Eltern kindliches Fehlverhalten oder Erziehungsprobleme dahingehend, dass das Kind dafür die Verantwortung trägt, verweigern sie sich der eigenen Erziehungsverantwortung. Eltern zeigen in diesem Rahmen eine reduzierte Achtung vor dem Kind und werden der eigenen Vorbildfunktion nicht gerecht (vgl. Abschnitt 4.2.2). Zugleich verleiten negative Attributionsmuster eher dazu, sich über das Kind zu ärgern, in der Folge das kindliche Verhalten bzw. das Kind an sich als Stressor wahrzunehmen und dadurch impulsiver auf das Kind zu reagieren. Die elterlichen Selbstregulationsfähigkeiten bleiben eingeschränkt. Die von Liegle beschriebene qualitativ hochwertige ElternKind-Beziehung kann in der Folge nur eingeschränkt entstehen (vgl. Abschnitt

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung

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4.2.3), sodass sich das Konfliktpotenzial zwischen Eltern und ihren Kindern erhöht. Dieses kann sich auch erhöhen, da Kinder sich gegen die Attributionsmuster wehren wollen und Eltern aufgrund der negativen Kognitionen Konflikte eher zulassen. Eltern reagieren weniger empathisch und aufmerksam auf ihr Kind, wenn sie das Kind für Erziehungsprobleme verantwortlich machen. Fehler des Kindes werden weniger gemeinsam reflektiert (vgl. Korczak 1970), sondern sie werden eher sanktioniert. Die Warmherzigkeit bleibt in der Folge eingeschränkt. Stattdessen können sogar Demütigungen des Kindes erfolgen. Negative Attributionsmuster können auch dazu führen, dass die Eltern in ihren Entscheidungen hinsichtlich bestehender Regeln inkonsistenter und unberechenbarer agieren und dadurch weniger Konsequenz an den Tag legen. In der Folge wird die Annahme fokussiert, dass die Attribution alle anderen eingesetzten Mediatoren beeinflussen kann. Nix et al. (1999) zeigen in ihrer vierjährigen Längsschnittstudie, dass mütterliche feindselige Attributionen gegenüber dem Kind einen autoritären Erziehungsstil nach sich ziehen. Als Konsequenz treten häufiger Verhaltensprobleme beim Kind auf (vgl. auch Pinderhughes et al. 2001). Die Richtung des Effekts ist in der Forschung jedoch noch nicht abschließend geklärt. So gehen Wilson et al. (2006) in ihrer zweijährigen Untersuchung davon aus, dass das kindliche Problemverhalten die Attributionsmuster der Eltern beeinflusst. Der kausale Wirkzusammenhang wird häufiger im Sinne von Nix et al. (1999) dargestellt, dass die Attributionsmuster das elterliche Erziehungsverhalten und damit am Ende auch die kindliche Entwicklung beeinflussen (vgl. Callender et al. 2012; Leung und Smith Slep 2006; Slep und O'Leary 1998; Snarr et al. 2009; Snyder et al. 2005). Negative Attributionsmuster und daraus resultierendes Elternverhalten können im Rahmen eines Rückkoppelungseffekts dazu führen, dass die Eltern negatives Verhalten des Kindes provozieren (vgl. Fuhrer 2009). Die vermittelnde Funktion zwischen der Attribution und den kindlichen Kompetenzen bzw. dem kindlichen Verhalten bildet in den vorgestellten Studien das elterliche Verhalten gegenüber dem Kind. Die Eltern zeigen bei negativen Attributionen im Vergleich zu Eltern mit positiven Attributionen vermehrt autoritäres Erziehungsverhalten (vgl. Leung und Smith Slep 2006; Nix et al. 1999; Pinderhughes et al. 2001), reagieren impulsiver gegenüber dem Kind (vgl. Slep und O'Leary 1998; Snarr et al. 2009) und ärgern sich häufiger über das Kind (vgl. Slep und O'Leary 1998). Diese Studienergebnisse vermitteln, dass die Attribution sowohl die Kommunikation mit dem Kind als auch den elterlichen Erziehungsstil beeinflusst. Elternkonflikte reduzieren positive Attributionsmuster gegenüber dem Kind (vgl. Cox et al. 1989; Howes und Markman 1989). Nach der Psychologie dienen Attributionsmuster dem Schutz des eigenen Selbstwertgefühls, welche eigene emotionale und Verhaltensreaktionen nach sich ziehen (vgl. Fincham und

150

Modell- und Hypothesenentwicklung

Hewstone 2003; Schnotz 2011: 109f.). Die dargestellten Studienergebnisse bestätigen diese These. Dies verstärkt die Argumentationslinie, dass die Attribution den Kommunikations- und Erziehungsmustern vorangestellt ist. Die elterlichen Attributionsmuster können aber auch auf das kindliche Verhalten wirken. Die Hintergründe dieser empirisch ermittelten Zusammenhänge können an der Haltung zum Kind (vgl. Abschnitt 4.2.2) und den fünf Säulen der guten Erziehung von Tschöpe-Scheffler theoretisch nachvollzogen werden. Die Haltung zum Kind umschreibt die uneingeschränkte, ganzheitliche Wertschätzung und Achtung des Kindes. Die zweite Säule guter Erziehung von Tschöpe-Scheffler (2013) hebt die Bedeutung der elterlichen Wertschätzung und Anerkennung gegenüber dem Kind und seiner Persönlichkeit hervor. Der Gegenpol – die Missachtung im Sinne feindseliger Attributionen – schränkt das Kind in seinem Potenzial ein. Elterliche Abwertungen des Kindes können beim Kind ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit hervorrufen. Das Kind ist verunsichert hinsichtlich seiner eigenen Fähigkeiten und seiner Beziehung zu den Eltern. Das Selbstwertgefühl und die emotionale Sicherheit nehmen in der Folge ab. Das Kind lernt, dass Misserfolge mit seiner Person in Zusammenhang stehen und Erfolge auf äußere Faktoren zurückzuführen sind (vgl. Berk 2011: 448f., 548). Seligman (1999) spricht in diesem Zusammenhang von einer erlernten Hilflosigkeit. Die erfahrene verminderte Selbstwirksamkeit schränkt in der Folge die Handlungsmotivation, das kompetente Verhalten des Kindes und sein prosoziales Verhalten ein. Gleichzeitig kann das Kind, um sein Selbstbild zu schützen, mit entsprechenden Verhalten auf negative Attributionsmuster reagieren. So treten vermehrt kindliche Verhaltensprobleme auf (vgl. Snyder et al. 2005).85 Die dargestellten Zusammenhänge werden im Folgenden in ein Hypothesensystem übersetzt und daraus die endgültigen Kausalmodelle für das Kommunikationsmodell (vgl. Abbildung 5.4) und das Modell der autoritativen Erziehung (vgl. Abbildung 5.5) abgeleitet. Um eine Gleichrichtung der Zusammenhänge zu gewährleisten, wird als Ausgangspunkt ein geringes Maß an feindseliger Attribution verwendet. Dieses wird in beiden Modellen von der Beziehungsqualität beeinflusst und wirkt sowohl auf die erzieherischen Handlungskompetenzen als auch auf die beiden kindlichen Kompetenzfelder. Das Kommunikationsmodell wird um folgende Hypothesen ergänzt:

85

Ferner können die elterlichen Attributionsmuster auch die elterliche Sichtweise auf das Kind beeinflussen. So können positive Attributionsmuster möglicherweise zu einer Überschätzung der kindlichen Kompetenzen führen und negative Attributionsmuster können seine Kompetenzen unterschätzen.

Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindliche Kompetenzentwicklung H2:

H2e: H2f: H2g: H2h:

151

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konstruktiver gestalten die Eltern die Kommunikation mit ihrem Kind und desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die Attributionsmuster gegenüber dem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konfliktfreier erfolgt die Eltern-Kind-Kommunikation. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich.

Attribution

H2e

Beziehungsqualität

H2h

H2g

H2f

H2a

H2b

Eltern-KindKommunikation

H2d

emotionale Sicherheit / prosoziales Verhalten

H2c

Selbstregulation Abbildung 5.4: Erweitertes Kommunikationsmodell Modell III, eigene Darstellung

Das Modell zur autoritativen Erziehung wird um folgende Hypothesen erweitert: H3:

H3e: H3f: H3g:

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto häufiger üben die Eltern den autoritativen Erziehungsstil aus, welcher sich positiv auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes auswirkt. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die elterlichen Attributionsmuster gegenüber dem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto warmherziger verhalten sich die Eltern gegenüber ihrem Kind.

152 H3h:

Modell- und Hypothesenentwicklung Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt.

Konsequenz

H3a

H3c

H3f

Beziehungsqualität

H3e

emotionale Sicherheit / prosoziales Verhalten

H3h

Attribution H3g

H3b

Warmherzigkeit

H3d

Abbildung 5.5: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung Modell V, eigene Darstellung

5.2

Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern

Der letzte Hypothesenkomplex geht von der Annahme aus, dass sich die Einflüsse der Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Beziehung, die Elternkompetenzen und damit auch auf die kindlichen Kompetenzen je nach Elternschaft unterscheiden. Der Gruppenvergleich erfolgt, selbst wenn kein direkter Einfluss der Elternschaft auf die sozio-emotionalen Kompetenzen festgestellt werden kann. Denn auch in diesem Fall können die in den Modellen formulierten Hypothesen für die beiden Elternschaften eventuell nicht in gleicher Weise angenommen bzw. abgelehnt werden. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Faktoren eine unterschiedliche Bedeutung für soziale und leibliche Eltern haben. Gestützt wird diese Annahme durch bisherige Studien zu Geschlechterunterschieden zwischen Vätern und Müttern sowie durch bereits vorhandene Ergebnisse zu Stieffamilien. Im Rahmen der in Abschnitt 4.1 vorgestellten Lerntheorien lassen sich die Unterschiede zwischen den Elternschaften aus kindlicher Perspektive erahnen: Leibliche Eltern entwickeln spätestens von Geburt an eine Bindung zu ihrem Kind. Zwischen Stiefeltern und dem Kind kann sich erst mit der Gründung der Stieffamilie eine wechselseitige Bindung und Beziehung entwickeln. Aus früheren Bindungserfahrungen hat das Kind bereits im Rahmen seiner Interaktion mit seinen

Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern

153

leiblichen Eltern seinen Bindungsstil und die internalen Arbeitsmodelle gebildet. Dennoch verweisen Studienergebnisse darauf, dass die sozialen Eltern zu ihrem Stiefkind eine eigenständige Beziehung aufbauen können. Dies ist vor allem davon abhängig, wie sehr sie bereit sind, sich auf das Kind einzulassen, ohne es zu bedrängen, in welchem Ausmaß die leiblichen Eltern (auch der außerhalb lebende leibliche Elternteil) gewillt sind, diese Beziehung zuzulassen und inwieweit die leiblichen Eltern miteinander kooperieren. Generell gilt: Beziehungen benötigen Zeit, um sich zu bilden und zu verfestigen. Aus stresstheoretischer Perspektive tendieren eher unvertraute Situationen dazu, leichter Stress auszulösen als vertraute Situationen. Auf der einen Seite erhöht die stärkere Bindung zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern das Risiko, dass negative elterliche Reaktionen und Aktionen gegenüber dem Kind aufgrund der hohen Emotionalität innerhalb dieser Beziehung Stress beim Kind auslösen können. Dies gilt insbesondere bei kontinuierlichen negativen elterlichen Verhaltensweisen. Auf der anderen Seite sind die elterlichen Verhaltensmuster den Kindern unter Umständen vertrauter als die ihrer Stiefeltern, weshalb deren Reaktionen und Aktionen beim Kind schneller Stress verursachen können, als es bei den leiblichen Eltern der Fall ist. Die vergangene Partnerschaft der leiblichen Eltern und die jetzige Partnerschaft der Stieffamilie bieten dem Kind mögliche kognitive Schemata und soziale Lernmodelle. Emotionen und Beziehungen beeinflussen die kindlichen Aufmerksamkeits-, Verarbeitungs- und Lernprozesse, weshalb eine noch ungefestigte Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung geringere Einflussmöglichkeiten der sozialen Eltern vermuten lässt, als eine gefestigte oder die Beziehung zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern. Daraus folgt, dass leibliche Eltern die Effektivität kindlicher Lernprozesse anders beeinflussen könnten als Stiefeltern, da die Eltern-Kind-Beziehungen unterschiedlicher Natur sind. Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Wie Abschnitt 3.3 eruiert hat, entwickeln sich Kompetenzen im Zuge von Lern- und Erfahrungsprozessen. Auf Wissen folgen Fähigkeiten, welche sich zunehmend zu Kompetenzen herausbilden. Diesem Schema folgen auch die Erziehungskompetenzen (vgl. Abschnitt 3.5). Leibliche Eltern haben gegenüber den sozialen Eltern einen Erfahrungsvorsprung im Allgemeinen, wenn die Stiefeltern vor der Gründung der Stieffamilie kinderlos gewesen sind, und im Besonderen, was das Stiefkind, seine Persönlichkeit, seine Vorlieben, seine Lebensgeschichte etc. betrifft. Davon sind alle vier Kompetenzfelder und im Besonderen die Handlungskompetenzen betroffen. Leibliche Eltern haben bereits vor der Partnerschaft ihr Kind erzogen, eine Beziehung zu dem Kind aufgebaut und an dieser Beziehung gearbeitet. Sie sind mit ihm bereits durch einige Höhen und Tiefen gegangen. Dieser Prozess nimmt bei sozialen Eltern meist erst mit der Gründung der Stieffamilie seinen An-

154

Modell- und Hypothesenentwicklung

fang. Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen den Partnern sowie eigene Kompetenzen im sozio-emotionalen Bereich können den Stiefeltern helfen, diesen Kompetenzvorsprung abzumildern. Es geht darum, sich Wissen im Rahmen der selbstbezogenen Kompetenzen anzueignen. Ferner beinhaltet es, die eigenen Wertvorstellungen, Handlungsvorlieben und Verhaltensgewohnheiten zu reflektieren und gemeinsam mit den leiblichen Eltern innerhalb des Familiensystems zu transformieren, zu erweitern und einzubringen. Im Bereich der Beziehungskompetenzen erfordert es neben den sozio-emotionalen Kompetenzen auch ein Wissen über das Kind, über seine Stärken und Schwächen auszubauen, um entsprechend seine Potenziale fördern zu können. Eine entwicklungs- und lernförderliche Umgebung zu gestalten und aufrecht zu erhalten erfordert entwicklungspsychologische Kenntnisse und ausreichend sozio-materielle Ressourcen. Aus den vier vorgestellten Lerntheorien lässt sich in der Folge ein unterschiedlicher Einfluss der Elternschaften auf den kindlichen Kompetenzausbau vermuten. Aber auch, wie sich das Kind innerhalb der Stieffamilie ein- bzw. ausgeschlossen fühlt, wirkt sich auf das Kind aus. Weiterhin besteht bei Kindern die Gefahr der Übertragung (vgl. Bliersbach 2000). Sie erwarten in dem Fall vom Stiefelternteil, sich so wie sein gleichgeschlechtlicher leiblicher Elternteil zu verhalten, ansonsten lehnen sie ihn eher ab. Ein weiterer Faktor, der bei Kindern mit zu berücksichtigen ist, ist, dass sie die beiden Haushalte, innerhalb derer sie sich bewegen, als ein Familiensystem wahrnehmen. Es bedarf elterlichen Verantwortungsgefühls gegenüber dem Kind und dem Familiensystem, Geduld, Vertrauen sowie die Bereitschaft, bei möglichen Rückschlägen weiterzumachen. Auf der Seite der leiblichen Eltern, welche sich bereits aus rein juristischer Sicht in einer ausgeprägteren Machtposition als die Stiefeltern befinden (vgl. Abschnitt 2.3), ist in besonderer Weise ein reflektierter und verantwortungsvoller Umgang damit erforderlich. Dies ist zum Wohle des Kindes und des Familiensystems. Im Zuge ihrer hervorgehobenen Stellung liegt es eher an ihnen, erzieherisch und sanktionierend tätig zu sein. Soziale Eltern sollten aus systemischer Perspektive verantwortungsbewusst und reflektiert gegenüber dem Kind agieren und kommunizieren, da allein ihre Anwesenheit, ihre Handlungsund Kommunikationsweisen, ihre Stimmungen etc. das Familiensystem, das Familienklima und damit auch den kindlichen Kompetenzaufbau beeinflussen (vgl. Abschnitte 2.4.2, 4.2.2 und 4.2.3). Stiefeltern können auf der einen Seite aufgrund mangelnder Vorbilder und Verhaltensnormen sowie aufgrund ihrer eingeschränkten „Machtposition“ selbst leichter Unsicherheit empfinden und damit in Stress geraten, als es bei den leiblichen Eltern der Fall ist. Auf der anderen Seite kann eine hohe Beziehungsqualität

Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern

155

bei sozialen Eltern eine Stabilisierungsfunktion ausüben, Unsicherheiten reduzieren und damit ihre Lernbereitschaft und ihre Bereitschaft, sich für das Kind zu engagieren, erhöhen. Stiefeltern können anhand von Familiengeschichten und -themen den Werdegang ihres Stiefkinds erschließen. Auf die Zeit vor ihnen können sie ausschließlich kognitiv anhand der ihnen vermittelten Erzählungen zurückgreifen. Im Gegensatz zu leiblichen Eltern haben soziale Eltern kaum historisch und gesellschaftlich gewachsene Vorbilder (vgl. Cherlin 1978; Juul 2011: 54). Wie sie eine tragfähige Beziehung zu ihrem Stiefkind entwickeln können und welche Rolle sich besonders günstig auf die Funktionsfähigkeit der Stieffamilie auswirken kann, ist bereits empirisch eruiert worden. Dennoch vermittelt die Forschung eine enorme Vielfalt, da die stiefelterliche Handlungsfähigkeit in besonderem Maße vom individuellen Familiensystem, der Einflüsse und Macht beider leiblichen Elternteile sowie der Vergangenheit der vorangegangenen Teil-/Kernfamilie innerhalb eines gewissen Rahmens abhängig ist. Inwieweit Stiefeltern Handlungsfreiheit in Bezug auf ihre Stiefkinder haben, entscheidet sich in der Alltagspraxis überwiegend durch die Phase, innerhalb derer sich die Stieffamilie befindet, durch ihre stiefelterliche Rolle, durch die ihnen von den leiblichen Eltern zugestandene Entscheidungsfreiheit, durch die Selbstdefinition der Familie und durch die kindliche Wahrnehmung dahingehend, inwieweit es seinen sozialen Elternteil als Familienmitglied annimmt (vgl. Abschnitte 2.3, 2.4.2 und 2.4.3). Der letztgenannte Punkt verdeutlicht erneut die Bedeutung der stiefelterlichen Investition in den Aufbau und die Pflege einer tragfähigen Beziehung zum Kind. Die Forschung weist zu Stieffamilien einen engen Zusammenhang zwischen der Partnerschaftsqualität des Stiefelternteils und seiner Beziehung zum Stiefkind nach (vgl. Crosbie-Burnett 1984; Hetherington 1989; zus. fas. bei Kunze 2014, 2015a). Die Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung scheint mit der Beziehungsqualität stärker zusammenzuhängen, als dies bei den leiblichen Eltern und ihren Kindern der Fall ist (vgl. Fine und Kurdek 1995). Dabei ist es bedeutsam, ob die Stieffamilie bereits gefestigt ist oder noch nicht. So scheint eine hohe Beziehungsqualität zu Anfang einer Stieffamilie einen negativen Effekt auf die Eltern-Kind-Beziehung und das kindliche Verhalten auszuüben (vgl. Hetherington 1989; Hetherington und Jodl 1994). Dieser Effekt verflüchtigt sich mit zunehmender Verfestigung der Stieffamilie. Der Spill-Over-Effekt kann bei gefestigten Stieffamilien nachgewiesen werden (vgl. Fine und Kurdek 1995). Die stiefelterliche Handlungskompetenz, welche Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit impliziert, kann durch die leiblichen Eltern unterstützt werden, indem sie selbst Vertrauen in ihren Partner und ihr Kind haben. Ferner bedarf es Selbstvertrauen, die nicht gesellschaftlich, sondern innerfamiliär gewachsene Rolle des Stiefelternteils auszufüllen.

156

Modell- und Hypothesenentwicklung

Denn Stiefeltern sind in einer anderen Funktion als leibliche Eltern. Kindbezogene Entscheidungen werden primär von den leiblichen Eltern getroffen (vgl. Abschnitt 2.3). Leibliche Eltern können aufgrund ihrer vergangenen Trennungs- bzw. Scheidungserfahrung, insbesondere bei noch unzureichender Verarbeitung dieser Ereignisse, besonders sensibel gegenüber möglichen Spannungen innerhalb der Partnerschaft sein. Sie können auch Angst vor einem erneuten Scheitern einer Partnerschaft haben. Sie können Unsicherheit in Bezug auf die Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung empfinden. Diese Beispiele bilden mögliche Stressoren für die leiblichen Eltern. Auch wenn der Fokus dieser Arbeit auf die innerfamilialen Einflussmechanismen liegt, gilt es Folgendes zu berücksichtigen: Der außerhalb lebende leibliche Elternteil spielt für die Kinder weiterhin eine Rolle. Dieser Faktor kann mögliche unterschiedliche Einflussmechanismen bei den Elternschaften nach sich ziehen. Bisherige Forschungsergebnisse zeigen auf, dass Faktoren wie das Geschlecht des Kindes, seine Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil und die Dauer der Partnerschaft bei Stieffamilien berücksichtigt werden sollten (vgl. Fine und Kurdek 1995). Empirische Untersuchungen zur Spill-Over-Hypothese vermitteln bereits bei Kernfamilien geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. Cox et al. 1989): Die Beziehungsqualität beeinflusst bei Müttern deutlicher die Warmherzigkeit und die Sensibilität gegenüber ihren Kindern als bei Vätern. Bei Vätern werden dagegen die Attributionsmuster gegenüber dem Kind mit der Beziehungsqualität in Verbindung gebracht. Einzelne Studien berichten von einer Stabilität dieser Effekte über die Zeit hinweg. Tanner Stapleton und Bradbury (2012) untersuchten die partnerschaftlichen Interaktionen bei frisch verheirateten Paaren und deren Elternverhalten neun Jahre später. Je konstruktiver die Problemlösungsstrategien in der Partnerschaft zum ersten Messzeitpunkt durch die Mutter wahrgenommen wurden, desto unterstützender verhielt sie sich gegenüber dem Kind. Der Vater interagierte umso häufiger emotional sicher mit seinem Kind, je häufiger er zum ersten Messzeitpunkt durch seine Frau unterstützendes Verhalten erlebt hatte. Die Stabilität des Spill-Over-Effekts wird in weiteren Studien bestätigt (vgl. Howes und Markman 1989; McHale und Rasmussen 1998; Owen und Cox 1997; Schoppe et al. 2001). Vereinzelt weisen die Studien einen höheren Spill-Over-Effekt bei Vätern als bei Müttern nach (vgl. hierzu auch die Meta-Studie: Coiro und Emery 1998). Einige Studien belegen konkrete Geschlechtereffekte. Eine defizitäre Beziehungsqualität und Paarkonflikte reduzieren das väterliche Engagement (vgl. u. a. Bradford und Barber 2005; Coiro und Emery 1998; Kitzmann 2000; Nelson et al. 2009; Stroud et al. 2011), erhöhen damit die kindliche Aggressivität (vgl. McHale und Rasmussen 1998) und beeinflussen die Vater-Kind-Bindung negativ

Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern

157

(vgl. u. a. Coiro und Emery 1998; Kouros et al. 2014; Owen und Cox 1997). Ferner reduzieren sie die kindliche Selbstöffnungsbereitschaft gegenüber ihren Müttern (vgl. Stroud et al. 2011; Stroud et al. 2015). Einige Studien stellen aber auch keinen Geschlechtsunterschied fest (vgl. u. a. Erel und Burman 1995; Malik und Rohner 2012). Diese teilweise erhobenen Geschlechterdifferenzen unterstreichen die Möglichkeit unterschiedlicher Einflussmöglichkeiten der leiblichen und sozialen Eltern einer Stieffamilie aufgrund ihrer unterschiedlichen Rollen. Bei Stieffamilien konnten Unterschiede zwischen den Geschlechtern des Stiefelternteils ermittelt werden (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Die StiefmutterStiefkind-Beziehung gilt als problematischer als die Stiefvater-Stiefkind-Beziehung (vgl. u. a. Ahrons und Wallisch 1987, 1987; Fine et al. 1993; Hobart 1987; Ihinger-Tallman 1988; Unverzagt 2002). Dies hängt mit drei Faktoren zusammen, wie Kunze (2014) zusammenfasst: Es wirken geschlechtsstereotype Rollen auf die Ausgestaltung der eigenen Stiefelternrolle, welche bei Stiefmüttern einer leiblichen Elternrolle ähnelt und damit leicht zu einer Überforderung führen kann. Leibliche Mütter führen die Stiefväter häufiger behutsam in die Familie ein und geben den Stiefvätern und ihren Kindern eher die Zeit, einander kennenzulernen und eine Beziehung zueinander aufzubauen. Stiefmütter übernehmen dagegen häufig zu schnell Erziehungsaufgaben. Bei Stiefmutterfamilien wirkt die außerhalb lebende leibliche Mutter intensiver in das Stieffamilienleben hinein als der außerhalb lebende leibliche Vater bei Stiefvaterfamilien. Generell ist der mit der Erziehung verbundene Stress bei Stiefeltern und dabei in besonderen Maße bei Stiefmüttern höher als bei leiblichen Eltern (vgl. Shapiro 2014). Bisherige Studienergebnisse sprechen sozialen Eltern eine andere Rolle zu als leiblichen Eltern (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Beckh und Walper (2002) halten in ihrer Untersuchung fest, dass Kinder im Zuge dieser Entwicklung zu ihren Eltern und Stiefeltern eigenständige Beziehungen entwickeln. Diese Beziehungen sind unabhängig voneinander, wodurch sie auch gute Beziehungen zu gleichgeschlechtlichen sozialen und leiblichen Eltern pflegen können. Die eingenommene Rolle der Stiefeltern hängt mit den Erwartungen der Familienmitglieder, den Handlungskompetenzen der sozialen Eltern und der ausgestalteten Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil zusammen (vgl. Kunze 2014). Sie weist eine große Bandbreite auf und ist unterschiedlich erfolgversprechend für die Qualität und Stabilität der Familienbeziehungen. Bestehen innerhalb der Familie unterschiedliche Vorstellungen über die stiefelterliche Rolle und die Eltern-Kind-Beziehungen sozialer Eltern, können sie negativ auf die Beziehungssysteme der Familie zurückwirken (vgl. Bray und Kelly 1998; Kunze 2014). Allgemein ist Folgendes bedeutsam:

158

Modell- und Hypothesenentwicklung „Insgesamt dürfte die Frage, ob eine positive Partnerschaft den Kindern zugute kommt, nicht zuletzt davon abhängen, ob Kinder sich von dieser Beziehung ausgeschlossen fühlen oder sich als Teil der neuen familialen Einheit erleben. Auch hier ist entscheidend, in welcher Phase des Anpassungsprozesses sich die Familie befindet“ (Walper und Wild 2002: 348).

Die dargestellten Überlegungen und empirischen Ergebnisse indizieren mögliche Unterschiede zwischen den Elternschaften. Diese Untersuchung erweitert die bisherigen Hypothesen darum, welche Faktoren leibliche und soziale Eltern aus Stieffamilien im Erziehungsalltag berücksichtigen sollten. Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: H4: H4a: H4b:

Wenn leibliche und Stiefeltern innerhalb der vorher untersuchten Muster miteinander verglichen werden, treten Unterschiede auf. Diese Unterschiede beziehen sich auf die Beeinflussungsmuster. Die Unterschiede sind an der Effektstärke messbar.

5.3

Gesamtzusammenhang und Grenzen der Untersuchung

Lebenslange Lernprozesse, der Aufbau soziokognitiver Kompetenzen und die Persönlichkeitsentwicklung hängen von den innerfamilialen emotionalen Erfahrungen ab (vgl. u. a. Grundmann und Hoffmeister 2011; Huschke-Rhein und Macha 2011; Lange 2011; Liegle 2017; Lüscher und Liegle 2003; Winkler 2012). Das emotionale Erleben innerhalb der Familie betrifft unter anderem die Beziehungsqualität und das Elternverhalten gegenüber dem Kind. Entsprechend einem systemisch-entwicklungsbezogenen Denken wird eine Einflussnahme der Beziehungsqualität auf die Erziehung und die Beziehungsstrukturen auf Eltern-Kind-Ebene angenommen. Gemeinsam wirken sie, so die These, auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. Unterstützung erfährt diese These im Rahmen einer pädagogisch-ethische Sichtweise auf Familie und durch ausgewählte psychologische Modelle. Der Einfluss der Beziehungsqualität auf das kindliche Kompetenzniveau wird durch eine Kausalstruktur mit mediierenden Faktoren untersucht, um die Wirkzusammenhänge zu erfassen.

Gesamtzusammenhang und Grenzen der Untersuchung

159

Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Hypothesen H1

Modell I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Je höher die Beziehungsqualität ist, desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes.

Kommunikationsmodelle II und III: Indirekte Einflüsse über die Mediatoren „Kommunikation“ und „Attribution“ H2 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konstruktiver gestalten die Eltern die Kommunikation mit ihrem Kind und desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. H2a H2b H2c H2d H2e H2f: H2g H2h

H3

H3a H3b H3c H3d H3e H3f H3g H3h H4 H4a H4b

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konfliktfreier verläuft die Eltern-Kind-Kommunikation. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst. Je häufiger die Eltern sich selbst regulieren, desto konfliktfreier ist die Eltern-Kind-Kommunikation. Je konfliktfreier sich die Eltern-Kind-Kommunikation gestaltet, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die Attributionsmuster gegenüber dem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konfliktfreier erfolgt die ElternKind-Kommunikation. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Modelle zur autoritativen Erziehung IV und V: Indirekte Einflüsse über die Mediatoren „autoritative Erziehung“ und „Attribution“ Je höher die Beziehungsqualität ist, desto häufiger üben die Eltern den autoritativen Erziehungsstil aus, welcher sich positiv auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes auswirkt. Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto warmherziger sind die Eltern im Umgang mit ihrem Kind. Je konsequenter die Eltern ihr Kind erziehen, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Je warmherziger sich die Eltern gegenüber ihrem Kind verhalten, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die elterlichen Attributionsmuster gegenüber dem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto warmherziger verhalten sich die Eltern gegenüber ihrem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern Wenn leibliche und Stiefeltern innerhalb der vorher untersuchten Muster miteinander verglichen werden, treten Unterschiede auf. Diese Unterschiede beziehen sich auf die Beeinflussungsmuster. Die Unterschiede sind an der Effektstärke messbar.

Eigene Darstellung

160

Modell- und Hypothesenentwicklung

Die Hypothese H1 behandelt den direkten Einfluss der Beziehungsqualität auf die beiden kindlichen Kompetenzen (Modell I). Die Hypothesenmodelle H2 (Kommunikationsstil, Modell II) und H3 (autoritative Erziehung, Modell IV) bilden zwei unterschiedliche Bereiche des Elternverhaltens ab. Sie werden jeweils um die elterliche Attribution in einem erweiterten Modell (Modell III, Modell V) ergänzt. Ein Gruppenvergleich ermittelt mögliche Unterschiede zwischen den Elternschaften (H4). Tabelle 5.1 fasst die Arbeitshypothesen dieser Studie zusammen. Tabelle 5.2: Konstrukte und ihre Inhalte Konstrukt Inhalt des Konstrukts Beziehungsqualität Intimität Gegenseitige Selbstöffnung im Alltag und bei intimen Themen Wertschätzung Respekt und Achtung Kommunikation Häufigkeit von Konflikten und emotionalen Spannungen Zufriedenheit Zufriedenheit mit der Beziehung und mit der Sexualität Kindliche Kompetenzen Emotionale Sicherheit Ausmaß an Niedergeschlagenheit, Sorgen, Selbstvertrauen, Ängsten und psychosomatischen Symptomen (Kopf-, Bauchschmerzen, Übelkeit) Prosoziales Verhalten Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Bereitschaft, mit anderen zu teilen Kommunikationsmuster Eltern-KindAusmaß an Konflikten und emotionalen Spannungen Kommunikation Selbstregulation Ausmaß an Kritik und emotionalen Ausbrüchen (anschreien, beschimpfen) Autoritative Erziehung Konsequenz Konsequentes, konsistentes Erziehungsverhalten, Selbstwahrnehmung Warmherzigkeit Trost, Lob, Zeigen von Zuneigung Haltung zum Kind Attribution Ursachenzuschreibung bei Erziehungsproblemen und Fehlverhalten des Kindes Eigene Darstellung

Für die Überprüfung der Hypothesen werden fünf unterschiedliche Bereiche in ihren Wirkzusammenhängen untersucht: die Beziehungsqualität, die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes, die Kommunikationsmuster, der autoritative Erziehungsstil und die elterlichen Attributionsmuster (vgl. Tabelle 5.2). Die Beziehungsqualität umfasst die Unterkonstrukte Intimität, Wertschätzung, Kommunikation und Zufriedenheit. Die Intimität zeigt die gegenseitige Selbstöffnungsbereitschaft. Die Wertschätzung vermittelt das Verständnis füreinander und den gegenseitigen Respekt. Die Kommunikation innerhalb der Beziehungsqualität wird gespiegelt durch ein geringes Niveau an Konflikten und emotionalen Spannungen. Die Zufriedenheit umschließt die generelle Zufriedenheit mit der Partnerschaft und mit der Sexualität im Speziellen. Die sozio-emotionalen

Gesamtzusammenhang und Grenzen der Untersuchung

161

Kompetenzen des Kindes bilden die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten. Die emotionale Sicherheit spiegelt sich in einem hohen Selbstvertrauen und einem geringen Ausmaß an Niedergeschlagenheit, Sorgen, Weinen, Ängsten und psychosomatischen Symptomen wider. Das prosoziale Verhalten umfasst die Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und die Bereitschaft mit anderen zu teilen. Die Kommunikationsmuster der Eltern-Kind-Dyade befassen sich mit der Eltern-KindKommunikation und der elterlichen Selbstregulation. Die Eltern-Kind-Kommunikation beschreibt das Ausmaß an emotionalen Spannungen und Eltern-Kind-Konflikten. Die Selbstregulation zeigt auf, in welchem Ausmaß die Eltern das Kind kritisieren oder ihm gegenüber verbal aggressiv werden. Die autoritative Erziehung umfasst die elterliche Warmherzigkeit und Konsequenz gegenüber dem Kind. Die Konsequenz zeigt sich in einem konsequenten Erziehungsverhalten und der entsprechenden Selbstwahrnehmung. Die Warmherzigkeit im Erziehungsprozess illustriert die Bereitschaft der Eltern, ihr Kind zu loben, es zu trösten und ihm Zuneigung zu zeigen. Die elterlichen Attributionsmuster zeigen ihre Ursachenzuschreibungen bei Erziehungsproblemen und beim Fehlverhalten des Kindes auf. Die Untersuchung unterliegt verschiedenen methodischen und inhaltlichen Grenzen. Die Überprüfung der Hypothesen erfolgt mit quantitativen Daten der dritten Untersuchungswelle des Beziehungs- und Familienpanels pairfam. Diese wurden mithilfe standardisierter Fragen erhoben.86 Für die Analysen werden Aussagen von Eltern verwendet, welche ihre Beziehungen, ihr Verhalten gegenüber dem Kind und ihre Einschätzung über das Kind angeben. Die Kindersicht wird nicht berücksichtigt. Die eingesetzten Fragen sind teilweise sensiblen Inhalts. Atteslander (2010) verdeutlicht, dass solch erfasste Aussagen nicht immer vollkommen der Wirklichkeit des tatsächlichen Handelns entsprechen. Soziale Erwünschtheit, Normen, die gesellschaftliche Sicht auf die Familienform, eine mögliche Diskrepanz zwischen Wunschdenken und realem Verhalten, die Interviewsituation, das Verstehen der jeweiligen Frage, ihre individuelle Bewertung und die individuelle Einschätzung im Sinne einer Nutzen-Schaden-Abwägung können das Antwortverhalten verfälschen. Ein weiterer methodischer Aspekt, welcher die Untersuchung begrenzt, ist die Wahrung der Durchführbarkeit der empirischen Analyse. Dies führt zu einigen Einschränkungen der Datenanalyse und der damit verbundenen Abbildung der Realität. Das heißt, die Analyse untersucht ausgewählte Aspekte in ihrem Zusammenhang. Weiterhin werden keine Entwicklungen im Längsschnitt abgebildet. Die empirischen Daten als Querschnittdaten bilden eine Momentaufnahme. Dyadische Analysen konnten ebenfalls aufgrund der Stichprobengröße nicht einbezogen werden. Die Ergebnisse werden im Zuge dessen mit

86

Das sechste Kapitel stellt den Datensatz und das methodische Vorgehen genauer vor.

162

Modell- und Hypothesenentwicklung

weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen verglichen, um die Repräsentativität der Ergebnisse abschätzen zu können. Aus systemischer Sicht werden inhaltliche Grenzen der vorliegenden Untersuchung deutlich (vgl. auch Abschnitt 2.4.3). Die Familie, ihre Subsysteme, die elterlichen Kompetenzen und die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Subsystemen wirken in die Erziehungs- und Lernprozesse ganzheitlich hinein. Dies lässt erahnen, dass die Erziehung in Stieffamilien von den unterschiedlichen Beziehungen zwischen Kind, Elternteil, Stiefelternteil und außerhalb lebendem leiblichen Elternteil sowie eventuellen Halb- und Stiefgeschwistern des Kindes beeinflusst wird. Der andere leibliche Elternteil und der erweiterte Verwandtschaftskreis der Stieffamilie, die Peergroup des Kindes, die Schule des Kindes, die berufliche Situation der leiblichen und sozialen Eltern bilden eine Auswahl an systemischen Faktoren, welche die kindliche Lern- und Entwicklungsprozesse mit beeinflussen. Eine Berücksichtigung aller Einflussfaktoren würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus entwicklungsbezogener Sicht spielt auch die Vergangenheit der Familienmitglieder vor der Stieffamiliengründung eine mögliche Rolle. Wie ist eine mögliche Trennung verlaufen? Gab es in dieser Phase Konflikte und weitere Schwierigkeiten? Wie wurde eine mögliche Alleinerziehendenphase organisiert? Haben diese Ereignisse weiterhin einen Einfluss auf die individuelle Entwicklung und die Lernprozesse des Kindes? Diese Fragen zeigen die Grenzen der vorliegenden Arbeit auf. Es wird ein systemischer Umweltaspekt des Kindes (die elterliche Beziehungsqualität, die Eltern-Kind-Kommunikation, die elterlichen Erziehungsstile und Attributionsmuster) herausgegriffen und in seinem Einfluss auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten untersucht. Generell kann die Arbeit in folgenden Gesamtzusammenhang eingeordnet werden: Diese Arbeit untersucht mit quantitativen Methoden, wie die Beziehungsqualität direkt und indirekt die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes beeinflusst. Im Fokus steht die Sicht eines Elternteils auf die Partnerschaft, auf ausgewählte mediierende Faktoren und auf die sozio-emotionalen Kompetenzbereiche des Kindes. Als Mediatoren werden Eltern-Kind-Kommunikationsmuster, der autoritative Erziehungsstil und die Attribution der Eltern verwendet. Ein Vergleich leiblicher und sozialer Eltern in Stieffamilien gestattet es, mögliche Unterschiede der beiden Elternschaften zu erfassen und damit Indizien für die Funktionsweise des Familiensystems Stieffamilie zu liefern. Die Reziprozität der Einflüsse wird bei der Entwicklung eines pädagogischen Handlungsleitfadens erneut aufgegriffen. Gleiches gilt für den in der empirischen Analyse vernachlässigten außerhalb lebenden leiblichen Elternteil. Dies erlaubt am Schluss die Entwicklung eines pädagogischen Handlungsleitfadens, für welchen die theoretischen Positionen mit einbezogen werden.

6

Methodik

Dieses Kapitel beschreibt die Datenbasis (6.1), die eingesetzten Variablen (6.2) und die verwendete statistische Methode (6.3). 6.1

Das Beziehungs- und Familienpanel pairfam

Um die formulierten Hypothesen überprüfen zu können, werden die Daten des Beziehungs- und Familienpanels (pairfam) aus den Jahren 2010 und 2011 (Welle III) herangezogen.87 Das Panel erlaubt Längs- und Querschnittanalysen über Prozesse in Familien und Beziehungen. Es zielt darauf ab, Daten zu innerfamilialen Einflussmechanismen aus subjektiver und interdependenter Sicht und zu den damit verbundenen Prozessen zur Verfügung zu stellen. Es ermöglicht somit, das interdisziplinäre wissenschaftliche Verständnis von Beziehungen und Familien zu verbessern (vgl. Feldhaus und Huinink 2006; Huinink et al. 2011). Die eingesetzten Fragebögen basieren auf psychologischen und soziologischen Konzepten. Das pairfam ist ein auf 14 Jahre ausgelegtes Panel, das mithilfe eines Kohortenansatzes und eines Multi-Actor-Ansatzes deutschlandweit erhoben wird. Es werden zufällig ausgewählte Personen aus den drei Geburtskohorten 1971-73, 1981-83 und 1991-93 (Ankerperson), ihre Partner, ihre leiblichen, Pflege- oder Stiefkinder (8-15 Jahre alt) sowie ihre Eltern befragt. Die Ankerpersonen und ihre Partner nehmen seit der ersten Welle am Befragungsprojekt teil.88 Die Ankerpersonen werden mithilfe eines computergestützten Fragebogens von einem 87

Diese Arbeit nutzt Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam, welches von Josef Brüderl, Johannes Huinink, Bernhard Nauck und Sabine Walper geleitet wird. Die Studie wird als Langfristvorhaben durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Analysen basieren auf den Daten der dritten Erhebungswelle des Beziehungs- und Familienpanels pairfam, Release 3.0 (vgl. Nauck et al. 2012). Huinink et al. (2011) bieten eine ausführliche Darstellung der Studie, inklusive ihres Forschungsdesigns. Informationen über die Gesamtstichprobe, die Erhebungsinstrumente und die Datenerhebung der dritten Welle sind im Methodenbericht bei Suckow et al. (2011) und im Data Manual von Brüderl et al. (2012) vorzufinden. Die erste Welle startete in den Jahren 2008 und 2009. 88 Ab der zweiten Welle wurden die Eltern der Ankerperson schriftlich und das Kind mithilfe eines CAPI-Interviews befragt. In diese Forschungsarbeit fließen einzig die Antworten der Ankerpersonen und ihrer Partner zu den Untersuchungsfragen mit ein.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_6

164

Methodik

Interviewer befragt (CAPI). Sensible Fragen beantwortet der Respondent am PC selbst (CASI). Die eingesetzten Extramodule erfolgen mithilfe eines computerbasierten Life-History-Calenders. Der 36-seitige schriftliche Partnerfragebogen (PAPI) bildet eine verkürzte Form der Ankerbefragung. Die einzelnen Befragungsinstrumente beinhalten sich jährlich wiederholende Module. Zusätzlich werden regelmäßig ausführlichere Informationen zu unterschiedlichen Themen, wie zum Beispiel zur Partnerschaft, abgefragt. Zudem gibt es unregelmäßige Extra-Module, welche teilweise nur einmal oder beim Auftreten spezifischer Ereignisse erhoben werden (z. B. Auflösung der Partnerschaft). Die sich jährlich wiederholenden Inhalte beim Anker und Partner umfassen sozioökonomische Merkmale, Bereiche der Paarbeziehung, die Fertilität und die Intergenerationenbeziehungen. Ab der zweiten Welle bilden die Erziehungspraxis und der kindliche Entwicklungsstand in einem eigenen schriftlichen Fragebogen sich wiederholende Faktoren (vgl. Huinink et al. 2011; Suckow et al. 2011). Dieser Erziehungsfragebogen kann sowohl vom Anker als auch vom Partner beantwortet werden und umfasste in der dritten Welle vier Seiten. Die Befragung zur dritten Welle dauerte ca. sechs Monate (vgl. Suckow et al. 2011). Das Stichprobendesign zielt bei der Ankerperson auf annähernd gleich große Stichproben über die drei erhobenen Kohorten hinweg. Um eine Übereinstimmung des Datensatzes mit der tatsächlichen Bevölkerungsverteilung für diese Altersgruppen zu erreichen, stellt pairfam den Gewichtungsfaktor design weight zur Verfügung. Der mitgelieferte Gewichtungsfaktor post-stratification weight korrigiert zudem weitere mögliche Verzerrungen der Stichprobe und gleicht sie der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung an. In einem iterativen Prozess werden die Bundesländer, das Alter, das Geschlecht, der BIK-Agglomerationstyp, der Familienstand und das Vorhandensein von Kindern in seine Berechnung einbezogen. Der Mikrozensus (2008) dient dabei als Vergleichsmaß der Gesamtbevölkerung. Das von pairfam berechnete Produkt des design weight und post-stratification weight bildet den Gewichtigungsfaktor für die nachfolgenden deskriptiven Analysen in den Abschnitten 7.1 und 7.2 (vgl. Brüderl et al. 2012: 45 -47).89 Die Auswahl der dritten Welle als Untersuchungsstichprobe ist auf (1) inhaltliche und (2) empirische Gründe zurückzuführen: (1) Sie beinhaltet die erforderlichen Antworten zur Beziehungsqualität, zur Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern, zur autoritativen Erziehung, zur elterlichen Haltung zum Kind sowie zu den beiden kindlichen Kompetenzbereichen. (2) Das multivariate Analyseverfahren bedarf einer Mindestgröße der Stichprobe von N = 100 bzw. N = 200 (vgl. u. a. Schumacker und Lomax 2010). Pairfam hat bisher acht Wellen 89

Brüderl et al. (2012) zeigen auf, dass bei der Nutzung von mehr als einer Kohorte eine Gewichtung dieses Designs erfolgen soll.

Das Beziehungs- und Familienpanel pairfam

165

erhoben. Die Stichprobengröße ist von Welle I (NAnker = 12 402) zu Welle II um über 3 000 Ankerpersonen auf NAnker = 9 069 geschrumpft. Dieser Trend setzt sich bei den nachfolgenden Wellen in abgeschwächter Form fort (Anker: NW3 = 7 901; NW4 = 6 678; NW5 = 6 261; NW6 = 5 696; NW7 = 5 119; NW8 = 4 727).90 Dies entspricht einer Panelstabilität von der ersten zur achten Welle von 38.1 %. Die Panelstabilität von der ersten zur dritten Welle beläuft sich auf 63.7 %. Es fallen auch jeweils die Daten der dazugehörigen Partner, Kinder und Eltern aus. Es wird auf die Verwendung der aktuellsten Wellen zugunsten der Repräsentativität (Stichprobenumfang) verzichtet, um für die multivariate Untersuchung die Validität und Reliabilität zu gewährleisten. Für die Untersuchung werden die Anker-, Partner- und Erziehungsfragebögen verwendet. Die Variablen der Beziehungsqualität entstammen den Anker- und Partnerfragebögen. Die soziodemografischen Merkmale beruhen auf den Angaben im Ankerfragebogen. Die Items zur emotionalen Sicherheit und zum prosozialen Verhalten des Kindes sowie zu den elterlichen Kompetenzen sind dem Erziehungsfragebogen entnommen. Die Informationen wurden zu einem Datensatz gemergt. Die Daten von Anker und Partner liegen im long-Format vor. Die Angaben aus dem Erziehungsfragebogen wurden im wide-Format bei dem jeweiligen Respondenten ergänzt. Der Erziehungsfragebogen hatte in der zweiten Welle allein das jüngste Kind zwischen dem achten und 15. Lebensjahr als Bezugskind. In der dritten Welle werden weitere Kinder einer Familie innerhalb der ausgewählten Altersspanne einbezogen. Liegen Erziehungsfragebögen zu mehreren Kindern eines Haushalts vor, werden einzig die Daten zum ältesten Kind verwendet. Dieses Vorgehen beugt Verzerrungen vor. Die Untersuchungsgruppe bilden Stieffamilien mit drei Voraussetzungen: Die Partner leben in einem gemeinsamen Haushalt, mindestens eines ihrer minderjährigen Kinder ist ein Stiefkind und die Stieffamilie bildet eine primäre Stieffamilie (vgl. Abschnitt 2.1). Aufgrund fehlender Partnerschaft bzw. Kohabitation und vorhandener Kinderlosigkeit reduziert sich das Datenmaterial. Insgesamt beinhaltet der Datensatz 471 Alleinerziehende (16.8 %), 1 925 Kernfamilien (68.7 %) und 406 Stieffamilien (14.5 %).91 Die Stieffamilien des Datensatzes sind im Vergleich zu anderen Schätzungen der Gesamtbevölkerung minimal überrepräsentiert und die Alleinerziehenden leicht unterrepräsentiert. Der Anteil der Kernfamilien ist mit anderen Schätzungen vergleichbar (vgl. Abschnitt 2.2). Die in der Analyse

90 91

vgl. http://www.pairfam.de/daten-neu/stichproben/; Zugegriffen: 22.05.2018. Die Prozentangaben beziehen sich auf die erfassten Familien und nicht auf die Gesamtstichprobe.

166

Methodik

eingesetzten Befragten aus Stieffamilien reduzieren sich aufgrund fehlender Erziehungsfragebögen auf 263 Respondenten.92 6.2

Variablen

Die einzelnen Konstrukte werden jeweils mit ihrer Anzahl der Items, dem konkreten Wortlaut der Variablen und ihrer nachfolgend verwendeten Bezeichnung tabellarisch dargestellt. Ergänzend werden die Entwickler der Konstrukte in den einzelnen Tabellen beigefügt.

6.2.1 Die abhängigen Konstrukte der kindlichen Kompetenzen Alle Variablen der abhängigen Konstrukte basieren auf dem Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) von Goodman (1997), welcher von Woerner et al. (2002) in die deutsche Sprache übersetzt wurde (vgl. Schmahl et al. 2012: 143). Die Variablen sind dem Erziehungsfragebogen von pairfam entnommen. Der SDQ von Goodman (1997) erfasst Auffälligkeiten und Stärken des Verhaltens von Kindern und Jugendlichen anhand eines Elternfragebogens für Bezugskinder zwischen vier und 16 Jahren. Für Heranwachsende zwischen elf und 16 Jahren gibt es zusätzlich einen Selbsteinschätzungsbogen. Er umfasst in seiner vollständigen Version 25 Items zu den emotionalen Problemen, zum prosozialen Verhalten, zur Hyperaktivität sowie zu den Verhaltensproblemen im Allgemeinen und mit Gleichaltrigen (vgl. Goodman 1997, 2001; Woerner et al. 2002). Dies erlaubt Rückschlüsse auf den sozio-emotionalen Kompetenzstand des Kindes. Die hier untersuchten Bereiche bilden nicht die gesamte Breite des SDQ ab und umfassen zehn dreistufig skalierte Items (1 = trifft nicht zu; 2 = trifft teilweise zu; 3 = trifft eindeutig zu). Die Auswahl der Variablen zum kindlichen Kompetenzstand lehnt sich an die von pairfam vorgeschlagenen Bereichen an und wird bei Erfordernis an die Forschungsfragen angepasst. Die Untersuchungsfelder bilden die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten mit jeweils fünf Variablen (vgl. Tabelle 6.1). Die emotionale Sicherheit

92

Aus der ursprünglichen Gruppe von 406 Ankerpersonen beantworteten 162 den Erziehungsfragebogen. Bei 230 ihrer Partner liegen Partnerfragebogen vor. Unter diesen beantworteten 104 den Erziehungsfragebogen. 263 Einzelpersonen leben in Alltagsstieffamilien, drei Fälle bilden eine Wochenendstieffamilie. Die drei Fälle aus den sekundären Stieffamilien wurden ausgeschlossen, da das Familienleben sich zwischen primären und sekundären Stieffamilien unterscheidet (vgl. Abschnitt 2.4.3).

Variablen

167

liefert eine Aussage dazu, wie emotional stabil das Kind ist. Sie umfasst eine psychosomatische Komponente (invertiert: psychosomatische Symptome), zwei Items auf der Verhaltensebene (invertiert: Sorgen; invertiert: Niedergeschlagenheit) und zwei Variablen zur Selbstsicherheit (invertiert: mangelndes Selbstvertrauen; invertiert: Ängste). Alle fünf Variablen wurden für die Analysen invertiert. Je weniger Probleme das Kind in diesen Bereichen aufzeigt, desto emotional stabiler ist es. Das prosoziale Verhalten beinhaltet fünf Items, welche die Rücksichtnahme (generell und spezifisch) und die Hilfsbereitschaft (generell und spezifisch) mit jeweils zwei Variablen sowie ein Item zur Bereitschaft, mit anderen zu teilen, umfasst (Teilungsbereitschaft). Die Abfrage des kindlichen Verhaltens wird folgendermaßen eingeleitet: „Jetzt geht es darum, wie Ihr Kind ist und wie es ihm geht. Bitte berücksichtigen Sie bei der Antwort das Verhalten Ihres Kindes in den letzten 6 Monaten“ (Schmahl et al. 2012: 143-145). Tabelle 6.1: Items zu den kindlichen Kompetenzfeldern Konstrukt N Items (Items) Emotionale 5 Invertiert: Hat viele Sorgen; erscheint häufig bedrückt Sicherheit (invertiert: Sorgen) Invertiert: oft unglücklich oder niedergeschlagen; weint häufig (invertiert: Niedergeschlagenheit) Invertiert: nervös oder anklammernd in neuen Situationen; verliert leicht das Selbstvertrauen (invertiert: mangelndes Selbstvertrauen) Invertiert: hat viele Ängste; fürchtet sich leicht (invertiert: Ängste) Invertiert: Klagt häufig über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Übelkeit (invertiert: psychosomatische Symptome) Prosoziales 5 Rücksichtsvoll (generelle Rücksichtnahme) Verhalten Lieb zu jüngeren Kindern (Rücksichtnahme gegenüber jüngeren Kindern) Hilft anderen oft freiwillig (Eltern, Lehrern oder anderen Kindern; generelle Hilfsbereitschaft) Hilfsbereit, wenn andere verletzt, krank oder betrübt sind (Hilfsbereitschaft in Notfällen) Teilt gern mit anderen Kindern (Süßigkeiten, Spielzeug, Buntstifte usw.; Teilungsbereitschaft) Anmerkung: kursiv in Klammern nachfolgend verwendete Bezeichnung des Items; Quelle: Schmahl et al. (2012): 143-145; eigene Darstellung

Fragebogen Goodman (1999)

Goodman (1999)

6.2.2 Das unabhängige Konstrukt: Beziehungsqualität Die Beziehungsqualität gliedert sich in die Bereiche Kommunikation, Intimität, Wertschätzung und Zufriedenheit mit jeweils zwei Items und damit insgesamt acht

168

Methodik

Variablen (vgl. Tabelle 6.2). Die Items entstammen den Anker- und Partnerfragebögen von pairfam. Die zu bildenden Konstrukte orientieren sich an dem von Furman und Buhrmester (1985) entwickelten Network of Relationship Inventory (NRI) (vgl. Schmahl et al. 2012: 35) unter Ausschluss der Dominanzsskala und der zusätzlichen Berücksichtigung der Zufriedenheitsskalen (vgl. Abschnitt 3.2). Die Variablen zur Kommunikation, Intimität und Wertschätzung sind fünfstufig skaliert (1 = nie; 2 = selten; 3 = manchmal; 4 = häufig; 5 = immer). Der Originalfragebogen wurde von den pairfam-Entwicklern von drei Items pro Bereich auf jeweils zwei Variablen gekürzt (vgl. Schmahl et al. 2012: 35).93 Tabelle 6.2: Items zu der Beziehungsqualität Konstrukt N Items (Items) Intimität 2 Wie oft erzählen Sie [Name aktuelle/r Partner/in], was Sie beschäftigt? (Offenheit im Alltag) Wie oft teilen sie mit [Name aktuelle/r Partner/in] Ihre Geheimnisse und innersten Gefühle? (Offenheit bei intimen Themen) Wertschätzung 2 Wie oft zeigt [Name aktuelle/r Partner/in] Ihnen Anerkennung für das, was Sie tun? (erfahrene Anerkennung für Handlungen) Wie oft zeigt Ihnen [Name aktuelle/r Partner/in], dass er/sie Sie schätzt? (allgemein erfahrene Wertschätzung) Kommunikation 2 Invertiert: Wie oft sind [Name aktuelle/r Partner/in] und Sie unterschiedlicher Meinung und streiten sich? (invertiert: Konflikthäufigkeit) Invertiert: Wie oft passiert es zwischen Ihnen und [Name aktuelle/r Partner/in], dass Sie ärgerlich oder wütend aufeinander sind? (invertiert: emotionale Spannungen) Zufriedenheit 2 Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Sexualleben? (Zufriedenheit mit dem Sexualleben) Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrer Beziehung? (Zufriedenheit mit der Beziehung) Anmerkung: kursiv in Klammern nachfolgend verwendete Bezeichnung des Items; Quelle: Schmahl et al. (2012): 35f., 40, 58; eigene Darstellung

Fragebogen Furman und Buhrmester (1985) Furman und Buhrmester (1985) Furman und Buhrmester (1985)

Sander und Böcker (1993)

Die Intimität verdeutlicht das in der Partnerschaft erlebte Ausmaß an Offenheit im Alltag und bei intimen Themen. Die Wertschätzung beinhaltet die durch den Partner allgemein erfahrene Wertschätzung und erfahrene Anerkennung für Handlungen. Die beiden Items der Kommunikation erfassen die Konflikthäufigkeit und die 93

Der von Furman und Buhrmester (1985) entwickelte ursprüngliche Fragebogen NRI-Social Provisions Version (NRI-SPV) umfasst zehn Skalen mit jeweils drei Items. Diese bilden sieben Merkmale sozialer Bedürfnisse (Zuneigung, verlässliche Allianz, Wertschätzung, Intimität, instrumentelle Hilfe, Kameradschaft, gegenseitige Fürsorge), zwei negative Interaktionsmerkmale (Konflikte, Dominanz) und die Beziehungsstärke.

Variablen

169

emotionalen Spannungen in invertierter Form. Die Zufriedenheit umfasst die Zufriedenheit mit der Beziehung und die Zufriedenheit mit dem Sexualleben. Ihre ursprünglich elfstufigen Variablen (0 = sehr unzufrieden; 10 = sehr zufrieden) werden für die deskriptive Analyse auf eine fünfstufige Skala reduziert. Sie basieren auf der deutschen Version der Relationship Assessment Scale (RAS) von Sander und Böcker (1993). Die Einleitungsfrage für die ersten drei Bereiche lautet: „Wie häufig kommen folgende Dinge in Ihrer Partnerschaft vor?“ (Schmahl et al. 2012: 35-36). Die Abfrage zur allgemeinen Beziehungszufriedenheit wird eröffnet durch die Frage „Wenn Sie an Ihre Partnerschaft denken: Wie sehr treffen folgende Aussagen zu?“ (vgl. ebd.: 41). Einleitende Worte bei der Zufriedenheit mit dem Sexualleben treten nicht auf.

6.2.3 Mediatoren: Elternkompetenzen Die Mediatoren umfassen zwei Konstrukte zur Kommunikation, zwei Skalen zum autoritativen Erziehungsstil und ein Konstrukt zur Haltung zum Kind. Die Bereiche basieren auf unterschiedlichen psychometrischen Instrumenten und sind dem Erziehungsfragebogen von pairfam entnommen (vgl. Tabelle 6.3). Insgesamt 15 Variablen zeigen auf, wie ausgeprägt die einzelnen Erziehungskompetenzen der Respondenten sind. Die Kommunikation wird dargestellt durch die beiden Skalen Eltern-KindKommunikation und elterliche Selbstregulation. Die Eltern-Kind-Kommunikation umfasst, wie bereits das Konstrukt der Paarkommunikation, die invertierten Items zur Konflikthäufigkeit und zu den emotionalen Spannungen. Die vorliegende Arbeit operationalisiert die Eltern-Kind-Kommunikation analog zu pairfam mit zwei Variablen. Diese sind angelehnt an die in der Partnerschaftsqualität eingesetzten Parameter aus dem NRI (Network of Relationship Inventory) von Furman und Buhrmester (1985; vgl. Abschnitt 6.2.2). Die elterliche Selbstregulation zeigt auf, wie die Eltern in schwierigen Situationen reagieren. Sie setzt sich aus drei invertierten Items zur negativen Kommunikation von Schwarz et al. (1997) zusammen.94 Diese Skala bildet eine Kurzfassung der Parent-Adolescent Communication Scale (PACS) von Barnes und Olson (1982). Deren 20 Items gliedern sich in zwei Subskalen, welche offene sowie problematische Kommunikationsmuster innerhalb der Familie beschreiben (vgl. Barnes und Olson 1985; Olson und Barnes). 94

Die Skala beruht auf folgendem Forschungsbericht: Schwarz, Beate; Walper, Sabine; Gödde; Mechthild; Jurasic, Stephanie (1997): Dokumentation der Erhebungsinstrumente der 1. Haupterhebung (überarb. Version). Berichte aus der Arbeitsgruppe „Familienentwicklung nach der Trennung“ # 14/1997.

170

Methodik

Innerhalb der zweiten Skala gibt es verschiedene Aspekte elterlichen negativen Verhaltens, die den erfolgreichen Individuationsprozess des Heranwachsenden behindern (vgl. Schmahl et al. 2012: 100, 138, 169; vgl. auch Abschnitt 4.3). Dazu gehören aggressive elterliche Kommunikationsweisen, wie das Anschreien, Beschimpfen oder Kritisieren des Kindes in unterschiedlichen Situationen. Eine geringe Ausprägung dieser Kommunikationsformen verweist auf eine niedrige Impulsivität im Erziehungsprozess und postuliert ein hohes Maß an elterlicher Selbstregulation. Der autoritative Erziehungsstil wird durch die Skalen zur Warmherzigkeit und Konsequenz ausgedrückt. Die drei eingesetzten Items der Warmherzigkeit gehen auf die Korrespondenz-Skala von Jaursch (2003) zurück (vgl. Schmahl et al. 2012: 137), welche auf dem Fragebogen zum erinnerten elterlichen Erziehungsverhalten (FEE) von Schumacher et al. (1999) basiert (vgl. Jaursch 2003: 80). Der FEE umfasst die Skalen emotionale Wärme, Ablehnung und Strafe sowie Kontrolle und Überbehütung mit jeweils acht Items (vgl. Schumacher et al. 1999). Die in dieser Arbeit verwendete Skala „Warmherzigkeit“ drückt sich in Worten und Gesten der Zuneigung, in Trost bei Traurigkeit des Kindes und in Lob aus. Je häufiger Eltern so handeln, desto stärker ist ihre Warmherzigkeit ausgeprägt. Die Konsequenz bildet die Berechenbarkeit des elterlichen Erziehungsprozesses und das konsequente Erziehungsverhalten ab. Ihre Variablen basieren auf der erweiterten deutschen Version des Alabama Parenting Questionnaire EDAPQ von Reichle und Franiek (2005) (vgl. Schmahl et al. 2012: 139). Ursprünglich beschreibt die Skala die inkonsistente Erziehung und besteht aus sechs Items (vgl. u. a. Essau et al. 2006; Reichle und Franiek 2008; Shelton et al. 1996). Die Entwickler des pairfam haben zwei Items ausgeschlossen.95 In der in pairfam verwendeten Version werden drei Handlungsbereiche und ein instrumenteller Aspekt thematisiert: Inwieweit Eltern Strafen abschwächen oder aufheben, unterschiedliche Strenge an den Tag legen, Strafen ohne Folgen androhen, zeigt das Ausmaß eines inkonsistenten Erziehungsstils, einer mangelnden Konsequenz und damit einer unzureichenden Berechenbarkeit auf. Die Selbsteinschätzung zur eigenen Konsequenz bildet den instrumentellen Bereich ab. Je geringer die einzelnen inkonsistenten Bereiche ausgeprägt sind, desto kompetenter sind die Eltern im Bereich der Konsequenz. Die Variablen wurden invertiert.

95

Die ausgeschlossenen Items lauten: „Ihr Kind hat etwas falsch gemacht und verhandelt so lange mit Ihnen, bis Sie von einer Bestrafung absehen.“ und „Je nachdem, wie gut Sie gelaunt sind, sind die Strafen für Ihr Kind mehr oder weniger streng.“ (vgl. Reichle und Franiek 2007: 34).

Variablen

Haltung zum Kind

Autoritative Erziehung

Kommunikation

Tabelle 6.3: Items zu den eingesetzten Mediatoren Bereich Konstrukt N Items (Items) Eltern-Kind2 Invertiert: Sie und Ihr Kind sind unterKommunikation schiedlicher Meinung und streiten sich. (invertiert: Konflikthäufigkeit) Invertiert: Sie und Ihr Kind sind ärgerlich und wütend aufeinander. (invertiert: emotionale Spannungen) Selbst3 Invertiert: Sie schreien Ihr Kind an, wenn regulation es etwas falsch gemacht hat. (invertiert: Kind anschreien) Invertiert: Sie beschimpfen Ihr Kind, wenn Sie wütend auf es sind. (invertiert: Kind beschimpfen) Invertiert: Sie kritisieren Ihr Kind. (invertiert: Kritik am Kind) Warm3 Sie zeigen Ihrem Kind mit Worten und herzigkeit Gesten, dass Sie es gerne haben. (Zuneigung zeigen) Sie trösten Ihr Kind, wenn es traurig ist. (trösten) Sie loben Ihr Kind. (loben) Konsequenz 4 Invertiert: Sie schwächen eine Bestrafung ab oder heben sie vorzeitig auf. (invertiert: Strafe abschwächen) Invertiert: Es gibt Tage, an denen Sie strenger sind als an anderen. (invertiert: unterschiedliche Strenge) Invertiert: Sie drohen Ihrem Kind eine Strafe an, strafen es dann aber doch nicht. (invertiert: Strafe androhen) Invertiert: Es fällt Ihnen schwer, in Ihrer Erziehung konsequent zu sein. (invertiert: Selbstwahrnehmung bzgl. Konsequenz) Attribution 3 Invertiert: Wenn mein Kind nicht gehorcht und etwas Verbotenes tut, will es mich ärgern. (invertiert: Fehlverhalten als Provokation) Invertiert: Wenn es Probleme in der Erziehung gibt, liegt das an meinem Kind. (invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes) Invertiert: Ich denke, wenn mein Kind sich falsch verhält, macht es das mit Absicht. (invertiert: absichtsvolles Fehlverhalten) Anmerkung: kursiv in Klammern nachfolgend verwendete Bezeichnung des Items; Quelle: Schmahl et al. (2012): 130; 137-139, 141f.; eigene Darstellung

171

Fragebogen Furman & Buhrmester (1985)

Schwarz et al. (1997)

Jaursch (2003)

Reichle & Franiek (2005)

pairfam

172

Methodik

Die Haltung zum Kind zeigt sich in den elterlichen Attributionsmustern. Die Attribution beinhaltet die Interpretation von Problemen im Erziehungsalltag und umfasst drei invertierte Variablen. Sie zeigt auf, ob Eltern auftauchende Probleme in der Erziehung eher situations- oder personenbezogen deuten. Die drei Variablen zu diesen kindbezogenen Erziehungskompetenzen gehen auf die für das pairfam entwickelten partnerbezogenen Attributionstendenzen zurück und wurden auf die elterlichen Attributionen gegenüber dem Kind übertragen. Sie beschreiben das Ausmaß, in welchem die Eltern das kindliche Verhalten als feindselig oder egoistisch wahrnehmen (vgl. Schmahl et al. 2012: 41f., 136). Dazu gehören globale Kausalattributionsmuster (Schuldzuweisungen bei Erziehungsproblemen) und spezifische Verantwortungsattributionsmuster, welche bei einem konkreten Fehlverhalten des Kindes auftreten. Sind die erfassten Attributionsmuster gering ausgeprägt, ist die Haltung zum Kind eher wertschätzender Natur. Alle Variablen zur Eltern-Kind-Kommunikation, zur elterlichen Selbstregulation, zur Attribution und zur Konsequenz wurden invertiert. Die Items der Warmherzigkeit liegen bereits in der positiv gerichteten Form vor. Die Variablen aller Mediatoren sind fünfstufig skaliert (1 = nie; 2 = selten; 3 = manchmal; 4 = häufig; 5 = immer). Die Einleitungsfrage zur Eltern-Kind-Kommunikation, zur Selbstregulation, zur Warmherzigkeit und zur Konsequenz lautet jeweils „Wie häufig kommen folgende Dinge vor?“ (ebd.: 137-139, 141f.). Bei der Attribution lautet die Eingangsfrage: „Wie fühlen Sie sich in der Elternrolle? Wie sehr treffen folgende Aussagen auf Sie zu?“ (ebd.: 137).

6.2.4 Soziodemografische Kontrollvariablen Die soziodemografischen Kontrollvariablen bilden ausgewählte dichotomisierte Merkmale des Kindes, des Respondenten und des Familiensystems ab, welche ebenfalls einen Einfluss auf die kindlichen Kompetenzen ausüben können. Die soziodemografischen Variablen zum Kind umfassen sein Alter, sein Geschlecht und seinen Status. Das Kindesalter wird unterschieden zwischen Kindern im Alter zwischen acht und zehn Jahren (Alter = 0) und Jugendlichen zwischen elf und 16 Jahren (Alter = 1). Da Kinder und Jugendliche unterschiedliche Entwicklungsaufgaben und Kompetenzniveaus vorweisen sowie der Ablöseprozess vom Elternhaus bei Jugendlichen fortgeschrittener als bei Kindern ist, können die elterlichen Einflussmöglichkeiten auf die beiden Altersstufen unterschiedlich ausgeprägt sein (vgl. Abschnitt 3.4.1). Studien weisen einen unterschiedlichen Umgang der Geschlechter mit dem Dasein als Stieffamilie auf (vgl. u. a. Ahrons und Wallisch 1987; Ambert 1986; Bien et al. 2002; Clingempeel et al. 1984; Fine et al. 1993,

Variablen

173

1993; Hartl 2002b; Hetherington 1993; Hobart 1987; Ihinger-Tallman 1988; Steinbach 2010; Walper und Wendt 2005). Dies betrifft den Erfolg in der Schule, den Beziehungsaufbau zum Stiefelternteil, die Beziehungsgestaltung zum Stiefelternteil und die Form möglichen Problemverhaltens. Insofern ist das Geschlecht des Kindes eine weitere Kontrollvariable (männlich = 0; weiblich = 1). Wissenschaftliche Untersuchungen können unterschiedliche Risiken und Chancen für Stiefkinder gegenüber gemeinsamen Kindern nachweisen, weshalb der Status des Kindes eine weitere Kontrollvariable bildet (gemeinsames Kind = 0; Stiefkind = 1; vgl. u. a. Beckh und Walper 2002; Bernstein 1990; Krähenbühl et al. 2007; Reis und Meyer-Probst 1999; Steinbach 2010; Walper und Schwarz 1999; Walper und Wendt 2005). Das Geschlecht (männlich = 0; weiblich = 1), eine vorhandene Beschäftigung (nein = 0; ja = 1) und der Bildungsabschluss kennzeichnen die verwendeten soziodemografischen Merkmale des Respondenten.96 Wissenschaftliche Studien weisen unterschiedliche Herausforderungen für Frauen und Männer in ihren Elternrollen in Stieffamilien nach (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Der Bildungsabschluss beeinflusst die familiäre Entwicklungsförderung, das elterliche Engagement und die Elternkompetenzen. Zahlreiche Studien, wie PISA, IGLU etc. bestätigen diesen Zusammenhang. Um einen Bias-Effekt auszuschließen, ist die Aufnahme dieser Variable aus den genannten Gründen erforderlich. Sie wird unterschieden in einen niedrigen (kein Abschluss, Hauptschulabschluss), mittleren (Realschulabschluss) und hohen Schulabschluss (Fachabitur, Abitur). Diese drei Bildungsniveaus liegen jeweils in dichotomisierter Form (0 = nein; 1 = ja) vor und der Realschulabschluss bildet in den Modellen jeweils die Referenzkategorie. Eine Variable, welche sich auf das Familiensystem bezieht, ist das Vorhandensein gemeinsamer Kinder (einfache Stieffamilie = 0; komplexe Stieffamilie = 1). Die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Einfluss eines gemeinsamen Kindes auf das Stieffamiliensystem und seine Mitglieder sind bisher nicht eindeutig. Einige Autoren stellen einen positiven (vgl. Bernstein 1990), andere einen negativen Effekt fest (vgl. Stewart 2005).

96

Die Einkommensvariable wird aufgrund unzureichender Datenlage ausgeschlossen (9.4 % Missings). Erklärungsmuster zur Verwendung der vorhandenen Beschäftigung bietet das Prozessmodell von Belsky (vgl. Abschnitt 4.3.2).

174 6.3

Methodik Statistisches Analyseverfahren

Dieser Abschnitt erläutert das eingesetzte Auswertungsverfahren, mit welchem die hypothesenbasierten Modelle überprüft werden. Die Strukturgleichungsanalyse (SGA) analysiert simultan die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen latenten, nicht direkt messbaren Variablen (Konstrukte) und ihren manifesten, messbaren Items sowie die Wirkmechanismen zwischen den latenten Variablen. Die nicht direkt beobachtbaren Konstrukte können über manifeste, beobachtbare Items inhaltlich wiedergegeben, theoretisch repräsentiert, gemessen und empirisch erfasst werden.97 Zusätzlich testet die SGA die Validität und Reliabilität der aufgestellten Modelle. Die Strukturgleichungsmodellierung nach dem kovarianzanalytischen Ansatz bildet das zentrale Auswertungsinstrument der vorliegenden Arbeit. In einem ersten Schritt werden die eingesetzten Messmodelle der latenten Konstrukte mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse überprüft. Im Anschluss werden die Kausalbeziehungen zwischen den latenten Variablen für die Gesamtstichprobe und für die beiden Gruppen „Stiefeltern“ und „leibliche Eltern“ getestet.

6.3.1 Strukturgleichungsmodelle Die nachfolgenden Ausführungen zu den Strukturgleichungsmodellen basieren auf Arzheimer (2016), Backhaus et al. (2013), Bollen (1989), Fuchs (2011) und Reinecke (2005). Strukturgleichungsmodelle (SGM) gehören zu den strukturprüfenden Verfahren. Sie ermöglichen eine simultane Überprüfung der Konstrukte (Messmodelle, Messebene) und ihrer theoretisch hergeleiteten Wirkzusammenhänge (Kausalmodell, Strukturebene). Der kovarianzanalytische Ansatz ermittelt die Abhängigkeitsbeziehungen der hypothetischen Konstrukte mithilfe der Varianzen und Kovarianzen beobachtbarer Variablen. Die empirisch ermittelte VarianzKovarianz-Matrix der manifesten Variablen dient dazu, die nicht direkt beobachtbaren modelltheoretischen Parameter zu schätzen und die Abhängigkeitsbeziehungen auf Mess- und Strukturebene zu ermitteln. Eine dafür wichtige Voraussetzung ist, dass die Anzahl der empirisch ermittelbaren Varianzen und Kovarianzen mindestens so hoch ist wie die Anzahl der unbekannten, zu schätzenden Parameter (Identifizierbarkeit). Gibt es mehr unbekannte als bekannte Parameter, kann das Modell nicht identifiziert werden und das Gleichungssystem ist nicht lösbar. Gibt es mehr empirisches Datenmaterial als zu schätzende Parameter, ist das Modell 97

Darunter fallen unter anderem Einstellungen, die Qualitäten von Beziehungen oder kindliche Kompetenzbereiche. Die manifesten oder beobachtbaren Variablen bilden in der vorliegenden Arbeit die jeweiligen Antworten der Respondenten auf die gestellten Untersuchungsfragen.

Statistisches Analyseverfahren

175

überidentifiziert. Die Differenz zwischen den empirischen und den zu ermittelnden Informationen liefert die Anzahl der Freiheitsgrade (df) des Modells. Die Anzahl der unabhängigen, manifesten Variablen x bildet p und die Anzahl der abhängigen, messbaren Variablen y ist q. Die zu schätzenden Parameter symbolisiert t. Die dazugehörige Gleichung für die Identifizierbarkeit lautet: 𝑡

1 𝑝 2

𝑞 𝑝

𝑞

1

(6.1)

Sind mehr empirische Daten als zu schätzende Parameter vorhanden, erfolgt die Schätzung iterativ und die Diskrepanzfunktion F gewinnt an Bedeutung. Die Distanz zwischen der modelltheoretischen Varianz-Kovarianz-Matrix 𝛴 𝛩 und der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix S wird durch diese Diskrepanzfunktion F ausgedrückt (vgl. Gleichung 6.2). Das Ziel einer SGA ist es, mithilfe der Diskrepanzfunktion F die Differenz zwischen der geschätzten Varianz-KovarianzMatrix 𝛴 𝛩 und der empirisch erfassten Varianz-Kovarianz-Matrix S so weit wie möglich zu minimieren und die empirische Varianz-Kovarianz-Matrix möglichst gut zu reproduzieren. Die ermittelten Abweichungen zwischen der empirischen und der modellimplizierten Matrix zeigen das Ausmaß der Angemessenheit des theoretisch abgeleiteten Modells auf. Je geringer die Abweichungen zwischen der modelltheoretischen und der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix sind, desto besser bildet das Modell die empirischen Daten ab. 𝑓 Θ

F S, Σ Θ

→ min!

(6.2)

Mit der Differenzierung von manifesten und latenten Variablen lassen sich im Modell eine Mess- und eine Strukturebene unterscheiden. Ein vollständiges Strukturgleichungsmodell umfasst mindestens zwei Messmodelle und insgesamt ein Kausalmodell (vgl. Abbildung 6.1). Das Messmodell fasst die gemessenen Variablen zu einem Konstrukt zusammen und bedient sich dazu der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Das Strukturmodell evaluiert dagegen die Beziehungen zwischen den latenten Variablen auf der Basis multipler Regressionsgleichungen (vgl. auch Hildebrandt 1998; Homburg und Giering 1996). Strukturgleichungsmodelle ermöglichen die simultane Testung der Mess- und Kausalmodelle. Eine Vorabuntersuchung der Messmodelle in einer separaten konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA) erlaubt es, die Validität der eingesetzten Konstrukte vorab zu überprüfen. Im Zuge dessen werden vor

176

Methodik

der Hypothesentestung die eingesetzten Konstrukte in konfirmatorischen Faktorenanalysen (KFA) geschätzt und beurteilt.98 Im zweiten Schritt erfolgt die Testung der kausalen Zusammenhänge und Hypothesen im Rahmen der Strukturgleichungsmodelle. Messmodell der endogenen latenten Variable

Messmodell der exogenen latenten Variable

δ1

x1

δ2

x2

δn

xn

λx1 λx2

ξ

Kausalmodell

ς1

γ11

η

λy1

λxn

λy2 λyn

y1

ε1

y2

ε2

yn

εn

Abbildung 6.1: Strukturgleichungsmodell mit zwei latenten Variablen Quelle: Backhaus et al. (2013): 77; abgewandelte, eigene Darstellung

Die in dieser Arbeit verwendeten Messmodelle sind reflektiv. So beeinflusst das latente Konstrukt die Ausprägungen und Messwerte der manifesten Variablen. Verändert sich das Konstrukt, verändern sich auch die einzelnen Items. Die emotionale Sicherheit des Kindes beeinflusst zum Beispiel, wie selbstsicher es in neuen Situationen agiert, wie emotional ausgeglichen es ist und wie häufig das Kind psychosomatische Symptome zeigt. Die Auswahl der Indikatoren erfolgt in der Weise, dass sie die latente Variable möglichst exakt abbilden bzw. reflektieren. Grundsätzlich sollte die Korrelation zwischen dem Konstrukt und seinen manifesten Variablen hoch sein. Folglich haben die Indikatoren identische Ursachen. Der Zusammenhang zwischen den manifesten Variablen und ihrem latenten Konstrukt wird in der Folge faktorenanalytisch berechnet (konfirmatorische Faktorenanalyse). Das Messmodell wird folgendermaßen ermittelt:

98

Zusätzlich kommen Prüfverfahren der ersten Generation zum Einsatz. Dazu gehören die explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Rotation) und die Reliabilitätsprüfung (Trennschärfe, Cronbach’s Alpha). Mathematische Herleitungen und Erläuterungen bieten Backhaus et al. (2011) und Bortz (1999) zur explorativen Faktorenanalyse und Bortz und Döring (2003) zur Testung der Reliabilität.

Statistisches Analyseverfahren 𝑥 Λ 𝜉 𝛿 (exogenes Messmodell der SGA, Messmodell der KFA) 𝑦 Λ 𝜂 𝜀 (endogenes Messmodell der SGA)

177 (6.3) (6.4)

Die Vektoren der manifesten Variablen werden durch 𝑥 und 𝑦 abgebildet. Die latenten Konstrukte bilden die Vektoren 𝜉 und 𝜂 ab. Die Ladungskoeffizienten erfassen die Matrizen 𝛬 und 𝛬 . Sie zeigen auf, wie stark das Konstrukt die beobachtbaren Items beeinflusst und damit wie groß die gemeinsame Varianz der Indikatoren und ihres latenten Konstruktes ist. Die Vektoren der Fehlerterme stellen 𝛿 und ε dar (Residuen). Für die Messmodelle ist der Erwartungswert der jeweiligen Messfehler Null (𝐸 𝛿 𝐸 𝜀 0 für alle i und j) und die Bedingung gegeben, dass die latenten Variablen und die Messfehler nicht miteinander kovariieren (𝜎 𝜎 𝜎 𝜎 0 für alle i und j). Die Messgleichungen entsprechen formal Regressionsgleichungen, in denen die manifeste Variable die abhängige Variable und die latente Variable die unabhängige Variable bilden. Das Konstrukt und das Residuum werden anhand der Beziehungen im Gesamtmodell mithilfe von Varianzen und Kovarianzen geschätzt. Zur Berechnung des Modells werden die Varianzen der latenten Konstrukte jeweils auf 1.0 fixiert. Damit wird die latente Variable standardisiert. Die Beziehungsqualität besteht aus den Dimensionen Intimität, Wertschätzung, Kommunikation und Zufriedenheit (vgl. Abschnitt 3.2). Sie bildet ein mehrdimensionales Konstrukt auf einem höheren Abstraktionsnivau als unidimensionale Konstrukte.99 Ihr Messmodell wird mithilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse zweiter Ordnung überprüft und empirisch begründet (vgl. Gleichungen 6.5 und 6.6). Der Hintergrund dieses Vorgehens liegt am Abstraktionsniveau der Beziehungsqualität, an den nachfolgend empirisch ermittelten Ergebnissen und der Reduktion der kausalen Komplexität (vgl. auch Albers und Götz 2006: 670). Die , 𝜂 und vier Konstrukte erster Ordnung 𝜂 ä , 𝜂 ä 𝜂 werden durch die manifesten Variablen 𝑦 , 𝑦 , … , 𝑦 operationalisiert. Der Faktor zweiter Ordnung 𝜉 wird durch die latenten Variablen 𝜂 , 𝜂 ,𝜂 operationalisiert. Λ reä , 𝜂 ä präsentiert die Matrix der Ladungskoeffizienten für die Konstrukte erster Ordnung. Γ stellt die Matrix der Ladungskoeffizienten für den Faktor zweiter Ordnung dar. Der Messfehleranteil (Residuen) wird durch 𝜀 (Konstrukt erster Ordnung) und 𝜁 (Konstrukt zweiter Ordnung) beschrieben. 99

Die einzelnen Konstrukte der beiden kindlichen Kompetenzen und fünf Elternkompetenzen werden nicht zu mehrdimensionalen Konstrukten zusammengefasst, um die Wirkzusammenhänge genauer zu erfassen.

178

Methodik 𝑦 Λ 𝜂 𝜀 (Messmodell erster Ordnung der SGA und KFA) 𝜂 Γ𝜉 𝜁 (Messmodell zweiter Ordnung der SGA und KFA)

(6.5) (6.6)

Das Kausalmodell prüft die angenommenen Wirkzusammenhänge zwischen den Konstrukten (vgl. Gleichung 6.7). Dabei wird überprüft, ob eine Beziehung zwischen ihnen besteht. Die Richtung dieses Zusammenhangs muss theoretisch begründet, durch Korrelationen nachgewiesen und unter Hinzunahme von Drittvariablen bestehen bleiben. Das Kausalmodell wird durch folgende Gleichung beschrieben: 𝜂 𝐵𝜂 Γ𝜉 𝜁 (Kausalmodell)

(6.7)

Zur Überprüfung der theoretischen Beziehungen zwischen den latenten Variablen werden auf der Strukturebene regressionsanalytische Verfahren verwendet. Der Vektor 𝜂 auf der linken Seite der Gleichung beschreibt den Vektor, der m latente endogene Variablen enthält, und stellt das abhängige Konstrukt dar. Der Vektor 𝜂 auf der rechten Seite der Gleichung bildet die endogenen Einflussgrößen und enthält m latente endogene Variablen. Der Vektor 𝜉 setzt sich aus n exogenen Variablen zusammen. Die Matrizen 𝐵 und Γ umfassen die Koeffizienten, welche die Zusammenhänge zwischen den latenten Variablen darstellen. Die Beziehungen zwischen den endogenen Konstrukten erfasst 𝐵 und die Effekte der exogenen auf die endogenen Konstrukte symbolisiert Γ. Die Größe von 𝐵 bzw. Γ indiziert die Stärke der spezifischen Abhängigkeitsbeziehung. Die Fehlervarianzen für die abhängigen Konstrukte sind im Vektor 𝜁 mit m Elementen enthalten. Zwei zusätzliche, in dieser Gleichung nicht auftauchenden Kovarianzmatrizen bilden Φ undΨ. Die Matrix Φ stellt die Kovarianzen zwischen den exogenen Konstrukten 𝜉 dar und die Matrix Ψ beinhaltet die Kovarianzen zwischen den Fehlertermen 𝜁 und den endogenen Konstrukten 𝜂 auf der rechten Seite der Gleichung. Pro abhängiges Konstrukt gibt es ein Gleichungssystem, welches die Stärke der Beeinflussung wiedergibt. Zusätzlich können indirekte und totale Effekte ermittelt werden (vgl. Abbildung 6.2). Der direkte Effekt 𝛾 zeigt den direkten Einfluss des unabhängigen Konstrukts 𝜉 ) auf das abhängige Konstrukt 𝜂 auf. Der indirekte Effekt 𝛾 𝛽 bildet den Einfluss eines unabhängigen Konstrukts 𝜉 ) über einen Mediator 𝜂 auf das abhängige Konstrukt 𝜂 . Der totale Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable (𝜉 → 𝜂 ) wird über die Summe ihrer direkten 𝛾 und indirekten Einflüsse 𝛾 𝛽 ermittelt.

Statistisches Analyseverfahren

179 ζ1

ξ1

γ2

η1

ζ2 β1

η2

γ1

Abbildung 6.2: Direkte und indirekte Effekte des Kausalmodells Eigene Darstellung

Mithilfe der aus den Varianz-Kovarianz-Matrizen ermittelten Parameter lassen sich die modellimplizierten Varianzen und Kovarianzen zurückrechnen, sodass durch die Differenz zwischen empirischer und modellimplizierter Informationen eine Beurteilung des Strukturgleichungsmodells möglich ist. Die so ermittelten empirischen und geschätzten Parameter erlauben es, durch eine Differenz der empirischen und modelltheoretischen Varianz-Kovarianz-Matrix 𝑆 Σ das Strukturgleichungsmodell zu beurteilen. Je größer die Differenz ist, desto eher widerlegen die Daten das Modell. Die Diskrepanzfunktion erfolgt nach dem MaximumLikelihood-Verfahren (vgl. Gleichung 6.8). Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Ergebnisse asymptotisch unverzerrt und effizient sind, der Algorithmus konsistente und skalenfreie Schätzer liefert und Standardfehler berechnet werden können. 𝐹

𝑙𝑜𝑔|Σ Θ |

𝑡𝑟 𝑆Σ Θ

𝑙𝑜𝑔|𝑆|

𝑝

𝑞

(6.8)

Θ bildet den Parametervektor. |Σ Θ | ist die Determinante der modelltheoretisch erzeugten Varianz-Kovarianz-Matrix. |𝑆| kennzeichnet die Determinante der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix. Die Voraussetzung für die Schätzung der ML-Funktion ist, dass jeweils beide Determinanten ungleich Null sind. Die Differenz der logarithmierten Determinanten ist Null, wenn Σ Θ und 𝑆 identisch sind. Die Spur einer Matrix 𝑡𝑟 𝑆 ∗ Σ Θ ist die Summe ihrer Diagonalelemente. Je ähnlicher sich 𝑆 und Σ Θ sind, desto mehr nähert sich das Produkt der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix 𝑆 und der inversen modelltheoretischen Varianz-Kovarianz-Matrix Σ Θ einer Einheitsmatrix an.100 Die Anzahl der manifesten Variablen der endogenen Konstrukte beschreibt p, die Anzahl der manifesten Variablen des exogenen Konstrukts gibt q wieder. Ihre Summe bildet damit die Größe der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix. Sind 𝑆 und Σ Θ identisch, sind 𝑡𝑟 𝑆Σ Θ minus 𝑝 𝑞 gleich Null. Die Funktion 𝐹 erreicht den Wert

100

Die inverse Matrix erhält den Exponenten -1 (sie ist vergleichbar mit dem Kehrwert einer Zahl). Zwei Matrizen, deren Produkt bei der Matrizenmultiplikation die Einheitsmatrix ist, sind zueinander invers.

180

Methodik

Null, wenn die empirisch ermittelte und die modelltheoretische Varianz-Kovarianz-Matrix übereinstimmen (𝐹 0, wenn 𝛴 𝛩 𝑆). Das theoretische Modell sagt in diesem Fall exakt die empirischen Daten vorher. ML-Verfahren gehen von einer Normalverteilung aus. Sie implizieren einen kompletten Datensatz ohne fehlende Daten in den manifesten Variablen. Sie sind skaleninvariant und erlauben es anhand der verfügbaren Inferenzstatistik die Güte des jeweiligen Modells zu schätzen. ML-Verfahren erfordern eine Mindestgröße der Stichprobe von über 100 Respondenten.101 Pairfam liefert wie andere PanelStudien unvollständige Datensätze. Treten Fehlwerte bei einzelnen Personen auf, können die daraus resultierenden Selektionseffekte die Ergebnisse verzerren. So können sich zum Beispiel diese Personen von denen ohne Fehlwerte unterscheiden. Lüdtke et al. (2007) fassen die Hintergründe und Probleme fehlender Daten wie folgt zusammen: Informationen können verloren gehen und die Stichprobe könnte zu klein für repräsentative Ergebnisse werden.102 Eine reduzierte Effizienz ist die Folge. Die Untersuchungsmethodik erfordert vollständige Daten für die Parameterschätzung und die Einschätzung der Messqualität (Gütekriterien der Modelle). Werden die Personen mit unvollständigen Daten ausgeschlossen (Fallausschluss), könnten die Parameterschätzungen aufgrund einer möglichen Verzerrung nur eingeschränkte Gültigkeit besitzen. Lüdtke et al. (2007) unterscheiden bei fehlenden Daten zwischen vollständig zufällig zustande gekommenen Daten (MCAR; Missing Completely at Random), zufällig auftretenden fehlenden Daten (MAR; Missing at Random) und nicht zufällig auftretenden fehlenden Werte (MNAR; Missing Not at Random). Die Ergebnisse des Little-Tests verweisen darauf, dass die fehlenden Daten am ehesten zufällig zustande gekommen sind (MAR) (vgl. Tabelle A.1 im Anhang).103 Die Literatur lehnt unter diesen Voraussetzungen einen fallweisen Ausschluss ab, um eine Ergebnisverzerrung zu vermeiden. Die konfirmatorische Faktorenanalyse und die Strukturgleichungsmodellierung werden in der Folge mit einem FIML-Verfahren durchgeführt. Da die Daten

101

Die Literatur empfiehlt teilweise eine Stichprobe von mindestens N = 200 (vgl. u. a. Schumacker und Lomax 2010). Dieser Faktor wiegt schwer aufgrund der vorliegenden Stichprobengröße (N = 263). 103 Die beiden letztgenannten Kategorien fehlender Werte (MAR und MNAR) können bei einem einfachen Fallausschluss zu Ergebnisverzerrungen führen. Welche Kategorie vorliegt, evaluiert der MCAR-Test von Little. Dieser Test überprüft die Zufälligkeit fehlender Werte (MCAR-Kriterium) durch einen Mittelwertvergleich der beiden Gruppen „fehlende Werte“ und „keine fehlenden Werte“. Eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit (p > .10) zeigt die Erfüllung des MCAR-Kriteriums an. Eine Ausführung des Verfahrens liefern unter anderem Little (1988) und Urban et al. (2016). Ein 5 %-Fehlwert bildet den in der Literatur noch aktzeptable Grenzwert, bei dem ein fallweiser Ausschluss empfohlen wird. Nähere Informationen liefern unter anderem Graham (2003) und Lüdtke et al. (2007). 102

Statistisches Analyseverfahren

181

zudem multivariat nicht normal verteilt werden (nähere Ausführungen in Abschnitt 7.3), wird zusätzlich auf die MLR-Korrektur des lavaan-Package zurückgegriffen (vgl. Roessel 2012). Ansonsten könnten die Standardfehler und C. R.Werte verzerrt werden. Die MLR-Korrektur liefert robuste Schätzungen der Standardfehler nach Huber-White und eine Korrektur der χ2-Statistik nach Yuan und Bentler.104

6.3.2 Gütekriterien Die generelle Eignung der Daten bzw. des eingesetzten Verfahrens bedarf einer Testung der uni- und multivariaten Normalverteilung.105 Diese Überprüfung ist erforderlich, um bei einer Verletzung der multivariaten Normalverteilung überoder unterschätzte globale Gütekriterien wie des χ2-Tests und der Testverfahren, welche auf ihm beruhen, zu vermeiden. Ist eine multivariate Normalverteilung nicht gegeben, bedarf es eines entsprechenden Korrekturverfahrens. In der ersten Voranalyse liegen die Items in kategorialer, nicht gewichteter Form vor. Sie werden in ihrer univariaten Normalverteilung evaluiert. Schiefe und Kurtosis überprüfen die univariate Normalverteilung jedes einzelnen Items. Der Mardia-Test, der Henze-Zirkler Test und der Royston-Test prüfen die multivariate Normalverteilung für die eingesetzten Items der vier endgültigen Modelle.106 Je ausgeprägter Schiefe oder Wölbung ausfallen, desto größer sind die jeweiligen Zahlenwerte. Die Literatur nennt unterschiedliche Grenzwerte für die beiden Maße. Eine konservative Sichtweise limitiert sie jeweils auf | 1|. Diese Arbeit verwendet die von West et al. (1995) festgesetzten Grenzwerte von | 2| bei der Schiefe und von | 7| bei der Kurtosis (vgl. Weiber und Mühlhaus 2014: 180). Die multivariate Normalverteilung wird anhand verschiedener Testverfahren überprüft. Dieses Verfahren ist notwendig, da „keiner der bekannten Tests auf alle möglichen Abweichungen von einer multivariaten Normalverteilung gleich gut anspricht“ (Bortz 1999: 435). Der Mardia-Test überprüft die multivariate Schiefe und Kurtosis (vgl. Mardia 1970, 1974). Der Henze-Zirkler Test misst den Abstand zwischen 104

Genauere Informationen zum eingesetzten Verfahren liefert Yves Roessel unter http://users.ugent.be/ ~yrosseel/lavaan/utrecht2010.pdf, Zugegriffen: 19.11.2017. Nähere Ausführungen dazu liefern unter anderem Bollen (1989); Reinecke (2005) sowie Weiber und Mühlhaus (2014). Einen Vergleich der unterschiedlichen Testverfahren zur multivariaten Normalverteilung bieten unter anderem Farrell et al. (2007) sowie Mecklin und Mundfrom (2005). 106 Die endgültigen Kommunikationsmodelle bzw. Modelle zur autoritativen Erziehung schließen jeweils die Attribution mit ein. Darunter fallen die entsprechenden Modelle mit jeweils einmal der emotionalen Sicherheit und einmal dem prosozialen Verhalten als abhängiges Konstrukt (vgl. Abschnitt 5.1.4). 105

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Methodik

zwei Verteilungsfunktionen (vgl. Henze und Zirkler 1990). Der Royston-Test verbessert den Shapiro-Wilk-Test, sodass dieser auch für kleinere Stichproben einsetzbar ist (vgl. Farrell et al. 2007; Royston 1982, 1995). Die Annahme einer multivariaten Normalverteilung wird abgelehnt, wenn die eingesetzten Testverfahren mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant ausfallen. Die Messqualität der Strukturgleichungsmodelle wird durch Kriterien der Reliabilität und Validität beurteilt (vgl. Homburg und Hildebrandt 1998: 24f.). Beide werden mit lokalen und globalen Anpassungsmaßen überprüft. Gemäß der Literatur empfiehlt sich der Einsatz mehrerer, auf unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien beruhenden Teststatistiken und Gütemaßen für die Gesamtbeurteilung des jeweiligen Mess- bzw. Kausalmodells. Ferner ist es empfehlenswert, die Struktur der einzelnen Messmodelle vorab mit Gütekriterien der ersten und zweiten Generation zu testen. Das bedeutet auf lokaler Ebene den Einsatz der explorativen Faktorenanalyse und der Reliabilitätsanalyse (Gütekriterien erster Generation) und der konfirmatorischen Faktorenanalyse (Gütekriterien der zweiten Generation). Die lokalen Anpassungsmaße der zweiten Generation beurteilen stets nur einen Teil des Gesamtmodells. Globale Gütekriterien der zweiten Generation beziehen sich auf das gesamte Strukturgleichungsmodell (bzw. auf die konfirmatorische Faktorenanalyse) und erlauben eine generelle Aussage über seine Reliabilität und Validität. Sie vergleichen die empirisch ermittelte Varianz-Kovarianz-Matrix S mit der theoretisch abgeleiteten Varianz-Kovarianz-Matrix Σ. Tabelle 6.4 stellt die in dieser Arbeit eingesetzten lokalen und globalen Gütekriterien mit ihren Schwellenwerten vor. Gütekriterien der ersten Generation Die Trennschärfe misst auf Itemebene die Reliabilität. Sie vermittelt einen Eindruck über den Zusammenhang einer Variablen mit den restlichen Items des vorgesehenen Konstrukts und prüft deren Eignung. Dazu wird die Korrelation der Variablen mit dem Gesamtwert der restlichen Items des Konstrukts angegeben (korrigierte Item-to-Skala-Korrelation). Ihr Grenzwert liegt üblicherweise bei ≥ .50 (vgl. Bortz und Döring 2003: 219; Weiber und Mühlhaus 2014: 139). Alle Items mit einer Trennschärfe von < .30 benötigen einer Überarbeitung der Skala, zum Beispiel durch das Streichen der betroffenen Items (vgl. Bortz und Döring 2003: 219). Die interne Konsistenz des vorgesehenen Konstrukts wird über Cronbach’s α bzw. bei Second-Order-Modellen über ω ermittelt. Der Grenzwert hängt davon ab, ob zwei Items oder mindestens drei Items das Konstrukt repräsentieren. In Anlehnung an die Meta-Studie von Peterson (1994) werden folgende Grenzwerte festgesetzt: Hat das Konstrukt zwei Items, liegt der Grenzwert bei α ≥ .60. Bei mindestens drei Variablen liegt der Grenzwert bei α ≥ .70. Es wird jeweils

Statistisches Analyseverfahren

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Cronbach’s Alpha für die standardisierten Items angegeben. Im Gegensatz zum Messmodell der konfirmatorischen Faktorenanalyse bzw. des Strukturgleichungsmodells prüft die explorative Faktorenanalyse die korrelative Struktur der einzelnen Items eines Konstrukts, ohne bereits eine Struktur vorauszusetzen. Das KMO prüft im Rahmen der explorativen Faktorenanalyse die Korrelationsmatrix der Variablen und zeigt das Ausmaß an, inwieweit die Indikatoren zusammengehören (vgl. Backhaus et al. 2011: 342f.). Die Höhe der Faktorladung einer Variablen impliziert, in welchem Ausmaß das Item mit dem übergeordneten Konstrukt korreliert. Die durchschnittlich erfasste Varianz DEV der explorativen Faktorenanalyse zeigt die Aufklärungsrate des Faktors an. Lokale Gütekriterien der zweiten Generation Die Güte des Messmodells wird anhand lokaler Anpassungsmaße wie Indikatorreliabilität, Faktorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) beim jeweiligen Messmodell vorgestellt.107 Alle genannten Maße haben eine Spannweite von Null bis Eins. Die Indikatorreliabilität beschreibt den Anteil der Varianz eines Indikators xi, welcher durch das Konstrukt 𝜉 erklärt wird. Der durch das Konstrukt nicht aufgeklärte Anteil bildet den Messfehler 𝛿 (vgl. Homburg und Baumgartner 1998: 360; Homburg und Giering 1998: 124). Eine zu starke Orientierung an diesem Index kann die Inhaltsvalidität gefährden (vgl. Simulationsstudie von Little et al. 1999). Die Faktorreliabilität FR(𝜉 ) zeigt die über die Gesamtheit der Indikatoren ermittelte Messqualität des Konstrukts an (vgl. Weiber und Mühlhaus 2014: 151f.). Die Summation erfolgt, wie bei der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV), über alle dem Konstrukt zugehörigen Indikatoren (vgl. Homburg und Baumgartner 1998: 361). Die durchschnittlich erfasste Varianz DEV 𝜉 gibt den im Mittel erklärten Prozentsatz der Streuung des Konstrukts über die Indikatoren an (vgl. Weiber und Mühlhaus 2014: 152). Das FornellLarcker-Kriterium evaluiert zusätzlich die Diskriminanzvalidität durch einen Vergleich der quadrierten Faktorkorrelationen r2 mit der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV). Es ist erfüllt, wenn r2 kleiner als die DEV ist.

107

Die Methoden zur ersten Generation weisen mehrere Schwächen auf, wie Homburg und Giering (1996) zusammenfassen. Deshalb prüft die konfirmatorische Faktorenanalyse als bewährte Methode die Messmodelle zusätzlich.

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Methodik

Tabelle 6.4: Gütekriterien108 Prüfkriterium Gütemaß Cut-Off-Werte Gütekriterien der ersten Generation Reliabilität Trennschärfe (korrigierte Item-Skala≥ 0.5 (Indikatorebene) Korrelation) Reliabilität Cronbach’s Alpha α ≥ 0.7 bei ≥ 3 Items (Konstruktebene) ≥ 0.6 bei 2 Items Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium (KMO) ≥ 0.5 Konvergenzvalidität Faktorladungen ≥ 0.4 (Indikatorebene) Konvergenzvalidität Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) des ≥ 0.5 (Konstruktebene) einzelnen Konstrukts Lokale Gütekriterien der zweiten Generation Konvergenzvalidität Indikatorreliabilität ≥ 0.4 (Indikatorebene) Konvergenzvalidität ≥ 0.6 Faktorreliabilität 𝐹𝑅 𝜉 (Konstruktebene) ≥ 0.5 Durchschnittlich erfasste Varianz 𝐷𝐸𝑉 𝜉 Diskriminanzvalidität Fornell-Larcker-Kriterium r2 < DEV Inhaltsvalidität109 Inhaltlich präzise Erfassung des Konstrukts durch die ausgewählten Items Nomologische Validität Übereinstimmungsgrad zwischen den theoretisch abgeleiteten Konstrukten und den Ergebnissen der empirischen Analyse Kriteriumsvalidität Eine Beurteilung der Kriteriumsvalidität kann aufgrund eines fehlenden Außenkriteriums nicht erfolgen. Globale Gütekriterien der zweiten Generation Inferenzstatistische χ2-Test n. s. (nicht signifikant) Anpassungsmaße Root Mean Square Error auf Approximation ≤ 0.08; ideal ≤ 0.05 (RMSEA) ≥ 0.9 Inkrementelle Anpassungs- Comparative Fit Index (CFI) maße Tucker Lewis Index (TLI) ≥ 0.9 Deskriptive AnpassungsStandardized Root Mean Square Residual ≤ 0.1; ideal ≤ 0.05 maße (SRMR) Goodness of Fit-Index (GFI) ≥ 0.9 Adjusted Goodness of Fit-Index (AGFI) ≥ 0.9 Nomologische Validität Übereinstimmungsgrad zwischen den theoretisch abgeleiteten Hypothesen und den Ergebnissen der empirischen Analyse Eigene Darstellung

108

Die Cut-Off-Werte der einzelnen Gütekriterien orientieren sich an den zusammenfassenden Darstellungen von Backhaus et al. (2011): 32; Backhaus et al. (2013): 89-94, 141; Homburg und Baumgartner (1998): 354-358, 363 und Weiber und Mühlhaus (2014): 149-151, 201-223. 109 Die Inhaltsvalidität gilt als gegeben, da die eingesetzten Konstrukte auf validen Messinstrumenten basieren.

Statistisches Analyseverfahren

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Globale Gütekriterien der zweiten Generation Wie genau sich das Modell den Daten anpasst, zeigen globale Anpassungsmaße aus unterschiedlichen Perspektiven an. Die Anwendung mehrerer Gütekriterien ist erforderlich, da es kein ideales globales Anpassungsmaß gibt. So werden sie entweder durch die Stichprobengröße, die Modellkomplexität oder die Korrelationen zwischen den Variablen beeinflusst. Eine Verletzung der erforderlichen Grenzwerte von mehreren Gütemaßen hat die Diskussion einer Modifikation des Gesamtmodells zur Folge. Diese Arbeit greift auf folgende Gütekriterien zurück: Inferenzstatistische Gütemaße beurteilen das Strukturgleichungsmodell mit einem statistischen Test (vgl. Homburg und Baumgartner 1998: 352f.). Der 𝜒 Test und der RMSEA werden in dieser Arbeit verwendet. Der 𝜒 -Test untersucht die exakte Übereinstimmung des Modells zu den vorliegenden Daten. Er benötigt die aus der ML-Funktion ermittelte Differenz zwischen den modelltheoretischen (Ʃ) und empirisch ermittelten Varianz-Kovarianz-Matrizen (S), welche gewichtet und zu dem Wert 𝐹 zusammengefasst wird. Ein kleinerer F-Wert geht mit einer größeren Passung des Modells zu den Daten einher. Eine Multiplikation von 𝐹 mit 𝑁 1 ergibt den 𝜒 -Wert. Die 𝜒 -Teststatistik ist vom Stichprobenumfang abhängig. Bei großen Stichproben wird ein zu geringer Wahrscheinlichkeitswert angegeben (vgl. Reinecke 2005: 54f.). Ist der 𝜒 -Wert signifikant, weicht 𝛴 von 𝑆 signifikant ab und das Modell muss unter Umständen verworfen werden. Der 𝜒 Wert wird mit Ausnahme des SRMR bei der Berechnung aller anderen Gütekriterien verwendet. Der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) beurteilt die Approximation des Modells an die empirischen Daten. Der 𝜒 -Wert bildet die Diskrepanzfunktion. Die Freiheitsgrade des Modells dienen der Erfassung der Modellkomplexität. Der RMSEA sollte nicht größer als 0.08 sein. Von einem idealen Fit wird bei Werten kleiner als 0.05 gesprochen. Dieses Gütemaß wird von der Größe der Stichprobe beeinflusst. Die relativen Fit-Indizes Comparative Fit Index (CFI) und Tucker Lewis Index (TLI) überprüfen als inkrementelle Gütemaße die Kriteriumsvalidität. Sie vergleichen das empirisch ermittelte Modell mit einem Basismodell (auch Null- oder unabhängiges Modell genannt). Das Basismodell besitzt keine inhaltliche Plausibilität und geht von der Annahme aus, dass alle Indikatoren im Modell unabhängig voneinander sind (vgl. Homburg und Baumgartner 1998: 359). Ihre Maße bedürfen eines Wertes von mindestens 0.9. Sie bringen Vor- und Nachteile mit sich (vgl. Kenny 2015): Der TLI beachtet die Freiheitsgrade. Die Modellkomplexität bleibt unberücksichtigt, wenn sich das Verhältnis von 𝜒 ⁄𝑑𝑓 nicht verändert. Weiterhin beeinflusst die Höhe der durchschnittlichen Korrelation zwischen den Variablen den TLI positiv. Der CFI berücksichtigt die Modellkomplexität und die Freiheitsgrade. Die Höhe der durchschnittlichen Korrelation zwischen den Variablen wirkt

186

Methodik

sich auf ihn ebenfalls positiv aus. Im Gegensatz zum TLI ist der CFI normiert und kann keine Werte > 1.0 annehmen. Der TLI kann dies dagegen schon. Der Standardized Root Mean Square Residual (SRMR) hat sich in der Literatur als deskriptives Gütekriterium durchgesetzt. Er betrachtet die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen den einzelnen Elementen der empirischen und der geschätzten Varianz-Kovarianz-Matrix (Residuen). Diese wird um das Produkt der Varianzen der Variablen 𝑖 und 𝑗 bereinigt und mit der Anzahl der Indikatoren in Verbindung gesetzt. Sein Wert sollte maximal bei 0.1 liegen. Von einer guten Modellanpassung wird bei Werten kleiner 0.05 gesprochen. Die beiden deskriptiven Gütemaße Goodness of Fit-Index (GFI) und Adjusted Goodness of FitIndex (AGFI) beurteilen die Ähnlichkeit der beiden Matrizen 𝑆 und 𝛴, indem der durch die modelltheoretische Varianz-Kovarianz-Matrix 𝛴 aufgeklärte Varianzanteil in der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix 𝑆 gemessen wird (vgl. Homburg und Baumgartner 1998: 359; Reinecke 2005: 121). Der GFI wird von der Modellkomplexität, nicht aber von der Stichprobengröße beeinflusst. Der AGFI „korrigiert den GFI um die Freiheitsgrade des Modells“ (vgl. Reinecke 2005: 121). Werte von mindestens 0.9 sprechen bei beiden Gütekriterien für einen guten Modellfit. Beide Gütekriterien werden vom Stichprobenumfang beeinflusst. In der Literatur wird die begrenzte Aussagekraft von GFI und AGFI kritisiert (vgl. u. a. Homburg und Baumgartner 1998; Kenny 2015), weshalb sie allein der Vollständigkeit halber erwähnt und in den Ergebnissen aufgeführt werden.

6.3.3 Gruppenvergleich Diese Arbeit prüft, ob die angenommenen Wirkzusammenhänge für die Gruppe der leiblichen und die Gruppe der sozialen Eltern gleichermaßen gültig sind (vgl. Hypothese H4 in Abschnitt 5.2). Im Zuge dessen werden für beide Gruppen simultan erfolgende Strukturgleichungsanalysen durchgeführt (ML-Schätzer mit FIMLVerfahren und MLR-Korrektur; vgl. Abschnitt 6.3.1). Bevor die Gruppenvergleiche erfolgen können, bedarf es einer Testung der Messinvarianz (vgl. Steenkamp und Baumgartner 1998: 80f.; Temme und Hildebrandt 2008:10; 15ff.; Weiber und Mühlhaus 2014: 299-301): Die Struktur der einzelnen Konstrukte sollte sich zwischen den beiden Gruppen nicht unterscheiden. Die konfigurale, metrische und skalare Messinvarianz prüfen jeweils die Äquivalenz der Konstrukte. Diese bauen sukzessive aufeinander auf. Jede nachfolgende Invarianz ist restriktiver als die vorangegangene und erfüllt bereits deren Voraussetzungen. Tabelle 6.5 zeigt die Möglichkeiten einer erfüllten Messinvarianz, ihre Voraussetzungen und das Testverfahren auf.

Statistisches Analyseverfahren

187

Tabelle 6.5: Messinvarianzen: Voraussetzungen und Überprüfungsmethode110 Messinvarianz Voraussetzungen für beide Überprüfungsmethode Gruppen Konfigurale Invarianz (MK)  Einhaltung der Mindestanforde-  Modell MK: Gleiches Muster (Mindestvoraussetzung für fixierter und freier Parameter rungen der Gütemaße Gruppenvergleich) für beide Gruppen  Konstrukte mit identischen  Zusätzlich: saturiertes Modell Dimensionen für den Vergleich der  Hohe, signifikant von Null verbeobachteten Mittelwerte schiedene Faktorladungen (λij), (Mittelwerte der latenten welche unterschiedlich ausfalVariablen werden auf Null len können fixiert, manifeste Variablen  Erfüllte Diskriminanzvalidität werden frei geschätzt) Metrische Invarianz (MM)  Modell MK mit restringierter  Identische Stärke des Zusam(Vergleich der Wirkzusam(fixierter) Faktorladung (λij) 𝜆 ) menhangs (𝜆 menhänge der Konstrukte  Vergleich der Gütemaße von zwischen Konstrukt und Messzwischen den Gruppen MM mit dem Modell MK variable für beide Gruppen möglich)  Gleiche inhaltliche Bedeutung der Konstrukte über die Gruppen hinweg  Reproduktion der VarianzKovarianz-Matrix möglich  keine signifikante Verschlechterung der Gütekriterien gegenüber MK S Skalare Invarianz (M )  Identische Konstanten (Inter Modell MM mit fixierten Inter(zusätzlich: Mittelwertvercepts) der Messvariablen cepts (𝜏 ) gleiche der Konstrukte und  Vergleich der Gütemaße von 𝜏 ) (𝜏 der Indikatoren zwischen MS mit dem Modell MM  Reproduktion der Indikatorden Gruppen möglich) mittelwerte möglich  Keine signifikante Verschlechterung der Gütekriterien gegenüber MM Quellen: Steenkamp und Baumgartner (1998): 80f.; Temme und Hildebrandt (2008):10; 15ff.; Weiber und Mühlhaus (2014): 299-301; eigene Darstellung

Wie in der Literatur üblich, werden jeweils der 𝜒 -Test, der CFI und der RMSEA für die einzelnen Restriktionen miteinander verglichen. Die Gütemaße dürfen sich gegenüber dem vorhergehenden, weniger restriktiven Modell nur marginal verschlechtern. Diese Analyse ermöglicht Rückschlüsse darauf, ob die unterschiedlichen Ausprägungen der manifesten Variablen auf die Gruppenzugehörigkeit oder die Konstrukte an sich zurückzuführen sind. Als Gruppierungsvariable wird die

110

Die strengste Restriktion, die Messfehler-Invarianz, wird in dieser Arbeit nicht benötigt. Deshalb wird nicht genauer darauf eingegangen. Nähere Informationen dazu liefern zum Beispiel Weiber und Mühlhaus (2014): 301f.

188

Methodik

Elternschaft verwendet. Besteht skalare Messinvarianz, kann mithilfe einer simultanen Schätzung beider Gruppen die Gültigkeit der Wirkzusammenhänge für beide Gruppen ermittelt werden. Dabei können die Intercepts und Faktorladungen fixiert werden. 6.3.4 Prozedere Die Datenaufbereitung erfolgt mit SPSS 25.0. Die Beschreibung der Stichprobe (Abschnitt 7.1) und die deskriptive Analyse (Abschnitt 7.2) werden jeweils mit gewichteten, kategorialen Daten in SPSS 25.0 durchgeführt. Dabei kommt der Gewichtungsfaktor post-stratification weight zum Einsatz (vgl. Abschnitt 6.1). Bei der Überprüfung der Messmodelle dienen eine deskriptive Analyse und eine Testung der Gütekriterien der ersten Generation mit SPSS 25.0 dazu, die Eignung der einzelnen Items für das jeweilige Konstrukt zu überprüfen (jeweils mit ungewichteten, z-standardisierten Werten; Abschnitt 7.3). Die KFA und die SGA werden mit ungewichteten, z-standardisierten Daten mithilfe des Programms R Gnu 3.2.5 durchgeführt (verwendete packages: lavaan von Roessel 2012, semPlot von Epskamp 2013). Bei den eingesetzten multivariaten Verfahren wird ein direkter ML (Full Information Maximum Likelihood, FIML) mit einer MLR-Korrektur eingesetzt, welcher effiziente Schätzer und korrekte Standardfehler liefert (vgl. BaltesGötz 2013; Lüdtke et al. 2007). Die in den konfirmatorischen Faktorenanalysen und Strukturgleichungsanalysen angegebenen Pfad- und Ladungskoeffizienten bilden jeweils die standardisierten Werte ab. Die Messmodelle der KFA werden jeweils tabellarisch dargestellt. Die Kausalmodelle der SGA werden grafisch und die dazugehörigen indirekten bzw. totalen Effekte tabellarisch vorgestellt. Dieses Vorgehen dient der besseren Übersichtlichkeit. Es werden jeweils die standardisierten Koeffizienten dargestellt. Das Ziel ist nicht nur, die Einflüsse der Beziehungsqualität und der Mediatoren auf die kindlichen Kompetenzbereiche zu untersuchen. Ein möglichst schlankes Modell ist erforderlich, da mit zunehmender Komplexität von Modellen die Gefahr eines Overfittings111 steigt und die globalen Anpassungsmaße schlechter ausfallen können. Auch muss die inhaltliche Schlüssigkeit im Vordergrund stehen.

111

Overfitting bedeutet, dass das Modell gut zum vorliegenden Datensatz passt, aber schwierig auf andere Daten übertragbar ist. Nähere Informationen dazu bieten unter anderem Arzheimer (2016) sowie Weiber und Mühlhaus (2014).

7

Ergebnisse

Dieses Kapitel stellt die Ergebnisse der empirischen Analysen dar. Zuerst werden die Stichprobe (7.1) und die eingesetzten Items deskriptiv dargelegt (7.2). Anschließend werden die Struktur und die Validität der zum Einsatz kommenden Messmodelle überprüft (7.3). Der nächste Abschnitt beschreibt und interpretiert die Ergebnisse der Kausalanalyse zum direkten und indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes (7.4). Die Bedeutung soziodemografischer Merkmale als mögliche Hintergrundfaktoren wird zusätzlich evaluiert. Danach werden die Modelle für einen Vergleich der Elternschaften herangezogen (7.5). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Hinweis auf die Grenzen der Untersuchung schließen dieses Kapitel ab (7.6). 7.1

Stichprobe

Stieffamilienhaushalte Zuerst werden die Stieffamilien auf Haushaltsebene vorgestellt (N = 116). Die Haushaltsebene stellt die Stieffamilien mit Anker, Partner und Kind als einen gemeinsamen Fall dar. 28.4 % der Stieffamilien leben in Ost- und 71.6 % in Westdeutschland. Im Vergleich zu den im Mikrozensus (2012) erfassten Kernfamilien treten Stieffamilien überproportional häufig in Ostdeutschland auf (vgl. Tabelle A.2 im Anhang). Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Schätzungen zu Stieffamilien überein (vgl. Abschnitt 2.2). Innerhalb der Untersuchungsgruppe stellen die Stiefvaterfamilien mit 87.4 % eine deutliche Mehrheit. Die Stiefmutterfamilien (7.6 %) und die zusammengesetzten Stieffamilien (5.1 %) bilden jeweils eine Minderheit. Damit sind Stiefvaterfamilien im Vergleich zu anderen Studien überrepräsentiert (vgl. Abschnitt 2.2). Die Stieffamilien gehören mehrheitlich zu den gefestigten Stieffamilien, mit einer Beziehungsdauer von 𝑥̅ = 8.4 Jahren, einer mittleren Kohabitationsdauer von 7.7 Jahren und – sofern sie verheiratet sind – mit einer

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_7

190

Ergebnisse

durchschnittlichen Ehedauer von 7.5 Jahren.112 Die Beziehungsmuster unterscheiden sich nach Familienstand der Paare bzw. zwischen einfachen und komplexen Stieffamilien (vgl. Tabelle 7.1). 67.1 % der Paare sind verheiratet und 32.9 % leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Ehequote liegt höher als bei den Schätzungen des DJIFamiliensurvey (62 %) und niedriger als die Berechnungen im AID:A (75 %; vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013; Teubner 2002c). Wie in den beiden genannten Surveys sind in dieser Untersuchungsgruppe die Stieffamilien in Westdeutschland häufiger verheiratet als in Ostdeutschland (71.9 % gegenüber 55.2 %, vgl. Tabelle A.2 im Anhang).113 Der Trend ist mit Kernfamilien prinzipiell vergleichbar, da auch hier westdeutsche Paare mit Kindern häufiger verheiratet sind als ostdeutsche Paare mit Kindern. Jedoch sind die Ehequoten in beiden Regionen bei Kernfamilien deutlich höher (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 51).114 Verheiratete Paare der Untersuchungsgruppe führen im Mittel eine längere Partnerschaft und Kohabitation als die ermittelten Paare in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Sie gehören häufiger zu den gefestigten Stieffamilien als die erfassten nichtehelichen Lebensgemeinschaften (77.9 % gegenüber 28.8 %). Unter den verheirateten Paaren bilden die nicht gefestigten Stieffamilien und die teilweise gefestigten Stieffamilien jeweils eine Minderheit. Bei den nichtehelichen Lebensgemeinschaften dreht sich dieses Verhältnis um. Mit zunehmender Dauer der Partnerschaft und Kohabitation sind die Paare der untersuchten Stieffamilien eher verheiratet. Fast zwei Drittel der Paare (65.2 %) haben gemeinsame Kinder (einfache Stieffamilien: 34.8 %).115 Die Partnerschafts-, Kohabitations- und Ehedauer komplexer Stieffamilien ist durchschnittlich länger als die von einfachen Stieffamilien. Ferner sind die Paare mit gemeinsamen Kindern häufiger verheiratet (76.0 % der komplexen Stieffamilien gegenüber 49.0 % der einfachen Stieffamilien). Der Festigungsgrad anhand der Kohabitationsdauer unterscheidet sich folglich zwischen 112

Noch nicht gefestigte Stieffamilien existieren noch keine drei Jahre. Teilweise gefestigte Stieffamilien leben seit drei bis unter fünf Jahren zusammen. Gefestigte Stieffamilien bilden seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt (vgl. Abschnitt 2.4.2; Bray und Kelly 1999, c1998; Hetherington 1991; Walper et al. 2009). 113 Laut dem DJI-Familiensurvey zu Stieffamilien sind 65 % der Paare in West- und 57 % in Ostdeutschland verheiratet. Im AID:A belaufen sich die Ehequoten bei Stieffamilien auf 78 % der Paare in West- und 62 % in Ostdeutschland (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013; Teubner 2002c). 114 93.0 % der westdeutschen Kernfamilien sind verheiratet und 7.0 % der westdeutschen Kernfamilien leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Bei den ostdeutschen Kernfamilien liegt die Ehequote bei 79.1 %. Die restlichen 20.9 % befinden sich in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (eigene Berechnungen für das Jahr 2011, Statistisches Bundesamt 2013: 51). 115 Im Generations and Gender Survey (GGS) ist dieses Verhältnis umgekehrt. Dort wurden zwei Drittel einfache Stieffamilien ermittelt (vgl. Steinbach 2008: 166).

Stichprobe

191

den einfachen und komplexen Stieffamilien. Einfache Stieffamilien existieren zu 63.4 % noch keine fünf Jahre. Komplexe Stieffamilien gehören häufiger den gefestigten Stieffamilien an als einfache Stieffamilien. Die Entscheidung für gemeinsame Kinder scheint, ähnlich wie der Ehestatus, mit dem Festigungsgrad der Stieffamilie dahingehend zusammenzuhängen, dass mit zunehmender Partnerschaftsund Kohabitationsdauer häufiger gemeinsame Kinder vorhanden sind. Tabelle 7.1: Beziehungsmuster der Stieffamilienhaushalte Gemeinsame Kinder Beziehungsstatus Gesamt ja nein Ehe NEL Kohabitation (Angabe in gültige Prozent) Mindestens 5 Jahre 72.6 36.5 77.9 28.8 60.1 3-5 Jahre 12.0 20.0 11.2 23.5 14.8 Unter 3 Jahre 15.3 43.4 10.9 47.6 25.1 Beziehungsstand (Angabe in gültige Prozent) Verheiratet 76.0 49.0 100.0 67.1 Nichteheliche Lebensgemeinschaft 24.0 51.0 100.0 32.9 Dauer (𝑥̅ ) Beziehungsdauer in Jahren 9.70 5.87 9.94 5.77 8.36 Kohabitationsdauer in Jahren 9.21 4.84 9.48 4.62 7.69 Ehedauer in Jahren116 8.21 5.35 7.52 7.52 N 76 37-40 75-76 37 113-116 Anmerkung: NEL = nichteheliche Lebensgemeinschaften; 𝑥̅ = Mittelwert; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Hat das Paar neben den Stiefkindern auch gemeinsame Kinder, sind sie häufiger verheiratet als einfache Stieffamilien. Die Haushalte, welchen verheiratete Paare vorstehen, sind in der Folge verhältnismäßig größer als diejenigen mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften. So weisen Erstere im Durchschnitt 2.75 Kinder auf (darunter 𝑥̅ = 1.23 gemeinsame Kinder) und Zweitere haben 2.11 Kinder im Mittel (darunter 𝑥̅ = 0.54 gemeinsame Kinder). Komplexe Stieffamilien sind mit durchschnittlich 2.93 Kindern kinderreicher als einfache Stieffamilien mit 𝑥̅ = 1.81 Kindern (vgl. Tabelle A.3 im Anhang). Die mittlere Kinderzahl aller Stieffamilien übertrifft mit 2.54 Kindern den bundesweiten Durchschnitt (Zensus 2011: 𝑥̅ = 1.6 Kinder; vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik 2015: 31). In 13.6 % aller Stieffamilienhaushalte lebt ein Kind, in 39.9 % gibt es zwei Kinder, in 32.4 % sind drei Kinder, in 7.0 % leben vier Kinder und in 7.1 % sind mindestens fünf Kinder vorhanden. Die Ergebnisse können nur bedingt mit anderen Schätzungen verglichen werden: Im AID:A lebt bei 44 % der Stieffamilien ein Kind, 38 % dieser Familien haben zwei Kinder und 18 % haben mindestens drei Kinder (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013: 12). Die Kinderzahl in 116

Die Angabe zur Ehedauer in Jahren bezieht sich jeweils auf die verheirateten Paare.

192

Ergebnisse

der hier vorliegenden Untersuchungsgruppe übertrifft damit die Werte des AID:A. In westdeutschen Stieffamilien leben mit durchschnittlich 2.64 Kindern mehr Kinder als in ostdeutschen Stieffamilien (𝑥̅ = 2.30). Im DJI-Familiensurvey liegt die mittlere Kinderzahl mit 1.7 Kindern in westdeutschen Stieffamilien minimal unter den Werten der ostdeutschen Stieffamilien mit durchschnittlich 1.8 Kindern (vgl. Teubner 2002a: 86). Das monatliche mittlere Haushaltsnettoeinkommen aller Stieffamilien umfasst 3 181 € (Median: 2 800 €). Das Nettoäquivalenzeinkommen erreicht im Durchschnitt 1 560 € (Median: 1 376 €). Liegt eine komplexe Stieffamilie vor, ist das verfügbare Nettoäquivalenzeinkommen mit einem Median von 1 306 € niedriger als bei einer einfachen Stieffamilie (Median: 1 440 €). Diese Unterschiede sind beim DJI-Familiensurvey noch ausgeprägter vorzufinden (vgl. Teubner 2002a: 91). Zwischen den verheirateten Paaren und denen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften treten beim Nettoäquivalenzeinkommen nur marginale Unterschiede auf. Die ermittelten Stieffamilien sind insgesamt finanziell besser gestellt als die Alleinerziehenden in Deutschland (Median: 1 074 €). Sie können jedoch die Einkommensverhältnisse der in Deutschland wohnhaften Paare mit Kindern nicht erreichen (Median: 1 576 €; vgl. Tabelle A.4 im Anhang).117 Merkmale der Bezugskinder Das Bezugskind bildet das Kind innerhalb der Familie, auf das sich die Fragen im Erziehungsfragebogen beziehen. Die Klassifikation in Kinder und Jugendliche findet sich in Abschnitt 3.4.1. Das Geschlechterverhältnis der Kinder ist ausgewogen (vgl. Tabelle A.5 im Anhang). Ihr Durchschnittsalter beträgt 11.3 Jahre und Jugendliche erreichen eine knappe Mehrheit. Die Jungen sind im Mittel etwas jünger als die Mädchen. Bei den Mädchen gibt es 65.3 % Jugendliche und 34.7 % Kinder. Unter den Kindern befinden sich 72.2 % Stiefkinder von einem der Partner und 27.2 % gemeinsame Kinder des Paares. Der Anteil der Stiefkinder liegt bei den Jungen höher als bei den Mädchen. Merkmale der Respondenten Im Folgenden werden die Charakteristika der einzelnen Respondenten wiedergegeben (N = 189). 44.3 % der Befragten sind Stiefeltern des Bezugskindes und 55.7 % bilden den leiblichen Elternteil. Circa ein Drittel der Respondenten besteht aus Männern, die restlichen zwei Drittel sind Frauen. Die Männer sind durchschnittlich etwas jünger als die Frauen. Frauen bilden häufiger die leiblichen Eltern als die Männer. Männer befinden sich dagegen häufiger in der Position der 117

Unter den erfassten Paaren mit Kindern der amtlichen Statistik wird nicht zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften und verheirateten Paaren unterschieden.

Stichprobe

193

Stiefeltern. 94.7 % der Respondenten haben eine deutsche Staatsangehörigkeit. Der Rest stammt jeweils mit unter einem Prozent aus der Türkei (N = 3), aus Polen und Italien (jeweils N = 2), aus Serbien, Kroatien, der Russischen Föderation und dem südlichen Europa (jeweils N = 1). Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind dabei marginal. Ein Vergleich der Geschlechter nach Schulbildung und Berufstätigkeit offenbart einige Auffälligkeiten (vgl. Tabelle 7.2): Der durchschnittliche Bildungs- und Beschäftigungsgrad der Männer liegt höher als bei den Frauen. Beide Geschlechter geben am häufigsten einen mittleren Schulabschluss an. Mehr Frauen als Männer verfügen allein über einen Hauptschulabschluss. Dagegen haben mehr Männer als Frauen das Abitur bzw. Fachabitur absolviert. Die Erwerbsquote liegt insgesamt bei 76.0 %, wobei sie bei den Männern mit 81.1 % höher ist als bei den Frauen mit 73.4 %. Mehr Männer als Frauen arbeiten in Vollzeit. Frauen befinden sich häufiger als die Männer in einer Teilzeit- oder einer geringfügigen Beschäftigung. Die Quote der Nicht-Erwerbstätigen befindet sich bei beiden Geschlechtern mit insgesamt 24.0 % über dem bundesweiten Durchschnitt.118 Die Frauen sind dabei häufiger erwerbslos als die Männer. Resümee Die untersuchten Stieffamilien werden zum größeren Teil den gefestigten und komplexen Stieffamilien zugeordnet. Die Stiefvaterfamilien bilden die Mehrheit innerhalb der Untersuchungsgruppe. Die Bezugskinder sind häufiger die Stiefkinder als die gemeinsamen Kinder. Sie gehören etwas häufiger der Altersgruppe der Jugendlichen an und ihr Geschlechterverhältnis ist ausgewogen. Insgesamt liegt eher eine Mittelschichtstichprobe vor mit einer Tendenz zur unteren Schicht (vgl. Nettoäquivalenzeinkommen, Bildungsabschlüsse, Berufstätigkeit), in der die Männer etwas jünger als die Frauen sind und über einen leicht höheren Schulabschluss verfügen. Es überwiegt eher das klassische Alleinverdiener- bzw. Hinzuverdienstmodell mit dem Mann als Hauptverdiener.

118

Die Vergleichbarkeit ist eingeschränkt, da sich die Zahlen der amtlichen Statistik nicht auf Familien, sondern auf die Gesamtbevölkerung beziehen. So waren im Jahr 2010 7.6 % der Männer und 6.6 % der Frauen erwerbslos. Dieser Anteil hat sich 2011 leicht verringert (Männer: 6.1 %, Frauen: 5.6 %; vgl. Statistisches Bundesamt).

194

Ergebnisse

Tabelle 7.2: Charakteristika der Respondenten Männer Frauen Gesamt 36.11 37.61 37.10 4.395 5.375 5.103 27 bis 47 25 bis 54 25 bis 54 44.4 61.5 55.7 Elternschaft 55.6 38.5 44.3 95.3 94.7 93.5 Staats 6.5 4.7 5.3 angehörigkeit 29.2 26.2 20.3 Schulbildung 41.0 42.1 41.8 38.7 28.7 32.1 81.1 73.4 76.0 Berufstätigkeit allgemein 18.9 26.6 24.0 45.2 35.2 38.6 Berufstätigkeit Beschäftigungs12.4 22.2 18.9 niveau 11.9 6.6 8.4 4.8 4.3 3.4 8.2 3.6 5.1 18.9 26.6 24.0 1.0 0.6 N 64 125 189 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert, s = Standardabweichung; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen Alter

7.2

𝑥̅ s von …bis … Leiblicher Elternteil Stiefelternteil Deutsch Andere Hauptschulabschluss Mittlerer Schulabschluss Abitur/Fachabitur Erwerbstätig Nicht erwerbstätig Vollzeit Teilzeit Selbständige Tätigkeit Geringfügig beschäftigt In Ausbildung/ Studierende Nicht erwerbstätig Sonstiges

Deskriptive Statistik

Dieser Abschnitt stellt die prozentualen Häufigkeitsverteilungen, die Mittelwerte und die Ergebnisse des Vergleichs der Elternschaften zu den eingesetzten Items dar. Mittelwertunterschiede mit Δ𝑥̅ 0 geben einen größeren Mittelwert der leiblichen gegenüber den sozialen Eltern an. Solche mit Δ𝑥̅ > 0 verweisen auf größere Mittelwerte von Stiefeltern gegenüber den leiblichen Eltern. Einige Variablen liegen in invertierter Form vor. Der t-Test für unabhängige Stichproben untersucht die Unterschiede zwischen den leiblichen und sozialen Eltern mit ungewichteten Daten.119 Cohen’s d stellt auf der Basis der Standardabweichung jeweils die Effektstärke dieser Gruppendifferenzen dar. Die Interpretation der Effektstärke orientiert sich an Cohen (2013): Bei d ≥ .2 liegt ein kleiner Effekt vor. Bei d ≥ .5 handelt es sich um einen mittleren Effekt. Ein Wert von d ≥ .8 spricht für einen großen Effekt. 119

Verweist der vorangegangene Levene-Test auf Varianzheterogenität, wird statt des t-Tests der WelchTest interpretiert. Die Signifikanzniveaus beider Testverfahren sind jeweils p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1.

Deskriptive Statistik

195

7.2.1 Emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten Die emotionale Sicherheit umfasst fünf invertierte Variablen, welche psychosomatische Symptome, das Verhalten und die Selbstsicherheit der Kinder wiedergeben. Die fünf Items des prosozialen Verhaltens enthalten die Rücksichtnahme, die Hilfsbereitschaft und die Bereitschaft, mit anderen zu teilen (vgl. Abschnitt 6.2.1). Emotionale Sicherheit Tabelle 7.3 informiert über die Häufigkeiten und Mittelwerte zu den einzelnen Items. Um die Hälfte aller Eltern gibt in den einzelnen Bereichen eine eindeutige emotionale Sicherheit an. Bei den kindlichen psychosomatischen Beschwerden unterscheiden sich die Einschätzungen der Elternschaften im Mittel nicht (invertiert: psychosomatische Symptome: Δ𝑥̅ = .00, t (260) = .148, d = .018). Die sozialen Eltern erleben das Kind im Durchschnitt minimal weniger besorgt und bedrückt als die leiblichen Eltern (invertiert: Sorgen: Δ𝑥̅ = .004, t (259) = 1.345, d = .170). In den anderen drei Bereichen trauen die leiblichen Eltern ihren Kindern durchschnittlich etwas mehr emotionale Sicherheit zu als die sozialen Eltern (invertiert: Niedergeschlagenheit: Δ𝑥̅ = -.08, t (259) = -.145, d = - .018; invertiert: mangelndes Selbstvertrauen: Δ𝑥̅ = -.03, t (256) = .265, d = - .034; invertiert: Ängste: Δ𝑥̅ = -.01, t (258) = -.159, d =- .020). Die Unterschiede zwischen den Elternschaften fallen insgesamt gering aus und sind bei keinem Item signifikant. Im Detail geben mehr leibliche als soziale Eltern an, ihre Kinder eindeutig emotional sicher in vier der fünf Kategorien zu erleben (Ausnahme: invertiert: Sorgen). Soziale Eltern erscheinen mit ihrer größeren Neigung für die Mittelkategorie vorsichtiger in der Beurteilung der emotionalen Sicherheit als die leiblichen Eltern. Die Verhaltensebene verdeutlicht eine besonders ausgeprägte emotionale Sicherheit. Die psychosomatischen Symptome und das Selbstvertrauen fallen dagegen etwas niedriger aus als die anderen Variablen. Die Stiefeltern tendieren bei den psychosomatischen Symptomen (invertiert: psychosomatische Symptome) häufiger zur mittleren Kategorie als die leiblichen Eltern. Die leiblichen Eltern sind dagegen häufiger als die sozialen Eltern an den beiden Endpunkten der Skala vertreten. Über die Hälfte der Respondenten nehmen eindeutig keine psychosomatische Beschwerden bei ihren Kindern wahr. 13.2 % der leiblichen und 9.5 % der Stiefeltern geben an, dass ihre Kinder unter diesen Symptomen leiden.

56.5 36.1 7.3 2.49 105

59.3

34.6

6.1

2.53

82

Nicht zutreffend

Teilweise zutreffend

Eindeutig zutreffend

𝑥̅

N

82

2.65

5.2

24.5

70.3

Stiefeltern

105

2.73

2.6

21.9

75.5

Leibliche Eltern

Invertiert: Niedergeschlagenheit

82

2.42

6.7

44.9

48.3

Stiefeltern

102

2.45

11.1

32.5

56.3

Leibliche Eltern

Invertiert: mangelndes Selbstvertrauen

Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Leibliche Eltern

Stiefeltern

Invertiert: Sorgen

Tabelle 7.3: Deskription der kindlichen emotionalen Sicherheit

82

2.50

2.3

45.4

52.3

Stiefeltern

103

2.51

7.9

32.9

59.2

Leibliche Eltern

Invertiert: Ängste

83

2.46

9.5

34.6

55.9

Stiefeltern

105

2.46

13.2

27.8

58.9

Leibliche Eltern

Invertiert: psychosomatische Symptome

196 Ergebnisse

Deskriptive Statistik

197

Das Item invertiert: Niedergeschlagenheit verdeutlicht eine überdurchschnittlich hohe Kompetenz an emotionaler Sicherheit auf dieser Ebene. Leibliche Eltern haben häufiger den Eindruck, dass ihre Kinder glücklich und zufrieden sind, als es bei den sozialen Eltern der Fall ist. Stiefeltern nehmen die Kinder häufiger als leibliche Eltern eindeutig bzw. teilweise unglücklich und niedergeschlagen wahr. Die zweite Verhaltensebene der emotionalen Sicherheit (invertiert: Sorgen) weist eine etwas schwächere aber dennoch robuste emotionale Sicherheit bei der Mehrheit der Kinder nach. Dabei treten zwischen den Elternschaften nur marginale Unterschiede auf. So geben 56.5 % der leiblichen und 59.3 % der sozialen Eltern an, dass ihre Kinder dieses Verhalten in den letzten sechs Monaten nicht gezeigt haben. Etwas mehr als ein Drittel der Kinder hat teilweise besorgt und bedrückt auf die Respondenten gewirkt. Der Bereich, in welchem die meisten Eltern Defizite bei ihren Kindern wahrnehmen, bildet das Selbstvertrauen (invertiert: mangelndes Selbstvertrauen). 56.3 % der leiblichen und 48.3 % der sozialen Eltern attestieren ihrem Kind ein eindeutiges Selbstvertrauen. 11.1 % bzw. 6.7 % von ihnen sprechen es ihren Kindern ab. 32.5 % der leiblichen und 44.9 % der Stiefeltern geben die Mittelkategorie an. Dennoch sind diese Werte immer noch als hoch anzusehen. Die Mehrheit der Eltern nimmt ihre Kinder selbstbewusst wahr. Ein niedriges Angstniveau (invertiert: Ängste) bescheinigen 59.2 % der leiblichen und 52.3 % der Stiefeltern ihren Kindern. Wie bei den restlichen Items tendieren die leiblichen Eltern häufiger zu den beiden Skalenendpunkten und die sozialen Eltern häufiger zur mittleren Kategorie. Prosoziales Verhalten Das kindliche prosoziale Verhalten ist nach Tabelle 7.4 deutlich ausgeprägt und weist mehr Heterogenität als die emotionale Sicherheit auf. Die sozialen Eltern beurteilen die kindliche Rücksichtnahme gegenüber anderen (generelle Rücksichtnahme: Δ𝑥̅ = .08, t (256) = .059, d = .007; Rücksichtnahme gegenüber jüngeren Kindern: Δ𝑥̅ = .09, t (257) = .921, d = .117) und die kindliche Bereitschaft, mit anderen zu teilen (Teilungsbereitschaft: Δ𝑥̅ = .06, t (259) = .375, d = .046) minimal höher ein als die leiblichen Eltern. Leibliche Eltern nehmen dagegen die kindliche Hilfsbereitschaft eindeutiger wahr als die Stiefeltern (generelle Hilfsbereitschaft: Δ𝑥̅ = -.14, t (257) = -1.239, d = - .155; Hilfsbereitschaft in Notfällen: Δ𝑥̅ = -.10, tWelch (198) = -2.176*, d = -.273). Dieser Unterschied ist bei der Hilfsbereitschaft in Notfällen auf dem 5 %-Niveau signifikant mit einem kleinen Effekt. Die Mittelwertunterschiede zwischen den Elternschaften sind bei keinem anderen Item signifikant. Besonders kompetent erscheinen die Kinder in ihrer Bereitschaft, mit anderen zu teilen, in ihrer Hilfsbereitschaft in Notfällen und in ihrer Rücksichtnahme

198

Ergebnisse

gegenüber jüngeren Kindern. Die generelle Rücksichtnahme und die generelle Hilfsbereitschaft sind jeweils etwas geringer ausgeprägt als die anderen drei Variablen. Die generelle Rücksichtnahme des Kindes gegenüber anderen nehmen 41.7 % der leiblichen und 49.2 % der sozialen Eltern eindeutig wahr. Mehr leibliche als Stiefeltern stellen dieses Verhalten teilweise bei ihren Kindern fest. 3.6 % der leiblichen und 3.0 % der sozialen Eltern vermissen dieses Verhalten bei ihren Kindern. Deutlich ausgeprägter ist unabhängig von der Elternschaft die kindliche Rücksichtnahme gegenüber jüngeren Kindern. 74.1 % der leiblichen und 80.3 % der Stiefeltern weisen dieses Verhalten ihren Kindern eindeutig zu. Teilweise erleben es 21.3 % der leiblichen und 17.9 % der sozialen Eltern bei ihren Kindern. Eine kleine Minderheit spricht dieses Verhalten ihren Kindern ab. Ähnliche Ergebnisse zeigen auch die beiden Variablen der Hilfsbereitschaft. Während die kindliche generelle Hilfsbereitschaft kritischer bewertet wird, erleben die Eltern die kindliche Hilfsbereitschaft in spezifischen Situationen häufiger eindeutig. So bescheinigen 53.5 % der leiblichen und 41.0 % der sozialen Eltern ihren Kindern eine eindeutige generelle Hilfsbereitschaft. 38.3 % der leiblichen und 49.2 % der Stiefeltern erleben dieses Verhalten teilweise bei ihren Kindern. 8.2 % der leiblichen und 9.7 % der sozialen Eltern nehmen keine generelle Hilfsbereitschaft bei ihren Kindern wahr. Die Bewertung der spezifischen kindlichen Hilfsbereitschaft fällt dagegen deutlich linksschiefer aus. 79.7 % der leiblichen und 73.2 % der sozialen Eltern nehmen dieses Verhalten bei ihren Kindern eindeutig wahr. 20.0 % der leiblichen und 22.2 % der Stiefeltern wählen die Mittelkategorie. Eine deutliche Minderheit der Eltern spricht dieses Verhalten ihren Kindern ab. 57.1 % der leiblichen und 66.4 % der Stiefeltern nehmen wahr, dass ihre Kinder eindeutig gerne mit anderen teilen (Teilungsbereitschaft). 39.5 % der leiblichen und 27.2 % der sozialen Eltern machen diese Beobachtung teilweise. 3.4 % der leiblichen und 6.3 % der Stiefeltern sprechen ihren Kindern dieses Verhalten ab.

3.6 54.7 41.7 2.38 102

3.0

47.8

49.2

2.46

81

Nicht zutreffend

Teilweise zutreffend

Eindeutig zutreffend

𝑥̅

N

81

2.79

80.3

17.9

1.8

Stiefeltern

105

2.70

74.1

21.3

4.6

Leibliche Eltern

Rücksichtnahme gegenüber jüngeren Kindern

80

2.31

41.0

49.2

9.7

Stiefeltern

105

2.45

53.5

38.3

8.2

Leibliche Eltern

Generelle Hilfsbereitschaft

Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Leibliche Eltern

Stiefeltern

Generelle Rücksichtnahme

Tabelle 7.4: Deskription des kindlichen prosozialen Verhaltens

81

2.69

73.2

22.2

4.6

Stiefeltern

104

2.79

79.7

20.0

0.3

Leibliche Eltern

Hilfsbereitschaft in Notfällen

82

2.60

66.4

27.2

6.3

Stiefeltern

105

2.54

57.1

39.5

3.4

Leibliche Eltern

Teilungsbereitschaft

Deskriptive Statistik 199

200

Ergebnisse

7.2.2 Beziehungsqualität Die Beziehungsqualität umfasst jeweils zwei Variablen zu den Bereichen Intimität, Wertschätzung, Kommunikation (Kommunikationsskala invertiert) und Zufriedenheit (vgl. Abschnitt 6.2.1). Tabelle 7.5 informiert über die beiden Items der Intimität innerhalb der Partnerschaft. Die Partnerschaft der Respondenten ist mehrheitlich von einer ausgeprägten Intimität gekennzeichnet. Die Eltern neigen im Durchschnitt zu mehr Offenheit im Alltag als bei intimen Themen (Offenheit bei intimen Themen). Keiner der Respondenten teilt seinem Partner nie mit, was ihn gerade beschäftigt. Mehr als die Hälfte erzählt unabhängig von der Elternschaft häufig dem Partner, was ihn gerade aktuell innerlich bewegt. 59.5 % der leiblichen Eltern und 43.8 % der Stiefeltern teilen häufig oder immer ihre intimen Gedanken und Gefühle mit ihrem Partner. Die leiblichen Eltern erleben die Intimität innerhalb ihrer Partnerschaft inniger als soziale Eltern. Stiefeltern sind bei intimen Themen verschlossener als leibliche Eltern (Δ𝑥̅ = -.22, tWelch (243) = -1.863., d = -.231). Der Unterschied ist jedoch klein. Bei aktuellen Angelegenheiten ist dieser Trend in einem noch geringeren Maße vorhanden (Δ𝑥̅ = -.12, t (261) = -.990, d = -.124). Die Häufigkeitsverteilungen bestätigen dieses Bild: 17.4 % der leiblichen und 19.0 % der sozialen Eltern erzählen nie oder selten von ihren intimen Themen. 5.9 % der leiblichen und 4.4 % der Stiefeltern sind es bei aktuellen Themen. Tabelle 7.5: Deskription der Intimität innerhalb der Partnerschaft Offenheit im Alltag Offenheit bei intimen Themen Stiefeltern Leibliche Eltern Stiefeltern Leibliche Eltern Nie 0.6 1.9 Selten 4.4 5.9 18.4 15.5 Manchmal 24.9 14.7 37.2 23.1 Häufig 52.3 55.3 32.2 41.5 immer 18.4 24.0 11.6 18.0 3.85 3.97 3.36 3.58 𝑥̅ N 84 105 84 105 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Die deskriptiven Ergebnisse zur Wertschätzung werden in Tabelle 7.6 vorgestellt. Die Eltern fühlen sich als Person (allgemein erfahrene Wertschätzung) und für ihre Handlungen (erfahrene Anerkennung für Handlungen) mehrheitlich häufig wertgeschätzt. Sie erfahren im Mittel eher mehr Anerkennung für ihre Handlungen als für ihre Person. Die Unterschiede zwischen den Elternschaften sind marginal (erfahrene Anerkennung für Handlungen: Δ𝑥̅ = .10, t (261) = -.142, d = -.018; allgemein erfahrene Wertschätzung: Δ𝑥̅ = .07, t (261) = .230, d = .029). Soziale Eltern geben etwas häufiger als leibliche Eltern an, von ihrem Partner häufig oder immer

Deskriptive Statistik

201

Wertschätzung für ihre Person (64.8 % gegenüber 50.8 %) bzw. ihre Handlungen (64.7 % gegenüber 61.1 %) zu erfahren. Keine Stiefeltern nehmen niemals partnerschaftliche Wertschätzung wahr. Dagegen erleben 0.9 % der leiblichen Eltern keine Anerkennung für ihre Handlungen. Die erfahrenen Wertschätzungen für die eigene Person und für die Handlungen fallen bei den beiden Elternschaften auf einem fast gleichen Niveau aus (Stiefeltern: Δ𝑥̅ = .03, leibliche Eltern: Δ𝑥̅ = .00). Tabelle 7.6: Deskription der Wertschätzung innerhalb der Partnerschaft Erfahrene Anerkennung für Allgemein erfahrene Wertschätzung Handlungen Stiefeltern Leibliche Eltern Stiefeltern Leibliche Eltern Nie 0.9 Selten 10.2 12.9 10.0 12.2 Manchmal 25.0 25.2 25.1 36.9 Häufig 52.1 50.0 55.8 45.0 immer 12.6 11.0 9.0 5.8 3.67 3.57 3.64 3.57 𝑥̅ N 84 105 84 105 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Tabelle 7.7 informiert über die invertiert vorliegenden Kommunikationsvariablen. Die Partnerschaften weisen insgesamt positiv gestaltete Kommunikationsmuster auf: Partnerschaftliche Konflikte und emotionale Spannungen sind überwiegend ein seltenes oder ein manchmal auftretendes Phänomen. Ständige emotionale Spannungen der Partner treten bei keiner Elternschaft auf. Stiefeltern geben im Durchschnitt etwas häufiger emotionale Spannungen als Konflikte an. Bei den leiblichen Eltern liegen die beiden Bereiche auf einem fast ähnlichen Niveau. Die Konflikthäufigkeit und die emotionalen Spannungen beurteilen die Elternschaften ähnlich (invertiert: Konflikthäufigkeit:Δ𝑥̅ = .08, t (261) = -.075, d = -.123; invertiert: emotionale Spannungen: Δ𝑥̅ = -.07, t (261) = -.986, d = -.009). Soziale Eltern berichten häufiger von selten auftretenden Konflikten als leibliche Eltern. Diese äußern wiederum eher seltene emotionale Spannungen als die Stiefeltern. Die kumulierten Häufigkeiten aus „selten“ und „manchmal“ (Stiefeltern: 83.4 % bzw. 83.7 %; leibliche Eltern: 78.6 % bzw. 81.9 %) zeigen, dass negative Kommunikationsmuster eher die Ausnahme als die Regel bilden. Häufige und ständige Konflikte berichten 11.5 % der sozialen und 15.7 % der leiblichen Eltern. 12.1 % der Stiefeltern und 12.2 % der leiblichen Eltern geben häufige emotionale Spannungen an. Keine Konflikte treten bei 5.1 % der sozialen und bei 5.6 % der leiblichen Eltern auf. Keine emotionalen Spannungen werden von 4.3 % der Stiefeltern und von 5.8 % der leiblichen Eltern geäußert. Die Differenzen zwischen den Elternschaften sind in der Gesamtschau marginal.

202

Ergebnisse

Tabelle 7.7: Deskription der Kommunikation innerhalb der Partnerschaft Invertiert: Konflikthäufigkeit Invertiert: emotionale Spannungen Stiefeltern Leibliche Eltern Stiefeltern Leibliche Eltern Nie 5.1 5.6 4.3 5.8 Selten 51.4 45.3 40.7 45.0 Manchmal 32.0 33.3 43.0 36.9 Häufig 10.8 15.7 12.1 12.2 immer 0.7 3.49 3.41 3.37 3.44 𝑥̅ N 84 105 84 105 Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Die Zufriedenheitsskalen der Partnerschaft in Tabelle 7.8 sind bei beiden Elternschaften leicht bis deutlich erhöht. Beide Elternschaften sind im Durchschnitt zufriedener mit der Beziehung als mit dem Sexualleben. Leibliche Eltern sind im Mittel unwesentlich zufriedener mit dem Sexualleben (Δ𝑥̅ = -.08, t (241) = -.176, d = -.023) und minimal unzufriedener mit der Partnerschaft als die Stiefeltern (Δ𝑥̅ = .03, t (259) = .279, d = .035). Die Mittelwertunterschiede zwischen den leiblichen und sozialen Eltern bleiben in der Folge nicht signifikant. Leibliche Eltern sind häufiger sehr zufrieden mit der gelebten Sexualität und der Partnerschaft als Stiefeltern. Soziale Eltern neigen häufiger als leibliche Eltern dazu, zufrieden mit den beiden Bereichen zu sein. Mehr leibliche als soziale Eltern äußern generelle Unzufriedenheit, wie die kumulierten Häufigkeiten aus „weniger zufrieden“ und „überhaupt nicht zufrieden“ verdeutlichen. Dabei sind die Unterschiede bei der Zufriedenheit mit dem Sexualleben kleiner als bei der Zufriedenheit mit der Beziehung. Tabelle 7.8: Deskription der Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft Zufriedenheit mit dem Zufriedenheit mit der Sexualleben Beziehung Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Eltern Eltern Überhaupt nicht zufrieden 11.3 9.6 5.6 5.3 Weniger zufrieden 10.3 12.9 3.6 8.4 Teils/teils 22.4 21.3 14.2 13.2 Zufrieden 27.4 21.0 35.9 28.4 Sehr zufrieden 28.6 35.2 40.6 44.7 3.52 3.60 4.02 3.99 𝑥̅ N 77 95 82 105 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Deskriptive Statistik

203

7.2.3 Elternkompetenzen Die Bereiche der Erziehung umfassen die Kommunikationsmuster, die autoritative Erziehung und die Haltung zum Kind. Die Kommunikationsmuster betreffen die Eltern-Kind-Kommunikation mit zwei Items und die elterliche Selbstregulation mit drei Variablen, jeweils in invertierter Form. Die autoritative Erziehung wird anhand der Warmherzigkeit (drei Items) und der Konsequenz (vier invertierte Variablen) erfasst. Die Haltung zum Kind wird durch die Attributionsmuster im Rahmen von drei invertierten Items ablesbar (vgl. Abschnitt 6.2.3). Kommunikation Insgesamt gestaltet sich die Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern überwiegend harmonisch (vgl. Tabelle 7.9). Konflikte und emotionale Spannungen treten in der Eltern-Kind-Beziehung seltener auf als in der Partnerschaft (vgl. Abschnitt 7.2.2). Die Elternschaften erleben jeweils häufiger Konflikte als emotionale Spannungen in ihrer Beziehung zum Kind. Tabelle 7.9: Deskription der Eltern-Kind-Kommunikation Invertiert: Konflikthäufigkeit Invertiert: emotionale Spannungen Stiefeltern Leibliche Eltern Stiefeltern Leibliche Eltern Nie 7.9 6.6 11.9 11.6 Selten 44.5 52.1 49.5 56.7 Manchmal 34.6 27.2 37.7 28.5 Häufig 11.3 2.6 2.9 10.7 immer 1.1 0.3 1.6 0.8 3.46 3.61 3.61 3.76 𝑥̅ N 82 104 83 104 Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Vor allem leibliche Eltern haben ein geringes Konfliktniveau mit ihren Kindern. So weisen sie durchschnittlich weniger Konflikte und emotionale Spannungen mit ihrem Kind auf als Stiefeltern (invertiert: Konflikthäufigkeit: Δ𝑥̅ = -.15, tWelch (222) = -1.529, d = -.192; invertiert: emotionale Spannungen: Δ𝑥̅ = -.15, tWelch (226) = -1.321, d = -.166). Die Mittelwertunterschiede zwischen den beiden Gruppen bleiben nicht signifikant. Mehr als die Hälfte berichtet jeweils von seltenen oder keinen emotionalen Spannungen und Konflikten innerhalb der ElternKind-Beziehung. Der Anteil der leiblichen Eltern fällt jeweils höher als derjenige der Stiefeltern aus. Ständige oder häufige Konflikte bzw. emotionale Spannungen treten häufiger bei Stiefeltern als bei leiblichen Eltern auf. So liegt hier der kumulierte Prozentsatz bei den Stiefeltern bei 12.9 % (Konflikte) bzw. bei 11.5 % (emotionale Spannungen). 3.7 % der leiblichen Eltern berichten von ständigen bzw.

204

Ergebnisse

häufigen Konflikten. 3.2 % unter ihnen geben ständige bzw. häufige emotionale Spannungen an. Damit neigen tendenziell mehr soziale als leibliche Eltern zu negativen Kommunikationsmustern mit ihrem Kind. Tabelle 7.10: Deskription der Selbstregulation Invertiert: Kind Invertiert: Kind Invertiert: Kritik am anschreien beschimpfen Kind Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Eltern Eltern Eltern Nie 19.7 14.6 34.5 23.2 1.3 4.4 Selten 48.1 49.2 41.0 38.0 10.4 13.3 Manchmal 25.3 30.8 17.9 32.3 51.8 62.0 Häufig 6.2 2.9 5.6 6.2 30.4 16.9 immer 0.7 2.5 1.0 0.3 6.0 3.4 3.80 3.71 4.02 3.78 2.71 2.98 𝑥̅ N 84 104 84 104 83 104 Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Tabelle 7.10 stellt die invertierten Variablen der elterlichen Selbstregulation vor. Sie ist überdurchschnittlich ausgeprägt. Die Items zum Ausmaß von Anschreien (invertiert: Kind anschreien) oder Beschimpfen (invertiert: Kind beschimpfen) des Kindes ähneln sich. Die Kinder werden von ihren Eltern eher wenig angeschrien oder beschimpft. Die Gruppenvergleiche dieser Variablen bleiben nicht signifikant. Stiefeltern neigen im Mittel weniger dazu, ihre Kinder anzuschreien oder zu beschimpfen als leibliche Eltern (invertiert: Kind anschreien: Δ𝑥̅ = .09, t (260) = .384, d = .048; invertiert: Kind beschimpfen: Δ𝑥̅ = .24, t (260) = 1.068, d = .132). So äußern Stiefeltern eher, ihr Kind selten bis nie anzuschreien oder zu beschimpfen. Leibliche Eltern geben dagegen häufiger an, ihre Kinder manchmal anzuschreien oder zu beschimpfen als soziale Eltern. Ständige und häufige negative elterliche Selbstregulationsmechanismen gegenüber den Kindern sind bei beiden Elternschaften eher die Ausnahme. Die Kritik am Kind (invertiert: Kritik am Kind) divergiert von den Mustern der beiden genannten Variablen. Zwar verfügt die elterliche Selbstregulation in diesem Bereich weiterhin über überdurchschnittliche Kennwerte, jedoch nicht in dem ausgeprägten Maße wie bei den anderen beiden Items. Eltern kritisieren ihre Kinder im Mittel häufiger, als sie in die anderen beiden Verhaltensmuster verfallen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Verhaltensweisen kritisieren Stiefeltern ihre Kinder durchschnittlich häufiger, als es bei den leiblichen Eltern der Fall ist (invertiert: Kritik am Kind: Δ𝑥̅ = -.27, t (262) = -2.305*, d = -.286). Die Abweichungen zwischen den Elternschaften sind auf dem 5 %-Niveau signifikant, jedoch noch innerhalb eines kleinen Rahmens. Mehr als die Hälfte der Respondenten gibt an, manchmal ihre Kinder zu kritisieren. Der Anteil der leiblichen Eltern liegt dabei höher als bei den sozialen Eltern.

Deskriptive Statistik

205

Stiefeltern üben eher häufige oder ständige Kritik am Kind aus als leibliche Eltern. Letztere kritisieren ihre Kinder etwas häufiger nie oder selten als die sozialen Eltern. Autoritative Erziehung Die Warmherzigkeit ist unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit stark bis sehr stark ausgeprägt (vgl. Tabelle 7.11). Die Mehrheit der Eltern gibt an, häufig oder immer gegenüber dem Kind warmherzig zu sein. Leibliche Eltern zeigen in allen Bereichen deutlich mehr Warmherzigkeit als soziale Eltern. 75.2 % der Stiefeltern und 93.9 % der leiblichen Eltern zeigen ihren Kindern häufig oder immer ihre Zuneigung. Einige soziale Eltern sind in diesem Bereich eher zögerlich. Während keiner der leiblichen Eltern nie oder selten dem Kind mit Worten und Gesten seine Zuneigung vermittelt, sind es bei den Stiefeltern kumuliert 6.6 %. Der Mittelwertvergleich ist auf dem 0.1 %-Niveau signifikant und mittelgradig ausgeprägt (Zuneigung zeigen:∆𝑥̅ = -.53, tWelch (190) = -4.639***, d = -.578). Ähnliche Ergebnisse liefern die beiden anderen Variablen. So spenden 76.7 % der sozialen und 93.6 % der leiblichen Eltern ihren Kindern häufig oder immer Trost. Ein trauriges Kind zu trösten scheint eher eine Aufgabe der leiblichen als der Stiefeltern zu sein. Unter den drei Items erreicht dieser Bereich bei den sozialen Eltern die höchsten Prozentwerte in den Kategorien „selten“ oder „nie“. Die Abweichungen der Elternschaften voneinander sind auf dem 0.1 %-Niveau signifikant und zeigen einen mittleren Effekt (trösten: ∆𝑥̅ = -.46, tWelch (188) = -4.945***, d = -.615). 93.9 % der leiblichen Eltern loben ihr Kind häufig oder immer. Bei den Stiefeltern sind es 73.4 %. Im Gegensatz zu den beiden anderen Variablen geben die sozialen Eltern beim Loben kaum die Kategorien „nie“ oder „selten“ an. Die Mittelwertunterschiede zwischen den Elternschaften sind jedoch auch in diesem Bereich auf dem 0.1 %-Niveau signifikant und zeigen einen mittleren Effekt (loben: ∆𝑥̅ = -.36, t (264) = 4.274***, d = -.517). Tabelle 7.11: Deskription der Warmherzigkeit Zuneigung zeigen trösten loben Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Eltern Eltern Eltern Nie 0.6 1.2 Selten 6.0 12.0 0.6 2.6 0.5 Manchmal 18.1 6.0 10.1 5.8 24.0 5.6 Häufig 36.8 35.3 44.0 37.5 43.4 50.0 immer 38.4 58.6 32.7 56.1 30.0 43.9 4.06 4.53 3.95 4.49 4.01 4.37 𝑥̅ N 83 105 84 104 84 105 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

206

Ergebnisse

Tabelle 7.12: Deskription der Konsequenz Invertiert: Strafe Invertiert: Invertiert: Strafe Invertiert: Selbstabschwächen unterschiedliche androhen wahrnehmung Strenge bzgl. Konsequenz Stief- Leibliche Stief- Leibliche Stief- Leibliche Stief- Leibliche eltern Eltern eltern Eltern eltern Eltern eltern Eltern Nie 5.6 1.1 2.0 2.8 10.7 13.7 9.4 9.8 Selten 24.7 25.7 20.2 19.7 49.7 38.5 42.3 28.0 Manchmal 38.3 44.6 53.4 58.6 20.5 33.9 33.8 41.4 Häufig 24.9 24.2 21.6 14.3 9.6 9.8 14.5 15.9 immer 6.6 4.4 2.8 4.7 9.4 4.1 4.9 2.98 2.95 2.97 3.02 3.43 3.48 3.47 3.22 𝑥̅ N 80 104 82 104 81 105 82 105 Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Die invertiert vorliegenden Variablen zur Konsequenz unterscheiden sich in ihren Ausprägungen (vgl. Tabelle 7.12). Die Eltern tendieren, unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit, eher dazu eine Strafe abzuschwächen oder unterschiedlich streng zu sein, als Strafen anzudrohen, ohne diese durchzusetzen, oder sich selbst als inkonsequent wahrzunehmen. Die Respondenten tendieren in den vier Bereichen weniger zu den Extrempunkten nie bzw. immer, sondern bevorzugen häufiger die mittleren Kategorien. So passiert es über der Hälfte der Eltern, unabhängig von ihrer Elternschaft, dass sie manchmal an Tagen strenger sind als an anderen. Stiefeltern neigen eher dazu als leibliche Eltern, häufig und immer von Tag zu Tag unterschiedlich streng zu sein. Sie schaffen es jedoch häufiger als die leiblichen Eltern, keine und seltene leere Drohungen auszusprechen. Ca. einem Drittel der leiblichen Eltern gelingt es manchmal, dieses Verhalten zu vermeiden. Über 10.0 % beider Elternschaften geben an, nie Strafen ohne Konsequenzen anzudrohen. Der dritte Handlungsaspekt – das Abschwächen von Strafen – gelingt jeweils rund einem Viertel der Respondenten selten und häufig sowie 38.3 % der sozialen und 44.6 % der leiblichen Eltern manchmal. Der instrumentelle Bereich stellt innerhalb dieser Variablengruppe die größten Unterschiede zwischen den Elternschaften dar. So bereitet es den Stiefeltern in ihrer Selbstwahrnehmung deutlich weniger Mühe, in der Erziehung konsequent zu sein. Die Gruppenunterschiede auf der Handlungsebene bleiben nicht signifikant und ohne Effekt. Leibliche Eltern tendieren in zwei Handlungsbereichen eher dazu, etwas konsequenter als die Stiefeltern zu sein (invertiert: Strafe androhen: ∆𝑥̅ = -.05, t (257) = -.187, d = -.023; invertiert: unterschiedliche Strenge: ∆𝑥̅ = -.05, t (256) = -.153, d = -.019). Der Unterschied bei beiden Items ist minimal, nicht signifikant und zeigt keinen Effekt auf. Für den Fall, Strafen abzuschwächen oder vorzeitig aufzuheben, sind die Tendenzen umgekehrt (invertiert: Strafe abschwächen: ∆𝑥̅ = .03, t (253) = 1.365, d = .170).

Deskriptive Statistik

207

Aber auch hier bleiben sie minimal, nicht signifikant und ohne Effekt. Soziale Eltern nehmen sich auf instrumenteller Ebene signifikant (1 %-Niveau) und mit kleinem Effekt konsequenter wahr als die leibliche Eltern (invertiert: Selbstwahrnehmung bzgl. Konsequenz: ∆𝑥̅ = .25, t (259) = 2.760**, d = .350). Haltung zum Kind Die invertierten Items zu den Attributionsmustern vermitteln, unabhängig von der Elternschaft, eine positive Haltung zum Kind (vgl. Tabelle 7.13). Die Mittelwertunterschiede bleiben für einen Gruppenvergleich einzig auf dem 10 %-Niveau signifikant. Der Effekt ist dabei gering: Leibliche Eltern tendieren eher dazu, Probleme in der Erziehung seltener ihrem Kind anzulasten als soziale Eltern (invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes: ∆𝑥̅ = -.16, t (253) = -1.713., d = -.214) und unterstellen ihm weniger eine Absicht bei einem Fehlverhalten als soziale Eltern (invertiert: absichtsvolles Fehlverhalten: ∆𝑥̅ = -.16, t (251) = -1.192, d = -.152). Ist das Kind ungehorsam oder macht etwas Verbotenes, neigen dagegen die Stiefeltern eher dazu, dem Kind keine provokative Absicht zu unterstellen (invertiert: Fehlverhalten als Provokation: ∆𝑥̅ = .25, t (252) = 1.252, d = -.162). Die negativen Attributionen treten mehrheitlich selten oder nie auf. Auftretende Erziehungsprobleme werden den Kindern kaum angelastet (Stiefeltern: 84.3 %; leibliche Eltern: 86.2 %).120 Auch absichtliches Fehlverhalten unterstellen 80.6 % der sozialen und 87.3 % der leiblichen Eltern ihren Kindern selten oder gar nicht. Die Einschätzung, dass das Kind seine Eltern mit Ungehorsam ärgern möchte, haben 79.2 % der Stiefeltern und 69.0 % der leiblichen Eltern nicht oder selten. Tabelle 7.13: Deskription der Attributionsmuster Invertiert: Fehlverhalten Invertiert: ErziehungsInvertiert: absichtsvolles als Provokation probleme in VerantFehlverhalten wortung des Kindes Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Stiefeltern Leibliche Eltern Eltern Eltern Nie 48.4 43.3 45.0 57.9 46.4 58.6 Selten 30.8 25.7 39.3 28.3 34.2 28.7 Manchmal 16.7 12.5 20.1 13.3 19.4 10.8 Häufig 4.0 8.3 1.7 0.6 0.6 immer 2.6 0.8 0.8 1.4 4.24 4.42 3.99 4.26 4.27 4.43 𝑥̅ N 80 102 82 102 80 101 Anmerkung: Variablen sind invertiert; 𝑥̅ = Mittelwert; Angabe in gültige Prozent; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

120

Die kumulierten Häufigkeiten setzen sich aus den Ausprägungen „selten“ und „nie“ zusammen.

208

Ergebnisse

7.2.4 Zusammenfassung Die Respondenten bilden eine Untersuchungsgruppe mit erhöhten Werten in allen Untersuchungsbereichen. Ihre Kompetenzen in der Beziehung und Erziehung sind ausgeprägt. Die Kinder verfügen über ausgeprägte Kompetenzen bei der emotionalen Sicherheit und beim prosozialen Verhalten. Der Untersuchungsrahmen bildet somit überwiegend kompetente Stieffamilien. Während bei der Beziehungsqualität und den kindlichen Kompetenzfeldern (Ausnahme: ein Item des prosozialen Verhaltens) minimale Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern festgestellt werden können, ergeben sich bei den Mediatoren teilweise Unterschiede. Insgesamt tendieren die leiblichen Eltern dazu, ihre Warmherzigkeit als kindbezogene Elternkompetenz höher einzuschätzen als die sozialen Eltern. Die anderen Erziehungskompetenzen (Attribution, Selbstregulation, Eltern-KindKommunikation, Konsequenz) unterscheiden sich in der deskriptiven Zusammenschau kaum zwischen den Elternschaften (Ausnahmen: jeweils ein Item der Selbstregulation und der Konsequenz). 7.3

Struktur der einzelnen Messmodelle

Diese Untersuchung betrachtet Konstrukte, die nicht direkt beobachtbar bzw. messbar sind. Für die Untersuchung wurden demzufolge theoretische Konstrukte gebildet und konzeptualisiert. Dieser Abschnitt operationalisiert ihre endgültige Fassung anhand der Datengrundlage. Der in dieser Arbeit überwiegend verfolgte Multi-Item-Ansatz ermöglicht es, komplexe Konstrukte wie Beziehungen, kindliche Kompetenzstände und Beziehungs- bzw. Erziehungskompetenzen abzubilden und anschließend die Validität und Reliabilität der hypothetisch gebildeten Messmodelle empirisch zu überprüfen. Dies erfolgt im Anschluss mit der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Dazu werden die Indikatoren mit ihren jeweiligen Konstrukten innerhalb eines Untersuchungsfeldes in Beziehung gesetzt. Die einzelnen Messmodelle werden auf ihre uni- und multivariate Normalverteilung (7.3.1) sowie mit Gütekriterien der ersten und zweiten Generation überprüft. Innerhalb der Prüfkriterien der ersten Generation kommen die Trennschärfe, Cronbach’s Alpha und die explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation) zum Einsatz. Innerhalb der Validierungsinstrumente der zweiten Generation evaluiert die konfirmatorische Faktorenanalyse die Messmodelle. Ihre eingesetzten Gütekriterien umfassen auf Indikatorebene die standardisierten Faktorladungen, ihre Signifikanz und die Indikatorreliabilität. Die standardisierten Faktorladungen der konfirmatorischen Faktorenanalyse zeigen die Einflussstärke des Konstrukts auf die manifeste Variable auf. Auf Konstruktebene

Struktur der einzelnen Messmodelle

209

werden sie über die Faktorreliabilität, die durchschnittliche Varianz der Faktoren (DEV) und die Diskriminanzvalidität nach Fornell/Larcker erfasst. Globale Gütekriterien erlauben eine grundsätzliche Bewertung der Messmodelle (vgl. Abschnitt 6.3). Dieses Vorgehen wird auf die kindlichen Kompetenzen (7.3.2), die Beziehungsqualität (7.3.3) und die Mediatoren (7.3.4) angewendet. Zum Abschluss werden die Messmodelle insgesamt beurteilt (7.3.5).

7.3.1 Überprüfung auf uni- und multivariate Normalverteilung Die Deskriptivstatistik in Tabelle 7.14 weist eine Erfüllung der Grenzwerte von Schiefe | 2| und Kurtosis | 7| für alle eingesetzten Items der acht Konstrukte nach. Bei der emotionalen Sicherheit und beim prosozialen Verhalten geben die Eltern die gesamte Skala der Items an. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Respondenten eher gering ausgeprägt (vgl. Standardabweichung s, Varianz s2). Ein bis fünf Fälle fehlen bei den invertierten Items zur emotionalen Sicherheit. Die Mittelwerte ihrer Variablen sind erhöht. Auf der Verhaltensebene wird bei der Niedergeschlagenheit folglich eine leicht erhöhte linksschiefe Verteilung bemerkbar. Die Verhaltensebene verzeichnet in der Gesamtschau die höchsten Mittelwerte, danach folgt die Selbstsicherheit. Die psychosomatische Komponente verfügt über den niedrigsten Durchschnittswert. Der Trend zu einer rechtssteilen Verteilung und platykurtischen Kurtosis besteht bei fast allen Items der emotionalen Sicherheit (Ausnahme: invertiert: Niedergeschlagenheit mit leptokurtischer Wölbung). Bei den Variablen zum prosozialen Verhalten fehlen zwei bis fünf Fälle. In besonderen Situationen nehmen die Eltern durchschnittlich eine höhere Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme ihrer Kinder wahr als im Allgemeinen. Während die generelle Rücksichtnahme und die generelle Hilfsbereitschaft eher unauffällig in ihrer Verteilung sind, sind die restlichen Variablen dieses Konstrukts erhöht linksschief verteilt. Die Items Hilfsbereitschaft in Notfällen und Rücksichtnahme auf jüngere Kinder verfügen über eine steile Wölbung. Die Beziehungsqualität wird mit acht fünfstufig skalierten Items erfasst. Jeweils zwei Variablen bilden die Intimität, die Wertschätzung, die Kommunikation (invertierte Items) und die Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft ab. Mit Ausnahme der Items zur Zufriedenheit (N = 243 bzw. N = 261) liegen vollständige Daten vor. Die Deskriptivstatistik weist leicht erhöhte Mittelwerte mit einer tendenziellen linksschiefen Verteilung der einzelnen Items nach. Die gesamte Bandbreite der Skala wird bei sechs der acht Variablen verwendet. Einzig bei der Offenheit im Alltag und den invertierten emotionalen Spannungen fehlt jeweils die nied-

210

Ergebnisse

rigste Ausprägung. Während die Mittelwerte der Variablen innerhalb der Wertschätzung bzw. der Kommunikation nur marginal untereinander abweichen, unterscheiden sich die Durchschnittswerte zwischen den jeweiligen Items zur Intimität und zur Zufriedenheit. Die Abweichungen und Varianzen sind bei fünf Variablen eher unauffällig. Die Offenheit bei intimen Themen und insbesondere die beiden Zufriedenheitsskalen zeigen ausgeprägtere Verteilungswerte als die Variablen der anderen Bereiche (vgl. erhöhte Standardabweichungen und Varianzen). Dabei ist insbesondere die Zufriedenheit mit der Beziehung linksschief mit einer eher steilen Wölbung. Die Kurtosis der Zufriedenheit mit dem Sexualleben läuft dagegen leicht flach zu. Die Wölbung der anderen sechs Items ist eher unauffällig. Die Kurtosis nähert sich bei den Variablen der Wertschätzung und der Offenheit im Alltag einer Normalverteilung an und verweist bei den restlichen Variablen auf eine minimal flach zulaufende Tendenz. Das Kommunikationsmodell umfasst die Eltern-Kind-Kommunikation und die Selbstregulation, bei deren einzelnen invertierten Variablen die gesamte Skala angegeben wird. Die beiden Items der Eltern-Kind-Kommunikation haben fünf bzw. sechs fehlende Fälle. Sie verfügen über leicht erhöhte, sich marginal unterscheidende Mittelwerte. Niedrige Werte von Standardabweichung, Varianz, Schiefe und Kurtosis sprechen für eine unauffällige Verteilung der Skalen. Ein Trend zu einer linksschiefen Verteilung und einer spitzen Wölbung ist bei beiden Items erkennbar. Bei der invertierten Kritik am Kind aus dem Konstrukt Selbstregulation fehlen zwei Fälle, die beiden anderen Variablen dieser Skala haben jeweils einen fehlenden Fall. Die Mittelwerte sind erhöht. Die Eltern regulieren sich selbst im Durchschnitt stärker beim Anschreien und Beschimpfen, als es beim Kritisieren des Kindes der Fall ist. Die Varianzen und Abweichungen bleiben bei allen drei Items auf eher niedrigem Niveau. Ihre Trends unterscheiden sich zwischen den einzelnen Items. Während die invertierte Kritik am Kind zu einer leicht rechtsschiefen Verteilung tendiert, sind die beiden anderen Variablen linksschief. Die Wölbung des invertierten Beschimpfens des Kindes gleicht eher einer Normalverteilung mit leicht flacher Tendenz, die der anderen beiden Items läuft eher spitz zu.

Struktur der einzelnen Messmodelle

211

Tabelle 7.14: Deskriptivstatistik zu den eingesetzten Indikatoren Abhängiges Konstrukt: emotionale Sicherheit Invertiert: Sorgen Invertiert: Niedergeschlagenheit Invertiert: mangelndes Selbstvertrauen Invertiert: Ängste Invertiert: psychosomatische Symptome Abhängiges Konstrukt: prosoziales Verhalten Generelle Rücksichtnahme Rücksichtnahme gegenüber jüngeren Kindern Generelle Hilfsbereitschaft Hilfsbereitschaft in Notfällen Teilungsbereitschaft Unabhängiges Konstrukt: Beziehungsqualität Offenheit im Alltag Offenheit bei intimen Themen Erfahrene Wertschätzung für Handlungen Allgemein erfahrene Wertschätzung Invertiert: Konflikthäufigkeit Invertiert: emotionale Spannungen Zufriedenheit mit dem Sexualleben Zufriedenheit mit der Beziehung Mediator: Eltern-Kind-Kommunikation Invertiert: Konflikthäufigkeit Invertiert: emotionale Spannungen Mediator: Selbstregulation Invertiert: Kind anschreien Invertiert: Kind beschimpfen Invertiert: Kritik am Kind Mediator: Warmherzigkeit Zuneigung zeigen trösten loben Mediator: Konsequenz Invertiert: Strafe abschwächen Invertiert: unterschiedliche Strenge Invertiert: Strafe androhen Invertiert: Selbstwahrnehmung bzgl. Konsequenz Mediator: Attribution Invertiert: Fehlverhalten als Provokation Invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes Invertiert: absichtsvolles Fehlverhalten

Min

Max

𝒙

s

Sch

Ex

s2

N

1 1 1 1 1

3 3 3 3 3

2.50 2.69 2.44 2.52 2.43

.63 .53 .65 .59 .71

-.89 -1.50 -.74 -.79 -.83

-.25 1.32 -.49 -.35 -.58

.40 .28 .42 .35 .50

261 261 258 260 262

1 1 1 1 1

3 3 3 3 3

2.42 2.73 2.37 2.73 2.56

.56 .50 .66 .50 .60

-.29 -1.64 -.57 -1.64 -1.02

-.86 1.82 -.67 1.82 .04

.32 .25 .44 .25 .36

258 259 259 259 261

2 1 1 1 1 2 1 1

5 5 5 5 5 5 5 5

3.92 3.45 3.61 3.62 3.45 3.41 3.65 4.06

.82 1.01 .88 .83 .81 .78 1.30 1.09

-.51 -.21 -.56 -.45 -.39 -.17 -.63 -1.19

-.12 -.68 .15 -.15 -.35 -.50 -.70 .78

.67 1.02 .78 .70 .65 .61 1.68 1.19

263 263 263 263 263 263 243 261

1 1

5 5

3.58 3.71

.81 .79

-.55 -.58

.65 .56

.65 .62

257 258

1 1 1

5 5 5

3.74 3.87 2.94

.86 .94 .78

-.64 -.55 .15

.73 -.15 .76

.74 .88 .62

262 262 261

1 1 2

5 5 5

4.32 4.25 4.24

.78 .86 .73

-1.08 -1.16 -.59

1.11 1.03 -.28

.60 .74 .53

261 262 263

1 1 1 1

5 5 5 5

2.96 3.00 3.42 3.33

.92 .82 1.05 .94

-.11 -.13 -.60 -.25

-.36 .52 -.11 -.15

.85 .67 1.10 .94

255 258 259 261

1 1

5 5

4.11 4.36

.98 .80

-.87 -1.26

.14 1.74

.95 .63

254 255

1

5

4.36

.78

-1.19

1.55

.61

253

Min = Minimum, Max = Maximum, s = Standardabweichung, Sch = Schiefe, Ex = Exzess, s2 = Varianz; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, ungewichteten Variablen

212

Ergebnisse

Der autoritative Erziehungsstil verbindet einen warmherzigen Umgang mit einer konsequenten Grenzsetzung bei Regelverletzungen. Er umfasst die Warmherzigkeit und die Konsequenz (invertierte Items) innerhalb des Erziehungsprozesses. Mit Ausnahme der Variable loben wird die gesamte Skala bei beiden Konstrukten angegeben. Kein Elternteil lobt sein Kind nie. Vollständige Daten liegen bei der Warmherzigkeit bei einem Item vor (loben). Ein bis zwei Fälle fehlen bei den übrigen Variablen. Die Mittelwerte sind deutlich erhöht und miteinander vergleichbar. Deshalb fallen die Abweichungen und Varianzen niedrig aus und liegt eine linksschiefe Verteilung vor. Diese ist bei den Items Zuneigung zeigen und trösten prägnant. Die Kurtosis dieser beiden Variablen ist steil, die des Lobens dagegen leicht flach. Kein Item der Konsequenz besitzt vollständige Daten. Es fehlen zwei bis acht Fälle bei den einzelnen Variablen. Die Deskriptivstatistik zeigt erhöhte Mittelwerte auf. Die Eltern nehmen ihre Erziehung im Allgemeinen konsequenter wahr, als sie diese im Verhalten umsetzen (Ausnahme: invertiert: Strafe androhen). Das invertierte Androhen von Strafen zeigt die höchsten Abweichungen unter den Items, welche noch im Rahmen bleibt. Eine tendenzielle linksgerichtete Schiefe liegt bei den einzelnen Variablen vor. Während die invertierte unterschiedliche Strenge eine spitze Kurtosis aufweist, ist die der anderen Items der Konsequenz eher flach. Die Haltung zum Kind wird über die Attributionsmuster erfasst. Acht bis zehn Fälle fehlen bei dieser Skala. Die verfügbaren Ausprägungen der invertierten Items werden alle genutzt. Die erhöhten Mittelwerte der Deskriptivstatistik deuten auf positive Attributionsmuster der Eltern. Dabei treten eher geringe Abweichungen und Varianzen auf. Die linksgerichtete Schiefe aller Variablen ist beim invertierten Fehlverhalten als Provokation schwächer ausgeprägt als bei den anderen beiden Items. Auch nähert sich ihre Wölbung einer Normalverteilung an, während die der anderen beiden spitzzulaufend ist. Tabelle 7.15: Test auf multivariate Normalverteilung der Untersuchungsvariablen Modelle Mardia: Schiefe Mardia: Kurtosis Henze-Zirkler Royston Emotionale Sicherheit als abhängiges Konstrukt Kommunikationsmodell 3033.45*** 533.80*** 1.02*** 1356.54*** Modell zur autoritativen 3565.15*** 620.44*** 1.01*** 1439.99*** Erziehung Prosoziales Verhalten als abhängiges Konstrukt Kommunikationsmodell 2777.09*** 522.39*** 1.02*** 1362.52*** Modell zur autoritativen 3584.57*** 618.00*** 1.01*** 1450.90*** Erziehung Anmerkung: Die Modelle umfassen die eingesetzten Konstrukte des jeweils letzten Schrittes inklusive des Konstrukts Attribution (vgl. Modell III bzw. V in Abschnitt 5.1.4); z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen

Struktur der einzelnen Messmodelle

213

Die Deskriptivstatistik weist eine Erfüllung der Grenzwerte von Schiefe | 2| und Kurtosis | 7| nach. Dennoch liegt keine multivariate Normalverteilung vor, wie die hoch signifikanten Testergebnisse von Mardia, Henze-Zirkler und Royston in Tabelle 7.15 aufzeigen. Um einer Überschätzung des χ2-Wertes der Teststatistik von Strukturgleichungsmodellen zu verhindern, wird bei den multivariaten Analysen auf robuste Modellschätzungen mit der Yuan-Bentler-Korrektur und den nach Huber-White geschätzten Standardfehlern zurückgegriffen.

7.3.2 Abhängige Konstrukte: Kindliche Kompetenzen Die Operationalisierung der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens orientiert sich an dem bewährten Messinstrument Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ), wie bereits Abschnitt 6.2.1 dargestellt hat. Im Anhang stellt Tabelle A.6 die Korrelationen zwischen den Items dar. Emotionale Sicherheit Zuerst wird auf das abhängige Konstrukt emotionale Sicherheit eingegangen (vgl. Tabelle 7.16). Vier der fünf Variablen halten die erforderliche Trennschärfe von ≥ .50 ein. Die psychosomatische Befindlichkeit verletzt sie als einzige Variable um .152. Sie steht am geringsten mit den anderen Items in Verbindung (r = .19 .33). Die anderen Variablen korrelieren stärker miteinander (r = .36 - .60). Besonders die Items der Selbstsicherheit, der Grad an Ängsten und das Ausmaß an Selbstvertrauen, hängen stark miteinander zusammen (r = .60). Das noch hinnehmbare Ausmaß der Verletzung der Trennschärfe bei der psychosomatischen Symptomatik, die inhaltliche Bedeutung dieses Items, die Faktorladungen der explorativen Faktorenanalyse sowie die gute interne Konsistenz des Konstrukts (α = .75) begründen die Beibehaltung aller Variablen. Die interne Konsistenz des Konstrukts ist mit der Gesamtstichprobe vergleichbar mit einer Spannweite von αW2 - W8 = .68 - .75 (vgl. Thönnissen et al. 2017: 317).121 Die eingehaltenen Grenzwerte der Faktorreliabilität und die hoch signifikanten standardisierten Faktorladungen sprechen für eine Annahme des Modells. Auch die sehr guten Ergebnisse der globalen Gütekriterien befürworten dieses Modell. Die durchschnittlich extrahierte Varianz bleibt jedoch auf einem niedrigen Niveau und unterschreitet den erforderlichen Grenzwert um .15. Die Streuung der Skala bleibt zu 65.0 % ungeklärt. 121

Die interne Konsistenz der einzelnen Konstrukte für die Gesamtstichprobe der Wellen I bis VIII bzw. II bis VIII geben αW1 - W8 bzw. αW2 - W8 wieder. Dies gilt auch für die zukünftigen Abschnitte.

214

Ergebnisse

Tabelle 7.16: Messmodell der emotionalen Sicherheit Gütekriterien der Gütekriterien der ersten Generation zweiten Generation TrennFaktorFaktorIndiktorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene Invertiert: Sorgen .552 .723 .681*** .464 Invertiert: Niedergeschlagenheit .559 .748 .720*** .519 Invertiert: mangelndes Selbstvertrauen .569 .760 .565*** .319 Invertiert: Ängste .521 .736 .510*** .260 Invertiert: psychosomatische Symptome .348 .522 .437*** .191 Kovarianzen Invertiert: mangelndes Selbstvertrauen x invertiert: Ängste .451*** Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha .745 Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .747*** DEV der explorativen Faktorenanalyse 49.4% Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) .686 DEV .350 EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 1.485 (4), CFI = 1.000, TLI = 1.032, RMSEA = .000, SRMR = .015, GFI = 1.003, AGFI = 1.012; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Das Konstrukt emotionale Sicherheit kann bei den invertierten Sorgen und der invertierten Niedergeschlagenheit die erforderlichen Grenzwerte der Indikatorreliabilität einhalten. Die Varianzen der anderen drei Indikatoren können dagegen eher mittelmäßig durch das Konstrukt erklärt werden. Die Elimination des schwächsten Items der emotionalen Sicherheit (invertiert: psychosomatische Symptome) könnte zu einer Verbesserung der genannten lokalen Gütekriterien beitragen. Sie leistet jedoch inhaltlich einen unschätzbaren Beitrag für die emotionale Sicherheit. Während die anderen vier Items die Verhaltens- und Emotionsebene dieses Bereichs abbilden, zeigt diese Variable den unbewussten, psychosomatischen Aspekt der emotionalen Sicherheit auf. Dieser würde mit einem Ausschluss keine Berücksichtigung mehr erhalten. Deshalb wird er beibehalten. Zwischen dem mangelnden Selbstvertrauen und den Ängsten besteht eine hoch signifikante Kovarianz (σ = .451***).122 Insgesamt kann das Modell aufgrund der globalen Gütekriterien und den teilweise eingehaltenen lokalen Gütemaßen noch in der vorgesehenen Form übernommen werden. Auf Indikator- und auf Konstruktebene ergeben sich

122

Die bereits dargestellte hohe Korrelation der beiden Variablen spricht neben inhaltlichen Überlegungen dafür. So bilden beide Items den Bereich Selbstvertrauen aus zwei Perspektiven ab.

Struktur der einzelnen Messmodelle

215

einige Schwächen, welche bereits bei vorherigen Studien zum Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) von Goodman (1997) festgestellt worden sind. Darauf geht die Autorin am Ende dieses Unterabschnitts noch einmal ein. Prosoziales Verhalten Wie bereits bei der emotionalen Sicherheit, offenbaren die Gütekriterien der ersten und zweiten Generation einige Schwächen des Konstrukts (vgl. Tabelle 7.17). Die generelle Rücksichtnahme hält die erforderliche Trennschärfe von ≥ .50 ein, alle anderen Items verletzen sie um bis zu .10. Sie sind jedoch noch innerhalb des Rahmens von ≥ .30, weshalb von einer Streichung abgesehen werden kann. Innerhalb der Gütekriterien rechtfertigen der KMO von ≥ .50, die Faktorladungen von ≥ .40 der explorativen Faktorenanalyse sowie die akzeptable interne Konsistenz des Konstrukts (α = .71) die Beibehaltung aller Variablen. Auch ein Vergleich von Cronbach’s Alpha mit der Gesamtstichprobe spricht für dieses Vorgehen (αW2 - W8 = .62 - .71; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317). Die Variablen korrelieren eher schwach miteinander (r = .24 - .39). Die eingehaltenen Grenzwerte der Faktorreliabilität und die hoch signifikanten standardisierten Faktorladungen sprechen für eine Annahme dieses Modells. Die Streuung der Skala wird nur zu 32.9 % aufgeklärt und unterschreitet den erforderlichen Grenzwert von ≥ .50. Auch die Indikatorreliabilität ist, wie bereits bei der emotionalen Sicherheit, schwach ausgeprägt. Der Grenzwert der Indikatorreliablität des prosozialen Verhaltens wird bei vier von fünf Items unterschritten. Die Variable Teilungsbereitschaft verfügt über die niedrigste Indikatorreliabilität. Ein Ausschluss kann nicht zu einer Verbesserung des Modells beitragen und führt zur Vernachlässigung eines Handlungsaspekts des Konstrukts. Die allgemeine Reliabilität des Messmodells bleibt auf einem gerade noch akzeptablen Niveau. Inhaltliche Überlegungen, die überwiegende Einhaltung der Gütekriterien, die sehr guten Ergebnisse bei den globalen Gütemaßen und ein Vergleich mit anderen Studien zu diesen Problematiken führen zu einer Beibehaltung aller Indikatoren. Resümee Die Konstrukte emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten weisen keine optimalen Ergebnisse auf. Diese Schwächen des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) finden in anderen Studien ihre Bestätigung. Während die Faktoren in bisherigen Studien zum SDQ mit Verfahren zur Test-Retest-Stabilität und in explorativen Faktorenanalysen immer wieder bestätigt worden sind (vgl. u. a. Essau et al. 2006; Goodman und Scott 1999; Mansbach-Kleinfeld et al. 2010), sind die Ergebnisse konfirmatorischer Faktorenanalysen uneinheitlich. Vermehrt können Schwächen des Testverfahrens festgestellt werden (vgl. u. a. Altendorfer-Kling et

216

Ergebnisse

al. 2007). Auch bestätigen einige eine Zwei-Faktoren- (vgl. Kóbor et al. 2013) bzw. Drei-Faktoren-Struktur des mit ursprünglich fünf Faktoren angesetzten Befragungsinstruments (vgl. u. a. Di Riso et al. 2010; Dickey und Blumberg 2004; Goodman et al. 2010). Trotz dieser Schwächen des Fragebogeninstruments sprechen seine globale Verbreitung und seine Ökonomie, die Inhaltsvalidität und die in der Analyse teilweise noch guten Modellfits dafür, die Struktur der beiden kindlichen Kompetenzfelder in der vorgesehenen Weise beizubehalten. Tabelle 7.17: Messmodell des prosozialen Verhaltens Gütekriterien der Gütekriterien der ersten Generation zweiten Generation TrennFaktorFaktorIndikatorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene Generelle Rücksichtnahme .537 .743 .666*** .444 Rücksichtnahme gegenüber jüngeren .441 .657 .537*** .289 Kindern Generelle Hilfsbereitschaft .481 .688 .583*** .340 Hilfsbereitschaft in Notfällen .490 .704 .608*** .369 Teilungsbereitschaft .400 .585 .452*** .204 Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha .712 Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .779*** DEV der explorativen Faktorenanalyse 45.9% Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) .707 DEV .329 EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 2.973 (5), CFI = 1.000, TLI = 1.028, RMSEA = .000, SRMR = .017, GFI = 1.002, AGFI = 1.007; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

7.3.3 Unabhängiges Konstrukt: Beziehungsqualität Die Beziehungsqualität wird mit acht fünfstufig skalierten Variablen erfasst. Jeweils zwei Items bilden die Intimität, die Wertschätzung, die Kommunikation und die Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft ab (vgl. Abschnitt 6.2.2). Tabelle A.7 im Anhang stellt die Ergebnisse der Korrelationsanalyse dar. Die Beziehungsqualität bildet ein Konstrukt höherer Ordnung. Ein erster Versuch, in welchem die acht eingesetzten Variablen zu einem Konstrukt zur Verschlankung des Modells zusammengefasst werden sollten, schlug aufgrund unzureichender Gütemaße fehl (vgl. Tabelle A.8 im Anhang): Drei Items verletzen die Trennschärfe von ≥ .50.

Struktur der einzelnen Messmodelle

217

Die durchschnittlich extrahierte Varianz der explorativen Faktorenanalyse bleibt mit 44.1 % niedrig. Auch wenn die anderen Gütekriterien der ersten Generation ansonsten eingehalten werden mit einem KMO ≥ .50, Cronbach’s Alpha von α = .82 und Faktorladungen von ≥ .40, weist die konfirmatorische Faktorenanalyse unzureichende Ergebnisse auf. Die Indikatorreliabilität ist bei fünf der acht Items ≤ .40. Die Mindestanforderungen der DEV und der globalen Gütemaße werden ausnahmslos verletzt. Einzig die Faktorreliabilität weist gute Ergebnisse auf. Eine Zusammenfassung der einzelnen Variablen zu einem Konstrukt bildet insgesamt eine Fehlspezifikation. Die Gütekriterien der ersten Generation erfordern gemeinsam mit den globalen und lokalen Anpassungsmaßen der zweiten Generation eine andere Konstruktbildung der Beziehungsqualität. In der Folge wird auf diese Verschlankung des Konstrukts Beziehungsqualität verzichtet. Stattdessen wird analog zur Definition der Beziehungsqualität (vgl. Abschnitt 3.2), zum Network of Relationship Inventory (NRI) von Buhrmester und Furman 2010 und zur Relationship Assessment Scale (RAS) von Sander und Böcker (1993) auf vier Subskalen zurückgegriffen (vgl. Schmahl et al. 2012). Diese umfassen die Intimität, die Wertschätzung, die Kommunikation und die Zufriedenheit, welche in einer Second-OrderFaktorenanalyse die Unterkonstrukte der Beziehungsqualität bilden (vgl. Abschnitt 6.2.2 und 6.3). Ein Blick auf die Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen unterstützt dieses Vorgehen (vgl. Tabelle A.7 im Anhang). Tabelle 7.18 gibt die Ergebnisse zu den Reliabilitätsanalysen, der explorativen Faktorenanalyse und der konfirmatorischen Faktorenanalyse wieder. Die Gütekriterien der ersten Generation bestätigen die angenommene Struktur. Die Trennschärfe ≥ .50 wird einzig bei den Zufriedenheitsskalen um .003 verletzt. Alle anderen Variablen halten sie ein. Die interne Konsistenz der Wertschätzung und der Kommunikation ist gut und mit der Gesamtstichprobe vergleichbar (Wertschätzung: αW1 - W8 = .70 - .83; Kommunikation: αW1 - W8 = .76 - .84; vgl. Thönnissen et al. 2017: 311, 322). Auch korrelieren die Items der Wertschätzung (r = .67) und der Kommunikation (r = .72) jeweils hochgradig untereinander. Cronbach’s Alpha der Intimitätsskala ist noch akzeptabel und befindet sich innerhalb der Werte der Gesamtstichprobe (αW1 - W8 = .63 - .79; vgl. Thönnissen et al. 2017: 311, 322). Die beiden Items hängen stark miteinander zusammen (r = .52). Die Zufriedenheitsskala zeigt ebenfalls nur eine akzeptable Konsistenz. Ein Referenzwert der Gesamtstichprobe zur Zufriedenheitsskala kann nicht angegeben werden, da dieses Konstrukt in pairfam nicht in der hier vorliegenden Form verwendet wird. Die beiden Zufriedenheitsitems korrelieren noch hoch miteinander (r = .50). Die explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Rotation) bestätigt ebenfalls die angenommene Struktur: Insgesamt laden die Items hoch bis sehr hoch auf ihre jeweiligen Faktoren. Die Faktorladungen innerhalb eines Faktors divergieren eher

218

Ergebnisse

schwach voneinander. Insgesamt kann in der explorativen Faktorenanalyse 80.7 % der Gesamtvarianz aufgeklärt werden. Der Grenzwert des KMO wird eingehalten. Tabelle 7.18: Messmodell der Beziehungsqualität Gütekriterien der Gütekriterien der ersten Generation zweiten Generation TrennFaktorFaktorIndikatorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene Intimität Offenheit im Alltag .525 .898 .635*** .403 Offenheit bei intimen Themen .525 .714 .827*** .683 . Wertschätzung Erfahrene Wertschätzung für Handlungen .673 .832 .821*** .674 Allgemein erfahrene Wertschätzung .673 .879 .820*** .672 Kommunikation Invertiert: Konflikthäufigkeit .724 .900 .807*** .651 Invertiert: emotionale Spannungen .724 .881 .897*** .805 Zufriedenheit Zufriedenheit mit dem Sexualleben .497 .837 .685*** .470 Zufriedenheit mit der Beziehung .497 .807 .725*** .526 Beziehungsqualität Intimität .816** .666 Wertschätzung .811*** .658 Kommunikation .610*** .372 Zufriedenheit .688*** .473 Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha .689/.804/.840/.664 (Intimität/Wertschätzung/ Kommunikation/ Zufriedenheit) .751*** Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium DEV der explorativen Faktorenanalyse 80.7 Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) (Intimität/Wertschätzung/ .701/.804/.842/.664 Kommunikation/ Zufriedenheit) DEV (Intimität/Wertschätzung/ .544/.673/.728/.498 Kommunikation/ Zufriedenheit) .868 Rel (ω) (Beziehungsqualität) DEV (Beziehungsqualität) .729 EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 33.187** (16), CFI = .970, TLI = .947, RMSEA = .064, SRMR = .034, GFI = .983, AGFI = .961; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Das konfirmatorische Messmodell zur Beziehungsqualität bestätigt eine generelle gute Anpassungsgüte (vgl. Faktorreliabilität, hoch signifikante standardisierte Parameterschätzungen). Die durchschnittlich extrahierte Varianz erfüllt mit Ausnah-

Struktur der einzelnen Messmodelle

219

me des Konstrukts Zufriedenheit das erforderliche Mindestmaß von 0.5 (Zufriedenheit: Verletzung um .002). Die Sicherstellung der Inhaltsvalidität und die sonstigen Gütemaße sprechen für eine Beibehaltung der vorgesehenen Struktur. Der Grenzwert der Indikatorreliabilität von 0.4 wird mit einer Ausnahme bei den acht Items erfüllt. Das Konstrukt Kommunikation des Faktors Beziehungsqualität verfehlt den Grenzwert um .028. Die globalen Gütekriterien bestätigen die Qualität des Konstrukts. So ist zwar der χ2-Test auf dem 1 %-Niveau signifikant. Jedoch bieten die anderen Gütemaße gute Ergebnisse. Das Fornell-Larcker-Kriterium evaluiert die Diskriminanzvalidität durch einen Vergleich der quadrierten Faktorkorrelationen r2 mit der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV). Alle quadrierten Faktorladungen sind kleiner als die DEV (vgl. Tabelle 7.19). Das Kriterium ist damit erfüllt. Die einzelnen Konstrukte sind folglich diskriminant und gehören zu einem gemeinsamen übergeordneten Konstrukt (ω = .868; vgl. Tabelle 7.18). Die Reliabilität des Messmodells bleibt allgemein auf einem guten Niveau. Dies erlaubt auf globaler und lokaler Ebene die Annahme des Modells. Die Faktorkorrelationen in Tabelle 7.19 verdeutlichen starke Zusammenhänge zwischen der Intimität und Wertschätzung sowie der Zufriedenheitsskala mit diesen beiden Konstrukten. Dabei fällt die Korrelation zwischen der Intimität und der Wertschätzung am höchsten aus. Die Kommunikation korreliert mittelgradig mit den anderen drei Skalen und am schwächsten mit der Zufriedenheit. Tabelle 7.19: Beziehungsqualität: Faktorkorrelationen und Fornell-Larcker-Kriterium Intimität Wertschätzung Kommunikation Zufriedenheit DEV Intimität .662 .498 .561 .544 Wertschätzung .438 .495 .558 .673 .728 Kommunikation .248 .245 .420 .498 Zufriedenheit .315 .311 .176 DEV .544 .673 .728 .498 Oberhalb der Diagonalen: Faktorkorrelationen, unterhalb der Diagonalen quadrierte Faktorkorrelationen zur Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums: r2 < DEV; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Reliabilitätsberechnungen; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

7.3.4 Mediatoren: Elternkompetenzen Mediatoren zum Kommunikationsmodell Tabelle A.9 im Anhang bietet einen Überblick zu den Korrelationen der eingesetzten Items des Kommunikationsmodells. Die Mediatoren des Kommunikationsmodells bilden die Eltern-Kind-Kommunikation und die Selbstregulation. Die Ergebnisse werden in Tabelle 7.20 dargestellt. Das grau hinterlegte Item wird aus den

220

Ergebnisse

weiteren Analysen entfernt. Die in Klammern dargestellten Angaben geben jeweils die Analysen inklusive der ausgeschlossenen Variable an. Die Werte ohne Klammern bilden die Werte der endgültig übernommenen Konstrukte ab. Tabelle 7.20: Messmodell zu den Mediatoren des Kommunikationsmodells123 Gütekriterien der Gütekriterien der ersten Generation zweiten Generation TrennFaktorFaktorIndikatorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene: Eltern-Kind-Kommunikation Invertiert: Konflikthäufigkeit .678 .886 .832*** .692 (.852) (.814***) (.663) Invertiert: emotionale Spannungen .678 .885 .816*** .665 (.866) (.834***) (.696) Indikatorebene: Selbstregulation Invertiert: Kind anschreien .599 .875 .760*** .577 (.547) (.870) (.744***) (.554) Invertiert: Kind beschimpfen .599 .854 .788*** .621 (.579) (.844) (.781***) (.610) Invertiert: Kritik am Kind * (.350) (.255) (.447***) (.200) Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha (Eltern-Kind-Kommu.808/.749 (.674) nikation/ Selbstregulation) Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .689*** (.740***) DEV der explorativen Faktorenanalyse 81.8% (70.5%) Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) (Eltern-Kind-Kommunikation/ .809 (.809)/.749 (.705) Selbstregulation) DEV (Eltern-Kind-Kommunikation/ .679 (.679)/.599 (.456) Selbstregulation) Faktorkorrelation .634 (.663) Fornell-Larcker-Kriterium .401 (.440) < DEV EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; verwendetes Modell: χ2 (df) = 0.107 (1), CFI = 1.000, TLI = 1.025, RMSEA = .000, SRMR = .002, GFI = 1.001, AGFI = 1.017; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Es ist erforderlich, ein Item der Selbstregulation aus den weiteren Analysen zu entfernen: Die invertierte Kritik am Kind unterschreitet die Trennschärfe und die Indikatorreliabilität deutlich. Die Eliminierung dieser Variable verbessert bei der Selbstregulation das Cronbach’s Alpha, seine Faktorreliabilität und seine DEV in der konfirmatorischen Faktorenanalyse sowie die DEV der explorativen Faktorenanalyse. Ferner fallen die globalen Gütekriterien der KFA im Modellvergleich 123

KFA inklusive ausgeschlossenem Item: χ2 (df) = 6.526 (4), CFI = .990, TLI = .974, RMSEA = .049, SRMR = .035, GFI = .993, AGFI = .972

Struktur der einzelnen Messmodelle

221

besser aus, wenn das genannte Item removiert wird. Einzig das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium liefert mit KMO = .740 gegenüber KMO = .689 bessere Werte, wenn das Item beibehalten wird. Die Gesamtschau rechtfertigt jedoch dessen Entfernung. Die Indikatoren der Eltern-Kind-Kommunikation sind hinreichend voneinander trennscharf, verfügen über eine gute, mit der Gesamtstichprobe vergleichbare interne Konsistenz (Gesamtstichprobe: αW2 - W8 = .76 - .81; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317) und laden auf ihren Faktor in der explorativen sowie in der konfirmatorischen Faktorenanalyse jeweils hoch. Alle lokalen Gütekriterien der zweiten Generation werden eingehalten und weisen eine hohe Qualität auf (Indikator-, Faktorreliabilität, Varianzaufklärung von 67.9 %). Das Messmodell kann in der Gesamtschau überzeugen. Die beiden Items korrelieren hoch miteinander (r = .68). Die Gütekriterien der ersten Generation bestätigen auch die Selbstregulation, wenn die Kritik am Kind bei der Konstruktbildung entfernt wird. So sorgt dieses Vorgehen für eine Einhaltung der Grenzwerte der Indikatorreliabilität und der DEV der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Die Korrelationen und die interne Konsistenz unterstützen die Untersuchungsergebnisse: Während das Anschreien und Beschimpfen stark miteinander zusammenhängen (r = .60), korrelieren die beiden Variablen mit der Kritik am Kind mittelmäßig miteinander (invertiert: Kritik am Kind mit invertiert: Anschreien des Kindes: r = .29; invertiert: Kritik am Kind mit invertiert: Beschimpfen des Kindes: r = .33). Weiterhin verbessert sich die eingangs schwache interne Konsistenz deutlich durch einen Ausschluss des Items invertiert: Kritik am Kind und ist damit nicht mehr im unteren Bereich der internen Konsistenz der Gesamtstichprobe (αW2 - W8 = .67 - .73; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317) und innerhalb der erforderlichen Grenzwerte von Cronbach’s Alpha. In der Folge wird die besagte Variable aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Das Fornell-Larcker-Kriterium wird erfüllt. Die Faktorkorrelation ist hoch. Die beiden Konstrukte werden unter Ausschluss der genannten Variablen in die weiteren Untersuchungen übernommen. Mediatoren zum autoritativen Erziehungsstil Tabelle A.10 im Anhang vermittelt die Ergebnisse zu den Korrelationen der eingesetzten Items. Der autoritative Erziehungsstil wird über die Warmherzigkeit und die Konsequenz der Eltern erfasst. Tabelle 7.21 informiert über die Ergebnisse. Wie bei den Messmodellen des Kommunikationsmodells ist auch beim autoritativen Erziehungsstil die Entfernung eines Items für die nachfolgenden Analysen erforderlich. Es ist grau hinterlegt und die in Klammern dargestellten Ergebnisse stellen die Analyse unter dem Einbezug der ausgeschlossenen Variable dar. Die

222

Ergebnisse

Angaben ohne Klammern beziehen sich auf die endgültig übernommenen Messmodelle. Das Konstrukt Konsequenz bedarf der Entfernung eines Items. Die invertierte unterschiedliche Strenge kann die Grenzwerte der Trennschärfe und der Indikatorreliabilität nicht einhalten. Wird das Item ausgeschlossen, verbessern sich bei der Konsequenz das Cronbach’s Alpha, die Faktorreliabilität und die DEV der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Auch die durchschnittlich extrahierte Varianz der explorativen Faktorenanalyse erhöht sich. Minimale Verbesserungen zeigen sich auch bei den globalen Gütekriterien der KFA bei einer Eliminierung des Items. Das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium verschlechtert sich leicht von KMO = .701 auf KMO = .686. Insgesamt verbessern sich die Ergebnisse jedoch teilweise deutlich, wenn das Item entfernt wird. Die Faktorkorrelation zwischen den beiden latenten Variablen fällt negativ und gering aus. Sie sind unabhängig voneinander. Das Fornell-Larcker-Kriterium verweist auf eine erfüllte Diskriminanzvalidität. Die Warmherzigkeit setzt sich aus drei Variablen zusammen. Das Messmodell wird durch die Gütekriterien der ersten und zweiten Generation bestätigt. Die Messwerte halten alle Grenzwerte ein und liegen teilweise deutlich darüber. So sind die Items trennscharf voneinander. Sie laden in der explorativen Faktorenanalyse hoch auf den Faktor. Die interne Konsistenz ist gut und entspricht derjenigen der Gesamtstichprobe (αW2 - W8 = .74 - .81; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317). Die Variablen hängen stark miteinander zusammen (r = .51 - .64). Die konfirmatorische Faktorenanalyse weist hohe standardisierte Faktorladungen, eine hohe Faktorreliabilität, die Einhaltung der Indikatorreliabilität und eine DEV von 59.1 % auf. Das Messmodell wird ohne Einschränkungen in den weiteren Analysen in dieser Form verwendet. Das Messmodell der Konsequenz hält alle Gütekriterien der ersten Generation ein, wenn die invertierte unterschiedliche Strenge ausgeschlossen wird. Die ermittelte interne Konsistenz ist durch die Entfernung dieses Items im oberen Bereich der internen Konsistenz der Gesamtstichprobe (αW2 - W8 = .67 - .73; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317) und des EDAPQ (α = .67 bzw. α = .74; vgl. Reichle und Franiek 2008: 10). Dieses Vorgehen wird durch die Ergebnisse der Korrelationen gestützt. So hängt die ausgeschlossene Variable nur schwach mit den anderen drei Items zusammen (r = .21 - .29), während die anderen drei Indikatoren mittelgradig miteinander korrelieren (r = .43 - .49). In der Folge dieses Vorgehens werden die Indikator- und die Faktorreliabilität der KFA überwiegend erfüllt. Einzig die DEV unterschreitet, trotz einer Verbesserung, weiterhin ihren Grenzwert mit DEV = .458. Die Indikatorreliabilität des Items invertiert: Strafe androhen liegt mit .006 unter

Struktur der einzelnen Messmodelle

223

ihrem erforderlichen Grenzwert. Inhaltliche Überlegungen und die ansonsten eingehaltenen Grenzwerte der Gütekriterien sprechen für eine Beibehaltung des Konstrukts unter Ausschluss des Items invertiert: unterschiedliche Strenge. Tabelle 7.21: Messmodelle zu den Mediatoren des Modells zur autoritativen Erziehung124 Gütekriterien der Gütekriterien der ersten Generation zweiten Generation TrennFaktorFaktorIndikatorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene: Warmherzigkeit Zuneigung zeigen .711 .884 .857*** .735 (.884) (.857***) (.734) trösten .657 .833 .747*** .558 (.831) (.748***) (.559) loben .627 .827 .692*** .480 (.829) (.692***) (.479) Indikatorebene: Konsequenz Invertiert: Strafe abschwächen .570 (.531) .806 .725*** .525 (.761) (.691***) (.478) Invertiert: Strafe androhen .514 (.526) .782 .628*** .394 (.767) (.646***) (.417) Invertiert: Selbstwahrnehmung bzgl. Kon- .550 (.529) .803 .673*** .454 sequenz (.782) (.690***) (.477) Invertiert: unterschiedliche Strenge * (.322) (.545) (.382***) (.146) Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha (Warmherzig.814/.724 (.691) keit/Konsequenz) Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .686*** (.701***) DEV der explorativen Faktorenanalyse 68.2 % (.61.0 %) Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) (Warmherzigkeit/Konsequenz) .811 (.811)/.716 (.700) DEV (Warmherzigkeit/Konsequenz) .591 (.591)/.458 (.379) Faktorkorrelation -.133 (-.126) Fornell-Larcker-Kriterium .018 (.016) < DEV EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; verwendetes Modell: χ2 (df) = 9.641 (8), CFI = .995, TLI = .991, RMSEA = .028, SRMR = .028, GFI = .997, AGFI = .991; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

124

KFA inklusive ausgeschlossenem Item: χ2 (df) = 16.077 (13), CFI = .992, TLI = .987, RMSEA = .030, SRMR = .034, GFI = .995, AGFI = .989

224

Ergebnisse

Mediator: Haltung zum Kind Das Konstrukt Attribution spiegelt die Haltung zum Kind wieder (vgl. Tabelle 7.22; Korrelationen: Tabelle A.11 im Anhang). Dieses Konstrukt hält mit einer Ausnahme alle Gütekriterien der ersten Generation ein. So verletzt das Item invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes die Trennschärfe um .003. Da dieser Indikator im Gegensatz zu den anderen beiden Variablen eine eher globale Sicht auf das Kind liefert und die Gütekriterien der ersten Generation ansonsten eingehalten werden, wird auf einen Ausschluss des Items verzichtet. Ferner ist die interne Konsistenz des Konstrukts akzeptabel und mit der Gesamtstichprobe vergleichbar. (αW2 - W8 = .61 - .77; vgl. Thönnissen et al. 2017: 317). Weiterhin korrelieren die Items mittelgradig miteinander mit r = .40 - .61. Die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse bestätigen das Modell und auch seinen Schwachpunkt. So halten die Faktorreliabilität und die DEV ihre Grenzwerte ein. Auch zwei der drei Items verfügen über eine Indikatorreliabilität von ≥ .40. Einzig die Variable invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes unterschreitet den Wert um .070. Die ansonsten guten Messergebnisse und inhaltliche Überlegungen lassen einen Ausschluss des Items vermeiden. Das Konstrukt wird in der vorgestellten Form übernommen. Tabelle 7.22: Messmodell der Attribution Gütekriterien der ersten Generation TrennFaktorschärfe ladungen

Gütekriterien der zweiten Generation FaktorIndikatorladungen reliabilität

Indikatorebene Invertiert: Fehlverhalten, um Elternteil zu .584 .826 .704*** .495 verärgern Invertiert: Erziehungsprobleme in Verant.497 .746 .574*** .330 wortung des Kindes Invertiert: absichtsvolles falsches Verhal.658 .867 .866*** .750 ten Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha .750 Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .652*** DEV der explorativen Faktorenanalyse 66.3 % Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) .763 DEV .525 EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = .000 (0), CFI = 1.000, TLI = 1.000, RMSEA = .000, SRMR = .000, GFI = 1.000, AGFI = -; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Struktur der einzelnen Messmodelle

225

7.3.5 Abschließende Beurteilung der Messmodelle Zuerst werden die Faktorkorrelationen dahingehend betrachtet, ob die endgültigen Modelle gute Erklärungsmuster bilden, um die Wirkmechanismen zu erklären. Anschließend kontrolliert das Fornell-Larcker-Kriterium die Diskriminanzvalidität. Beide Untersuchungen finden mit konfirmatorischen Faktorenanalysen statt. Tabelle 7.23 informiert über die Faktorkorrelationen der in den vier endgültigen Modellen eingesetzten Konstrukte und die Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums. Die Modelle bilden zum einen das erweiterte Kommunikationsmodell (Modell III), zum anderen das erweiterte Modell zur autoritativen Erziehung (Modell V). Sie werden jeweils einmal mit der emotionalen Sicherheit und einmal mit dem prosozialen Verhalten des Kindes getestet. Faktorkorrelationen Kommunikationsmodell. Unter den Mediatoren korrelieren die Eltern-Kind-Kommunikation und die Selbstregulation hoch. Sie hängen beide mittelgradig mit der Attribution zusammen. Die Beziehungsqualität korreliert mittelgradig mit diesen beiden Kommunikationsskalen, mit der Attribution jedoch schwach. Diese Beobachtungen treffen unabhängig vom kindlichen Kompetenzbereich zu. Die emotionale Sicherheit korreliert mittelgradig mit der Eltern-Kind-Kommunikation. Eher schwach hängt sie mit den beiden anderen Mediatoren zusammen. Das prosoziale Verhalten dagegen korreliert mittelgradig mit der Selbstregulation und der Attribution. Ein eher schwacher Zusammenhang besteht mit der Eltern-KindKommunikation. Beide abhängigen Konstrukte korrelieren schwach mit der Beziehungsqualität. Modell zur autoritativen Erziehung. Unter den Mediatoren dieses Modells werden die höchsten, jedoch immer noch mittelgradigen Zusammenhänge zwischen der Warmherzigkeit und der Attribution erreicht. Die Konsequenz korreliert mit der Attribution schwach. Ein schwacher negativer Zusammenhang besteht zwischen der Warmherzigkeit und der Konsequenz. Dies spricht eher dafür, dass die beiden Skalen unabhängig voneinander sind. Die Beziehungsqualität korreliert mit allen drei Mediatoren schwach. Diese Beobachtungen gelten für die Modelle unabhängig vom kindlichen Kompetenzbereich. Die emotionale Sicherheit korreliert schwach mit der Beziehungsqualität und den Mediatoren. Das prosoziale Verhalten dagegen hängt einzig mit der Beziehungsqualität und der Konsequenz schwach zusammen. Es korreliert mittelgradig mit der Attribution und hoch mit der Warmherzigkeit. Insgesamt liefern die Korrelationen Indizien dafür, dass die kindlichen Kompetenzfelder eher weniger direkt von der Beziehungsqualität beeinflusst werden. Ferner erscheint das Modell zur autoritativen Erziehung gut geeignet zu sein, um

226

Ergebnisse

die Wirkmechanismen auf das prosoziale Verhalten des Kindes zu erklären. Die emotionale Sicherheit kann unter Umständen jedoch weniger dadurch aufgeklärt werden. Das Kommunikationsmodell ist dagegen voraussichtlich für beide kindlichen Kompetenzen ein schlüssiges Erklärungsmodell.

Modelle zur autoritativen Erziehung

Kommunikationsmodelle

Tabelle 7.23: Faktorkorrelationen und Fornell-Larcker-Kriterium Kompetenzbereich: 1 2 3 4 5 DEV emotionale Sicherheit 1 Emotionale Sicherheit .135 .411 .258 .298 .351 2 Beziehungsqualität .018 .337 .310 .103 .869 .678 3 Eltern-Kind-Kommunikation .169 .114 .622 .435 4 Selbstregulation .066 .089 .387 .436 .607 .522 5 Attribution .089 .011 .190 .190 DEV .351 .869 .678 .607 .522 Kompetenzbereich: 1 2 3 4 5 DEV prosoziales Verhalten 1 Prosoziales Verhalten .150 .277 .300 .418 .328 2 Beziehungsqualität .022 .337 .312 .102 .869 .679 3 Eltern-Kind-Kommunikation .076 .114 .622 .432 .606 4 Selbstregulation .090 .097 .387 .421 .527 5 Attribution .175 .010 .187 .177 DEV .328 .869 .679 .606 .527 Kompetenzbereich: 1 2 3 4 5 DEV emotionale Sicherheit 1 Emotionale Sicherheit .124 .055 .154 .291 .351 2 Beziehungsqualität .015 .191 .196 .100 .868 .591 3 Warmherzigkeit .003 .036 -.133 .301 .458 4 Konsequenz .024 .038 .018 .132 .528 5 Attribution .085 .010 .090 .017 DEV .351 .868 .591 .458 .528 Kompetenzbereich: 1 2 3 4 5 DEV prosoziales Verhalten 1 Prosoziales Verhalten .155 .512 .257 .421 .327 2 Beziehungsqualität .024 .194 .193 .098 .868 .591 3 Warmherzigkeit .262 .038 -.134 .302 .457 4 Konsequenz .066 .037 .018 .133 .531 5 Attribution .177 .010 .091 .018 DEV .327 .868 .591 .457 .531 Oberhalb der Diagonalen: Faktorkorrelationen, unterhalb der Diagonalen quadrierte Faktorkorrelationen zur Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums: r2 < DEV; z-standardisierte Werte; Schätzer: MLR/FIML; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen N = 263

Testung der Diskriminanzvalidität Die Diskriminanzvalidität wird mithilfe des Fornell-Larcker-Kriteriums getestet. Dazu fließen die vier endgültigen Modelle in eine konfirmatorische Faktorenanalyse ein. Die Modelle bilden das Kommunikationsmodell bzw. das Modell zur autoritativen Erziehung, welche jeweils um die Haltung zum Kind ergänzt werden. Die abhängigen Konstrukte bilden dabei einmal die emotionale Sicherheit und ein-

Strukturgleichungsmodelle

227

mal das prosoziale Verhalten des Kindes. Alle quadrierten Faktorladungen sind kleiner als die DEV und weisen die Erfüllung des Fornell-Larcker-Kriteriums nach (vgl. Tabelle 7.23). Die einzelnen Konstrukte sind folglich diskriminant. Die geringen Abweichungen der DEV der einzelnen Konstrukte in den unterschiedlichen Modellen sprechen für ihre Stabilität. 7.4

Strukturgleichungsmodelle

Dieser Abschnitt beschreibt und interpretiert die Ergebnisse der Kausalanalyse zum direkten (7.4.1) und indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. Die Mediatoren umfassen die Kommunikationsmuster (7.4.2) und die autoritative Erziehung (7.4.3), welche im zweiten Schritt jeweils um die Attribution ergänzt werden. Die Relevanz soziodemografischer Merkmale als mögliche Hintergrundfaktoren wird ebenfalls analysiert (7.4.4). Zuletzt werden die Ergebnisse zusammengefasst (7.4.5). Die Kennzeichnung ES bezieht sich jeweils auf das Modell mit der emotionalen Sicherheit als abhängiges Konstrukt. Das Kürzel PV verweist auf das jeweilige Modell mit dem prosozialen Verhalten als abhängige latente Variable.

7.4.1 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Abbildung 7.1 gibt die Ergebnisse der Kausalanalysen wieder. Die globalen Gütekriterien fallen beim Modell ES I sehr gut aus. Der χ2-Test des Modells PV I ist auf dem 5 %-Niveau signifikant. Die guten Ergebnisse der anderen globalen Gütekriterien erlauben jedoch auch die Annahme des Modells PV I. Die Qualität der Paarbeziehung wirkt sich auf keines der beiden kindlichen Kompetenzfelder direkt aus. Der standardisierte Pfadkoeffizient umfasst γ = .132 für den Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und γ = .145 auf das prosoziale Verhalten. Nur 1.7 % der Varianz der emotionalen Sicherheit und 2.1 % der Varianz des prosozialen Verhaltens lassen sich direkt über die Beziehungsqualität aufklären. Die Hypothese H1 (vgl. Abschnitt 6.1.1) findet keine hinreichende Bestätigung und wird für die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes abgelehnt. Die in Abschnitt 5.1.1 aufgezeigten Studienergebnisse verweisen auf einen direkten Effekt der Beziehungsqualität und der partnerschaftlichen Konfliktmuster. Das Modell I kann diesen Einflussmechanismus, unabhängig vom kindlichen Kompetenzbereich, nicht replizieren. Es kommen mehrere Gründe in Betracht, um

228

Ergebnisse

zu erklären, warum die Beziehungsqualität keinen direkten signifikanten Einfluss auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes ausübt. Das Alter der Bezugskinder könnte eine Rolle spielen. So befinden sich die Acht- bis 16-Jährigen bereits in einem Individuations- und Emanzipationsprozess, in welchem sie weniger von der Paarbeziehung beeinflusst werden könnten, die Schule und die Gleichaltrigen jeweils einen zunehmenden Einfluss auf ihre Kompetenzausbildung einnehmen und sie ihr Wertesystem in Bezug auf das prosoziale Verhalten und ihre emotionalen Sicherheit bereits zunehmend verfestigt haben (vgl. Abschnitte 3.4.2 und 3.4.3). Die Kinder in einigen der in Abschnitt 5.1.1 erwähnten Studien zum festgestellten Einfluss der Beziehungsqualität auf die beiden Kompetenzfelder sind deutlich jünger. Die Untersuchungsgruppe einzelner Autoren bilden Säuglinge und Kleinkinder bis zu maximal vier Jahre (vgl. Goldberg und Easterbrooks 1984; Howes und Markman 1989; McHale und Rasmussen 1998). Einzig die Untersuchungsgruppe der Studie von Mark und Pike (2016) zielt auf Mütter und ihre Kinder im Alter zwischen durchschnittlich 9.8 und 12.1 Jahren. Diese Autoren ermitteln einen direkten, kleinen signifikanten Effekt der mütterlichen Beziehungsqualität auf das kindliche prosoziale Verhalten (d = .16; ebd.: 6). Dieser Effekt kann für die vorliegenden Stieffamilien nicht bestätigt werden. R2 = .017

Beziehungsqualität

.132

emotionale Sicherheit

χ2 (df) = 65.879 (59), CFI = .992, TLI = .989, RMSEA = .021, SRMR = .043, GFI = .994, AGFI = .990

R2 = .021

Beziehungsqualität

.145

prosoziales Verhalten

χ2 (df) = 81.611* (60), CFI = .973, TLI = .965, RMSEA = .037, SRMR = .045, GFI = .987, AGFI = .980 Abbildung 7.1: ES I und PV I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Strukturgleichungsmodelle

229

Als weiteren Grund für das vorliegende Ergebnis kann die besondere Familienkonstellation dienen. So könnte weniger die Paarbeziehung, sondern mehr die Qualität des Umgangs der leiblichen, getrennten Eltern miteinander, die kindliche Kompetenzentwicklung beeinflussen. Dieser Umstand kann insbesondere die Stiefkinder und weniger die gemeinsamen Kinder des Paares (bei einer komplexen Stieffamilie) betreffen. Der Umgang betrifft außerdem das Kooperationsniveau der Erwachsenen des erweiterten Familiensystems (leibliche Eltern, Stiefeltern, außerhalb des Haushaltes lebende leibliche Eltern etc.) und die damit einhergehende Vermeidung von kindlichen Loyalitätskonflikten, Triangulationen oder Entfremdungsprozessen (vgl. Abschnitt 2.4.3). Die in Abschnitt 5.3 beschriebenen methodischen und inhaltlichen Einschränkungen der Untersuchung zeigen ferner die begrenzte Abbildung der Realität auf. Modell I informiert allein über die direkte Wirkung der Beziehungsqualität auf die beiden kindlichen Kompetenzbereiche und erfasst nicht ihre gesamte Wirkung. Es ist damit zu vereinfacht, um die systemischen Zusammenhänge innerhalb der Stieffamilie aufzuklären. Mechanismen, in welchen innerfamiliale Beziehungssysteme andere Beziehungssysteme beeinflussen, werden außen vorgelassen. Auch berücksichtigt Modell I nicht, wie sich die Partnerschaftsqualität auf das elterliche Erziehungsverhalten auswirkt. Im Zuge dessen werden im Sinne der systemisch-entwicklungsbezogenen Perspektive die bereits beschriebenen Erziehungsbereiche einbezogen (vgl. Abschnitt 2.4.2, Kapitel 4 und Kapitel 5). Diese Perspektive geht von einer wechselseitigen Beeinflussung der Familienmitglieder und ihrer Beziehungen aus und berücksichtigt Entwicklungsprozesse, welche alters- und systembezogen angestoßen werden. Die Spill-Over-Hypothese von Engfer und Belsky’s Prozessmodell konkretisieren diese allgemeinen Grundsätze des genannten Ansatzes. Die Beziehungsqualität wirkt sich danach auf die ElternKind-Beziehung bzw. die Erziehung aus, welche die kindliche Entwicklung beeinflussen. Die Annahme eines direkten Einflusses der Beziehungsqualität ist zu vereinfacht. Innerhalb eines systemisch-entwicklungsbezogenen Ansatzes bedarf es einer mediierenden Einbindung der Interaktion mit dem Kind, wie die nachfolgenden Modelle aufzeigen werden.

7.4.2 Kommunikationsmodelle Modell II beschreibt die mediierende Rolle der Kommunikation auf der ElternKind-Ebene. Danach beeinflusst die Eltern-Kind-Kommunikation die emotionale Sicherheit bzw. das prosoziale Verhalten des Kindes. Die Eltern-Kind-Kommuni-

230

Ergebnisse

kation wird wiederum von der Beziehungsqualität und der Selbstregulation beeinflusst. Zusätzlich wirkt sich die Beziehungsqualität auf die Selbstregulation aus. Modell III untersucht die Rolle der Attribution als möglichen Mediator im Kommunikationsmodell. Das ursprüngliche Kommunikationsmodell (Modell II) wird um vier weitere Pfade ergänzt. Diese umfassen den Einfluss der Beziehungsqualität auf die Attribution sowie die Wirkung der Attribution auf die Selbstregulation, die Eltern-Kind-Kommunikation und den kindlichen Kompetenzbereich. Die restlichen Pfade sind bereits aus Modell II bekannt. Einfaches Kausalmodell (ES II): Emotionale Sicherheit Abbildung 7.2 zeigt das Kausalmodell der Strukturgleichungsanalyse auf. Tabelle 7.24 gibt die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit wieder. Das vorliegende Strukturgleichungsmodell erhärtet die aufgestellten Annahmen. Die Gütekriterien werden ausnahmslos erfüllt und weisen gute bis sehr gute Werte auf. Das Modell kann demzufolge angenommen werden. Drei der vier postulierten Prädiktoren verfügen über Regressionskoeffizienten auf dem 1 %- und sogar 0.1 %-Niveau. R2 = .418

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.159.

R2 = .171 .414***

emotionale Sicherheit

.578***

.315**

Selbstregulation R2 = .099

Abbildung 7.2: ES II: Einfaches Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 121.896 (110), CFI = .990, TLI = .988, RMSEA = .020, SRMR = .050, GFI = .990, AGFI = .986; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Inwieweit Eltern und ihre Kinder Konflikte und emotionale Spannungen innerhalb ihrer Beziehung vermeiden können, hängt den Ergebnissen zufolge zu 41.8 % von der Kombination aus Beziehungsqualität und Selbstregulation ab. Die Selbstregulation wirkt sich dabei enorm auf die Eltern-Kind-Kommunikation aus (β = .578***). Dass der Pfad Beziehungsqualität  Eltern-Kind-Kommunikation mit γ = .159. nur auf das 10 %-Signifikanzniveau fällt, kann mit der Kontrolle des Ausmaßes der negativen Kommunikation (Selbstregulation) zusammenhängen. So beeinflusst die Beziehungsqualität signifikant das Ausmaß dessen, wie häufig

Strukturgleichungsmodelle

231

die Eltern ihre Kinder beschimpfen oder anschreien (γ = .315**). Die Varianzaufklärung der Selbstregulation beträgt nur 9.9 %. Daraus folgt, dass weitere zentrale Einflüsse auf die Selbstregulation in diesem Modell (noch) nicht berücksichtigt werden. Der starke Effekt der Eltern-Kind-Kommunikation auf die emotionale Sicherheit von β = .414*** erklärt die erhöhte Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit um + 15.4 % auf 17.1 % gegenüber Modell ES I. Der totale Einfluss der Beziehungsqualität über die Eltern-Kind-Kommunikation ist auf dem 1 %-Niveau signifikant mit 𝜉 → 𝜂 = .141**. Dabei ist der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit der Entscheidende, welcher auf dem 1 %-Niveau signifikant ist (𝜉 → 𝜂 = .075**). Der zweite indirekte Pfad Beziehungsqualität  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit kann nur auf dem 10 %-Signifikanzniveau überzeugen (𝜉 → 𝜂 = .066.). Tabelle 7.24: ES II: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV

C. R. 𝝃 → 𝜼 SE (p) Beziehungsqualität Eltern-KindEmotionale .066. .042 1.734 Kommunikation Sicherheit (.083) Beziehungsqualität SelbstEltern-KindEmotionale .075** .031 2.688 regulation Kommunikation Sicherheit (.007) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .141** .048 3.232 (.001) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 121.896 (110), CFI = .990, TLI = .988, RMSEA = .020, SRMR = .050, GFI = .990, AGFI = .986; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Erweitertes Kausalmodell (ES III): Emotionale Sicherheit Abbildung 7.3 informiert über das erweiterte Kausalmodell zur emotionalen Sicherheit. Tabelle 7.25 stellt die dazugehörigen Ergebnisse der indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität in diesem Modell vor. Der gute bis sehr gute Modellfit erlaubt die Annahme des Modells. Die postulierten Prädiktoren sind mit zwei Ausnahmen signifikant. Die Beziehungsqualität wirkt sich nicht signifikant auf die Haltung zum Kind aus (γ = .103). Wie Eltern ihr Kind in problematischen Erziehungssituationen wahrnehmen, ist relativ unabhängig von ihrer Beziehungsqualität, wie die niedrige Varianzaufklärung der Attribution von 1.1 % veranschaulicht. Der zweite nicht-signifikante Pfad bildet der von der Attribution auf die emotionale Sicherheit (β = .147). Dennoch erhöht sich die Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit noch einmal minimal um + 1.3 % auf 18.4 %. Die anderen Regressionskoeffizienten sind signifikant auf dem 5 % - bis 0.1 %-Niveau. Die Eltern-Kind-Kommunikation wirkt sich mit β = .344**

232

Ergebnisse

weiterhin signifikant auf die emotionale Sicherheit aus, auch wenn sich das Signifikanzniveau vom 0.1 %-Niveau auf das 1 %-Niveau verschlechtert hat. Signifikante Prädiktoren für die Eltern-Kind-Kommunikation bilden die Selbstregulation auf dem 0.1 %-Niveau (β = .478***) sowie die Attribution (β = .210*) und die Beziehungsqualität (γ = .167*), jeweils auf dem 5 %-Niveau. Der letztgenannte Pfad hat sich gegenüber dem Vorgängermodell verbessert, in welchem die Beziehungsqualität auf dem 10%-Niveau auf die Eltern-Kind-Kommunikation gewirkt hat. Die aufgeklärte Varianz der Eltern-Kind-Kommunikation erhöht sich leicht um + 2.7 % auf 44.5 %. Der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation bleibt auf dem 1 %-Signifikanzniveau, wird jedoch schwächer (γ = .267**). Zusätzlich ist der Regressionskoeffizient von der Attribution auf die Selbstregulation mit β = .408*** stark ausgeprägt. Die aufgeklärte Varianz der Selbstregulation erfährt in diesem Modell in der Folge den höchsten Zuwachs um +16.1 % auf 26.0 %. Die Ergänzung der Attribution beschreibt trotz der eigenen niedrigen Varianzaufklärung (1.1%) in der Gesamtschau die Wirkmechanismen besser als das Vorgängermodell. R2 =.011

Attribution

.103

.147

.210* R2 = .445

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.167*

emotionale Sicherheit R2 = .184

.408*** .267**

.344**

.478***

Selbstregulation R2 = .260

Abbildung 7.3: ES III: Erweitertes Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 160.795 (157), CFI = .997, TLI = .997, RMSEA = .010, SRMR = .047, GFI = .994, AGFI = .991; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Strukturgleichungsmodelle

233

Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit bleibt stabil auf dem 1 %-Niveau signifikant (𝜉 → 𝜂 = .147**). Die indirekten Effekte unterscheiden sich teilweise vom Modell ES II. So hat der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit im vorherigen Kommunikationsmodell noch eine signifikante Wirkung auf dem 1 %Niveau (𝜉 → 𝜂 = .075**). Diese hat sich auf das 5 %-Niveau verschlechtert (𝜉 → 𝜂 = .044*). Die indirekte Wirkung des Pfades Beziehungsqualität  Eltern-KindKommunikation  emotionale Sicherheit kann erneut ausschließlich auf dem 10 %-Signifikanzniveau bestätigt werden. Die Wirkung dieser beiden Pfade bleibt jedoch essenziell. Gemeinsam klären sie zum größten Teil den totalen Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit auf (𝜉 → 𝜂 = .058. + .044* = .101*). Der Einfluss des Pfades Beziehungsqualität  Attribution emotionale Sicherheit bleibt unbedeutend (𝜉 → 𝜂 = .031). Die Wirkung der beiden restlichen beiden Pfade geht jeweils gegen Null. Tabelle 7.25: ES III: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 Mediator 3

𝝃 → 𝜼 SE C. R. (p) BeziehungsEltern-KindEmotionale .058. .036 1.767 qualität Kommunikation Sicherheit (.077) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .044* .023 2.095 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.036) Beziehungs- Attribution Emotionale .031 .039 1.168 qualität Sicherheit (.243) Beziehungs- Attribution Eltern-KindEmotionale .007 .008 1.061 qualität Kommunikation Sicherheit (.289) Beziehungs- Attribution SelbstEltern-KindEmotionale .007 .007 1.090 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.275) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .147** .051 3.435 (.001) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 160.795 (157), CFI = .997, TLI = .997, RMSEA = .010, SRMR = .047, GFI = .994, AGFI = .991; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 AV

Einfaches Kausalmodell (PV II): Prosoziales Verhalten Das einfache Kommunikationsmodell zum prosozialen Verhalten wird in Abbildung 7.4 aufgezeigt. Tabelle 7.26 informiert über die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Gegenüber dem Kommunikationsmodell zur emotionalen Sicherheit (ES II) fallen die Modellfits schlechter aus. Der χ2-Test ist auf dem 1 %-Niveau signifikant. Die anderen Gütekriterien weisen gute Werte auf, weshalb das Modell angenommen werden kann. Drei der

234

Ergebnisse

vier postulierten Pfadkoeffizienten sind signifikant auf dem 1 %- bzw. 0.1 %Niveau. R2 = .424

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.161.

R2 = .102 .320**

prosoziales Verhalten

.582***

.318***

Selbstregulation R2 = .101

Abbildung 7.4: PV II: Einfaches Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 158.617** (111), CFI = .960, TLI = .951, RMSEA = .040, SRMR = .057, GFI = .978, AGFI = .969; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Wie bereits beim Kommunikationsmodell ES II wirkt die Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Kommunikation mit γ = .161. nur auf dem 10 %-Signifikanzniveau. Die Beziehungsqualität beeinflusst die Selbstregulation erneut signifikant mit γ = .318***. Die Selbstregulation hat auch in diesem Modell einen starken Effekt auf die Eltern-Kind-Kommunikation mit β = .582***. Die Varianzaufklärungen der Eltern-Kind-Kommunikation von 42.4 % (+ 0.6 %) und der Selbstregulation von 10.1 % (+ 0.2 %) unterscheiden sich nur marginal vom Kommunikationsmodell ES II. Dieses Einflussmuster zwischen Beziehungsqualität, Selbstregulation und Eltern-Kind-Kommunikation erweist sich als stabil und unterstützt die Annahme, dass die Beziehungsqualität in erster Linie über die Selbstregulation die Eltern-Kind-Kommunikation beeinflusst. Die Eltern-KindKommunikation bewirkt mit β = .320** eine höhere Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens gegenüber dem ersten Modell zum prosozialen Verhalten (+ 8.1 % auf 10.2 %). Die indirekten und totalen Effekte fallen etwas schwächer aus als beim Modell ES II. Der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-Kind-Kommunikation  prosoziales Verhalten ist nur auf dem 5 %-Niveau signifikant (𝜉 → 𝜂 = .059*). Die Signifikanzniveaus des zweiten indirekten und des totalen Effekts bleiben gleich gegenüber dem Modell ES II. Die Koeffizienten sind in beiden Bereichen jeweils etwas kleiner. Dieses Ergebnis erklärt, warum die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens sich nicht in dem Ausmaß erhöht wie die der emotionalen Sicherheit.

Strukturgleichungsmodelle

235

Tabelle 7.26: PV II: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Beziehungsqualität Eltern-KindProsoziales .052. .033 1.658 Kommunikation Verhalten (.097) Beziehungsqualität SelbstEltern-KindProsoziales .028 2.253 .059* regulation Kommunikation Verhalten (.024) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale .111** .044 2.633 Verhalten (.008) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 158.617** (111), CFI = .960, TLI = .951, RMSEA = .040, SRMR = .057, GFI = .978, AGFI = .969; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Erweitertes Kausalmodell (PV III): Prosoziales Verhalten Abbildung 7.5 stellt die Ergebnisse des erweiterten Kausalmodells PV III dar und Tabelle 7.27 informiert über die dazugehörigen indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. R2 =.012 .362**

Attribution

.108

.204* R2 = .449

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.168*

prosoziales Verhalten R2 = .192

.400*** .268**

.135

.486***

Selbstregulation R2 = .255

Abbildung 7.5: PV III: Erweitertes Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 196.604* (158), CFI = .972, TLI = .966, RMSEA = .030, SRMR = .053, GFI = .982, AGFI = .976; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

236

Ergebnisse

Im vorliegenden Modell liegt ein auf dem 5 %-Niveau signifikanter χ2-Test vor. Die anderen Gütekriterien sind jedoch gut und erlauben eine generelle Annahme des Modells Die Varianzaufklärungen der Mediatoren sowie die Pfadkoeffizienten der Beziehungsqualität auf die Mediatoren bzw. zwischen den Mediatoren sind gegenüber dem Modell mit der emotionalen Sicherheit als abhängiges Konstrukt kaum verändert. Die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die Mediatoren bzw. zwischen den Mediatoren erscheinen stabil und bestätigen die dazu getroffenen Beurteilungen. Jedoch ergeben sich im Vergleich der beiden Modelle ES III und PV III zentrale Unterschiede: Die Eltern-Kind-Kommunikation ist nicht das Entscheidende (β = .135) bei den Wirkmechanismen auf das prosoziale Verhalten. Stattdessen ist die Haltung zum Kind der signifikante Faktor, über den das prosoziale Verhalten zu 19.2 % (+ 9.0 % gegenüber Modell PV II) überwiegend aufgeklärt wird (β = .362**). Die indirekten Effekte bestätigen dieses Ergebnis. Tabelle 7.27: PV III: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 Mediator 3 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) BeziehungsEltern-KindProsoziales .023 .026 .992 qualität Kommunikation Verhalten (.321) BeziehungsSelbstEltern-KindProsoziales .018 .018 1.090 qualität regulation Kommunikation Verhalten (.276) Beziehungs- Attribution Prosoziales .074. .057 1.936 qualität Verhalten (.053) Beziehungs- Attribution Eltern-KindProsoziales .003 .004 .841 qualität Kommunikation Verhalten (.400) Beziehungs- Attribution SelbstEltern-KindProsoziales .003 .004 .854 qualität regulation Kommunikation Verhalten (.393) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .120** .061 2.643 (.008) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 196.604* (158), CFI = .972, TLI = .966, RMSEA = .030, SRMR = .053, GFI = .982, AGFI = .976; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Die Signifikanzniveaus der indirekten Effekte aus Modell PV II können sich nicht halten. Weder der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-KindKommunikation  prosoziales Verhalten noch der Pfad Beziehungsqualität  Eltern-Kind-Kommunikation  prosoziales Verhalten zeigt eine indirekte signifikante Wirkung auf das prosoziale Verhalten. Die Summe der indirekten Effekte dieser beiden Pfade bestätigt ihren Bedeutungsverlust gegenüber Modell PV II mit 𝜉 → 𝜂 = .041 (𝜉 → 𝜂 = .018 + .023). Der Pfad Beziehungsqualität  Attribution  prosoziales Verhalten bildet einzig auf dem 10 %-Signifikanzniveau eine

Strukturgleichungsmodelle

237

indirekte Wirkung der Beziehungsqualität ab. Dieser Effekt marginalisiert sich angesichts der geringen Varianzaufklärung der Attribution. In der Gesamtschau ergibt sich ein totaler Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten von 𝜉 → 𝜂 = .120**, welcher summarisch überwiegend über die drei genannten Pfade zustande kommt. Die beiden restlichen Pfade sind wie bereits beim Modell ES III fast wirkungslos (jeweils 𝜉 → 𝜂 = .003). Das Kommunikationsmodell ist insgesamt weniger dienlich, um die indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten zu beschreiben. Beurteilung Im Rahmen des Verhandlungshaushaltes (vgl. Ecarius 2002, 2007; Grundmann und Hoffmeister 2011; Winkler 2012) verdeutlichen die Kommunikationsmodelle nicht nur die besondere Rolle von Eltern-Kind-Kommunikationsprozessen sondern auch die Bedeutung ihrer Qualität. Die Ergebnisse stellen einen Ausschnitt der systemischen Struktur der Stieffamilie dar (vgl. Abschnitt 2.4.2). So wirkt sich das Paarsystem auf das Eltern-Kind- und indirekt auf das Kind-System aus. Die Modelle zeigen für Stieffamilien auf, dass Eltern mit einer hohen Beziehungsqualität konstruktiver mit ihren Kindern kommunizieren als Eltern mit einer niedrigen Beziehungsqualität. Insbesondere die kindliche Ausbildung der emotionalen Sicherheit wird davon tangiert. Während das einfache Kommunikationsmodell (Modell II) sich für die beiden kindlichen Kompetenzfelder bestätigt, liegt der Fall beim erweiterten Kommunikationsmodell (Modell III) anders. Modell II erlaubt bei beiden kindlichen Kompetenzbereichen eine Annahme der Hypothesen H2b bis H2d. Die Beziehungsqualität beeinflusst über die Selbstregulation die Eltern-Kind-Kommunikation und damit die kindlichen Kompetenzbereiche. Dieser Effekt fällt bei der emotionalen Sicherheit tendenziell höher aus als beim prosozialen Verhalten. Die Hypothese H2a (Beziehungsqualität  Eltern-Kind-Kommunikation) kann jeweils nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % angenommen werden. Die niedrige Varianzaufklärung der Selbstregulation von 9.9 % bzw. 10.1 % zeigt in beiden Kommunikationsmodellen auf, dass noch nicht alle Wirkmechanismen erfasst sind. Gleiches gilt für die gegenüber Modell I verbesserte Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit (17.1 %) und des prosozialen Verhaltens (10.2 %). Bei beiden kindlichen Kompetenzbereichen erlaubt Modell III die Annahme der Hypothesen H2a bis H2c. Die Beziehungsqualität beeinflusst weiterhin die Selbstregulation, welche sich erneut auf die Eltern-Kind-Kommunikation auswirkt. Dieser Effekt bleibt unabhängig von der Modellkomplexität und des eingesetzten kindlichen Kompetenzbereichs bestehen. Die Beziehungsqualität wirkt in Modell III signifikant auf dem 5 %-Niveau auf die Eltern-Kind-Kommunikation. Die signifikante

238

Ergebnisse

Wirkung der Attribution auf die Selbstregulation (H2f) und die Eltern-Kind-Kommunikation (H2g) bestätigt in den Modellen ES III und PV III die genannten Hypothesen und erklärt deren erhöhte Varianzaufklärung. Eine Wirkung der Beziehungsqualität auf die Attribution muss unabhängig vom kindlichen Kompetenzfeld abgelehnt werden (H2e). Die Hypothese H2d, welche von einem Einfluss der Eltern-Kind-Kommunikation auf den kindlichen Kompetenzbereich ausgeht, kann einzig bei der emotionalen Sicherheit angenommen werden. Dagegen gewinnt die Attribution beim prosozialen Verhalten an Bedeutung, weshalb in diesem Fall die Hypothese H2h (Attribution  prosoziales Verhalten) bestätigt wird. Diese Hypothese wird bei der emotionalen Sicherheit abgelehnt. Die Ergebnisse aus Modell III verweisen auf die Bedeutung des spezifisch betrachteten kindlichen Kompetenzfeldes, um Effekte der Eltern-Kind-Kommunikation ermitteln zu können. So sind die Beziehungsstrukturen der Eltern-Kind-Kommunikation in dieser Untersuchung ein eher unzureichender Ansatz, um die indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten zu erklären. Bei der emotionalen Sicherheit kann das Modell dagegen bestätigt werden. Aus kindlicher Sicht können die Ergebnisse folgendermaßen eingeordnet werden: Das Kind benötigt innerhalb seiner Stieffamilie eine Beziehungsstruktur der Nähe im Sinne von Ecarius (vgl. Abschnitt 3.1.2), welche sich auch in der gelebten Kommunikationskultur niederschlägt. Erfährt das Kind die elterliche Beziehungsqualität und die eigene Kommunikation mit seinen Eltern als vertrauensvolle, dauerhafte, reziproke Verbundenheit (vgl. Abschnitt 4.2.3), erlebt es ein warmherziges Familienklima (vgl. Abschnitt 4.2.1). Diese Beziehungsstrukturen bieten für das Kind bei positiver Ausrichtung ein Element emotionaler Stabilisierung und stehen mit einer verantworteten Elternschaft im Einklang (vgl. Abschnitt 4.2; Liegle 2017). Das Kind entwickelt im Zuge dessen Vertrauen in sich und seine Umwelt. Seine Identität wird dadurch gestärkt (vgl. Ecarius 2002; Mollenhauer et al. 1978). Die emotionale Sicherheit wird ausgebaut. Es entwickelt sich im Rahmen eines konstruktiven elterlichen Kommunikationsstils mit dem Kind in gewissem Maße auch ein soziales Verantwortungsgefühl.125 Eine destruktive ElternKind-Kommunikation gefährdet dagegen den kindlichen Kompetenzaufbau. Die LBS-Studie (2014) stellt zum Beispiel einen hohen korrelativen Zusammenhang zwischen kindlichem Stressempfinden und der Häufigkeit von Eltern-Kind-Konflikten her (r = .60; vgl. ebd.: 125). Ein elterlicher Kommunikationsstil, in welchem das Kind angeschrien oder beschimpft wird, erhöht die feindselige Atmosphäre im Eltern-Kind-System und damit das kindliche Stressempfinden sowie auch die Häufigkeit an Konflikten und emotionalen Spannungen. Ein niedriges 125

Darauf verweist Modell PV II. Denn auch wenn der Einfluss der Beziehungsqualität in diesem Modell gering ist, erhöht sich die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens gegenüber dem Modell PV I.

Strukturgleichungsmodelle

239

Maß an elterlicher Impulsivität, an Konflikten, Meinungsverschiedenheiten und Ärger über den anderen gibt somit Aufschluss, wie die Kommunikation innerhalb dieser Beziehung abläuft. Eine so vermittelte sichere Ausgangsbasis bietet dem Heranwachsenden die Sicherheit, sich gegenüber seinem Elternteil zu öffnen. Er ist in der Lage, seine Gefühle und Gedanken, seine Sorgen und Ängste mitzuteilen. Eine solch geartete Eltern-Kind-Beziehung versetzt das Eltern-Kind-System in die Lage des gegenseitigen Verstehens, des gemeinsamen Aushandelns und ermöglicht, die anfangs asymmetrische Beziehung (kindliche Abhängigkeit) im Laufe der kindlichen Entwicklung in eine mehr und mehr symmetrische Beziehung (Gegenseitigkeit, gegenseitiges Verständnis) gemeinsam umzugestalten (vgl. Fuhrer 2005: 220, Hofer und Pikowsky 2002: 244, 246). Die Ergebnisse verdeutlichen in Bezug auf die Eltern folgendes: Die Beziehungsqualität bildet je nach Ausprägung eine wichtige Ressource oder einen Stressor im Zusammenhang mit dem Verhalten gegenüber dem Kind. Dies steht im Zusammenhang mit den aufgeführten psychologischen Ansätzen von Abidin und Belsky (vgl. Abschnitte 4.3.2 und 4.3.3). Eine niedrige Beziehungsqualität könnte das allgemeine Stressniveau des Elternteils negativ beeinflussen. Deshalb agiert er emotional angespannter und impulsiver gegenüber dem Kind. Umgekehrt kann eine hohe Beziehungsqualität als Ressource die Gelassenheit in Stresssituationen fördern, zu einer höheren Selbstregulation führen und die Eltern-Kind-Kommunikation positiv beeinflussen. Dieses Modell befindet sich damit auch im Einklang mit der Spill-Over-Hypothese von Engfer (vgl. Abschnitt 4.3.1). Das Beziehungsumfeld auf der Paar- und der Eltern-Kind-Ebene beeinflusst in der Folge die kindliche Wahrnehmung seiner Entwicklungsaufgaben und den kindlichen Umgang mit den eigenen Emotionen (vgl. Bradford und Barber 2005; Malik und Rohner 2012; Nelson et al. 2009). Die elterlichen Kommunikationskompetenzen sind dabei von besonderer Bedeutung (vgl. u. a. Bradford et al. 2008; Floyd et al. 1998; Katz und Woodin 2002; McHale und Rasmussen 1998). Die Untersuchungsergebnisse können durch eine Reihe von Studien zu Paarkonflikten, zur Beziehungsqualität und zu zufriedenen bzw. unzufriedenen Paaren bekräftigt werden (vgl. auch Abschnitt 5.1.2). Danach wirken sich partnerschaftliche Konflikte negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung aus, erhöhen die ElternKind-Konflikte und reduzieren die elterliche Unterstützung des Kindes. Die Erklärungsmuster dazu sind vielfältig. Häufige und intensive Paarkonflikte involvieren das Kind zunehmend. Das Kind fühlt sich unter Umständen dazu verleitet, zwischen den unterschiedlichen Seiten und Positionen zu wählen. Auch können die mit den Paarkonflikten einhergehenden Aggressionen (vgl. Grych und Fincham 1990: 276; Krishnakumar und Buehler 2000) und der daraus resultierenden mangelnden elterlichen Feinfühligkeit (vgl. Krishnakumar und Buehler 2000;

240

Ergebnisse

Owen und Cox 1997) auf die Eltern-Kind-Ebene abfärben und auf kindlicher Seite für die Beziehungsebene als Modell dienen. Ferner gefährdet das Niveau an Paarkonflikten das Co-Parenting, die Familienkohäsion, das Familienklima und die gemeinsamen Aktivitäten (vgl. Davies und Cummings 1994; Katz und Woodin 2002; Schoppe et al. 2001). Die Eltern agieren weniger als erziehendes Team. So steigen die gegenseitige Kritik in Bezug auf die Erziehung an und in der Folge ziehen sich insbesondere die Väter aus ihrer Erzieherrolle zurück (vgl. Floyd et al. 1998). Eine niedrige Qualität der Paarbeziehung beeinflusst demzufolge nicht nur die Eltern-Kind-Ebene, sondern reduziert bei Eltern die Möglichkeit, ihre innewohnenden Elternkompetenzen abzurufen, sich gegenseitig in ihrer Elternrolle zu unterstützen und ihre Aufgabe, als „Familienvorsteher“ ein wohlfühlendes und emotional stabilisierendes Familienklima zu bilden, adäquat zu erfüllen. Daraus folgt ein häufiger verunsichertes Kind, welches seine Eltern weniger als Unterstützungsquelle wahrnimmt und in seinem Wohlbefinden gefährdet ist (vgl. Davies und Cummings 1994). Dieser toxische Kreislauf gefährdet die emotionale Sicherheit des Kindes (vgl. Fuhrer 2009; Owen und Cox 1997) und wirkt negativ auf die Paarbeziehung zurück (vgl. Floyd et al. 1998). Eine hohe Beziehungsqualität wiederum fördert die Eltern-Kind-Beziehung (vgl. Erel und Burman 1995; Floyd et al. 1998) und die emotionale Sicherheit des Kindes (vgl. Werneck und Rollett 2007). Die Eltern greifen besser auf ihre eigenen Kompetenzen zu, unterstützen sich gegenseitig mehr und fördern ein positives Familienklima, in welchem sich die Familienmitglieder wohlfühlen und emotional stabilisieren können. Das Kind erlebt verlässliche, dauerhafte und reziproke Beziehungen und erlebt die Familie als förderliches Lernmilieu. Die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit und der vorgestellten Studienergebnisse bestätigen die Spill-Over-Hypothese auf der Ebene der ElternKind-Kommunikation. Aus den weiterführenden Studien wird die systemische Natur der Familie deutlich, in welcher die einseitigen Ursache-Wirkung-Mechanismen nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind. Will sich die selbst verstärkende Spirale aus Beziehungsqualität, Eltern-Kind-Kommunikation und kindlichen Kompetenzen in eine positive Richtung entwickeln, ist es die Aufgabe der Eltern, ihre Partnerschaftsqualität und ihre Kommunikation mit dem Kind selbstkritisch zu reflektieren und die beiden Bereiche positiv zu gestalten, um die positiven Rückkoppelungsprozesse für sich und die Familie nutzbar zu machen. Dabei sind gleichzeitig die Paar- und die Eltern-Kind-Ebene zu berücksichtigen. Wie die Meta-Studie von Erel und Burman (1995) herausstellt, ist es schwierig, die ElternKind-Ebene positiv zu gestalten, wenn die Beziehungsqualität niedrig ist. Ein alternatives Erklärungsmodell will nicht vorenthalten werden. Es kann auch sein, dass Eltern mit einer besonders niedrigen Beziehungsqualität allgemein geringere

Strukturgleichungsmodelle

241

Kommunikationskompetenzen aufweisen, dies gilt auch gegenüber ihren Kindern. Damit können sie ihre Kinder entsprechend weniger bei der Kompetenzausbildung unterstützen (vgl. Krishnakumar und Buehler 2000). Umgekehrt gilt das Gleiche. Eltern mit einer hohen Beziehungsqualität erweisen sich nach dieser Betrachtungsweise auch in der Kommunikation allgemein und mit ihrem Kind kompetent und fördern in der Folge seine emotionale Sicherheit intensiv und sein prosoziales Verhalten in geringem Maße. Eine Sonderstellung nimmt die Attribution in den Untersuchungsergebnissen ein. Der deutliche Einfluss der Attribution auf das prosoziale Verhalten kann unterschiedlich erklärt werden. Einerseits könnten die Attributionsmuster beeinflussen, wie die Eltern das kindliche Verhalten wahrnehmen und im Fragebogen entsprechend beurteilen. Andererseits kann im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die Haltung zum Kind entsprechendes prosoziales Verhalten beim Kind evozieren bzw. reduzieren. Eine mögliche Folge des zweiten Erklärungsansatzes ist, dass sich die Haltung zum Kind auf dessen Handlungsmotivation und die Kompetenzausbildung im Bereich des prosozialen Verhaltens auswirkt (vgl. auch Seligman 1999). Das Kind erfährt bei feindseligen Attributionen weniger Selbstwirksamkeit, da die positive Aufmerksamkeit beim prosozialen Verhalten ausbleibt. Ein dritter Erklärungsansatz ist, dass das Kommunikationsmodell für das prosoziale Verhalten des Kindes nicht das passende Erklärungsmodell ist und der Einfluss der Attribution auf dieses kindliche Kompetenzfeld überschätzt werden könnte. Einzelne Studien verweisen auf den mediierenden Effekt der Attribution auf das elterliche Verhalten. Führen Eltern kindliches Fehlverhalten auf dessen Persönlichkeit zurück, sinkt auch die Zufriedenheit mit der eigenen Elternrolle und das Aggressionsniveau gegenüber Familienmitgliedern und insbesondere gegenüber dem Kind steigt an (vgl. Snarr et al. 2009). Zugleich erhöht sich die Impulsivität gegenüber dem Kind (vgl. Slep und O'Leary 1998; Snarr et al. 2009). Nix et al. (1999) kommen zu dem Ergebnis, dass hostile Attributionsmuster elterliche Härte gegenüber dem Kind erwarten lässt. Diese Ergebnisse werden im Bereich der elterlichen Selbstregulation und der Eltern-Kind-Kommunikation in dieser Untersuchung für Stieffamilien repliziert. Die in dieser Arbeit verfolgte pädagogisch-ethische Grundhaltung findet ihre Bestätigung (vgl. Abschnitt 4.2.1). Wie Eltern ihre Kinder sehen, inwieweit sie ihrem Kind Würde zusprechen, bestimmt mit, inwieweit sie ihre Kinder im Alltag anschreien oder beschimpfen. Daraus wird eine Spirale deutlich, welche sich auf das Kind und seine Kompetenzentfaltung auswirken kann. Missachten Eltern die Würde ihres Kindes, seine einzigartige Persönlichkeit und seinen Willen, seinen Platz im Familiensystem einzuneh-

242

Ergebnisse

men und die Familie mitzugestalten, handeln sie zusätzlich zunehmend unreflektiert und entgegen der elterlichen Verantwortung. Das Kind erfährt Ohnmacht, bekommt das Gefühl, nichts recht machen zu können, und verfällt im Sinne Seligmans in ein Muster erlernter Hilflosigkeit (vgl. auch Seligman 1999). In der Folge dieser erfahrenen Unsicherheit wird es dem Kind erschwert, seine Kompetenzen emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten adäquat aufzubauen. Erlebt das Kind eine uneingeschränkte Achtung seiner Person (vgl. Abschnitt 4.2.1), ist es rücksichtsvoller, hilfsbereiter und eher dazu geneigt, mit anderen zu teilen, als wenn es weniger Wertschätzung erfährt. Dieser Aspekt bestätigt Herbarts These, dass die Achtung der Rechte des Anderen durch Erziehung vermittelt wird und im Rahmen von Lernprozessen erworben wird (vgl. ebd.). Im Zuge dessen lernen Kinder Achtsamkeit, Empathie und Perspektivübernahme durch eigene Erfahrung im Sinne des sozialen Lernens von Bandura (vgl. Abschnitt 4.1.2). Sie verfügen eher über die Kompetenz, prosozial zu agieren. Der noch unaufgeklärte Varianzanteil der beiden kindlichen Kompetenzfelder kann anhand unterschiedlicher Mechanismen erklärt werden. So bleibt ein Großteil der Systeme des Kindes unberücksichtigt (außerhalb lebender leiblicher Elternteil, Schule, Gleichaltrige etc.). Das Alter der Kinder (acht bis 16 Jahre) verweist auf ihre zunehmende Autonomie von den Eltern (vgl. Abschnitt 3.4.1). Innerhalb einer entwicklungsbezogenen Sichtweise bleiben vergangene Lernerfahrungen des Kindes unberücksichtigt (vgl. Abschnitt 2.4.2). Der untersuchte Ausschnitt der kindlichen Lebenswelt ist damit stark eingegrenzt, weshalb die festgehaltenen Varianzaufklärungen beachtlich sind. Der fehlende Einfluss der Beziehungsqualität auf die Attribution wird in der Zusammenfassung in Abschnitt 7.4.5 diskutiert.

7.4.3 Modelle zur autoritativen Erziehung Die autoritative Erziehung wird über die Konstrukte der elterlichen Warmherzigkeit und Konsequenz gebildet. In Modell IV wirkt die Beziehungsqualität auf die beiden Mediatoren, welche sich wiederum auf den kindlichen Kompetenzbereich auswirken. Modell V ergänzt das einfache Modell zur autoritativen Erziehung (Modell IV) um die Attributionsmuster. Die Beziehungsqualität wirkt sich in den Modellen zur emotionalen Sicherheit und zum prosozialen Verhalten zusätzlich auf die Attribution aus, welche auf die Warmherzigkeit, die Konsequenz und die kindlichen Kompetenzfelder Einfluss nimmt. Alle anderen Pfade bleiben gegenüber Modell IV unverändert.

Strukturgleichungsmodelle

243

Einfaches Kausalmodell (ES IV): Emotionale Sicherheit Abbildung 7.6 zeigt die Ergebnisse der Strukturgleichungsanalyse auf und Tabelle 7.28 informiert über die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit in diesem Modell. R2 = .037 .192*

Konsequenz

.163. R2 = .032

emotionale Sicherheit

Beziehungsqualität

.185*

Warmherzigkeit

.070

R2 = .034

Abbildung 7.6: ES IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 161.599 (143), CFI = .985, TLI = .983, RMSEA = .022, SRMR = .056, GFI = .989, AGFI = .985; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 Tabelle 7.28: ES IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Beziehungsqualität Warmherzigkeit Emotionale .013 .018 .742 Sicherheit (.458) Beziehungsqualität Konsequenz Emotionale .031 .023 1.410 Sicherheit (.158) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .044 .029 1.555 (.120) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 161.599 (143), CFI = .985, TLI = .983, RMSEA = .022, SRMR = .056, GFI = .989, AGFI = .985; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Alle Gütekriterien fallen gut aus und erlauben aus empirischer Sicht eine grundsätzliche Annahme des Modells. Die niedrige Varianzaufklärung der Warmherzigkeit von 3.4 % und der Konsequenz von 3.7 % weisen nach, dass die Wirkmechanismen auf diese beiden Konstrukte noch unzureichend aufgeklärt sind. Dieses Modell erklärt den Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit

244

Ergebnisse

unzureichend. So verbessert sich die Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit nur um 1.5 % auf 3.2 % gegenüber Modell ES I und die postulierten Prädiktoren sind allein bei den Einflüssen der Beziehungsqualität auf die Konsequenz (γ = .192*) und die Warmherzigkeit (γ = .185*) auf dem 5 %-Niveau signifikant. Die Warmherzigkeit übt keinen signifikanten Einfluss auf die emotionale Sicherheit aus (β = .070). Der Pfad Konsequenz  emotionale Sicherheit ist nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % signifikant (β = .163.). Alle indirekten Effekte und der totale Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit bleiben nicht signifikant (totaler Effekt: 𝜉 → 𝜂 = .044). Erweitertes Kausalmodell (ES V): Emotionale Sicherheit Abbildung 7.7 gibt die Ergebnisse der Kausalanalyse wieder. Tabelle 7.29 informiert über die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit. Die globalen Gütekriterien fallen gut bis sehr gut aus und erlauben aus empirischer Sicht die Annahme des Modells. R2 = .047

Konsequenz

179.

.123

.104

Beziehungsqualität

.105

Attribution R2 = .011

.154.

R2 = .100 .281**

emotionale Sicherheit

.278**

Warmherzigkeit

-.016

R2 = .110

Abbildung 7.7: ES V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 221.639 (196), CFI = .983, TLI = .979, RMSEA = .022, SRMR = .057, GFI = .987, AGFI = .983; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Bereits das Modell ES IV hat die eingeschränkte Erklärungskraft des Modells zur autoritativen Erziehung für die emotionale Sicherheit aufgezeigt. Dieses Ergebnis wird im Folgenden bestätigt. Das Modell zeigt auf, dass die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit nicht über die autoritative

Strukturgleichungsmodelle

245

Erziehung stattfinden. Das Modell erfüllt zwar alle globalen Gütekriterien und klärt 10 % der Varianz der emotionalen Sicherheit auf. Dabei spielen die Konsequenz (β = .123) und die Warmherzigkeit (β = -.016) jedoch keine Rolle, wie die nicht signifikanten Pfadkoeffizienten vermitteln. Allein die Attribution ist wichtig, um die aufgeklärte Varianz der emotionalen Sicherheit zu erklären (β = .281**). Die durchgehend nicht signifikanten indirekten und totalen Effekte bestätigen dieses Ergebnis. Der Pfad Beziehungsqualität  Attribution emotionale Sicherheit leistet den höchsten Beitrag zum totalen Effekt mit 𝜉 → 𝜂 = .029 (totaler Effekt: 𝜉 → 𝜂 = .050). Danach folgt der Pfad Beziehungsqualität  Konsequenz emotionale Sicherheit mit (𝜉 → 𝜂 = .022). Die Koeffizienten beider Pfade fallen niedrig aus. Alle anderen indirekten Einflüsse bewegen sich um den Null-Wert. Die Beziehungsqualität beeinflusst die emotionale Sicherheit nicht über die autoritative Erziehung. Tabelle 7.29: ES V: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) BeziehungsWarmherzig- Emotionale -.002 .014 -.180 qualität keit Sicherheit (.857) BeziehungsKonsequenz Emotionale .022 .020 1.165 qualität Sicherheit (.244) BeziehungsEmotionale .029 .027 1.147 Attribution qualität Sicherheit (.252) BeziehungsAttribution Warmherzig- Emotionale -.000 .003 -.172 qualität keit Sicherheit (.863) BeziehungsAttribution Konsequenz Emotionale .001 .002 .722 qualität Sicherheit (.470) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale .050 .038 1.388 Sicherheit (.165) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 221.639 (196), CFI = .983, TLI = .979, RMSEA = .022, SRMR = .057, GFI = .987, AGFI = .983; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Einfaches Kausalmodell (PV IV): Prosoziales Verhalten Abbildung 7.8 stellt das Kausalmodell vor. Tabelle 7.30 gibt die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten wieder. Der χ2-Test fällt auf dem 5 %-Niveau signifikant aus. Alle anderen Gütekriterien fallen zufriedenstellend bis gut auf, weshalb das Modell immer noch gut zu den empirischen Daten passt und der autoritative Erziehungsstil einen passenden Mediator bildet. Die nur marginal auftretenden Unterschiede der Pfadkoeffizienten und der Varianzaufklärungen bei den Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die

246

Ergebnisse

Mediatoren zwischen diesem Modell und dem Modell ES IV bestätigt eine gewisse Stabilität der eingeschränkten Einflussmechanismen der Beziehungsqualität auf den autoritativen Erziehungsstil. Die Varianzaufklärungen der Konsequenz (3.4 %) und der Warmherzigkeit (3.4 %) sind wiederum niedrig. Die Wirkmechanismen sind in ihre Gänze noch nicht vollständig erfasst. R2 = .034 .184*

Konsequenz

.304** R2 = .380

prosoziales Verhalten

Beziehungsqualität

.184*

Warmherzigkeit

.526***

R2 = .034

Abbildung 7.8: PV IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 180.139* (144), CFI = .972, TLI = .966, RMSEA = .031, SRMR = .055, GFI = .983, AGFI = .978; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 Tabelle 7.30: PV IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Beziehungsqualität Warmherzigkeit Prosoziales .061 2.030 .097* Verhalten (.042) Beziehungsqualität Konsequenz Prosoziales .056. .040 1.782 Verhalten (.075) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .153** .066 2.925 (.003) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 180.139* (144), CFI = .972, TLI = .966, RMSEA = .031, SRMR = .055, GFI = .983, AGFI = .978; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

38.0 % der Varianz des prosozialen Verhaltens kann durch die mediierende Kombination der elterlichen Warmherzigkeit und Konsequenz erklärt werden. Im Gegensatz zum ersten Modell PV I erhöht sich damit die Varianzaufklärung um + 35.9 %. Beide Konstrukte wirken sich signifikant auf das prosoziale Verhalten

Strukturgleichungsmodelle

247

aus. Der auf dem 1 %-Niveau signifikante totale Effekt der Beziehungsqualität bestätigt das Modell mit 𝜉 → 𝜂 = 153**. Die indirekten Effekte verweisen dabei auf eine größere Bedeutung der Warmherzigkeit gegenüber der Konsequenz. So ist der indirekte Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten über die Warmherzigkeit auf dem 5 %-Niveau signifikant mit 𝜉 → 𝜂 = .097*. Der indirekte Effekt über die Konsequenz bleibt dagegen nur auf dem 10 %-Niveau signifikant (𝜉 → 𝜂 = .056.). Erweitertes Kausalmodell (Modell V): Prosoziales Verhalten Das ursprüngliche Modell zur autoritativen Erziehung (PV IV) hat sich für das prosoziale Verhalten bewährt und wird in der Folge um die Attribution ergänzt. Abbildung 7.9 stellt die Ergebnisse des Kausalmodells vor und Tabelle 7.31 informiert über die dazugehörigen indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Der Modellfit hat sich in seiner Gesamtschau gegenüber dem Vorgängermodell (PV IV) nur marginal verändert. Der χ2-Test ist erneut auf dem 5 %-Niveau signifikant. Die anderen Gütekriterien liefern jedoch zufriedenstellende bis gute Ergebnisse und erlauben eine generelle Annahme des Modells. Die postulierten Prädiktoren sind mit vier entscheidenden Ausnahmen signifikant. R2 = .045

Konsequenz

172.

.266**

.107

Beziehungsqualität

.098

Attribution R2 = .010

.155.

R2 = .431 .246*

prosoziales Verhalten

.281**

Warmherzigkeit

.451***

R2 = .111

Abbildung 7.9: PV V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 236.298* (197), CFI = .973, TLI = .968, RMSEA = .028, SRMR = .056, GFI = .982, AGFI = .977; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

248

Ergebnisse

Die Attribution übt keinen signifikanten Einfluss auf die Konsequenz aus (β = .107). Die Beziehungsqualität wirkt sich wie bei den Modellen ES III, PV III und ES V nicht signifikant auf die Attribution aus (γ = .098). Sie verliert ihren signifikanten Einfluss auf die Warmherzigkeit und die Konsequenz (Verschlechterung: 5 %-Niveau auf 10 %-Niveau mit γ = .155. bzw. γ = .172.). Signifikante Pfadkoeffizienten existieren von der Attribution auf die Warmherzigkeit (β = .281**) und auf das prosoziale Verhalten (β = .246*). Die Warmherzigkeit übt weiterhin einen hoch signifikanten Einfluss auf das prosoziale Verhalten aus (β = .451***). Die Konsequenz wirkt sich leicht geringer auf diesen kindlichen Kompetenzbereich aus (von β = .304** auf β = .266**). Die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens verbessert sich um + 5.1 % auf 43.1 %. Auch die Varianzaufklärung der Warmherzigkeit erhöht sich um + 7.7 % auf 11.1 %. Die Varianzaufklärung der Konsequenz bleibt weiterhin niedrig (4.5 %) mit einer leichten Erhöhung um + 1.1 %. Die Wirkung der Beziehungsqualität auf die Attribution ist mit einer Varianzaufklärung von 1.0 % erneut sehr niedrig. Tabelle 7.31: PV V: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV

SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) BeziehungsWarmherzig- Prosoziales .070. .053 1.764 qualität keit Verhalten (.078) BeziehungsKonsequenz Prosoziales .046 .038 1.603 qualität (.109) Verhalten Attribution BeziehungsProsoziales .024 .034 .923 qualität Verhalten (.356) BeziehungsAttribution Warmherzig- Prosoziales .012 .016 1.016 qualität keit Verhalten (.309) BeziehungsAttribution Konsequenz Prosoziales .003 .004 .838 qualität Verhalten (.402) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .155** .077 2.662 (.008) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 236.298* (197), CFI = .973, TLI = .968, RMSEA = .028, SRMR = .056, GFI = .982, AGFI=.977; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten verbessert sich kaum (𝜉 → 𝜂 = .155**). Die indirekten Effekte wirken sich nicht einzeln aus. Der indirekte Effekt des Pfades Beziehungsqualität  Warmherzigkeit  prosoziales Verhalten verliert seine signifikante Wirkung (Modell PV IV: 𝜉 → 𝜂 = .097*; Modell PV V: 𝜉 → 𝜂 = .070.). Er bleibt jedoch derjenige Pfad mit dem höchsten indirekten Effekt. Gemeinsam mit dem Pfad Beziehungsqualität  Konsequenz  prosoziales Verhalten ergibt sich eine signifikante Summe von 𝜉 →

Strukturgleichungsmodelle

249

𝜂 = .116** (𝜉 → 𝜂 = .070. + .046 = .116**). Gemeinsam klären die beiden Pfade den größten Anteil des totalen Effekts auf. Dabei ist die Warmherzigkeit bedeutsamer als die Konsequenz. Der Pfad Beziehungsqualität  Attribution  Konsequenz  prosoziales Verhalten zeigt einen indirekten Effekt von nahezu Null. Die beiden restlichen Pfade vermitteln sehr niedrige indirekte Effekte. Der autoritative Erziehungsstil wird als bedeutsamer Mediator für den indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf das kindliche prosoziale Verhalten bestätigt. Beurteilung Neben den innerfamilialen Beziehungsmustern wirken auch die elterlichen Erziehungsmuster auf das Kind und seinen Kompetenzaufbau. Die aufgeführten Modelle offenbaren dabei die Haltung zum Kind als wichtigen Indikator für den elterlichen Erziehungsstil. Während das einfache Modell zur autoritativen Erziehung einen signifikanten Einfluss der Beziehungsqualität auf die Warmherzigkeit und die Konsequenz feststellt, offenbart das erweiterte Modell die besondere Rolle der Haltung zum Kind, welche den Einfluss der Beziehungsqualität signifikant reduziert und selbst signifikant auf die Warmherzigkeit wirkt. Das Modell zur autoritativen Erziehung ist im Gegensatz zum Kommunikationsmodell nicht dazu geeignet, die indirekten Einflüsse der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit zu beschreiben. Es muss für diesen kindlichen Kompetenzbereich trotz leicht erhöhter Varianzaufklärung abgelehnt werden. Das Modell weist jedoch eine gute Mediatorfunktion dieses Erziehungsstils für die Beschreibung der indirekten und totalen Einflüsse der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten nach. Das einfache Modell zur autoritativen Erziehung bestätigt bei beiden kindlichen Kompetenzbereichen die Hypothesen H3a und H3b. Die Beziehungsqualität wirkt sowohl auf die Warmherzigkeit als auch auf die Konsequenz. Jedoch beeinflussen die beiden Konstrukte des elterlichen Erziehungsstils nicht die emotionale Sicherheit, weshalb die Hypothesen H3c und H3d in diesem Fall abgelehnt werden. Anders liegt der Fall beim kindlichen prosozialen Verhalten, bei welchem die Hypothesen H3c und H3d angenommen werden können. Die Beziehungsqualität wirkt über die Konsequenz und die Warmherzigkeit auf das prosoziale Verhalten. Dabei ist die Warmherzigkeit bedeutsamer als die Konsequenz. Insgesamt weisen die niedrigen Varianzaufklärungen der Konsequenz und der Warmherzigkeit in Modell IV darauf hin, dass weitere noch nicht erfasste Wirkmechanismen vorhanden sind. Im erweiterten Modell V bestätigt sich die bereits in Modell III konstatierte Independenz der Attribution von der Beziehungsqualität und die damit verbundene Notwendigkeit der Ablehnung von Hypothese H3e. Dies gilt unabhängig vom eingesetzten kindlichen Kompetenzbereich. Die Haltung zum Kind wirkt sich in den Modellen ES V und PV V nicht auf die Konsequenz aus (Ablehnung von

250

Ergebnisse

H3f). Das erweiterte Modell bestätigt die erforderliche Ablehnung des Modells für die emotionale Sicherheit des Kindes. Einzig die Attribution wirkt auf die emotionale Sicherheit (H3h) und die Warmherzigkeit (H3g). Diese beiden Hypothesen können auch beim prosozialen Verhalten bestätigt werden. Die Hypothesen H3a (Beziehungsqualität  Konsequenz) und H3b (Beziehungsqualität  Warmherzigkeit) finden bei beiden kindlichen Kompetenzbereichen einzig mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % ihre Bestätigung. Alle anderen Wirkmechanismen bleiben bei der emotionalen Sicherheit nicht signifikant. Wie bereits beim einfachen Modell zur autoritativen Erziehung ES IV beeinflussen weder die Konsequenz noch die Warmherzigkeit die kindliche emotionale Sicherheit im Modell ES V (Ablehnung der Hypothesen H3c und H3d). Diese Wirkmechanismen können beim prosozialen Verhalten auch der Kontrolle durch die Attribution standhalten. Sowohl die Warmherzigkeit als auch die Konsequenz wirken signifikant auf das prosoziale Verhalten des Kindes. In der Summe übt die Beziehungsqualität weiterhin über diese beiden Mediatoren einen Effekt auf das prosoziale Verhalten aus. Aus Kinderperspektive zeigen die Ergebnisse folgendes: Das Erlernen prosozialen Verhaltens benötigt eine Kombination aus emotionaler Wärme und strukturierender Grenzen im Sinne Tschöpe-Schefflers (vgl. Abschnitt 4.2.4), Liegles (vgl. Liegle 2017: 246-275) und Baumrinds (vgl. Abschnitte 4.2.4). Das Kind fühlt sich angenommen und kann sicher innerhalb der gesetzten Grenzen, Regeln und Erwartungen agieren. Dieser Aspekt unterstützt aus pädagogischer und aus systemischer Sicht die Bildung der individuellen und familialen Identität (vgl. Abschnitte 2.1 und 2.4.2). Die Modelle zur autoritativen Erziehung verweisen auf die besondere Rolle des Gefühls von Geborgenheit und Gemeinschaft (vgl. Brezinka 1993: 222). Auf der emotionalen Ebene vermittelt die elterliche Warmherzigkeit dem Kind Geborgenheit und die Sicherheit, sich gegenüber den Eltern vorbehaltlos zu öffnen. Das Kind fühlt sich verstanden und akzeptiert. Die so geschaffene Handlungssicherheit bietet dem Kind, den Ergebnissen zufolge, die Gelegenheit, sein prosoziales Verhalten als Kompetenz auszubauen. Bereits Ecarius (2002) stellte in ihrer Studie fest, dass die Nähe-Distanz-Beziehungsstrukturen innerhalb der Familie zu den wesentlichsten Faktoren für das kindliche Aufwachsen zählen. Aus stresstheoretischer Perspektive erlernt das Kind innerhalb dieser Beziehungsstruktur positive Coping-Strategien, wodurch es resistenter gegenüber Stress reagiert (vgl. Almas et al. 2011; Gray und Steinberg 1999). Im Rahmen des ModellLernens erfährt das Kind, wie emotionale Wärme das Wohlbefinden fördert. Im Zuge dessen erwirbt es das erforderliche soziale Verantwortungsgefühl, um prosozial zu agieren, und erlernt entsprechende Verhaltensweisen anhand des elterlichen Verhaltens. Die elterliche Warmherzigkeit funktioniert damit auch als Vor-

Strukturgleichungsmodelle

251

bild. Die Konsequenz vermittelt dem Kind nicht nur die innerhalb der Familie bestehenden Regeln, sondern auch, dass Regeln verbindlich sind. Die Eltern verlangen die Einhaltung der gesetzten Handlungsmaßstäbe, ohne in Restriktionen zu verfallen, und begründen ihre Entscheidungen gegenüber den Kindern (vgl. Jürgens 1989; Uhlendorff 2001). In der Folge wird werteorientiertes Handeln gefördert. Ein weiterer möglicher Erklärungsansatz ist, dass Kinder und Jugendliche entsprechend der angenommenen elterlichen Reaktionsmuster prosozial agieren (vgl. dazu auch Hardy et al. 2010). Die Kombination aus elterlicher Warmherzigkeit und Konsequenz fördert das prosoziale Verhalten des Kindes, da es die Familie als liebevollen, geordneten Rahmen erlebt, in der Werte und emotionale Nähe aufeinander treffen (vgl. Ecarius 2002; Winkler 2012). Die Eltern leben – als Vorbilder im Sinne Winklers – prosoziales Verhalten, Empathie, Perspektivübernahme und eine ethische Grundhaltung vor. Das Kind darf Fehler machen und erhält bei den Schwierigkeiten seines Aufwachsens elterliche Unterstützung (vgl. Korczak 1970). Ecarius (2002) stellt in ihrer Untersuchung fest, dass selbst in einem eher ausgeprägten Befehlshaushalt ein Kind kompetent heranwächst und mit seinen Eltern im Erwachsenenalter verbunden bleibt, wenn emotionale Nähe in den Familienbeziehungen vorherrscht. Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen fasst auf der Basis internationaler Studien zusammen, dass diese Kombination der elterlichen Erziehung daneben auch persönliche, schulische und berufliche Kompetenzen stärkt und diese Ergebnisse sich kulturübergreifend bewähren (vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 2005: 59). Längsschnittliche Studien zu Kernfamilien belegen, dass die genannten Aspekte keine Momentaufnahmen sind, sondern der elterliche Erziehungsstil auch langfristig die kindliche Kompetenzentwicklung beeinflusst (vgl. u. a. Amato und Fowler 2002; Baumrind 1991; Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 2005). Auch für Stieffamilien weist die vorliegende Forschungsarbeit diese Muster für das kindliche prosoziale Verhalten nach – zumindest im Querschnitt. Dieses Erklärungsmuster kann bei der kindlichen emotionalen Sicherheit nicht angewendet werden, da sie vom elterlichen Erziehungsstil kaum berührt wird. Andere Studien betonen die Bedeutung der Kombination aus Warmherzigkeit und Konsequenz für die Heranbildung einer emotional stabilen Persönlichkeit (vgl. zus. fas. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 1998: 109f.). Möglicherweise wirken bei den Bezugskindern familientypische Merkmale hinein: Aus systemischer Sicht betrifft dies den Einfluss des anderen leiblichen Elternteils der Stiefkinder, welcher außerhalb des Haushalts lebt (vgl. Abschnitt 2.4.3). Aus entwicklungsbezogener Betrachtung kann die Vorgeschichte (Scheidung der Eltern, Alleinerziehendenphase) hineinwirken (vgl. Abschnitt 2.4.2). Wie ist die Trennung der leiblichen Eltern erfolgt? War der gesamte Prozess eher friedlich bis hoch

252

Ergebnisse

konfliktreich? Besteht weiterhin Kontakt zu beiden leiblichen Eltern und dem erweiterten Verwandtenkreis? Kooperieren die leiblichen Eltern miteinander? Die Fragen sind beliebig erweiterbar und verdeutlichen, dass bereits die Art und Weise der partnerschaftlichen Trennung und Reorganisation der leiblichen Eltern im Sinne einer entwicklungsbezogenen Perspektive in das Leben der Stieffamilie hineinragt. Die damit verbundenen kindlichen Erfahrungen beeinflussen, inwieweit es sich auf elterliche Erziehungsversuche einlässt (vgl. zus. fas. bei Wild und Gerber 2008). Auch das Alter der Kinder (mittlere Kindheit und Jugend) verweist auf eine zunehmende Autonomie der Kinder von den Eltern, einer gewachsenen Bedeutung der Peergroup und der Schule und eines bereits vorhandenen internalen Arbeitsmodells im Rahmen der Bindungstheorie (vgl. Abschnitt 4.1.1). Die Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern entwickelt sich von Geburt an. Der Heranwachsende baut damit auf einem jahrelangen Erfahrungsschatz in Bezug auf die Eltern-Kind-Bindung und der sich heranbildenden emotionalen Sicherheit auf. Weiterhin operationalisiert die vorliegende Studie die autoritative Erziehung mithilfe von zwei Konstrukten. Weiterführende Studien belegen in diesem Zusammenhang einen dritten wesentlichen Faktor, welcher direkt auf die emotionale Sicherheit wirkt. Dieser bildet das Ausmaß an psychologischer Kontrolle bzw. psychologischer Autonomiegewährung. Hohe Ausprägungen psychologischer Autonomiegewährung beugt emotionaler Unsicherheit vor, verhindert kindlichen Stress und unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, ihre emotionale Sicherheit auszubauen (vgl. zus. fas. bei Steinberg 2001).126 Insgesamt unterstützen Eltern durch Warmherzigkeit, Konsequenz und psychologische Autonomiegewährung die kindliche Kompetenzentwicklung. Aus Elternsicht können die Ergebnisse folgendermaßen eingeordnet werden: Beide Mediatoren der autoritativen Erziehung werden in den vorliegenden Untersuchungsergebnissen bis zu einem gewissen Maße von der Beziehungsqualität beeinflusst. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit anderen Studien zu Paarkonflikten. So belegen mehrere Studien und Meta-Studien deren Einfluss auf das Elternverhalten, die Warmherzigkeit und die Konsequenz (vgl. Abschnitt 5.1.2). Eine hohe Beziehungsqualität fördert generell das elterliche Engagement, die elterliche Sensibilität gegenüber dem Kind (vgl. auch Uhlendorff 2001). Eltern mit einer hohen Beziehungsqualität sind demzufolge emotional erreichbarer für ihr Kind und konsequenter als Eltern mit einer niedrigen Beziehungsqualität. Davies et al. (2009) erklären diesen Effekt anhand einer stresstheoretischen Perspektive.

126

Pairfam bietet im Erziehungsfragebogen der dritten Welle keine Informationen zur elterlichen psychologischen Kontrolle bzw. Autonomiegewährung, weshalb dieses Konstrukt in der vorliegenden Untersuchung nicht eingesetzt werden konnte.

Strukturgleichungsmodelle

253

Das Niveau der Beziehungsqualität bildet demzufolge bis zu einem gewissen Ausmaß einen Gradmesser für die eigene emotionale Sicherheit und für das Ausmaß an elterlichen depressiven Symptomen. Eine hohe Beziehungsqualität unterstützt damit die emotionale Stabilisierung des Erwachsenen und damit das Abrufen der eigenen elterlichen Kompetenzen. Dieser Aspekt gewinnt insbesondere bei sozialen Eltern an Brisanz. So weisen Studienergebnisse nach, dass Stiefeltern in Bezug auf ihre Elternfunktionen generell stressanfälliger sind als leibliche Eltern (vgl. Shapiro 2014). Mögliche Hintergründe dazu hat bereits Abschnitt 2.3 erörtert. Mehrere Studien belegen einen Rückkoppelungseffekt zwischen kindlichem Verhalten und elterlichem Erziehungsstil über mehrere Messzeitpunkte hinweg (vgl. zus. fas. bei Kerr et al. 2012: 1550; Padilla-Walker et al. 2012; Pinquart 2017). Das kindliche Verhalten zum ersten Messzeitpunkt wirkt sich demnach auf den elterlichen Erziehungsstil zum zweiten Messzeitpunkt aus. Dieser Zusammenhang gilt in besonderer Weise für das prosoziale Verhalten (vgl. Padilla-Walker et al. 2012). Weiterhin haben einzelne Studien erfasst, dass die Erziehungsstile der Partner untereinander in Interdependenz stehen (vgl. Estlein und Theiss 2014). Diese Aspekte verdeutlichen die systemische und prozessuale Natur innerfamilialer Prozesse. Auch wenn die vorliegende Studie allein auf den unidirektionalen Einfluss eingeht, bedarf es einer Berücksichtigung dieser Studienergebnisse bei der Entwicklung des pädagogischen Handlungsleitfadens. Im Modell zur autoritativen Erziehung erweist sich die Attribution als wesentlicher Faktor für die verbesserte Aufklärung der elterlichen Warmherzigkeit. Nehmen die Eltern das Kind in jeder Situation achtungsvoll an, erhöht sich das elterliche warmherzige Verhaltenspotenzial gegenüber dem Kind. Dieses Zusammenspiel stimmt mit den Konzepten von Liegle, Korczak, Winkler und Tschöpe-Scheffler überein und offenbart eine spezifische pädagogisch-ethische Grundhaltung gegenüber dem Kind, welche sich in der Performanz ausdrückt (vgl. Abschnitt 4.2.2). Die uneingeschränkte Achtung des Kindes impliziert unter anderem, das Kind durch Lob zu bestätigen und dadurch seine Selbstwirksamkeit zu fördern, sich ihm emotional und in der gemeinsamen Interaktion zuzuwenden und damit sein Bedürfnis nach emotionaler Nähe und elterlicher Liebe zu befriedigen sowie es bei Traurigkeit zu trösten und ihm somit zu helfen, sich wieder emotional zu stabilisieren (vgl. auch Liegle 2017; Macha 2011: 246-275). Daraus entwickelt sich eine Spirale, die besonders konstruktiv bzw. destruktiv wirken kann. Eltern mit einer positiven Haltung zum Kind fühlen sich zuständig. Sie bemühen sich aktiv in ihrer Elternrolle und Erziehungsverantwortung (vgl. auch Korczak 1970; Liegle 2017; Tschöpe-Scheffler 2013; Winkler 2012). Die Kinder fühlen sich, wie bereits bei der Funktion der autoritativen Erziehung zur Warmherzigkeit ange-

254

Ergebnisse

merkt wurde, geborgen und als Person von ihren Eltern angenommen und akzeptiert. Sie dürfen Fehler machen, Verantwortung übernehmen und bleiben sich der elterlichen Zuneigung sicher. All dies stößt eine Reihe von Lernprozessen an, die kompetenzfördernd wirken. Entgegen der aufgestellten Annahmen bleibt die elterliche Konsequenz von den elterlichen Attributionsmustern unbeeindruckt. Ecarius (2002) bietet in ihrer Untersuchung zu dieser Beobachtung unterschiedliche Erklärungsansätze: Die Eltern bewerten die Konsequenz innerhalb ihrer Erziehung im Rahmen der Zeitgeschichte, der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der selbst erfahrenen Erziehung. Ersteres vermittelt die zunehmende Ablösung des Befehls- durch den Verhandlungshaushalt. Zweiteres impliziert Einflussmechanismen der beschriebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Abschnitt 2.3 auf die Eltern aus Stieffamilien. Die selbst erfahrene Erziehung kann sowohl Vorbild sein als auch als abschreckendes Beispiel den Wunsch wecken, „es anders wie die eigenen Eltern zu machen“. Die elterliche Haltung wirkt sich auf beide kindlichen Kompetenzbereiche aus. Hier können zwei unterschiedliche Erklärungsmuster gelten: Erstens beeinflusst eine elterliche wertschätzende Haltung das Kind, seine Lern- und Kompetenzaufbauprozesse positiv. Zweitens kann die Haltung zum Kind auch die elterlichen Angaben zu den beiden Bereichen im Fragebogen beeinflussen. Auf den fehlenden Einfluss der Beziehungsqualität auf die Attribution geht die Zusammenfassung in Abschnitt 7.4.5 ein.

7.4.4 Die Rolle der soziodemografischen Merkmale Die in den vorherigen Unterabschnitten beschriebenen Ergebnisse begründen das nachfolgende Vorgehen: Die vorherigen Abschnitte zeigten, dass sich das Kommunikationsmodell allein bei der emotionalen Sicherheit und das Modell zur autoritativen Erziehung einzig beim prosozialen Verhalten bewährt haben. Diese Modelle wurden um die Attribution ergänzt, was jeweils einen Anstieg der Varianzaufklärung nach sich zog. Die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit werden allein über das um die Attribution ergänzte Kommunikationsmodell untersucht. Der Einfluss der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten wird einzig mithilfe des um die Attribution ergänzten Modells der autoritativen Erziehung untersucht. Im Folgenden werden die sich bewährten Modelle um ausgewählte soziodemografische Merkmale ergänzt. Die eingesetzten soziodemografischen Merkmale liegen jeweils in dichotomisierter Form vor. Sie umfassen Merkmale des Kindes (Geschlecht, Alter, Status), des Elternteils (Elternschaft, Bildungsniveau, Erwerbsstatus) und der Familie (komplexe/einfache

Strukturgleichungsmodelle

255

Stieffamilie) Die Operationalisierung der soziodemografischen Merkmale ist in Abschnitt 6.2.4 aufgeführt. Kausalmodell: Emotionale Sicherheit Abbildung 7.10 zeigt die Ergebnisse des Kausalmodells auf. Tabelle 7.32 informiert über die totalen und indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit. Der Modellfit erfährt gegenüber dem vorherigen Modell eine Verschlechterung, was der zunehmenden Komplexität des Modells geschuldet ist. So ist der χ2-Test auf dem 5 %-Niveau signifikant. Die anderen Gütekriterien halten jedoch alle ihre Grenzwerte ein und erlauben damit eine Annahme des Modells. Wie bereits im Modell ES III sind die postulierten Prädiktoren mit zwei Ausnahmen signifikant.

R2 =.011

Kind:

Geschlecht: β=.059; n.s. Alter: β=.200* Status: β=-.042; n.s.

Respondent:

Stiefelternteil: β=.046; n.s. Geschlecht: β=-.124. niedriges Bildungsniveau: β=-.138. hohes Bildungsniveau: β=.032; n.s. Erwerbstätigkeit vorhanden: β=.015; n.s.

Familie:

Komplexe Stieffamilie: β=-.041; n.s.

Attribution

.089 .213*

.103

Beziehungsqualität

R2 =.441

Eltern-KindKommunikation

.167* .407***

.267**

.473***

.405***

emotionale Sicherheit R2 =.297

Selbstregulation R2 =.260

Abbildung 7.10: Die Bedeutung der soziodemografischen Merkmale im Modell ES III Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 372.500* (328), CFI = .971, TLI = .967, RMSEA = .023, SRMR = .051, GFI = .985, AGFI = .980; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Der Einfluss der Beziehungsqualität auf die Attribution (γ = .103) und die Wirkung der Attribution auf die emotionale Sicherheit bleiben jeweils nicht signifikant

256

Ergebnisse

(β = .089). Die anderen Pfadkoeffizienten sind auf dem 5 %- bis 0.1 %-Niveau signifikant. Der Pfad von der Eltern-Kind-Kommunikation auf die emotionale Sicherheit hat sich wieder verbessert vom 1 %-Signifikanzniveau auf das 0.1 %-Niveau (β = .405***). Die Eltern-Kind-Kommunikation kann erneut durch die Selbstregulation (β = .473***), die Attribution (β = .213*) und die Beziehungsqualität (γ = .167*) signifikant beeinflusst werden. Dabei übt die Selbstregulation den stärksten Effekt auf sie aus. Die postulierten Prädiktoren auf die Selbstregulation verändern sich fast nicht (Attribution: β = .407***; Beziehungsqualität: γ = .267**). Die Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit hat sich gegenüber dem Vorgängermodell verbessert (+ 11.3 % auf 29.7 %). Die Varianzaufklärung der ElternKind-Kommunikation hat sich leicht verschlechtert um - 0.4 % auf 44.1 %. Die Varianzaufklärung der Selbstregulation (26.0 %) und der Attribution (1.1 %) bleibt unverändert. Tabelle 7.32: ES III mit Soziodemografie: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 Mediator 3 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) BeziehungsEltern-KindEmotionale .068 .009 1.128 qualität Kommunikation Sicherheit (.069) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .051* .027 2.270 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.023) Beziehungs- Attribution Emotionale .019 .033 .922 qualität Sicherheit (.356) Beziehungs- Attribution Eltern-KindEmotionale .009 .010 1.080 qualität Kommunikation Sicherheit (.280) Beziehungs- Attribution SelbstEltern-KindEmotionale .008 .009 1.128 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.259) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .155** .057 3.382 (.001) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 372.500* (328), CFI = .971, TLI = .967, RMSEA = .023, SRMR = .051, GFI = .985, AGFI = .980; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Die totalen und indirekten Effekte bleiben stabil. Der Pfad Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit weist ein 5 %-Signifikanzniveau auf (𝜉 → 𝜂 = .051*). Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit bleibt unverändert auf dem 1 %-Niveau signifikant (𝜉 → 𝜂 = .155**). Das Kausalmodell zeigt auf, dass sich signifikante Effekte der soziodemografischen Merkmale nur bei einem Faktor empirisch nachweisen lassen. So beeinflusst das Alter des Kindes die emotionale Sicherheit dahingehend, dass Jugendliche emotional sicherer sind als Kinder. Das Geschlecht

Strukturgleichungsmodelle

257

des Respondenten und sein niedriges Bildungsniveau üben einzig mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % einen Effekt auf die kindliche emotionale Sicherheit aus. Alle anderen soziodemografischen Items wirken sich im vorliegenden Modell nicht signifikant auf die kindliche emotionale Sicherheit aus. Kausalmodell: Prosoziales Verhalten Abbildung 7.11 stellt die Ergebnisse des Kausalmodells vor. Tabelle 7.33 zeigt die totalen und indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten auf. Die Gütekriterien verschlechtern sich gegenüber dem Vorgängermodell teilweise erheblich. Der χ2-Test ist auf dem 0.1 %-Niveau signifikant. Die anderen Gütekriterien haben sich ebenfalls verschlechtert. Sie halten jedoch noch ihre Grenzwerte ein, weshalb das Modell noch angenommen werden kann. Diese Ergebnisse spiegeln die zugenommene Komplexität des Modells wieder. Vier der acht postulierten Prädiktoren des Hauptmodells sind erneut signifikant (vgl. Modell PV V in Abschnitt 7.4.3). Geschlecht: β=-.031; n.s. Alter: β=.007; n.s. Status: β=-.078; n.s.

Kind:

Respondent: Stiefelternteil: β=.081; n.s. Geschlecht: β=-.127. niedriges Bildungsniveau: β=-.044; n.s. hohes Bildungsniveau: β=.132. Erwerbstätigkeit vorhanden: β=-.098; n.s. Komplexe Stieffamilie: β=.022; n.s.

Familie: R2 =.046

Konsequenz

.176.

.250**

.105

Beziehungsqualität

.099

Attribution R2 =.010

.158.

.221*

prosoziales Verhalten R2 =.502

.278**

Warmherzigkeit

.497***

R2 =.111

Abbildung 7.11: Die Bedeutung der soziodemografischen Merkmale im Modell PV V Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 524.918*** (386), CFI = .915, TLI = .906, RMSEA = .037, SRMR = .065, GFI = .965, AGFI = .955; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

258

Ergebnisse

Die Pfade bleiben auf ihren Signifikanzniveaus stabil. Die Attribution zeigt keine Aussagekraft gegenüber der Konsequenz (β = .105). Gleiches gilt für die Beziehungsqualität auf die Attribution (γ = .099). Die Irrtumswahrscheinlichkeit der Signifikanz für die Pfade der Beziehungsqualität auf die Warmherzigkeit (γ = .158.) und die Konsequenz (γ = .176.) beträgt 10 %. Die Einflüsse der Attribution auf die Warmherzigkeit (β = .278**) und auf das prosoziale Verhalten (β = .221*) bleiben unverändert. Das gilt auch für die Wirkung der Warmherzigkeit (β = .497***) und der Konsequenz auf das prosoziale Verhalten (β = .250**). Diese genannten Effekte ergaben sich bereits beim Vorgängermodell. Die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens verbessert sich gegenüber dem Vorgängermodell um + 7.1 % auf 50.2 %. Die Varianzaufklärung der Konsequenz verändert sich nur marginal (+ 0.1 % auf 4.6 %). Die Varianzaufklärung der Attribution (1.0 %) und der Warmherzigkeit (11.1 %) bleiben unverändert. Die indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten bleiben unverändert. Der Pfad Beziehungsqualität  Warmherzigkeit  prosoziales Verhalten wirkt allein auf dem 10 %-Niveau (𝜉 → 𝜂 = .078.). Der totale signifikante Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten bleibt auf dem 1 %-Niveau (vorheriges Modell: 𝜉 → 𝜂 = .155**; jetziges Modell: 𝜉 → 𝜂 = .160**). Tabelle 7.33: PV V mit Soziodemografie: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) BeziehungsWarmherzig- Prosoziales .078. .062 1.797 qualität keit Verhalten (.072) BeziehungsKonsequenz Prosoziales .044 .040 1.560 qualität Verhalten (.119) BeziehungsAttribution Prosoziales .022 .035 .891 qualität Verhalten (.373) BeziehungsAttribution Warmherzig- Prosoziales .014 .019 1.023 qualität keit Verhalten (.306) BeziehungsAttribution Konsequenz Prosoziales .003 .004 .839 qualität Verhalten (.401) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale .160** .085 2.675 Verhalten (.007) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Pfadkoeffizient, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 524.918*** (386), CFI = .915, TLI = .906, RMSEA = .037, SRMR = .065, GFI = .965, AGFI = .955; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Allein zwei Faktoren der soziodemografischen Merkmale zeigen eine Wirkung auf dem 10 %-Signifikanzniveau: das Geschlecht des Respondenten und dessen hohes Bildungsniveau. Insgesamt erweist sich das Modell als relativ stabil, was an

Strukturgleichungsmodelle

259

der geringen Veränderung der Pfadkoeffizienten, der Varianzaufklärung der Mediatoren und der indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten abzulesen ist. Der totale Effekt zeigt eine leichte Verbesserung. Beurteilung Modell ES III: Die Ergänzung des Modells verschlechtert die allgemeinen Gütekriterien des Modells und erhöht seine Komplexität (vgl. Freiheitsgrade: df = 157 auf df = 328). Die Aussagekraft des Modells wird damit eingeschränkt. Ob die Hypothesen angenommen oder abgelehnt werden, verändert sich gegenüber dem Modell ES III nicht. Die Hypothesen H2a bis H2d sowie H2f und H2g werden angenommen und die Hypothesen H2e und H2h werden abgelehnt. Die Schlussfolgerungen aus Abschnitt 7.4.3 finden auch unter Prüfung der soziodemografischen Merkmale ihre Bestätigung. Die relativ geringe Veränderung der Pfadkoeffizienten, der Varianzaufklärungen der Mediatoren, der totalen und indirekten Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit sprechen für eine gewisse Stabilität des Modells. Modell PV V: Die globalen Gütekriterien des Modells haben sich verschlechtert und die Modellkomplexität hat sich deutlich erhöht (vgl. Freiheitsgrade df = 197 auf df = 386). Die Annahme und Ablehnung der untersuchten Hypothesen hat sich gegenüber dem Modell PV V nicht verändert. Die Hypothesen H3c, H3d, H3g und H3h werden angenommen. Die Irrtumswahrscheinlichkeit für die Hypothesen H3a und H3b bleibt bei 10 %. Die Hypothesen H3e und H3f werden abgelehnt. Die Schlussfolgerungen aus Abschnitt 7.4.3 für die Wirkzusammenhänge bleiben auch unter der Prüfung der soziodemografischen Merkmale bestehen. Die Pfadkoeffizienten, die Varianzaufklärungen der Mediatoren sowie die Ergebnisse der totalen und indirekten Effekte befürworten die Stabilität dieses Modells. Gesamtbeurteilung: Dieser Abschnitt konnte eine relative Stabilität der vorherigen Ergebnisse abbilden. Eine Ergänzung der soziodemografischen Merkmale führt jeweils zu einer verbesserten Varianzaufklärung der kindlichen Kompetenzfelder gegenüber den Modellen ohne diese Items. Die emotionale Sicherheit wird signifikant vom Alter des Kindes und auf dem 10 %-Niveau vom niedrigen Bildungsniveau und Geschlecht des Respondenten beeinflusst. Das prosoziale Verhalten wird mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % von einem hohen Bildungsniveau und dem Geschlecht des Respondenten gefördert. Alle anderen Merkmale des Kindes, des Respondenten und der Familie haben keinen signifikanten Effekt auf die abhängigen Konstrukte. Die zugenommene Komplexität verschlechtert die Aussagekraft beider Modelle (siehe globale Gütemaße, Freiheits-

260

Ergebnisse

grade). Diese Überlegungen begründen gemeinsam mit den genannten Ergebnissen, dass die soziodemografischen Merkmale bei den nachfolgenden Gruppenvergleichen nicht mit einbezogen werden.

7.4.5 Zusammenfassung und Fazit Die einzelnen Ergebnisse zu den Hypothesen werden in Tabelle 7.34 zusammengefasst. Die Ergebnisdarstellung bezieht sich auf die Modelle I, III und V. Ein direkter Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes kann nicht bestätigt werden. Die Untersuchungsergebnisse verweisen allein auf einen indirekten Effekt der Beziehungsqualität auf die beiden kindlichen Kompetenzbereiche. Dabei hat sich das Kommunikationsmodell bei der emotionalen Sicherheit bewährt. Unter der Kontrolle der Haltung zum Kind hält dieses Modell beim prosozialen Verhalten nicht Stand. Allgemein wirkt die Beziehungsqualität auf die elterliche Selbstregulation und die ElternKind-Kommunikation. Die Ergebnisse verweisen auf eine stabile Verschränkung der Beziehungsskalen der Paar- und Eltern-Kind-Ebene. Die Haltung zum Kind beeinflusst ebenfalls die beiden genannten Kommunikationsskalen. Die elterliche Selbstregulation beeinflusst das Ausmaß an Eltern-Kind-Konflikten und emotionalen Spannungen innerhalb der Eltern-Kind-Beziehung. Das prosoziale Verhalten kann in besonderer Weise durch den autoritativen Erziehungsstil unterstützt werden. Dies gilt nicht für die emotionale Sicherheit, unabhängig davon, ob die Attribution als Kontrollinstrument ein- oder ausgeschlossen wird. Dieser Umstand kann an der schlanken Operationalisierung des Erziehungsstils liegen. Die Ergebnisse verweisen auf einen moderaten Einfluss der Beziehungsqualität auf die elterliche Warmherzigkeit und Konsequenz. Ferner erweist sich die Haltung zum Kind in den Modellen als schlüssiger Mediator, welcher von der Beziehungsqualität unabhängig bleibt. Der fehlende Einfluss der Beziehungsqualität auf die Haltung zum Kind – unabhängig vom eingesetzten Modell – verweist auf die ausgeprägtere Erklärungskraft der Bindungstheorie (vgl. Abschnitt 5.1.4). Attributionsmuster können innerhalb der eigenen Kindheit bereits früh als model of others im Sinne der Bindungstheorie erlernt worden sein und eher unbewusst und relativ stabil sein. Eine Veränderung elterlicher Haltungen und Attributionsmuster bedarf demzufolge äußerst starker Impulse, um sich zu verändern.

Strukturgleichungsmodelle

261

Tabelle 7.34: Ermittelte Einflussmechanismen für die Gesamtstichprobe Modell I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität H1 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes.

Emotionale Sicherheit

Prosoziales Verhalten

-

-

Modell III: Kommunikationsmodell H2 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konstruktiver gestalten die Eltern die Kommunikation mit ihrem Kind und desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes.   Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konfliktfreier verläuft die Eltern-Kind-Kommunikation.   H2b Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst.   H2c Je häufiger die Eltern sich selbst regulieren, desto konfliktfreier ist die Eltern-Kind-Kommunikation.  H2d Je konfliktfreier sich die Eltern-Kind-Kommunikation gestaltet, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. H2e Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die Attributionsmuster gegenüber dem Kind.   H2f: Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst.   H2g Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konfliktfreier erfolgt die Eltern-Kind-Kommunikation.  H2h Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Modell V zur autoritativen Erziehung H3 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto häufiger üben die Eltern den autoritativen Erziehungsstil aus, welcher sich positiv auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes auswirkt. H2a

H3a H3b H3c H3d H3e H3f H3g H3h

Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto warmherziger sind die Eltern im Umgang mit ihrem Kind. Je konsequenter die Eltern ihr Kind erziehen, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Je warmherziger sich die Eltern ihrem Kind gegenüber verhalten, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die elterlichen Attributionsmuster gegenüber dem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto warmherziger verhalten sich die Eltern gegenüber ihrem Kind. Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt.

()

()

()

()

-



-



-

-

-

-









Anmerkung: - bildet nicht bestätigte Hypothesen ab; () verweist auf eine Bestätigung auf dem 10 %-Signifikanzniveau; alle anderen  sind mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant; eigene Darstellung

262

Ergebnisse

Die nachfolgenden Gruppenvergleiche zu möglichen indirekten Effekten der Beziehungsqualität auf die kindlichen Kompetenzfelder finden mit den Modellen statt, die sich in diesem Abschnitt bewährt haben. Das bedeutet für die emotionale Sicherheit die Anwendung des Kommunikationsmodells unter Kontrolle der Haltung zum Kind im zweiten Schritt. Für das prosoziale Verhalten impliziert es, das Modell zur autoritativen Erziehung unter Kontrolle der Attributionsmuster im zweiten Schritt zu verwenden. Die ausgeschlossenen Modelle werden jeweils kurz diskutiert und im Anhang dargestellt, um auch in diesem Fall Unterschiede zwischen den Elternschaften erfassen zu können. Unter der Berücksichtigung der Stichprobengröße gilt es, die Modelle möglichst schlank zu halten, um ihre Aussagekraft ansatzweise zu bewahren. Dies und die Ergebnisse in Abschnitt 7.4.4 werden zum Anlass genommen, in den Gruppenvergleichen auf die Verwendung der soziodemografischen Merkmale zu verzichten. 7.5

Gruppenvergleiche

Im Folgenden werden die Modelle zu den direkten Effekten und die bewährten Modelle zu den indirekten Effekten jeweils noch einmal simultan für die Elternschaften überprüft. Dieses Vorgehen dient dazu, die vierte Hypothese zu möglichen Unterschieden zu testen. Damit die Gruppenvergleiche stattfinden können, wird im Vorfeld die Messinvarianz der Modelle überprüft. Eine skalare Messinvarianz erlaubt die Festsetzung der Intercepts und Faktorladungen. Zum Schluss werden die Ergebnisse interpretiert und diskutiert. Dabei soll der Schwerpunkt auf den Unterschieden zwischen den Elternschaften liegen.

7.5.1 Messinvarianz Um die Gruppenvergleiche in Abschnitt durchführen zu können, werden die Kausalmodelle auf die vorliegende Messinvarianz überprüft. Die Elternschaft bildet jeweils die Gruppenvariable. Die Ergebnisse zu den einzelnen Modellen finden sich in Tabelle 7.35. Allgemein betrachtet fallen die Ergebnisse zur Messinvarianz bei den fünf Modellen zum prosozialen Verhalten schlechter aus als bei den fünf Modellen mit der emotionalen Sicherheit als abhängiges Konstrukt. Ein möglicher Hintergrund ist bereits in Abschnitt 7.2.1 aufgegriffen worden. So verweisen die in diesem Abschnitt aufgeführten Mittelwertunterschiede bei einem Item des prosozialen Verhaltens auf kleine, jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Elternschaften (Hilfsbereitschaft in Notfällen: Δ𝑥̅ = -.10, tWelch (198) = -2.176*,

Gruppenvergleiche

263

d = -.273). Leibliche Eltern tendieren dazu, dieses kindliche Verhalten häufiger wahrzunehmen als Stiefeltern. Bei der emotionalen Sicherheit unterscheiden sich die sozialen und leiblichen Eltern dagegen bei keinem einzelnen Item signifikant voneinander. Die Gütekriterien des Modells ES I und die dazugehörigen Vergleiche mit dem jeweiligen vorherigen Modell sind sehr gut. Das Vorliegen der konfiguralen, metrischen und skalaren Messinvarianz erlaubt die Fixierung der Intercepts und Faktorladungen und damit die geplanten Gruppenvergleiche. Auch für das Modell zum prosozialen Verhalten PV I kann die erforderliche Messinvarianz festgehalten werden. Die Gütekriterien und die Vergleiche mit dem jeweiligen vorherigen Modell fallen etwas schwächer aus als im Modell zur emotionalen Sicherheit. Sie können jedoch als ausreichend bezeichnet werden. Die Gruppenvergleiche beider Modelle können damit stattfinden. Die Gütekriterien des einfachen Kommunikationsmodells (Modell II) sowie des Kommunikationsmodells mit der ergänzten Haltung zum Kind (Modell III) werden bei der emotionalen Sicherheit jeweils ausnahmslos eingehalten. Auch verschlechtern sich in diesem Fall die nachfolgenden Modelle gegenüber dem jeweils vorherigen nicht signifikant, sodass von einer konfiguralen, metrischen und skalaren Messinvarianz ausgegangen werden kann. Dies gilt unabhängig vom eingesetzten Modell. Damit können die Intercepts und Faktorladungen in den Gruppenvergleichen bei beiden Modellen fixiert werden. Die Ergebnisse der Modelle II und III mit dem prosozialen Verhalten als abhängiges Konstrukt liefern gute Werte beim CFI und beim RMSEA sowie den dazugehörigen Vergleichen. Der χ2-Test fällt bei Modell II und Modell III auf dem 1 %-Niveau signifikant aus. Da die Verschlechterungen dieses Tests mit zunehmender Restriktion mit einer Ausnahme noch im Rahmen sind, kann auch hier noch von einer Messinvarianz ausgegangen werden.

139.526

skalar

257.830

264.479

metrisch

skalar

356.220

372.994

metrisch

skalar

359.156*

374.477*

metrisch

skalar

478.574*

503.171** 422

skalar

.951

.958

.962

.956

.959

.962

.980

.984

.984

.984

.982

.983

.996

.996

.993

.038

.036

.035

.039

.038

.038

.027

.025

.026

.027

.028

.029

.012

.016

.020

CFI RMSEA

24.596*

23.355

15.322

19.063

-

16.774

15.075

-

6.649

13.530

-

6.338

8.669

-

Δχ2

7

11

-

13

17

11

15

-

11

15

-

9

13

-

Δdf

.007

.004

.003

.003

-

.003

.000

-

.002

.000

-

.001

.002

-

.002

.001

.001

.000

-

.002

.001

-

.002

.001

-

.003

.005

-

ΔCFI ΔRMSEA

Vergleich mit dem vorherigen Modell

131

120

df

524.151** 424

494.343** 411

464.876** 394

402.313** 314

381.869** 303

355.984** 288

424.897** 342

402.565** 331

381.330** 316

320.771** 244

308.265** 235

288.711** 222

170.670* 138

158.386.

144.503.

χ2

.938

.949

.956

.937

.944

.952

.948

.955

.959

.943

.946

.951

.965

.970

.974

-

29.467*

-

20.444*

25.885*

-

22.332*

21.332

-

12.505

19.555

13

17

-

11

15

-

11

15

-

9

13

-

Δdf

11

-

12.284. 7

13.883

-

Δχ2

.010

.008

-

.007

.008

-

.007

.004

-

.003

.005

-

.006

.003

-

-

.003

.002

-

.002

.002

-

.002

.001

-

.000

.001

.003

.000

-

ΔCFI ΔRMSEA

Vergleich mit dem vorherigen Modell

.042 29.808**

.039

.037

.046

.044

.042

.043

.041

.040

.049

.049

.048

.042

.040

.039

CFI RMSEA

Modellgüte

Prosoziales Verhalten als abhängiges Konstrukt

z-standardisierte Werte; Schätzer: MLR/FIML; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; Gruppierungsvariable: Elternschaft (116 Stiefeltern, 147 leibliche Eltern); Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen N = 263

409

455.220*

metrisch

392

312

301

286

340

329

314

242

233

220

konfigural

Modell V

340.093*

konfigural

Modell IV

341.145

konfigural

Modell III

244.300

konfigural

Modell II

129

136

118

133.189

metrisch

df

konfigural 124.520

Modell I

χ2

Modellgüte

Emotionale Sicherheit als abhängiges Konstrukt

Tabelle 7.35: Messinvarianz der Kausalmodelle

264 Ergebnisse

Gruppenvergleiche

265

Die Messergebnisse von Modell IV und Modell V ergeben unabhängig vom abhängigen Konstrukt insgesamt eine Einhaltung des CFI und des RMSEA sowie nur kleine Verschlechterungen beider Gütekriterien im Vergleich zum jeweils vorherigen Modell. Der RMSEA und der CFI liefern damit für beide Modelle passable Ergebnisse. Der χ2-Test fällt unabhängig vom Modell auf dem 1 % bis 5 %Niveau (emotionale Sicherheit als abhängiges Konstrukt) bzw. auf dem 1 %-Niveau (prosoziales Verhalten als abhängige latente Variable) signifikant aus und seine Verschlechterungen sind ebenfalls beim prosozialen Verhalten mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant. Diese Beobachtungen gelten für das einfache und das komplexere Modell zur autoritativen Erziehung. Die Verschlechterungen fallen bei der emotionalen Sicherheit als abhängiges Konstrukt geringer aus. Hier verschlechtert sich einzig der χ2-Test beim Vergleich des Modells V im Bereich der skalaren Messinvarianz. Eine genauere Analyse auf partielle Messinvarianz verdeutlicht, dass die Items der elterlichen Warmherzigkeit sich zwischen den Gruppen unterscheiden (vgl. Mittelwertunterschiede in Abschnitt 7.2.3).127 Werden diese freigesetzt, liegt eine partielle konfigurale, metrische und skalare Messinvarianz unabhängig vom Modell vor. Die Intercepts und Faktorladungen der anderen Konstrukte werden in den Gruppenvergleichen der Modelle IV und V festgesetzt. 7.5.2 Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Abbildung 7.12 zeigt die Ergebnisse der Strukturgleichungsmodelle auf. Die globalen Modellfits beider Modelle erreichen gute Werte und erlauben eine Annahme der Kausalmodelle. Einzig der χ2-Test ist beim Gruppenvergleich zum prosozialen Verhalten auf dem 10 %-Niveau signifikant. Alle anderen globalen Gütekriterien werden in beiden Modellen ausnahmslos erfüllt. Wie bereits in der Gesamtstichprobe kann kein direkter signifikanter Einfluss der Beziehungsqualität auf die kindlichen Kompetenzbereiche bei den Elternschaften nachgewiesen werden. Die nicht signifikanten Pfadkoeffizienten von γ = .168 bei den leiblichen Eltern und γ = .042 bei den Stiefeltern lehnen einen direkten Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit ab. Wie die γ-Koeffizienten vermuten lassen, erreichen die leiblichen Eltern gegenüber den

127

Die genannten Mittelwerte der drei Items der elterlichen Warmherzigkeit unterscheiden sich in Abschnitt 7.2.3 signifikant voneinander. Dieser Effekt ist mittelgradig ausgeprägt (Zuneigung zeigen:∆𝑥̅ = -.53, tWelch (190) = -4.639***, d = -.578; trösten: ∆𝑥̅ = -.46, tWelch (188) = -4.945***, d = -.615; loben: ∆𝑥̅ = -.36, t (264) = 4.274***, d = -.517). Diese Verhaltensweisen zeigen leibliche Eltern häufiger als soziale Eltern.

266

Ergebnisse

sozialen Eltern dennoch eine bessere Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit (2.8 % gegenüber 0.2 %). Beim prosozialen Verhalten unterscheiden sich die Elternschaften nicht voneinander (Stiefeltern: γ = .131, R2 = .017; leibliche Eltern: γ = .131, R2 = .017). Auch hier kann keine direkte Wirkung der Beziehungsqualität auf den kindlichen Kompetenzbereich nachgewiesen werden. Stiefeltern: N = 116; χ2 = 87.581 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 47.858

Beziehungsqualität

R2 = .002/.028 .042/ .168

emotionale Sicherheit

χ2 (df) = 135.439 (142), CFI = 1.000, TLI = 1.008, RMSEA = .000, SRMR = .070, GFI = .999, AGFI = .999

Stiefeltern: N = 116; χ2 = 111.575 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 61.490

Beziehungsqualität

R2 = .017/.017 .131/ .131

prosoziales Verhalten

χ2 (df) = 173.065. (144), CFI = .965, TLI = .962, RMSEA = .039, SRMR = .078, GFI = .982, AGFI = .978

Abbildung 7.12: Gruppenvergleich ES I und PV I: Direkter Einfluss der Beziehungsqualität Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 (links: Stiefeltern, rechts: leibliche Eltern)

Die Hypothese H1 erfährt, unabhängig von der Elternschaft, keine hinreichende Bestätigung und wird abgelehnt. Die Beziehungsqualität übt keinen direkten signifikanten Einfluss auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes aus. Dies gilt, den Ergebnissen zufolge, unabhängig von der Elternschaft. Dazu muss einschränkend ergänzt werden, dass überwiegend Stiefvaterfamilien vorliegen (vgl. Abschnitt 7.1). Andere Autoren konstatieren einen Einfluss der Beziehungsqualität auf das Kind in Stiefmutterfamilien vonseiten der Stiefmutter (vgl. Abschnitt 5.2).

Gruppenvergleiche

267

7.5.3 Kommunikationsmodelle Gruppenvergleich: einfaches Kommunikationsmodell (ES II) Abbildung 7.13 informiert über die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells, welches die mediierende Rolle der Kommunikation auf der Eltern-Kind-Ebene beschreibt. Tabelle 7.36 gibt die standardisierten indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit wieder. Das vorliegende Modell weist gute bis sehr gute Gütemaße auf und wird angenommen. Jeweils drei der vier postulierten Prädiktoren bewähren sich bei den einzelnen Gruppen. Dabei unterscheiden sich die Wirkmechanismen zwischen den Elternschaften. Stiefeltern: N = 116; χ2 = 157.714 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 104.280 R2 = .531/.440

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.331*/ .035

.456**/ .361*

emotionale Sicherheit R2 = .208/.130

.219/.355***

.581**/.650***

Selbstregulation R2 = .048/.126

Abbildung 7.13: Gruppenvergleich ES II: Einfaches Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 261.993 (250), CFI = .990, TLI = .989, RMSEA = .019, SRMR = .079, GFI = .989, AGFI = .987; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 (links: Stiefeltern, rechts: leibliche Eltern)

Während die Beziehungsqualität bei den sozialen Eltern die Eltern-Kind-Kommunikation mit γ = .331* signifikant beeinflusst und die Selbstregulation nicht (γ = .219), sind die Wirkmechanismen bei den leiblichen Eltern umgekehrt (Selbstregulation: γ = .355***, Eltern-Kind-Kommunikation: γ = .035). Die Selbstregulation beeinflusst bei beiden Elternschaften die Eltern-Kind-Kommunikation hoch signifikant auf dem 0.1 %- bzw. 1 %-Niveau (Stiefeltern: β = .581**, leibliche Eltern: β = .650***). Das Modell zeigt eine Erhöhung der Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit bei beiden Elternschaften gegenüber dem vorherigen Modell auf. Dies gelingt bei den Stiefeltern (+ 20.6 % auf 20.8 %) besser als bei den leiblichen Eltern (+ 10.2 % auf 13.0 %). Die Varianz der Eltern-Kind-Kommunikation kann für die sozialen Eltern (53.1 %) besser aufgeklärt werden als für die

268

Ergebnisse

leiblichen Eltern (44.0 %). Beide Werte sind hoch. Die Selbstregulation erfährt dagegen bei den leiblichen Eltern eine höhere Varianzaufklärung (12.6 %) als bei den Stiefeltern (4.8 %). Sie ist bei beiden Elternschaften als gering einzustufen. Tabelle 7.36: Gruppenvergleich ES II: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Stiefeltern: N = 116, χ2 = 157.714 BeziehungsEltern-KindEmotionale .151. .087 1.957 qualität Kommunikation Sicherheit (.050) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .058 .050 1.310 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.190) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .209** .089 2.625 (.009) Leibliche Eltern: N = 147, χ2 = 104.280 BeziehungsEltern-KindEmotionale .013 .038 .359 qualität Kommunikation Sicherheit (.720) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .039 2.292 .083* qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.022) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .096* .048 2.161 (.031) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 261.993 (250), CFI = .990, TLI = .989, RMSEA = .019, SRMR = .079, GFI = .989, AGFI = .987; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Die indirekten Einflussmechanismen der Beziehungsqualität konkretisieren die Beobachtung. Während bei den sozialen Eltern die Beziehungsqualität auf dem 10 %-Signifikanzniveau etwas deutlicher über die Eltern-Kind-Kommunikation auf die emotionale Sicherheit wirkt, erfolgt der indirekte Einfluss der Beziehungsqualität bei den leiblichen Eltern über die Selbstregulation auf die Eltern-KindKommunikation und anschließend auf die emotionale Sicherheit auf dem 5 %-Signifikanzniveau. Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit ist bei beiden Elternschaften mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant und bei den sozialen Eltern ausgeprägter (𝜉 → 𝜂 = .209**) als bei den leiblichen Eltern (𝜉 → 𝜂 = .096*). Die Hypothesen H2a, H2c und H2d können bei den Stiefeltern angenommen werden. Die Hypothese H2b findet bei den sozialen Eltern keine Bestätigung. Die stiefelterliche Beziehungsqualität beeinflusst vorrangig über die Eltern-KindKommunikation die emotionale Sicherheit des Kindes. Die Beziehungsqualität der sozialen Eltern wirkt sich nicht signifikant auf ihre Selbstregulation aus. Anders liegt der Fall bei den leiblichen Eltern. Bei ihnen können die Hypothesen H2b bis H2d angenommen werden und die Hypothese H2a muss abgelehnt werden. Die

Gruppenvergleiche

269

Beziehungsqualität der leiblichen Eltern wirkt über die Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation und damit auf die emotionale Sicherheit. Es gibt jedoch keinen signifikanten Einfluss der Beziehungsqualität auf die Eltern-KindKommunikation. Zusätzlich zeigen die totalen Effekte auf, dass die stiefelterliche Beziehungsqualität stärker auf die emotionale Sicherheit wirkt als die Beziehungsqualität der leiblichen Eltern. Gruppenvergleich: erweitertes Kommunikationsmodell (ES III) Abbildung 7.14 zeigt das Kausalmodell zur emotionalen Sicherheit auf. Dieses bildet das Kommunikationsmodell, ergänzt um die Attribution. Tabelle 7.37 gibt die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit wieder. Die Gütekriterien des Modells fallen gut aus und erlauben eine Annahme des Strukturgleichungsmodells. Stiefeltern: N = 116; χ2 = 211.103 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 158.192 R2 =.029/.002 .079/.198.

Attribution

.172/.049

.242/.152 R2 = .551/.448

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.316*/ .044

emotionale Sicherheit R2 = .218/.153

.520***/.380** .125/.334***

.420*/ .270*

.438*/.579***

Selbstregulation R2 = .308/.268

Abbildung 7.14: Gruppenvergleich ES III: Erweitertes Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 369.295 (349), CFI = .986, TLI = .985, RMSEA = .021, SRMR = .078, GFI = .987, AGFI = .984; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 (links: Stiefeltern, rechts: leibliche Eltern)

270

Ergebnisse

Die Elternschaften haben einige Gemeinsamkeiten. Die Regressionskoeffizienten der Beziehungsqualität auf die Attribution (Stiefeltern: γ = .172, leibliche Eltern: γ = .049) und der Attribution auf die Eltern-Kind-Kommunikation sind nicht signifikant (Stiefeltern: β=.242, leibliche Eltern: β = .152). Die Attribution beeinflusst bei beiden Elternschaften die Selbstregulation (Stiefeltern: β = .520***, leibliche Eltern: β = .380**; Annahme der Hypothese H2f). So verbessert sich die Varianzaufklärung der Selbstregulation deutlich gegenüber dem einfachen Kommunikationsmodell (Stiefeltern: + 26.0 % auf 30.8 %, leibliche Eltern: + 14.2 % auf 26.8 %). Die Eltern-Kind-Kommunikation wirkt mit β = .420* (Stiefeltern) bzw. β = .270* (leibliche Eltern) auf die emotionale Sicherheit und erlaubt damit die Annahme der Hypothese H2d. Der fehlende Einfluss der Beziehungsqualität auf die Attribution bedingt deren niedrige Varianzaufklärung von 2.9 % bei den Stiefeltern und von 0.2 % bei den leiblichen Eltern. Sie bildet demzufolge einen von der Beziehungsqualität unabhängigen Faktor. Die Hypothese H2e muss demzufolge für beide Elternschaften verworfen werden. Im Gegensatz zum Gesamtmodell beeinflusst die Attribution die Eltern-Kind-Kommunikation nicht und erfordert damit die Ablehnung der Hypothese H2g für beide Gruppen. Die Varianzaufklärung der Eltern-Kind-Kommunikation bleibt im Vergleich zum einfachen Kommunikationsmodell bei beiden Elternschaften auf einem hohen Niveau und kann sich leicht verbessern (soziale Eltern: + 2.0 % auf 55.1 %; leibliche Eltern: + 0.8 % auf 44.8 %). Die Varianzaufklärung erfolgt jedoch primär über die Selbstregulation und bei den Stiefeltern zusätzlich über die Beziehungsqualität. Die Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit verbessert sich gegenüber dem vorherigen Modell noch einmal bei beiden Elternschaften. Dieser Effekt ist generell gering und bei den sozialen Eltern (+ 1.0 % auf 21.8 %) schwächer ausgeprägt als bei den leiblichen Eltern (+ 2.3 % auf 15.3 %). Die Attribution wirkt mit β = .079 nicht signifikant auf die emotionale Sicherheit bei den Stiefeltern (Ablehnung von Hypothese H2h). Auch bei den leiblichen Eltern ist ein Effekt lediglich auf dem 10 %-Niveau messbar (β = .198.). Die Attribution ist direkt kein bedeutsamer Faktor für die emotionale Sicherheit. Die Beziehungsqualität beeinflusst wiederum einzig bei den sozialen Eltern die Eltern-Kind-Kommunikation auf dem 5 %-Signifikanzniveau (Stiefeltern: γ = .316*, leibliche Eltern: γ = .044). Bei den sozialen Eltern erfolgt der Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit wieder direkt über die Eltern-Kind-Kommunikation. Der entscheidende Einflusspfad der Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Kommunikation verläuft bei den leiblichen Eltern erneut über die Selbstregulation. Die aus dem einfachen Kommunikationsmodell bestätigten bzw. abgelehnten Wirkmechanismen und Hypothesen halten auch im erweiterten Kommunikationsmodell stand.

Gruppenvergleiche

271

Tabelle 7.37: Gruppenvergleich ES III: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 Mediator 3 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Stiefeltern: N = 116, χ2 = 211.103 BeziehungsEltern-KindEmotionale .133. .081 1.854 qualität Kommunikation Sicherheit (.064) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .023 .027 .963 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.335) Beziehungs- Attribution Emotionale .019 .071 .441 qualität Sicherheit (.659) Beziehungs- Attribution Eltern-KindEmotionale .017 .022 .894 qualität Kommunikation Sicherheit (.372) Beziehungs- Attribution SelbstEltern-KindEmotionale .016 .018 1.005 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.315) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .208** .086 2.863 (.004) 2 Leibliche Eltern: N = 146, χ = 158.192 BeziehungsEltern-KindEmotionale .012 .029 .441 qualität Kommunikation Sicherheit (.659) BeziehungsSelbstEltern-KindEmotionale .052. .034 1.670 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.095) Beziehungs- Attribution Emotionale .030 .047 .938 qualität Sicherheit (.348) Beziehungs- Attribution Eltern-KindEmotionale .002 .005 .403 qualität Kommunikation Sicherheit (.687) Beziehungs- Attribution SelbstEltern-KindEmotionale .003 .008 .412 qualität regulation Kommunikation Sicherheit (.680) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit .099* .053 2.215 (.027) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 369.295 (349), CFI = .986, TLI = .985, RMSEA = .021, SRMR = .078, GFI = .987, AGFI = .984; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Die indirekten Effekte sind für keine Elternschaft signifikant. Die beiden bereits bekannten Pfade aus Modell ES II klären bei den sozialen Eltern gemeinsam den größten Teil des totalen Effekts auf (𝜉 → 𝜂 = .133. + .023 = .156*).128 Bei den leiblichen Eltern unterstützen die beiden Pfade im geringeren Maße den totalen Effekt (𝜉 → 𝜂 = .012 + .052 = .064). Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit bleibt bei beiden Elternschaften mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant und fällt bei den sozialen Eltern erneut mit 𝜉 → 𝜂 = .208** signifikant stärker aus als bei den leiblichen Eltern (𝜉 → 𝜂 = .099*). Die Wirkung des Pfades 128

Die genannten Pfade lauten: Beziehungsqualität  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit und Beziehungsqualität  Selbstregulation  Eltern-Kind-Kommunikation  emotionale Sicherheit.

272

Ergebnisse

Beziehungsqualität  Attribution emotionale Sicherheit fällt bei den Stiefeltern mit 𝜉 → 𝜂 = .019 und bei den leiblichen Eltern kaum ins Gewicht (𝜉 → 𝜂 = .030). Die restlichen beiden Pfade erreichen bei den leiblichen Eltern Werte gegen Null und sind bei den sozialen Eltern nur von marginaler Bedeutung. Ausgeschlossene Strukturgleichungsmodelle: Kommunikationsmodell und prosoziales Verhalten (PV II und PV III) Wie bereits Abschnitt 7.4 für die Gesamtgruppe dargestellt hat, haben sich die aufgestellten Modelle für die beiden kindlichen Kompetenzfelder unterschiedlich bewährt. Die Gruppenvergleiche der ausgeschlossenen Modelle bilden die Abbildungen A.2 und A.3 im Anhang ab. Die Tabellen A.12 und A.13 im Anhang verweisen auf die dazugehörigen ermittelten indirekten und totalen Effekte. In beiden Modellen ist der χ2-Test auf dem 1 %-Niveau signifikant und der SRMR auf akzeptablem Niveau. Alle anderen Gütekriterien können in beiden Modellen noch als gut bezeichnet werden. Aus formaler Sicht können die Modelle damit angenommen werden. Das einfache Kommunikationsmodell (PV II) verweist bei den sozialen Eltern auf einen signifikant stärkeren Effekt der Eltern-Kind-Kommunikation auf das prosoziale Verhalten als bei den leiblichen Eltern. Ansonsten sind die ermittelten Abhängigkeitsbeziehungen zwischen der Beziehungsqualität und den Mediatoren bzw. unter den Mediatoren für die leiblichen und sozialen Eltern stabil. Gleiches gilt für die Varianzaufklärungen der Mediatoren und die angenommenen bzw. verworfenen Hypothesen H2a bis H2d für die beiden Elternschaften. So sind diese Kennzahlen mit den Werten im Modell mit der emotionalen Sicherheit als abhängiges Konstrukt vergleichbar. Das einfache Modell kann 12.7 % der Varianz des kindlichen prosozialen Verhaltens bei den sozialen Eltern und 7.9 % dieser Varianz bei den leiblichen Eltern aufklären. Die Ergebnisse zu den indirekten und totalen Effekten bestätigen das Bild. So ist der totale Effekt der Beziehungsqualität innerhalb dieses Modells bei den leiblichen Eltern nicht signifikant und bei den Stiefeltern mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % signifikant (𝜉 → 𝜂 = .168*). Die Beobachtung zur Gesamtgruppe wird durch das erweiterte Kommunikationsmodell noch eindeutiger widergespiegelt (PV III). So sind zwar auch hier die Einflussmechanismen zwischen der Beziehungsqualität und den Mediatoren bzw. unter den Mediatoren mit dem erweiterten Kommunikationsmodell zur emotionalen Sicherheit vergleichbar. Der Einfluss der Eltern-Kind-Kommunikation auf das prosoziale Verhalten geht beim Gruppenvergleich verloren und erfordert eine Ablehnung von Hypothese H2d. Stattdessen gewinnt bei den Stiefeltern die Haltung zum Kind erheblich an Bedeutung und bestätigt damit H2h für diese Gruppe

Gruppenvergleiche

273

(β = .552***; indirekter Effekt: 𝜉 → 𝜂 = .124). Das prosoziale Verhalten bleibt von den Attributionsmustern der leiblichen Eltern unabhängig (β = .223; indirekter Effekt: 𝜉 → 𝜂 = .032; Ablehnung Hypothese H2h). Aus den indirekten Effekten wird erkennbar, dass der jeweils nicht signifikante Pfad Beziehungsqualität  Attribution prosoziales Verhalten bei beiden Elternschaften mit am meisten zum Ergebnis des totalen Effekts beiträgt. Insgesamt erhöht sich die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens bei den sozialen Eltern um +20.8 % auf 33.5 % und bei den leiblichen Eltern um +2.4 % auf 10.3 %. Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten bleibt bei den Stiefeltern nicht signifikant und kann bei den leiblichen Eltern nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % bestätigt werden. Die Schlüsse aus Abschnitt 7.4.3 können auch auf die beiden Elternschaften übernommen werden. Das Kommunikationsmodell ist für die Beschreibung der Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die Kompetenzausbildung des kindlichen prosozialen Verhaltens weniger gut geeignet. Neu in diesem Gruppenvergleich ist das Ergebnis, dass die Attributionsmuster der sozialen Eltern deutlich das kindliche prosoziale Verhalten bzw. die stiefelterliche Angabe dazu beeinflusst. Beurteilung Das zweite Modell zeigt einige Verbesserungen und eine gewisse Stabilität gegenüber dem einfachen Kommunikationsmodell. Die Einflussmechanismen zwischen der Beziehungsqualität, der Selbstregulation und der Eltern-Kind-Kommunikation bleiben auf einem ähnlichen Niveau wie beim einfachen Kommunikationsmodell. Die Attribution verbessert die Varianzaufklärung der Selbstregulation deutlich. Diese Punkte sprechen aus empirischer Sicht dafür, dass dieses Modell die Realität vollständiger abbildet als das einfache Kommunikationsmodell.129 Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche Beeinflussungsmuster bei den Elternschaften: Bei Stiefeltern beeinflusst die Beziehungsqualität über die Eltern-Kind-Kommunikation die emotionale Sicherheit. Die Beziehungsqualität der leiblichen Eltern wirkt dagegen über die Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation und beeinflusst damit die emotionale Sicherheit. Die Attribution wirkt zusätzlich bei beiden Elternschaften über die Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation. Die statistischen Kennwerte befürworten die verschiedenen Einflussmuster und Effektstärken zwischen leiblichen und sozialen Eltern. Diese Ergebnisse bestätigen damit die Hypothesen H4a und H4b für den Einfluss der Kommunikations- und At-

129

Die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die Mediatoren sowie unter den Mediatoren erfolgen in gleichen Mustern unabhängig vom kindlichen Kompetenzbereich. Die dabei ermittelten Unterschiede zwischen den Elternschaften erweisen sich damit als stabil.

274

Ergebnisse

tributionsmuster auf die emotionale Sicherheit. Beim prosozialen Verhalten können die genannten Hypothesen einzig für die Wirkmechanismen zwischen der Beziehungsqualität und den Mediatoren bzw. unter den Mediatoren bestätigt werden. Das Modell PV III erklärt bei beiden Elternschaften unzureichend den indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf das kindliche prosoziale Verhalten. So kann nur beim einfachen Kommunikationsmodell PV II ein totaler Effekt auf das kindliche prosoziale Verhalten bei den Stiefeltern nachgewiesen werden. Die besondere Bedeutung der Beziehungsqualität für die Eltern-Kind-Kommunikation bei Stiefeltern kann unterschiedlich begründet werden. Aus systemischer Sicht scheinen die beiden Familiensubsysteme Paar-Ebene und StiefelternStiefkind-Ebene über weniger klare Grenzen zu verfügen. Es sind Anzeichen einer Übertragung der stiefelterlichen Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Kommunikation erkennbar. Auf der einen Seite kann der Stiefelternteil seine Beziehung zum Kind bis zu einem gewissen Maße von seiner Partnerschaftsqualität abhängig machen. Auf der anderen Seite kann das Kind auch eher zur Ablehnung seines sozialen Elternteils tendieren (z. B. aus einem Loyalitätsgefühl gegenüber seinem leiblichen Elternteil heraus), wenn es eine negativ gefärbte Beziehungsqualität des Paares wahrnimmt. Der leibliche Elternteil neigt dagegen bei einer schwach ausgeprägten Beziehungsqualität eher dazu, sein Kind anzuschreien oder zu beschimpfen. Die so geartete Beziehungsqualität kann den leiblichen Elternteil aufgrund vergangener Trennungserfahrungen emotional destabilisieren und sich damit zu einem Stressor entwickeln. In der Folge kann der leibliche Elternteil seine Elternkompetenzen eingeschränkt abrufen.

7.5.4 Modelle zur autoritativen Erziehung Gruppenvergleich: einfaches Modell zur autoritativen Erziehung (PV IV) Abbildung 7.15 präsentiert die Ergebnisse des Kausalmodells und Tabelle 7.38 zeigt die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten für die beiden Elternschaften. Das nachfolgende Modell weist einen auf dem 1 %-Niveau signifikanten χ2-Test auf. Alle anderen Gütekriterien halten ihre Grenzwerte ein und sind ausreichend für eine generelle Annahme des Modells. Die Varianz der Konsequenz und der Warmherzigkeit kann für die leiblichen Eltern (9.1 % bzw. 4.5 %) besser aufgeklärt werden als für die sozialen Eltern (0.2 % bzw. 3.0 %). Wie bereits das Modell mit der Gesamtstichprobe ermittelt hat, sind auch hier die Werte sehr niedrig. Bei den sozialen Eltern beeinflusst die Beziehungsqualität die Warmherzigkeit mit γ = .172 und die Konsequenz mit

Gruppenvergleiche

275

γ = .042 nicht (Ablehnung der Hypothesen H3a und H3b). Bei den leiblichen Eltern wirkt sie dagegen signifikant auf die Konsequenz (γ = .302**) und auf die Warmherzigkeit (γ = .213*; Annahme der Hypothesen H3a und H3b). Die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens erhöht sich gegenüber Modell I bei beiden Elternschaften. Dies erfolgt bei den sozialen Eltern (+ 40.5 % auf 42.2 %) in einem stärkeren Maße als bei den leiblichen Eltern (+ 31.0 % auf 32.7 %). Die Konsequenz übt bei beiden Elternschaften einen schwächeren Effekt auf den kindlichen Kompetenzbereich aus (Stiefeltern: β = .250*, leibliche Eltern: β = .330**) als die Warmherzigkeit (Stiefeltern: β = .598***, leibliche Eltern: β = .446***). Die Hypothesen H3c und H3d können für beide Elternschaften angenommen werden. Ein konsequenter Erziehungsstil ist bei den leiblichen Eltern signifikant relevanter als bei den sozialen Eltern. Stiefeltern: N = 116; χ2 = 233.165 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 168.038 R2 = .002/.091 .042/ .302**

Konsequenz

.250*/ .330** R2 = .422/.327

Beziehungsqualität

prosoziales Verhalten

.172/ .213*

Warmherzigkeit

.598***/ .446***

R2 = .030/.045

Abbildung 7.15: Gruppenvergleich PV IV: Einfaches Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 401.203** (319), CFI = .937, TLI = .932, RMSEA = .044, SRMR = .084, GFI = .966, AGFI = .960; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 (links: Stiefeltern, rechts: leibliche Eltern)

Die indirekten Einflüsse auf das prosoziale Verhalten unterscheiden sich zwischen den Elternschaften. Bei den leiblichen Eltern ergibt sich ein Zusammenspiel von Konsequenz und Warmherzigkeit, welches das prosoziale Verhalten des Kindes positiv beeinflusst. Dabei kommt der Warmherzigkeit eine signifikant höhere Bedeutung zu als der Konsequenz. Bei den sozialen Eltern bleiben die indirekten Effekte beider Pfade nicht signifikant mit höheren Werten beim Pfad über die Warmherzigkeit als beim Pfad über die Konsequenz. Der totale Effekt der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten ist allein bei den leiblichen Eltern auf

276

Ergebnisse

dem 1 %-Niveau signifikant (𝜉 → 𝜂 = .195**). Bei den Stiefeltern ist dieser Effekt nicht signifikant (𝜉 → 𝜂 = .114), was aus dem niedrigen Einfluss der Beziehungsqualität auf die beiden Erziehungskompetenzen herrührt. Tabelle 7.38: Gruppenvergleich PV IV: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Stiefeltern: N = 116, χ2 = 276.518 Beziehungsqualität Warmherzigkeit Prosoziales Verhalten .103 .146 .928 (.353) Beziehungsqualität Konsequenz Prosoziales Verhalten .011 .050 .280 (.780) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .114 .136 1.102 (.271) Leibliche Eltern: N = 147, χ2 = 208.768 Beziehungsqualität Warmherzigkeit Prosoziales Verhalten .095. .060 1.934 (.053) Beziehungsqualität Konsequenz Prosoziales Verhalten .056 2.162 .100* (.031) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .195** .084 2.838 (.005) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 485.285** (397), CFI = .938, TLI = .934, RMSEA = .041, SRMR = .084, GFI = .966, AGFI = .961; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Es ergeben sich bei den sozialen Eltern nicht genügend Hinweise, dass die Beziehungsqualität über die autoritative Erziehung das prosoziale Verhalten beeinflusst. Das prosoziale Verhalten wird bei ihnen zwar über die Konsequenz und die Warmherzigkeit beeinflusst. Der autoritative Erziehungsstil ist bei ihnen jedoch unabhängig von der Beziehungsqualität. Bei den leiblichen Eltern können dagegen die postulierten Wirkmechanismen angenommen werden. Die Beziehungsqualität wirkt bei ihnen über den autoritativen Erziehungsstil auf das prosoziale Verhalten. Die niedrigen Varianzaufklärungen der Warmherzigkeit und der Konsequenz bei beiden Elternschaften zeigen eine noch nicht vollständige Erfassung der Einflussmuster auf. Gruppenvergleich: erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung (PV V) Abbildung 7.16 informiert über das Strukturgleichungsmodell zum prosozialen Verhalten. Dazu wird das Modell zur autoritativen Erziehung um die Attribution erweitert. Tabelle 7.39 zeigt die indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Der χ2-Test des Modells fällt auf dem 1 %Niveau signifikant aus. Da die anderen Gütemaße ihre Grenzwerte ausnahmslos

Gruppenvergleiche

277

einhalten, wird das Modell angenommen. Die postulierten Prädiktoren unterscheiden sich zwischen den Elternschaften teilweise erheblich. Zwei Pfade sind bei beiden Elternschaften nicht signifikant. Wie bereits in allen vorherigen Modellen festgehalten wurde, wirkt sich die Beziehungsqualität auch in diesem Modell bei keiner Elternschaft signifikant auf die Attribution aus (Stiefeltern: γ = .181, leibliche Eltern: γ = .036; Ablehnung der Hypothese H3e). Wie im Modell mit der Gesamtstichprobe beeinflusst die Attribution bei keiner Elternschaft die Konsequenz signifikant (Stiefeltern: β = .071, leibliche Eltern: β = .144; Ablehnung Hypothese H3f). Stiefeltern: N = 116; χ2 = 299.276 Leibliche Eltern: N = 148; χ2 = 217.654 R2 = .008/.109 039/ .292*

Konsequenz

.159/ .322**

.071/.144 R2 = .515/.366

Beziehungsqualität

.181/ .036

Attribution

.363**/ .158

prosoziales Verhalten

R2 = .033/.001 .471*/ .162.

.061/ .216*

Warmherzigkeit

.436**/ .418**

R2 = .236/.076

Abbildung 7.16: Gruppenvergleich PV V: Erweitertes Modell zur autoritativen Erziehung Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 516.931** (430), CFI = .942, TLI = .938, RMSEA = .039, SRMR = .082, GFI = .967, AGFI = .962; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263 (links: Stiefeltern, rechts: leibliche Eltern)

Ansonsten weist dieses Modell vor allem Unterschiede zwischen den Elternschaften nach. Die Varianzaufklärung der Attribution beträgt bei den Stiefeltern 3.3 % und bei den leiblichen Eltern 0.1 %. Die Unabhängigkeit der Attribution von der Beziehungsqualität bestätigt dieses Modell. Die indirekten Einflüsse der Bezie-

278

Ergebnisse

hungsqualität ändern sich kaum. Wie beim einfachen Modell zur autoritativen Erziehung beeinflusst die Beziehungsqualität die Konsequenz (Stiefeltern: γ = .039, leibliche Eltern: γ = .292*) und die Warmherzigkeit (Stiefeltern: γ = .061, leibliche Eltern: γ = .216*) einzig bei den leiblichen Eltern. Die Warmherzigkeit ist bei beiden Elternschaften für das kindliche prosoziale Verhalten von Bedeutung (Stiefeltern: β=.436**, leibliche Eltern: β = 418**). Die Konsequenz ist nur bei den leiblichen Eltern von Bedeutung (Stiefeltern: β = .159, leibliche Eltern: β = .322**). Bei den sozialen Eltern bleibt ein Effekt der Konsequenz auf das prosoziale Verhalten des Kindes aus. Ein Teil des Musters der angenommenen und abgelehnten Hypothesen (H3a, H3b bis H3d) zum Modell PV IV hält der Erweiterung des Modells stand (Modell PV V). Die Varianzaufklärung der Konsequenz ist mit 0.8 % bei den sozialen und mit 10.9 % bei den leiblichen Eltern niedrig. Die stiefelterliche Warmherzigkeit wird im Kausalmodell auf dem 5 %-Niveau signifikant von deren Attribution beeinflusst (Annahme Hypothese H3g). Bei den leiblichen Eltern liegt keine Signifikanz vor (10 %-Niveau). Entsprechend unterschiedlich fallen die Varianzaufklärungen aus. 23.6 % der stiefelterlichen (+ 20.6 %) und 7.6 % der elterlichen Varianz (+ 3.1 %) der Warmherzigkeit kann dieses Modell aufklären. Damit kristallisiert sich mehr und mehr eine besondere Bedeutung der Attribution von sozialen Eltern bei der Erklärung des prosozialen Verhaltens heraus. Die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens verbessert sich gegenüber dem einfachen Modell zur autoritativen Erziehung bei beiden Elternschaften (Modell PV IV). Dieser Effekt fällt bei den sozialen Eltern (+ 9.3 % auf 51.5 %) deutlicher aus als bei den leiblichen Eltern (+ 3.9 % auf 36.6 %). Dieser Unterschied ist auf den Einfluss der Attribution zurückzuführen, welcher bei den sozialen Eltern mit β = .363** eindeutig stärker ist als bei den leiblichen Eltern (β=.158). Damit kann die Hypothese H3h ausschließlich bei den sozialen Eltern angenommen werden. Die Attribution wirkt bei den sozialen Eltern auf dem 1 %-Niveau signifikant auf das prosoziale Verhalten. Bei den leiblichen Eltern ist kein Effekt der Attribution auf dieses kindliche Entwicklungsfeld messbar. Die Attribution ist damit teilweise ein wichtiger Faktor für das prosoziale Verhalten. Sie ist jedoch bei beiden Elternschaften von der Beziehungsqualität unabhängig. Während bei den leiblichen Eltern die Konsequenz und die Warmherzigkeit in einem Zusammenspiel auf das prosoziale Verhalten wirken, verliert die Konsequenz bei den Stiefeltern in diesem Modell ihren Einfluss auf das prosoziale Verhalten (Ablehnung Hypothese H3c). Stattdessen wirken die Warmherzigkeit und die Attribution gemeinsam auf das prosoziale Verhalten bei dieser Elternschaft. Dies wird auch deutlich bei der Betrachtung der indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Diese Effekte sind bei den sozialen Eltern nicht signifikant, mit einem totalen Effekt von 𝜉 → 𝜂 = .138. Bei den leiblichen Eltern dagegen ergeben

Gruppenvergleiche

279

sich indirekte Effekte auf dem 5 %- bzw. 10 %-Niveau bei den Pfaden von der Beziehungsqualität  Warmherzigkeit/ Konsequenz  prosoziales Verhalten. Der totale Effekt der Beziehungsqualität ist wie beim einfachen Modell der autoritativen Erziehung (Modell PV IV) nur bei den leiblichen Eltern signifikant (𝜉 → 𝜂 = .194*). Tabelle 7.39: Gruppenvergleich PV V: Standardisierte indirekte und totale Effekte UV Mediator 1 Mediator 2 AV SE C. R. 𝝃→𝜼 (p) Stiefeltern N = 116, χ2 = 299.931 BeziehungsWarmherzig- Prosoziales .027 .092 .416 qualität keit Verhalten (.677) BeziehungsKonsequenz Prosoziales .006 .036 .242 qualität Verhalten (.809) BeziehungsAttribution Prosoziales .066 .071 1.324 qualität Verhalten (.185) BeziehungsAttribution Warmherzig- Prosoziales .037 .046 1.171 qualität keit Verhalten (.242) BeziehungsAttribution Konsequenz Prosoziales .002 .007 .406 qualität Verhalten (.684) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .138 .140 1.409 (.159) Leibliche Eltern N = 147, χ2 = 217.654 BeziehungsWarmherzig- Prosoziales .091. .062 1.839 qualität keit Verhalten (.066) BeziehungsKonsequenz Prosoziales .057 2.075 .094* qualität Verhalten (.038) BeziehungsAttribution Prosoziales .006 .026 .282 qualität Verhalten (.778) BeziehungsAttribution Warmherzig- Prosoziales .002 .010 .312 qualität keit Verhalten (.755) BeziehungsAttribution Konsequenz Prosoziales .002 .006 .334 qualität Verhalten (.738) Totale Effekte der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten .194* .095 2.578 (.010) Anmerkung: UV: unabhängige Variable, AV: abhängige Variable, 𝜉 → 𝜂: standardisierter indirekter/totaler Effekt, SE: Standardfehler; Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p < .1; χ2 (df) = 516.931** (430), CFI = .942, TLI = .938, RMSEA = .039, SRMR = .082, GFI = .968, AGFI = .962; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

Ausgeschlossene Strukturgleichungsmodelle: Modell zur autoritativen Erziehung und emotionale Sicherheit (ES IV und ES V) Bereits die Abschnitte 7.4.4 und 7.4.5 verweisen darauf, dass das (erweiterte) Modell zur autoritativen Erziehung weniger gut geeignet ist, um die indirekten Effekte der Beziehungsqualität über diesen Erziehungsstil auf die emotionale Sicherheit zu erklären. Die Kausalmodelle der dazugehörigen Gruppenvergleiche werden im

280

Ergebnisse

Anhang in den Abbildungen A.4 und A.5 dargestellt. Informationen zu den damit verbundenen indirekten und totalen Effekten liefern die Tabellen A.14 und A.15 im Anhang. Das einfache und das erweiterte Kausalmodell verfügt jeweils über einen signifikanten χ2-Test (5 %-Niveau) und einen akzeptablen SRMR. Die anderen globalen Gütemaße sind gut. Aus empirischer Sicht erlaubt dies jeweils die Annahme der beiden Modelle. Wie bereits bei der Gesamtgruppe üben die elterliche Warmherzigkeit und die Konsequenz im einfachen Modell keinen signifikanten Einfluss auf die emotionale Sicherheit aus (Ablehnung der Hypothesen H3c und H3d). Die ermittelten Abhängigkeitsbeziehungen zwischen der Beziehungsqualität und den Mediatoren sind analog zum Gruppenvergleich des einfachen Modells mit dem prosozialen Verhalten als abhängiges Konstrukt (leibliche Eltern: Annahme der Hypothesen H3a und H3b; Stiefeltern: Ablehnung der beiden Hypothesen). Auch die Varianzaufklärungen der Mediatoren sind vergleichbar. Jedoch wirkt sich der Erziehungsstil nur zu 2.9 % bei den Stiefeltern und zu 3.8 % bei den leiblichen Eltern auf die Varianz der kindlichen emotionalen Sicherheit aus. Die jeweils nicht signifikanten indirekten und totalen Effekte der Beziehungsqualität bestätigen, dass dieses Modell die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit unzureichend erklärt. Das erweiterte Modell verhärtet diese Beobachtung. Auch hier sind die Wirkmechanismen der Beziehungsqualität auf die Mediatoren bzw. der Attribution auf die Konstrukte des Erziehungsstils ähnlich wie beim Modell mit dem prosozialen Verhalten als abhängigem Konstrukt (äquivalente Annahme und Ablehnung der Hypothesen H3a, H3b, H3e bis H3g). Diese Einflüsse erweisen sich damit als stabil, unabhängig von der untersuchten kindlichen Kompetenz. Jedoch wirkt sich einzig die Haltung der leiblichen Eltern zum Kind auf dessen emotionale Sicherheit aus (Annahme der Hypothese H3h für die leiblichen Eltern). Damit verbunden ist eine leicht erhöhte Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit bei den leiblichen Eltern von + 7.9 % auf 11.7 %. Bei den Stiefeltern erhöht sich die Varianzaufklärung des abhängigen Konstrukts um + 6.0 % auf 8.9 %. Sie bleibt damit auf sehr niedrigem Niveau. Die Schlussfolgerungen aus Abschnitt 7.4.5 haben auch für die Gruppenvergleiche Bestand. Das Modell zur autoritativen Erziehung erklärt unzureichend, wie die Beziehungsqualität die emotionale Sicherheit des Kindes beeinflusst. Beurteilung Die Erweiterung des Modells zur autoritativen Erziehung deckt Einflussmechanismen auf, welche das einfache Modell noch nicht vermitteln konnte und bildet damit die Realität vollständiger als das genannte Modell ab. Die angenommenen und abgelehnten Hypothesen sind in Tabelle 7.40 aufgeführt. So wirkt die Beziehungsqualität allein bei den leiblichen Eltern über die autoritative Erziehung auf

Gruppenvergleiche

281

das prosoziale Verhalten. Bei Stiefeltern ist dieser Effekt nicht messbar. Stattdessen wird dort die besondere Bedeutung der Attribution offensichtlich, welche gemeinsam mit der Warmherzigkeit auf das prosoziale Verhalten einen Einfluss ausübt. Die Ergebnisse sprechen für einen Annahme der Hypothesen H4a und H4b. Die Einflussmuster und Effektstärken auf das prosoziale Verhalten sind unterschiedlich und erfolgen allein bei den leiblichen Eltern auch über die Beziehungsqualität.

7.5.5 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Wie bereits bei der Gesamtgruppe eruiert worden ist, können die aufgestellten Modelle jeweils nur für einen kindlichen Kompetenzbereich bestätigt werden. Dies betrifft bei der emotionalen Sicherheit das Kommunikationsmodell und beim prosozialen Verhalten das Modell zur autoritativen Erziehung. Die Modelle verweisen ferner auf die besondere Rolle der Haltung zum Kind, welche in allen Modellen einen von der Beziehungsqualität unabhängigen Faktor bildet. Zuerst wird erneut auf die Hypothesen zu den Unterschieden zwischen den Elternschaften eingegangen (vgl. Abschnitt 5.3). Anschließend werden die Ergebnisse genauer diskutiert. Beurteilung der Hypothesen H4a und H4b Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Elternschaften werden in Tabelle 7.40 zusammengefasst. Dazu werden die Ergebnisse für die beiden kindlichen Kompetenzbereiche getrennt nach leiblichen und sozialen Eltern dargestellt. Die Wirkmechanismen zwischen der Beziehungsqualität und den Mediatoren bzw. unter den Mediatoren verhalten sich bei den einzelnen Elternschaften stabil, unabhängig davon welcher kindliche Kompetenzbereich das abhängige Konstrukt bildet. Ein direkter Effekt der Beziehungsqualität auf die ausgesuchten kindlichen Kompetenzfelder ist bei beiden Elternschaften nicht nachweisbar. Damit werden für das Modell mit dem direkten Einfluss der Beziehungsqualität die Hypothesen H4a und H4b abgelehnt.

282

Ergebnisse

Tabelle 7.40: Unterschiede zwischen den Elternschaften Emotionale Sicherheit Stief- Leibl. eltern Eltern

Prosoziales Verhalten Stief- Leibl. eltern Eltern

Direkter Einfluss der Beziehungsqualität H1 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes. Kommunikationsmodell H2 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konstruktiver gestalten die Eltern die Kommunikation mit ihrem Kind und desto ausgeprägter sind die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes.   Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konfliktfreier verläuft die Eltern-Kind-Kommunikation.   H2b Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst.     H2c Je häufiger die Eltern sich selbst regulieren, desto konfliktfreier ist die Eltern-Kind-Kommunikation.   H2d Je konfliktfreier die Eltern-Kind-Kommunikation ist, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. H2e Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto positiver sind die Attributionsmuster gegenüber dem Kind.     H2f Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto häufiger regulieren die Eltern sich selbst. H2g Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konfliktfreier erfolgt die Eltern-Kind-Kommunikation.  H2h Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, () desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich. Modell zur autoritativen Erziehung H3 Je höher die Beziehungsqualität ist, desto häufiger üben die Eltern den autoritativen Erziehungsstil aus, welcher sich positiv auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes auswirkt. H2a

  Je höher die Beziehungsqualität ist, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind.   H3b Je ausgeprägter die Beziehungsqualität ist, desto warmherziger sind die Eltern im Umgang mit ihrem Kind.  H3c Je konsequenter die Eltern ihr Kind erziehen, desto ausgeprägter ist der kindliche Kompetenzbereich.   H3d Je warmherziger sich die Eltern gegenüber ihrem Kind verhalten, desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. H3e Je ausgeprägter die Beziehungsqualität, desto positiver sind die elterlichen Attributionsmuster gegenüber dem Kind. H3f Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, desto konsequenter erziehen die Eltern ihr Kind.   H3g Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, () desto warmherziger verhalten sich die Eltern gegenüber ihrem Kind.   H3h Je positiver die Attributionsmuster gegenüber dem Kind sind, () desto stärker ist der kindliche Kompetenzbereich ausgeprägt. Anmerkung: - bildet nicht bestätigte Hypothesen ab; () verweist auf eine Bestätigung auf dem 10 %-Signifikanzniveau; alle anderen  sind mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant; eigene Darstellung H3a

Gruppenvergleiche

283

Das Kommunikationsmodell bildet ein brauchbares Modell, um die stiefelterlichen Einflüsse der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit zu beschreiben. Für die leiblichen Eltern bewährt es sich in schwächer ausgeprägter Form. Das Modell zur autoritativen Erziehung bestätigt bei den leiblichen Eltern diesen Erziehungsstil als schlüssigen Mediator, um die indirekten Einflussmechanismen der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten zu erklären. Bei den Stiefeltern zeigt es den Nebeneffekt, dass die Attribution bei sozialen Eltern wichtiger für das prosoziale Verhalten ist als die Beziehungsqualität. Daneben beschreibt es eine besondere Bedeutung der Warmherzigkeit und präsentiert damit eine spezifische Rolle, welche die Stiefeltern einnehmen sollten, wenn sie das kindliche Aufwachsen positiv begleiten wollen. In der Gesamtschau finden die Hypothesen H4a und H4b für das Kommunikationsmodell und das Modell zur autoritativen Erziehung ihre Bestätigung. Soziale und leibliche Eltern unterscheiden sich in den Einflussmustern und den Effektstärken. Sie nehmen damit unterschiedliche Rollen innerhalb der Stieffamilie ein. Die Funktion der Beziehungsqualität Die Beziehungsqualität ist für beide Elternschaften ein wichtiger unterstützender Faktor, um das Kind indirekt bei der Entwicklung seiner Kompetenzen zu fördern. Während sie bei sozialen Eltern einzig das Kommunikationsverhalten mit dem Kind beeinflusst, wirkt sie bei den leiblichen Eltern zusätzlich auf ihren Erziehungsstil. Diese Einflussmechanismen behalten ihre ermittelte Gültigkeit unabhängig vom untersuchten kindlichen Kompetenzbereich und auch unter der Kontrolle der Haltung zum Kind. Die höheren Varianzaufklärungen der Selbstregulation bei den leiblichen Eltern können mithilfe der stresstheoretischen Perspektive erklärt werden. Je höher deren Beziehungsqualität ist, desto stressresistenter sind die leiblichen Eltern, wodurch sie gelassener in Erziehungssituationen agieren und damit das Kind in emotional aufgeladenen Situationen weniger anschreien oder beschimpfen. Sie können sich aber auch durch ihren Partner besser unterstützt fühlen und sich damit auf die Kompetenzförderung des Kindes konzentrieren. Bei sozialen Eltern kann dagegen ein Übertragungseffekt im Sinne der Spill-Over-Hypothese entstehen. Bei ihnen ist es weniger die Selbstregulation, sondern eher direkt die Eltern-KindKommunikation, welche mit der Beziehungsqualität in Zusammenhang steht. Je besser die Beziehungsqualität ausgestaltet ist, desto konstruktiver kommunizieren Stiefeltern und Kinder miteinander. Dadurch wird eine besondere Anfälligkeit der Stiefeltern-Stiefkind-Ebene deutlich. Eine geringe Partnerschaftsqualität kann dieses Subsystem stärker torpedieren als beim Äquivalent der leiblichen Eltern. Soziale Eltern scheinen damit ihre Beziehung zum Kind bis zu einem gewissen Grad

284

Ergebnisse

von ihrer Partnerschaft abhängig zu machen. Umgekehrt kann das Kind aber auch bei einer schlechten Beziehungsqualität des Paares mehr Probleme haben, die Stiefeltern zu akzeptieren und damit ablehnend auf diese reagieren. Der zweitgenannte Faktor kann bindungstheoretisch bedeuten, dass das Kind auf der einen Seite sich zur Loyalität gegenüber seinem leiblichen Elternteil verbunden und verpflichtet fühlt, auf der anderen Seite kann die Bindung zum Stiefelternteil geringer ausgeprägt sein. Welcher der beiden Faktoren der Entscheidende ist und ob bzw. wie die beiden Erklärungsmuster zusammenhängen, kann anhand der Untersuchung nicht aufgeklärt werden. Offensichtlich wird, dass die Beziehungsqualität die Kommunikationsmechanismen beider Elternschaften mit dem Kind beeinflusst und damit für diesen Bereich eine wichtige Ressource für leibliche und soziale Eltern sowie für das gesamte Familiensystem darstellt. Die Bedeutung der Beziehungsqualität für den autoritativen Erziehungsstil leiblicher Eltern kann ebenfalls durch die stresstheoretische Perspektive erklärt werden (vgl. Davies et al. 2009): Leibliche Eltern können aufgrund der eigenen Trennung bzw. Scheidung vom außerhalb lebenden leiblichen Elternteil der Kinder besonders sensibel auf die Qualität ihrer Partnerschaft reagieren. Eine schlechte Beziehungsqualität kann sie verunsichern, in ihnen die Angst vor dem erneuten Scheitern einer Partnerschaft wecken und noch unverarbeitete Anteile der eigenen Vorgeschichte ans Licht führen. Ein Spill-Over-Effekt und eine Wirkung der Beziehungsqualität auf die Mediatoren im Sinne Belsky’s werden für die leiblichen Eltern bestätigt. Die Möglichkeit, die eigenen Erziehungskompetenzen abrufen zu können, hängt für diese Elternschaft mit der Beziehungsqualität zusammen. Aus stresstheoretischer Perspektive kann eine niedrige Beziehungsqualität als Stressfaktor die Konsequenz und die Warmherzigkeit leiblicher Eltern beeinträchtigen. Umgekehrt fördert eine hohe Beziehungsqualität als wertvolle Ressource die Ausübung des autoritativen Erziehungsstils bei den leiblichen Eltern. Der fehlende Einfluss der Beziehungsqualität auf die stiefelterliche autoritative Erziehung kann unterschiedlich erklärt werden: (1) Sie überlassen die Übernahme klassischer Erziehungsfunktionen den leiblichen Eltern aufgrund der eigenen eingenommenen Rolle im Familiensystem.130 (2) Wie Stiefeltern mit ihren Stiefkindern umgehen, hängt mehr mit den stiefelterlichen Kognitionen zusammen. Stiefeltern gehen sachlicher und weniger emotional an das Kind heran, als es bei den leiblichen Eltern der Fall ist.131 (3) Der zweitgenannte Punkt hängt stark von der eigenen Haltung zum Kind ab, 130

Da die Mehrheit der Stieffamilien Stiefvaterfamilien sind, also neben der eigenen stiefelterlichen Funktion auch noch die Geschlechterrolle hinzukommt, könnte in dieser Studie dieser Effekt besonders stark hervortreten. 131 Unter Umständen könnte bei Kernfamilien ein stärkerer Einfluss der Beziehungsqualität auf die beiden Mediatoren auftreten, da in dieser Familienform die Subsysteme eventuell stärker miteinander verwoben sind als in Stieffamilien.

Gruppenvergleiche

285

welche zusätzlich einen eigenständigen Erklärungsfaktor bildet. Die Haltung zum Kind bleibt auch für die beiden Subgruppen von der Beziehungsqualität unabhängig. Andere Studien belegen einen Einfluss des partnerschaftlichen Konfliktniveau auf die Attributionsmuster gegenüber dem Kind (vgl. Cox et al. 1989; Howes und Markman 1989). Dieser Effekt findet in der vorliegenden Untersuchung keine Bestätigung. Voruntersuchungen der Autorin bestätigen zusätzlich, dass die Beziehungsqualität bei den Elternschaften und den Stieffamilienformen unterschiedlich von ausgewählten Einflussfaktoren abhängt (vgl. Kunze 2015a, 2015c). So unterstützen eine konfliktarme Partnerschaft, ein positives dyadisches Coping des Partners und das eigene konstruktive Verhalten (Kommunikation, dyadisches Coping) die Beziehungsqualität bei Stiefeltern. Leibliche Eltern berichten dagegen häufiger von einer ausgeprägten Beziehungsqualität, wenn sie ihren Partner positiv wahrnehmen, sich von diesem in Stressphasen unterstützt fühlen und diesen auch selbst durch dyadisches Coping unterstützen (vgl. Kunze 2015a). Diese Voruntersuchung verdeutlicht die zentrale Rolle des dyadischen Copings und wie Selbst- und Fremdwahrnehmungsmuster die Partnerschaft beeinflussen können. Die zweitgenannte Voruntersuchung der Autorin beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen Stiefvater- und Stiefmutterfamilien (vgl. Kunze 2015c): Sie verweist darauf, dass insbesondere in Stiefmutterfamilien die Sicherheit hinsichtlich der Gefühle des Partners und das dyadische Coping positiv auf die Beziehungsqualität wirken. Zweiteres trifft auch bei Stiefvaterfamilien zu. Die zweitgenannte Familienform kann auf zusätzliche Schutzfaktoren zurückgreifen (positive Haltung zum Partner, eigene konstruktive Kommunikationsmuster). Generell kommt diese Vorstudie zu dem Ergebnis, dass Stiefmutterfamilien über weniger Schutzmechanismen für die Beziehungsqualität verfügen als Stiefvaterfamilien. Dieser Aspekt gewinnt an Brisanz, da Stiefmutterfamilien mehr Risikofaktoren ausgesetzt sind als Stiefvaterfamilien (vgl. Kunze 2014, 2015c). Zusätzlich zeigen wissenschaftliche Studien unter anderem folgende Mechanismen auf: Die Rollenfindung von Stiefeltern fördert die Beziehungsqualität (vgl. Kunze 2014; Visher und Visher 1987). Dabei ist es wichtig, dass sich die Beziehungen ohne Zwang entwickeln können und zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil der Kontakt aufrechterhalten wird. Eine höhere Partnerschaftszufriedenheit wird angegeben, wenn weniger Erwartungen von Loyalität und Familiengrenzen als bei Kernfamilien angegeben werden (vgl. Keshet 1990). Innerhalb von Stieffamilien können unterschiedliche Vorstellungen der Stiefeltern-Kind-Beziehungen negativ auf die Beziehungssysteme der Familie zurückwirken (vgl. Bray und Kelly 1998; Kunze 2014).

286

Ergebnisse

Die Funktion der Kommunikation Das Kommunikationsmodell bewährt sich bei den Stiefeltern über die Varianzaufklärung und die totalen Effekte. Bei den leiblichen Eltern sind zwar die Wirkmechanismen über das Strukturgleichungsmodell erkennbar, die totalen Effekte und die niedrigere Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit (Gruppenvergleich ES II: 13.0 % gegenüber 20.8 %) sprechen allerdings nur eingeschränkt für eine Annahme des Modells für die leiblichen Eltern. Die Hypothesen können für die sozialen Eltern angenommen werden. Bei den leiblichen Eltern gilt dies nur bedingt. Das Kommunikationsmodell, welches um die Attribution ergänzt wurde, kann bei Stiefeltern weiterhin einen indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit bestätigen. Andere Studien erweitern den Blick: Golish (2003) beschreibt, welche Kommunikationsstrategien neben der gemeinsam verbrachten Zeit innerhalb von Stieffamilien besonders erfolgversprechend sind. Dazu zählt sie unter anderem tägliche Gespräche, Offenheit, klare Kommunikation von Regeln, den lösungsorientierten Umgang mit Problemen und die Vermittlung eines positiven Bildes vom außerhalb lebenden leiblichen Elternteil. Ferner unterstützen Stiefeltern durch eine verständnisvolle, entgegenkommende, ehrliche Haltung gegenüber dem Kind dessen Bereitschaft, eine offene, innige Beziehung zu den sozialen Eltern einzugehen und seine Möglichkeit, sich in seiner Stieffamilie wohl zu fühlen (vgl. Martin et al. 1999; Speer et al. 2013). Diese Ergebnisse stimmen mit den pädagogisch-ethischen Betrachtungsweisen zur Beziehungsgestaltung in Abschnitt 4.3.2 überein. Auch wenn Stiefeltern nicht die gleichen Rechte wie leibliche Eltern gegenüber dem Kind haben (vgl. Abschnitt 2.3) und eine eigene, andersartige Rolle einnehmen, wirken sie über ihre Kommunikationsweise nicht nur in das Lernumfeld Familie hinein, sondern können das Kind auch in der Entwicklung seiner Kompetenzen direkt unterstützen. Die Hauptaufgabe von Stieffamilien – insbesondere in der Anfangsphase – bildet die Entwicklung konstruktiver Eltern-Kind-Beziehungen (vgl. Hetherington und Clingempeel 1992). Die Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung scheint mit der Beziehungsqualität stärker zusammenzuhängen, als dies bei den leiblichen Eltern und ihren Kindern der Fall ist (vgl. auch Fine und Kurdek 1995). Es ist bedeutsam, ob die Stieffamilie bereits gefestigt ist oder noch nicht. So scheint eine hohe Beziehungsqualität zu Anfang einer Stieffamilie einen negativen Effekt auf die ElternKind-Beziehung und das kindliche Verhalten auszuüben (vgl. Hetherington 1989; Hetherington und Jodl 1994). „Insgesamt dürfte die Frage, ob eine positive Partnerschaft den Kindern zugute kommt, nicht zuletzt davon abhängen, ob Kinder sich von dieser Beziehung ausgeschlossen fühlen oder sich als Teil der neuen familialen

Gruppenvergleiche

287

Einheit erleben. Auch hier ist entscheidend, in welcher Phase des Anpassungsprozesses sich die Familie befindet“ (Walper und Wild 2002: 348).

Dieser Effekt verflüchtigt sich mit zunehmender Verfestigung der Stieffamilie. Der Spill-Over-Effekt kann bei gefestigten Stieffamilien nachgewiesen werden (vgl. Fine und Kurdek 1995). In dieser Untersuchung sind 60.1 % der Stieffamilien gefestigt, so dass der Spill-Over-Effekt bei den Respondenten erfassbar ist (vgl. Abschnitt 7.1). Die Funktion der autoritativen Erziehung Die deskriptiven Ergebnisse haben aufgezeigt, dass leibliche Eltern generell warmherziger gegenüber ihren Kindern auftreten als soziale Eltern (vgl. Abschnitt 7.2.3). Dies impliziert unterschiedliche Beziehungs- und Bindungsformen auf der Eltern-Kind-Ebene, bei welcher die leiblichen Eltern emotionaler gegenüber ihren Kindern auftreten als die Stiefeltern und eine intensivere Beziehung zu ihrem Kind pflegen, als es bei den sozialen Eltern der Fall ist. Die dazugehörigen Mittelwertunterschiede und die Überprüfung der Messinvarianz (vgl. Abschnitt 7.5.1) der eingesetzten manifesten Variablen bekräftigen diesen Eindruck, welcher im Einklang mit anderen Studien zu Stieffamilien im Zusammenhang mit der Bindungstheorie ist. Auch wenn die genannten Unterschiede zwischen den Elternschaften auftreten, können die Studienergebnisse nachweisen, dass warmherzig auftretende Stiefeltern das prosoziale Verhalten ihres Kindes fördern können. Dabei ist es von Bedeutung, eine positive Haltung zu dem Kind zu entwickeln. Die Ergänzung des Modells der autoritativen Erziehung um die Attribution verbessert die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens. Es schwächt allerdings die Wirkung der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Der signifikante totale Effekt weist bei den leiblichen Eltern einen weiterhin bestehenden indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten nach, welcher sich signifikant verschlechtert. Während Studien zu Kernfamilien belegen, dass sich ein autoritativer Erziehungsstil beider Eltern positiv auf die kindliche Kompetenzentwicklung auswirkt (vgl. Simons und Conger 2007), gilt dieses Muster nicht bei den untersuchten Stieffamilien. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen leiblichen und sozialen Eltern dahingehend, dass leibliche Eltern die Kompetenzentwicklung ihres Kindes positiv mit diesem Erziehungsstil beeinflussen können (vgl. auch Hetherington und Clingempeel 1992). Stiefeltern dagegen sollten vor allem warmherzig gegenüber den Kindern sein, sich jedoch mit der Durchsetzung von Regeln und konsequenter Erziehungsweise zurückhalten, worauf der nicht-signifikante Pfad Konsequenz  prosoziales Verhalten in Modell PV V hindeutet. Elterliche Grenzsetzung bildet demzufolge eine Aufgabe

288

Ergebnisse

der leiblichen Eltern. Dieses Muster in Stieffamilien verweist auf eine andere Systemstruktur dieser Familienform gegenüber Kernfamilien und auf eine damit einhergehende Herausforderung. In Kernfamilien funktioniert Co-Parenting für die Beziehungsqualität besonders dann positiv, wenn die Eltern sich in den Bereichen Konsequenz und Verhaltenskontrolle ähneln (vgl. Estlein und Theiss 2014). Wenden Stieffamilien dieses Verhaltensmuster auch innerhalb ihrer Familie an, können konsequent erzieherisch agierende Stiefeltern von ihren Stiefkindern leichter abgelehnt werden (vgl. Cartwright 2005; Hetherington 1993; Kunze 2014). Weitere Studien belegen eine moderate konsequente Erziehungsweise der sozialen Eltern als förderlich für das Kind (vgl. Golish 2000). Wichtig ist es, dass sich die Partner über ihre Rollenverteilung und erzieherischen Funktionen und Aufgaben einig sind (vgl. Jensen und Shafer 2013). Diese Herausforderung von gleichzeitiger Einigkeit und Kooperation der Partner mit gleichzeitiger Zurückhaltung der Stiefeltern bei der kindlichen Verhaltenskontrolle wurde bereits von anglo-amerikanischen Studien belegt (vgl. Shapiro 2014). Sie kann die Unsicherheiten innerhalb dieses Familiensystems und die erhöhte stiefelterliche Stressanfälligkeit erklären (vgl. ebd.). Stiefeltern agieren als Eltern und Nicht-Eltern. Wie bereits andere Forschungsergebnisse und die Bedeutung der Eltern-Kind-Kommunikation bzw. der Warmherzigkeit verdeutlichen, ist die stiefelterliche Gestaltung des Beziehungssystems mit dem Kind ein zentraler Faktor, um ihm eine förderliche Lernumgebung anzubieten. Dies verdeutlicht, dass Stiefeltern sich nicht von den Kindern zurückziehen sollen, sondern ihnen gemeinsam mit den leiblichen Eltern mit emotionaler Wärme und Unterstützung ein warmherziges Familienklima bieten sollen (vgl. Crosbie-Burnett und Giles-Sims 1994). Soziale Eltern wiederum benötigen individuelle Coping-Fähigkeiten und im besten Fall supportives dyadisches Coping ihres Partners, um ihr Stressniveau niedrig zu halten und damit als kompetente soziale Eltern agieren zu können. Die Funktion der Attribution Im erweiterten Kommunikationsmodell übt die Haltung zum Kind bei beiden Elternschaften einen Einfluss auf die Selbstregulation aus, unabhängig vom kindlichen Kompetenzbereich. Die Ergebnisse vermitteln auch eine besondere, grundsätzliche Rolle der Attribution für die stiefelterliche Warmherzigkeit gegenüber dem Kind und deren Einschätzung des kindlichen prosozialen Verhaltens. Im ausgeschlossenen Modell ES V wirkt sich die Attribution der leiblichen Eltern ferner auf die emotionale Sicherheit des Kindes aus. Die bereits zur Gesamtstichprobe diskutierten Schlussfolgerungen zu den Einflussmechanismen der Attribution auf die Selbstregulation erfahren unabhängig von der Elternschaft ihre Bestätigung. Die besondere Rolle der Haltung zum Kind

Gruppenvergleiche

289

für die stiefelterliche Warmherzigkeit weist erneut auf die eigene Form der Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung hin. Inwieweit sich Stiefeltern auf das Kind einlassen, eine grundlegende, emotional warme Beziehung zu dem Kind aufbauen und pflegen, sich gegenüber dem Kind emotional engagieren, hängt stark damit zusammen, welche Sicht sie auf das Kind haben. In diesen Zusammenhang kann auch der Einfluss der Attribution auf das prosoziale Verhalten gesehen werden. Haben Stiefeltern eine positive Grundhaltung gegenüber dem Kind, nehmen sie vermehrt das prosoziale Verhalten des Kindes wahr. Umgekehrt kann das Kind aus systemischer Sicht mehr prosoziales Verhalten zeigen, da es sich der positiven stiefelterlichen Attributionsmuster gewahr ist. Je wertschätzender die Haltung der leiblichen Eltern zu ihren Kindern ist, desto emotional sicherer sind die Kinder. Aus bindungstheoretischer Sicht verweist dies auf eine entwickelte sichere Bindung, die den Kindern die Möglichkeit schafft, Selbstvertrauen zu entwickeln und auftretende Krisen und Stresssituationen besser zu bewältigen und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu reifen (vgl. Abschnitt 4.1.1). Die damit einhergehenden primären Beziehungserfahrungen des Kindes sind im Sinne von Ludwig Liegle und Janusz Korczak geprägt von Wertschätzung, Achtung, Fürsorge, Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit und Reziprozität. Diese Punkte sind aus pädagogisch-ethischer Sicht essenziell für das Kind und seine Kompetenzentwicklung (vgl. Abschnitt 4.2.2). Das Kind erfährt dadurch, dass es sich unabhängig von möglichen auftretenden Spannungen, Meinungsverschiedenheiten oder Krisen auf seine leiblichen Eltern verlassen kann. Damit einher geht eine Bildung von Vertrauen in sich und in die Welt. Resümee Die psychologischen Erklärungsmodelle, die lerntheoretischen Ansätze sowie die verantwortete Elternschaft aus pädagogisch-ethischer Perspektive finden in dieser Arbeit ihre Bestätigung im Rahmen von Stieffamilien. Generell werden gemeinsame und unterschiedliche Muster des Umgangs mit dem Kind und in den Einflussmechanismen deutlich. Folgende Faktoren haben sich als besonders günstig für die kindliche Kompetenzentwicklung herausgestellt. Die besondere Rolle der Kommunikation bei den sozialen Eltern verweist auf eine eher freundschaftliche Beziehung zwischen den Kindern und ihren Stiefeltern. Die leiblichen Eltern befinden sich dagegen stärker in der Erzieherrolle als die sozialen Eltern. Eine wertschätzende Haltung zum Kind erweist sich neben der Beziehungsqualität in vielerlei Hinsicht als weitere wichtige Ressource der Eltern unabhängig von ihrer Elternschaft und unabhängig von der Beziehungsqualität.

290 7.6

Ergebnisse Zusammenfassung und Grenzen der vorliegenden Untersuchung

Die Untersuchungsgruppe bilden 263 leibliche bzw. soziale Eltern aus primären Stieffamilien, welche in einer Gesamtschau der soziodemografischen Merkmale am ehesten einer Mittelschichtstichprobe zugeordnet werden können, in welcher das klassische Modell mit dem leiblichen bzw. sozialen Vater als Hauptverdiener überwiegt. Sie sind überwiegend den Stiefvaterfamilien und mehrheitlich den gefestigten Stieffamilien zuzuordnen. Die Bezugskinder, deren Geschlechter- und Altersklassen ausgewogen sind, sind häufiger die Stiefkinder als die gemeinsamen Kinder. Die Angaben der Respondenten zu den einzelnen Indikatoren der Beziehungsqualität, der kindlichen Kompetenzfelder und der Erziehungskompetenzen sind durchgängig erhöht. Die nicht vorhandene multivariate Normalverteilung erfordert den Einsatz robuster Modellschätzungen (MLR-Verfahren). Zugleich bedingen die nicht zufällig auftretenden Fehlwerte (MAR) ein FIML-Verfahren (vgl. Abschnitt 6.3). Ein Item der Selbstregulation und eine Variable der Konsequenz wurden für die multivariaten Analysen ausgeschlossen. Mehrheitlich differieren die Elternschaften in ihren Angaben zu den eingesetzten Items nicht. In einzelnen Bereichen unterscheiden sich die Mittelwerte der Elternschaften signifikant voneinander. So sind ein Item zum prosozialen Verhalten und die Indikatoren der Warmherzigkeit bei den leiblichen Eltern ausgeprägter als bei den sozialen Eltern. Stiefeltern nehmen sich selbst konsequenter als leibliche Eltern wahr und kritisieren die Kinder häufiger. Die aufgestellte Struktur der Messmodelle kann sich bewähren. Dabei stellt sich die Beziehungsqualität als ein Konstrukt höherer Ordnung heraus. Bei der emotionalen Sicherheit besteht eine zusätzliche Kovarianz zwischen dem Ausmaß an Selbstvertrauen und Ängsten. Bei der Selbstregulation und der Konsequenz bedurfte es jeweils der Entfernung von einem Item, um die Qualität der beiden Konstrukte deutlich zu verbessern. Die anderen latenten Variablen können in der aufgestellten Form umgesetzt werden. Die in Kapitel 4 dargestellten psychologischen Modelle werden in dieser Arbeit generell bestätigt. Ferner erweist sich die Haltung zum Kind, ein aus pädagogisch-ethischer Sicht relevanter Faktor, auch in diesen Untersuchungsergebnissen unabhängig von der Elternschaft als wichtiger Einflussfaktor auf die sozio-emotionale Kompetenzausbildung des Kindes. Lernen erfordert konstruktive Beziehungsstrukturen. Auch dieser von Ludwig Liegle und weiteren Pädagogen aufgeworfene Aspekt (vgl. Abschnitte 4.2.2 und 4.2.3) findet seine Bestätigung in dieser Untersuchung. Ferner wird die Bedeutung der autoritativen Erziehung für das prosoziale Verhalten bestätigt. Der Einfluss der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes ist allein indirekter Natur. Dies gilt in dieser Analyse auch unabhängig von der Elternschaft. Entsprechend

Zusammenfassung und Grenzen der vorliegenden Untersuchung

291

Engfer’s Spill-Over-Theorie und Belsky’s Prozessmodell wirkt sich die Beziehungsqualität auf Bereiche der eingesetzten Elternkompetenzen und die ElternKind-Beziehung aus. Bei der emotionalen Sicherheit sind mit dem respektvollen Umgang verbundene Kommunikations-, Wahrnehmungs- und Selbstregulationsmuster wichtige Kovariaten. Die Beziehungsqualität wirkt mit Ausnahme der Attribution auf diese elterlichen Faktoren, welche wiederum die emotionale Sicherheit beeinflussen. Die Mediatoren stehen dabei in einem Muster von Wirkzusammenhängen, in welcher die Attribution auf die Selbstregulation und in der Gesamtstichprobe auf die Eltern-Kind-Kommunikation einen Einfluss ausübt. Die Selbstregulation beeinflusst zusätzlich die Kommunikationsmuster in der Eltern-KindBeziehung. Der Gruppenvergleich zwischen den Elternschaften bestätigt das Modell in besondere Weise für die sozialen Eltern. Das Kommunikationsmodell findet beim prosozialen Verhalten keine ausreichende Bestätigung. Der autoritative Erziehungsstil kann sich bei der emotionalen Sicherheit nicht als Mediator bewähren. Er ist allerdings beim prosozialen Verhalten ein wichtiger Mediator. Dabei sind die emotionalen Aspekte (Warmherzigkeit) stärkere Prädiktoren als die Grenzsetzung und die Attribution. Die Attribution beeinflusst die Warmherzigkeit. Konsequenz und ein liebevoller Umgang mit dem Kind sind die entscheidenden Prädiktoren, welche direkt auf das prosoziale Verhalten wirken. Die Analyse der soziodemografischen Merkmale hat aufgezeigt, dass Jugendliche emotional sicherer agieren als Kinder. Alle anderen soziodemografischen Merkmale können die kindlichen Kompetenzbereiche nicht signifikant bzw. einzig auf dem 10%-Niveau beeinflussen (Respondent: Geschlecht, Bildungsniveau). Die jeweilige Varianzaufklärung verbesserte sich ebenfalls kaum. Insgesamt sprechen die Ergebnisse dafür, die Modelle ohne die Kontrollvariablen für die Gruppenvergleiche zu verwenden. Die zugenommene Komplexität des Modells durch den Einsatz der soziodemografischen Merkmale verschlechtert die globalen Gütekriterien teilweise erheblich, weshalb der Gruppenvergleich zugunsten einer zu wahrenden Stabilität der SGMs ohne die soziodemografischen Merkmale stattgefunden hat. Der Gruppenvergleich zwischen den Elternschaften zeigt auf, dass die Beziehungsqualität einzig bei den leiblichen Eltern über die autoritative Erziehung auf das kindliche prosoziale Verhalten wirkt. Bei den sozialen Eltern ist sie dagegen von geringer Bedeutung. Stattdessen klärt bei ihnen primär ein Zusammenwirken von Attribution und Warmherzigkeit 51.5 % der Varianz des prosozialen Verhaltens auf. Diese wissenschaftliche Untersuchung ist verschiedenen Limitationen unterworfen, welche bei der Ergebnisinterpretation berücksichtigt werden müssen. Die methodischen und die an den Modellen aufgeworfenen Kritikpunkte werden im

292

Ergebnisse

Folgenden näher beleuchtet. Die Aussagen zu den einzelnen Untersuchungsbereichen bilden Selbsteinschätzungen. Die Kritikpunkte an dieser Methodik wurden bereits erläutert (vgl. Abschnitt 5.3). Eine Diskrepanz zwischen den getroffenen Angaben und realem Verhalten kann bei den Aussagen der Respondenten nicht ausgeschlossen werden. Individuelle Bewertungsmuster, Intentionen und der Wunsch, äußeren Erwartungsmustern zu genügen, können auf das Antwortverhalten abfärben. Innerhalb des Familiensystems wurde nur eine geringe Auswahl von Kriterien in ihren Wirkzusammenhängen untersucht. Der Verzicht auf Längsschnittdaten zugunsten einer belastbaren Untersuchungsgruppe, kann keine Entwicklungen abbilden. Die Größe der Stichprobe ist für die einzelnen Modellen noch passabel (N = 263). Die Interpretation und die Repräsentativität der einzelnen Gruppenvergleiche erfordern die Voraussetzung möglichst schlanker Modelle. In allen Gruppenvergleichen liegt der χ2-Wert bei den Stiefeltern höher als bei den leiblichen Eltern. Hintergrund dieser Beobachtung bildet die kleinere Untersuchungsgruppe der Stiefeltern gegenüber der Gruppe der leiblichen Eltern. Eine kritische Reflexion der Modelle für die beiden kindlichen Kompetenzfelder ist ebenfalls erforderlich. Die Modelle stellen die komplexe Realität vereinfacht dar und können nicht alle Einflussmöglichkeiten auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten berücksichtigen. Dazu sollten weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen hinzugenommen werden. Die Varianzaufklärung der emotionalen Sicherheit (18.4 % in Modell ES III) und des prosozialen Verhaltens (43.1 % in Modell PV V) zeigen auf, dass die aufgestellten Modelle die kindlichen Kompetenzausprägungen bei Weitem nicht vollständig erklären können. Die niedrige Aufklärung der Varianz der emotionalen Sicherheit ist weiterhin auch unter dem Gesichtspunkt des Alters des Kindes zu betrachten. Die Bezugskinder sind zwischen acht und 16 Jahre alt. Gemäß der Bindungstheorie ist besonders die Kleinkindphase entscheidend für die Herausbildung der emotionalen Sicherheit. Dieser Prozess ist in dem genannten Alter bereits weit vorangeschritten. Äußere Faktoren, welche für die Altersgruppe der Kinder zunehmend an Bedeutung gewinnen, wurden nicht einbezogen (z. B. Schule, Peergroup). Ferner konnte der außerhalb der Familie lebende andere leibliche Elternteil nicht berücksichtigt werden. Die Untersuchungsergebnisse sind deshalb als kleiner Teil der in der Realität stattfindenden Wirkzusammenhänge zu verstehen. Ein Gruppenvergleich leiblicher und sozialer Eltern in Stieffamilien macht deutlich, dass die Beziehungsqualität auf die Kompetenzen des Kindes bei den Elternschaften unterschiedlich wirkt. So beeinflusst die Beziehungsqualität die kindliche emotionale Sicherheit bei sozialen Eltern stärker als bei leiblichen Eltern. Die Attribution bildet bei den Stieffamilien einen mächtigen Wirkfaktor in beiden Untersuchungsmodellen, welcher von der Beziehungsqualität unabhängig

Zusammenfassung und Grenzen der vorliegenden Untersuchung

293

bleibt. Beim prosozialen Verhalten ist dagegen die Beziehungsqualität entscheidender für die leiblichen als die Stiefeltern. Bei den Stiefeltern ist hier die Attribution wichtiger als die Beziehungsqualität. Die Gruppenvergleiche können dazu dienen, gewisse Systematiken innerhalb der Stieffamilie zu beschreiben. Dies gilt in besonderer Weise für das Modell zum prosozialen Verhalten. Eine wichtige Funktion leiblicher Eltern ist es, ihren Kindern Grenzen zu setzen. Ein Gleichgewicht aus Warmherzigkeit und Konsequenz unterstützt die Entwicklung des kindlichen prosozialen Verhaltens. Soziale Eltern dagegen sollten nach den vorliegenden Ergebnissen weniger diese Funktion ausüben. Statt sich in einer leiblichen Elternrolle einzufinden und dabei auch liebevoll konsequent zu erziehen, ist es entscheidender, eine warmherzige Beziehung zum Kind aufzubauen und zu pflegen. Die hohe Bedeutung der stiefelterlichen Warmherzigkeit für eine positive Kindesentwicklung findet auch in anderen Studien ihre Bestätigung und wird in diesen als Form eines „elterlichen Freundes“ beschrieben (vgl. zus. fas. bei Kunze 2014). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die hohe Bedeutung der Attribution, auch wenn sie nicht von der Beziehungsqualität beeinflusst wird. Die Sichtweise vom Kind in schwierigen Erziehungssituationen wirkt generell auf den Grad warmherzigen Erziehungsverhaltens. Daneben nimmt sie bei den Wirkmechanismen auf das prosoziale Kindesverhalten eine Schlüsselrolle bei Stiefeltern ein.

8

Pädagogischer Handlungsleitfaden

Dieser pädagogische Handlungsleitfaden übersetzt die vorliegenden Ergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen für Eltern und dient als Anregung in der Arbeit mit Eltern. Er ist jederzeit erweiterbar und dient als einer der ersten erziehungswissenschaftlichen Impulse für die Förderung der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens in Stieffamilien. Er beginnt mit grundsätzlichen pädagogischen Prinzipien (8.1) und allgemein zu beachtenden Mustern (8.2). Er geht anschließend auf die aus der Untersuchung abzuleitenden Handlungsempfehlungen für Stieffamilien mit Kindern der untersuchten Altersstufen ein (8.3) und widmet sich in einem gesonderten Bereich Hinweisen für die beiden Elternschaften (8.4). 8.1

Grundsätzliche pädagogische Prinzipien

Grundsätzlich hat das Recht des Kindes auf Achtung im Sinne der „fröhlichen Pädagogik“ von Janusz Korczak (vgl. Korczak 1970) nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Auch die Empfehlungen von Ludwig Liegle im Rahmen seiner entwickelten Theorie zur Beziehungspädagogik enthalten viele wertvolle Orientierungspunkte für die elterliche Selbstregulation, die Beziehungsgestaltung zum Kind und zum Partner sowie zum Umgang mit dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil, welche ausschnitthaft wiedergegeben werden sollen (vgl. Liegle 2017: 246-275; siehe auch Ecarius 2007; Ecarius et al. 2017; Tschöpe-Scheffler 2013): Dazu gehört es, das Kind als Person ganzheitlich zu achten, wertzuschätzen, anzuerkennen, bei seinen Lernerfahrungen zu ermutigen, anzuregen und zu unterstützen. Konkret inkludieren diese Ausführungen darin, dem Kind mit Empathie, Fürsorge und Einfühlung zu begegnen, sich in das Kind hineinzuversetzen und ihm Angstfreiheit innerhalb und außerhalb der Familie zu gewährleisten. Das beinhaltet unter anderem, ihm Nähe und Distanz sowie Autonomie und Verbundenheit, entsprechend seiner Bedürfnislage und seines Reifegrades zuzugestehen. Ferner ist Erziehung als Dialog, Zeigen und Antwort zu begreifen. Das heißt, generell miteinander zu interagieren, die jeweiligen Rollen, Regeln und Rituale im Rahmen einer Metakommunikation zu kommunizieren, zu argumentieren und zu verhandeln und Fragen des Kindes in Lern- und Erziehungsprozesse zu integrieren. Es

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8_8

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Pädagogischer Handlungsleitfaden

gilt, eine intime, verlässliche, dauerhafte und reziproke Beziehung zu ihm aufzubauen und zu pflegen. Dabei soll das Kind als eigenständiger Akteur mit dem Recht und der Notwendigkeit der Partizipation am Familienleben und als Mitgestalter der Eltern-Kind-Beziehung begriffen werden. Die Grenzen der Erziehung, des Verstehens und der Lernfähigkeit wollen ebenfalls von den Eltern erkannt und anerkannt werden. Das heißt, Lerninhalte und die darauf bezogenen Erklärungsmuster wollen dem individuellen Entwicklungsstand genauso angepasst werden wie die gesetzten Grenzen. Ferner bedeutet es, das Kind als eigenständiges Individuum ernst zu nehmen und seine Einzigartigkeit zu achten. Hilfreich ist es zudem, Situationen mit Humor zu begegnen (vgl. auch Korczak 1970). Die ethischen Grundsätze in Bezug auf den Partner und den außerhalb des Haushalts lebenden leiblichen Elternteil (mit seinem Partner) verweisen auf die Bedeutung der gegenseitigen Wertschätzung und der wechselseitigen Unterstützung unter den Erwachsenen. Die Partnerschaft will gepflegt werden. Auf der Ebene der leiblichen Eltern erfordert es, die weiterführende Elternschaft des jeweils Anderen anzuerkennen und kooperativ miteinander umzugehen. Es geht darum, die Beziehung des Kindes zu beiden leiblichen Eltern und zu deren (möglichen) Partnern zu fördern, zu unterstützen und anzuerkennen und als Eltern haushaltsübergreifend in konstruktiver Weise zu kooperieren. Im Rahmen des Kommunikationsgeschehens sollten Eltern neben der Selbstregulation auch die eigene Haltung zum Kind im Blick behalten. Beide Faktoren sind untrennbar miteinander verbunden. Wie die elterliche Haltung zum Kind ist, spiegelt sich in den elterlichen Verhaltensweisen gegenüber dem Kind wider und wirkt sich darauf aus, inwieweit das Kind bereit ist, sich seinen Eltern zu öffnen, mitzuteilen, also seinen Eltern zu vertrauen. Eine vertrauensvolle, angstfreie Familienumwelt unterstützt diesen Prozess. Dazu gehört auch, in stresshaltigen und emotionalen Momenten die Beherrschung zu bewahren und das Kind im Eifer des Gefechts nicht anzuschreien oder zu beschimpfen. Stattdessen hilft es, den eigenen Standpunkt angepasst an den kindlichen Entwicklungsstand zu erläutern. Auf diese Weise erlernt das Kind nicht nur neue kommunikative Fähigkeiten, eine konstruktive Diskussionskultur und entsprechende Erziehungsinhalte, sondern erhält auch die Möglichkeit, den elterlichen Standpunkt für sich nachzuvollziehen. Diese Punkte können sich positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken. Auf der Ebene des Erziehungsstils ist ein autoritativer Erziehungsstil im Rahmen eines Verhandlungshaushaltes positiv zu bewerten, welcher emotionale Zuwendung mit konsequenten Regeln verbindet. Hierbei ist auf den Reifegrad des Kindes zu achten und das Kind weder durch zu frühe Verantwortungsübernahme zu überfordern noch in seinem Ablösungsprozess zu behindern. So ist bei Jugend-

Grundsätzliche pädagogische Prinzipien

297

lichen die Beratungsfunktion der Eltern entscheidender als das „Pochen“ auf Regeln. In diesem Alter ist es wichtig, im Rahmen der elterlichen Beratung dem Jugendlichen zur Selbsteinsicht zu verhelfen (vgl. Ecarius et al. 2017), um die Erziehung zur Selbsterziehung zu fördern und damit die elterliche Erziehung am Ende überflüssig zu machen. Im Rahmen der Familienerziehung sollen dem Kind Erfahrungsräume innerhalb und außerhalb der Familie zugänglich gemacht werden, um Lernprozesse zu fördern. Damit das, was einem Menschen begegnet, zur Begegnung wird, und das, was ihm widerfährt, zur Erfahrung wird, muss ein Transformationsprozess stattfinden, welcher das Ereignis der Außenwelt zu einem Element der Innenwelt werden lässt (vgl. Liegle 2017: 256f.). Wichtige Hilfsmittel bei der Erziehung bilden dabei das „Zeigen“ und das „Antworten“ (vgl. Abschnitt 4.1.2). Diese Haltungen und Verhaltensweisen sind vertrauensbildend. Beides unterstützt das kindliche Wohlbefinden und damit kindliche Lernprozesse, die Ausbildung seiner Lernmotivation, das Angehen seiner nächsten Lernschritte und somit, neben dem Ausbau seiner sozio-emotionalen, auch den seiner kognitiven Kompetenzen. Weitere Faktoren, die diesen Prozess unterstützen, sind vorgelebte elterliche Authentizität und dem Kind seine Einzigartigkeit im Rahmen des Achtungsprinzips zuzugestehen (vgl. Ecarius et al. 2017; Liegle 2017). Ergänzend zeigen die Ausführungen zum theoretischen Gerüst dieser Arbeit und die vorliegenden Studienergebnisse die Bedeutung der reflexiven Elternschaft, des Familienklimas, der konstruktiven Konfliktmuster, der Partnerschaftsqualität sowie der Integration und Kooperation aller an der Kindererziehung Beteiligten, welche bis auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes hineinwirken. Reflexive Elternschaft erfordert unter anderem, sich mit dem Kind und seiner Individualität wie den Erziehungs- und Lernprozessen auseinanderzusetzen, sich in diesem Bereich weiterzubilden und die bereits genannten pädagogischen Prinzipien zu berücksichtigen (vgl. Ecarius 2002, 2007; Liegle 2017; Winkler 2012). Ein positives Familienklima zeigt sich, neben den bereits aufgeführten Faktoren, in partizipativen Umgangsformen, in konstruktiven Mustern der Kommunikation, der Konfliktlösung und der Stressbewältigung sowie im Zusammenhalt der Familienmitglieder (vgl. Ecarius et al. 2017; Wertfein 2007; Winkler 2012). Konstruktive Konfliktlösungsmuster bewahren die gegenseitige Achtung voreinander und das gegenseitige Zuhören. Sie zielen auf die Lösung des Konflikts verbunden mit einer kompromissbereiten Haltung. Eine aktive Pflege der Partnerschaft unterstützt die beiden kindlichen Kompetenzbereiche indirekt (nähere Ausführungen in den Abschnitt 8.3 und 8.4). Weiterhin ist es bei Stieffamilien von besonderer Bedeutung, alle Familienmitglieder und den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil als Bezugspersonen des Kindes zu integrieren und Keinen auszuschließen. Die letztgenannten Punkte verweisen bereits auf einige

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Pädagogischer Handlungsleitfaden

stieffamilientypische Themenfelder, welche im Folgenden genauer beleuchtet werden. 8.2

Integration und Kooperation

Die Integration der einzelnen Familienmitglieder und des außerhalb lebenden leiblichen Elternteils symbolisiert eine ganz eigene Herausforderung für Stieffamilien. Studienergebnisse verweisen darauf, dass die Stieffamilie den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil und seine Familie mit einbeziehen sollte, was von diesem auch zugelassen werden sollte (vgl. erweiterte bzw. integrierte Stieffamilie in Abschnitt 2.4.3). Diese Aussage fordert zugleich, dass der außerhalb lebende leibliche Elternteil sich nicht vom Kind zurückzieht oder sich ihm verweigert, sondern weiterhin eine aktive Elternschaft und seine Beziehung zu dem Kind pflegt. Zwischen den Erwachsenen bestehen Vertrauen und Kooperation statt Konkurrenz. Eine erweiterte bzw. integrierte Stieffamilie ist geschaffen. Eine Instrumentalisierung des Kindes im Dissens mit dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil wird unterlassen (vgl. Winkler 2012: 20). Eine solche Ausgangsbasis reduziert das Risiko von Loyalitätskonflikten, Triangulations- oder Entfremdungsprozessen des Kindes. Das Kind wird in die Lage versetzt, eine eigenständige Beziehung zum sozialen Elternteil aufzubauen und seine Beziehung zu beiden leiblichen Eltern aufrecht zu erhalten. Es erfährt eine fortlaufende Bindung zu beiden Elternteilen, was gemäß der Bindungs-, Hospitalisierungs- und Deprivationsforschung seine emotionale Sicherheit stützt (vgl. u. a. Grundmann und Hoffmeister 2011; Liegle 2017; Macha 2011; Winkler 2012). Es lernt außerdem, zwischen unterschiedlichen Bezugspersonen, Elternfiguren und Sozialmodellen sowie ihren jeweiligen spezifischen Eigenschaften zu unterscheiden. Als mögliche Konsequenz baut das Kind seine sozio-emotionalen Kompetenzen aus. Die Erwachsenen können innerhalb eines solchen Rahmens dem Kind vielfältige Entwicklungs- und Erfahrungsräume bieten. Sie fördern damit sein Wohlbefinden und seine Lernprozesse. Auch können sie die Kinderbetreuung untereinander aufteilen (vgl. Abschnitt 2.4.2; Berger 1996; Bien et al. 2002; Friedl und Maier-Aichen 1991). Auch innerhalb der Stieffamilie sollte jedes Familienmitglied integriert werden. Dabei stellt insbesondere die Anfangsphase eine sensible und herausfordernde Zeit dar. Es besteht die besondere Herausforderung, den Beteiligten genug Zeit zu geben, sich gegenseitig ganzheitlich kennenzulernen, eine Beziehung zueinander aufzubauen und Vertrauen zu bilden. Kunze (2014) beschreibt dazu einige wesentliche Punkte: In dieser Phase ist es die Aufgabe des leiblichen Elternteils, alle Familienmitglieder in ihrer Beziehungsentwicklung wohlwollend zu un-

Integration und Kooperation

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terstützen. Das besagt auch, Kinder und Stiefeltern in dieser Phase nicht zu überlasten, indem den sozialen Eltern zu schnell Erziehungsaufgaben übertragen werden und Kindern wie Stiefeltern die Zeit gegeben wird, sich aneinander anzunähern. Haben Kinder die Trauerphase über die Trennung ihrer leiblichen Eltern noch nicht abgeschlossen, wenn der Stiefelelternteil in die Familie tritt, können sie mit Loyalitätskonflikten, Ablehnung, Aggression, Verhaltensauffälligkeiten und emotionaler Unsicherheit reagieren. Diese Emotionen können verstärkt auftreten, wenn der außerhalb lebende leibliche Elternteil ausgeschlossen, abgelehnt oder negativ verurteilt wird, den Kindern und Stiefeltern zu wenig Zeit gegeben wird, sich gegenseitig kennenzulernen und einander anzunähern, oder der leibliche Elternteil diesen Prozess unzureichend unterstützt. Durch den leiblichen Elternteil vermittelte Familiengeschichten können eine wichtige Orientierungsfunktion bieten (vgl. Winkler 2012: 15-17). Erfährt der soziale Elternteil wichtige Stationen und Ereignisse aus dem Familienleben und der kindlichen Entwicklung vor seiner Zeit, wird er in die Lage versetzt, das Kind, seine Entwicklung und die Familie besser zu verstehen und nachzuvollziehen. Er wird in das Familiengedächtnis, die Familienthemen, in die spezifische Familienkultur mit ihren Ritualen, Einstellungen und Werthaltungen eingeweiht. Seine Zugehörigkeit zur Stieffamilie erfährt Unterstützung. Das Kind wiederum erlebt diese Zeit nicht abgetrennt, sondern als integrierenden Bestandteil der neuen Stieffamilie. Daneben ist es hilfreich, wenn der Stiefelternteil eigene Familiengeschichten den neuen Familienmitgliedern erzählt, um ein Verständnis für seine Mentalität, Einstellungen, Haltungen und Handlungen bei den Familienmitgliedern zu erzeugen. Im Laufe der Zeit werden diese Familiengeschichten durch neue gemeinsame Geschichten ergänzt. Die Zugehörigkeit der Familienmitglieder zur Stieffamilie, ihre Identität als Familie, ihre Zuneigung füreinander und ihre spezifische Normbildung können sich in der Folge transformieren und verfestigen. Dieser Prozess gebietet Toleranz und Offenheit der Erwachsenen. Dies gilt auch im Hinblick auf den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil. Verurteilende, negativ verfärbte Geschichten über diesen Elternteil können den gesamten Integrationsprozess torpedieren, Loyalitätskonflikte beim Kind sowie dessen Ablehnung des Stiefelternteils evozieren. Stiefeltern und leibliche Eltern üben unterschiedliche Rollen und Funktionen aus. Dies gilt im besonderen Maße für die Anfangszeit. Ein Bewusstsein darüber und gemeinsame Aushandlungsprozesse erleichtert ein Gelingen der neu gegründeten Familie. Die Aushandlungsprozesse beinhalten unter anderem Grenzen, Regeln, Rollen, Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche, Werte, Rechte der Kinder und den Umgang mit den Kindern. Dabei gilt es, die Kohabitationsdauer, den Ent-

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Pädagogischer Handlungsleitfaden

wicklungsstand und die Bedürfnisse des Kindes in die Diskussion mit einzubeziehen. Im Rahmen dieser Prozesse können Stiefeltern sukzessive in mögliche Erziehungsaufgaben eingeführt werden. Zu Anfang einer Stieffamilie können diese festgesetzten Regelungen anders aussehen als nach einigen Jahren des Zusammenlebens (vgl. Abschnitt 2.4.2). Auch ist es wichtig, ein gemeinsames Repertoire an Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln, und zwar, bevor akute Konflikte auftreten. Das Familienleben mit seinen unterschiedlichen Beziehungsebenen, den individuellen Entwicklungsprozessen der Familienmitglieder und den äußeren Faktoren ist dynamisch. Die Aushandlungsprozesse unterliegen dieser Dynamik, weshalb einmal getroffene Vereinbarungen und Regelungen im Laufe der Zeit auch angepasst werden sollten (vgl. Abschnitt 2.4.2). Die stiefelterliche Rolle des elterlichen Freundes und Mentors des Kindes ist besonders bei bereits älteren Kindern förderlich für seine Entwicklung und seinen Kompetenzaufbau. Der soziale Elternteil füllt eine solche Rolle aus, indem er das Kind fördert und unterstützt, ihm seine Ansichten verdeutlicht, für das Kind Interesse zeigt und dem Kind zur Verfügung steht. Für den gesamten Integrationsprozess ist es unerlässlich, dass vergangene Partnerschaften von den Erwachsenen innerlich verarbeitet und abgeschlossen worden sind. Eine gelingende Integration aller Familienmitglieder erfordert Flexibilität, eine offene und wertschätzende Kommunikation, eine Offenheit bei der Darstellung der eigenen Bedürfnisse, eine dynamische Strukturierung von Grenzen zwischen familiären Subsystemen und bei Bedarf eine Neuverhandlung von bestehenden Regeln (vgl. Papernow 1993). Ein offener und reflektierter Umgang mit den eigenen Gefühlen ist ebenso wichtig wie offene, wertschätzende Gespräche mit den Kindern über die kindlichen Gefühle und die damit verbundene elterliche Unterstützung. Für Wochenendstieffamilien ist es essenziell, die verdichtete Zeit des Familienlebens im Sinne aller Familienmitglieder zu gestalten und sich gegenseitig nicht zu überfordern. Krähenbühl et al. (2007) beschreiben einige Herausforderungen für diesen Stieffamilientypus. Das Kind fühlt sich häufig weniger heimisch innerhalb dieser Familie. Die Erwachsenen können das Kind in vielfacher Weise unterstützen: Dazu gehören feste Besuchsregelungen, Rituale im Alltag mit dem Kind, ein eigenes Zimmer oder wenigstens einen eigenen Platz für das Kind und realistische Erwartungen an die gemeinsam zu verbringende Zeit. Dabei ist es weniger hilfreich, die gemeinsamen Tage, Wochenenden oder Wochen einzig mit besonderen Aktivitäten zu füllen. Stattdessen gilt es, ein gemeinsames Alltagsmuster zu entwickeln, in welchem Aktivitäten in der Form eingebunden werden, dass sie die kindlichen Sinne und Verarbeitungsmechanismen nicht überreizen. Auch die Paarebene ist in dieser Familienform mit eigenen Herausforderungen konfrontiert.

Die Förderung der kindlichen Kompetenzen

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So findet der Alltag unter der Woche als Paar statt und am Wochenende liegt die Aufmerksamkeit beim Kind, seinen Bedürfnissen und der gemeinsamen Tagesgestaltung mit dem Kind. Klare Kommunikation zwischen den Partnern unterstützt sie, sich gegenseitig bei ihren Bedürfnislagen unter Einschluss des Kindes zu unterstützen. Ferner fördern gemeinsame Paaraktivitäten unter der Woche die Beziehungsebene. Ein gemeinsames Kind verändert das Familiensystem. Dieses Kind benötigt seinen Platz in der Familie. Die bereits vorhandenen Kinder benötigen die Sicherheit, dass sie weiterhin einen wichtigen Platz innerhalb der Familie einnehmen. Die Kinder können häufig bei ihren Stiefeltern unterschiedliche Beziehungsmuster und Umgangsformen mit ihnen und dem gemeinsamen Kind des Paares erspüren. Hierzu bietet die Psychologin Anne Bernstein zahlreiche wertvolle Hinweise, wie die Stieffamilie die Integration auch in diesem Fall gewährleisten kann (vgl. Bernstein 1990). 8.3

Die Förderung der kindlichen Kompetenzen

Eine gute Beziehung zu den Kindern bildet die Voraussetzung für gelingende Erziehungs- und Lernprozesse. So werden das kindliche Aufwachsen und die Entwicklung seiner Kompetenzen unterstützt. Dabei spielen Zuwendung und Kommunikationsmuster eine wichtige Rolle. Die Beziehungen sind individueller Natur und dürfen es auch sein. „Eltern, die ihre Kinder in Entscheidungen einbeziehen, die Sorgen und Nöte der Kinder ansprechen, ihnen vertrauen und ihnen Zuneigung entgegen bringen, fördern die Öffnungsbereitschaft der Kinder und damit den Austausch mit ihnen, der den Kindern bei der Bewältigung ihrer vielfältigen Entwicklungsaufgaben und Anforderungen zugute kommt. Dass hierbei jeder Elternteil seine jeweilige Beziehung zum Kind auf eigenständige Art und Weise gestaltet und dass in dieser Hinsicht nicht nur zwischen, sondern auch außerhalb der einzelnen Familien beträchtliche Unterschiede bestehen können, legen unsere Befunde nahe. So liegt in diesen möglichen Divergenzen der Beziehungen auch eine Chance für die Kinder“ (Beckh und Walper 2002: 228).

Die von den Autorinnen genannten Aspekte werden für die nachfolgenden Ausführungen handlungsleitend vorausgesetzt und im Folgenden ergänzt bzw. konkretisiert.

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Pädagogischer Handlungsleitfaden

Die Rolle der Beziehungsqualität Innerhalb einer systemischen Perspektive wird die Notwendigkeit der aktiven Partnerschaftspflege offensichtlich. Die Beziehungsqualität ist ein wichtiger Faktor für die Kompetenzentfaltung des Kindes. Nach der Einschätzung von Winkler hängt der Erfolg der Familienerziehung von der Qualität aller Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern ab (vgl. Winkler 2012: 74). Er schließt damit die Partnerschaftsqualität mit ein. In dem Maße, in dem jedes Familienmitglied integriert ist (vgl. Berger 1996; Bien et al. 2002; Friedl und Maier-Aichen 1991) und die unterschiedlichen Beziehungen positiv erlebt werden, werden emotionale Sicherheit und prosoziales Verhalten des Kindes wahrscheinlicher und ausgeprägter. Diese Studie konnte einzig einen indirekten Effekt der Beziehungsqualität über die Kommunikationsmuster auf die emotionale Sicherheit und über den autoritativen Erziehungsstil auf das prosoziale Verhalten ermitteln. Andere wissenschaftliche Untersuchungen verweisen auf die besondere Rolle partnerschaftlicher Konflikte. Destruktive partnerschaftliche Kommunikationsmuster verbunden mit feindseligem Verhalten gegenüber dem Partner können das Kind verunsichern und sich negativ auf seine Entwicklung und den Ausbau seiner Fähigkeiten und Kompetenzen auswirken. Die in Abschnitt 5.1.1 aufgeführten Studienergebnisse weisen konkret nach, dass elterliche Konflikte die kindliche Bindungsentwicklung gefährden. Sie können zudem beim Kind zu Angst, Stress, Scham, Verhaltensproblemen, Aggression, delinquentem Verhalten, Depression, Ängstlichkeit, sozialem Rückzug und Problemen mit Gleichaltrigen führen. Sie können ferner nicht verarbeitete Ängste aufgrund einer möglichen vorausgegangenen Trennung der leiblichen Eltern erneut erleben, sich weniger wohlfühlen und unter einem erhöhten Stressniveau leiden. Emotionale Unsicherheit, destruktive Verhaltensmuster wie sozialer Rückzug oder Aggression können daraus resultieren. Die kindlichen sozio-emotionalen Kompetenzen können begrenzt abrufbar sein und sich eingeschränkt entwickeln. Eine ausgeprägte Beziehungsqualität unterstützt dagegen indirekt die Kompetenzentwicklung der emotionalen Sicherheit und des prosozialen Verhaltens und reduziert die Auftretenswahrscheinlichkeit der genannten Probleme. Die hier vorliegenden Studienergebnisse erklären diesen Effekt über einen Einfluss der Beziehungsqualität auf die elterlichen Kompetenzen. Eine hohe Beziehungsqualität erweist sich als eine wertvolle elterliche Ressource im Umgang mit dem Kind. Das erfordert, die eigene Partnerschaft zu pflegen, konstruktiv mit durch Partnerschaftsprobleme verursachtem Stress umzugehen und darauf zu achten, Übertragungseffekte von Partnerschaftsproblemen auf die Filiationsbeziehung, die elterlichen Kommunikationsmuster mit dem Kind und die emotionale

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Wärme gegenüber dem Kind mindestens kritisch zu reflektieren und bestenfalls zu vermeiden. Förderung der Beziehungsqualität und Umgang mit Stress Alle förderlichen Faktoren für die Beziehungsqualität können in diesem pädagogischen Handlungsleitfadens nicht beschrieben werden. Dies würde den Rahmen der Arbeit sprengen. So widmet sich der Leitfaden einigen wesentlichen Faktoren.132 Wie die Beziehungsqualität von einem Paar positiv gefördert werden kann, zeigen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Beziehungsqualität ist ein aktiv gestaltbares Phänomen, das in der Verantwortung des Paares liegt und Investitionen in die Partnerschaft erfordert. Diese Investitionen mögen in der ersten „Verliebtheitsphase“ leicht fallen, im Alltagsgeschehen sind sie jedoch keine Selbstverständlichkeit. Hier sind nach dem Psychologen Guy Bodenmann „Beziehungsarbeit“, Wissen über den Anderen sowie Kompetenzen der Partner und des Paares erforderlich.133 Die Beziehungsqualität wird durch gegenseitige Unterstützung, realistische Erwartungen aneinander, Engagement für die Partnerschaft sowie soziale, Stressbewältigungs-, Problemlöse- und kommunikative Kompetenzen der Beteiligten gefördert (vgl. Bodenmann 2000, 2002, 2003; Bodenmann et al. 2006; Bodenmann 2007; Bodenmann und Cina 2000; Bodenmann und Fux Brändli 2011; Gagliardi et al. 2015; Gottman und Silver 2000; Wendl 2013). Die sozialen Kompetenzen umfassen zum Beispiel die kommunikativen Fähigkeiten, die Konfliktlösekompetenz, die Bindungsmuster, der Kohärenzsinn, die Flexibilität, die Fähigkeit zur Liebe und die internalen Arbeitsmodelle. Die Problemlösekompetenz gehört neben dem adäquaten Umgang mit der Wirklichkeit, dem Selbstwertgefühl und dem Selbstkonzept zu den persönlichen Kompetenzen. Stressbewältigungskompetenzen werden in emotionsregulierenden und problemlösenden individuellen und dyadischen Copingstrategien erkennbar: „Zu den individuellen Copingstrategien zählen der Umgang mit den eigenen Emotionen, die Bewertung der stressauslösenden Situation, Selbstgespräche, Aktivität im Sinne der Problemlösung und Humor (vgl. Bodenmann 2002). Die dyadischen Copingstrategien umfassen die Kommunika-

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Genauere Informationen zu Möglichkeiten der Förderung der Beziehungsqualität bieten unter anderem Bodenmann (2000), (2002), (2007), (2016); Bodenmann und Fux Brändli (2011); Gagliardi et al. (2015); Gottman und Silver (2000); Heinrichs et al. (2008); Kunze (2015a), (2015c); Milek und Bodenmann (2017); Nussbeck et al. (2012) und Wendl (2013). 133 Er identifiziert verschiedene Faktoren, die positive oder negative Effekte auf die Beziehungsqualität zur Folge haben können. Monotonie, Verweilen in den gleichen Gewohnheiten, labile Persönlichkeitsfaktoren und mangelnde Kompetenzen beeinflussen die Beziehungsqualität negativ (vgl. Bodenmann 2011: 22).

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Pädagogischer Handlungsleitfaden tion, gegenseitige Unterstützung, gemeinsame Lösungssuche und -umsetzung, Aufgabenverteilung, Solidarisierung mit dem Partner und gemeinsame Aktivitäten (vgl. Bodenmann 2000, 2002, 2007)“ (Kunze 2015a: 8).

Hilfreich für den Copingprozess sind individuelle Copingressourcen wie Gesundheit, Tatkraft, eine positive Einstellung gegenüber sich selbst, Selbstkontrolle, positive Wertvorstellungen (u. a. Religion), Problemlösekompetenzen, soziale Kompetenzen, soziale Unterstützung und materielle Ressourcen (vgl. Lazarus und Folkman 1984). Zwänge persönlicher, sozialer oder kultureller Natur, aber auch die wahrgenommene Bedrohlichkeit der Situation, schränken dagegen das Potenzial des individuellen Copings ein (vgl. ebd.). Dyadisches Coping innerhalb der Partnerschaft bedeutet generell die gemeinsame Stressbewältigung als Paar, unabhängig davon, ob nur einer oder beide vom Stress betroffen ist/sind. Positive dyadische Copingstrategien bilden nach Bodenmann das gemeinsame, das supportive und das delegierte dyadische Coping. Die Strategien finden je nach Betroffenheit beider oder eines Partner(s) und vorhandener Copingressourcen Verwendung. Konkret gestalten sich die dyadischen Copingstrategien folgendermaßen (vgl. Bodenmann 2000: 77-79): Beim gemeinsamen dyadischen Coping sind beide betroffen, haben beide ein großes Interesse daran, das Problem zu lösen, und haben beide die Möglichkeit, die Situation zu beeinflussen. Dabei suchen sie gemeinsam Informationen, diskutieren Lösungen und sorgen durch Aktivitäten für Stressausgleich. Beim supportiven und delegierten dyadischen Coping ist einer vom Stress stärker betroffen, der Nicht-Betroffene verfügt über mehr (wahrgenommene) Copingressourcen und möchte seinen Partner unterstützen. Beim supportiven dyadischen Coping unterstützt der Partner durch Zureden, Trösten, Situationsumbewertung, Informationen, Solidarisierung oder Wertschätzung. Beim delegierten dyadischen Coping erfolgt ein Hilferuf durch den Betroffenen und der Partner übernimmt für ihn Aufgaben. In der Folge einer dieser drei Strategien wird der Stress effizienter bewältigt sowie das Wir-Gefühl, die Beziehungsqualität und die positive Kommunikation gestärkt (vgl. Bodenmann 2000: 80, Bodenmann und Cina 2000). Negative Interaktionen können trotz aller Bemühungen in den Partnerschaften auftreten. In diesem Fall bietet John M. Gottmans psychologischer Ansatz zur Beziehungsqualität wesentliche Anhaltspunkte: Wichtig ist, dass im Verhältnis mehr positive als negative Verhaltensweisen im Umgang miteinander auftreten. Übersteigt positives Verhalten (insbesondere positive Kommunikation) innerhalb der Beziehung negatives Verhalten (insbesondere negative Kommunikation) um das Verhältnis 5:1, nehmen die Partner sich gegenseitig positiv wahr und verspüren ein subjektives Wohlbefinden. Diese Faktoren wirken psychophysiologisch be-

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ruhigend. Gottman spricht in diesem Zusammenhang von einer regulierten Partnerschaft. Er bezeichnet das genannte Verhältnis 5:1 als Balancetheorie der Ehe (vgl. Gottman 1993a, 1993b, 1994; Gottman und Silver 2000).134 Dreht sich dieses Verhältnis um, verschlechtert sich im Laufe der Zeit die Wahrnehmung der Partnerschaft und des Partners. Das bedeutet, negatives Verhalten wird zunehmend als stabiles Attribut des Partners angesehen, sein positives Verhalten dagegen wird external und instabil gedeutet.135 In der Folge nimmt die Distanz zum Partner zu und die gemeinsame Beziehungsgeschichte wird negativ umgedeutet. Die Beziehung wird in der Folge instabil. Die Quintessenz ist, dass für eine stabile und qualitativ hochwertige Partnerschaft mehr positive als negative Verhaltensweisen innerhalb einer Partnerschaft vorhanden sein müssen. Eine annähernde Gleichverteilung dieser beiden Interaktionsmuster ist dagegen kein hinreichendes Instrument für die Prognose einer langfristig günstigen Partnerschaftsentwicklung. Konkret bedeutet das: Die Partner brauchen innerhalb ihrer Partnerschaft und in konflikthaften Situationen Kompromissbereitschaft, ganzheitliches Engagement und Interesse füreinander, Interesse für die Gedanken und Gefühle des anderen. Sie sollten gegenseitige Kritik vermeiden und stattdessen im wertschätzenden Umgang verbleiben (vgl. Gottman 1993a, 1993b), welcher Empathie, gegenseitigen Respekt und die Akzeptanz der Sicht des Anderen mit einschließt (vgl. Gottman 1994). Auch wenn dieses Modell ursprünglich für die Partnerschaft entwickelt wurde, können die getroffenen Aussagen auch auf andere Beziehungssysteme, z. B. die Eltern-Kind-Beziehung, übertragen werden. Ferner ist es bedeutsam, die eigenen Attributionsmuster zu reflektieren, um feindselige Attributionsmuster gegenüber dem Partner zu vermeiden. Voruntersuchungen der Autorin belegen für Stieffamilien einen Zusammenhang zwischen der Konflikthäufigkeit, dem dyadischen Coping, den positiven Kommunikationsmustern und der Beziehungsqualität. So reduziert die Konflikthäufigkeit die Beziehungsqualität. Positive Kommunikationsmuster, dyadisches Coping und eine Sicherheit über die Gefühle des Partners können diesen Effekt ausgleichen (vgl. Kunze 2015a, 2015c). Eine Sicherheit über die Gefühle bedeutet, sich gegenseitig wertzuschätzen und einander zu öffnen. Die damit verbundenen positiven Wahrnehmungen des Partners zeigen sich in realistischen Attributionsmustern und einer wohlwollenden Wahrnehmung des dyadischen Copings durch den Partner. Der Einfluss dieser Faktoren auf die Beziehungsqualität ist unbestritten (vgl. u. a. Bodenmann 2000, 2002, 2003, 2007; Bodenmann und 134 135

Dieses Verhältnis kann auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften angewendet werden. Auf der Basis seiner Theorie hat Gottman fünf verschiedene Paartypen entwickelt. Die stabilen Partnerschaften umfassen die konstruktive Partnerschaft, die impulsive Partnerschaft und die konfliktvermeidende Partnerschaft. Die instabilen Partnerschaften umfassen die beiden Kategorien feindselig-engagierte bzw. feindselig-distanzierte Partnerschaft (vgl. Gottman 1993a).

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Cina 2000; Fincham 1983, 1985, 1998; Gottman 1994; Gottman und Silver 2000; Kunze 2015a, 2015c; Papastefanou et al. 1992). Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor ist die Sexualität, welche entsprechend der Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte beider Partner gelebt werden will und im Alltagsstress bei unzureichenden Coping-Strategien zu kurz kommen kann (vgl. Milek und Bodenmann 2017). In diesem Bereich ist ein sensibler, offener Umgang genauso hilfreich wie seine Vorstellungen von Sexualität in intimen, offenen und wertschätzenden Gesprächen offen zu legen. Als letzter Faktor ist die gemeinsame Zeit hervorzuheben. Gemeinsame Zeit ist angesichts moderner und postmoderner gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse ein wertvolles Gut geworden (vgl. Abschnitt 2.3). Auch ist Paarzeit im Zuge familiärer Verpflichtungen und Bedürfnisse nicht immer einfach herzustellen. Gemeinsame Zeit schafft Verbundenheit, Intimität und Vertrauen und erfüllt elementare Bedürfnisse nach Nähe, wobei die Zeitqualität bedeutsamer ist als ihre Quantität (vgl. Milek und Bodenmann 2017; Wendl 2013). Hilfreiche Möglichkeiten bieten unter anderem intensive gemeinsame Gespräche, das Nutzen von Alltagsmomenten, das Setzen von Prioritäten, gegenseitige Unterstützung, gemeinsame – je nach Bedürfnislage – aktivierende oder entspannende Unternehmungen oder gemeinsam zu lachen. Insbesondere die letzten beiden Punkte erschaffen neue Paargeschichten. Zusammengenommen schweißen die genannten Möglichkeiten ein Paar in der Folge zusammen. Dabei dürfen Medien wie TV, Smartphone oder Computer gerne eine Pause machen und ausgeschaltet bleiben (nähere Informationen zur Zeitqualität unter Milek und Bodenmann 2017). Das partnerschaftliche Engagement und die gemeinsam verbrachte Zeit wirken sich auf die Kommunikation positiv aus. Damit wird es möglich, sich emotional auszutauschen, Intimität und Sexualität zu erleben und an der Entwicklung des Partners teilzuhaben (vgl. Bodenmann 2002: 105f.). Das Verständnis füreinander wächst in der Folge. Dazu ist es erforderlich, der Partnerschaft einen wichtigen Stellenwert zu geben, Interesse am Anderen und an seiner Persönlichkeit zu bewahren, Partnerschaftsrituale und Erinnerungen zu pflegen und immer wieder Abwechslung zu schaffen. Dadurch wird Langeweile verhindert (vgl. ebd.: 129ff.). Sollte die Partnerschaft dennoch Krisen erleben, bedarf es eines reflektierten Bewusstseins der Eltern darüber, dass sich dies auf das eigene Verhalten gegenüber dem Kind auswirken kann. Eine niedrige Beziehungsqualität ist mit persönlichem Stress verbunden (vgl. Davies et al. 2009). Daher sollten nicht nur Maßnahmen ergriffen werden, die Probleme innerhalb der Partnerschaft konstruktiv zu lösen, sondern auch die in Abschnitt 8.1 beschriebene pädagogisch-ethische Grundhaltung zu bewahren. Die eigenen emotionsregulierenden und problemlö-

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senden Coping-Strategien einzusetzen, unterstützt den Bewältigungsprozess (weiterführende Informationen bieten u. a. Bodenmann 2000, 2002, 2003, 2007; Bodenmann und Fux Brändli 2011). Diese Maßnahmen dienen der Selbstfürsorge und der Fürsorge für das Paar- und Familiensystem. Auf der Eltern-Kind-Ebene hilft es, die Kinder aus den partnerschaftlichen Problemen herauszuhalten, eine Instrumentalisierung des Kindes zu vermeiden und dem Kind die Sicherheit zu vermitteln, dass es „nicht Schuld ist an den partnerschaftlichen Problemen“. Auf der Ebene der eigenen Erziehungskompetenzen unterstützt die reflexive Elternschaft die Vermeidung von Übertragungseffekten (vgl. Burkart 2013; Winkler 2012). Der Einfluss der Kommunikationsmuster Die elterlichen Kommunikationsmuster mit dem Kind beeinflussen die emotionale Sicherheit des Kindes stärker als sein prosoziales Verhalten. Die elterliche Warmherzigkeit wiederum wirkt sich in besonderer Weise auf das kindliche prosoziale Verhalten aus. Wichtige Faktoren für die Partnerbeziehung sind die Intimität, Wertschätzung, Kommunikation und Zufriedenheit. Die Partner sollten ihre gemeinsame Beziehung und die Beziehung zum Kind in diesen Bereichen kontinuierlich reflektieren und an ihr „arbeiten“. Das impliziert auch, dass die Eltern sich bewusst Paarzeit nehmen, wollen sie nicht nur als Eltern, sondern auch als Paar, zusammenwachsen. Diese Förderung der Beziehungsqualität unterstützt die Kommunikationsmuster mit dem Kind (Konfliktniveau, emotionale Spannungen, elterliche Selbstregulation). Wie bereits vorab bei der Beziehungsqualität beschrieben worden ist, verursachen Konflikte bei den Betroffenen Stress. Dies betrifft auch die Eltern-KindEbene (vgl. auch LBS-Gruppe und PROSOZ Institut für Sozialforschung 2014: 125). Sie können unter anderem das kindliche Selbstwertgefühl und die emotionale Sicherheit beeinträchtigen, eine kindliche Unsicherheit verstärken und sogar einen kindlichen Rückzug aus dem Eltern-Kind-System auslösen. Wie bereits mehrfach beschrieben worden ist, gilt es, verlässliche, reziproke und dauerhafte Beziehungen zum Kind herzustellen und zu pflegen (vgl. Abschnitte 4.2.3 und 8.1), indem leibliche und soziale Eltern Zeit, Energie und Emotionen einbringen sowie gemeinsame Interaktionen und Gespräche mit dem Kind kultivieren. Die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes kann positiv durch die Beziehungen beeinflusst werden. Engagieren sich die Eltern für die einzelnen Beziehungen, haben sie realistische Erwartungen an die einzelnen Familienmitglieder, verbringen die Familienmitglieder Zeit miteinander, unterstützen die Eltern die Kinder und einander gegenseitig, wirkt sich das positiv auf die Qualität der Beziehungen aus (vgl. Bodenmann und Fux Brändli 2011: 23f.). Ein respektvoller Umgang mit dem Kind fördert seine sozio-emotionalen Kompetenzen.

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Wichtig ist, eine positive Sicht auf das Kind auch in schwierigen Erziehungssituationen beizubehalten, mögliche Probleme nicht feindselig zu bewerten und entsprechend zu handeln. Es gilt, im Dialog mit dem Kind zu bleiben und eine gewaltfreie Kommunikation auszuüben. Beides unterstützt eine konfliktarme Kommunikation mit dem Kind. Dabei bedeutet eine gewaltfreie Kommunikation unter anderem, das Kind in emotional aufgeladenen Situationen nicht anzuschreien und zu beschimpfen, sondern sich selbst und die eigenen Emotionen regulieren. Ferner ist es wichtig, Konfliktsituationen konstruktiv zu lösen, wie bereits bei der Förderung der Beziehungsqualität dargestellt wurde. Die Verantwortung dafür liegt in besonderer Weise bei den Eltern. Diese Faktoren gelten unabhängig von der Elternschaft. Die Rolle des autoritativen Erziehungsstils Der autoritative Erziehungsstil unterstützt die Ausbildung des kindlichen prosozialen Verhaltens. Eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für seine erfolgreiche Umsetzung umfasst, mögliche Problemsituationen im Umgang mit dem Kind nicht feindselig zu bewerten. Der autoritative Erziehungsstil kann als liebevolle Konsequenz umschrieben werden. Auf der einen Seite ist die Konsequenz wichtig. Konsequenz bedeutet, Regeln/Grenzen vorzugeben und ihre Einhaltung auch einzufordern. Konsequenz bildet einen Teil der Verhaltenskontrolle und Verhaltensregulation. Sie ist von der psychologischen Kontrolle zu differenzieren.136 Sie dient dazu, dem Kind Normen aufzuzeigen, und fördert damit auch seine gesellschaftliche Integration. Auf der anderen Seite bedarf es der elterlichen Warmherzigkeit. Warmherzigkeit bedeutet, das Kind zu loben, zu trösten und ihm seine Zuneigung durch Worte und Gesten zu zeigen. Diese vertrauensbildende Maßnahme fördert nicht nur die elterliche Wertschätzung gegenüber dem Kind, sondern auch das kindliche Vertrauen. Die Warmherzigkeit unterstützt das Kind emotional im Sinne eines supportiven dyadischen Copings in emotionalen Krisen. Sie bestärkt das kindliche Selbstwertgefühl durch Akzeptanz und Lob, gibt ihm Geborgenheit und unterstützt das Kind bei seiner Moral- und Werteentwicklung. Diese liebevolle Konsequenz bedeutet in der Praxis Grenzen unter der Berücksichtigung der Autonomie, des kindlichen Entwicklungsstandes und des Kindeswillens zu setzen, die Hintergründe dem Kind zu erklären und ihre Einhaltung einzufordern.

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Psychologische Kontrolle reguliert das kindliche Verhalten zum Beispiel durch Strafandrohung, Liebesentzug oder das Auslösen von Schuldgefühlen. Sie behindert den kindlichen Lernprozess, dadurch, dass sie das Kind in seiner Eigenständigkeit, seiner Entscheidungsfreiheit und der Möglichkeit, seine eigenen Erfahrungen zu sammeln, blockiert (vgl. Fuhrer 2005: 232).

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Die Elternschaften befinden sich in unterschiedlichen Rollen. Leibliche Eltern sind eher für die Kontrolle der Umsetzung von Regeln zuständig (bei gleichzeitig ausgeübter elterlicher Warmherzigkeit), während soziale Eltern allein über eine innige und wertschätzende Beziehung zum Kind sein prosoziales Verhalten fördern können. Die Funktion der Attribution Die untersuchten Aussagen zu den Attributionsmustern beziehen sich darauf, in welchem Ausmaß das Kind für Erziehungsprobleme und sein Fehlverhalten verantwortlich gemacht wird (vgl. Abschnitt 6.2.3). Sie zeigen auf, inwieweit Probleme feindselig bewertet werden und inwieweit die eigenen Handlungsmöglichkeiten und die kindlichen Verhaltensweisen realistisch eingeschätzt werden (vgl. Rotthaus 2004). Attributionsmuster können sich in funktionalen, also nicht-beabsichtigten Erziehungsmustern ausdrücken (zur Definition der funktionalen Erziehungsmuster siehe Abschnitt 3.5). Ferner verweisen sie auf unbewusste Aspekte der Beziehung zum Kind. Auf der einen Seite deuten sie an, inwiefern die in Abschnitt 8.1 aufgeführten pädagogischen Prinzipien im Umgang mit dem Kind, insbesondere hinsichtlich des Achtungsprinzips und der Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit und Reziprozität der Filiationsbeziehung, verinnerlicht sind. Auf der anderen Seite zeigen sie auf, wie reflektiert die Eltern im Umgang mit dem Kind sind. Attributionsmuster lösen Emotionen aus, verfärben die Wahrnehmung, inwieweit die kindlichen Entwicklungsbereiche ausgeprägt sind, und beeinflussen das elterliche Verhalten gegenüber dem Kind. Negative Attributionsmuster können im Kontakt mit dem Kind negative Kommunikationsmuster gegenüber dem Kind (anschreien, beschimpfen) und eine reduzierte Warmherzigkeit gegenüber dem Kind evozieren. Wie bereits ausgeführt wurde, sind die genannten Erziehungspraktiken wichtig für die emotionale Sicherheit bzw. das prosoziale Verhalten. Auch beeinflussen sie das prosoziale Verhalten bzw. die elterliche Wahrnehmung des kindlichen prosozialen Verhaltens. In der Folge ist es wichtig, seine Attributionsmuster zu hinterfragen, zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen. Dies erfordert ein hohes Maß an Reflexionsvermögen, Selbstkritik und Beziehungsarbeit mit dem Kind. Folgende Fragen können diesen Prozess mit unterstützen: Welche Denkmuster treten bei Erziehungs- und Verhaltensproblemen immer wieder auf? Erfolgen im Rahmen dieser Problemfelder Vorwürfe, Liebesentzug oder negative Verhaltensmuster gegenüber dem Kind oder wird hinterfragt, wie es zur jeweiligen Situation gekommen ist? Wird in Problemsituationen lösungsorientiert gearbeitet? Wird die Individualität des Kindes jederzeit geachtet, anerkannt und respektiert? Lassen sich die Eltern bedingungslos auf die Beziehung zum Kind ein? Innerfamiliäre Gespräche unterstützen diesen Reflexionsprozess.

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Besonderheiten von Kindern in der mittleren Kindheit und Jugend Die Entwicklungsaufgaben der mittleren Kindheit reichen vom Ausbau der kognitiven, physischen Fähigkeiten bis hin zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts und dem Aufbau von Freundschaften (vgl. Abschnitt 2.3.2). In der mittleren Kindheit gewinnen Lehrer, Freunde und Gleichaltrige für Kinder an Bedeutung. Die Familie gibt weiterhin emotionalen Halt. Die Schule stellt eigene Anforderungen an das Kind, welche bewältigt werden wollen. Diese können als Stressoren auf das Kind einwirken. Neben den bereits genannten Faktoren wirken unter anderem eine konstruktive Kooperation zwischen Eltern und Schule, familiäre entwicklungsfördernde Bedingungen, eine Tagesstruktur (Hausaufgaben, Freizeit, Schlafenszeiten) und realistische Erwartungen an schulische Leistungen unterstützend bei der Bewältigung der schulischen Herausforderungen (vgl. Wild und Hofer 2002). Die Familie kann bei Problemen in der Schule oder mit Gleichaltrigen das Kind unterstützen, indem gemeinsam Lösungsmöglichkeiten reflektiert werden. Es geht dabei nicht darum, die Probleme dem Kind abzunehmen, sondern es dabei zu unterstützen, eigene Bewältigungsstrategien zu finden (vgl. SpechtTomann 2007, zitiert nach Puhl-Regler 2016: 14). Die so erfahrene Selbstwirksamkeit stärkt die emotionale Sicherheit des Kindes und kann sich auch auf sein prosoziales Verhalten auswirken. Die Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen reichen von der Herausbildung der eigenen Identität, der Gestaltung sozialer Beziehungen, dem Umgang mit der Pubertät bis hin zur Vorbereitung auf den Beruf (vgl. Abschnitt 2.3.2). Zusätzlich beginnen Autonomiebestrebungen und der Ablösungsprozess vom Elternhaus bei gleichzeitig anhaltender Verbundenheit zu den Eltern. Gleichaltrige und Freundschaften werden für den Jugendlichen zunehmend wichtiger. Diese Entwicklungsphase ist häufig mit Konflikten zwischen Eltern und ihren Kindern verbunden, welche unter anderem mit der Neuverhandlung der Eltern-Kind-Beziehung, dem Autonomiestreben des Jugendlichen und der Grenzsetzung durch die Eltern zusammenhängen. Kommunikations- und Konfliktmuster geben Auskunft darüber, inwieweit diese Aushandlungen zu den Transformationsprozessen – mit dem Ziel zunehmender kindlicher Autonomie – erfolgreich verlaufen, das Familiensystem sich an den kindlichen Entwicklungsverlauf anzupassen vermag und die Eltern die beschriebenen kindlichen Bedürfnisse ausfüllen können. Ein partnerschaftlicher Umgang zwischen Heranwachsenden und Eltern entwickelt sich idealerweise im Laufe der Zeit (vgl. Ecarius et al. 2017; Hofer und Pikowsky 2002). Aber auch die autoritative Erziehung behält ihre Bedeutung. Die Eltern können durch ihr Interesse am Kind, seine Autonomieförderung, argumentative Konfliktlösungsstrategien (ausgeglichene Diskussionsstrategien), emotionale Nähe und Warmherzigkeit Jugendliche dabei unterstützen, (Entwicklungs-) krisen besser zu bewältigen,

Empfehlungen für die sozialen und leiblichen Eltern

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ihre emotionale Sicherheit zu verfestigen und ihr prosoziales Verhalten auszubauen (vgl. Hofer und Pikowsky 2002: 258f.). Dazu gehört es auch, sich auf Kompromisse einzulassen und tolerant zu sein (vgl. Fuhrer 2009: 221; Hofer und Pikowsky 2002: 246). Zusätzlich wirkt ein harmonisches Familienklima positiv auf den Jugendlichen und seine Entwicklung. Bei Jugendlichen – so zeigt eine umfangreiche Studie von Ecarius et al. (2017) – nehmen Eltern zunehmend die Position des elterlichen Beraters und Mentors ein. Diese Position unterstützt nicht nur den Autonomieprozess. Sie fördert auch das jugendliche Wohlbefinden und die altersadäquate Ausbildung seiner Fähigkeiten und Kompetenzen. 8.4

Empfehlungen für die sozialen und leiblichen Eltern

Ein kompetenter Umgang mit den Beziehungen (Beziehungs-, Stressbewältigungs- und Kommunikationskompetenzen) und in der Erziehung sind die entscheidenden Entwicklungsfelder für die Erwachsenen unabhängig von der Elternschaft (vgl. Kunze 2015a, 2015c). Grundsätzliche Erfolgsfaktoren für Stieffamilien bilden: „Zu diesen Merkmalen zählen: gegenseitige Achtung aller Elternpersonen, Fähigkeit der leiblichen Elternteile, konstruktiv miteinander zu kommunizieren, Kindzentriertheit aller Elternpersonen, Berücksichtigung des Wohls des Kindes bei der Wahl des zweiten Partners, sowie die Bereitschaft, die neuen Beziehungen langsam entwickeln zu lassen“ (Wilk 1990: 140).

Wilks Ausführungen werden auch in diesem Leitfaden als handlungsleitend angenommen. Soziale und leibliche Eltern sollten zusätzlich im Umgang mit dem Kind auf unterschiedliche Punkte achten. Stiefeltern Stiefeltern können in der Anfangsphase mit unangenehmen Gefühlen konfrontiert sein. Diese bilden unter anderem die Angst vor der neuen Verantwortung gegenüber den Kindern sowie eine Eifersucht gegenüber den Kindern und/oder dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (vgl. Figdor 2000: 60-63). Dieser „Gefühlscocktail“ erfordert Reflexions- und Verarbeitungsvermögen. Gleichzeitig hilft es, mit dem leiblichen Elternteil die eigenen Emotionen zu reflektieren und gemeinsam zu eruieren, was hilfreich ist, um eine positive Beziehungsebene zu den Kindern aufzubauen und dabei weder das Kind noch sich selbst zu überfordern. Das heißt auch, sich Zeit zu nehmen und geduldig zu bleiben.

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Die stiefelterliche Beziehung zum Kind bildet eine wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass im Laufe der Zeit die Stieffamilie erhalten bleibt. Eine fehlende stiefelterliche Beziehung zum Kind kann auf Dauer die Paarbeziehung gefährden: Aus systemischer Sicht können fehlende Stiefeltern-Stiefkind-Beziehungen Konflikte innerhalb dieses Subsystems befördern, welche wiederum das Konfliktpotenzial innerhalb der Partnerschaft erhöhen können. Der leibliche Elternteil kann sich dazu veranlasst sehen, einzugreifen, Partei zu ergreifen und (in den meisten Fällen) sein Kind schützen zu wollen. Eine mögliche sich verstärkende destruktive Spirale aus Konflikten, gegenseitigen Vorwürfen und emotionaler Destabilisierung aller Familienmitglieder verurteilt die Stieffamilie auf lange Sicht als gescheitert (vgl. Abschnitt 2.4.3; Bien et al. 2002). Eine Investition in die Stiefeltern-Stiefkind-Beziehung macht es möglich, dass der soziale Elternteil Erziehungsaufgaben übernehmen kann. Denn Beziehung geht in jeglicher Hinsicht der Erziehung voraus (vgl. Liegle 2017: 13). Es ist nicht die Aufgabe des Stiefelternteils, einen leiblichen Elternteil zu ersetzen, sondern seine Rolle als einen sozialen Elternteil zu identifizieren, auszufüllen und anzunehmen (vgl. Wilk 1999: 128). Es ist wichtig, die Kinder kennenzulernen und den Kindern und sich selbst die Zeit zu geben, sich aneinander zu gewöhnen. Gemeinsam ermöglicht das, die Angst vor der Verantwortung zu reduzieren. Gleichzeitig ist Selbsterkenntnis dahingehend wichtig, woher eine mögliche Eifersucht auf die Kinder und auf den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil herrühren. Es hilft, den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil als Unterstützung anzusehen, welche den Stiefelternteil in seiner Verantwortung entlasten kann. Eine mögliche Eifersucht gegenüber den Kindern kann den Beziehungsaufbau zu den Kindern und dem neuen Partner zu gefährden. Hier ist es hilfreich, die Kinder als zugehörigen Teil des Partners zu begreifen und anzunehmen und im Zuge dessen eine positive Haltung zum Kind zu entwickeln. Die Ausprägung der Beziehungsqualität von Stiefeltern überträgt sich auf ihren Kommunikationsstil mit dem Kind. Im günstigen Fall dient sie als Ressource und fördert die Eltern-Kind-Kommunikation. Eine niedrige Beziehungsqualität kann sich allerdings negativ darauf auswirken und die Konfliktgefahr und die emotionalen Spannungen mit dem Kind erhöhen. Ein Bewusstsein über diese Mechanismen verdeutlicht in besonderer Weise die Notwendigkeit der „Beziehungsarbeit“ innerhalb der Partnerschaft und der Eltern-Kind-Beziehung. Eine entwicklungs- und beziehungsfördernde Rolle gegenüber dem Stiefkind zeigt sich in einer aktiven, warmherzigen, interessierten Teilnahme am Leben des Kindes (weitere Faktoren: vgl. Abschnitt 8.1), ohne den außerhalb lebenden leiblichen Elternteil ersetzen zu wollen. Als elterlicher Freund und Mentor fördert der soziale Elternteil die eigenständige Beziehung mit dem Kind und seine Entwicklung (vgl. u. a. Friedl

Empfehlungen für die sozialen und leiblichen Eltern

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und Maier-Aichen 1991; Weatherly 1996; zus. fas. bei Kunze 2014). Das bedeutet, die Umsetzung von Konsequenzen eher den leiblichen Eltern zu überlassen. Stattdessen gilt es, im Eltern-Kind-Dialog seine Ansichten zu erläutern und eine unterstützende Rolle einzunehmen (vgl. Weatherly 1996). Das bedeutet auch, das Kind zu loben und bei Traurigkeit Trost zu spenden. Giesecke (1987) liefert weitere wertvolle Hinweise für Stiefeltern. Es ist nicht erforderlich, das Kind zu lieben, auch wenn es natürlich möglich ist. Von größerer Bedeutung ist es, sozial zuverlässig, wertschätzend, respektvoll, aufmerksam und glaubwürdig zu sein. Dabei ist es wichtig, dem Kind die Initiative für mögliche Gesten der Zuneigung zu überlassen. Die Attribution übt bei den sozialen Eltern auf drei Bereiche einen Einfluss aus: auf die Selbstregulation, die Warmherzigkeit und das prosoziale Verhalten. Positive Attributionsmuster reduzieren das Ausmaß dessen, wie häufig der soziale Elternteil das Kind anschreit oder beschimpft. Eine positive Haltung zum Kind fördert die stiefelterliche Warmherzigkeit gegenüber dem Kind. Im Bereich des prosozialen Verhaltens neigt der Stiefelternteil dazu, dieses gemäß seinen Attributionsmustern wahrzunehmen. Das bedeutet, dass eine grundsätzlich positive Sichtweise vom Kind einerseits dessen prosoziales Verhalten stärker betont und andererseits das Kind mehr prosoziales Verhalten zeigt. Im Sinne Gieseckes (1987) erspürt das Kind, ob es angenommen wird oder nicht. Dementsprechend passt es sein Verhalten an. Eine positive Sichtweise vom Kind heißt, Erziehungsprobleme und Fehlverhalten des Kindes nicht feindselig sondern wohlwollend zu bewerten. Es ist hilfreich, sich die Situation genauer zu betrachten, die zu den möglichen Problemen geführt hat. Anschließend dienen Stress-, Kommunikations- und Problemlösestrategien dazu, diese Probleme innerhalb der Familie gemeinsam zu lösen (vgl. Abschnitt 8.3). Andere Studien belegen für Stiefeltern und im besonderen Maße für Stiefmütter ein höheres Stresslevel im Bereich der Erziehung als bei leiblichen Eltern (vgl. Shapiro 2014). Insbesondere die Beziehungsqualität bildet eine wertvolle Ressource – und damit auch verbunden das dyadische Coping – um die Beziehungsarbeit und Erziehungsaufgaben adäquat wahrnehmen zu können. Ferner sollten sich die Partner die Frage stellen, inwieweit der Stiefelternteil Erziehungsaufgaben überhaupt übernehmen soll oder eher eine Mentorenrolle gegenüber dem Kind einnehmen sollte. Leibliche Eltern Leibliche Eltern können in der ersten Phase der Stieffamilie einen „Gefühlscocktail“ erleben. Dazu gehören die Angst vor dem Partnerverlust und die gleichzeitige Wut auf den Partner, wenn die Kinder dem Partner ablehnend gegenüber stehen,

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Pädagogischer Handlungsleitfaden

damit einhergehenden Schuld- und Versagensgefühlen gegenüber den Kindern und dem Partner und daraus resultierender Aggression. Gleichzeitig können leibliche Eltern auch irritiert reagieren, wenn sich die Kinder und der neue Partner rasch gut verstehen (vgl. Figdor 2000: 57-60). Diese Herausforderungen bedürfen der Kommunikation, der Unterstützung der Kinder und Stiefeltern, der Selbstreflexion und der Achtsamkeit gegenüber den (neuen) Familienmitgliedern. Es ist auch wichtig, den Kindern die Angst zu nehmen, durch die neue Partnerschaft ein Elternteil zu verlieren. So ist es dienlich, die Besuchsregelungen mit dem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil weiterhin fortzusetzen, den Kontakt zu diesem auch zukünftig zu fördern und mit diesem, wie bisher, auf Elternebene konstruktiv zusammenzuarbeiten. Altersgerechte Gespräche mit den Kindern helfen den Kindern, ihre Ängste abzubauen. Unternehmungen allein mit dem Kind zeigen ihm, dass es weiterhin wichtig ist. Zwischen dem Stiefelternteil und den Kindern zu vermitteln, unterstützt den Beziehungsaufbau zwischen den beiden Subsystemen. Auf der Paarebene ist es wichtig, den sozialen Elternteil bei seiner Rollenfindung zu unterstützen und auch aktive Zeit mit dem Partner zu verbringen. Der Zusammenhang zwischen Beziehungsqualität und der Beziehung zwischen Stiefelternteil und Kind fordert insbesondere in der Anfangsphase den leiblichen Elternteil. Es gilt, die Beziehungen zu fördern, zu unterstützen und gemeinsam mit den Familienmitgliedern zu reflektieren, ohne die Beteiligten zu bedrängen und mit eigenen Vorstellungen zu überfordern. Weiterhin ist es wichtig, die vergangene Beziehung zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil innerlich zu verarbeiten, sich damit zu versöhnen und mit ihm auf Elternebene konstruktiv zusammenzuarbeiten (vgl. Krähenbühl et al. 2007: 96f.). Insgesamt ergibt sich eine besondere Schlüsselrolle des leiblichen Elternteils für das Zusammenwachsen der Stieffamilie und ihren Erfolg. Der leibliche Elternteil benötigt für seine Handlungsfähigkeit grundsätzlich eine hohe Beziehungsqualität. So reduziert eine niedrige Beziehungsqualität seine Warmherzigkeit und seine Konsequenz innerhalb der Erziehung und fördert auch negative Kommunikationsmuster gegenüber dem Kind (Selbstregulation). Dessen sollte er sich bewusst sein und beide Beziehungsebenen aktiv und konstruktiv gestalten (vgl. Abschnitte 8.2 und 8.3). Eine reduzierte autoritative Erziehung entsteht häufig aufgrund eines schlechten Gewissens gegenüber den Kindern. Forschungsergebnisse weisen nach, dass eine verminderte Konsequenz negativ auf die Beziehungsqualität zurückwirkt. Ferner gilt es, sich als Eltern verantwortlich zu fühlen und bei Bedarf Grenzen zu setzen. Das heißt auch, die eigene Erziehungsverantwortung nicht an den sozialen Elternteil abzugeben, sondern ihn entsprechend der gemeinsam getroffenen Vereinbarungen in den Erziehungsprozess

Empfehlungen für die sozialen und leiblichen Eltern

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einzubinden, ohne ihn dabei zu überfordern. Als verantwortliche Erziehungsperson bleiben die Grenzsetzung und die Ausübung des autoritativen Erziehungsstils im Aufgabenbereich des leiblichen Elternteils. In angespannten Situationen mit dem Kind verweisen die vorliegenden Studienergebnisse darauf, eben nicht der Impulsivität nachzugeben, sondern reflektiert damit umzugehen und weiterhin gewaltfrei mit dem Kind zu kommunizieren. Der außerhalb lebende leibliche Elternteil Ein Kontaktabbruch dieses Elternteils oder andauernde Konflikte zwischen den leiblichen Eltern können das Kind emotional und psychisch belasten. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass das Kind Verhaltensauffälligkeiten zeigt, seine Entwicklungsaufgaben nicht adäquat wahrnehmen kann, sein Selbstwertgefühl abnimmt und seine Beziehung zu seinen leiblichen Eltern (aber auch zum Stiefelternteil) nachhaltig geschädigt werden (vgl. auch Figdor 2000). Generell ist es wichtig, die Beziehung zum Kind aufrechtzuerhalten, ihm das Gefühl zu vermitteln, weiterhin ein es liebender Elternteil zu sein, und mit dem leiblichen Elternteil bzw. der Stieffamilie konstruktiv zusammenzuarbeiten. Diese Punkte implizieren auch, die vergangene Paarbeziehung mit dem anderen leiblichen Elternteil zu verarbeiten und sich innerlich mit diesem zu versöhnen (vgl. Krähenbühl et al. 2007: 96f.). Der außerhalb lebende leibliche Elternteil kann über die Beziehung zu seinen Kindern auf die Stieffamilie einwirken. Negativ gesehen, kann er die Beziehung zwischen Stiefelternteil und Stiefkind und damit auch die Partnerschaft des leiblichen Elternteils torpedieren. Daraus resultieren möglicherweise Loyalitätskonflikte des Kindes, eine Störung der Beziehungsqualität des Paares, des Erziehungsverhaltens und der kindlichen Entwicklung. Wie es die Aufgabe des Stiefelternteils und des leiblichen Elternteils ist, den außerhalb lebenden leibliche Elternteil als erweiterte Stieffamilie bei Fragen zum Kind mit einzubeziehen, ist es auch die Aufgabe von diesem Elternteil, seinen Einfluss positiv und im Sinne des Kindes zu gebrauchen. Das bedeutet, eine unterstützende, akzeptierende Haltung einzunehmen. Das betrifft auch die Toleranz, dass ein anderer Erwachsener ebenfalls eine wichtige Rolle im Leben des Kindes einnehmen kann (vgl. Figdor 2000: 56). Diese Handlungsweisen unterstützen das Kind bei seiner Kompetenzausbildung und in seinem emotionalen Wohlbefinden.

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Zusammenfassung und Ausblick

Diese Dissertation untersuchte den direkten und indirekten Einfluss der Beziehungsqualität auf zwei kindliche Kompetenzfelder in Stieffamilien. Die evaluierten kindlichen Kompetenzen umfassten die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten der mittleren Kindheit und Jugend. Stieffamilien bilden haushaltsübergreifende Lebenswelten, deren Häufigkeit in den letzten Jahren zugenommen hat und weiter anwachsen wird. Trotz zahlreicher Forschungsarbeiten, Medienberichten und Ratgeberliteratur haben das Familienrecht und die Familienpolitik auf diese Entwicklung bisher noch unzureichend reagiert. Ferner sind lern- und entwicklungsförderliche Ressourcen der leiblichen und sozialen Eltern noch nicht hinreichend erforscht. Diese Hintergründe waren ausschlaggebend für die vorliegende Untersuchung. Das Ziel war es, persönliche Ressourcen der Eltern in Stieffamilien zu ermitteln, deren Kinder eine hohe emotionale Sicherheit und ein ausgeprägtes prosoziales Verhalten an den Tag legen. Dabei sollten die Wirkmechanismen einer Auswahl an elterlichen Ressourcen und Kompetenzen erfasst werden, diese zwischen leiblichen und sozialen Eltern verglichen und daraus ein pädagogischer Handlungsleitfaden abgeleitet werden. Das Beziehungs- und Familienpanel pairfam als repräsentative, deutschlandweite Befragung von zufällig ausgewählten Respondenten bildete die Datengrundlage. Die Datenauswahl begründet sich im Gewinn einer repräsentativen, nicht-klinischen Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung. Weiterhin bietet das Beziehungs- und Familienpanel pairfam die Möglichkeit, auf der Basis bewährter Fragebogeninstrumente die Einflüsse relevanter Beziehungsaspekte und elterlicher Verhaltensweisen auf die zwei ausgewählten kindlichen Kompetenzfelder zu eruieren. Die Untersuchung verfolgte einen systemisch-entwicklungsbezogenen Ansatz, welcher dynamische Entwicklungen und gegenseitige Beeinflussungen der Familienmitglieder sowie der familialen Subsysteme berücksichtigt. Er hat sich in der vorliegenden Arbeit als Rahmen für die Untersuchung von Stieffamilien bewährt. Eine Eingrenzung des Untersuchungsbereichs diente dazu, ausgewählte Modelle an Stieffamilien empirisch zu überprüfen. Dazu ging ein Kapitel auf die wesentlichen Begriffe und Aspekte ein und operationalisierte jeweils die daraus ableitbaren Dimensionen auf der Basis theoretischer Ansätze. Von besonderem Interesse waren dabei die Nähe-Distanz-Beziehungsstrukturen und die Haltung

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Zusammenfassung und Ausblick

zum Kind (vgl. Abschnitt 3.1.2). Um innerhalb des systemisch-entwicklungsbezogenen Ansatzes die aufgestellten Hypothesen überprüfen zu können, wurden lerntheoretische Aspekte, pädagogisch-ethische Überlegungen und psychologische Erklärungsmodelle einbezogen. Aus der Vielzahl vorhandener lerntheoretischer Ansätze wurden solche gewählt, welche emotionale und soziale Aspekte des Lernens forcieren (vgl. Abschnitt 4.1): Im Rahmen der Bindungstheorie wurde die Entstehung internaler Arbeitsmodelle hervorgehoben (Bowlby, Ainsworth). Innerhalb einer stresstheoretischen Perspektive lag der Fokus auf der Bedeutung der Familie für die emotionale Stabilisierung und die Stressverarbeitung (Lazarus). Die sozial-kognitive Lerntheorie stellt dar, wie Lernen im Rahmen sozialer Prozesse stattfindet und welche Folgen daraus für die individuelle Selbstwirksamkeit entstehen (Bandura). Zuletzt wurde anhand von Roth aufgezeigt, wie Erziehung die Effektivität des kindlichen Lernens beeinflusst. Im Rahmen einer pädagogischethischen Betrachtungsweise konnten mögliche Mediatoren und Modelle genauer identifiziert werden (vgl. Abschnitt 4.2). Diese betreffen die Haltung zum Kind, mit dem Fokus auf der Attribution, die Beziehungsgestaltung mit dem Kind, unter der besonderen Berücksichtigung der Kommunikation, und die elterliche Erziehung, mit dem Schwerpunkt auf der autoritativen Erziehung. All diese Faktoren beeinflussen die kindliche Lernumgebung und damit auch die kindlichen Kompetenzaufbauprozesse. Unter den psychologischen Erklärungsmodellen zu den Transmissionseffekten wurden solche verwendet, welche insbesondere die systemischen Aspekte berücksichtigen. Diese bilden die Spill-Over-Hypothese von Anette Engfer, Jay Belsky’s Prozessmodell und Richard R. Abidin’s Erziehungsstressindex. Die Spill-Over-Hypothese beschreibt einen Effekt der Beziehungsqualität auf die Eltern-Kind-Beziehung und das elterliche Verhalten. Wie weiterführende Studien zu Kernfamilien aufzeigen, kann dieses Modell um die Einflüsse der Beziehungsqualität auf die elterliche Erziehung und das Kind erweitert werden. Belsky identifiziert unter anderem die Beziehungsqualität als einen Faktor, der das elterliche Erziehungsverhalten beeinflusst, welches sich gemeinsam mit kindlichen Merkmalen auf das Kind, seine Entwicklung und seinen Kompetenzaufbau auswirkt. Abidin verweist auf den Einfluss des elterlichen Stressniveaus auf die Elternkompetenzen. Die mit diesem theoretischen Hintergrund aufgestellten Hypothesen und Kausalmodelle dienten dazu, direkte und indirekte Einflüsse der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes zu evaluieren. Um näher in das System der Stieffamilie eintauchen zu können, bedurfte es ferner der Evaluation möglicher Unterschiede zwischen leiblichen und sozialen Eltern.

Zusammenfassung und Ausblick

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Das Studiendesign konzipierte Konstrukte zu zwei kindlichen Kompetenzfeldern, zu fünf Elternkompetenzen und zur Beziehungsqualität, welche mit Strukturgleichungsmodellen in ihren Zusammenhängen untersucht wurden. Verschiedene, bei Stieffamilien bedeutsame soziodemografische Merkmale, wurden als Kontrollvariablen eingesetzt. Zum Einsatz kamen unterschiedliche Modelle, welche die direkte und indirekte Wirkung der Beziehungsqualität auf die emotionale Sicherheit und das prosoziale Verhalten des Kindes überprüft haben. Die indirekten Einflüsse wurden mit einem Kommunikationsmodell und einem Modell zur autoritativen Erziehung gemessen. Das Kommunikationsmodell umfasste die elterliche Selbstregulation und die Eltern-Kind-Kommunikation. Der autoritative Erziehungsstil wurde über die Konsequenz und die Warmherzigkeit der Eltern abgebildet. Die Ergänzung der elterlichen Attributionsmuster innerhalb der beiden Modelle diente dazu, die elterliche Haltung gegenüber dem Kind zu überprüfen. Die Modelle wurden getrennt für die kindlichen Kompetenzfelder getestet. Die Besonderheiten dieser Studie umfassen die Betrachtung der Wirkzusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen und der Vergleich der Elternschaften aus Stieffamilien. So ging diese Arbeit auf mögliche Unterschiede der Einflussmechanismen bei leiblichen und sozialen Eltern ein. Die Hypothesentestung erfolgte mit Maximum-Likelihood-Strukturgleichungsmodellen auf der Basis der Daten des Familien- und Beziehungspanels pairfam (Welle III). Die Stieffamilien stammen vorwiegend aus der Mittelschicht, sind mehrheitlich gefestigt, bilden überwiegend Stiefvaterfamilien und komplexe Stieffamilien. Die Bezugskinder sind zumeist Stiefkinder und zwischen acht und 16 Jahren alt, wobei Jugendliche etwas häufiger vertreten sind als Kinder zwischen acht und zehn Jahren. Die Kinder zeigen eine eher ausgeprägte emotionale Sicherheit und ein ausgebildetes prosoziales Verhalten. Auch die Beziehungsqualität und die Elternkompetenzen sind überdurchschnittlich. Dabei treten jedoch auch Unterschiede zutage. Die Beziehungsqualität, die Attribution, die Selbstregulation, die Eltern-Kind-Kommunikation und Teile der Konsequenz beurteilen die Elternschaften überwiegend ähnlich. Ihre Warmherzigkeit gegenüber dem Kind schätzen leibliche Eltern höher ein als soziale Eltern. Stiefeltern wiederum beurteilen einen Bereich der Konsequenz höher und einen Bereich der Selbstregulation niedriger als leibliche Eltern. Bevor die Hypothesen in den Strukturgleichungsmodellen überprüft wurden, wurde die Struktur der einzelnen Konstrukte mit konfirmatorischen Faktorenanalysen evaluiert und validiert. Eine (partielle) metrische Messinvarianz konnte bestätigt werden und erlaubte damit auch die Gruppenvergleiche.

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Zusammenfassung und Ausblick

Die Strukturgleichungsmodelle bestätigten einen großen Teil der Hypothesen. Die Beziehungsqualität beeinflusst weder die emotionale Sicherheit noch das prosoziale Verhalten direkt. Die psychologischen Modelle zu den indirekten Transmissionseffekten finden jedoch ihre Bestätigung. So wirkt die Beziehungsqualität indirekt auf die beiden kindlichen Kompetenzbereiche. Die Eltern-Kind-Kommunikation und die Selbstregulation haben sich für die emotionale Sicherheit als Mediatoren bewährt. Das Kommunikationsmodell dient im geringer ausgeprägten Maße zur Beschreibung der indirekten Einflüsse der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten. Das autoritative Erziehungsverhalten ist von Bedeutung, will man die Einflüsse der Beziehungsqualität auf das prosoziale Verhalten verstehen. Wird das Modell um die Attribution ergänzt, erhöht sich die Varianzaufklärung des prosozialen Verhaltens noch einmal. Auf die emotionale Sicherheit kann dieses Modell jedoch nicht angewendet werden. Die Attribution bleibt ein Aspekt, welcher in beiden Modellen zwar einen Einfluss auf die nachstehenden Mediatoren ausübt, jedoch von der Beziehungsqualität unabhängig ist. Zwischen den Elternschaften konnten Unterschiede ermittelt werden. Dies gilt sowohl für die Beeinflussungsmuster als auch für die Effektstärken. Dies ist ein Indiz für die unterschiedlichen Rollen, welche die beiden Elternschaften innerhalb einer Stieffamilie einnehmen. Die kindliche emotionale Sicherheit profitiert bei beiden Elternschaften von einer positiven Eltern-Kind-Kommunikation, welche von der Selbstregulation beeinflusst wird. Die Attribution bildet bei beiden Elternschaften einen signifikanten Einflussfaktor auf die Selbstregulation. Während die stiefelterliche Beziehungsqualität die Eltern-Kind-Kommunikation direkt beeinflusst, wirkt sie sich bei den leiblichen Eltern über die Selbstregulation auf die Eltern-Kind-Kommunikation aus. Die stiefelterliche Warmherzigkeit sowie die Warmherzigkeit und Konsequenz der leiblichen Eltern sind fördernde Faktoren für das prosoziale Verhalten des Kindes. Die Eltern nehmen in Stieffamilien folglich unterschiedliche Rollen ein. Ferner beeinflusst allein bei den leiblichen Eltern die Beziehungsqualität das prosoziale Verhalten indirekt, bei den Stiefeltern konnte kein Effekt nachgewiesen werden. Die Attribution ist bei den Stiefeltern von Bedeutung für ihre Angaben zum kindlichen prosozialen Verhalten. Diese Arbeit weist nach, dass die Beziehungsqualität die sozio-emotionalen Kompetenzen des Kindes indirekt in Stieffamilien beeinflusst. Sie bietet damit einen vertiefenden Blick in die Beziehungsstrukturen von Stieffamilien und zeigt ausschnitthaft auf, welche elterlichen Ressourcen die kindliche Kompetenzentwicklung fördern können. Die Beziehungsqualität prägt die Handlungsfähigkeit der Eltern im Umgang mit dem Kind (Selbstregulation, Warmherzigkeit) und damit auch die Beziehung zum Kind. Die Unterschiede zwischen den Elternschaften verdeutlichen die verschiedenen Rollen, welche die Partner in ihrem Umgang mit

Zusammenfassung und Ausblick

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dem Kind einnehmen. Diese Differenzen scheinen relativ zeitstabil zu sein. Schließlich gehören die Familien vorrangig zu den gefestigten Stieffamilien, mit einer Kohabitationsdauer von mindestens fünf Jahren. Der leibliche Elternteil befindet sich, den Ergebnissen zufolge, in einer Rolle, in welcher er eher für die Einhaltung von Grenzen sorgt. Der Beziehungsaspekt ist bei den Stiefeltern von alleiniger Bedeutung. Dies bestätigt die förderliche Stiefelternrolle eines elterlichen Mentors gegenüber den Kindern. Leibliche und soziale Eltern können damit aktiv einen positiven Einfluss auf ihre Kinder ausüben. Die unterschiedlichen Rollen der Elternschaften konnte diese Arbeit genauer spezifizieren. Der daraus abgeleitete pädagogische Handlungsleitfaden zeigte ihre Handlungsmöglichkeiten auf. Diese bilden die „Arbeit“ des Einzelnen an den unterschiedlichen Beziehungsebenen, den respektvollen Umgang mit dem Kind und miteinander sowie die Verfolgung eines autoritativen Erziehungsstils. Es ist erforderlich, jedes (erweiterte) Familienmitglied zu integrieren (auch außerhalb des Haushalts), die individuelle Elternrolle auszuarbeiten und die eigene Familienform mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten zu akzeptieren. Die vorliegende Studie fokussierte sich auf die Einflüsse der Beziehungsqualität auf zwei kindliche Kompetenzen aus Elternsicht. Das pairfam bietet zwar die Möglichkeit, Kinder in die Analyse mit einzubeziehen und die Aussagen von Partnern innerhalb eines Multi-Actor-Designs in dyadische Untersuchungen einzubeziehen. Die Stichprobengröße von N = 263 hätte sich durch solch ein Vorgehen weiter reduziert und die Repräsentativität der Ergebnisse gefährdet. Zukünftige Forschungen sollten diese Aspekte mit einbeziehen. Dies umfasst die dyadische Analyse der Partner, um die unterschiedlichen Elternfunktionen von leiblichen und sozialen Eltern weiter auszudifferenzieren. Dyadische Analysen auf Paar-, auf Eltern-Kind- und Geschwister-Ebene können die systemischen Wechselwirkungsprozesse in Stieffamilien genauer identifizieren. Ferner bietet es sich an, Entwicklungen im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung genauer zu evaluieren. Aus den Ergebnissen dieser Forschungsarbeit können neben den beschriebenen methodischen Erweiterungen auch inhaltliche Anregungen abgeleitet werden. So können die aufgestellten Modelle zu weiteren kindlichen Kompetenzen überprüft werden. Ferner hat sich die elterliche Attribution als wichtiger, von der Beziehungsqualität unabhängiger Faktor erwiesen. Ihre Bedeutung für den kindlichen Kompetenzaufbau und die elterliche Erziehungs- und Beziehungsgestaltung in Stieffamilien konnte diese Forschungsarbeit zwar aufzeigen, jedoch nicht weiter vertiefen. In der Forschung zu Stieffamilien weisen vor allem anglo-amerikanische Studienergebnisse die Bedeutung der stiefelterlichen Haltung zum Kind für das kindliche Aufwachsen und die familiale Beziehungsgestaltung auf. Bestätigen sich diese Ergebnisse weiterhin auch für den deutschen Sprachraum, bleibt die

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Zusammenfassung und Ausblick

Frage offen, inwiefern diese Begebenheit bei Stieffamilien positiv nutzbar gemacht werden kann. Auch können die aufgestellten Modelle erweitert werden. Wird der Erziehungsstil untersucht, kann die Ergänzung der psychologischen Kontrolle und der übermäßigen strengen Kontrolle die Sichtweise auf die unterschiedlichen Erziehungsmuster und ihre Wechselwirkungsprozesse mit den innerfamilialen Beziehungen und den kindlichen Kompetenzen vertiefend beleuchtet werden. Dieses Verfahren ermöglicht es, unterschiedliche Erziehungsstile und ihre Erfolgschancen in Stieffamilien zu evaluieren und getrennt zwischen den Elternschaften zu untersuchen. Weitere Faktoren umfassen zum Beispiel die gemeinsamen Aktivitäten mit dem Kind, der Umgang zwischen Stieffamilie und Schule bzw. Kinderbetreuungseinrichtungen, die elterlichen Coping-Fähigkeiten und die elterliche Persönlichkeit in die Analysen mit einzubeziehen. Diese Anregungen sind ohne Weiteres erweiterbar. All diese Ideen ermöglichen es, einen Blick in den Erziehungs- und Beziehungsalltag von Stieffamilien zu gewinnen, mögliche Ressourcen zu identifizieren und ihren Umgang mit eigenen möglichen Schwächen zu erleichtern. Es geht darum, einem Kind unabhängig von seiner Familienform optimale Lernumgebungen zu ermöglichen, die seine Kompetenzentwicklung fördert und es zu handlungsfähigen, kompetenten Erwachsenen heranreifen lässt. Janusz Korczak, Ludwig Liegle und Michael Winkler haben bereits Folgendes verdeutlicht (vgl. Abschnitt 4.2.2): Es geht um die uneingeschränkte Achtung vor dem Kind zu jedem Moment und in jeder Situation!

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Anhang

Verteilung der Familienformen 500 000 und mehr 200 000 - 500 000

61.7 64.4

28.1

10.1

26.4

9.2

100 000 - 200 000

66.9

7.3

25.7

50 000 - 100 000

66.8

8.4

24.9

20 000 - 50 000

68.5

8.1

23.4

10 000 - 20 000

71.3

7.5

21.3

5 000-10 000

70.4

8.3

21.2

unter 5 000

72.4

Ehepaare

nichteheliche Lebensgemeinschaften

8.5

19.1

Alleinerziehende

Abbildung A.1: Familienformen nach Gebietsgrößenklassen in der amtlichen Statistik Familien mit ledigen Kindern; Quelle: Statistisches Bundesamt 2017a: 65; eigene Berechnungen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kunze, Stieffamilien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28778-8

352

Anhang

MCAR-Test nach Little Tabelle A.1: MCAR-Test nach Little χ2 df p Nvollständig NMissings Beziehungsqualität 14.526 14 .411 241 22 Emotionale Sicherheit 33.613 25 .116 253 10 Prosoziales Verhalten 19.507 27 .851 249 14 Eltern-Kind-Kommunikation 2.709 1 .100 257 6 Selbstregulation 7.832. 3 .050 260 3 Warmherzigkeit 3.471 4 .482 260 3 Konsequenz 12 .003 250 13 30.215** Attribution 10.189 7 .178 250 13 Konstrukte aus Modell ES I 123.960 105 .100 231 32 Konstrukte aus Modell PV I 168.263 159 .292 231 32 Konstrukte aus Modell ES II 211 .000 226 37 285.905*** Konstrukte aus Modell PV II 259 .001 224 39 333.524** Konstrukte aus Modell ES III 336 .002 222 41 416.438** Konstrukte aus Modell PV III 399 .000 218 45 512.032*** Konstrukte aus Modell ES IV 326 .001 222 41 410.637** Konstrukte aus Modell PV IV 358 .000 222 41 462.064*** Konstrukte aus Modell ES V 500 .005 215 48 586.452*** Konstrukte aus Modell PV V 544 .000 212 51 695.906*** Anmerkung: ES = emotionale Sicherheit als abhängiges Konstrukt, PV = prosoziales Verhalten als abhängiges Konstrukt; Ein Item zur Beziehungsqualität hat 7.5 %-Fehlwerte (Zufriedenheit mit der Sexualität, N = 20). Bei allen anderen Items fehlen weniger als 5 %. Insgesamt liegen bei 79.5 % (N = 209 von N (Gesamt) = 263) aller Fälle vollständige Daten vor. Bei 7 Variablen (21.2 %) fehlen keine Angaben, bei 26 Variablen (78.8 %) fehlt mindestens eine Angabe. Insgesamt sind 98.6 % der Werte vorhanden. Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, ungewichteten Variablen

Ergänzende deskriptive Statistik Tabelle A.2: Gebietsverteilung der Stieffamilienhaushalte Ostdeutschland Westdeutschland Gesamt Gemeinsame Kinder Ja 62.8 66.1 65.2 Nein 37.2 33.9 34.8 N 33 83 116 Beziehungsstatus Verheiratet 55.2 71.9 67.1 NEL 44.8 28.1 32.9 N 32 80 113 18.2 81.8 11 617 Mikrozensus (Paare mit Kindern) Anmerkung: NEL = nichteheliche Lebensgemeinschaften; Mikrozensus: Angabe in 1 000; Quellen: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen; Mikrozensus: Statistisches Bundesamt (2013)

Anhang

353

Tabelle A.3: Anzahl der Kinder in den Stieffamilienhaushalten Gemeinsame Kinder Beziehungsstatus Gesamt ja nein Ehe NEL Anzahl aller Kinder der Familie 1 Kind 39.1 8.4 25.3 13.6 2 Kinder 37.8 43.9 36.8 44.6 39.9 3 Kinder 41.7 15.0 36.0 25.2 32.4 4 Kinder 10.1 1.1 8.8 3.3 7.0 5 Kinder und mehr 10.4 0.9 10.0 1.7 7.1 2.93 1.81 2.75 2.11 2.54 𝑥̅ Anzahl der gemeinsamen Kinder des Paares 0 Kinder 100 24.1 51.1 34.8 1 Kind 60.6 39.2 43.5 39.5 2 Kinder 32.6 29.9 5.4 21.2 3 Kinder 3.6 3.5 2.3 4 Kinder 3.2 3.2 2.1 5 Kinder und mehr 1.49 0 1.23 0.54 0.97 𝑥̅ N 76 40 76 37 116 Anmerkung: NEL = nichteheliche Lebensgemeinschaft, 𝑥̅ = Mittelwert; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen Tabelle A.4: Einkommensverteilung nach Stieffamilienhaushalten Gemeinsame Kinder Beziehungsstatus Gesamt ja nein Ehe NEL

EU-SILC (2011) AlleinPaare erziehende

Haushaltsnettoeinkommen 3 272 3 026 3 221 3 112 3 181 𝑥̅ Median 2 799 2 978 2 903 2 703 2 800 Nettoäquivalenzeinkommen 1 543 1 590 1 542 1 613 1 560 𝑥̅ Median 1 306 1 440 1 389 1 362 1 376 1 074 1 576 N 65 38 68 33 103 1 329 9 478 Anmerkung: NEL = nichteheliche Lebensgemeinschaften, 𝑥̅ = Mittelwert; Quellen: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen; Median des Nettoäquivalenzeinkommens für Alleinerziehende und Paare mit Kindern: Tabelle 63400-0002 des Statistischen Bundesamtes (destatis) basierend auf dem EU-SILC, eigene Berechnungen

354

Anhang

Tabelle A.5: Merkmale der Bezugskinder Junge Mädchen Gesamt Alter 11.04 11.61 11.33 𝑥̅ s 2.282 2.184 2.242 Von … bis … 8 bis 16 8 bis 16 8 bis 16 Jugendlicher 50.7 65.3 58.1 Kind 49.3 34.7 41.9 Stiefkind Ja 80.3 64.4 72.2 Nein 19.7 35.6 27.2 N 57 59 116 Anmerkung: 𝑥̅ = Mittelwert, s = Standardabweichung; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen mit kategorialen, gewichteten Variablen

Ergänzende Berechnungen zu den Messmodellen Tabelle A.6: Korrelationen der Variablen zu den kindlichen Kompetenzbereichen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 Invertiert: Sorgen 1.00 2 Invertiert: Niedergeschla.48 1.00 genheit 3 Invertiert: mangelndes .39 .42 1.00 Selbstvertrauen 4 Invertiert: Ängste .36 .37 .60 1.00 5 Invertiert: psychosomatische .32 .33 .20 .19 1.00 Symptome 6 Generelle Rücksichtnahme .10 -.02 -.08 -.04 .15 1.00 7 Rücksichtnahme gegenüber .02 .02 -.02 .01 .10 .37 1.00 jüngeren Kindern 8 Generelle Hilfsbereitschaft .14 .03 .02 -.03 .19 .39 .27 1.00 9 Hilfsbereitschaft in Not.00 -.01 -.07 -.05 .02 .38 .34 .39 1.00 fällen 10 Teilungsbereitschaft .08 .03 .10 .04 .01 .32 .26 .27 .24 1.00 Anmerkung: emotionale Sicherheit: Variablen 1 - 5, prosoziales Verhalten: Variablen 6 - 10; Pearson-Korrelation, z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen

Anhang

355

Tabelle A.7: Korrelationen der Variablen zur Beziehungsqualität 1 2 3 4 5 6 7 8 Intimität 1 Offenheit im Alltag 1.00 2 Offenheit bei intimen Themen .52 1.00 Wert3 Erfahrene Wertschätzung für .44 .46 1.00 schätzung Handlungen 4 Allgemein erfahrene Wertschät.31 .46 .67 1.00 zung Kommu- 5 Invertiert: Konflikthäufigkeit .22 .35 .27 .29 1.00 nikation 6 Invertiert: emotionale Spannungen .31 .32 .34 .38 .72 1.00 Zufrie7 Zufriedenheit mit dem Sexualleben .14 .31 .30 .34 .33 .29 1.00 denheit 8 Zufriedenheit mit der Beziehung .23 .34 .30 .31 .31 .34 .50 1.00 Pearson-Korrelation, z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen Tabelle A.8: Messmodell: Beziehungsqualität als ein Konstrukt Gütekriterien der ersten Gütekriterien der zweiGeneration ten Generation TrennFaktorFaktorIndikatorschärfe ladungen ladungen reliabilität Indikatorebene Offenheit im Alltag .449 .593 .536*** .287 Offenheit bei intimen Themen .599 .717 .661*** .437 Erfahrene Wertschätzung für Handlungen .595 .727 .713*** .508 Allgemein erfahrene Wertschätzung .600 .725 .711*** .505 Invertiert: Konflikthäufigkeit .525 .659 .561*** .315 Invertiert: emotionale Spannungen .571 .702 .611*** .373 Zufriedenheit mit dem Sexualleben .462 .563 .494*** .244 Zufriedenheit mit der Beziehung .492 .604 .507*** .257 Konstruktebene Gütekriterien der ersten Generation Cronbach’s Alpha .818 Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium .751*** DEV der explorativen Faktorenanalyse 44.1% Gütekriterien der zweiten Generation Rel (ξi) .819 DEV .366 EFA: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Schätzer der KFA: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen und Reliabilitätsberechnungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, .p < .1; χ2 (df) = 231.966*** (20), CFI = .628, TLI = .479, RMSEA = .201, SRMR = .090, GFI = .823, AGFI = .688; Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen, N = 263

356

Anhang

Tabelle A.9: Korrelationen der Variablen zur Kommunikation mit dem Kind 1 2 3 4 5 Eltern-Kind1 Invertiert: Konflikthäufigkeit 1.00 Kommunikation 2 Invertiert: emotionale Spannungen .68 1.00 Selbstregulation 3 Invertiert: Kind anschreien .40 .40 1.00 4 Invertiert: Kind beschimpfen .43 .41 .60 1.00 5 Invertiert: Kind kritisieren .33 .36 .29 .33 1.00 Pearson-Korrelation, z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen Tabelle A.10: Korrelationen der Variablen zur autoritativen Erziehung 1 2 3 4 5 6 7 Warmherzig- 1 Zuneigung zeigen 1.00 2 trösten keit .64 1.00 3 loben .60 .51 1.00 Konsequenz 4 Invertiert: Strafe abschwächen -.10 -.13 -.13 1.00 5 Invertiert: unterschiedliche .01 -.12 .01 .21 1.00 Strenge 6 Invertiert: Strafe androhen -.01 -.10 -.05 .46 .29 1.00 7 Invertiert: Selbstwahrnehmung -.04 -.13 .00 .27 .49 .43 1.00 bzgl. Konsequenz Pearson-Korrelation, z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen Tabelle A.11: Korrelationen der Variablen zur Attribution 1 2 3 Attribution 1 Invertiert: Fehlverhalten, um zu verärgern 1.00 2 Invertiert: Erziehungsprobleme in Verantwortung des Kindes .40 1.00 3 Invertiert: absichtsvolles Fehlverhalten .49 1.00 .61 Pearson-Korrelation, z-standardisierte Werte, Quelle: pairfam (Welle III); eigene Berechnungen

Anhang

357

Ausgeschlossene Gruppenvergleiche Kommunikation und prosoziales Verhalten Stiefeltern: N = 116; χ2 = 196.340 Leibliche Eltern: N = 147; χ2 = 134.397 R2 = .549/.453

Beziehungsqualität

Eltern-KindKommunikation

.342*/ .035

.219/.358***

.357**/ .281*

R2 = .127/.079

prosoziales Verhalten

.587**/.660***

Selbstregulation R2 = .048/.128

Abbildung A.2: Gruppenvergleich PV II: Einfaches Kommunikationsmodell Schätzer: MLR/FIML; z-standardisierte Werte, standardisierte Parameterschätzungen; Signifikanzniveaus: p*** < .001, p** < .01, p* < .05, p