Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2008/2009 9783504382735

Das Steuerberater-Jahrbuch bietet der Beratungspraxis Jahr für Jahr eine detaillierte Auseinandersetzung mit ausgewählte

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Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2008/2009
 9783504382735

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Steuerberater-Jahrbuch 2008/2009

Steuerberater-Jahrbuch 2008/2009 zugleich Bericht über den 60. Fachkongress der Steuerberater Köln, 21. und 22. Oktober 2008

Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von

Prof. Dr. Detlev J. Piltz

Dipl.-Kfm. Manfred Günkel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Steuerberater u.Wirtschaftsprüfer

Dr. Dr. Ursula Niemann Steuerberater

Ziüerempfeblung: Verfasser, StbJb. 2008/2009, Seite ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VerlagDr. Otto SchmidtKG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0081-5519 ISBN 978-3-504-62654-9 ©2009 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfiltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Satz: C. Wild, Stuttgart Druckund Verarbeitung: Bercker, Kevelaer Printed in Germany

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Prof. Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater Zum 60. Fachkongress. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Leitthema: Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der deutschen Wirtschaft Jürgen R. Thumann Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V., Berlin Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der deutschen Wirtschaft . . . .

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Leitung: Prof. Dr. Detlev J. Piltz Diskussion zum Leitthema: „Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der deutschen Wirtschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Leitthema: § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Dr. h.c. Wolfgang Spindler Präsident des Bundesfinanzhofs; München § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Bisherige Rechtslage nach § 42 AO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Neuregelung des § 42 AO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Ausführliche Inhaltsübersichten zu Beginn der jeweiligen Beiträge.

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3. Leitthema: Erbschaftsteuerreform Dr. Martin Jonas Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform . . . . . . . . I. II. III. IV.

Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der vereinfachten Ertragsbewertung . Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . .

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Dipl.-Finw. Wilfried Mannek I. II. III. IV. V. VI. VII.

Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Umfang des Verwaltungsvermögens . . . Berechnung der 50 %-Quote (10 %-Quote) . . . . . . . . . . . Faktoren mit Einfluss auf die 50 %-Quote (10 %-Quote) Problematik der Lohnsummen- und Behaltensregelung. Nicht realisierte Alternative: NRW-Modell . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Andreas Söffing Steuerberater, Frankfurt am Main Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht. . . . . . . . . . . I. Generierung von begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Drittstaatenvermögen/Drittstaatenbeteiligungen . III. Wahlrecht zwischen dem 7jährigen und 10jährigen Begünstigungskonzept. . . . . . . . . . IV. Verwaltungsvermögenstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lohnsummentest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Berücksichtigung latenter Ertragsteuern . . . . . . . . VII. Wahlrecht zur Anwendung des neuen Rechts . . . . VIII. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt . . . . . . . .

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4. Leitthema: Internationales Steuerrecht Andreas Kempf Steuerberater, Düsseldorf Korrespondenzprinzip bei internationalen verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen . . . . . . . . . . . . . I. Wirkungsweise und gesetzliche Verankerung der korrespondierenden Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen . III. Folgen der Einführung des Korrespondenzprinzips für international tätige Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personengesellschaften im Abkommensrecht – Erlassentwurf und neue Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Christian Schmidt Steuerberater, Nürnberg

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen (BFH v. 17. 10. 2007 – I R 5/06) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuordnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung. . . . . . . I. II. III. IV.

Einführung . . . . . . . . . . . . Dogmatische Grundlagen Neue Regelungsbereiche . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Leitthema: Bilanzen und Steuern Prof. Dr. Thomas Rödder Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bonn BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz de lege lata . . 2. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz nach BilMoG . . . . 3. Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut und persönliche Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktivierungsverbote und -wahlrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allgemeine Bewertungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abschreibungen und Zuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bewertungsvereinfachungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ansatz von Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Bewertung von Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Gewinnabführungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Perspektive der steuerlichen Gewinnermittlung . . . . . . . . . .

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Dr. Michael Kempermann Richter am Bundesfinanzhof a.D., München Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gründe für die Abweichung des wirtschaftlichen vom rechtlichen Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erste Fallgruppe – zweifelhaft ist nur der Realisationszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Frage nach dem „verborgenen Geschäft“ . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dipl.-Kfm. Manfred Günkel Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umgekehrte Maßgeblichkeit bei der Übertragung von § 6b EStG-Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückstellungsbildung – rechtliche Entstehung vs. wirtschaftliche Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung Drohverlustrückstellung/Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bilanzberichtigung/Bilanzänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pensionsrückstellungen – Nachholverbot und Aktivierung von Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen. . . . . . . VI. Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei Teilwertabschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Berücksichtigung nichtabzugsfähiger Rückstellungen beim Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Letzte Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer. . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Leitthema: Steuerberaterpraxis Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt und Steuerberater, Frankfurt am Main I. II. III. IV. V. VI.

Das System der Abgeltungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen von der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 2 EStG) Abgeltungsteuer im Investmentsteuerrecht. . . . . . . . . . . Altersvorsorge-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsmöglichkeiten für Privatanleger . . . . . . . . . . . Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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„Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“. . . . . .

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Dr. Wolfgang Bornheim Steuerberater, Köln I. II. III. IV.

Problemstellung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Täterschaft und Teilnahme des Beraters. . . . . . . . . . . Grundregeln für die steuerliche Gestaltungsberatung Die Missbrauchsregelungen als steuerliche und strafrechtliche Grenze der Gestaltung. . . . . . . . .

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V. Steuer- und strafrechtliche Folgen verfehlter Gestaltung – Verteidigungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Martin Strahl Steuerberater, Köln „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ . . . . . . . . . . .

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I. Analyse des Beschlusses des Großen Senats des BFH zur Unvererblichkeit des Verlustabzugs. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gestaltungserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zum 60. Fachkongress* Prof. Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater Sehr verehrte Damen und Herren, einen Kongress zu eröffnen ist stets eine Freude, schon deswegen, weil man noch nicht weiß, was alles schief gehen könnte. In diesem Jahre den Fachkongress der Steuerberater zu eröffnen, ist eine besondere Freude, weil es sich nämlich um den 60. Fachkongress handelt, wie Sie der Einladung und dem Programm entnommen haben. Der erste Fachkongress hat im September 1949 stattgefunden. Zu diesem 60. Fachkongress begrüße ich in den Räumen der Industrie- und Handelskammer zu Köln Sie als Teilnehmer aus Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Wissenschaft, Unternehmen und Beratung ganz herzlich. Mit dem 60. Male ist der Fachkongress die älteste Veranstaltung dieser Art in Deutschland nach dem Kriege, und es ist üblich, mit Erreichen der Zahl 60 nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, sondern etwas inne zu halten. Dieser Übung möchte ich gerne folgen. Außerdem sind in diesem Jahre zahlreiche Jubiläen fällig, die mit der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkriege zu tun haben, und da reiht man sich natürlich gerne ein. Selbstverständlich ist ein Innehalten bei der Zahl 60 nicht. In unserem Dezimalsystem ist sie zufällig rund, aber nicht so bedeutend wie z. B. die 100. Die Bedeutung der 60 stammt aus einem viel älteren Zahlensystem, nämlich dem Sexagesimalsystem der Babylonier. Davon ist uns mehr erhalten geblieben als auf den ersten Blick ersichtlich. Sie brauchen nur auf Ihre Armbanduhr zu schauen, wo die Stunde bekanntlich 60 Minuten und die Minute 60 Sekunden hat. Wenn ein Kreis insgesamt 360° hat, dann hat das damit zu tun, dass die Winkel eines gleichseitigen Dreiecks jeweils 60° betragen. In Babylonien war 60 auch die Zahl des höchsten Gottes, des Himmelsgottes Anu. Im Talmud ist Feuer 1/60 der Hölle und der Schlaf 1/60 des Todes. In unserem Kulturkreis wird die 60 stark auf das Leben von natürlichen Personen, also Menschen bezogen. Mit 60 Jahren hat der Mensch eine Lebenserwartung von noch rund 20 Jahren und wird in diesem Alter durchschnittlich zu Großeltern, weil zwei Generationen von je 30 Jahren herum sind. Wer 60 Jahre verheiratet war, kann Diamantenhochzeit feiern. Mit 60 Jahren beginnt gewöhnlich das Jahrzehnt, in dem die aktive * Die Redeform wurde beibehalten.

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Piltz, Zum 60. Fachkongress Arbeit endet oder zurückgefahren wird. Und wer mit 60 nicht eine gewisse Weißheit erlangt hat, wird sich damit auch in Zukunft schwer tun. Insofern kann ich der gesungenen Aussage von Curd Jürgens, den die Älteren von Ihnen noch kennen, nicht folgen, der zu seinem 60. Geburtstag bekanntlich gesungen hat: 60 Jahre und kein bisschen Weise. Vor den 60. Geburtstagen von Menschen hat das Fachinstitut allerdings einen großen Vorteil. Ein Mensch, der 60 Jahre alt wird, hat drei Viertel seines Lebens hinter sich und nur noch ein Viertel vor sich. Er schaut überwiegend zurück. Vielleicht deswegen haben die Menschen neben den natürlichen Personen auch die juristischen Personen erfunden. Eine juristische Person stirbt bekanntlich nie, jedenfalls keines unabwendbaren Todes. Sie kann tödlich verunglücken, wie man gerade bei einigen Banken sieht, aber wenn sie richtig geleitet wird und Glück hat, lebt sie ewig. Deswegen hat dieser 60igste Fachkongress durchaus die Hoffnung, dieselbe Zeit noch einmal zu existieren. *** Das Fachinstitut ist 1948 in Köln als eingetragener Verein gegründet worden und hat in seinen Ziele und Aktivitäten seitdem eine erhebliche Beständigkeit aufgewiesen. Mitglieder des Fachinstituts sind Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Hochschullehrer, in Unternehmen und Verbänden steuerlich tätige Personen, sowie Organisationen von Angehörigen steuerberatender Berufe. Eine Besonderheit des Instituts ist, dass seine Mitgliederzahl nicht auf Quantität, sondern auf Qualität angelegt ist. Die Zahl der Mitglieder ist deshalb nie über ca. 80 gestiegen. Mitglied wird man gewöhnlich durch Empfehlung oder Ansprache und Beschluss des Vorstandes und der Mitgliederversammlung. Die Ziele und Aktivitäten des Fachinstituts sind folgende: Zweck des Instituts ist es, an der Auslegung und Fortentwicklung des Steuerrechts und an den Aufgaben der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zur Förderung der Allgemeinheit wissenschaftlich mitzuarbeiten (Satzung § 2). Diesen Zweck erfüllt das Fachinstitut durch: – Seit 1949 jährlich mehrtägiger Fachkongress im Herbst in Köln. Vorträge und Ergebnisse werden veröffentlicht in den Steuerberater-Jahrbüchern seit 1949. – Eintägige Kölner Steuerkonferenz in Köln zu aktuellen Themen. Von Fall zu Fall veröffentlicht. – Jährliche Nikolaussitzung der Mitglieder mit Gästen im Dezember in Köln mit rechtspolitischem Bezug.

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Piltz, Zum 60. Fachkongress – Monatliche Montagssitzungen der Mitglieder in Düsseldorf. Vorträge und Erfahrungsaustausch aus Mitgliedersicht. Von Fall zu Fall als Aufsätze veröffentlicht. – Gerhard Thoma Ehrenpreis für Verdienste um das Steuerrecht. – Spitaler Plakette für Verdienste um das Fachinstitut. *** Der 60. Fachkongress gibt mir Gelegenheit, einen einzigartigen Umstand und eine einzigartige Person hervorzuheben. Auf dem ersten Fachkongress 1949 hat ein Mann vorgetragen, der damals 41 Jahre alt war und im September dieses Jahres 100 Jahre alt geworden ist. Es handelt sich um Prof. Dr. Werner Flume. Sie werden die Anmerkungen in den Fachmedien und den allgemeinen Medien zu seinem 100. Geburtstag sicherlich gesehen haben. Vom Ersten bis zum 37. Kongress im Jahre 1985 hat Werner Flume die Fachkongresse jeweils im Abstand von einigen Jahren in einzigartiger Weise geprägt. Der Vortrag, den er auf dem ersten Kongress 1949 gehalten hat, war zugegebenermaßen speziell. Es ging um die Besteuerung der Rückerstattung arisierten Vermögens. Im Zentrum der Überlegungen von Werner Flume stand danach das „richtige“ Steuergesetz und seine „richtige“ Anwendung durch die Finanzverwaltung und insbesondere die Gerichte. Die Vorträge, die Werner Flume hierzu beim Fachinstitut gehalten hat, sind Klassiker des Steuerrechts und haben von ihrer Frische und messerscharfen juristischen Pointierung nichts verloren. Wer die juristischen Grundlagen des Steuerrechts verstehen will, muss diese Beiträge auch heute zur Kenntnis nehmen. Ich möchte einige hervorheben: 1950: Steuerwesen und Rechtsordnung (im StbJb 1950 nicht veröffentlicht, dann in erweiterter Fassung in der Festschrift für Rudolf Smend 1952 erschienen, wieder publiziert als Band 1. der Schriftenreihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“ 1986) 1958: Die Organschaft im Handels- und Steuerrecht. Methodologische Betrachtungen zur Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs 1964: Richterrecht im Steuerrecht 1967: Der gesetzliche Steuertatbestand und die Grenztatbestände in Steuerrecht und Steuerpraxis 1973: Besteuerung und Wirtschaftsordnung 1976: Die Steuerrechtsprechung zur Gewinnverteilung in Familien-Personengesellschaften und die Legitimität der Rechtsprechung 1985: Steuerrechtsprechung und Steuerrecht.

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Piltz, Zum 60. Fachkongress Wir haben Herrn Flume gefragt, ob es ihm Freude machen würde, in seinem 100sten und unserem 60igsten Jahre bei uns zu sein. Mit einem in seiner gezirkelten Handschrift gefertigten Brief konnte er uns diese Zusage aus Gründen der Gesundheit nicht machen. Er hat sich über diese Einladung aber sehr gefreut und wünscht dem heutigen Kongress alles Gute. Meine Damen und Herren, gegen eine natürliche Person von 100 Jahren wirkt eine juristische Person von 60 Jahren ja gerade zu mickrig und ich möchte Herrn Flume in Ihrem Namen mit einem Beifall danken, der ihm in den Ohren klingen wird. *** Das deutsche Steuerrecht wird sowohl von denen, die es machen, als auch von denen, die es anwenden, als hektisch beschrieben. Große, kleine und angebliche Reformen und sonstige Änderungen jagen einander wie die Katze ihren eigenen Schwanz. Nach der Reform ist spätestens nach ein paar Wochen vor der Reform. Es gibt aber auch Konstanten und zum Teil ganz verblüffende Konstanten. Angesichts der 1949 gegenüber heute nach dem verlorenen Kriege doch drastisch anderen Situationen, könnte man meinen, dass heute nichts so sei wie damals. Ein Blick in das Steuerberater-Jahrbuch des ersten Kongresses belehrt eines besseren. Schon die Mehrzahl der Themen könnte auch heute behandelt werden. Zum Beispiel: Bühler: Die Ziele der organischen Steuerreform (gemeint: Gesamtreform an Haupt und Gliedern) Oermann: Die Einkommensteuer 1949 Zintzen: Probleme der Körperschaftsteuer Mondorf: Probleme des Belastungsvergleichs und der Betriebsaufspaltung Schlüter/Gronenborn: DM-Eröffnungsbilanz (Bewertungsproblem gemeiner Wert) Kapp: Aktuelle Fragen der Erbschaftsteuer Knorr: Liquiditätsschwierigkeiten und Steuerrecht Zacharias: Die Grundlagen der Rechtsprechung Wittneben: Probleme der Finanzgerichtsbarkeit Spitaler: Die Auslegungsregeln des Steuerrechts Thoma: Betrachtungen über die Berufspflichten des Steuerberaters. Diese Konstanz gilt auch in vielen Einzelaussagen. Wie gut passt zur derzeitigen Erbschaftsteuerreform-Debatte z. B.: „Die Erbschaftsteuer wird bei ihren Sätzen von 16, 28, 34, 36, 55 % in den fünf Klassen bei ½ Million DM Erbanfall als unvereinbar mit dem 4

Piltz, Zum 60. Fachkongress Ziel der Fortführung des Betriebs betrachtet – nicht mit Unrecht.“ (Bühler) Es wurde aber auch schon erkannt, dass die Erbschaftsteuer nicht den Untergang privaten Unternehmenseigentums bedeutet, am Beispiel England. „Indessen sagt uns hier ein Blick auf England, das von jeher eine hohe Erbschaftsteuer hatte, dass es offenbar der heutigen wirtschaftlichen Auffassung entspricht, wenn große Betriebe beim Erbanfall nicht unverändert von dem Nachfolger fortgeführt werden können. Die englische Erbschaftsteuer ist mit dieser ihrer Wirkung seit Jahrzehnten im Wesentlichen unangefochten in Geltung, und sie ist 1945 noch einmal verschärft worden, indem ihr Höchstsatz auf 80 % gesteigert wurde.“ (Bühler) Auch die Frage des Verhältnisses von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer war schon aktuell. „Nach § 16 Abs. EStG wird die Einkommensteuer von einem Veräußerungsgewinn auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige den veräußerten Betrieb oder Teilbetrieb usw. innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung erworben und in Folge des Erwerbs Erbschaftsteuer entrichtet hat.“ (Kapp) Im Zusammenhang mit der jetzigen Erbschaftsteuerreform tauchen auch politische Äußerungen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer auf. Die war schon damals in der Diskussion: „Die wichtigste Frage hinsichtlich der Vermögensteuer ist, ob sie überhaupt weiter erhoben werden soll. Der Direktor der Verwaltung für Finanzen hat vor kurzen erklärt, die völlige Aufhebung der Vermögensteuer gehöre zu den vordringlichen Aufgaben des Bundesfinanzministeriums. Man wird sich allerdings erinnern, dass bereits vor einem Jahr die gleiche Auffassung von der Verwaltung vertreten wurde, dass es aber im Wirtschaftsrat nicht gelungen ist, die Zustimmung der zweitgrößten Partei zu erhalten.“ (Meuschel) Angebliche oder wirkliche Ungleichbehandlungen wurden immer schon kritisiert. Als die §§ 7 a bis e EStG eingeführt wurden, deren Inhalt sich auf den Satz zurückzuführen ließ: „Wer investiert, zahlt weniger Steuern“, hieß es: „Es scheint so gemacht worden zu sein, dass die Reichen geschont und noch reicher werden, während die Bezieher knapper Einkommen von diesen schönen Begünstigungen nichts haben“. (Bühler) Das Steuerrecht wurde auch schon damals als unbeherrschbar empfunden, selbst nur bezogen auf eine Steuer, die Einkommensteuer: 5

Piltz, Zum 60. Fachkongress „Alles in allem: Eine geradezu erdrückende Fülle von Vorschriften, die restlos zu beherrschen dem Einzelnen unmöglich ist. Das gilt auch für den, der sich berufsmäßig mit steuerlichen Dingen zu befassen hat, den Finanzbeamten und den Steuerberater, vom Steuerpflichtigen ganz zu schweigen.“ (Oermann) Und diejenigen hier aus der Finanzverwaltung werden sich sicher hier an ihre tägliche Arbeit erinnert fühlen, wenn ich einen Finanzbeamten zitiere: „Es ist Ihnen allen bekannt, wie stark die Finanzverwaltung überlastet ist, dass sie zu einem großen Teil mit Aufgaben betraut ist, die sie ihrer eigentlichen Tätigkeit, Steuern vollständig und richtig zu erheben, mehr und mehr entfremden. Dadurch kommt es – sehr zum Schaden der Haushalte und der einzelnen Steuerpflichtigen – nicht mehr dazu, dass den Grundsätzen einer gerechten und gleichmäßigen Erhebung der Steuern voll entsprochen wird.“ (Oermann) Auch der Gesetzgeber muss sich der Kritik stellen. Der Steuergesetzgeber wird bekanntlich besonders häufig kritisiert, wie man sowohl in den allgemeinen Medien, aber auch im Fachschrifttum allenthalben lesen kann, z. B. gerade besonders heftig bei der Erbschaftsteuer und den Vorschriften zur Funktionsverlagerung im Internationalen Steuerrecht. Ob das übertrieben ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Aber das Problem war 1949 schon genauso virulent: „Die Auslegung, die der Bestimmung einen guten Sinn gibt, hat immer den Vorzug vor einer Deutung, die widersinnig wäre. Es ist ein übler und ärgerlicher Auswuchs der sonst in vielem so erfreulichen liberalen Denkungsart, dass sie den Gesetzgeber so oft als albern hinstellen will. Wenn wir Gesetze durch die Auslegung wirklich ergründen wollen, so haben wir uns den Gesetzgeber, gleichgültig welcher politischen Ära er angehört, so vernünftig, klug, besonnen und ethisch hochstehend als nur irgend möglich vorzustellen. …. Wer den Gesetzgeber immer nur für einfältig, unerfahren, arglos und weltfremd hält, verrammelt sich den Zugang zum Sinn des Gesetzes und schadet sich damit nur selbst.“ (Spitaler) Dass man dem Gesetzgeber vielleicht doch nicht immer ganz trauen kann, belegt ein Zitat Spitalers nicht für Deutschland, sondern Österreich, wo ein in der Gesetzgebung tätiger Beamter geäußert haben soll: „Die Begründung der Regierungsvorlage? Aber ich bitte Sie, in die Begründung der Vorlage kommen doch nur unsere Ausreden, unsere wahren Gründe behalten wir wohlweislich für uns.“ An die vor einigen Jahren berühmt gewordenen Bilanzskandale fühlt man sich bei folgendem Zitat erinnert: 6

Piltz, Zum 60. Fachkongress „Der Steuerberater soll sich davor hüten, Aufträge entgegen zu nehmen und auszuführen, die ihm nur seiner Berufsbezeichnung wegen gegeben werden…. Die Fälle, in denen es dem Auftraggeber nur um den Stempel geht, also darum, seinem zweifelhaften Abschluss Glaubwürdigkeit zu verleihen, sind nicht selten. Der Steuerberater muss alles vermeiden, was ihn in den Verdacht bringen kann, unlautere Machenschaften mit seinem Namen decken zu wollen.“ (Thoma) Es ist hier kein Überblick über die auf den Kongressen seitdem behandelten Themen zu geben, nicht einmal in Schwerpunkten. Es gibt eigentlich kein zu der jeweiligen Zeit relevantes Thema, das auf diesen Kongressen nicht behandelt worden wäre. Insgesamt waren es seit 1949 fast 1000 Beiträge von ca. 370 Rednern. Ich wünsche dem 60. Fachkongress einen guten Verlauf. ***

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Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der deutschen Wirtschaft* Jürgen R. Thumann Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V., Berlin Meine Damen und Herren! Für Ihre freundliche Einladung zur 60. Jahrestagung danke ich Ihnen sehr. Und möchte mit drei Fragen beginnen. Vielleicht ein Hauch provokativ: – Ist es richtig, dass eine Reinigungskraft inzwischen mehr Steuern zahlt als ein DAX-Konzern? – Zahlen Konzerne in München tatsächlich keine Gewerbesteuer mehr? – Und, ist es vorstellbar, dass die Unternehmen in Deutschland mehr Steuersubstrat nach Irland verlagern als sie im Inland versteuern? Lieber Herr Professor Piltz, lieber Herr Jonas, Sie kennen das steuerpolitische Umfeld seit geraumer Zeit. Sie wissen, diese Fragen haben es in sich. Nicht weil es unbedingt so eine intellektuelle Herausforderung ist, sie fachlich zu beantworten. Die Fragen haben es in sich, weil sie sich verselbständigt haben: als falsche Botschaften in der Politik. Ich habe diese drei Fragen auch aufgeworfen, weil sie exemplarisch für drei große Reformprojekte stehen: Der Vergleich der Steuerbeiträge einer Reinigungskraft mit einem DAX-Konzern wurde bemüht, um damit die notwendigen Steuersatzsenkungen für Unternehmen auf die lange Bank zu schieben. Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 musste die Senkung des Körperschaftsteuersatzes dann mit schweren Gegenfinanzierungsmaßnahmen teuer erkauft werden. Auch die gewerbesteuerliche Frage hatte ein Verhinderungsziel. Nämlich die Reformschritte bei der Gewerbesteuer. Die Unterstellung, dass alle acht DAX-Unternehmen in München keine Gewerbesteuer mehr gezahlt hätten, ist absurd. Allein schon die gewinnunabhängigen Hinzurechnungen haben zu einer massiven Gewerbesteuerzahlung geführt. Dennoch hat sich die Behauptung verselbständigt, Münchener DAX Unternehmen würden nichts zahlen. Mit der Unternehmensteuerreform 2008 wurde die Gewerbesteuer deshalb zementiert. Vorher lag die Hinzurechnungsquote in Bayern zwi* Die Redeform wurde beibehalten.

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Thumann, Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der dt. Wirtschaft schen drei und fünf Prozent des Gewerbeertrags. Nunmehr sind es 30 Prozent. Stellen Sie sich diese Größen in absoluten Zahlen vor.1 Und dann noch das dritte Beispiel: die Verlagerung von Steuersubstrat nach Irland. Ergebnis dieser Debatte war die Einführung substanzbesteuernder Elemente im Unternehmensteuerrecht. Deutschen Unternehmen wurden Substratsverlagerungen ins Ausland in schwindelerregenden Höhen unterstellt – 100 Mrd. Euro und mehr.2 Die Berechnung ist schon auf den ersten Blick abwegig. Eine Daumenrechnung hätte ausgereicht, diese These zu verwerfen. Denn der behauptete Substratverlust ist höher als alle Gewinne, die deutsche Unternehmen überhaupt im Ausland erzielen.3 Auch die Behauptung, die DAX-Unternehmen würden mehr in irischen Finanzierungsgesellschaften versteuern als im Inland, ist hanebüchen. Viele der gerügten Konzerne erwirtschaften ausweislich ihrer Konzernabschlüsse mehr als die Hälfte ihrer Ergebnisse in Deutschland. Meine Damen und Herren, wenn auch meine drei Anfangsfragen mit „Nein“ zu beantworten sind: In der politischen Diskussion haben sie ihre schädliche Wirkung bereits entfaltet. Dies zeigen die Gegenfinanzierungsmaßnahmen der Unternehmensteuerreform 2008. – Zinsschranke, – der so genannte Mantelkauf, – die neuen gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, – und die Funktionsverlagerung, sind allesamt unsystematisch und kontraproduktiv! Gute Argumente der Wissenschaft, Beratung, der Wirtschaft und natürlich auch der Verbände wurden abgetan als „interessengesteuert“. Ich kann Sie, lieber Herr Professor Herzig, stellvertretend für viele Wissenschaftler nennen, die mit Augenmaß immer wieder Ihre Kritik vorgetragen haben. Zum Beispiel in Ihrer Untersuchung zur Zinsschranke.4 Dabei sollten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit gebündelter Kraft die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern. Jetzt noch mehr als je zuvor!

1 Vgl. auch Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008: Zinsschranke und Hinzurechnungen schaffen Überlast, 2008, S. 18. 2 Vgl. DIW, Unternehmensbesteuerung: Trotz hoher Steuersätze mäßiges Aufkommen, in: DIW-Wochenbericht 5/2007, 57. 3 Vgl. Spengel/Heckemeyer, Ausmaß der Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 1/2008, 53 f. 4 Vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Die Zinsschranke im Lichte einer Unternehmensbefragung, in: DB 2008, 594.

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Thumann, Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der dt. Wirtschaft Kein Thema beschäftigt uns momentan so stark wie die internationale Finanzmarktkrise. Eine starke „Realwirtschaft“, also unsere Industrie, ist in diesen stürmischen Zeiten ein Fels in der Brandung. Und trotzdem ist die deutsche Industrie besorgt. Wir erwarten, dass auch hierzulande die Unternehmensfinanzierung schwieriger wird. Auch die Eigenkapitalfinanzierung der Unternehmen, etwa durch Neuemissionen oder Kapitalerhöhungen wird künftig teurer. Und die Kreditvergabe für den Mittelstand wird in den kommenden Monaten restriktiver werden. Inzwischen hat die Bundesregierung entschlossen reagiert. Gemeinsam mit den europäischen Partnern und der G8. Staatliche Eingriffe können allerdings nur ein Teil der Lösung sein. Dass die Finanzmarktkrise auch eine steuerrechtliche Bedeutung hat, muss ich nicht weiter erwähnen. Allein der Anstieg des Zinsniveaus hat deutliche Auswirkungen auf die Zinsschranke und die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen. Insbesondere die Zinsschranke ist auf „Schönwetter“ geeicht. Für stürmische Zeiten ist sie meines Erachtens nicht geeignet.5 Vor allem ist ihr Notfallplan unzureichend. Die sog. EscapeKlausel soll die Zinsschranke aufheben, wenn das inländische Unternehmen nicht stärker fremdfinanziert ist als im Konzern üblich. Man könnte fast denken, der Gesetzgeber hätte ein schlechtes Gewissen wegen des Verstoßes gegen das Nettoprinzip. Die Beruhigung des schlechten Gewissens ist jedoch weitgehend ins Leere gelaufen. Die erforderliche Ermittlung des Eigenkapitalvergleichs ist zu komplex. Und zudem für nahezu alle deutschen Konzerne nicht anwendbar wegen der Kürzung der Beteiligungsbuchwerte.6 Wenn die Konjunktur einbricht, die Unternehmensergebnisse schlechter werden, dazu die Zinsen ansteigen und die Finanzverschuldung sich aufbläht, muss man kein Prophet sein, um die Folgen für die Unternehmen vorherzusagen. Dass das Konzept der Zinsschranke inzwischen Nachahmer findet, widerlegt meine Kritik nicht. Zum Beispiel hat Italien eine viel liberalere Regelung: Hier kann das nicht genutzte EBITDA-Volumen vorgetragen und in späteren Jahren werden. Es sind in Deutschland auch weit mehr Unternehmen von der Zinsschranke betroffen als vom Gesetzgeber angenommen. Nach einer Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft sind dies knapp 1.500 statt der erwarteten 200 Unternehmen. Und diese Untersuchung hat die kom5 Vgl. BDI/VCI (Hrsg.), Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland – Fakten für die politische Diskussion 2008, 5. Aufl. 2008, 18. 6 Vgl. Untersuchung von Prof. Dr. Stephan Köhler, Ernst & Young, Art und Ausmaß der Relevanz der Konzernbilanzierung für die Zinsschranke, Beitrag auf dem 62. Deutschen Betriebswirtschafter-Tag, AK „Steuern“ am 14. Oktober 2008.

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Thumann, Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der dt. Wirtschaft mende Konjunkturabschwächung noch nicht berücksichtigt.7 Der Nachbesserungsbedarf an der deutschen Zinsschranke ist also erheblich. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hatte bereits Empfehlungen formuliert, denen sich der Gesetzgeber annehmen sollte. Dies sollte dringend in Angriff genommen werden.8 Meine Damen und Herren, auch für das Steuerrecht ist die Globalisierung eine Herausforderung, die wir mit gestalten müssen! Vielfach erfordern nationale Importbarrieren oder sonstige protektionistischen Maßnahmen Ausweichlösungen, Produktionsverlagerungen. Sie sind nötig, um Marktvolumen zu erschließen. Um so im Kampf um Marktanteile im Interesse der Existenzfähigkeit der Muttergesellschaft stark zu bleiben. Deutsche Unternehmen forschen für die internationalen Märkte. Wir entwickeln unsere Produkte weiter. Wir verfeinern Prozesse und steuern die Produktionsprozesse weltweit von Deutschland aus. Unser Knowhow ist gefragt. Und die Steuerpolitik erschwert genau das. Mit der Besteuerung von diesen Funktionsverlagerungen. Hier werden in einem deutschen Alleingang künftige Gewinne von neugegründeten Unternehmen im Ausland der deutschen Besteuerung unterworfen. Im Gesetzgebungsverfahren hatte das Bundesfinanzministerium den Vertretern der Koalitionsfraktionen zugesichert, dass dieser Ansatz – d. h. die Besteuerung ausländischer Gewinnchancen – der internationalen Praxis entspreche. Alle Experten außerhalb der Finanzverwaltung, zum Teil allerdings sogar Vertreter der Finanzverwaltung selbst, bezweifeln diese Grundaussage. Auch Fachleute aus dem Ausland reagieren mit großem Erstaunen auf den neuen deutschen Ansatz. Das Bundesfinanzministerium bleibt für seine These bisher jeden Nachweis schuldig. Einräumen möchte ich allerdings, dass die OECD neue Ansätze zur Diskussion stellt. Von einem abgeschlossenen Meinungsbild über „Business Restructuring“ sind wir jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Insofern kann dies keine Rechtfertigung für die nationale Regelung der Besteuerung zukünftiger ausländischer Gewinne sein.9 Vorgesehen waren jedoch noch größere Belastungen für die Unternehmen. Das Bundesfinanzministerium hatte sogar ernsthaft in Erwägung gezogen, auch sog. Funktionsverdoppelungen zu erfassen. Es geht um Neugründungen von Unternehmen auf der grünen Wiese, bei denen die Funktion des inländischen Unternehmens nicht eingeschränkt, sondern parallel weitergeführt wird. Und so quasi verdoppelt wird. Dabei handelt es sich um reine Expansi7 Vgl. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008: Zinsschranke und Hinzurechnungen schaffen Überlast, 2008, 4. 8 Vgl. BR-Drucks. 545/1/08, S. 3 ff. 9 Vgl. OECD, Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings: Discussion Draft for Public Comment, 2009.

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Thumann, Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der dt. Wirtschaft onsfälle. Weder inländische Arbeitsplätze noch inländisches Steuersubstrat sind bedroht! Zum Glück lässt die vom Bundeskabinett verabschiedete Funktionsverlagerungsverordnung es zu der schärfsten Form der Besteuerung von Funktionsverdoppelungen nicht kommen. Trotzdem ist die Lösung unbefriedigend. Nur wenn über fünf Jahre hinweg inländische Funktionen nicht eingeschränkt werden, finden die neuen Regelungen keine Anwendung. Sie wissen selbst, dass es über einen solchen Zeitraum auf volatilen internationalen Märkten kaum möglich ist, die Aufrechterhaltung des Produktionsumfangs am Heimatstandort im Voraus zu garantieren.10 Deutschland ist gut beraten, solche Greenfield-Lösungen nicht zu behindern. Wir wollen doch unsere Unternehmen im globalen Kampf um Marktanteile stärken! Meine Damen und Herren, die internationale Finanzmarktkrise bindet alle unsere Konzentration. Umso ärgerlicher, dass alte Probleme noch unsere Aufmerksamkeit fordern. Ich denke an die Erbschaftsteuerreform. Seit nunmehr über drei Jahren wird sie diskutiert. Mein Fazit ist: Es ist über die Zeit nur schlechter geworden. Das Bundesverfassungsgericht hat keine klaren Leitlinien aufgestellt. Die Diskussion über das Auslaufen des aktuellen Erbschaftsteuerrechts macht dies deutlich. Es muss einem Gesetzgeber doch möglich sein, eine Reform innerhalb von drei Jahren auf den Weg zu bringen. Insbesondere wenn das zu erhaltende Aufkommen aus dem Betriebsvermögen mit 400 Millionen Euro beziffert wird!11 Standortwerbung für Personenunternehmer sieht anders aus! Dabei haben unsere unmittelbaren Nachbarn Verschonungsregelungen für das Betriebsvermögen. Die deutschen Familienunternehmen haben sich längst international ausgerichtet. Sie sind nicht mehr ausschließlich auf den heimischen Standort fixiert. Sie stehen im internationalen Wettbewerb. Da sind doch die Höhe der Steuerbelastung und die Praxis des Steuervollzugs wesentliche Standortfaktoren! Meine Damen und Herren, trotz aller Finanzkrisen und Rettungsaktionen: – Der Staat muss das Ziel der Haushaltskonsolidierung im Auge behalten. – Die Nettoverschuldung muss abgebaut werden. Auch deshalb ist die Befristung der Maßnahmen im Rettungspaket richtig und wichtig. 10 Vgl. BDI/VCI (Hrsg.), Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland – Fakten für die politische Diskussion 2008, 5. Aufl. 2008, S. 20. 11 In den alten Bundesländern macht die gesamte Erbschaftsteuer nur etwas über zwei Prozent der Einnahmen aus. Und in den neuen Bundesländern liegt der Anteil sogar nur bei 0,2 Prozent. Auf das Betriebsvermögen heruntergebrochen bedeutet das: 0,2 Prozent an den Gesamteinnahmen in den alten und 0,02 Prozent in den neuen Bundesländern.

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Thumann, Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der dt. Wirtschaft Und ein zweites Ziel ist wichtig: Es geht darum, das Steuersystem zu optimieren. Es muss zur betrieblichen Realität passen. Es muss positive Anreize setzen. Es muss im Interesse aller Beteiligten anwendbar sein. Gerade jetzt. Nachbesserungen zur Unternehmensteuerreform 2008 bleiben daher dringend notwendig. Eine Modernisierung des Unternehmensteuerrechts ist weiter dringend angezeigt. Der BDI wird sich weiter entschieden einsetzen für ein wettbewerbsfähiges und vor allem anwendbares Steuersystem. Für mehr Wertschöpfung und mehr Wachstum in Deutschland.

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Diskussion zum Leitthema: „Unternehmensteuerpolitik aus Sicht der deutschen Wirtschaft“ Leitung: Prof. Dr. Detlev J. Piltz Teilnehmer: Jürgen R. Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V., Berlin Prof. Dr. Detlev J. Piltz, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater e. V., Köln Dr. Steffen Neumann, Leiter der Steuerabteilung, Finanzministerium NRW, Düsseldorf Prof. Dr. Norbert Herzig, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Universität Köln Bernd Jonas, Rechtsanwalt ThyssenKrupp AG, Düsseldorf Prof. Dr. Thomas Rödder, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Bonn Piltz: Haben Sie vielen Dank, Herr Thumann, für diese Sicht der deutschen Wirtschaft. Wir wollen in die Diskussion eintreten und einige Punkte hintereinander abarbeiten. Ich möchte mit einer Frage beginnen, von der ich den Eindruck habe, dass sie tieferen oder erneuten Durchdenkens bedarf, nämlich der Rechtstatsachenfeststellung. Einige Gesetze sind bekanntlich auf ganz bestimmte Sachverhalte gezielt, z. B. die Zinsschranke und die Funktionsverlagerung. Anders z. B. bei der Gewerbesteuer. Änderungen, bei denen es schlicht auf die Erhöhung des Steueraufkommens ankommt. Eine Gesetzgebung, die auf einen ganz bestimmten Sachverhalt zielt, setzt natürlich voraus, dass der Gesetzgeber und seine Gehilfen diese Rechtstatsachen kennen. Wir haben das in dem Vortrag von Herrn Thumann gemerkt, der viele Zahlen genannt hat, auch solche zur Verlagerung deutschen Steuersubstrats in das Ausland. Wenn man diese Rechtstatsachen nicht kennt, kann man kein gutes Gesetz machen. Mit der Feststellung der zum Zeitpunkt der Gesetzgebung vorliegenden Rechtstatsachen ist es nicht getan. Der Gesetzgeber muss sich auch Vorstellungen dazu machen, wie das von ihm geplante Gesetz wirken wird, also über die Rechtsfolgenwirkung. Ich möchte einmal in die Küche des Gesetzgebers schauen und Herrn Dr. Neumann fragen, wie die Rechtstatsachenfeststellung in der Gesetzgebungswirklichkeit eigentlich erfolgt. Es scheinen ja die Auffassungen hierzu zum Teil sehr auseinanderzulaufen. 17

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ Neumann: Herr Prof. Piltz, meine Damen und Herren, wir haben natürlich bei der Schaffung von Gesetzen kaum Möglichkeiten, über statistisches Material bis in die Tiefe der Materie durchzudringen. Das ist sicherlich richtig. Allerdings war vor der Unternehmensteuerreform Folgendes festzustellen: Die Steuersätze in Deutschland waren aus internationaler Sicht die höchsten, was die Kapitalgesellschaften angeht. Zusammen mit der Gewerbesteuer hatten wir einen Platz an der oberen Spitze. Dass daraus natürlich Entscheidungen hergeleitet wurden zur Unternehmensfinanzierung, war für uns im Einzelfall bei Großunternehmen feststellbar. Die international operierenden Unternehmen haben sehr wohl darauf geachtet – das kann man auch belegen –, dass die Gewinne woanders besteuert wurden, dass die Verluste aber hier in Deutschland blieben. Mit anderen Worten: Es fand ein Export von Gewinnen und ein Import von Verlusten statt. Die genau umgekehrte Bewegung ist jetzt feststellbar. Es ist mittlerweile unattraktiv geworden, die Gewinne, sprich das Eigenkapital, im hoch besteuernden Ausland zu belassen. Es findet deshalb vielfach eine Umfinanzierung in der Form statt, dass im Inland nunmehr die Verbindlichkeiten abgebaut und im Ausland aufgebaut werden, weil der Kapitalbedarf identisch geblieben ist. So gesehen war die Gewinnverlagerung eine Rechtstatsache, die man vorher in NRW vorgefunden hat, aus der sich die Notwendigkeit ergab, die Steuersätze abzusenken. Die Politik in Berlin hatte aber anscheinend nicht die Vorstellung, dass diese Botschaft allein schon für ein Gegensteuern der Gewinnverlagerung reicht. NRW war anders aufgestellt und hat gesagt: Absenkung von Steuern ist das probateste Mittel. Gleichwohl kamen die flankierenden Maßnahmen dazu, die heute sehr in der Kritik stehen. Flankierende Maßnahme ist zum einen die Zinsschranke, die sich genau mit demselben Problem befasst, und zum anderen die Funktionsverlagerung. Ob die zu regelnden Sachverhalte damit zielgenau getroffen worden sind, das mag dahinstehen. Allerdings von der anfänglichen Intention her war dies wohl vertretbar. Piltz: Vielen Dank, Herr Neumann, für diesen Einblick in die Gesetzgebung. Die Unternehmen und ihre Verbände, z. B. der BDI oder der DIHK, stellen natürlich auch Rechtstatsachen fest und sind aufgrund ihrer Nähe zu den Unternehmen dazu auch besonders berufen. Das ist auch unentbehrlich als Grundlage für Eingaben und Vorschläge an den Gesetzgeber. Die Ergebnisse sind allerdings häufig andere als die der Finanzverwaltung. Deswegen geht meine Frage an Herrn Jonas, wie von der Wirtschaft solche Rechtstatsachen festgestellt werden. Jonas: Vielen Dank, Herr Piltz. Was Herr Thumann dazu ausgeführt hat, kann ich aus meiner Sicht nur bestätigen. In den letzten Jahren, beginnend mit dem Jahre 2002, in dem wir einen Rückgang des Körperschaftsteueraufkommens auf nahezu 0 bzw. auf einen negativen Betrag hatten, 18

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ hat eine Diskussion eingesetzt, die von falschen Rechtstatsachen ausgeht. Zunächst: Der Rückgang des Körperschaftsteueraufkommens war vorhersehbar. Er hing ja zusammen mit dem Wechsel des körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystems hin zum Halbeinkünfteverfahren. Im Rahmen der Umstellung des Systems wurde darauf verzichtet, eine Vergütung des Bestands an EK 40 vorzusehen. Dies führte dazu, dass in einem erheblichen Umfang vorweg Ausschüttungen vorgenommen wurden, um diese nichtvergütbaren EK 40 Bestände zu mobilisieren. Damit einher ging übrigens eine Verdoppelung des Aufkommens an Kapitalertragsteuer, die bei einer Gesamtwürdigung der Steuereinnahmen nicht unberücksichtigt bleiben darf. Dann kam hinzu, dass gerade in den Jahren 2001 und 2002 in dramatischer Weise die Konjunktur eingebrochen ist. Die aggregierten Ergebnisse der DAX-30-Unternehmen gingen von 75 Mrd. in 2000 auf 25 Mrd. in 2001 zurück. Dass dies auch Auswirkungen auf das Körperschaftsteueraufkommen haben musste, kann man sich lebhaft vorstellen. Das alles hat dann dazu geführt, dass die Thesen, die Herr Thumann angesprochen hat, von interessierten Kreisen in die Welt gesetzt worden sind: Z. B. dass deutsche Unternehmen mehr in Irland als im Inland versteuern. Dies ist schon deshalb grottenfalsch, weil es nicht nur andere ausländische Länder als gerade Irland gibt und weil es eine ganze Reihe von Unternehmen gibt, die ausweislich ihrer Konzernabschlüsse deutlich mehr Einkommen im Inland erzielen als im Ausland. Und dann gibt es auch Unternehmen – und zu denen gehört das von mir repräsentierte – die überhaupt nicht in Irland oder in einer anderen Finanzoase tätig sind. Alles zusammengenommen muss man dann schon sagen, dass falsche Rechtstatsachen verwendet werden, wenn in solcher Weise alle Unternehmen in Generalverdacht genommen werden. Und einige wenige schwarze Schafe dürfen auch nicht dazu führen, dass das Kind sozusagen mit dem Bade ausgeschüttet wird. Diese Gefahr hat sich manifestiert, z. B. an der Zinsschranke. Wenn Herr Neumann sagt, dass eine Umfinanzierung stattfindet, dann liegt das natürlich auch daran, dass die Unternehmen wegen der Zinsschranke vermeiden müssen, dass sie hierunter fallen. Und deshalb wird versucht zu erreichen, dass ein besserer Zinshaushalt im Inland entsteht. Dies liegt nicht allein an den Steuersätzen, aber durchaus auch an der Verminderung der Steuersätze. Und zum 2. Thema Funktionsverlagerung, das gerade in einem Moment, in dem wir feststellen, dass wir im Ausland gar nicht besser produzieren, nicht kostengünstiger produzieren und nicht so zuverlässig produzieren und viele reumütig zurückkehren, gerade in einem solchen Moment wird jetzt in einer ziemlich brutalen Form zu einer Versteuerung von Funktionsverlagerungen gegriffen, die weltweit ohne Beispiel ist und die einen 19

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ nationalen Alleingang darstellt, der zu erheblichem Stirnrunzeln, um es mal vornehm auszudrücken, im Ausland geführt hat. Eingebaute Doppelbesteuerung ist die Konsequenz. Man kann nur froh sein, dass mit erheblichem Druck und mit erheblichen Mühen seitens des BDI und auch von anderen Verbänden die Funktionsverdoppelung aus dem Anwendungsbereich der Funktionsverlagerungsverordnung herausgenommen worden ist. Die hier vorgesehene Erfassung von Greenfield-Lösungen, die für die inländische Industrie so nötig sind wie die Luft zum Atmen, wäre wirklich des Schlechten zu viel gewesen. Also Vorsicht mit der Verwendung falscher Rechtstatsachen, und ich warne auch vor einer übertriebenen Institutsgläubigkeit. Ich habe den Urheber der These, dass in Irland mehr versteuert wird als im Inland, mit belastbaren Gegenaussagen konfrontiert und diese mit Konzernabschlüssen belegt, aus denen sich ergibt, dass die meisten Unternehmen im lnland mehr versteuern als im Ausland. Und die einzige Antwort war: Ja, er hätte eine Untersuchung eines Instituts gelesen und er hätte keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln. Im Übrigen muss man sich auch fragen, was überhaupt eine schädliche Steuersubstratverlagerung ist, die es möglicherweise zu bekämpfen gilt. Dies ist aber ein eigenes Thema, über das wir bei anderer Gelegenheit sprechen sollten. Piltz: Wir kommen noch zu der Funktionsverlagerung. Interessant fand ich die Feststellung von Herrn Neumann, dass das Steuerrecht einen gewissen Einfluss darauf hat, ob Unternehmensgewinne im Ausland oder im Inland entstehen. Herr Neumann hat gesagt, dass die Senkung der Steuersätze im Inland tendenziell dazu führt, dass Gewinne eher im Inland entstehen als im höher besteuernden Ausland. Das ist übrigens keine neue Erscheinung. Diejenigen von Ihnen, die das Anrechnungsverfahren bei der Körperschaftsteuer noch kennen, wissen, dass insbesondere deutsche Publikumsaktiengesellschaften immer größten Wert darauf gelegt haben, soviel Gewinn im Inland zu erwirtschaften, dass sie Ausschüttungen aus dem sog. voll belasteten Eigenkapital an ihre Aktionäre tätigen konnten, also mit einer Steuergutschrift für die Aktionäre. Natürlich muss man sich fragen, wozu man die Zinsschranke noch braucht, wenn die Senkung der Steuersätze bereits dazu führt, dass wieder mehr Gewinne im Inland entstehen werden. Thumann: Meine Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt nicht mit Zahlen langweilen und mich auf eine Zahl beschränken. Durch die Steuergesetzgebung zwischen den Jahren 1998 und 2005 ist die deutsche Industrie, und zwar die Industrie, nicht die Wirtschaft insgesamt, erheblich mehr belastet worden; allein in 2005 betrug die Mehrbelastung unterm Strich über 7 Mrd. Euro. Die Zahlen kommen übrigens aus dem Bundesfinanz20

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ ministerium, keine BDI-Zahlen. Nun wird mit Blick auf die Unternehmensteuerreform 2008 eine Entlastung in Höhe von 5 Mrd. angeführt. Diese Zahl wird in der öffentlichen Diskussion ständig wiederholt. Ich wage jetzt schon die Prognose, dass die Milliarden-Entlastung nicht eintreten wird. Das sind unsere statistischen Zahlen, und ich bedaure, dass wir mit dem Finanzministerium auf Bund- oder auf Länderebene nicht erst mal die Sach- und Faktenlage erörtern können. Wir schieben das so hin und her. Im Raum steht, dass Deutschland durch die Senkung der Steuersätze im Zuge der letzten Unternehmensteuerreform sehr viel wettbewerbsfähiger geworden sei. Internationale Vergleiche belegen jedoch bestenfalls eine mittlere Position; Deutschland ist von den hinteren Plätzen gerade auf das letzte Drittel vorgerückt. Mehr haben wir doch gar nicht erreicht. Wir müssen vorsichtig sein, zu glauben, dass wir damit alles getan hätten. Ich kann nur unterstreichen, was Herr Jonas zuvor angesprochen hat. Der damalige Finanzsenator in Hamburg hat geradezu abenteuerliche Aussagen gemacht, die mit nichts zu belegen waren. Er hat auf einzelne gewinnträchtige Branchenvertreter aus seinem regionalen Umfeld geschielt, die sicherlich einige Optimierungen auf Kante genäht haben. Ich meine aber auch, dass die Reaktion der Finanzverwaltung hierzu auch maßvoller hätte ausfallen können als der umfängliche Gesetzesbefehl. Eine letzte Anmerkung zur Erbschaftsteuer: Mir wird in Diskussionen mit politischen Entscheidungsträgern entgegen gehalten, wie günstig die Erbschaftsbesteuerung in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern, beispielsweise England, sei. Ausgeblendet wird dabei jedoch, dass bestimmte Länder, wie England, gar keine Schenkungssteuer haben. Betriebliche Vermögen werden dort in erheblichem Umfange völlig steuerunschädlich auf die nächste Generation übertragen. Piltz: Zur Erbschaftsteuer wollen wir gleich kommen. Bitte noch einmal zu dem Rechtstatsachenthema, Herr Rödder. Rödder: Ja, vielleicht einen ganz kurzen Bericht zum Rechtstatsächlichen. Ich kann nur unterstreichen, dass man letztlich nicht in der Lage ist, die von der Steuerpolitik verwandten Zahlen nachzuvollziehen. Dadurch wird ein Herrschaftswissen produziert. Mir besonders deutlich geworden ist das an der Zinsschranke, weil ich an der entsprechenden Diskussion teilgenommen habe. Sie erinnern sich daran: Wir hatten ursprünglich ein Zinsschrankenkonzept 65 % vom EBIT ohne Escape und dann ist das Bundesfinanzministerium umgeschwenkt und hat gesagt 30 % EBIT bzw. später EBIT DA mit Escape. Wir haben deshalb im BMF zusammengesessen und gefragt, warum braucht ihr diesen Schwenk, warum kommen wir mit 65 % EBIT nicht hin? Die Diskussion war in diesem Moment zu Ende, weil eine zahlenmäßige These in die Welt gesetzt wurde, die man nicht nachvollziehen und deshalb auch nicht diskutieren 21

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ konnte. Deshalb habe ich schon damals dafür plädiert und möchte auch hier dafür plädieren, dass die ganze Aufkommensdiskussionen und ihre rechtstatsächlichen Grundlagen im Detail durch das BMF zur Diskussion gestellt werden sollten. Da dies aber bisher nicht passiert, meine Damen und Herren, reden wir dann doch eigentlich recht schnell in einem eher virtuellen Raum, ohne dass wir Finanzierung und Gegenfinanzierung wirklich beurteilen können. Piltz: Natürlich laufen in der Finanzverwaltung bestimmte Sachverhalte auf, die Störgefühle auslösen. Die Betriebsprüfer sehen das und auch das Bundeszentralamt für Steuern mit seiner internationalen Betriebsprüfung findet Sachverhalte vor, die auch wir aus dem Publikum als reichlich grenzwertig bezeichnen würden. Das ist sicherlich so. Aber: Diese Einzelfälle sollten normalerweise nicht Grundlage einer Gesetzgebung sein, die dann für alle gilt. Grundlage einer Gesetzgebung sollten bestimmte statistische Erkenntnisse sein. Wenn irgendein Autofahrer bei Rot über die Ampel fährt, werden ja auch nicht alle anderen Autofahrer dafür in Haftung genommen. Zu den Rechtstatsachen noch Herr Herzig. Herzig: Das ist ein wichtiges Problem, es geht um die Belastungswirkungen konkreter gesetzlicher Regelungen. Makroökonomische Daten aus öffentlich zugänglichen Statistiken helfen hier in der Regel nicht weiter, da es sich um Durchschnittswerte handelt, die wenig über das einzelne Unternehmen aussagen. Was wir benötigen, ist eine andere Herangehensweise und hier besteht wirklich Nachholbedarf. Gerade bei Regelungen wie der Zinsschranke bietet es sich an, im Vorhinein mit Planspielen zu versuchen, die Konsequenzen solcher Regelungen auszuloten. Insbesondere mit Blick auf die Zinsschranke könnte im Rahmen eines solchen Planspiels sehr schön verdeutlicht werden, welche Konsequenzen diese Regelung in unterschiedlichen Szenarien entfaltet. Insbesondere die Konsequenzen konjunktureller Wechsellagen lassen sich sehr klar herausarbeiten. Geht man davon aus, dass die Ergebnisse sinken und die Zinssätze und der Fremdkapitalbedarf ansteigen, so ist vollkommen klar, der Umfang der steuerlichen nicht abziehbaren Zinsen kann dramatisch ansteigen und eine erdrosselnde Wirkung für das betroffene Unternehmen entfaltet. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob der Einsatz eines solch scharfen Schwerts bei der gleichzeitig deutlichen Absenkung der Steuersätze notwendig war. Denn die Verlagerung von Zinsaufwand nach Deutschland war wegen der hohen deutschen Unternehmenssteuersätze besonders angezeigt und entfaltete in Deutschland eine erhebliche Entlastungswirkung. Mit der Absenkung der Steuersätze im Rahmen der Unternehmensteuerreform ist es sehr viel weniger attraktiv, Zinsaufwand nach Deutschland zu holen. Vielmehr kann es jetzt Sinn machen, Zinsen in einem ausländischen Staat anfallen zu lassen, wo inzwischen höhere 22

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ Steuersätze als in Deutschland gegeben sind. Wir haben diese steuersatzbedingte Normalisierung nicht abgewartet, sondern mit der Zinsschranke eingegriffen und damit möglicherweise einen Overkill produziert. Hinzu kommt, dass die Ausgestaltung der gegenwärtigen Regelung insbesondere durch ihre Funktion bestimmt worden ist, die notwendige Gegenfinanzierung zu erbringen. Eine deutlich günstigere Relation von abziehbarem Zinsaufwand zu steuerlichem EBITA wurde abgelehnt, weil sie nicht das notwendige Volumen an Gegenfinanzierung erbrachte. In dieser Ausrichtung der Beschränkung des Zinsabzugs an der notwenigen Gegenfinanzierung liegt sicherlich eine wichtige Wurzel des Übels, das sich nun in der Krise besonders deutlich zeigt. Denn im Kern ist diese Regelung eine Schönwetterveranstaltung, von der man bisher annahm, dass sie maximal 300 Unternehmen in Deutschland treffen würde. Mit dem Eintritt der Krise wird jedoch offenkundig, dass sehr viel mehr Unternehmen von dieser Regelung getroffen werden und zum Teil mit dramatischen Konsequenzen rechnen müssen. Eine Anpassung dieser Regelung an die Bedingungen in der Krise erscheint unverzichtbar. Piltz: Herr Jonas. Jonas: Vielleicht noch ganz kurz zum Thema Zinsschranke. Herr Thumann hatte ja darauf hingewiesen, dass inländische Unternehmen eigentlich entgegen dem ursprünglich vorgesehenen Ansatz benachteiligt werden. Die Nachfolgeregelung für § 8 a KStG a. F. war ja insbesondere für ausländische Unternehmen gedacht, bei denen es in Erwerbsfällen zum Pflichtenheft gehörte, eine Zwischenholding zwischen dem Target und der ausländischen Gesellschaft einzuschalten, um so die Zinslast ins Inland zu drücken. Es gab Handlungsbedarf, weil die frühere Fassung des § 8 a KStG diese Gestaltungsmaßnahmen nicht immer wirksam bekämpfen konnte und jetzt ist dieser Ansatz genau anders herum ausgegangen, nämlich zum Schaden und zum Nachteil der inländisch beherrschten Unternehmen. Und ich kann Sie nur bestätigen, Herr Herzig, dass absehbar ist, dass wir im nächsten Jahr Probleme bekommen werden. Ein Jahr, in dem die Politik wegen des Wahlkampfes handlungsunfähig sein wird und wir möglicherweise nicht zwei Jahre warten können. Gerade deshalb habe ich vor einigen Wochen Herrn Meister angeschrieben und habe darauf hingewiesen, dass diese Bundesratsinitiative, die Herr Thumann ja auch ansprach, mit der die Zinsschranke modifiziert werden sollten, sinnvoll ist und die bisherigen Gegenargumente, insbesondere der SPD Politiker, gegen eine solche Änderung nicht gelten. Herr Meister hat mir bestätigt: Ja, Sie haben Recht, ich sehe auch den Bedarf, nur leider macht die SPD nicht mit. Das führt eigentlich zum anderen Problem, nämlich dass die Finanzpolitik in der großen Koalition vom kleineren Partner 23

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ dominiert wird, was inzwischen von maßgeblichen CDU Politikern als Nachteil bzw. Fehler bezeichnet wird. Piltz: Wenn der Minister das Problem ist, können wir es natürlich nicht lösen, meine Damen und Herren. Aber zurück zu den Rechtstatsachen. Wir haben dort zwei Probleme. Das eine ist rückschauend, d. h. die Rechtstatsachen vor Gesetzgebung, und das andere ist vorausschauend, die Steuerwirkungslehre. Ein Stichwort zu letzterer ist das Planspiel. Ich möchte zu dem Aspekt noch einmal Herrn Neumann bitten. Man müsste sich doch eigentlich über die Feststellung von Rechtstatsachen einig werden können. Es müsste sich doch feststellen lassen, jedenfalls ein einem gewissen Rahmen, wie viel Gewinn im Ausland oder im Inland versteuert wird. Der zweite Schritt, nämlich die Steuerwirkungsabschätzung, ist naturgemäß schwieriger, weil die Wirkungen in der Zukunft liegen und von den Beteiligten natürlich unterschiedlich prognostiziert werden. Wir haben hier das Thema der Zinsschranke. Sie ist prima, wenn man viel Geld verdient, und schlecht, wenn man viel Zinsen zahlt. Wie ist das im Sinne der genannten Aspekte zu beurteilen. Neumann: Gerne, Herr Prof. Piltz. Nochmal im kurzen Rückblick. Herr Thumann hat gerade angesprochen, es bestehe teilweise, was die Entstehung von Gesetzen angeht, eine sehr fiktive Sicht. Nur zwei Anmerkungen dazu. Zum einen: Hamburg hatte sehr bemerkenswerte Erfahrungen gemacht in Bezug auf Gesellschafterdarlehen und Gewinnverlagerung in das Ausland. Genau das, meine Damen und Herren, ist ein Impuls dafür gewesen, dass die Gewerbesteuer so geworden ist, wie sie jetzt ist. Denn wenn die Zinsanteile hinzurechnungsfähig sind und die Entlastung des Zinsaufwands über die Körperschaftsteuer nur 15 % beträgt, lohnt die Verlagerung nicht mehr. Ich darf noch an einen anderen Gesichtspunkt erinnern, dass der derzeitige Bundesfinanzminister vormals Finanzminister in NRW und später Ministerpräsident war und die bittere Erfahrung machen musste, dass damals die Körperschaftsteuereinnahmen einbrachen aus Gründen, die Herr Jonas völlig zutreffend beschrieben hat. Dies war politisch nicht gut verkraftbar. Das muss man sehen dabei. Hinsichtlich der Bedenken, die Sie zur Zinsschranke geäußert haben, laufen Sie bei mir offene Türen ein. Wir haben immer vor dieser Zinsschranke gewarnt und haben immer gesagt, dass die großen international aufgestellten Unternehmen sich werden arrangieren können. Seit der EUGH-Entscheidung „Langhorst-Hohorst“ haben wir das Problem. Bis dahin waren Gesellschafterfremdfinanzierungen dann nicht problematisch, wenn die entsprechenden Erträge im Inland besteuert worden sind. Der EuGH hat uns die alte Regelung aus der Hand geschlagen. Wir hatten daraufhin einen § 8a KStG erhalten, dessen Wirkungsweise Herr Prof. Herzig bereits zu Recht beklagt hat, und haben jetzt das neue § 8a KStG24

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ Konstrukt in verschärfter Form mit § 4h EStG. Und ich fürchte, dass Probleme mit der Neuregelung vor allem diejenigen haben werden, die nicht international agieren und ihre Geschäftstätigkeit auf das Inland beschränken. Auf die inländischen mittelständischen Konzerne werden Probleme zukommen insbesondere dann, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so sieht es ja aus, dramatisch verschlechtern werden. Piltz: Und dann noch einmal die Frage des Nachvorneschauens. Neumann: Ich war immer ein Verfechter gewesen, neuartige Regelungen zunächst in Planspielen, wo wir alle Betroffenen mit einbeziehen und in denen über Szenarien nachgedacht wird, die auf uns zukommen können, zu erproben. Wir können gute Beispiele mit Planspielen vorweisen, insbesondere als anstand, das Körperschaftsteuersystem umzustrukturieren. Das war eine gelungene Veranstaltung gewesen. So etwas sollten wir wiederholen. Piltz: Das wird natürlich häufig auf ein Zeitproblem hinauslaufen bei der heute allenthalben üblich gewordenen Hitzigkeit der Gesetzgebungsverfahren. Thumann: Darf ich nochmal ganz schnell etwas einfügen, Herr Neumann? Sie haben angesprochen, in unserer Runde würde ein Vertreter der Familienunternehmen fehlen, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Vielleicht haben Sie mich falsch eingeordnet. Bis vor einigen Jahren habe ich in der vollen persönlichen Haftung gestanden und unsere Holdinggesellschaft ist eine echte Kommanditgesellschaft mit vier persönlich haftenden Gesellschaftern. Aus der Sicht der Personengesellschaften ist es richtig, dass sie neben der deutlichen Absenkung des Körperschaftsteuersatzes für die Kapitalgesellschaften auch entlastet worden sind. Aber trotz Thesaurierungsbegünstigung liegt die Ertragsteuerbelastung bei einer fiktiv vorgenommenen Gesellschaftsbetrachtung der Personenunternehmen bei rund 38 %; andernfalls sogar noch höher. Wenn Sie alles zusammenrechnen bei einer Personengesellschaft einschließlich der Einkommensteuer, die der Gesellschafter zu zahlen hat, sind wir wirklich weit oberhalb des Mittelwertes im Vergleich zu ausländischen Steuersätzen. Und gestatten Sie mir noch ein paar zusätzliche Zahlen: Über 85 % der deutschen Unternehmen in der Industrie sind Personengesellschaften. Über 98 % sind Familiengesellschaften. Als BDI-Präsident muss ich mich natürlich bemühen, wieder den Spagat hinzubekommen zwischen den DAX- und den 500 bis 600 Leuchtturmunternehmen im Mittelstand; ich denke an erster Stelle an Sie, lieber Herr Jonas, die höchst erfolgreichen DAX-Unternehmen. Die Politik darf nicht aus den Augen verlieren, dass die Familienunternehmen an die 70 % der Arbeitsplätze stellen, die im Übrigen in den letzten zwei ½ Jahren, über 1,7 Mio. Arbeitsplätze 25

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ geschaffen haben. Für diese Unternehmen möchte ich bei dieser Gelegenheit werben. Wir müssen dringend eine Reduzierung der gesamten ertragsteuerlichen Belastung erreichen, d. h. für Personen- und Kapitalgesellschaften. In diesem Zusammenhang würde mich nochmal Ihre Sichtweise interessieren, lieber Herr Neumann. Piltz: Wir haben ja gerade eine Reform der Besteuerung der Personenunternehmen gehabt. Deren Struktur ist in der Idee eine Annäherung an die Besteuerung der Kapitalgesellschaft. Die Personengesellschaft vor der Reform zeichnete sich dadurch aus, dass der Steuersatz mit dem Einkommen stieg, also progressiv war. Die neue Personengesellschaftsbesteuerung zerteilt in zwei proportionale Steuersätze. Ich vereinfache: einen für die Thesaurierung mit knapp 30 % und einen weiteren bei späteren „Ausschüttungen“ mit 25 %. Ein progressiver Steuersatz wird durch zwei proportionale Steuersätze ersetzt. Das ist im Prinzip dasselbe, was wir bei den Kapitalgesellschaften nach der Abgeltungsteuer auch haben. Die Kapitalgesellschaft zahlt ihre proportionale Körperschaftsteuer und auf die Ausschüttungen zahlt der Gesellschafter die proportionale Abgeltungssteuer (bisher war die Einkommensteuerkomponente bekanntlich progressiv). Neumann: Gut, Herr Thumann. Ich kann auch nur von dem berichten, was an mich herangetragen wird. Ich habe mich in der letzten Zeit auch sehr viel mit Inhabern von familiengeführten Personengesellschaften unterhalten. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Personengesellschaften, die die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nehmen können, damit gut zurecht kommen. Viel größer ist das Problem der Erbschaftsteuer. Da werde ich bestürmt von vielen Seiten. Aber die Ertragsbesteuerung wird an sich akzeptiert. Also das scheint mir nicht das Problem zu sein. Piltz: Herr Rödder. Rödder: Vielleicht darf ich kurz dazu aus der Beratungspraxis berichten. Wenn man es nüchtern betrachtet und die Besteuerung von Personenund Kapitalgesellschaften gegenüberstellt, wird man häufig für den Thesaurierungssteuersatz zu dem Ergebnis kommen, dass es tendenziell eine Besserstellung von Kapitalgesellschaften gibt. Das ist so. Wenn man sich dann auch noch mal klarmacht, woran man bisher in der Praxis steuerlich gescheitert ist beim Rechtsformwechsel von Personen- in Kapitalgesellschaften, das war im Wesentlichen die Erbschaftsteuer. Dieses Thema Erbschaftsteuer ist bald weg, da wir ja von Spezialdingen abgesehen grds. eine rechtsformunabhängige Erbschaftsteuerbelastung bekommen werden. Und für mich ist es nun doch sehr verblüffend, dass vor diesem Hintergrund relativ wenige der Leuchtturmunternehmen, von denen wir gesprochen haben, ernsthaft den Schritt erwägen von der Personengesell26

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ schaft in eine Kapitalgesellschaft. Und ich habe mich gefragt, woran liegt das eigentlich. Und ich kann Herrn Neumann schon bestätigen. Der Ertragsteuerunterschied wird nicht als so signifikant angesehen, dass man ein vertrautes Rechtsformgebilde aufgeben möchte. Und das Zweite ist schlicht Mitbestimmung. Die Mitbestimmung ist ein Rechtsformwechsel-Verhinderer. Herzig: Was die Steuersätze anbelangt, so kann man nur bestätigen, dass eine deutliche Annäherung der Belastung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften sowohl für den ausgeschütteten als auch für den thesaurierten Gewinn stattgefunden hat. Problematisch ist jedoch, dass die Regelung zur Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns bei Personenunternehmen in § 34a EStG außerordentlich komplex, schwer verständlich und sehr verwaltungsaufwendig ist. In diesem administrativen Bereich kommt es zu einer Benachteiligung von Personenunternehmen, weniger bei den nominellen Steuersätzen. Wenn nun auch noch die Erbschaftsteuer rechtsformneutral ausgestaltet wird, kommen wir dem Ideal einer rechtformneutralen Besteuerung deutlich näher. Als Konsequenz daraus treten bei der Rechtsformwahl rechtformabhängige Bedingungen in nicht steuerlichem Bereich deutlich stärker in den Vordergrund, genannt sei das Stichwort „Mitbestimmung“. Jonas: Ich möchte noch einmal kurz auf Herrn Neumann eingehen, wenn er gesagt hat, dass die Kapitalgesellschaftskonzerne sich auf die Zinsschranke einstellen können. Dies geht nur in Grenzen, Herr Neumann, weil natürlich die anderen Länder einen § 8a KStG oder etwas Vergleichbares haben: USA, Frankreich, Großbritannien. Italien hat gerade die Zinsschranke eingeführt, allerdings deutlich liberaler, u. a. mit einem Vortrag von nicht genutztem EBITDA-Volumen und einem Verzicht auf die Escape-Regelung und im Übrigen generell nicht anwendbar für die Finanzindustrie. Herr Nawrath hat sich dafür ausgesprochen, man müsste die Zinsschranke international überall einführen. Das geht allerdings nur solange gut, solange tatsächlich überall Riesengewinne gemacht werden. Wenn Sie eine Eigenkapitalverzinsung von nur 6 % haben, dann zahlt man am Ende überall Steuern auf Zinsen in jedem Land, wenn überall 1:1 das deutsche Zinsschrankenmodell eingeführt würde. Fazit also: Auch Kapitalgesellschaftskonzerne können sich da nur in Grenzen auf die neue Situation einstellen. Und zum Thema Steuersatz. Herr Thumann hat ja gesagt, wir müssen noch ein bisschen weiter runter. Ich kann dazu Folgendes beitragen: Zunächst einmal fordert Herr Steinbrück ja die Unternehmen auf zu loben, das will ich auch gerne machen, von etwa 40 % auf etwa 31 % ist ein guter Schritt und das war eine politische Leistung, für die man dankbar sein sollte. Aber wir haben natürlich in der Konkurrenz auf den Weltmärkten mit anderen Unternehmen zu tun, die nach wie vor deutlich 27

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ besser da stehen. Z. B. hat Arcelor Mittal im letzten Quartalsbericht eine Steuerquote von 15 bis 20 % angekündigt. Und dieser Konzern ist nicht in Niedrigsteuerländern unterwegs, sondern weltweit auf vergleichbaren Märkten aktiv. ThyssenKrupp hat eine Steuerquote von ca. 30 %, weil die Steuerbelastung durch das inländische Ergebnis dominiert wird. Dies ist dann schon bei Akquisitionen ein Nachteil. Piltz: Der nächste Punkt, den wir ansprechen möchten, ist die Funktionsverlagerung. Sie gilt für große wie für kleine Unternehmen in gleicher Weise. Als Sachverhalt gibt es selbstverständlich steuerinduzierte Funktionsverlagerungen. Es ist offenbar, dass, wenn jemand Zinsen in Deutschland zu einem bestimmten Satz versteuert und das in einem anderen Land zur Hälfte tun könnte, er dorthin streben wird. Wir wissen alle, dass es hierzu eine intensive Abwehrgesetzgebung gibt: Außensteuergesetz usw. Es gibt aber auch Funktionsverlagerungen, die nicht steuerinduziert sind, allenfalls nur zu geringem Maße. Der primäre und ganz einfache Fall ist doch der: Ein Inländer produziert in Deutschland und stellt fest, dass die Kosten hoch sind, in der Tschechoslowakei könnte der das gleiche Produkt zu halben Kosten machen, weil z. B. die Löhne bedeutend niedriger sind. Also verbringt er seine Maschinen aus dem Inland dorthin und produziert die Sachen jetzt im Ausland. Das ist ein klassischer Fall der Produktionsverlagerung. Hierfür sieht das neue Gesetz (§ 1 Abs. 3 AStG) zwei Besteuerungsstrukturen, welche wirklich eine Beschwer für die deutsche Wirtschaft darstellen. Die erste Beschwer ist die Bewertung der Funktionsverlagerung, welche vereinfacht dadurch geschieht, dass die kapitalisierten Gewinne des Unternehmens, die im Ausland erwirtschaftet werden, den Wert darstellen. Sie werden wesentlich bestimmt von den sog. Standortvorteilen, z. B. niedrigeren Löhnen und anderen Kosten. Diese Vorteile, aufgrund deren der Gewinn im Ausland höher ausfällt als zuvor im Inland, werden – jedenfalls zum Teil – in Deutschland versteuert und in dem Entstehungsland natürlich noch einmal. Die zweite Beschwer ist, dass dieser Gewinn nicht etwa erst besteuert wird über den Zeitraum seiner Entstehung im Ausland, sondern sofort im Jahr der Produktionsverlagerung auf der Basis des kapitalisierten Gewinns. Das ist eine Vorfinanzierung der Steuer, die man beim Verbleiben im Inland nicht gehabt hätte, weil dort der Gewinn nur über den Zeitraum seiner Entstehung besteuert wird. Außerdem kann es natürlich passieren, dass der Gewinn im Ausland später gar nicht wie erhofft erzielt wird und damit in Deutschland ein „Luftgewinn“ (vorgezogen) besteuert wird, ohne spätere Korrekturmöglichkeit. Das sind aus meiner Sicht gravierende Beschwernisse der deutschen Wirtschaft, und ich frage Herrn Neumann, ob diese in dieser Schärfe wirklich so gewollt sind. Neumann: Das Grundproblem besteht auch hier darin, dass über Verrechnungspreise versucht wird, solche Gewinne ins Ausland zu verlagern, die 28

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ an sich hier erwirtschaftet wurden und auch hier zu besteuern sind. Das ist unstrittig. Dass man dabei an Einzelwirtschaftsgüter anknüpfte, war gängige Praxis gewesen. Die Neuerung besteht im Kern nun darin, dass man bei der Funktionsverlagerung nicht mehr auf das einzelne Wirtschaftsgut abstellt, sondern auf die gesamte Funktion, den betrieblichen Organismus als ein Konglomerat von Einzelwirtschaftsgütern, Knowhow u. Ä., der in das Ausland transferiert wird. Und diese Gesamtheit gilt es zu bewerten. Dass dabei besondere Wertermittlungen erfolgen müssen, ist etwas Neues, weil diese Wertermittlung mit einer Unternehmensbewertung einhergeht. Vom Grundgedanken her liegt die Besteuerung der verlagerten betrieblichen Funktion nicht neben der Sache, wenn man die Funktionsverlagerung und nicht die Funktionsverdoppelung im Blick hat. Die Intention des § 1 Abs. AStG n. F. ist gut nachvollziehbar selbst bei aller berechtigten Kritik im Einzelnen. Rödder: Ja, ich würde da doch widersprechen wollen. Die Funktionsverdoppelung ist natürlich ein besonderes Thema. Da auch noch zwei Sätze gleich dazu. Aber zunächst mal, der Kern des Problems ist neben der fehlenden internationalen Abstimmung, was Herr Prof. Herzig gerade gesagt hat, doch Folgendes: Der Gesetzgeber hat jetzt gesagt, ich versteuere die Funktionsverlagerung so, als würde ich ein Unternehmen verkaufen. Das ist ja die Idee. Beim Verkauf einer unternehmerischen Einheit wird nach Ertragswertgesichtspunkten ein Kaufpreis ermittelt. Das ist aber etwas, dass mit der Funktionsverlagerung nicht identisch ist. Beim Unternehmensverkauf verkaufe ich ja an den Erwerber ein Unternehmen, das dieser als eine unternehmerische Einheit fortführen kann. Und das rechtfertigt auch eine Kaufpreisermittlung auf der Basis künftiger Ertragserwartungen dieser unternehmerischen Einheit. Funktionsverlagerung heißt aber, ich stelle hier eine Produktion ein und da auf der grünen Wiese eine neue Produktion auf. Und ich überführe Maschinen und Know-how usw. Das ist etwas anderes als eine bestehende unternehmerische Einheit fortzuführen und rechtfertigt es eben nicht, eine Gesamtbewertung als Transferpaket zu Grunde zu legen. Das ist die erste Aussage. Zweite Aussage: Wenn ich einmal die These unterstelle, Funktionsverlagerung wäre vergleichbar wie ein Unternehmensverkauf, dann stellt sich ja auch für den Fall, dass ich ein in Deutschland basiertes Unternehmen an einen ausländischen Bewerber veräußere und der ausländische Erwerber die Standortvorteile im Ausland nutzt, die Frage: Wie komme ich denn als deutscher Verkäufer dazu, die Hälfte der ausländischen Standortvorteile „einzusacken“ im Rahmen der Kaufpreisfindung? Auch das ist eine Vorgehensweise, die aus meiner Sicht nicht zutreffend ist. Und letzter Punkt Funktionsverdoppelung. Wir werden sehen, meine Damen und Herren, wie problematisch es ist mit der 5-Jahresfrist, die in der Funktionsverlagerungsverordnung angelegt ist. Wir haben eine Produktion in Deutschland 29

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ und bauen parallel im Zuge einer Expansion im Ausland eine weitere vergleichbare Funktion auf. Jetzt haben wir eine Rezession. Wir sind gezwungen, Kapazitäten einzustellen. Wir stellen natürlich im Zweifel die älteren Kapazitäten ein, die nicht auf dem neuesten technischen Stand sind, insbesondere in Deutschland, und schon soll das Ganze als Funktionsverlagerung gewertet werden. Das bedeutet, dass wir ein massives Problem in den nächsten Jahren haben werden, das Unternehmen treffen kann, die heute noch gar nicht daran denken, weil sie sich gar nicht in der Funktionsverlagerung wähnen, die aber über die Verlagerungsverordnung auch bei Verdoppelung so behandelt werden. Thumann: Vielen Dank. Ich würde auch noch gerne ein paar Anmerkungen dazu machen. Zuerst, Herr Prof. Piltz, ich dachte schon, Sie würden über mein Unternehmen sprechen, als Sie das tschechische Beispiel angeführt hatten. Ergänzen möchte ich hierzu, dass wir dort nicht zu halben, sondern zu einem Fünftel deutscher Personalkosten fertigen. Damit erreichen wir, dass wir im Weltmarkt wesentlich wettbewerbsfähiger geworden sind. Marktanteile konnten wir durch den Preisvorteil hinzugewinnen und haben unsere deutschen Standorte damit zunächst mal gesichert, teilweise sogar ausgebaut und mehr Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Unstreitig ist, dass wir bei solchen komplementären Fertigungen, wie ich sie nenne, in Niedriglohnländern auch an unseren Standorten in Deutschland deutlich profitieren. Und dann möchte ich als BDI-Präsident und als Eigentümer-Unternehmer noch etwas ansprechen, das von hoher Bedeutung ist: das Thema Forschung und Entwicklung bzw. Forschungs-und Entwicklungskosten. Wir sind uns doch alle einig, dass die Köpfe unser wichtigster „Rohstoff“ in Deutschland sind. Unsere eigenen Fähigkeiten, unser Know-how müssen wir fördern. Bildung, Ausbildung, Fortbildung führt zur Innovationsfähigkeit, d. h. Forschung und Entwicklung muss im Fokus stehen. Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist hier völlig kontraproduktiv. In meiner Unternehmensgruppe haben wir Kompetenzzentren nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland und wir werden bei den rigiden Eingriffen durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung gezwungen sein, zunehmend in unsere ausländischen Kompetenzzentren zu investieren, um der ganzen Verlagerungsdiskussion zu entkommen. Wir wollen das Lissabon-Ziel von 3 % Aufwendungen in Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttosozialprodukt erreichen. Wir sind noch immer ein Stück von dem Ziel entfernt: 1 % der Bund und die Länder, 2 % die Wirtschaft. Und bevor das Ziel erreicht ist, wird alles daran gesetzt, Forschung und Entwicklung aus Deutschland hinauszutreiben. Hier kann ich auch für die Großkonzerne, die DAX-Unternehmen sprechen. Meine Gespräche innerhalb des BDI mit vielen CEOs von großen Gesellschaften drehen sich im Moment genau um dieses Thema: In welche Standorte 30

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ wird mit Blick auf die neu eingeführte Besteuerung von Funktionsverlagerungen in den nächsten Jahren in Forschung und Entwicklung investiert? Piltz: Das ist jetzt genau dieser Punkt, Steuerwirkungslehre. Herr Neumann, der Gedanke kann ja nicht unverborgen geblieben sein. Neumann: Noch einmal zur Funktionsverlagerung. Also man kann natürlich in diesem § 1 Abs. 3 AStG den Untergang der Welt erblicken. Man kann es aber auch sein lassen. Was haben wir denn für konkrete Fälle? Wir wissen es noch gar nicht. Ich habe noch keine Betriebsprüfungsfälle vorgelegt erhalten, in denen es um Anwendungsprobleme des neuen § 1 Abs. 3 AStG geht. Wir wissen also noch nicht, wie die Dinge sich entwickeln, und wir wissen auch noch nicht, wie wir mit den unbestimmten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen im Einzelnen umgehen müssen. Ich weise in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ein erläuterndes BMF-Schreiben noch aussteht, das zunächst abgewartet werden sollte. Wir in NRW werden sicherlich die Kirche im Dorf lassen. Und wenn Sie auf Fälle anspielen, wo von vorn herein Kompetenzzentren im Ausland entwickelt werden sollen, ist das keine Funktionsverlagerung, sondern eine Verdoppelung, die gerade nicht besteuert werden soll. Das ist ein völlig anderer Fall. Also meine Bitte: Nur theoretische Fälle zu entwickeln und an ihnen zu messen, ob die steuerlichen Folgen des § 1 AStG zu einer erheblichen Benachteiligung der Wirtschaft führen, das sollte man heute noch nicht machen. Vielleicht in ein bis zwei Jahren mag die Kritik berechtigt sein, wenn die befürchteten Sachverhalte Wirklichkeit werden sollten. Aber heute sehe ich noch keine. Herzig: Ein ganz entscheidender Aspekt ist für mich, dass hier zwei Prinzipien aufeinandertreffen, die nicht miteinander koordiniert sind. Auf der einen Seite besteuern wir den Gewinn, der durch einen Umsatzakt am Markt realisiert wird. Bei der Funktionsverlagerung ermitteln wir den steuerpflichtigen Gewinn dagegen ganz anders, es werden künftige Erträge im Rahmen einer Unternehmensbewertung kapitalisiert. Damit wird von dem Prinzip abgewichen, am Markt realisierte Gewinne zu besteuern. Die entscheidende Frage ist nun, wird die Besteuerung im Ausland – unbeschadet von der Behandlung in Deutschland – nach Maßgabe der realisierten Gewinne vollzogen, kommt es zu einer Doppelbesteuerung. Diese Gefahr der Doppelbesteuerung ist das eigentliche Dilemma der Funktionsverlagerung. Deswegen ist eine internationale Abstimmung dieser Besteuerung im Zuge der Globalisierung unverzichtbar. Ein einseitiges, international nicht abgestimmtes Vorgehen Deutschlands ist dagegen zum Scheitern verurteilt und gefährdet den Standort Deutschland erheblich. Angestrebt werden sollte ein internationaler Konsens, der aber auf OECD-Ebene bisher noch nicht gefunden worden ist. Die bisher angestellten Überlegungen haben sich noch nicht so weit verdichtet, dass darauf konkrete Lösungsvorschläge aufbauen könnten. 31

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ Jonas: Ich glaube, hier liegt ein kleines Missverständnis vor. Herr Thumann würde gerne im Inland weiter Forschung und Entwicklung betreiben. Er ist nur durch die Konsequenzen der Verlagerungsverordnung gezwungen, ins Ausland zu gehen, weil nämlich eine Weitergabe der im Inland erzielten Forschungsergebnisse ins Ausland automatisch zu einer Doppelbesteuerung führt. Ich habe ihn so verstanden, dass er aus patriotischen Gründen lieber hier bleiben und nicht in das ausländische Kompetenzzentrum gehen würde. Dies wird allerdings durch das Steuerrecht verhindert. Und noch ein genereller Vorbehalt gegenüber der Schwergeburt Funktionsverlagerung: § 1 Abs. 3 AStG ist sozusagen ein Synonym für das, womit wir in der deutschen Steuerpraxis leben müssen. Die Regelung ist in mehrfacher Hinsicht angreifbar: Sie ist EU-widrig, sie ist wahrscheinlich ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage i. S. d. Vorgaben des Grundgesetzes und sie ist darüber hinaus in vielfacher Weise auslegungsbedürftig und führt zu einer Doppelbesteuerung, weil das vom Inland reklamierte Gewinnpotenzial vom Ausland nicht anerkannt wird. Wir haben also hier die Grundlage gelegt für ein Beschäftigungsprogramm für international tätige Steuerberater. Piltz: Ich glaube natürlich auch nicht, dass die Bundesrepublik an der Funktionsverlagerung sterben wird. Aber es bleibt ein klärenswerter Punkt aus der Steuerwirkungslehre: Wie reagieren die Unternehmen auf bestimmte Steuerregelungen. Herr Thumann hat ein Beispiel gegeben, nämlich, dass er nun tendenziell seine Forschung und Entwicklung lieber von vornherein im Ausland als im Inland macht, weil er fürchtet, dass eine Verlagerung der Inlandsergebnisse in das Ausland zu steuerlichen Nachteilen führt. Es ist offenbar, dass solche Steuerwirkungsüberlegungen den Gesetzgeber irgendwie bewegen müssen. Die Grenzen der Funktionsverlagerung sehen wir gerade bei Forschung und Entwicklung, wonach die Verlagerung von Personal keine Funktionsverlagerung ist. Das wäre auch schwierig. Wenn Sie fünf Wissenschaftler hier für fünf Jahre für viel Geld ausbilden, haben Sie im Inland viel Aufwand. Dann schicken Sie die fünf Wissenschaftler in das Forschungszentrum in das Ausland, wo sie glücklicherweise auch etwas erfinden. Das ist keine Funktionsverlagerung, Gott sei Dank, weil wir sonst gewissermaßen das Gehirn der Menschen bewerten müssen. Hier zeigen sich die Grenzen der Regelung. Zur Erbschaftsteuerreform ist es schwierig, etwas zu sagen. Nach meiner Auffassung wird sie in den Medien etwas schlechter gemacht, als sie wirklich ist. Sie hat ihre Nachteile und diese müssen beseitigt werden. Aber das Gesamtergebnis ist für den Fall, dass die Unternehmensbegüns32

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ tigung erreicht wird, akzeptabel. Wenn ein Unternehmen z. B. einen Verkehrswert von 10 Mio. hat, werden davon 1,5 Mio. besteuert, weil der Abschlag von 85 % eingreift (bei weniger als 50 % Verwaltungsvermögen). Auf diese 1,5 Mio. werden 19 % Erbschaftsteuer gezahlt. Ohne Freibetrag sind das ca. EUR 280.000. Auf einen Verkehrswert von 10 Mio. wird also eine Steuer von ca. 2,8 % gezahlt. Auch das kann viel Geld sein, aber es ist machbar. Besonders wenn man das Ergebnis an den Substanzsteuerbelastungen der Vergangenheit misst. Bis zum Jahr 1995 war die Substanzbesteuerung eines deutschen Familienunternehmens extrem viel höher. Etwas vereinfacht, fielen alle 30 Jahre (eine Generation) 30 % Erbschaftsteuer ohne irgendwelche Vergünstigungen an (wenn auch meistens auf Werte unterhalb der Verkehrswerte). Außerdem wurde auf dieses Vermögen jedes Jahr 0,5 % Vermögensteuer gezahlt (ebenfalls auf Werte unterhalb der Verkehrswerte), was in 30 Jahren nominal 15 % ausmacht, aber mit einem Zinssatz von 5 % aufgezinst, in der Summe sogar 35 % (vorschüssige Rente). In der Summe waren das 65 % der Substanz alle 30 Jahre. Auch bei den seinerzeit wesentlich niedrigeren Bemessungsgrundlagen waren das extrem höhere Belastungen als nach der jetzigen Erbschaftsteuerreform. Das Problem an der Erbschaftsteuerreform ist ihre Ausgestaltung im Detail. Es ist nicht zu verstehen, warum ein 2 %-Kommanditist besser stehen soll als ein 2 %-Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Beide haben kaum unternehmerischen Einfluss und erhalten einmal im Jahr ihre Entnahme oder Ausschüttung. Aber die Arbeitsplatzintensität dieser Unternehmen ist die gleiche. Ein weiteres Problem ist das Liquiditätsproblem bei Immobilien. Wer Bargeld erbt, kann leicht einen Teil davon beim Finanzamt abgeben. Wer Immobilien erbt, kann keine Häuser zum Finanzamt tragen, dürfte auch für Erbschaftsteuern kaum Kredit erhalten, sondern muss verkaufen. Rödder: Herr Prof. Piltz, wenn Sie zum Abschluss gestatten, zwei bis drei Bemerkungen dazu, wieder aus Beratersicht. Das entscheidende, was Sie gerade gesagt haben, ist: Wenn der Bewertungsabschlag wirklich erhältlich ist, dann ist das neue Erbschaftsteuerrecht akzeptabel, das ist in der Tat so. Bei sehr vielen Familienunternehmen, mit denen man sich darüber unterhält, wird das auch so gesehen. Sie stehen ja heute vor der Situation, schenke ich noch nach altem Recht, rechtssicher, oder verlasse ich mich auf das kommende, noch nicht rechtssichere Recht. Und diese Abwägung treffen ganz viele trotz der Unsicherheiten zugunsten des neuen Rechts. Häufig ist die Situation genau so, wie es Herr Piltz gerade beschrieben hat. Die sichere Schenkungsteuer nach altem Recht ist tendenziell etwas höher als die neue Erbschaftsteuer bei Erhalt des 85-prozentigen Abschlags. Nur, einen besseren Beleg als die letzten Wochen dafür, dass das im Grunde Kasino ist, was man da macht, kann man ja nicht bekommen, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich jetzt mal 33

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ vorstellen, was wir an möglichen Arbeitsplatzabbauszenarien für die nächsten Jahre haben, wer kann denn dann halbwegs prognostizieren, dass er die Lohnsummenklausel einhält? Egal, wie sie jetzt am Ende ausgestaltet wird. Das hat etwas von Kasino. Und das stört mich massiv. Das ist das eine. Das Zweite, was mich massiv an der Sache stört, ist, dass offensichtlich die Aussage ohne jeden politischen Widerhall geblieben ist, dass eben die meisten Familienunternehmer nicht zu dem echten Verkehrswert ihre Anteile realisieren können, aber den gedachten echten Verkehrswert der Erbschaftsteuer unterwerfen sollen. Würden die Beschränkung der Abfindungswerte und die Verfügungsbeschränkung in Gesellschaftsverträgen berücksichtigt, was ja doch sehr nachvollziehbar wäre, würde sich das, was Prof. Piltz gerade gesagt hat, aus meiner Sicht deutlich verbessern. Auch würde die Erbschaftsteuer deutlich mehr Akzeptanz bekommen. Das Horrorszenario spukt ja in allen Köpfen: Wir kriegen aus Gründen der Verwerfung in der Lohnsummenentwicklung den Bewertungsabschlag nicht oder jedenfalls nicht vollumfänglich, müssen deshalb hohe Erbschaftsteuer zahlen, müssen deshalb dann möglicherweise auch noch einkommensteuerpflichtig Anteile am Familienunternehmen veräußern, bekommen dabei einen geringeren Wert, müssen aber den hohen Wert der ErbSt unterwerfen. Das da keine Bewegung ist, ist für mich eigentlich nicht nachvollziehbar. Piltz: Herr Neumann ist ja nun weniger für die politische Entwicklung zuständig. Aber er wird uns sicher sagen wollen, wie die zuletzt von mir und Herrn Rödder angesprochenen Aspekte von ihm und seinem Umfeld gesehen werden. Neumann: Ich glaube, es war Herr Thumann, der vollkommen zu Recht sagte, dass eine Überlegung bereits im Jobgipfel, der schon 3 ½ Jahre zurückliegt, entwickelt wurde, wie man von der Erbschaftsteuer entlastet werden könnte, wenn die Erben das Unternehmen lange behalten. In der Zwischenzeit kam die Entscheidung des Bundesverfassungsrechts mit den Inhalten, die wir alle kennen. Wir hatten in NRW uns recht früh mit den ersten Entwürfen der Bundesregierung befasst und geprüft, welche Konsequenzen sie haben können. Wir sind in NRW zum Ergebnis gelangt, dass manche Unternehmen in schweres Wasser geraten können.Wir haben in NRW daraufhin versucht, ein anderes Modell zu entwickeln, das Sie bereits kennen, nämlich das Abzinsungsmodell. Ich habe es hier schon vorgestellt. Aus Berlin kommen insoweit jedoch nur ablehnende Signale. Die Politik sei deswegen nicht mehr bereit, in diese Richtung zu überlegen, weil dies einen Paradigmenwechsel bedeuten würde. Piltz: Herr Thumann. Thumann: Also, Herr Neumann, da kann ich direkt etwas zu sagen. Ich kann hier für mich in Anspruch nehmen, dass ich Anfang 2005 die 10-jäh34

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ rige Behaltefrist bei der Politik ins Spiel gebracht habe. Sie können nicht intensiv über drei Jahre lang ein Modell mit über 600 Bundestagsabgeordneten diskutieren, um dann im allerletzten Moment auf ein ganz anderes Modell umzusschwenken. Das funktioniert nicht. Und ich nehme für mich in Anspruch, dass ich mich ganz intensiv in der Diskussion mit den für uns wichtigen relevanten Gesprächspartnern in der Politik befinde, angefangen von unserer Kanzlerin über die zuständigen Minister, die Fraktionsvorsitzenden und die Fachleute in den einzelnen Fraktionen. Und glauben Sie mir, das Thema beschäftigt mich täglich. Was inzwischen auf uns zurollt, bezeichne ich als ein steuerpolitisches Ungeheuer. Und ich frage mich wieder, wie sich der ganz normale kleine Mittelständler, der 200, 300 oder 400 Beschäftigte hat, auf das alles einstellen soll. Sie können mir sicherlich nicht widersprechen, wenn ich sage, eine zehnjährige Behaltefrist können wir einhalten, aber nicht mit einer ganzen Reihe von zusätzlichen Bedingungen und der Fallbeilregelung. Wenn ich dann im Jahr 9 oder 10 die eine oder andere Bedingung nicht einhalte, dann müsste ich die gesamte Erbschaftsteuer nachzahlen. Ich gehe im Moment davon aus, dass es zu Nachbesserungen kommt und in diesen Fällen nur eine anteilige Erbschaftsteuer anfällt. Aber was ich bisher nicht nachvollziehen kann, ist die Bewertung ohne Berücksichtigung der bestehenden Gesellschaftsverträge. Werden die gesellschaftsvertraglichen Abfindungs- und Thesaurierungsklauseln bei der Bewertung ausgeblendet, führt dies zu – wie ich meine – überhöhten und damit falschen Werten. Zum Thema Funktionsverlagerung möchte ich abschließend anmerken, dass es mir völlig fern liegt, ein übertrieben dramatisches Szenario zu malen. Ich selbst bin ein absoluter Verfechter, am Standort Deutschland zu bleiben und alles zu tun, um den Standort hier attraktiv zu halten. Leider muss ich jedoch feststellen, dass über 5.800 vorwiegend kleine, ganz kleine aber auch mittlere Mittelständler Deutschland bereits verlassen haben. Das gilt es doch zukünftig gemeinsam zu verhindern und deswegen setze ich mich, wo ich nur kann, für verbesserte Rahmenbedingungen ein; sei es für Nachbesserungen bei der Unternehmensbesteuerung oder für eine Erbschaftsteuerreform, die – wie Herr Piltz es geschildert hat – bisher besser ist als ihr Ruf. Dort, wo wir bei der Erbschaftsteuerreform nachbessern müssen, da setze ich mich so gut ich kann für Alternativen ein; hoffentlich mit Ihrer Unterstützung, Herr Neumann, mit Erfolg. Vorschläge für ein ganz neues Modell finden in Berlin jetzt kein Gehör mehr. Neumann: Herr Thumann, ich bin gerne bereit mitzuhelfen, weil ich mit Ihnen der Meinung bin, dass diese sich anbahnende Erbschaftsteuerreform eine Katastrophe für den einen oder anderen Unternehmenserben bedeuten kann. Aber lassen Sie mich einmal den Blick von den Unternehmen weglenken. Wir gehen in den Berechnungen zum künftigen Auf35

Diskussion – „Unternehmensteuerpolitik …“ kommen der Erbschaftsteuer davon aus, dass die Unternehmen im Wesentlichen die Vergünstigungen, die das Erbschaftsteuergesetz bieten wird, nutzen werden. Gleichwohl, meine Damen und Herren, wird das Gesamtaufkommen der Erbschafts- und Schenkungsteuer nach den Berechnungen der Bundesregierung wie bisher 4 Milliarden betragen. Wenn wir von einer signifikanten Entlastung der Unternehmen ausgehen, stellt sich die Frage, wer eigentlich das kommende Steueraufkommen bezahlen wird. Bezahlen werden diejenigen, die Grundvermögen und Kapitalvermögen haben. Machen Sie sich doch einmal die Mühe und rechnen Sie spitz nach, welcher Belastung ein Steuerpflichtiger, der Grundvermögen besitzt, im Unterschied zu dem Steuerpflichtigen, der über wertmäßig vergleichbares Vermögen in Gestalt eines Unternehmens besitzt, unterliegen wird. Das Ergebnis ist eine erhebliche Mehrbelastung der Grundstückseigentümer. Mit anderen Worten: wenn zwei Erbgänge in kurzer Zeit auftreten, kann man den vermieteten privaten Grundbesitz nur noch an eine Kapitalgesellschaft verkaufen, da die Erbschaftsteuer jede vernünftige Rendite zunichte macht. So gesehen kann dieser Aspekt der Erbschaftsteuer mittelbare Wirkung auf Unternehmen haben. Da wird der Bogen wieder geschlossen. Danke. Piltz: Vielen Dank, Herr Neumann. Das ist genau richtig. Das Bundesverfassungsgericht und die Politik verlangen die Quadratur des Kreises, nämlich gleichzeitig 4 Mrd. Gesamtaufkommen, geringe Durchschnittsbelastung, Entlastung der Unternehmen, Entlastung der kleineren Erwerbe. Das kann man nicht unter einen Hut bringen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Diskutanten, insbesondere Herrn Thumann, und dafür dass Sie nicht nur als BDI-Präsident, sondern auch als Unternehmer in eigener Sache gesprochen haben. Das gibt den Ausführungen immer einen unnachahmlichen Angang. Ebenso danke ich allen Zuhörern.

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§ 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Dr. h.c. Wolfgang Spindler* Präsident des Bundesfinanzhofs; München Inhaltsübersicht

I. Bisherige Rechtslage nach § 42 AO a. F. 1. § 42 AO 1977 in der Ausprägung durch die Rechtsprechung des BFH mit Beispielen 1.1 Missbrauchsdefinition der Rechtsprechung des BFH 1.2 Beispiele aus der Rechtsprechung des BFH 1.2.1 Mietverträge zwischen Eltern und unterhaltsberechtigten Kindern 1.2.2 Vermietungen im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen 1.2.3 Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an eine beteiligungsidentische GmbH 1.2.4 „Dublin-Docks-Rechtsprechung“ 1.2.5 Zwischenschaltung einer GmbH zur Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels 1.2.6 „Dividenden-Stripping“ 2. § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 und Reaktion der Rechtsprechung des BFH

II. Die Neuregelung des § 42 AO 1. Konkurrenz zu speziellen Missbrauchsnormen 1.1 Vorrang spezieller Missbrauchsnormen 1.2 Vorliegen einer speziellen Missbrauchsnorm 1.3 Anwendung des § 42 AO n. F. bei fehlender oder nicht einschlägiger spezieller Missbrauchsnorm 2. Legaldefinition des Missbrauchs 2.1 Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung 2.2 Gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten 2.2.1 Steuervorteil 2.2.2 Beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten 2.2.3 Gesetzlich nicht vorgesehen 2.3 Fehlen beachtlicher außersteuerlicher Gründe III. Resümee

Mit dem JStG 2008 hat der Gesetzgeber die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO nunmehr zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre seit ihrer Einführung mit der AO 1977 geändert. Anlass für die Neurege-

* Für die Unterstützung bei der Vorbereitung des Referats danke ich Herrn ORR Ettlich, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesfinanzhof.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? lung des § 42 AO war die Unzufriedenheit des BMF über dessen Handhabung durch die Rechtsprechung des BFH insbesondere im Unternehmensteuerrecht, welche dem BMF als zu restriktiv erschien. Ziel der Neufassung war es daher, die Vorschrift „präziser und effektiver“ zu gestalten1. Die nunmehr geltende Fassung des § 42 AO ist das Ergebnis kontroverser Diskussionen um verschiedene Entwurfsfassungen in Gestalt des Referenten- und Regierungsentwurfs, die aufgrund des negativen Echos in der Öffentlichkeit wieder verworfen worden waren. Im Folgenden möchte ich zunächst die Anwendung des § 42 AO 1977 in der Rechtsprechung des BFH und die erste Änderung der Vorschrift durch das StÄndG 2001 darstellen. Daran anschließend werde ich mich dann der Frage zuwenden, ob und welche Änderungen sich aus der Neufassung des § 42 AO n. F. ergeben, die seit dem 1. Januar 2008 anzuwenden ist2.

I. Bisherige Rechtslage nach § 42 AO a. F. 1. § 42 AO 1977 in der Ausprägung durch die Rechtsprechung des BFH mit Beispielen 1.1 Missbrauchsdefinition der Rechtsprechung des BFH § 42 Satz 1 AO 1977 bestimmt, dass das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden kann. Liegt ein Missbrauch vor, ordnet Satz 2 der Vorschrift als Rechtsfolge an, dass der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Von dieser Rechtsfolgeanordnung hat die Rechtsprechung des BFH auf die Auslegung des Tatbestands des Gestaltungsmissbrauchs zurückgeschlossen3. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist danach gegeben, wenn ein rechtliche Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist4. Ein Gestaltungsmissbrauch kann dabei nicht nur vorliegen, wenn durch die Gestaltung ein Steuertatbestand umgangen wird (Tatbestandsvermeidung), sondern auch dann, wenn eine unangemessene

1 BT-Drucks. 16/6290, 81; BT-Drucks. 16/7036, 31. 2 Vgl. Art 97 § 7 Satz 1 EGAO. Danach ist § 42 AO n. F. ab dem 1. 1. 2008 für Kalenderjahre, die nach dem 31. 12. 2007 beginnen, anzuwenden. 3 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 5 Rz. 100; Heuermann, StuW 2/2004, 124. 4 Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 88, m. w. N.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestandes einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (Tatbestandserschleichung)5. Kein Gestaltungsmissbrauch liegt hingegen vor, wenn die gewählte Gestaltung gegenüber der angemessenen rechtlichen Gestaltung zu einer Steuererhöhung führt; das Steuergesetz wird in diesem Fall nicht durch einen Missbrauch umgangen6. Bei der Anwendung dieser Missbrauchsdefinition auf den Einzelfall hat der BFH weitere Umschreibungen für die Unangemessenheit oder Missbräuchlichkeit einer Gestaltung entwickelt, die sich – wie im Fachschrifttum7 nicht zu Unrecht bemängelt wird – zum Teil voneinander unterscheiden und zu einer unübersichtlichen Einzelfallkasuistik geführt haben8. In den letzten Jahren ist jedoch insofern eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung des BFH festzustellen, als bei der Prüfung der Unangemessenheit überwiegend der Obersatz verwendet wird, eine rechtliche 5 Z. B. BFH, Urt. v. 27. 7. 1999 – VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl. II 1999, 769; hierzu auch Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 111; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 42 AO Rz. 5. 6 Vgl. BFH, Urt. v. 3. 3. 1988 – V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl. II 1989, 205. 7 Vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 42 Rz. 13; kritisch zu den Umschreibungen der Rechtsprechung auch Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 95 ff. 8 Im Einzelnen finden sich in der BFH-Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren folgende Formulierungen: – Rechtsmissbräuchlich ist eine Gestaltung regelmäßig dann, wenn sie ausschließlich der Steuervermeidung dient, bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz missbilligt wird und bei angemessener Gestaltung eine höhere Steuer festzusetzen wäre (z. B. BFH, Urt. v. 15. 7. 2004 – III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). – Unangemessen ist danach im Allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden. Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u. ä. (z. B. BFH, Urt. v. 1.2.2001 – IV R 3/00, BFHE 194, 13, BStBl. II 2001, 520). – Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll (z. B. BFH, Urt. v. 11. 11. 2004 – V R 36/02, BFH/NV 2005, 392). – Entscheidend ist vielmehr, dass der Steuerpflichtige, dessen Anspruch auf die Vergünstigung zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Zwecke für typisch gehaltene Gestaltung nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen (z. B. BFH, Urt. v. 27.2.1997 – III R 119/90, BFH/NV 1997, 619).

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Gestaltung sei erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebrauche, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wähle, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein solle9. Diese Formulierung bringt zutreffend zum Ausdruck, dass eine rechtliche Gestaltung nur dann unangemessen ist, wenn sie vom Steuergesetz als Umgehung missbilligt wird10. Denn § 42 Satz 1 AO 1997 verlangt eine Umgehung des Steuergesetzes durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. In seiner Umkehrung enthält § 42 AO 1977 mithin die positive Aussage, dass der Steuerpflichtige auch dann von den Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts Gebrauch machen darf, wenn sie die Steuern mindern11. Dem Steuerpflichtigen ist es nach der Rechtsprechung des BFH deshalb grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt; das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen12. Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten13. Ob § 42 AO 1977 auch eine Missbrauchs- oder Umgehungsabsicht voraussetzt, wird von der Rechtsprechung des BFH nicht einheitlich beurteilt. Der I. Senat des BFH hat angenommen, die unangemessene rechtliche Gestaltung müsse gewählt worden sein, um das Steuergesetz zu umgehen. Es sei deshalb in jedem Einzelfall die Umgehungsabsicht festzustellen14. Der V. Senat hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Anwendung des § 42 AO 1977 könne nicht durch subjektive Umstände wie Gutgläubigkeit, Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit vermieden werden, wenn die objektiven Umstände eine unangemessene Gestaltung ergäben15. Diese Frage ist indes weitgehend theoretischer Natur16, da die Rechtsprechung die Missbrauchsabsicht bei Vorliegen einer unangemessenen Gestaltung vermutet17. 9 Z. B. BFH, Urt. v. 16. 9. 2004 – IV R 11/03, BFHE 207, 274, BStBl. II 2004, 1068, v. 18. 3. 2004 – III R 25/02, BFHE 205, 470, BStBl. II 2004, 787, und v. 27. 10. 2005 – IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl. II 2006, 359. 10 Heuermann, StuW 2004, 124 (126), Clausen in DB 2003, 1589 (1592). 11 Heuermann, StuW 2004, 124 (127). 12 Z. B. BFH, Urt. v. 15. 7. 2004 – III R 66/98, BFH/NV 2005, 186, und v. 17. 12. 2003 – IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl. II 2004, 648. 13 Z. B. BFH, Urt. v. 10. 12. 2003 – IX R 12/01, BFHE 205, 62, BStBl. II 2004, 643. 14 BFH, Urt. v. 5. 2. 1992 – I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl. II 1992, 532. 15 BFH, Urt. v. 1. 6. 1989 – V R 74/87, BFH/NV 1990, 131. 16 Zutreffend Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung § 42 AO Rz. 44; Clausen, DB 2003, 1589 (1593). 17 Z. B. BFH, Urt. v. 7. 7. 1998 – VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl. II 1999, 729, und v. 17. 6. 1998 – X R 68/95, BFHE 186, 288, BStBl. II 1998, 667.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Dementsprechend hat der BFH in einigen seiner Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen, ob § 42 AO 1977 eine Missbrauchsabsicht des Steuerpflichtigen voraussetzt18. 1.2 Beispiele aus der Rechtsprechung des BFH Die tatsächliche Handhabung des § 42 AO 1977 erschließt sich aufgrund der Unbestimmtheit seines Tatbestands erst durch konkrete Beispiele aus der Rechtsprechung. Dabei ist in der Rechtsprechung des BFH der letzten zehn bis fünfzehn Jahre zu Recht die Tendenz zu beobachten, die Anwendung des § 42 AO 1977 auf die wirklichen Missbrauchsfälle zu begrenzen, d. h. auf die Fälle, in denen die gewählte Gestaltung zu einer missbräuchlichen Umgehung des Steuergesetzes und nicht nur zu einem fiskalisch unerwünschten Ergebnis führt. Vielmehr respektiert das Steuerrecht grundsätzlich die Vertragsfreiheit und damit die gewählte zivilrechtliche Gestaltung19. Auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung20 gebietet eine solche Handhabung, da die Anwendung des § 42 AO 1977 eine Ausnahme von diesem Grundsatz bedeutet21; denn nach § 42 Satz 2 AO 1977 wird nicht der tatsächliche, sondern ein fingierter Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt. Die maßvolle Anwendung des § 42 AO 1977 durch die Rechtsprechung des BFH hat – wie auch in der Literatur anerkannt wurde22 – die Vorschrift für die Praxis wieder berechenbar gemacht und zur Entstehung von Rechts- und Planungssicherheit für den Steuerpflichtigen beigetragen. Bei der Finanzverwaltung ist dies angesichts der damit verbundenen Haushaltseinbußen – wie zahlreiche Nichtanwendungserlasse zeigten – freilich nicht immer auf Zustimmung gestoßen. Dies möchte ich nachfolgend anhand einiger auserwählter Beispiele veranschaulichen. 1.2.1 Mietverträge zwischen Eltern und unterhaltsberechtigten Kindern Ein gutes Beispiel für die maßvolle Anwendung des § 42 AO 1977 ist die Entscheidung des BFH vom 19. 10. 199923, mit der der BFH zu Recht seine bisherige Rechtsprechung zu Mietverträgen zwischen Eltern und unter-

18 Z. B. BFH, Urt. v. 1. 2. 2001 – IV R 3/00, BFHE 194, 13, BStBl. II 2001, 520, und v. 18. 3. 2004 – III R 25/02, BFHE 205, 470, BStBl. II 2004, 787. 19 Z. B. BFH, Urt. v. 20. 3. 2002 – I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl. II 2003, 50. 20 Danach müssen für den Bereich des Steuerrechts die steuerbegründenden Tatbestände so bestimmt sein, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (z. B. BFH, Urt. v. 20. 11. 2006 – VIII R 33/05, BFHE 216, 89, BStBl. II 2007, 261). 21 Spindler, DStR 2005, 1 (4); ebenso Crezelius, DB 2001, 2214. 22 Clausen, DB 2003, 1589. 23 BFH, Urt. v. 19. 10. 1999 – IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl. II 2000, 224.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? haltsberechtigten Kindern änderte24. Danach ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Eltern ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine Wohnung vermieten und das Kind die Miete aus dem Barunterhalt der Eltern bezahlt. Das Gesetz25 gestattet es nämlich den Eltern, außer durch Naturalleistungen ihre Unterhaltsverpflichtung auch durch die Entrichtung einer Geldrente zu erfüllen. Die Unterhaltszahlung und die Erfüllung der mietvertraglichen Vereinbarungen sind zwei rechtlich und wirtschaftlich unterschiedliche Vorgänge, die auch steuerrechtlich voneinander zu trennen sind. Denn die Kosten für eine Wohnung entstehen auch dann, wenn das Kind diese bei einem Dritten mietet. Auch macht es macht keinen Unterschied, ob den Eltern die Miete aus dem Vertrag mit einem Dritten oder mit ihrem studierenden Kind zufließt. Ihr Vermögen erhöht sich in beiden Fällen um die empfangene Miete und vermindert sich um den gezahlten Unterhalt. 1.2.2 Vermietungen im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen Gute Beispiele für die Fallgruppe der sog. Ausweich- und Korrekturgeschäfte aufgrund eines Gesamtplans („gegenläufigen Gestaltungen“) sind die Vermietungen im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen26. Nach dem BFH-Urteil vom 10. 12. 200327 stellt der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch dar, weil der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat. Dem Eigentümer steht es nämlich frei, sein Eigentum ohne jede Auflage oder Einschränkung zu übertragen oder sich bei der Übertragung eine Nutzungsmöglichkeit vorzubehalten. Die Eigentumsübertragung einerseits und die anschließende Vermietung andererseits sind jeweils zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und deshalb auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen, da bei den Einkünften nach § 21 EStG zwi24 BFH, Urt. v. 23. 2. 1988 – IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl. II 1988, 604. 25 Vgl. § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB. 26 Hierzu Heuermann, DB 2003, 1465, 1466; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 84. Solche Gestaltungen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Mehrzahl von Rechtsgeschäften, die auf einem einheitlichen Plan (einem „Gesamtplan“) beruhen und die in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, für die steuerrechtliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammengefasst wird. Ein Gesamtplan allein genügt jedoch nicht für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs. Vielmehr muss unter Beachtung des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zusätzlich geprüft werden, ob und ggf. inwieweit die auf einem Gesamtplan beruhenden Teilschritte eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung darstellen (Spindler in DStR 2005, 1, 5). 27 BFH, Urt. v. 10. 12. 2003 – IX R 12/01, BFHE 205, 62, BStBl. II 2004, 643.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? schen der nicht steuerbaren Vermögensebene und der steuerbaren Nutzungsebene zu unterscheiden ist. Gehören die Rechtsgeschäfte unterschiedlichen Ebenen an, so können sie in ihren Wirkungen nicht saldiert werden28. Für die Annahme eines Missbrauchs genügt es daher nicht, dass die im Zusammenhang mit dem Erwerb vereinbarte Versorgungsleistung an den Übertragenden der Höhe nach im Wesentlichen der vereinbarten Miete entspricht. Hingegen hat der BFH mit Urteil vom 17. 12. 200329 folgerichtig30 einen Gestaltungsmissbrauch bejaht, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird. In diesem Fall erreichen die Vertragsparteien durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt. § 21 EStG erfasst aber nur die entgeltliche Nutzungsüberlassung. Nach dem BFH-Urteil vom 17. 12. 200331 liegt wiederum kein Missbrauch vor, wenn auf die Ausübung eines im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und stattdessen zwischen dem Übertragenden und dem neuen Eigentümer ein Mietvertrag geschlossen wird. Im Unterschied zu der vorgenannten Entscheidung stellen die Vertragspartner in diesem Fall eine materiell-rechtliche Lage her, die sie bereits bei Eigentumsübergang rechtskonform hätten herstellen können. Deren Herstellung zu einem späteren Zeitpunkt kann aber nicht unterschiedlich beurteilt werden, da der Eigentümer sich bereits bei der Übertragung des Grundstücks die entgeltliche Nutzungsmöglichkeit hätte vorbehalten können. 1.2.3 Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an eine beteiligungsidentische GmbH Eine weitere wichtige Fallgruppe rechtsmissbräuchlicher Gestaltungen bilden die Fälle der Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft. Nach dem Urteil vom 29. 5. 200832 ist die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer GmbH an eine von den Gesellschaftern der GmbH

28 Heuermann, StuW 2/2004, 124 (129). 29 BFH, Urt. v. 17. 12. 2003 – IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl. II 2004, 648. 30 A. A. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 42 Rz. 52, der die unterschiedliche Beurteilung beider Fälle für nur schwer verständlich hält. 31 BFH, Urt. v. 17. 12. 2003 – IX R 60/98, BFHE 204, 485, BStBl. II 2004, 646. 32 BFH, Urt. v. 29. 5. 2008 – IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl. II 2008, 789.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? neu gegründete, beteiligungsidentische GmbH nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Anteile zu einem Zeitpunkt veräußert wurden, als die Veräußerung noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterlag, oder weil sich die Tätigkeit der neu gegründeten GmbH auf das Halten der veräußerten Anteile beschränkt. Hierfür ist maßgebend, dass es dem Steuerpflichtigen freisteht, ob, wann und an wen er eine wesentliche Beteiligung veräußert. Die Veräußerung stimmt mit den gesetzlichen Zielen des § 17 EStG überein, auch wenn sie zu einem Verlust führt. Dem zeitlichen Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens liegen Entscheidungen des Gesetzgebers zugrunde, die durch die Anwendung des § 42 AO nicht korrigiert werden dürfen. Es ist regelmäßig auch nicht missbräuchlich, wenn ein Steuerpflichtiger auf Dauer zwischen sich und eine Einkunftsquelle eine inländische Kapitalgesellschaft schaltet und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zieht. Dass die neu gegründete GmbH lediglich die veräußerten Anteile hält, ist unerheblich, da es der Entscheidung des Gesellschafters obliegt, den Umfang des unternehmerischen Tuns abzustecken. 1.2.4 „Dublin-Docks-Rechtsprechung“ Die wohl meistdiskutierte Entscheidung aus der Fallgruppe der Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften ist die „Dublin-Docks-Rechtsprechung“ des BFH. Nach dem Urteil vom 19. 1. 200033 ist die Beteiligung einer inländischen Kapitalgesellschaft an einer Kapitalanlagegesellschaft im niedrig besteuerten Ausland – im Streitfall den irischen DublinDocks – jedenfalls nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Abwicklung der Wertpapiergeschäfte im Ausland durch eine Managementgesellschaft erfolgt. Aus dem Zweck der §§ 7 ff. AStG, auch und gerade der „Steuerflucht“ durch Einschaltung sog. Basisgesellschaften zu begegnen, ist abzuleiten, dass das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb für sich betrachtet kein Gestaltungsmissbrauch ist, sondern nur die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG auslöst. Für die Einschaltung einer Basisgesellschaft bedarf es daher regelmäßig keiner außersteuerlichen Gründe. Vielmehr müssen für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs weitere Umstände hinzutreten, wie insbesondere die Einschaltung einer bloßen Briefkastenfirma. Eine Kapitalanlagegesellschaft, deren „Passivität“ sich darauf beschränkt, das Kapitalanlagegeschäft zu betreiben, und die zu diesem Zweck über einen eigenen board of directors verfügt, ist aber nicht eigenwirtschaftlich funktionslos, auch wenn die Ausführung der einzelnen Anlagegeschäfte in wesentlichen Bereichen einem Dienstleistenden überlassen wird. Die Finanzverwaltung hat auf diese Entscheidung mit einem Nichtanwendungserlass 33 BFH, Urt. v. 19. 1. 2000 – I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl. II 2001, 222.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? reagiert34; der BFH hat hierauf seine Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt35. 1.2.5 Zwischenschaltung einer GmbH zur Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels Ein Gestaltungsmissbrauch ist hingegen nach der Rechtsprechung des BFH36 zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige eine GmbH aufgrund eines Gesamtplans zur Veräußerung von Grundstücken zwischenschaltet, um die Erzielung von Einkünften aus einem gewerblichen Grundstückshandel zu vermeiden; die betreffenden Grundstücksverkäufe sind dem Steuerpflichtigen in diesem Fall gemäß § 42 Satz 2 AO 1977 selbst zuzurechnen. Dieses Beispiel zeigt, dass es sehr wohl Fälle gibt, in denen der BFH die Zwischenschaltung einer GmbH als missbräuchlich wertet. 1.2.6 „Dividenden-Stripping“ Mit Urteil vom 15. 12. 199937 hat der BFH die Anwendung des § 42 AO 1977 abgelehnt, wenn alte Aktien eines Emittenten cum Dividende veräußert werden und der Erwerber am Tag des Erwerbs junge Aktien desselben Emittenten ex Dividende an den Veräußerer der alten Aktien verkauft (sog. „Dividenden-Stripping“). Das Gleiche gilt beim Ankauf von Aktien cum Dividende und beim anschließenden zeitnahen Rückverkauf gleicher oder gleichwertiger Aktien ex Dividende durch voneinander unabhängige Geschäfte. Für diese Beurteilung ist entscheidend, dass § 50c EStG 1987/1990 eine sondergesetzliche Konkretisierung des Gestaltungsmissbrauchs beinhaltete. § 42 AO 1977 kommt deshalb neben und im Anwendungsbereich von § 50c EStG 1987/1990 keine eigenständige Bedeutung zu. Daran ändert nach Auffassung des BFH nichts, dass § 50c EStG 1987/1990 wegen der Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG im Ergebnis unanwendbar bleibt, da der Schutzcharakter dieser Klausel gleichfalls abschließend ist. Auch dieses Urteil hat die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass38 belegt. Der BFH erachtete die Fragen im Zusammenhang mit dem „Dividenden-Stripping“ jedoch nicht mehr für klärungsbedürftig und ließ die Revision in entsprechenden Verfahren nicht zu39. 34 BMF, Schr. v. 19. 3. 2001, BStBl. I 2001, 243; aufgehoben durch BMF, Schr. v. 28. 12. 2004, BStBl. I 2005, 28. 35 BFH, Urt. v. 20. März 2002 – I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl. II 2003, 50, und v. 25. 2. 2004 – I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl. II 2005, 14. 36 Z. B. BFH, Urt. v. 17. 6. 1998 – X R 68/95, BFHE 186, 288, BStBl. II 1998, 667. 37 BFH, Urt. v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl. II 2000, 527. 38 BMF, Schr. v. 6. 10. 2000, BStBl. I. 2000, 1392. 39 BFH, Beschl. v. 30. 7. 2002 – III B 50/01, BFH/NV 2003, 55, und v. 27. 8. 2003 – I B 186/02, BFH/NV 2003, 1581.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? 2. § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 und Reaktion der Rechtsprechung des BFH Mit der Schaffung des § 42 Abs. 2 AO durch das StÄndG 2001 änderte der Gesetzgeber erstmals seit der Einführung der AO 1977 die Vorschrift des § 42 AO. Nach § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 war Abs. 1 der Vorschrift anwendbar, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen war. Nach der Gesetzesbegründung40 sollte es sich nur um eine Klarstellung handeln. Die weitere Begründung offenbarte aber das tatsächliche Anliegen des Gesetzgebers: Die Klarstellung sei erforderlich, weil die Rechtsprechung des BFH zum „Dividenden-Stripping“ und den „Dublin Docks“, nach der § 42 AO neben spezialgesetzlichen Regelungen nicht anwendbar sei, zu erheblichen Rechtsfolgelücken führe. Die Regelung sei notwendig, um dem Gestaltungsmissbrauch und Haushaltsausfällen entgegenzuwirken. In der Sache ging es dem Gesetzgeber damit um eine gesetzliche Korrektur einzelner BFH-Entscheidungen, welche die Finanzverwaltung für falsch hielt und mit denen sie offenbar nicht leben konnte. In der Literatur wurde frühzeitig bezweifelt, dass sich die mit dieser Änderung verfolgten Ziele erreichen lassen, da § 42 Abs. 2 i. d. F. des StÄndG 2001 nichts daran ändere, dass § 42 AO nur anzuwenden sei, wenn seine Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Zu dieser Tatbestandsseite der Norm sage die Neuregelung nichts41. Der BFH hat mit Urteil vom 20. 3. 200242 seine „Dublin-Docks-Rechtsprechung“ bestätigt, nach der die Anwendung von § 42 AO 1977 neben der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG voraussetzt, dass die gewählte Gestaltung auch bei einer Bewertung am Gesetzeszweck der §§ 7 ff. AStG missbräuchlich ist. Darüber hinaus hat er entschieden, dass diese Einschränkung auch dann gelte, wenn die Zwischenschaltung der Basisgesellschaft nur deswegen nicht der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG zu unterwerfen ist, weil die Zwischeneinkünfte keiner Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 3 AStG unterliegen. § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 ändere daran nichts. Die Voraussetzungen der Vorschrift lägen nicht vor, da der Tatbestand des – anwendbaren – § 42 Satz 1 AO 1977 nicht erfüllt sei43.

40 BT-Drucks. 14/6877, 52 und 14/7341, 17. 41 Pezzer, FR 2002, 279; Clausen, DB 2002, Beilage 1, 4 (6), der § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 als in den Rechtsfolgen weitgehend leerlaufende Plattitüde bezeichnet. 42 BFH, Urt. v. 20. 3. 2002 – I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl. II 2003, 50. 43 Auch der IX. Senat des BFH hat in seinem Urteil v. 19. 2. 2002 – IX R 32/98, BFHE 198, 288, BStBl. II 2002, 674, angenommen, dass § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 nicht einschlägig ist, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 AO nicht vorliegen.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Ferner hat der BFH mit Beschluss vom 20. 11. 200744 an seiner Rechtsprechung zum „Dividenden-Stripping“ festgehalten, nach der § 50c EStG 1987 eine abschließende spezialgesetzliche Konkretisierung des § 42 AO enthält. Nach Auffassung des BFH ergibt sich aus § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 nichts Gegenteiliges. Denn aufgrund des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs fehlt es bereits an einem Missbrauchsvorwurf i. S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO. Aus diesem Grund laufe § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des StÄndG 2001 leer. Zuletzt hat der BFH mit Urteil vom 29. 1. 200845 entschieden, dass § 42 AO durch die spezielle Missbrauchsnorm in § 50d Abs. 1a EStG 1990 i. d. F. des StMBG abschließend verdrängt wird. Auch daran ändere § 42 Abs. 2 AO nichts.

II. Die Neuregelung des § 42 AO § 42 Abs. 1 Satz 1 AO n. F. bestimmt unverändert, dass durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden kann. Die Sätze 2 und 3 des Absatz 1 ersetzen die Regelung des § 42 Abs. 2 AO a. F. und regeln die Konkurrenz zu anderen Normen, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dienen. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. übernimmt darüber hinaus die bislang in § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. enthaltene Rechtsfolgeanordnung. § 42 Abs. 2 AO n. F. enthält die wohl wesentlichste Änderung gegenüber der bisherigen Fassung des § 42 AO, die Legaldefinition des Missbrauchs. 1. Konkurrenz zu speziellen Missbrauchsnormen § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. bestimmt: Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Diese Regelung ist für sich betrachtet deklaratorischer Natur, da sie nur den Geltungsanspruch von speziellen Missbrauchsnormen bestätigt. Ihre die Gesetzeskonkurrenz regelnde Wirkung ergibt sich erst im Zusammenwirken mit § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. Nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. entsteht der Steueranspruch anderenfalls beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ihre Bedeutung als Konkurrenznorm erlangt die Vorschrift durch die Verwendung des die Rechtfolgeanordnung einleitenden Wortes „anderenfalls“.

44 BFH, Beschl. v. 20. 11. 2007 – I R 85/05, BFH/NV 2008, 551. 45 BFH, Urt. v. 29. 1. 2008 – I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? 1.1 Vorrang spezieller Missbrauchsnormen Aus der Verwendung des Wortes „anderenfalls“ in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. folgt zunächst, dass die Regelung nur anwendbar ist, wenn die Vorraussetzungen des Satzes 2 der Vorschrift nicht erfüllt sind. Ist der Tatbestand einer speziellen Missbrauchsnorm erfüllt, bestimmen sich die Rechtsfolgen des Missbrauchs gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. ausschließlich nach jener Vorschrift46. § 42 AO n. F. wird in diesem Fall durch die spezielle Missbrauchsnorm verdrängt. Insoweit kodifiziert § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. den in der juristischen Methodenlehre anerkannten Grundsatz, dass die speziellere Norm die (ranggleiche) allgemeinere Norm verdrängt47. Es ist daher immer vorrangig zu prüfen48, ob das maßgebliche Einzelsteuergesetz eine spezielle Missbrauchsnorm für den zu beurteilenden Sachverhalt enthält und – falls ja – ob deren Tatbestand erfüllt ist. Ist dies der Fall, ist ein Rückgriff auf die Generalklausel nicht mehr zulässig. Dies hat m. E. übrigens – vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigte – Auswirkungen auf die „Dublin-Docks-Rechtsprechung“ des BFH, wenn man die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG als Regelung i. S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. ansieht49: Unterliegt die Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG, darf nunmehr auch dann nicht auf § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 AO n. F. zurückgegriffen werden, wenn über das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb hinaus weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen50. 1.2 Vorliegen einer speziellen Missbrauchsnorm Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. muss der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt sein, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient. Aus ihrer systematischen Stellung ergibt sich m. E., dass die Vorschrift nur Regelungen erfasst, die Steuerumgehungen durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts verhindern 46 Ebenso Drüen, Ubg 2008, 31 (33); v. Wedelstädt, DB 2007, 2558; a. A. Hahn, DStZ 2008, 483 (489). 47 Hierzu Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 25; sowie Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 266 ff. 48 Zu dieser „eindeutigen Prüfungsreihenfolge“ BT-Drucks. 16/7036, 31; AEAO zu § 42 AO n. F., Nr. 1. 49 Nach Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 24 bekämpft die in §§ 7 ff. AStG geregelte Hinzurechnungsbesteuerung die Umgehung des inländischen Steueranspruchs. Differenzierend zum Charakter der §§ 7 ff. AStG als spezielle Missbrauchsnormen Hey, StuW 2008, 167 (172). 50 So bislang BFH, Urt. v. 19. 1. 2001 – I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl. II 2001, 222; a. A.Hahn, DStZ 2008, 483 (489).

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? sollen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 AO n. F.)51. Ob eine Norm diese Voraussetzung erfüllt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln52. Der AEAO § 42, Nr. 1 Satz 2 führt demgemäß zutreffend aus, ob eine Regelung in einem Einzelsteuergesetz der Verhinderung der Steuerumgehung diene, sei nach dem Wortlaut der Regelung und dem Sinnzusammenhang, nach der systematischen Stellung im Gesetz sowie nach der Entstehungsgeschichte der Regelung zu beurteilen. Ob eine Norm danach eine spezielle Missbrauchsnorm ist, wird nicht in allen Fällen eindeutig zu beantworten sein. Fraglich ist etwa, ob solche Regelungen unter § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. fallen, die der Gesetzgeber eingeführt hat, nachdem der BFH die hierdurch geregelten Sachverhalte nicht als Gestaltungsmissbrauch beurteilt hat53, wie z. B. § 4 Abs. 4a EStG54. Freilich wäre in diesen Fällen ein Rückgriff auf § 42 AO n. F. grundsätzlich folgenlos, weil der Tatbestand des § 42 Abs. 2 AO n. F. nicht erfüllt sein wird55. Zweifelhaft ist ferner die Einordnung von Regelungen, die typischerweise nicht nur missbräuchliche, sondern auch nicht missbräuchliche Gestaltungen erfassen, wie z. B. § 4h EStG56. Ist der Tatbestand solcher Vorschriften erfüllt, wird wie in den zuvor genannten Fällen aber regelmäßig kein Bedürfnis für einen Rückgriff auf § 42 AO n. F. bestehen. 1.3 Anwendung des § 42 AO n. F. bei fehlender oder nicht einschlägiger spezieller Missbrauchsnorm Des Weiteren ordnet der Gesetzgeber mit der Verwendung des Wortes „anderenfalls“ in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. an, dass ein Missbrauch i. S. des § 42 Abs. 2 AO n. F. stets zu prüfen ist, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO n. F. nicht erfüllt sind. Soweit es keine in Betracht kommende spezielle Missbrauchsnorm gibt, sind § 42 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO n. F. nur deklaratorisch; es kommt dort ohnehin nur die Anwendung des § 42 AO n. F. in Betracht. Ihre Regelungswirkung entfalten die Vorschriften vielmehr dann, wenn die gewählte Gestaltung zwar in den Regelungsbereich einer speziellen Missbrauchsnorm fällt, aber nicht deren Tatbestand erfüllt. Für diese Fälle setzen § 42 Abs. 1 Sätze 2 und 3

51 So auch Hey, StuW 2008, 167 (169). 52 Drüen, Ubg 2008, 31 (32) beschränkt sich insoweit auf die teleologische Auslegung. 53 Ebenso Hey, StuW 2008, 167 (173), die insoweit von einem aliud spricht; zweifelnd auch Drüen, Ubg 2008, 31 (32). 54 BFH, Beschl. v. 8. 12. 1997 – GrS 1–2/95, BFHE 184, 7, BStBl. II 1998, 193. 55 Zutreffend Hey, StuW 2008, 167 (173). 56 Hierzu Schmidt/Loschelder, EStG, 28. Aufl., § 4h Rz. 3; Hey, StuW 2008, 167 (172).

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? AO n. F. – so wie bisher § 42 Abs. 2 AO a. F.57 – den lex specialis-Grundsatz für § 42 AO n. F. außer Kraft. Der AEAO zu § 42 AO n. F., Abs. 2 2. Spiegelstrich, Satz 2, beinhaltet daher m. E. eine zutreffende Gesetzesauslegung, wenn er bestimmt, dass allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 AO nicht ausschließt58. In dieser Hinsicht zielt die Konkurrenzregelung erneut auf eine gesetzliche Korrektur der Rechtsprechung des BFH zum Verhältnis des § 42 AO zu speziellen Missbrauchnormen ab, nachdem § 42 Abs. 2 AO a. F. nicht zu den vom BMF gewünschten Ergebnissen geführt hat. Dies ist der Gesetzesbegründung zu § 42 Abs. 2 RegE-AO entnehmen, nach der die Abschirmwirkung spezieller Missbrauchsnormen wie z. B. der Hinzurechnungsvorschriften des AStG und des § 50d Abs. 3 EStG beseitigt und hervorgehoben werden sollte, dass es keinen Wertungsvorrang anderer Vorschriften gebe, der den allgemeinen Missbrauchstatbestand ausschließen könne, und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften im Einzelfall nicht vorlägen59. Dieses Ziel dürften jedoch auch § 42 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO n. F. verfehlen. Diese Regelungen leiden – gemessen am Motiv des Gesetzgebers – an demselben Grundproblem wie § 42 Abs. 2 AO a. F.: Sie ändern nichts daran, dass eine spezielle Missbrauchsnorm als zusätzlicher normativer Maßstab für die Konkretisierung der Unangemessenheit i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. zu berücksichtigen ist. Ergibt die Auslegung der speziellen Missbrauchsnorm, dass der Gesetzgeber den Missbrauch für die in ihren Regelungsbereich fallenden Sachverhalte abschließend konkretisiert hat, kann die gewählte Gestaltung nicht unangemessen sein60. Denn anderenfalls würde die Anwendung des § 42 AO n. F. zu einem Wertungswiderspruch führen61. Der BFH fasst dies mit dem Begriff des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs zusammen62. Eine abschließende 57 Hierzu Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 42 Rz. 86. 58 Die Kritik des Deutschen Steuerberaterverbandes e. V. (Pressemitteilung v. 8. August 2008), darin liege eine unzulässige Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 42 AO n. F. und eine Missachtung des gesetzgeberischen Willens ist daher nicht berechtigt. 59 Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 81. 60 Gl. A. Drüen, Ubg 2008, 31 (34); Hey, StuW 2008, 167 (173); Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 25; Mack/Wollweber, DStR 2008, 182 (186); Wienbracke, DB 2008, 664 (669); entgegen der Auffassung von Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 42 AO Rz. 20b, ist insoweit eine teleologische Reduktion des § 42 Abs. 2 AO n. F. nicht erforderlich. 61 Zum Gebot der Vermeidung von Wertungswidersprüchen s. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 334 ff. 62 BFH, Urt. v. 20. 11. 2007 – I R 85/05, BFH/NV 2008, 551.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Konkretisierung des Missbrauchs ist insbesondere bei speziellen Missbrauchsnormen anzunehmen, die sog. „safe haven“ – wie z. B. § 1 Abs. 3 GrErwStG63 – bestimmen oder besondere Haltefristen festlegen64, wie z. B. § 18 Abs. 3 UmwStG65. Beinhaltet die spezielle Missbrauchsnorm keine abschließende Konkretisierung des Gestaltungsmissbrauchs, kann eine rechtliche Gestaltung hingegen auch dann als unangemessen zu beurteilen sein, wenn sie in den Regelungsbereich der speziellen Missbrauchsnorm fällt66. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass § 42 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO n. F. im Grundsatz an der bestehenden Rechtslage nichts geändert und damit § 42 AO nicht „effektiver“ gestaltet haben dürften. Das erneute Tätigwerden des Gesetzgebers gibt dem Rechtsanwender aber Anlass, in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob eine spezielle Missbrauchsnorm tatsächlich den allgemeinen Missbrauchstatbestand für die darunter fallenden Gestaltungen abschließend konkretisiert. 2. Legaldefinition des Missbrauchs Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs 2 Satz 2 AO n. F.). Danach setzt sich der Missbrauchstatbestand aus drei Elementen zusammen: Einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung, einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten und dem Fehlen beachtlicher außersteuerlicher Gründe. 63 Zu § 1 Abs. 3 GrErwStG als spezieller Missbrauchsnorm z. B. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl., § 1 Rz. 852. 64 So auch Drüen, Ubg 2008, 31 (34); Hey, StuW 2008, 167 (173). 65 Näher zur Missbrauchsverhinderung durch Behaltefristen: Lusga, Die Verhinderung von Steuerumgehungen bei Unternehmensumstrukturierungen, S. 137 ff. 66 Drüen, Ubg 2008, 31, (34) bezeichnet solche Normen als „unechte“ Spezialvorschriften. Nach seiner Auffassung (StuW 2008, 154, 161) ist § 42 AO n. F. auch dann anwendbar, wenn die spezielle Missbrauchsnorm ihrerseits „missbraucht“ werde, wobei hier vor allem an sich selbst aufhebende Gestaltungen zu denken sei. Insoweit lässt er indes unklar, was für Gestaltungen dies sein sollen, die durch sich aufhebende Gestaltungen einerseits die Tatbestandserfüllung der Missbrauchsnorm vermeiden und andererseits die Steuernorm umgehen, deren Umgehung durch die spezielle Missbrauchsnorm geschützt wird. Im Übrigen wäre fraglich, ob solche Fälle nicht ein Beleg dafür sind, dass es sich bei der speziellen Missbrauchsnorm um eine „unechte“ Spezialvorschrift handelt.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? 2.1 Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung Erste Voraussetzung eines Missbrauchs i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. ist eine unangemessene rechtliche Gestaltung. § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. stellt damit für die Definition des Missbrauchs – wie die bisherige Rechtsprechung des BFH – auf die Unangemessenheit der Gestaltung ab67. Die Unangemessenheit einer Gestaltung ist zwingend vor den übrigen Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 AO n. F. zu prüfen, auch wenn in der Praxis erst ein Steuervorteil, den der Steuerpflichtige für sich in Anspruch nimmt, die Finanzbehörde veranlassen wird, in die Prüfung des § 42 AO n. F. einzusteigen68. Denn die steuerlichen Auswirkungen der gewählten Gestaltung können erst dann mit denen einer angemessenen Gestaltung verglichen werden, wenn feststeht, dass die gewählte Gestaltung unangemessen und demzufolge eine andere Gestaltung angemessen ist69. Die gesetzliche Definition des § 42 Abs. 2 AO n. F. bleibt beim Merkmal der Unangemessenheit unvollendet, da sie nicht bestimmt, wann eine rechtliche Gestaltung unangemessen ist70. Der Begriff der Unangemessenheit bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff aber einer weiteren Konkretisierung71. Hiervon sah der Gesetzgeber ab, weil eine gesetzliche Definition des Begriffs der Unangemessenheit nur durch weitere wertende, unbestimmte Rechtsbegriffe möglich sei72. Dies ist zweifellos zutreffend, wirft aber letztlich die Frage auf, welchen Sinn eine solche Definition macht. Ein Gewinn an Rechtssicherheit oder gar eine „Präzisierung“ des § 42 AO n. F. ist damit angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BFH zu § 42 AO a. F. jedenfalls nicht verbunden. Für die Auslegung des Begriffs der Unangemessenheit ist daher – wie bisher – von der Rechtsfolge des Gestaltungsmissbrauchs zurück zu schließen73. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs i. S. des § 42 Abs. 2 AO n. F. so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Hieraus ergibt sich, dass die gewählte Gestal67 So auch BT-Drucks. 16/7036, 31. 68 Zutreffend Drüen, Ubg 2008, 31 (35). 69 So aber BT-Drucks. 16/7036, 31; wie hier Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 63. 70 Nach P.Fischer, FR 2008, 306 (309) täuscht § 42 Abs. 2 Satz 1 n. F. mit seinem konditionalen Satzbeginn eine gesetzliche Definition des Gestaltungsmissbrauchs nur an. 71 So auch Drüen, Ubg 2008, 31 (35), nach dem „Angemessenheit“ als Relationsbegriff einen Bezugspunkt sowie einen Wertungsmaßstab voraussetzt; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 64. 72 BT-Drucks. 16/7036, 31. 73 Gl.A. Drüen, Ubg 2008, 31 (35).

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? tung gemessen an dem wirtschaftlichen Ziel des Steuerpflichtigen unangemessen sein muss. Dieser Rückschluss wird ebenso im AEAO zu § 42 AO n. F. vorgenommen. Nach dessen Nr. 2.1 liegt ein Missbrauch u. a. vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen ist. Auch der normative Maßstab für die Angemessenheitsprüfung hat sich durch § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. nicht geändert. Es ist das Steuergesetz, dessen Umgehung man bei der Anwendung des § 42 AO n. F. prüft74. Dies ist aus § 42 Abs. 1 Satz 1 AO n. F. abzuleiten, nach dem das Steuergesetz durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nicht umgangen werden kann. Eine rechtliche Gestaltung ist danach nur dann unangemessen, wenn sie vom Steuergesetz als Umgehung missbilligt wird75. Dem Steuerpflichtigen ist es daher weiterhin grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Dieser Auslegung folgt auch der AEAO zu § 42 n. F., Nr. 2.2 Satz 1, nach dem die Unangemessenheit einer rechtlichen Gestaltung für jede Steuerart gesondert nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweiligen maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, zu beurteilen ist. Nr. 2.2. Satz 2 stellt klar, dass das Bestreben, Steuern zu sparen, für sich allein eine Gestaltung noch nicht unangemessen macht. Im Übrigen nennt der AEAO Indizien für die Unangemessenheit einer Gestaltung, die im Wesentlichen der bisherigen Rechtsprechung des BFH entnommen wurden76. 2.2 Gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten Ein Missbrauch setzt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. weiter voraus, dass die unangemessene rechtliche Gestaltung zu einem im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil 74 Gl.A. Drüen, Ubg 2008, 31 (35). 75 Wie Fn. 10. 76 Danach ist eine Gestaltung insbesondere dann auf ihre Angemessenheit zu prüfen, wenn sie ohne Berücksichtigung der beabsichtigten steuerlichen Effekte unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint. Die Ungewöhnlichkeit einer Gestaltung begründe allein noch keine Unangemessenheit. Indizien für die Unangemessenheit einer Gestaltung seien zum Beispiel: Die Gestaltung wäre von einem verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden; die Vor- oder Zwischenschaltung von Angehörigen oder anderen nahe stehenden Personen oder Gesellschaften sei rein steuerlich motiviert gewesen; die Verlagerung oder Übertragung von Einkünften oder Wirtschaftsgütern auf andere Rechtsträger sei rein steuerlich motiviert gewesen.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? führt. Insoweit wird der Begriff des Missbrauchs durch die Beschreibung seiner Folge erläutert. 2.2.1 Steuervorteil § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. ersetzt die von der Rechtsprechung des BFH für erforderlich gehaltene Steuerminderung durch den Begriff des Steuervorteils77. Die Aufnahme dieses Begriffs in die Legaldefinition des Missbrauchs wurde in der Literatur zum Teil kritisiert, weil sie angesichts des unklaren Begriffsinhalts im Steuerstrafrecht kaum die Rechtssicherheit fördere und der Gesetzgeber damit die Grenze zwischen strafloser Steuerumgehung und strafbarer Steuerhinterziehung verwische78. Diese Kritik halte ich nicht für berechtigt. Die Änderung durch die Verwendung des Begriffs des Steuervorteils ist vielmehr nur redaktioneller Art79. Der Begriff des Steuervorteils ist nämlich – wie jeder andere Rechtsbegriff – im Bedeutungszusammenhang des Gesetzes80, hier des § 42 AO n. F., auszulegen. Aus § 42 Abs. 1 Satz 1 AO n. F. ist zu schließen, dass der Begriff des Steuervorteils solche Vorteile umfasst, die sich für den Steuerpflichtigen (oder einem Dritten) aus der Umgehung des Steuergesetzes ergeben. Der Steuervorteil kann demnach darin bestehen, dass durch die unangemessene Gestaltung ein Steuertatbestand umgangen wird oder der Tatbestand einer begünstigenden Gesetzesvorschrift verwirklicht wird81. Im Übrigen verwendete der BFH schon bislang in seinen Entscheidungen zu § 42 AO 1977 vereinzelt den Begriff des Steuervorteils82. Der AEAO zu § 42 AO n. F., Nr. 2.4 führt daher zu Recht aus, der Begriff des „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils“ sei nicht identisch mit dem „nicht gerechtfertigten Steuervorteil“ i. S. des § 370 Abs. 1 AO; Steuervorteile seien daher nicht nur Steuervergütungen und Steuererstattungen, sondern auch geringere Steueransprüche. Eine Änderung der Rechtslage 77 Dieser Begriff wird auch in § 70 Abs. 1, § 71, § 150 Abs. 6 Satz 3 Nr. 5, § 370 Abs. 1 AO verwendet. 78 Drüen, Ubg 2008, 31 (36). Der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (Pressemitteilung v. 23. November 2007) erachtet den Gebrauch dieses Begriffs gar unter Berufung auf den – nicht einschlägigen – BFH, Beschl. v. 2. 8. 2007 – IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270 für verfassungsrechtlich bedenklich; der BFH hatte dort ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2b EStG geäußert, weil u. a. der unbestimmte Rechtsbegriff „steuerlicher Vorteil“ weder aus dem systematischen Zusammenhang des § 2b EStG im Einkommensteuerrecht noch aus § 2b Satz 3 EStG eine hinreichend eindeutige Bestimmung erfahre. 79 Gl.A. Hahn, DStZ 2008, 483 (484); Wienbracke, DB 2008, 664 (669). 80 Hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 324 ff. 81 Gl.A. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 62, der insoweit von Rechtsfolgenerschleichung und Rechtsfolgenvermeidung spricht; Wienbracke, DB 2008, 664 (669). 82 Z. B. BFH, Urt. v. 18. 7. 2001 – I R 48/97, BFHE 196, 128.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? stellt es auch nicht dar, dass sich nunmehr unmittelbar aus dem Begriff des Steuervorteils ableiten lässt, dass § 42 AO n. F. nicht für steuerlich ungünstige Gestaltungen gilt83. Denn dies galt schon – wie ausgeführt – unter der Herrschaft des § 42 AO 1977. 2.2.2 Beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten Eine Änderung der bisherigen Rechtslage stellt es dar, dass es nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. für einen Missbrauch genügt, dass die unangemessene Gestaltung bei einem Dritten zu einem Steuervorteil führt. Die Rechtsprechung des BFH hat bislang auch im Fall der Veranlassung eines Dritten zu einer unangemessen Gestaltung einen Missbrauch i. S. des § 42 AO 1977 nur in Betracht gezogen, wenn der Steuerpflichtige hieraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht84. Das Gesetz grenzt nicht näher ein, wer „Dritter“ i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. sein kann; nach ihrem Wortlaut erfasst die Norm jede andere Person. In der Literatur wurden deshalb unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und der Wahrung des Parlamentsvorbehalts verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, weil der Vorteil irgendeines Dritten, der in keiner Nähebeziehung oder keinem Zurechnungsverhältnis zu dem Steuerpflichtigen stehe, schwerlich einen Missbrauch auslösen könne85. Richtigerweise ist die fehlende Eingrenzung des als Dritter in Betracht kommenden Personenkreises kein Problem der Bestimmtheit des Tatbestands86, da der Begriff des Dritten nicht unbestimmt ist. Vielmehr kann die Reichweite der Zurechnung von Steuervorteilen Dritter nur für die Frage von Bedeutung sein, ob § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. insoweit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit87 beachtet. Da nach AEAO zu § 42 AO n. F., Nr. 2.3 Satz 3, Dritte i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO nur solche Personen sein sollen, die in einer gewissen Nähe zum Steuerpflichtigen stehen88, dürfte dieses Problem für die Praxis jedoch entschärft sein.

83 So aber Hahn, DStZ 2008, 483 (484). 84 BFH, Urt. v. 18. 7. 2001 – I R 48/97, BFHE 196, 128, m. w. N. 85 So Drüen, Ubg 2008, 31 (37); ähnlich Hahn, DStZ 2008, 483 (486), der Zweifel an der Sachangemessenheit dieses Merkmals hegt und einen besonderen Zurechnungsgrund fordert. 86 Wie Fn 21. 87 Hierzu z. B. Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Aufl., Art. 20 Rz. 80 ff. 88 Dies ist nach AEAO zu § 42 AO n. F., Nr. 2.3 Satz 4 insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beteiligten Angehörige des Steuerpflichtigen i. S. des § 15 oder persönlich oder wirtschaftlich mit ihm verbunden sind (z. B. nahe stehende Personen i. S. v. H 36 KStH 2006 oder § 1 Abs. 2 AStG).

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Interessanter als die Frage, wer „Dritter“ i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. sein kann, ist ohnehin die Frage, in welchen Fällen ein Missbrauch i. S. des § 42 Abs. 2 AO n. F. aufgrund dieser Tatbestandsalternative anzunehmen ist. Dies ist derzeit nicht absehbar. Auch den Gesetzesmaterialien89 ist nicht zu entnehmen, welche Gestaltungen mit dieser Erweiterung erfasst werden sollten. Es bleibt daher zunächst die Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten. Gleichwohl sind bereits zwei Fragen absehbar, welche die Anwendung des § 42 AO n. F. in Fällen aufwerfen wird, in denen die unangemessene Gestaltung allein bei einem Dritten zu einem Steuervorteil führt: Zum einen ist fraglich, ob § 42 AO n. F. nicht unmittelbar bei dem Dritten zur Anwendung kommen kann, der den Steuervorteil erlangt. Sollte dies zu bejahen sein, wäre weiter zu klären, gegenüber welcher Person – dem Steuerpflichtigen oder dem Dritten – § 42 AO n. F. vorrangig anzuwenden ist. Doch vor allem erscheint zweifelhaft, ob die Rechtsfolge des § 42 AO n. F. überhaupt geeignet ist, einen höheren Steueranspruch gegen den Steuerpflichtigen zu begründen, wenn ein Dritter den Steuervorteil erlangt. Nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n. F. entsteht der Steueranspruch – gegen den Steuerpflichtigen und nicht den Dritten – (nur) so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstünde. Hat der Steuerpflichtige aber keinen Steuervorteil erlangt, kann die angemessene Gestaltung nicht zu einem höheren Steueranspruch führen. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO ist nicht zu entnehmen, dass der Steueranspruch ggf. um den bei dem Dritten eingetretenen Steuervorteil zu erhöhen ist. 2.2.3 Gesetzlich nicht vorgesehen Schließlich darf der Steuervorteil nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. „gesetzlich nicht vorgesehen“ sein. Dies könnte für sich betrachtet bedeuten, dass der Steuervorteil gesetzlich nicht geregelt („vorgesehen“) sein darf90. Ein solches Verständnis legen in der Tat die Gesetzesmaterialien91 nahe, die lediglich zwei Beispiele für gesetzlich vorgesehene Steuervorteile nennen, nämlich die Ausübung von Wahlrechten und die Nutzung von Lenkungs- und Fördernormen92. Indes zeigen schon die genannten Beispiele, dass eine solche Auslegung sinnwidrig wäre, da sie zur Folge hätte, dass 89 Vgl. BT-Drucks. 16/7036, 31. 90 Nach Hahn, DStZ 2008, 483 (485), suggeriere der Ausdruck, es könnte sich um „unzulässige“, „verbotene“ Steuervorteile handeln. Die Normaussage bestünde dann aber nur darin, dass Verbotenes verboten sei und wäre schlicht tautologisch. 91 BT-Drucks. 16/7036, 31. 92 Vgl. auch AEAO zu § 42 n. F., Nr. 2.5.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? § 42 AO n. F. weitgehend leer liefe. Denn auch die Ausübung von Wahlrechten93 und die Inanspruchnahme von Lenkungs- und Fördernormen94 können selbstverständlich missbräuchlich sein95. Im Grunde wird mit jeder unangemessenen Gestaltung der Zweck verfolgt, gesetzlich vorgesehene Steuervorteile zu erlangen. M. E. kann das Merkmal „gesetzlich nicht vorgesehen“ im Regelungszusammenhang des § 42 AO n. F. daher nur bedeuten, dass der Steuervorteil nicht gesetzlich vorgesehen ist, wenn die gewählte Gestaltung vom Steuergesetz als Umgehung missbilligt wird (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 AO n. F.)96. Dies ist aber bereits Bestandteil der Prüfung des Merkmals der Unangemessenheit97. Dem Merkmal „gesetzlich nicht vorgesehen“ kommt daher keine eigenständige Bedeutung für die Missbrauchsprüfung zu. 2.3 Fehlen beachtlicher außersteuerlicher Gründe Nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO n. F. ist ein Missbrauch ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Materiell-rechtlich führt § 42 Abs. 2 Satz 2 AO n. F. zu keiner Änderung der Rechtslage98. Das Fehlen beachtlicher außersteuerlicher Gründe ist bereits Merkmal der Definition des Missbrauchs der Rechtsprechung des BFH99. Dabei hatte das Finanzgericht als Tatsacheninstanz schon bislang unter umfassender Würdigung sämtlicher Tatumstände zu entscheiden, 93 Z. B. BFH, Urt. v. 15. 7. 2004 – III R 66/98, BFH/NV 2005, 186, zu § 26 EStG; BFH, Urt. v. 16. 12. 2003 – VIII R 89/02 BFH/NV 2004, 936, zu § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 EStG. 94 Z. B. BFH, Urt. v. 31. 7. 1984 – IX R 3/79, BFHE 142, 347, BStBl. II 1985, 33, zu § 17 Abs 2 BerlinFG. 95 Zutreffend Hahn, DStZ 2008, 483 (485). 96 Nach Drüen, Ubg 2008, 31 (36), ist die Frage, wann das Gesetz welche Steuervorteile vorsieht im Wege der historisch-teleologischen Auslegung zu beantworten. Drüen geht indes nicht darauf ein, inwiefern sich dies von der Angemessenheitsprüfung unterscheiden soll, deren normativer Maßstab auch nach seiner Auffassung das (potenziell) umgangene Steuergesetz ist. 97 A. A. BT-Drucks. 16/7036, 31; AEAO zu § 42 AO n. F., Nr. 2.5.; sowie Drüen, Ubg 2008, 31 (36); wie hier Fischer, FR 2008, 306 (309), nach dem § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. so zu lesen sei, dass die v. Steuerpflichtigen in Anspruch genommene Rechtsfolge darauf zu prüfen sei, ob sie durch das Gesetz gedeckt und damit angemessen sei; Mack/Wollweber, DStR 2008, 182 (184); wohl auch Hahn, DStZ 2008, 483 (486), der insoweit von einer Tautologie des Gesetzes spricht; v.Wedelstädt, DB 2007, 2558 (2559). 98 Gl.A. v.Wedelstädt, DB 2007, 2558 (2559); a. A. Drüen, Ubg 2008, 31 (37), nach dem nunmehr eine Gewichtung der vorgetragenen Gründe im Gesetz angelegt sei. 99 Z. B. BFH, Urt. v. 9. 11. 2006 – V R 43/04, BFHE 215, 379, BStBl. II 2007, 344, und v. 7. 7. 1998 – VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl. II 1999, 729.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt100. Eine Änderung kann allenfalls darin gesehen werden, dass das Vorliegen beachtlicher außersteuerliche Gründe nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO n. F. nicht Bestandteil des Merkmals der Unangemessenheit, sondern Rechtfertigungsgrund für eine unangemessene Gestaltung ist101. Der AEAO zu § 42 n. F., Nr. 2.6 Satz 3 konkretisiert das Merkmal der Beachtlichkeit dahingehend, dass die nachgewiesenen außersteuerlichen Gründe nicht beachtlich sein sollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Vergleich zum Ausmaß der Unangemessenheit der Gestaltung und den vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen nicht wesentlich oder sogar nur von untergeordneter Bedeutung sind. Ob dies eine zutreffende Gesetzesauslegung ist, erscheint zweifelhaft, da § 42 Abs. 2 Satz 2 AO n. F. keine Abwägung zwischen den außersteuerlichen Gründe einerseits und dem Ausmaß der Unangemessenheit und den erlangten Steuervorteilen andererseits vorsieht102. Vielmehr sind außersteuerliche Gründe nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich, wenn die Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sie für die gewählte Gestaltung bedeutsam waren und ihr Grund damit nicht allein in der Steuerersparnis lag103. Die Nachweispflicht des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO n. F. dürfte für die Praxis kaum Auswirkungen haben104. Bereits nach bisheriger Rechtslage traf den Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 1 AO eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung hinsichtlich solcher Umstände, aus denen sich ergibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung ausgeschlossen ist105. Dabei hat die Rechtsprechung des BFH im Rahmen der Beweiswürdigung eine Steuerumgehung vermutet, wenn wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht ersichtlich waren106. Diese Vermutung konnte der Steuerpflichtige mit Hilfe eines Indizienbeweises erschüttern. Welche Umstände zur Entkräftung der Vermutung allgemein geeignet waren und welcher Beweiswert ihnen im Einzelfall zukam, war eine Frage der

100 BFH, Urt. v. 28. 1. 1992 – VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl. II 1993, 84. 101 Zum Verhältnis der Unangemessenheit und des Fehlens beachtlicher außersteuerlicher Gründe nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 42 Rz. 14. 102 A. A. Drüen, Ubg 2008, 31 (38), nach dem die Steuervorteile und die außersteuerlichen Gründe in Relation zu setzen seien, wobei eine materielle Gewichtung anzustellen sei. 103 Zur bisherigen Rechtslage z. B. BFH, Urt. v. 19. 2. 2002 – IX R 32/98, BFHE 198, 288, BStBl. II 2002, 674. 104 Gl.A. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 42 AO Rz. 54; Wienbracke, DB 2008, 664 (669); v.Wedelstädt, DB 2007, 2558 (2559). 105 BFH, Urt. v. 6. 7. 1993 – IX R 112/88, BFHE 171, 530, BStBl. II 1998, 429. 106 BFH, Urt. v. 28. 1. 1992 – VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl. II 1993, 84.

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Spindler, § 42 AO n. F. – was hat sich geändert? Beweiswürdigung. Nunmehr muss der Steuerpflichtige die außersteuerlichen Gründe zwar nachweisen, um die Missbrauchsvermutung zu widerlegen. De facto musste er dies aber schon bislang tun, um die Missbrauchsvermutung mit Erfolg zu erschüttern107.

III. Resümee Die Steuerpflichtigen und ihre Berater brauchen sich vor § 42 AO n. F. nicht zu fürchten. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift zwar neu gefasst, aber kaum etwas geändert. Die von mir besprochenen Entscheidungen des BFH wären nach der Neufassung des § 42 AO wohl nicht anders ausgefallen. Die Praxis wird mit diesem Ergebnis gut leben können, da kein wirkliches Bedürfnis für eine grundlegende Änderung des § 42 AO bestanden hat. Die Rechtsprechung des BFH hat schon bislang – wie ich hoffentlich habe deutlich machen können – § 42 AO in den wirklichen Missbrauchsfällen zur Anwendung gebracht und im Übrigen die Vertragsfreiheit der Beteiligten respektiert. Einzelne Entscheidungen, die von den Beteiligten als falsch empfunden werden, wird es immer geben. Sie sind als Folge der in der Verfassung vorgesehenen Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). hinzunehmen und rechtfertigen grundsätzlich keine Gesetzesänderung. Das wiederholte Bemühen des Gesetzgebers, das Verhältnis des § 42 AO zu speziellen Regelungen „klarzustellen“, zeigt zudem, dass Änderungen des § 42 AO nicht das geeignete Mittel sind, um einzelne Entscheidungen des BFH zu korrigieren. Weisen spezielle Missbrauchsnormen nach seiner Ansicht Rechtsfolgelücken auf, wären sie – worauf der BFH bereits in seinen Entscheidungen zu den „Dublin Docks“ und zum „Dividenden-Stripping“ hingewiesen hat – auch dort zu schließen. Es bleibt indes abzuwarten, ob die nunmehr geltende Fassung des § 42 AO n. F. für längere Zeit Bestand haben wird. Schließlich wird erst die weitere Entwicklung des § 42 AO n. F. in der Rechtsprechung zeigen, ob die Tatbestandsalternative des Steuervorteils „bei einem Dritten“ in § 42 Abs. 2 Satz 1 AO n. F. einen eigenständigen Anwendungsbereich erlangen wird.

107 Zutreffend Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 42 AO Rz. 54; Wienbracke, DB 2008, 664 (669).

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Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Dr. Martin Jonas Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Inhaltsübersicht

I. II. 1. 2. 3.

Einführung Bewertungsmethoden Börsenkurs/Verkaufspreis Substanzwert Andere anerkannte Methoden

III. Durchführung der vereinfachten Ertragsbewertung 1. Nachhaltig erzielbarer Jahresertrag 2. Kapitalisierungsfaktor 3. Gesondert bewertetes Vermögen IV. Fazit

I. Einführung Ihrer Besteuerungsgrundlage und ihrer fiskalisch geringen Bedeutung nicht entsprechend wurde die Erbschaftsteuerreform lebhaft und breit diskutiert. Intensiv wurde politisch um ihre Bemessungsgrundlage, noch mehr aber um Verschonungsregeln und um Tarife gerungen. Anlass für diese Reform waren jedoch nicht komplexe Details des Erbschaftsteuerrechts, Anlass war allein die ebenso einfache wie klare Feststellung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. 11. 2006, dass die Bewertung des Vermögens nicht verfassungsgemäß sei. Konkret sei die Erbschaftsteuer mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, da sie an Steuerwerte anknüpfe, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (wie z. B. Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genüge.1 Als Konsequenz hieraus müsse die Bewertung des anfallenden Vermögens einheitlich mit dem gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel erfolgen. Die für die Bewertung angewendeten Methoden müssten eine Bewertung aller Vermögensgegenstände mit einem Annäherungswert an den gemeinen Wert ermöglichen.2

1 Vgl. BVerfG, Urt. v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02. 2 Vgl. BVerfG, Urt. v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Nachdem seit Dezember 2007 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Erbschaftsteuer- Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz)3 zur Diskussion stand, wurden im Februar 2008 erste Diskussionsentwürfe des Bundesfinanzministeriums für Verordnungen zur Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, zur Bewertung von Anteils- und Betriebsvermögen sowie zur Bewertung von Grundvermögen veröffentlicht, die letztlich mit dem ErbStRG vom 24. 12. 2008 als neue §§ 199–203 im BewG wieder zu finden sind. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Bewertungsmethoden, die das neue Bewertungsrecht für Unternehmen bzw. Unternehmensanteile vorsieht, und geht dabei insbesondere auf das vereinfachte Ertragswertverfahren ein.

II. Bewertungsmethoden Zur Ermittlung des gemeinen Werts von Unternehmen (bzw. Anteilen an diesen) im Rahmen der Erbschaftsteuer sieht das neue Bewertungsgesetz in § 11 Abs. 1 und 2 BewG verschiedene Methoden vor.4 1. Börsenkurs/Verkaufspreis Das Ideal des Bewertungsgesetzes ist nach § 9 BewG der gemeine Wert, der durch den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis bestimmt wird. Folglich sieht das Bewertungsgesetz gemäß § 11 Abs. 1 BewG die Bewertung von börsengehandelten Wertpapieren mit dem niedrigsten an dem Stichtag bzw. in den letzten 30 Tagen gehandelten Kurs vor. Auch bei nicht börsengehandelten Anteilen an Kapitalgesellschaften soll nach § 9 Abs. 2 BewG der gemeine Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, abgeleitet werden. Fraglich ist, ob „Ableitung“ aus einem Verkaufspreis alleine die exakte Übertragung des Verkaufspreises bedeutet oder ob Berechnungsspielräume verbleiben. Das BewG spricht bereits selbst in § 11 Abs. 3 besondere Umstände an, in denen eine exakte Übertragung nicht angemessen ist. Die Finanzverwaltung hat daraus in der ErbStR R95 für Anteile von mehr als 25 % an einer Kapitalgesellschaft Paketabschläge definiert. Problematisch wird diese Frage, wenn sich der Wert der Kapitalgesellschaft seit dem letzten Verkauf unter Dritten geändert hat. 3 Vgl. BT-Drs. 16/7918 v. 28.1.2008. 4 Vgl. Piltz, Unternehmensbewertung im neuen Erbschaftsteuerrecht, DStR 2008 Heft 16, S. 746 ff.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung des DAX als Indikator für die Unternehmenswerte innerhalb des letzten Jahres, so ist festzustellen, dass dieser binnen eines Jahres um rund 40 % gesunken ist (vgl. Abbildung unten). DAX 8500

Kurs (in Euro)

8000

7500

7000

6500

6000

5500 10.07 11.07 12.07 01.08 02.08 03.08 04.08 05.08 06.08 07.08 08.08 09.08 Quelle: Bloomberg.

Die Entwicklung des VDAX, der die implizite Volatilität des DAX wiedergibt, im letzten Jahr zeigt, dass die normale jährliche Kursschwankung von deutschen Aktien zwischen 20 % und 40 % liegt (vgl. Abbildung unten. Aktuell ist die Volatilität deutlich höher). VDAX 35

Volatilität

30

25

20

15

10 10.07 11.07 12.07 01.08 02.08 03.08 04.08 05.08 06.08 07.08 08.08 09.08 Quelle: Bloomberg.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Eine implizite Volatilität von 40 % p. a. bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von über 30 % der Wert nach einem Jahr von dem gemessenen Wert um mehr als 40 % abweicht. In einer Zeit, in der Unternehmenswerte sich in einem Jahr mehr als halbieren können und der Markt erhebliche Schwankungen auch für die nächsten Monate erwartet, entspricht daher der letzte beobachtete Verkaufspreis, der bis zu 12 Monate alt sein kann, nicht automatisch dem gemeinen Wert am Bewertungsstichtag. Vielmehr wird der vom BVerfG verlangte Annäherungswert an den gemeinen Wert nur dann erreicht, wenn seit dem letzten Verkaufsvorgang eingetretene, klar erkennbare Marktentwicklungen in der Ableitung des gemeinen Werts aus dem Verkaufspreis durch Preisanpassungen berücksichtigt werden. 2. Substanzwert Sofern nicht Wertpapiere mit dem Börsenkurs gemäß § 11 Abs. 1 BewG bewertet werden gilt gem. § 11 Abs. 2 BewG der Substanzwert als Untergrenze des gemeinen Werts eine Kapitalgesellschaft bzw. eines Betriebsvermögens.5 Der Substanzwert entspricht laut Gesetz der Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen Aktiva abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge. Er ist damit als Summe der möglichen Einzelveräußerungserlöse ohne Abzug der Veräußerungskosten definiert. Aus bewertungsmethodischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass diese gesetzliche Definition nicht der betriebswirtschaftlichen entspricht. Der Substanzwert in der Betriebswirtschaftslehre ist der Reproduktionswert.6 Er ist somit eben nicht die Summe von möglichen Veräußerungserlösen, sondern im Gegenteil die Summe von möglichen Beschaffungskosten, die notwendig wären, um das Unternehmen zu reproduzieren. Der Substanzwert ist per definitionem rückwärtsgewandt und stellt auf ersparte Ausgaben ab, während Ertrags- und Liquidationswert in die Zukunft schauen und auf erwartete Einnahmenüberschüsse abstellen. Dabei werden im Ertragswert typischerweise künftige going concern Überschüsse geplant, im Liquidationswert künftige Liquidationsüberschüsse. Tatsächlich ist daher der in § 11 Abs. 2 BewG erwähnte Substanzwert ein unvollständiger Liquidationswert. Unvollständig deshalb, weil in einem vollständigen Liquidationswert neben der Summe der Liquidationserlöse

5 Vgl. Mannek, Diskussionsentwurf für eine Anteils- und Betriebsvermögensbewertungsverordnung – AntBVBewV, DB 2008 Heft 09, 423. 6 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 170 ff.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform auch die im Rahmen des Liquidationsprozesses anfallenden Liquidationskosten zu berücksichtigen sind. Fraglich ist, was aus dieser Unvollständigkeit folgt. Aus der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 2 BewG wird ersichtlich, dass ein Liquidationswert lediglich dann zur ermitteln sein soll, wenn feststeht, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll.7 Das steht im Widerspruch dazu, dass das BVerfG und das BewG grundsätzlich den Ertragswert als einen angemessenen Annäherungswert an den gemeinen Wert ansehen. Im Rahmen des Ertragswerts ist der Liquidationswert die Wertuntergrenze8, weil dieser den Barwert der künftigen Überschüsse bei bestmöglicher Verwertung darstellt. Somit ist m. E. der unter Einbezug von Liquidationskosten ermittelte Liquidationswert die Wertuntergrenze einer Bewertung nach BewG. Ob man dies aus dem gesetzlich erwähnten Substanzwert ableitet, indem man die Liquidationskosten als sonstige Abzüge i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG definiert oder indem man den Liquidationswert als Unterfall des Ertragswerts definiert, kann dahingestellt bleiben. 3. Andere anerkannte Methoden Neben den oben genannten Methoden können gemäß § 11 Abs. 2 BewG andere anerkannte übliche Methoden zur Ableitung des gemeinen Werts herangezogen werden. Hierunter dürften in erster Linie sogenannte Multiplikator-Methoden zu verstehen sein. Solche Multiplikator-Methoden vermitteln den Eindruck nah am Markt zu sein, weil sie am Markt beobachtbare Multiplikatoren verwenden. Verwendet man solche Multiplikatoren nicht einfach pauschal, sondern versucht man die tatsächlich gegebenen individuellen Unterschiede der Unternehmen zu berücksichtigen, zeigt sich, dass die dazu notwendigen Bereinigungen die selben Fragen aufwerfen wie eine Ertragsbewertung. Letztlich stellen diese Verfahren damit nur vereinfachte, pauschale Ertragsbewertungen dar, die allerdings den Vorteil haben auf sofort verfügbare Größen wie EBIT, EBITDA oder Umsatz abzustellen.

7 Vgl. Gesetzesbegründung. 8 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 140.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform

III. Durchführung der vereinfachten Ertragsbewertung Die Erbschaftsteuerreform sieht neben den oben genannten Bewertungsmethoden das Ertragswertverfahren vor, das in den §§ 199–203 BewG in Form des vereinfachten Ertragswertverfahrens weiter definiert wird. Nach dem Ertragswertverfahren leitet sich der Wert des Eigenkapitals eines erwerbswirtschaftlichen Unternehmens aus den künftigen unsicheren Zahlungsströmen ab, die der Eigenkapitalgeber zu erwarten hat. Ein solcher Unternehmenswert kann daher als Barwert aller künftigen Einnahmen-Ausgaben-Überschüsse des Unternehmens berechnet werden. Faktoren, die den Wert des Eigenkapitals beeinflussen, die jedoch auf diese Weise gar nicht oder nur sehr unvollständig abgebildet werden können, sind gesondert zu bewerten und dem Ertragswert hinzuzurechnen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren sieht sowohl für nicht betriebsnotwendiges Vermögen (§ 200 Abs. 2 BewG) sowie für Beteiligungen (§ 200 Abs. 3 BewG) und Vermögensgegenstände, die innerhalb von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag eingelegt wurden (§ 200 Abs. 4 BewG), eine gesonderte Bewertung vor. Die Ableitung des Ertragswerts (EW) beziehungsweise des vereinfachten Ertragswerts (vEW) stellen sich formal wie folgt dar: EW ¼

1 X

Xt 9 t þ NbV ð1 þ kÞ t¼0

Pt1 vEW ¼

t4 BEt =3 þ NbV þ Bet þ Einlt2 10 ði þ 4;5%Þ

1. Nachhaltig erzielbarer Jahresertrag Zur Ableitung der künftig erzielbaren Jahresüberschüsse ist eine Prognose erforderlich. Im klassischen Ertragswertverfahren umfasst die Prognose der zu erwartenden Überschüsse einen Detailplanungshorizont sowie die nachhaltig erzielbaren Überschüsse (ewige Rente). Im vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß BewG werden die zu erwartenden Überschüsse als Durchschnittsertrag der Betriebsergebnisse der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschafts-

9 Verwendete Parameter: X = erwartete Überschüsse; t = Zeit; k = Kapitalkosten; nbV = nicht betriebsnotwendiges Vermögen. 10 Verwendete Parameter: BE = Betriebsergebnis; i = Basiszinssatz; Bet = Beteiligungen; Einl = Einlagen.

70

Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform jahre angesetzt. Ist jedoch das Betriebsergebnis des laufenden Wirtschaftsjahres für die Ableitung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags bedeutsam, so kann dieses statt des drittletzten Jahres bei der Ermittlung des Durchschnitts angesetzt werden (§ 201 Abs. 2 BewG). Sofern sich das Unternehmen in dem 3-Jahres-Zeitraum nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geändert hat, kann auch von einem verkürzten Ermittlungszeitraum ausgegangen werden (vgl. § 201 Abs. 3 BewG). Ist das Bewertungsobjekt durch Umwandlung oder z. B. Einbringung von Betrieben entstanden, so sind die der Durchschnittsermittlung zugrundeliegenden früheren Betriebsergebnisse zu bereinigen (vgl. § 201 Abs. 3 BewG). Die Ableitung des Betriebsergebnisses ist in § 202 BewG, konkretisiert. Ausgangspunkt ist der Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG welcher um Hinzrechnungen und Kürzungen zu korrigieren ist (vgl. Abbildung).

Ableitung Betriebsergebnis gem. § 202 BewG Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 3 EStG + + + + + + =

Sonder-, Teilwertabschreibungen, erhöhte Abschreibungen, Zuführung zu steuerfreien Rücklagen sowie Bewertungsabschläge Absetzungen für Geschäfts- oder Firmenwerte oder firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter einmalige Veräußerungsverluste sowie außerordentliche Aufwendungen nicht enthaltene Investitionszulagen, sofern mit diesen in der Zukunft gerechnet werden kann Ertragsteueraufwand im Gewinnermittlungszeitraum Aufwendungen in Zusammenhang mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen, übernommene Verluste aus Beteiligungen Summe Hinzurechnungen

gewinnerhöhende Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen sowie Teilwertzuschreibungen - einmalige Veräußerungsgewinne sowie außerordentliche Erträge nicht enthaltene Investitionszulagen, sofern mit diesen in der Zukunft nicht gerechnet werden kann - angemessener Unternehmerlohn, sofern noch nicht berücksichtigt Erträge aus der Erstattung von Ertragsteuern im Gewinnermittlungszeitraum Erträge in Zusammenhang mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen, Beteiligungen = Summe Kürzungen -

+/=

Sonstige wirtschaftlich nicht begründete Vermögensminderungen, -erhöhungen

§ 202 Abs. 1 S.2 Nr. 1 a BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 1 b BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 1 c BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 1 d BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 1 e BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 1 f BewG

§ 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 a BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 b BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 c BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 d BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 e BewG § 202 Abs.1 S.2 Nr. 2 f BewG

§ 202 Abs.1 S.2 Nr. 3 BewG

Betriebsergebnis vor Steuern

Dem Gewinn im Sinne des Einkommensteuergesetztes sind etwaige Sonderabschreibungen oder erhöhte Abschreibungen sowie Bewertungsabschläge, Zuführung zu steuerfreien Rücklagen sowie Teilwertabschreibungen hinzuzurechnen, so dass nur die normalen Absetzungen für 71

Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Abnutzung berücksichtigt werden. Des Weiteren sind Geschäfts- oder Firmenwertabschreibungen dem Gewinn hinzuzurechnen. Einmalige Veräußerungsverluste, außerordentliche Aufwendungen sowie erwartete Investitionszulagen sind hinzuzurechnen. Aufgrund des Ansatzes einer typisierten Ertragssteuerbelastung in Höhe von 30 % bei der Ableitung des Betriebsergebnisses sind Ertragsteueraufwendungen und -erstattungen hinzuzurechnen bzw. zu kürzen. Die Kürzungen des einkommensteuerlichen Gewinns umfassen gewinnerhöhende Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen und Teilwertzuschreibungen, einmalige Veräußerungsgewinne sowie außerordentliche Erträge und vereinnahmte Investitionszulagen. Des Weiteren ist ein angemessener Unternehmerlohn abzuziehen, um die Rechtsformneutralität des Verfahrens zu gewährleisten. Effekte wie z. B. Verluste oder Erträge, die in Zusammenhang mit den gesondert zu bewertenden Wirtschaftsgütern stehen, sind bei der Ermittlung des Betriebsergebnisses zu eliminieren. Zur Bewertung der Sonderwerte vgl. Abschnitt III.4. Diese Hinzurechnungen und Kürzungen sind betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Auch ist verständlich, dass im Rahmen eines vereinfachenden Verfahrens auf Vergangenheitsdaten statt auf die eigentlich relevanten Plandaten zurückgegriffen wird. Problematisch ist dies jedoch dann, wenn die Vergangenheitsdaten eben keine gute Schätzung für die Zukunft darstellen, sondern zu einer systematischen Fehlbewertung führen. Betrachtet man Wertentwicklungen (Börsenkurse) im Vergleich zu Ergebnisentwicklungen zeigt sich, dass grundlegende Veränderungen der wirtschaftlichen Lage sich in den Werten schon niederschlagen, bevor sich die Ergebnisentwicklung ändert. Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung sowohl der Summe des Gesamteinkommens (vor außerordentlichen Einkommen) der Unternehmen des CDAX als auch des Medians über die letzten Jahre und vergleicht diese mit der Entwicklung des CDAX selbst, so zeigt sich folgendes Bild:

72

800

80,00

700

70,00

600

60,00

500

50,00

400

40,00

300

30,00

200

20,00

100

10,00

Median (in Mio. Euro)

CDAX Index / Total Sum of Income Before XO*

Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform

CDAX Summe Median

0,00

Quelle: Bloomberg.

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

0

Jahr

Übertragen auf die jetzige Situation ist festzustellen, dass die Unternehmenswerte (Börsenkurse, Ertragswerte) durch die allgemeine Wirtschaftskrise deutlich abgesunken sind, wohingegen in den vereinfachten Ertragswert noch eine ganze Zeit die hohen Erträge der letzte drei Jahre einfließen und so zu systematisch nach oben verzerrten vereinfachten Ertragswerten führen dürften. 2. Kapitalisierungsfaktor Zur Ableitung des Eigenkapitalwerts des Unternehmens ist der Barwert des nachhaltig erzielbaren Jahresüberschusses zu ermitteln. Dies erfolgt gemäß § 200 Abs. 1 BewG durch Multiplikation des Jahresertrags mit dem Kapitalisierungsfaktor, welcher den Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes darstellt (§ 203 Abs. 3 BewG). Der Kapitalisierungszinssatz stellt grundsätzlich die Rendite einer zum Bewertungsobjekt adäquaten Alternativanlage dar.11 Der im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens angesetzte Kapitalisierungszinssatz setzt sich gemäß § 203 Abs. 1 BewG aus einem Basiszinssatz und einem Zuschlag in Höhe von 4,5 % zusammen.

11 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 114.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Der Basiszinssatz ist aus einer langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Das Bundesministerium der Finanzen wird den für die Bewertung maßgeblichen Zinssatz anhand von Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank zum ersten Werktag des Jahres ermittelten (§ 203 Abs. 2 BewG) und im Bundessteuerblatt veröffentlichen. Die Ableitung des Basiszinssatzes entspricht grundsätzlich der Empfehlung des IDW, den Basiszinssatz ausgehend von aktuellen Zinsstrukturkurven und zeitlich darüber hinausgehenden Prognosen abzuleiten.12 Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium der Finanzen diesen Basiszinssatz mit 3,61 % für 2009 veröffentlicht. Der aktuell nach den Empfehlungen des IDW im Rahmen des Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 ermittelte Basiszinssatz beträgt hingegen 4,25 %. Der Unterschied erklärt sich aus der Betrachtung unterschiedlicher Laufzeiten (IDW: 30 JahresDurchschnitt, BFinMin: 15 Jahre) und der finanzkrisenbedingten extremen Schwankungen der Zinssätze, die nach den Empfehlungen des IDW mittels einer Durchschnittsbildung über die Daten der letzten drei Monate geglättet wird. Die zweite Komponente des Kapitalisierungszinssatzes ist gemäß § 203 Abs. 1 BewG der Zuschlag in Höhe von 4,5 %, der als Risikozuschlag zu interpretieren ist. In der Bewertungspraxis reflektiert dieser Risikozuschlag das allgemeine Marktrisiko in Form einer Marktrisikoprämie (MRP), die um das unternehmensindividuelle Risiko mittels eines Betafaktors angepasst wird.13 Zieht man die aktuellen Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) (vgl. Abbildung unten) hinsichtlich der Höhe der Marktrisikoprämie heran, so lässt sich eine Bandbreite der Marktrisikoprämie in Abhängigkeit vom Bewertungsstichtag und dem geltenden Steuerrecht zwischen 4,5 % und 5,5 % feststellen.14

12 Vgl. www.idw.de/idw/portal/d585402/index.jsp. 13 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 119 ff. 14 Vgl. Ergebnisbericht-Online über die 95. Sitzung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB), 2008, S. 4.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform 1. Ausgangslage: Halbeinkünfteverfahren für Dividenden, Kursgewinne steuerfrei

Bewertungsstichtage bis 6. Juli 2007

MRPvSt 4,5 % MRPnSt 5,5 %

2. Abgeltungssteuer für Dividenden und Basiszinssatz, Kursgewinne noch steuerfrei

möglich für Bewertungsstichtage 7. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008

MRPvSt 5,0 % MRPnSt

3. Zusätzlich zu 2. Veräußerungsgewinnbesteuerung

spätestens für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 2009

MRPvSt 5,0 % MRPnSt 4,5 %

in % 3,5

4,0

4,5

5,0

5,5

6,0

6,5

Quelle: Ergebnisbericht-Online über die 95. Sitzung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB), S. 4.

Dimson/Marsh/Stauton haben in einer Studie die Equity Risk Premiums verschiedener Länder über die Jahre 1900 bis 2002 im Vergleich zu Bills (Laufzeit unter einem Jahr) und Bonds (Laufzeiten über einem Jahr) betrachtet (vgl. hierzu unten stehende Abbildung). Die durchschnittliche weltweite Equity Risk Premium liegt, abhängig von der Art der Berechnung, zwischen 3,8 % und 5,7 %. Sowohl der im Entwurf der Rechtsverordnung vorgeschlagene Zuschlag als auch die Empfehlungen des FAUB liegen innerhalb dieser Bandbreite.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Equity Risk Premium around the world 1900 – 2002 Equity risk premium (percent per year) Relative to bills Relative to bonds Geometric Mean

Australia Belgium Canada Denmark France Germany Ireland Italy Japan The Netherlands South Africa Spain Sweden Switzerland United Kingdom United States Average World

6,8 2,2 4,2 2,2 6,4 3,9 3,6 6,3 6,1 4,3 5,9 2,8 5,2 3,2 4,2 5,3 4,5 4,4

Artihmetic Mean

8,3 4,4 5,5 3,8 8,9 9,4 5,5 10,3 9,3 6,4 7,9 4,9 7,5 4,8 5,9 7,2 6,9 5,7

SD

17,2 23,1 16,8 19,6 24,0 35,5 20,4 32,5 28,0 22,6 22,2 21,5 22,2 18,8 20,1 19,8 22,8 16,5

Geometric Mean

6,0 2,1 4,0 1,5 3,6 5,7 3,2 4,1 5,4 3,8 5,2 1,9 4,8 1,4 3,8 4,4 3,8 3,8

Artihmetic Mean

7,6 3,9 5,5 2,7 5,8 9,0 4,8 7,6 9,5 5,9 6,8 3,8 7,2 2,9 5,1 6,4 5,9 4,9

SD

19,0 20,2 18,2 16,0 22,1 28,8 18,5 30,2 33,3 21,9 19,4 20,3 22,5 17,5 17,0 20,3 21,6 15,0

Quelle: Dimson/Marsh/Staunton: Global Evidence of the Equity Risk Premium.

Nach IDW S 1 ist die Marktrisikoprämie durch Multiplikation mit dem Betafaktor an das unternehmensindividuelle Risiko anzupassen und so eine unternehmensindividuelle Risikoprämie abzuleiten.15 Der Betafaktor ist ein Maß für die Schwankung der betrachteten Aktie im Vergleich zu einem Aktienindex und somit ein Maß für das unternehmensindividuelle Risiko.16 Der Ansatz eines Zuschlags in Höhe von 4,5 % gemäß § 203 Abs. 1 BewG berücksichtigt einen impliziten Betafaktor in Höhe von 1,0. Auf dem Markt ist jedoch eine breite Streuung von Betafaktoren abhängig von der Branche und unternehmensindividuellen Gegebenheiten festzustellen. Beispielsweise wiesen die Mitgliedsunternehmen des DAX zum 31. 10. 2008 eine Bandbreite des levered raw Beta (2 Jahre wöchentlich) von 0,52 (Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA) bis 1,91 (Hypo Real Estate Holding AG) auf. Der Ansatz eines einheitlichen Risikozuschlags ignoriert diese Tatsache jedoch und führt somit zu systematisch falschen Ergebnissen. 15 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 120. 16 Vgl. zur Berechnung des Betafaktors IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 121.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform Bei der Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes für das nachhaltige Ergebnis im Rahmen des normalen Ertragswertverfahrens ist dieser um einen Wachstumsabschlag zu mindern, um der Erwartung wachsender finanzieller Überschüsse Rechnung zu tragen.17 In der Bewertungspraxis sind Wachstumsabschläge zwischen 0,5 % bis 2,0 % üblich. Das vereinfachte Ertragswertverfahren, wie es in der Anteils- und Betriebsvermögensbewertungsverordnung konkretisiert wird, sieht jedoch keinen Wachstumsabschlag vor. Dies führt zu systematischen Unterbewertungen, die zwischen 5 % und 30 % betragen können. 3. Gesondert bewertetes Vermögen § 200 BewG sieht vor, dass verschiedene Vermögensgegenstände gesondert zu bewerten sind. Zum einen ist nicht betriebsnotwendiges Vermögen, welches aus der Gesellschaft herausgelöst werden kann ohne die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu beeinflussen, gesondert mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 200 Abs. 2 BewG).18 Daneben sieht die Verordnung eine gesonderte Bewertung von Beteiligungen, die vom Bewertungsobjekt gehalten werden (§ 200 Abs. 3 BewG) sowie von Wirtschaftsgütern, die in einem Zeitraum von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag in das Unternehmen eingelegt wurden, und mit ihnen in Zusammenhang stehenden Schulden vor (§ 200 Abs. 4 BewG).

IV. Fazit Mit dem vereinfachten Ertragswert hat der Steuergesetzgeber ein Verfahren implementiert, dass seiner Idee nach der Methodik der regulären Ertragswertmethode folgt, in der konkreten Ableitung der entscheidenden Größen (Ertrag in Zähler und Zinssatz im Nenner) jedoch weitgehende pauschalierende Vereinfachungen vornimmt und damit die individuellen Verhältnisse des Unternehmens unberücksichtigt lässt. Der vereinfachte Ertragswert selbst stellt aufgrund seiner rigorosen Pauschalierung nicht per se einen guten Annäherungswert an den gemeinen Wert dar. Solange es dem Steuerpflichtigen und dem Fiskus möglich ist, bei Abweichungen des vereinfachten Ertragswerts vom gemeinen Wert (dem i. d. R. der reguläre Ertragswert näher kommen dürfte) von dem vereinfachten Ertragswert auf ein realitätsnäheres Verfahren zu wechseln, 17 Vgl. IDW-Fachnachrichten, Unternehmensbewertung IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008), 7/08, Rdn. 122. 18 Vgl. hierzu auch die Erläuterungen zum nicht betriebnotwendigen Vermögen gem. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rdn. 59 ff.

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Jonas, Unternehmensbewertung nach der Erbschaftsteuerreform könnte man in der Regel-Ausnahme-Kombination von widerlegbarem vereinfachtem Ertragswert und alternativem Wertansatz eine gute Annäherung an den gemeinen Wert sehen. Problematisch daran ist, dass der Nachweis eines vom vereinfachten Ertragswert abweichenden gemeinen Werts mittels Wertgutachten oder ähnlicher Wertnachweise aufwendig ist. Dies könnte dazu führen, dass in großen Erbfällen eine Annäherung an den gemeinen Wert erfolgt, indem dort die Werte mit aufwendigen Gutachten belegt werden, während in kleineren Erbfällen auch deutliche Abweichungen vom gemeinen Wert unwiderlegt stehen bleiben.

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Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Dipl.-Finw. Wilfried Mannek Inhaltsübersicht

I. Ausgangslage 1. Umfang der angestrebten Befreiung 2. Verfassungsrechtlich gebotene Zielgenauigkeit der Verschonung 3. Eingrenzung des begünstigten Vermögens 4. „Alles-oder-nichts-Prinzip“ II. Definition und Umfang des Verwaltungsvermögens 1. „Begünstigungsfähiges“ Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG 2. Verwaltungsvermögen 2.1 Regelverschonung 85 % 2.2 Optionsmodell Vollbefreiung 2.3 Definition des Verwaltungsvermögens III. Berechnung der 50 %-Quote (10 %-Quote) 1. Formel zur Berechnung der Quote 2. Brutto-Netto-Vergleich 3. Verwaltungsvermögen von mehr als 100 % 4. Unternehmenswert beeinflusst die Quote 5. Feststellungserklärung und doppelte Bewertung

IV. Faktoren mit Einfluss auf die 50 %-Quote (10 %-Quote) 1. Reaktionsvermögen des Gesetzes auf Ausweichverhalten 2. Verkauf von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens 3. Umgehung durch Gründung von Tochtergesellschaften 4. Konzernklausel 5. Wohnungsunternehmen 6. Hotels, Parkhäuser, Gaststätten 7. Leerstand von Gebäuden 8. Geldvermögen 8.1 Beispiel 1 – Wertpapiere im Betriebsvermögen – 8.2 Beispiel 2 – Geldeinlage in das Betriebsvermögen – 8.3 Geldeinlagen können die Quote verbessern V. Problematik der Lohnsummenund Behaltensregelung 1. Lohnsummenregelung 1.1 Ursprünglich vorgesehene 70 %-Regelung 1.2 Realisierung der Lohnsummen durch das ErbStRG 1.3 Lohnsumme bei einer Holding 2. Risiken des Schenkers bei Insolvenz des Erwerbers VI. Nicht realisierte Alternative: NRW-Modell 1. Vorteile des NRW-Vorschlags VII. Ausblick

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen

I. Ausgangslage Die bis 2008 mögliche Kombination von Bewertung und Begünstigung des betrieblichen Vermögens führte gegenüber anderen Vermögensgegenständen zu einer relativ niedrigen steuerlichen Belastung. Darüber hinaus nutzten die steuerlichen Berater diese Kombination als gezielte Gestaltungsmöglichkeit, um die Erbschaft-/Schenkungsteuer zu reduzieren. Häufig wurde dazu eine weitgehend risikolose Beteiligung an einer GmbH & Co KG eingesetzt, so dass auch bei der unentgeltlichen Übertragung von sehr hohen Vermögenswerten keine Steuerbelastung zu befürchten war. Diese Gestaltungsmöglichkeiten wurden von der Finanzverwaltung kritisch gesehen. Jedoch musste die steuerliche Konsequenz angesichts des klaren gesetzlichen Wortlauts hingenommen werden. 1. Umfang der angestrebten Befreiung Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vom 11. 11. 2005 das Ziel gesetzt, betriebliche Vermögen vollständig von der Belastung durch Erbschaft-/Schenkungsteuer zu befreien. Weil dadurch bestimmte Vermögensgegenstände noch stärker als bisher von der Erbschaft-/Schenkungsteuer entlastet werden sollen, sind Regelungen unverzichtbar, die das zu begünstigende Vermögen zielgenau beschreiben. Somit ist nachvollziehbar, dass die neuen gesetzlichen Regelungen dafür sorgen sollen, dass die bisher zur Steuervermeidung eingesetzten Modelle, insbesondere das GmbH & Co KG-Modell, von der künftigen Befreiung des betrieblichen Vermögens ausgeschlossen bleiben. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. 11. 20061 sind – weiterhin – Verschonungsregelungen zulässig. Allerdings ist zuerst eine Bewertung aller Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert zu realisieren. Erst danach sind zielgenaue Verschonungen grundsätzlich zulässig. Eine – optional vorgesehene – Vollbefreiung erfordert ebenso wie die von der Bundesregierung angestrebte Teilbefreiung von 85 % eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Begünstigung. Deshalb muss die Definition des begünstigten Vermögens zwei Anforderungen erfüllen. – Einerseits müssen die bisherigen leicht möglichen Steuerumgehungen wirksam verhindert werden. – Andererseits muss die Definition des begünstigten Vermögens die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für eine Befreiung von 85 % sicherstellen. 1 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2007 – 1 BvL 10/02, BStBl. I 2007, 192.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen 2. Verfassungsrechtlich gebotene Zielgenauigkeit der Verschonung Beide Anforderungen erfüllt die problematische Definition des begünstigten Vermögens m. E. nur unzureichend. Ursächlich für diesen Eindruck sind beispielsweise die ungeklärten oder unbefriedigenden Regelungen – bei Poolvereinbarungen, – bei Betriebsaufspaltungen, – bei Konzernfällen, – bei Wohnungsunternehmen, – beim Geldbestand, – beim Wertpapierbegriff – und insbesondere bei der Berechnung der 50 %-Quote. Kaum plausibel erscheint beispielsweise, dass einerseits ein kleines zum Betriebsvermögen gehörendes vermietetes Grundstück zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehört und andererseits bei der Vermietung eines wertvollen Schiffes oder Flugzeugs insoweit keine Zurechnung zum schädlichen Verwaltungsvermögen erfolgt. Dabei ist anzumerken, dass auch der angestrebte Umfang der Befreiung nicht plausibel erscheinen muss. Eine Vollbefreiung für bestimmte Vermögensgegenstände erscheint ebenso wie eine Befreiung von 85 % angesichts der – insbesondere in Erbfällen – kaum auflösbaren Nähe zu anderen Vermögensgegenständen sehr hoch. Weitere Verwunderung kann allein die Bandbreite der unterschiedlichen Befreiungen auslösen. Wenn bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer künftig betriebliche Vermögen optional gar nicht, im Regelfall nur mit 15 %, vermietete Wohngrundstücke mit 90 % und die übrigen Wirtschaftsgüter mit 100 % des gemeinen Werts erfasst werden, spiegelt dies eine überaus große Bandbreite von Befreiungen wider. Ob diese Bandbreite die verfassungsrechtliche gebotene Zielgenauigkeit der Begünstigung sicherstellt, erschließt sich m. E. nicht unmittelbar. Soweit also die Verfassungsfestigkeit der Erbschaftsteuerreform in Frage gestellt wird, kann das allein wegen des unterschiedlichen Umfangs der Befreiungen berechtigt sein. 3. Eingrenzung des begünstigten Vermögens Unabhängig von der Frage, wie der Umfang der unterschiedlichen Befreiungen zu würdigen ist, soll hier eine Auswahl von besonderen Aspekten der neuen Regelungen untersucht werden, die für eine Befreiung von 81

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen 100 % bzw. 85 % vorauszusetzen sind. Eine vollständige Untersuchung aller Aspekte soll hier nicht erfolgen. Dabei ist interessant, wie der Gesetzgeber auf die bisherigen Gestaltungsmöglichkeiten reagiert hat. Denn die GmbH & Co KG-Modelle waren der Finanzverwaltung schon lange ein Dorn im Auge. Angesichts der klaren gesetzlichen Regelungen bestand jedoch keine Möglichkeit, vermögensverwaltende Unternehmen bei entsprechender Gestaltung von den Steuervorteilen auszuschließen. Die Definition und die Bestimmung des Umfangs des begünstigten Vermögens ist im Rahmen der Erbschaftsteuerreform mehrfach geändert worden. Zunächst enthielt der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3. 11. 2006 zur „Erleichterung der Unternehmensnachfolge“2 eine Definition, wann betriebliches Vermögen begünstigt werden soll. Die Unterscheidung in „produktives“ Vermögen und „nicht produktives“ Vermögen sowie die Prüfung, ob ein positiver Saldo zwischen dem Wert des nicht produktiven Vermögens und den insgesamt im Unternehmen vorhandenen Schulden vorliegt, wurde stark kritisiert. Zudem erschien die Regelung kompliziert. Dennoch muss man zugeben, dass ein Betrieb bei der Definition des nicht produktiven Vermögens in der Fassung des Gesetzentwurfs vom 3. 11. 2006 zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge nur in extremen Fällen von der Vergünstigung ausgeschlossen werden könnte. Ursächlich für diese Annahme ist in erster Linie die durchschnittliche Kapitalquote von Unternehmen. Denn der relativ hohe Schuldenstand hätte in den meisten Fällen dafür gesorgt, dass sich kein positiver Saldo zwischen dem nicht produktiven Vermögen und den insgesamt vorhandenen Schulden ergeben hätte. Somit wäre es in der Praxis nur höchst selten dazu gekommen, dass ein Betrieb teilweise von der Begünstigung ausgeschlossen worden wäre. 4. „Alles-oder-nichts-Prinzip“ Das mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz realisierte „Alles-oder-nichtsPrinzip“ erscheint zwar einfacher als die Berechnung eines „positiven Saldos“. Die Folgen sind jedoch in zweifacher Hinsicht wesentlich belastender für die Unternehmen. – Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts wird gegenüber dem Gesetzentwurf zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge wesentlich mehr Unternehmen wegen der Art der Berechnung der schädlichen 50 %-Quote des Verwaltungsvermögens von vornherein aus dem Kreis der begünstigten Unternehmen ausschließen. Das gilt erst recht in den Fällen, in denen die 2 Vgl. BR-Drucks. 778/06.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Vollbefreiung beantragt wird, für die eine 10 %-Quote erfüllt werden muss. – Sobald die 50 %-Grenze überschritten ist, entfällt die Begünstigungsmöglichkeit in vollem Umfang. Das bedeutet, der Verschonungsabschlag entfällt nicht nur für den übersteigenden Teil des Verwaltungsvermögens, sondern für den gesamten Wert des Unternehmens. Damit wird deutlich, dass dem „50 %-Test“ bzw. dem „10 %-Test“ große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dies kann in der gestaltenden Beratung insbesondere bei Unternehmen mit vielen Beteiligungen bzw. Konzernstrukturen recht zeitaufwendig sein, weil die Entscheidung, ob das Verwaltungsvermögen überwiegt, auch von der Quote des Verwaltungsvermögens der Beteiligungen abhängt. Für die Finanzverwaltung stellt sich das Problem des Arbeitsaufwands zwar in gleicher Weise. Jedoch führt dies nur zu verzögerten Steuerfestsetzungen. Der Steuerzahler muss dagegen von dem Ergebnis des 50 %-Tests bzw. des 10 %-Tests und den daraus resultierenden Steuererwartungen seine eigentliche Entscheidung abhängig machen, ob er seinen Betrieb übertragen kann.

II. Definition und Umfang des Verwaltungsvermögens 1. „Begünstigungsfähiges“ Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG Vermögen soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann verschont werden, wenn es in § 13b Abs. 1 ErbStG aufgeführt ist. Bei dem dort genannten Vermögen handelt es sich um das an sich „begünstigungsfähige“ Vermögen. Dazu gehören – vorbehaltlich der nach § 13b Abs. 2 ErbStG erforderlichen zusätzlichen Voraussetzungen – im Einzelnen: – der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes) mit Ausnahme der Stückländereien (§ 168 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes) und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes sowie entsprechendes land- und forstwirtschaftliches Vermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient; Erläuterung: Das begünstigte Vermögen bei inländischen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben soll weitgehend dem bereits bisher nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögen entsprechen. Einbezogen in die Begünstigung wird künftig dem inländischen begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögen entsprechendes Vermögen in den anderen EU-Mit83

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen gliedstaaten und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Zunächst war ein anderer Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 1 vorgesehen. Die verabschiedete Fassung resultiert aus einer Folgeänderung zu der geänderten Abgrenzung der Stückländereien im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 160 Abs. 7 BewG). – inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 des Bewertungsgesetzes) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient; Begründung: Bei inländischem Betriebsvermögen geht die Prüfung, inwieweit begünstigtes Vermögen vorliegt, wie bisher von dem Vermögen aus, das ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen gehört. Einbezogen in die Begünstigung wird künftig dem inländischen begünstigten Betriebsvermögen entsprechendes Vermögen in den anderen EU-Mitgliedstaaten und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. – Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 Prozent unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung). Ob der Erblasser oder Schenker die Mindestbeteiligung erfüllt, ist nach der Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter unwiderruflich untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben. Begründung: Als Mindestbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft, für die die Vergünstigung gewährt wird, gilt wie nach dem bisherigen § 13a ErbStG eine Beteiligung von mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft seitens des Erblassers oder Schenkers zum Zeitpunkt der Übertragung. Die Beteiligungsgrenze von 25 % ist ein Indiz dafür, dass der Anteilseigner unternehmerisch in die Gesellschaft eingebunden ist und nicht nur 84

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen als Kapitalanleger auftritt. Angesichts der Tatsache, dass der Fortbestand einer Kapitalgesellschaft und der mit ihrer Tätigkeit verbundenen Arbeitsplätze ohnehin weitgehend unabhängig vom Gesellschafterbestand ist, gäbe es hierfür ansonsten keine Rechtfertigung. Zwar ist anzuerkennen, dass auch in einer Familientradition befindliche Unternehmen mit Gesellschaftern, die diese Mindestquote nicht erreichen, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen. Die erforderlichen Feststellungen belasten jedoch nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Gesellschaften. Bei Einbeziehen von Streubesitzbeteiligungen steigt der Aufwand überproportional für die Feststellungen, inwieweit das Vermögen der Gesellschaft zum begünstigten Vermögen gehört. Die Gesellschaft muss bei ihren Dispositionen stets auch mögliche steuerschädliche Folgen für ihre Gesellschafter berücksichtigen. Es erscheint daher sinnvoll, eine Mindestbeteilungsquote einzuführen, die Nutzen und Aufwand in einem vernünftigen Maß hält. In sog. Familien-Kapitalgesellschaften, deren Anteile über mehrere Generationen hinweg weitergegeben wurden, erreichen die Anteile der einzelnen Familiengesellschafter häufig nicht mehr die Mindestbeteiligungsquote. Die Unternehmensgründer oder die Nachfolger haben aber häufig dafür gesorgt, dass die Anteile nicht beliebig veräußert werden können und der bestimmende Einfluss der Familie erhalten bleibt. Deren Unternehmensgrundsätze und unternehmerische Praxis bilden ein deutliches Gegengewicht zu Publikumsgesellschaften und erzielen weit mehr Beschäftigungswirkung. Daher erscheint es angebracht, solche Anteile in die Stundungsregelung einzubeziehen. Eine einheitliche Stimmrechtsausübung bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Dies ist in unterschiedlicher Weise geregelt. Neben der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichts- oder Leitungsgremiums kann die einheitliche Stimmrechtsausübung auch dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht verzichten oder die Anteile von vornherein stimmrechtslos sind. Voraussetzung für die Einbeziehung der Anteile in die Entlastung ist daher nicht, dass der konkrete Anteil ein Stimmrecht einräumt. Ferner ist nicht erforderlich, dass die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft ausschließlich durch Anteilseigner (Familienmitglieder) erfolgt. Aufgrund früherer Verfügungen werden häufig andere Personen mit unternehmerischem Sachverstand und Vertreter der Arbeitnehmer einbezogen. Die Erleichterungen für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei der deutschen Erbschaftsteuer gelten bisher nur, wenn die Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Einbezogen in die neue Begünstigung werden künftig auch entsprechende 85

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in den anderen EU-Mitgliedstaaten und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. 2. Verwaltungsvermögen Das an sich „begünstigungsfähige“ Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG gehört „faktisch“ immer dann insgesamt nicht zum begünstigten Vermögen, wenn es überwiegend aus Verwaltungsvermögen besteht. Die Ausnahmeregelung in § 13b Abs. 2 ErbStG entspricht einem „Alles-odernichts-Prinzip“. Überwiegt das Verwaltungsvermögen nicht, ist das gesamte Vermögen begünstigt. 2.1 Regelverschonung 85 % Der Verschonungsabschlag von 85 % ist somit nur möglich, wenn – bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft deren Vermögen – bei Gewerbebetrieben deren Betriebsvermögen – und bei Anteilen an Kapitalgesellschaften deren Betriebsvermögen jeweils nicht zu mehr als 50 % aus sog. „Verwaltungsvermögen“ besteht. Begründung zu § 13b Abs. 4 ErbStG: Im Hinblick auf die weit reichenden, durch das Einkommensteuerrecht geschaffenen Möglichkeiten, Vermögensgegenstände, die nicht ihrer Natur nach der privaten Lebensführung dienen, zu „gewillkürtem“ Betriebsvermögen zu erklären, sieht das Gesetz eine typisierende pauschalierte Festlegung des begünstigten Betriebsvermögens vor, ohne zu einer kaum administrierbaren gegenständlichen Abgrenzung greifen zu müssen. Fast in jedem Betrieb sind solche Vermögensgegenstände vorhanden, weil sie für operative Zwecke benötigt werden. Der Anteil des begünstigten Vermögens wird auf 85 Prozent festgelegt. 2.2 Optionsmodell Vollbefreiung Neu ist die so genannte Optionsverschonung.3 Die erst im Rahmen des Kompromisses der Koalitionsfraktionen eingefügte Vorschrift räumt dem Betriebsnachfolger die Option ein, eine Vollbefreiung zu beantragen. Er kann also – unwiderruflich – wählen, ob er eine Verschonung zu 85 % oder zu 100 % des begünstigten Vermögens in Anspruch nehmen will. Er kann den Antrag auf Vollbefreiung bis zur (formellen) Bestandskraft der 3 § 13a Abs. 8 ErbStG.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Steuerfestsetzung stellen. Im Regelfall muss er 15 % des Verkehrswertes des Betriebsvermögens versteuern. Wählt er die vollständige Steuerfreiheit des begünstigten Vermögens, muss er allerdings strengere Voraussetzungen einhalten. Dazu gehört zunächst die Verpflichtung, den Betrieb nicht nur für einen Zeitraum von sieben Jahren, sondern von zehn Jahren fortzuführen. Außerdem muss er nach Ablauf von zehn Jahren nicht nur eine Mindestlohnsumme von 650 %, sondern von 1.000 % vorweisen. Zur Eingangsvoraussetzung für die Vollbefreiung gehört die strengere Grenze für das Verwaltungsvermögen. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs darf das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 10 % des Unternehmenswerts betragen. Wenn schon die 50 %-Grenze wegen der Art der Berechung in der Praxis problematisch werden kann, dürfte die noch strengere 10 %-Grenze noch häufiger zum Ausschluss der Vollbefreiung führen. Daher kommt der Frage, was zum Verwaltungsvermögen gehört und nach welchem Verhältnis die maßgebende Quote des schädlichen Verwaltungsvermögens zu berechnen ist, entscheidende Bedeutung zu. 2.3 Definition des Verwaltungsvermögens Nach dem Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde im Gesetzentwurf der Begriff des Verwaltungsvermögens hinsichtlich der Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke zunächst zu weit gefasst. Dies hätte nach der Vorstellung des Finanzausschusses bewirkt, dass auch solches Betriebsvermögen aus den Begünstigungen ausgenommen sein kann, das unmittelbar einem Betrieb und zugleich dem Erhalt von Arbeitsplätzen dient. Deshalb ist die Definition des Verwaltungsvermögens in der Weise geändert worden, dass die ohnehin bereits vorgesehenen Ausnahmen vom Verwaltungsvermögen noch stärker ausgeweitet wurden. Die im ursprünglichen Gesetzentwurf zur „Erleichterung der Unternehmensnachfolge“ im Falle der Nutzungsüberlassung ebenfalls zum nicht begünstigten Vermögen gehörenden Seeschiffe, Flugzeuge, Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten qualifiziert das ErbStRG dagegen nicht mehr als Verwaltungsvermögen. Der Finanzausschuss vertritt ausdrücklich die Auffassung, dass bei Beherbergungsbetrieben überlassene Räume nicht zum Verwaltungsvermögen gehören. Das gewerbliche Leistungsbild schließt ein Bündel von zusätzlichen Dienstleistungen (Zimmerservice, Frühstück usw.) ein, die nur einheitlich angeboten und in Anspruch genommen werden. 87

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Zum Verwaltungsvermögen gehören nach § 13b Abs. 2 ErbStG: – Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten. Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn – der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte, und diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt; – die Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt, welche beim Verpächter zu Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes führt und – der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter durch eine letztwillige Verfügung oder eine rechtsgeschäftliche Verfügung als Erben eingesetzt hat oder – die Verpachtung an einen Dritten erfolgt, weil der Beschenkte im Zeitpunkt der Steuerentstehung den Betrieb noch nicht führen kann, und die Verpachtung auf höchstens zehn Jahren, befristet ist; hat der Beschenkte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, beginnt die Frist mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. – Dies gilt nicht für verpachtete Betriebe, die vor ihrer Verpachtung die Voraussetzungen als begünstigtes Vermögen nach Absatz 1 und Satz 1 nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die nicht unter Buchstabe d fallen; – sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern im Sinne des § 4h des Einkommensteuergesetzes gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt; – die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Abs. 9 des Bewertungsgesetzes besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert; 88

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen – Grundstücke an Dritte zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden; – Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 Prozent oder weniger beträgt und sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. 1998 I, 2776), zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. 2008 I, 2026), oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 de Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I, 2), zuletzt geändert durch Artikel 4 und Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Oktober 2008 (BGBl. 2008 I, 1982), zuzurechnen sind. Ob diese Grenze unterschritten wird, ist nach der Summe der dem Betrieb unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern nur einheitlich ausüben; – Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes und an entsprechenden Gesellschaften im Ausland sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Nummer 2 fallen, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 Prozent beträgt; – Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, die nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. 1998 I, 2776), zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. 2008 I, 2026), oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I, 2), zuletzt geändert durch Artikel 4 und Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Oktober 2008 (BGBl. 2008 I, 1982), zuzurechnen sind; – Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, wenn der Handel mit diesen Gegenständen oder deren Verarbeitung nicht der Hauptzweck des Gewerbebetriebs ist.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Kommt Satz 1 nicht zur Anwendung, gehört solches Verwaltungsvermögen im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 bis 5 nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des Absatzes 1, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs; für Grundstücksteile des Verwaltungsvermögens ist der ihnen entsprechende Anteil am gemeinen Wert des Grundstücks anzusetzen. Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ist als Vergleichsmaßstab der Wert des Wirtschaftsteils (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes) anzuwenden.“

III. Berechnung der 50 %-Quote (10 %-Quote) Die Vorstellung, dass der Unternehmer vor einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs Wirtschaftsgüter, die bisher zum privaten Bereich gehörten, kurz vor dem Besteuerungszeitpunkt in das Betriebsvermögen einbringt, und die Quote voll auszunutzen und für den – höheren – Wert des Betriebsvermögens den Verschonungsabschlag zu erhalten, ist m. E. mehr theoretischer Natur. Denn es dürfte fraglich sein, ob tatsächlich so viele Betriebe in der Lage sein werden, ein Vermögen vorzuweisen, das weitgehend frei von Verwaltungsvermögen ist. Denn nur in diesen Fällen kann sich die Verlagerung von privaten Wirtschaftsgütern in den betrieblichen Bereich lohnen. Sofern im Einzelfall die Quote des Verwaltungsvermögens sehr niedrig ist, ist es selbstverständlich möglich, weitere Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens in den betrieblichen Bereich einzubringen, sofern die Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen qualifiziert werden können. Solange die Quote des Verwaltungsvermögens auch nach Einbringung dieser Wirtschaftsgüter nicht größer ist als 50 %, erhält der gesamte Betrieb – also einschließlich der eingebrachten Wirtschaftsgüter – den Verschonungsabschlag von 85 %. Insofern kann eine Verlagerung von Wirtschaftsgütern in den Bereich des gewillkürten Betriebsvermögens günstig auf die insgesamt zu erwartende Steuerbelastung wirken. Das gilt erst recht, wenn die 10 %-Quote erfüllt werden kann, weil der Steuerzahler dann in den Genuss der Vollbefreiung kommt. Die Einbringungsvorgänge mit dem Ziel, die Begünstigungen optimal ausnutzen zu können, dürften häufig im Ergebnis nicht sehr erfolgreich sein. Denn die neu zugeführten Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens partizipieren am Verschonungsabschlag nur dann, wenn die 2-Jahresfrist des § 13b Abs. 2 ErbStG gewahrt ist. Da sich die Entwicklung 90

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen der Erträge eines Unternehmens – und damit der Wert des Unternehmens – auch für den relativ kurzen Zeitraum von nur zwei Jahren nicht sicher voraussagen lassen, können sich die zur Berechnung der Quote des Verwaltungsvermögens maßgebenden Faktoren innerhalb des Zeitraums stark ändern. Nach Ablauf von zwei Jahren könnten somit neue Rechenergebnisse dafür sorgen, dass sich die ursprünglich verfolgte Absicht, die Steuerbelastung zu optimieren, nicht mehr planmäßig verwirklichen lässt. 1. Formel zur Berechnung der Quote Die Zuführung von Wirtschaftsgütern zur vollen Ausnutzung der Quote erscheint noch aus einem weiteren Grund mehr theoretischer Natur zu sein. Denn die Formel zur Berechnung der 50 %-Quote (10 %-Quote) dürfte bei vielen Unternehmen von vornherein zu relativ hohen Quoten führen, die den Verschonungsabschlag ausschließen. Bei diesen Unternehmen stellt sich die Überlegung daher nicht, ob es sinnvoll ist, Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens in das Betriebsvermögen einzubringen. Die gesetzlich vorgesehene 50 %-Quote verlangt, dass das Vermögen des Unternehmens nicht überwiegend aus Verwaltungsvermögen besteht. Die 10 %-Quote setzt voraus, dass nicht mehr als 10 % Verwaltungsvermögen zum Betriebsvermögen gehören darf. Allerdings wird dabei häufig übersehen, dass diese gesetzliche Aussage eine unzutreffende Schlussfolgerung suggerieren kann. Im Ergebnis kann die schädliche Quote des Verwaltungsvermögens durchaus höher sein als 100 %. Dieses mathematisch fehlerfreie Ergebnis sorgt dennoch hin und wieder für Überraschungen. Ursächlich für die Tatsache, dass das Verwaltungsvermögen über 100 % liegen kann, ist die nach § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG vorgeschriebene Formel zur Berechnung der 50 %-Quote (10 %-Quote). § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG lautet: Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs; für Grundstücksteile des Verwaltungsvermögens ist der ihnen entsprechende Anteil am gemeinen Wert des Grundstücks anzusetzen. Daraus lässt sich folgende Formel ableiten: "

Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermogens\ ¨ Gemeiner Wert des Betriebs

¼ Quote des Verwaltungsvermogens ¨

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen 2. Brutto-Netto-Vergleich Das aus der Sicht des Steuerzahlers Fatale an dieser Formel ist die Tatsache, dass im Zähler des Bruches die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens als Bruttowert angesetzt wird. Dagegen handelt es sich beim Nenner um einen Nettowert. Mathematisch wirkt dies auf eine Quote, die aus der Sicht des Steuerzahlers möglichst niedrig sein soll, durchweg nachteilig. Denn bei der Berechnung des Zählers fließen – nach dem Wortlaut des Gesetzes – nur positive Werte des Verwaltungsvermögens in die zu bildende Summe ein. Sofern mit diesen Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens Schulden zusammenhängen, dürfen sie bei der Ermittlung des Werts des Zählers nicht abgezogen werden. Beispiel: Hält ein Unternehmer in seinem Betriebsvermögen fremdfinanzierte Wertpapiere, muss der Wert der Wertpapiere im Zähler mit der Summe der gemeinen Werte erfasst werden. Die damit zusammenhängenden Schulden dürfen vom Wert der Wertpapiere nicht abgezogen werden. Anders verhält es sich bei der Ermittlung des Unternehmenswerts, der im Nenner der Formel steht. Denn bei der Unternehmenswertermittlung werden Zinsen, die für das Fremdkapital zu leisten sind, den künftig erzielbaren Jahresertrag mindern und letztlich zu einem dementsprechend niedrigeren Unternehmenswert führen. Beispiel: Ein Unternehmer hält fremdfinanzierte Wertpapiere in seinem Betriebsvermögen. Bei der Ermittlung des Unternehmenswerts werden die für den Kredit zu zahlenden Zinsen den nachhaltig erzielbaren Jahresertrag mindern. Soweit die aus den Wertpapieren resultierenden Erträge den Zinsaufwand kompensieren, verändert sich der Unternehmenswert nicht. Übersteigen die für die Fremdfinanzierung aufzubringenden Kosten jedoch den zu erwartenden Ertrag, sinkt der Unternehmenswert. Das gilt beispielsweise für renditeschwache Wertpapiere, die deshalb zum Betriebsvermögen gehören, weil sich der Unternehmer gegen bestimmte Risiken absichern will und somit eine tendenziell geringe Rendite einer hohen Belastung durch den Kapitaldienst gegenüber steht.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen 3. Verwaltungsvermögen von mehr als 100 % Somit steht im Zähler eine Summe von gemeinen Werten. Im Nenner findet dagegen der Ertragswert des Unternehmens seinen Niederschlag. Das führt dazu, dass sich rechnerisch und auch in der Praxis Quoten von über 100 % ergeben werden. Beispiel: Die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens beträgt 1.000.000 Euro. Der Wert des übrigen Aktivvermögens beträgt ebenfalls 1.000.000 Euro. Der gemeine Wert des Unternehmens beträgt lediglich 200.000 Euro. Das Verwaltungsvermögen ist wie folgt zu berechnen: 1:000:000 Euro ðVerwaltungsvermogenÞ ¨ ¼ 500% 200:000 Euro ðUnternehmenswertÞ Somit ergibt sich rechnerisch eine Quote von 500 %, so dass die 50 %-Grenze um ein Vielfaches überschritten wird. Eine Verschonungsmöglichkeit scheidet für das Unternehmen daher insgesamt von vornherein in vollem Umfang aus. 4. Unternehmenswert beeinflusst die Quote Die vom Gesetz vorgegebene Formel zur Berechnung der Quote des Verwaltungsvermögens führt dazu, dass sich die Frage, ob ein Betrieb den Verschonungsabschlag von 85 % erhält, nicht durch einen einfachen Blick in die Bilanz beantworten lässt. Vielmehr ist es unerlässlich, den Wert des Unternehmens zu ermitteln und somit die Ertragskraft des Unternehmens zu berücksichtigen. Beispiel: Ein Unternehmensberater besitzt Wertpapiere mit einem gemeinen Wert von 200.000 Euro. Darüber hinaus gehört zu seinem Betriebsvermögen eine Geschäftsausstattung mit einem Wert von 100.000 Euro. Der Unternehmenswert beträgt 800.000 Euro. Das Verwaltungsvermögen ist wie folgt zu berechnen: 200:000 Euro ðVerwaltungsvermogenÞ ¨ ¼ 25% 800:000 Euro ðUnternehmenswertÞ Obwohl die Bilanz ganz überwiegend Verwaltungsvermögen ausweist, liegt die Quote des schädlichen Verwaltungsvermögens weit unter 50 %. Daraus lässt sich ferner ableiten, dass der Steuerzahler künftig das bisher eher ungewöhnliche Ziel eines relativ hohen Unternehmenswerts anstreben könnte. 93

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Denn je höher der Unternehmenswert festgestellt wird, desto geringer ist die schädliche Quote des Verwaltungsvermögens. Somit könnte der Steuerzahler künftig eine Beschwer geltend machen, wenn der Unternehmenswert zu niedrig festgestellt wird. In vielen Fällen wird der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. von 100 % beim Optionsmodell trotz eines höheren Unternehmenswerts günstiger wirken als eine volle Steuerpflicht bei niedrigerem Unternehmenswert. 5. Feststellungserklärung und doppelte Bewertung Voraussichtlich wird die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen auffordern, bereits in der Feststellungserklärung zur Bewertung des Betriebsvermögens das Verwaltungsvermögen zu benennen und zu beziffern. Nur so kann zügig über die wichtige Frage entschieden werden, ob ein Betrieb in den Genuss des Verschonungsabschlags kommen kann. Dies bedeutet jedoch auch, dass regelmäßig eine doppelte Bewertung stattfinden muss. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die meisten Betriebe innerhalb eines Ertragswertverfahrens zu bewerten sind. Somit würde es zur Ermittlung des Unternehmenswerts ausreichen, wenn der nachhaltig erzielbare Ertrag mit dem maßgebenden Kapitalisierungsfaktor multipliziert wird. Dennoch bleibt es dem Steuerzahler nicht erspart, daneben regelmäßig auch den Substanzwert zu berechnen. § 11 Abs. 2 BewG verlangt als Mindestwert den Ansatz des Substanzwerts, der sich ergibt, wenn von der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter die Schulden abgezogen werden. Die doppelte Bewertung eines Unternehmens lässt sich also kaum vermeiden. Einerseits ist der Ertragswert anzusetzen. Andererseits muss geprüft werden, ob der Substanzwert höher ist. Nun wird in der Praxis beispielsweise bei ertragsstarken Unternehmen ohne nennenswerten Kapitaleinsatz von vornherein ausgeschlossen werden können, dass der Substanzwert höher ist. Dennoch kann die Bewertung nach Substanzwerten nicht völlig vermieden werden. Denn es ist nicht nur erforderlich, den Substanzwert, also die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter abzüglich der Schulden, zu berechnen. Vielmehr ist auch die Summe der gemeinen Werte der zum Verwaltungsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter zu berechnen. Somit hat der Substanzwert eine doppelte Bedeutung. Eine Teilmenge des Substanzwerts, nämlich das Verwaltungsvermögen, wird für die Berechnung der schädlichen Quote des Verwaltungsvermögens benötigt. Die Ermittlung der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens ist auch dann erforderlich, wenn ein Unternehmen nicht im vereinfachten Ertragswertverfahren, sondern nach einer anderen anerkannten Methode 94

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen bewertet worden ist. Auch in diesen Fällen ist die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens anzugeben. Andernfalls wäre die Prüfung der 50 %-Quote nicht möglich.

IV. Faktoren mit Einfluss auf die 50 %-Quote (10 %-Quote) Bislang erscheint fraglich, ob die Finanzverwaltung einen Aktivtausch von schädlichem Verwaltungsvermögen in unschädliches anderes Betriebsvermögen sanktionieren wird. Die gesetzliche Vorschrift gibt dazu – mit Ausnahme des § 42 AO – nichts her. Dabei darf nicht übersehen werden, dass § 42 AO in diesem Zusammenhang – gerade bei Verkäufen kurz vor dem Übertragungsstichtag – eine erhöhte Bedeutung erlangen kann. Denn die Gründe für den Verkauf von Wertpapieren müssen plausibel erscheinen. Die außersteuerlichen Gründe müssen daher so gewichtig erscheinen, dass sie die Nachteile, die in dem Verzicht auf eine langfristig erzielbare Rendite liegen könnten, aufwiegen. Sofern der Aktivtausch von Wirtschaftsgütern ausschließlich deshalb vorgenommen worden wäre, weil der Steuerzahler die nachteiligen Steuerfolgen aufgrund einer zu hohen Quote des Verwaltungsvermögens vermeiden wollte, würden sich die erwünschten steuerlichen Folgen möglicherweise nicht erreichen lassen. 1. Reaktionsvermögen des Gesetzes auf Ausweichverhalten Es gibt unterschiedliche Faktoren, die Einfluss auf die 50 %-Quote (10 %-Quote) haben. Mit der Regelung des § 13b ErbStG wird versucht, bestehende betriebliche Vermögen in verschonungswürdiges und nicht verschonungswürdiges Vermögen zu differenzieren. Die mit der Regelung verbundene Intention des Gesetzgebers, vermögensverwaltende Unternehmen, die weitgehend risikolos am Marktgeschehen teilnehmen, nicht an den Begünstigungen für „echte“ Unternehmen teilhaben zu lassen, ist vor dem Hintergrund der bisher auch zur Steuervermeidung genutzten GmbH & Co KG-Modelle verständlich. Dennoch lässt das Konzept des ErbStRG m. E. nicht in hinreichendem Umfang erkennen, dass es auch gelingt, auf Gestaltungen und Veränderungen des Unternehmensvermögens flexibel zu reagieren. Somit erscheint es weiterhin denkbar, dass durch gezielte Gestaltungen Steuerumgehungen nicht ausgeschlossen werden können. Die Regelungen des ErbStRG provozieren aus der Sicht des Steuerzahlers regelrecht eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage, wie das betriebliche Vermögen vor einer geplanten unentgeltlichen Übertragung verändert werden muss, damit die Steuerbelastung möglichst gering ausfällt. 95

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Zwar könnte der Steuerzahler künftig verstärkt mit den verschärften Bestimmungen des § 42 AO konfrontiert werden, sobald er die Zusammensetzung des Betriebsvermögens vor einer unentgeltlichen Übertragung zu seinen Gunsten verändert. Dennoch entbindet dies keinen Steuerberater von seiner Verpflichtung, seinem Mandanten eine optimale Gestaltungsempfehlung vorzuschlagen, die dem Steuerzahler einen Abschlag von 85 % bzw. von 100 % in Aussicht stellt. Die relativ statische Konstruktion des § 13b ErbStG führt dazu, dass ein Steuerzahler vor einer unentgeltlichen Übertragung sein Betriebsvermögen hinsichtlich des Vorhandenseins von Verwaltungsvermögen untersucht. Sofern Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens vorhanden sind, wird ein Steuerzahler vor einer geplanten Schenkung alle oder zumindest möglichst alle wesentlichen Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gegen unschädliche Wirtschaftsgüter austauschen. 2. Verkauf von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens Bei den Überlegungen, wie schädliche Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gegen unschädliche Wirtschaftsgüter ausgetauscht werden können, wird der Behandlung von Geldbeständen eine zentrale Bedeutung zukommen. Zunächst war vorgesehen, dass 90 % der Geldbestände ebenfalls dem schädlichen Verwaltungsvermögen zugerechnet werden sollten. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren entschloss sich der Gesetzgeber dazu, Geldvermögen in vollem Umfang dem schädlichen Verwaltungsvermögen zuzuordnen. Das verabschiedete ErbStRG sieht demgegenüber vor, dass Geldvermögen in vollem Umfang begünstigt werden soll. Damit wird klar, dass Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens vor einer unentgeltlichen Übertragung verkauft werden können. Der anschließend vorhandene Kassenoder Forderungsbestand würde den Steuerzahler vor den unliebsamen Folgen einer zu hohen Quote des Verwaltungsvermögens schützen. Beispiel: Ein Unternehmer hält in seinem Betriebsvermögen Wertpapiere im Wert von 1.000.000 Euro. Der Unternehmenswert beträgt 1.500.000 Euro. Das Verwaltungsvermögen ist demnach wie folgt zu berechnen: 1:000:000 Euro ðVerwaltungsvermogenÞ ¨ ¼ 66;66% 1:500:000 Euro ðUnternehmenswertÞ Somit ergibt sich rechnerisch eine Quote von über 50 %, so dass der Verschonungsabschlag in vollem Umfang ausscheidet.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Entschließt sich der Unternehmer, vor der geplanten unentgeltlichen Übertragung des Betriebs dazu, das Verwaltungsvermögen, also die Wertpapiere, im Wert von 1.000.000 Euro zu verkaufen, berechnet sich die Quote wie folgt: 0 Euro ðVerwaltungsvermogenÞ ¨ ¼ 0% 1:500:000 Euro ðUnternehmenswertÞ Somit wird die Quote von bisher 66 % durch den Verkauf auf 0 % herabgesetzt. Die Folge ist, dass der Betrieb in den Genuss des Verschonungsabschlags von 85 % kommt. Mit der Reduzierung der Quote auf 0 % kann der Steuerzahler sogar die Vollbefreiung im Optionsmodell beantragen. Das für den Verkauf der Wertpapiere erhaltene Bargeld beziehungsweise der anschließend vorhandene Kassenbestand gehört nicht zum Verwaltungsvermögen und erhöht deshalb nicht den Zähler der zur Berechnung der Quote maßgebenden Formel. 3. Umgehung durch Gründung von Tochtergesellschaften Zunächst war nicht klar, wie die Bundesregierung die Problematik lösen will, die der Bundesrat in seiner Prüfbitte4 als Steuerumgehungstatbestand aufgezeigt hat. Der Bundesrat hat beanstandet, dass § 13b Abs. 2 ErbStG durch Gründung von Tochtergesellschaften leicht umgangen werden kann. Die vom Bundesrat aufgezeigte Umgehungsmöglichkeit gelingt trotz des kompliziert anmutenden § 13b Abs. 2 ErbStG. In der Begründung der Prüfbitte wird dargestellt, wie der Umfang des (schädlichen) Verwaltungsvermögens leicht reduziert werden kann. Beispiel: Beträgt das Verwaltungsvermögen einer Gesellschaft 60 Mio. Euro und das andere Betriebsvermögen 40 Mio. Euro, so wären – bei einem angenommenen Gesamtwert der Gesellschaft von 100 Mio. Euro – die Anteile an der Gesellschaft nicht begünstigt, da das Verwaltungsvermögen überwiegt. Es könnte bei einer Unternehmensnachfolge keine Verschonung gewährt werden. Dieses Ergebnis lässt sich durch eine relativ einfache Gestaltung vermeiden. Gründet die Gesellschaft eine Tochtergesellschaft und überträgt die Gesellschaft auf die Tochtergesellschaft 30 Mio. Euro des Verwaltungsvermögens und das andere Betriebsvermögen von 40 Mio. Euro, so würde bei der Tochtergesellschaft das Verwaltungsvermögen weniger als 50 % betragen. Folglich würde die Beteiligung an ihr mit einem Wert von 70 4 Prüfbitte Nr. 16 der BR-Drucks. 4/08 (Beschluss) v. 15. 2. 2008 zu Artikel 1 Nr. 12 (§ 13b ErbStG).

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Mio. Euro nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG nicht zum Verwaltungsvermögen zählen. Auf Ebene der Muttergesellschaft würde das Verwaltungsvermögen (30 Mio. Euro) nicht mehr überwiegen. Die Unternehmensnachfolge wäre begünstigt. In diesem Beispiel wird deutlich, dass durch Gründung einer Tochtergesellschaft und Umstrukturierung des Unternehmensvermögens verbesserte Quotenverhältnisse gebildet werden können. Das neu strukturierte Unternehmen weist eine Quote des Verwaltungsvermögens von weniger als 50 % auf, obwohl dasselbe Unternehmen vorher eine Quote aufgewiesen hatte, die über 50 % liegt. Die Kritik des Bundesrats macht deutlich, dass die Regelungen des § 13b Abs. 2 ErbStG nicht hinreichend flexibel auf das gestalterische Ausweichverhalten der Steuerzahler reagiert. Als Lösung verweist die BR-Drucks. 4/08 (Beschluss) vom 15. 2. 2008 auf § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG, wonach solches Verwaltungsvermögen nicht begünstigt ist, wenn es dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechen war. Zur Vermeidung von Gestaltungen hätte der Gesetzgeber also in Erwägung ziehen können, die Beteiligung in Höhe des anteiligen Verwaltungsvermögens nicht zum begünstigten Vermögen zu zählen, wenn die Beteiligung dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Das ErbStRG hat das Problem nicht im Sinne des Bundesrats gelöst. Denn die Gründung von Tochtergesellschaften erfolgte im Geschäftsleben nicht zwingend, um die Folgen bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu optimieren, sondern weil viele unternehmerische Gründe dafür ausschlaggebend sein dürften. Der Gesetzgeber ist im Ergebnis noch weiter gegangen. Eine Nutzungsüberlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 4h EStG soll nicht zum Ausschluss der Verschonungsregelung führen.5 Angesichts dieser Regelung erscheint es schlichtweg nicht mehr möglich, den vom Bundesrat gesehenen Weg der Gestaltung zu sanktionieren. Nach der Auffassung des Gesetzgebers kann wegen der auf jeder einzelnen Beteiligungsebene im Konzern vorgesehenen Prüfung der 50 %-Grenze des Verwaltungsvermögens eine ungünstige Verteilung gegeben sein. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die konzerneigenen Grundstücke in einer Gesellschaft gebündelt sind und diese Gesellschaft die Grundstücke an andere Konzerngesellschaften zur Nutzung überlässt. Als Folge dieses Tatbestands würde das im Grunde wünschenswert zu begüns5 Vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ErbStG.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen tigende Vermögen aus der Verschonungsregelung herausfallen, obwohl die Widmung für betriebliche „produktive“ Zwecke des Unternehmens unzweifelhaft ist. Der Finanzausschuss führt in seinem Bericht aus: „Die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Konzern ist als solche nicht geeignet, diese Wirtschaftsgüter generell als (unproduktives) Verwaltungsvermögen einzustufen. Die Einordnung von konzernintern überlassenen Grundstücken usw. als produktives, d. h. begünstigungswertes Vermögen, ist folgerichtig, da die überlassenen Wirtschaftsgüter auch bei dieser Sachverhaltskonstellation produktiv genutzt werden und nicht der reinen Kapitalanlage dienen. Gerade große Familienunternehmen sind aus betriebswirtschaftlichen Gründen häufig in verzweigten (oftmals historisch gewachsenen) Betriebsstrukturen organisiert. Aus dieser Organisationsstruktur kann nicht von vornherein gefolgert werden, dass die gegenseitige Überlassung von Wirtschaftsgütern innerhalb dieses Rahmens zu steuerschädlichem Verwaltungsvermögen führt.“ 4. Konzernklausel Überraschend ist die zuletzt in das ErbStRG aufgenommene Regelung, nach der auch die Überlassung von Grundstücken innerhalb eines Konzernverbunds als unschädlicher Tatbestand zu behandeln ist.6 Damit wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die dazu führt, dass die vom Bundesrat beanstandete Steuergestaltung durch Gründung von Tochtergesellschaften von der Finanzverwaltung regelmäßig nicht mehr problematisiert werden kann. Bei diesen Gestaltungen bleibt jedoch – sicherlich bis zu einer höchstrichterlichen Klärung – offen, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen vor einer unentgeltlichen Übertragung gezielt Gesellschaften zur Reduzierung des Verwaltungsvermögens gegründet werden. Ein Ausschluss der Begünstigung könnte auch hier allenfalls für kurz vor dem Übertragungszeitpunkt geschaffene Strukturen erfolgen. Da dies gerade bei komplizierten Konzernstrukturen nicht immer leicht zu überblicken ist, dürften derartige Regelungen gleichzeitig zu einem erheblichen Ermittlungsaufwand führen. 5. Wohnungsunternehmen Bei der Behandlung der Wohnungsunternehmen fällt die Auslegung des § 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nicht leicht. Einerseits weisen größere Wohnungsunternehmen durchaus die Strukturen eines Gewerbebetriebs mit 6 Vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ErbStG.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen vielen Mitarbeitern auf. Insofern könnte man die Auffassung vertreten, dass hier begünstigtes Betriebsvermögen vorliegt, wie es auch in anderen Betrieben üblich ist. Ferner kann man bei derartigen Wohnungsunternehmen nicht unterstellen, dass sie zur Umgehung oder Reduzierung der Belastung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer gegründet worden sind. Dennoch erfüllen die Wohnungsunternehmen den in § 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG vorgesehenen Tatbestand, weil Wohnungsunternehmen Grundstücke oder Grundstücksteile Dritten zur Nutzung überlassen. Somit gehören die Grundstücke zum schädlichen Verwaltungsvermögen, so dass ein Wohnungsunternehmen – soweit der Wert der vermieteten Grundstücke höher ist als 50 % (10 %) des Unternehmenswerts – insgesamt nicht begünstigt wäre. Gegenüber der bisherigen Behandlung erscheint dieses Ergebnis unbefriedigend. Dennoch stützte zunächst nicht nur die gesetzliche Regelung, sondern auch die Begründung des Gesetzes die Auffassung, dass Wohnungsunternehmen von der Begünstigung ausgeschlossen sind. Die Gesetzesbegründung führte in diesem Zusammenhang aus: „Durch die nach dem Einkommensteuerrecht geschaffene Möglichkeit, Vermögensgegenstände, die nicht ihrer Natur nach der privaten Lebensführung dienen, zu „gewillkürtem“ Betriebsvermögen zu erklären, können praktisch alle Gegenstände, die üblicherweise in Form der privaten Vermögensverwaltung gehalten werden (vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude, Minderbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere), auch in Form eines Gewerbebetriebs gehalten werden. Die derzeitigen Begünstigungen nach § 13a ErbStG führten vermehrt zu solchen Gestaltungen. Vermögen, das in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und in der Regel weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, wird daher nach der Zielrichtung dieses Gesetzes nicht begünstigt.“ Letztlich hat das ErbStRG jedoch offenbar einen Ausweg gefunden, um diese negativen steuerlichen Folgen bei den Wohnungsunternehmen zu vermeiden.7 Sofern die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten – zum Betriebsvermögen, – zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder – zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören 7 Vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen – und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Abs. 9 des Bewertungsgesetzes besteht, – dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert, liegt kein Verwaltungsvermögen vor. Nach Abschnitt 28 Abs. 2 der gleich lautenden Erlasse vom 25.6.20098 besteht der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen, wenn diese den überwiegenden Teil der betrieblichen Tätigkeit ausmacht. Das gilt auch dann, wenn Grundstücke oder Grundstücksteile vermietet werden, die nicht zu Wohnzwecken, sondern z. B. auch zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden. Als Maßstab legt die Finanzverwaltung die Summe der Grundbesitzwerte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke und Grundstücksteile im Verhältnis zur Summe der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke fest. Dient der Betrieb danach im Hauptzweck der Vermietung von Wohnungen, sind auch solche Grundstücke oder Grundstücksteile kein Verwaltungsvermögen, die nicht zu Wohnzwecken, sondern z. B. zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung sind somit auch zu gewerblichen Zwecken überlassene Immobilien mit begünstigt, sofern der Betrieb insgesamt die Vermietung von Wohnungen zum Hauptzweck hat. Offen bleibt dagegen in den gleichlautenden Erlassen vom 25.6.2009 die Frage, in welchen Fällen die Erfüllung des Hauptzwecks des Betriebs einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert. Die im Vorfeld diskutierte Auffassung, dass ein eingerichteter Geschäftsbetrieb bei einer Vermietung von mehr als 50 Wohneinheiten unterstellt werden könne, lässt offen, welche sachlichen Gründe für die Grenze von 50 Wohneinheiten sprechen. Damit rechnet das ErbStRG Wohnimmobilien immer dann nicht dem Verwaltungsvermögen zu, wenn deren Überlassung im Rahmen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten, d. h. wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfolgt. Damit wird insbesondere erreicht, dass Wohnungsunternehmen die erbschaftsteuerrechtlichen Vergünstigungen nicht von vornherein versagt bleiben. Da auch diese Unternehmen in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, erscheint die Einbeziehung in die Verschonungsregelungen insoweit gerechtfertigt. 8 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009 zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes, BStBl. 2009 I Seite 704.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Ob durch diese Regelung jedoch auch noch die angestrebte zielgenaue Abgrenzung von vermögensverwaltenden Gesellschaften erreicht wird, kann dahingestellt bleiben. 6. Hotels, Parkhäuser, Gaststätten Die Behauptung, dass ein Hotelgrundstück zum Verwaltungsvermögen gehört, wird teilweise als Provokation und völlig falsche Auslegung des Gesetzes empfunden. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass bei einem Hotelgrundstück der gesetzliche Tatbestand des § 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG wegen der Überlassung von Grundstücksteilen an Dritte erfüllt ist. Auch wenn von der Intention des Erbschaftsteuerreformgesetzes in erster Linie solches Vermögen nicht begünstigt werden soll, das weitgehend der risikolosen Renditeerzielung dient und in der Regel weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, ändert nichts an der Tatsache, dass Hotelgrundstücke vom Wortlaut des Gesetzes offenbar nicht begünstigt werden. Im Gesetz hätte beispielsweise eine Rückausnahme für kurzfristig überlassene Grundstücksteile eingefügt werden können. Dies hätte dazu geführt, dass Hotelgrundstücke nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehören. Diese gesetzliche Regelung fehlt jedoch. Dieselbe Problematik gilt für Parkhäuser und Campingplätze. Auch in diesen Fällen werden Grundstücksteile Dritten zur Nutzung überlassen. Derartige Grundstücke und Grundstücksteile könnten daher zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehören. Dennoch sehen die gleichlautenden Erlasse vom 25.6.20099 insoweit eine Ausnahme vor. Nach Abschnitt 24 führt die Überlassung von Grundstücksteilen dann nicht zu schädlichem Verwaltungsvermögen, wenn neben der Überlassung der Grundstücksteile weitere gewerbliche Leistungen einheitlich angeboten und in Anspruch genommen werden, sofern die Tätigkeit nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten insgesamt als originär gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist. Davon ist beispielsweise bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels und Pensionen auszugehen. Diese Auffassung entspricht den Ausführungen des Finanzausschusses, der in seinem Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 16/7918, 16/8547 – die Auffassung vertreten hat, dass bei Beherbergungsbetrieben überlassene Räume nicht zum Verwaltungsvermögen gehören. 9 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009 zur Abwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes, BStBl. 2009 I Seite 704.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Begründung: Das gewerbliche Leistungsbild schließt ein Bündel von zusätzlichen Dienstleistungen (Zimmerservice, Frühstück usw.) ein, die nur einheitlich angeboten und in Anspruch genommen werden. Dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen. 7. Leerstand von Gebäuden Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke zum Verwaltungsvermögen. Der Unternehmer erzielt mit dem vermieteten Grundstück zwar gewerbliche Erträge. Dennoch gehört das Grundstück zum Verwaltungsvermögen. Ursächlich für diese Zuordnung ist zweifellos die bisherige Gestaltungsmöglichkeit über das GmbH & Co KG-Modell. Lässt der Unternehmer dagegen ein Grundstück im Besteuerungszeitpunkt leer stehen, gehört das Grundstück nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Denn das Grundstück ist nicht Dritten zur Nutzung überlassen, sondern es wird überhaupt nicht genutzt und erfüllt daher nicht den Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Eine gezielte Gestaltung in der Weise, dass ein Grundstück genau im Besteuerungszeitpunkt leer steht, damit die Quote des Verwaltungsvermögens gesenkt wird, wird unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten auf dem Grundstücksmarkt nur ausnahmsweise verwirklicht werden können. Somit ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber nur die tatsächliche Nutzungsüberlassung an Dritte sanktionieren will, wenn das überlassene Vermögen insgesamt überwiegt. 8. Geldvermögen Geldvermögen gehört künftig nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Deshalb ist es interessant, wie sich Geld, das in das Betriebsvermögen eingelegt wird, bei der Berechnung der Quote des Verwaltungsvermögens auswirkt. Es liegt auf der Hand, dass Geldvermögen auf leichte Weise in ein Betriebsvermögen eingebracht werden kann. Ungleich schwieriger können die Veränderungen des Betriebsvermögens sein, wenn der Steuerzahler Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens aus dem Betriebsvermögen herauslösen will, um die Quote zu seinen Gunsten zu verbessern. Denn beispielsweise wäre die Entnahme eines vermieteten Grundstücks (Verwaltungsvermögen) u.U relativ schwierig, weil die ertragsteuerlichen Folgen zu berücksichtigen sind. Selbst der Verkauf von Wertpapieren kann im Einzelfall nicht realisierbar sein. 103

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Einerseits spricht möglicherweise die offensichtliche Absicht der Steuervermeidung dagegen (§ 42 AO). Ebenso kann es aus betrieblichen Gründen unmöglich sein, Wertpapiere zu verkaufen, weil beispielsweise das Vorhandensein der Wertpapiere im Betriebsvermögen zur Absicherung von Pensionszusagen o. Ä. zwingend erforderlich ist. Die vorgenannten Probleme stellen sich dagegen nicht, wenn die Veränderungen des Werts des Betriebsvermögens durch Geldbestände hervorgerufen werden. 8.1 Beispiel 1 – Wertpapiere im Betriebsvermögen – Ein Unternehmer hält in seinem Betriebsvermögen Wertpapiere im Wert von 700.000 Euro. Der Unternehmenswert beträgt (Ertrag 100.000 Euro x 12,33 =) 1.233.000 Euro. Bilanz Gewerbebetrieb Wertpapiere Kasse

700.000 Euro Kapital

700.000 Euro

0 Euro 700.000 Euro

700.000 Euro

Die Quote des Verwaltungsvermögens ist demnach wie folgt zu berechnen: 700:000 Euro ðVerwaltungsvermogenÞ ¨ ¼ 57 % 1:233:000 Euro ðUnternehmenswertÞ 8.2 Beispiel 2 – Geldeinlage in das Betriebsvermögen – Wie Beispiel 1. Der Unternehmer legt jedoch 166.892 Euro bar in die Kasse. Bilanz Gewerbebetrieb Wertpapiere

700.000 Euro Kapital

Kasse

166.892 Euro 866.892 Euro

866.892 Euro 866.892 Euro

Der Unternehmenswert berechnet sich wie folgt: Ertrag Nicht betriebsnotwendiges Vermögen Wert des Unternehmens

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100.000 Euro × 12,33 = 1.233.000 Euro 166.892 Euro 1.399.892 Euro

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Die Quote des Verwaltungsvermögens ist demnach wie folgt zu berechnen: 700:000 Euro ¼ 50 % 1:399:892 Euro 8.3 Geldeinlagen können die Quote verbessern Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass der eingelegte Geldbetrag die Quote des Verwaltungsvermögens auf 50 % senkt. Dabei ist hervorzuheben, dass sich der Unternehmenswert in dem vorstehenden Beispiel deshalb erhöht hat, weil das Geld als Wirtschaftsgut des nicht betriebsnotwendigen Vermögens behandelt wurde. Sofern der Geldbetrag – im Vergleich zum übrigen Betriebsvermögen und unter Berücksichtigung des Bedarfs des Gewerbebetriebs – relativ klein wäre, kann es sein, dass der Geldbetrag die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-/Schenkungsteuer in keiner Weise erhöht. Denn der Unternehmenswert ist ertragsabhängig zu ermitteln. Nach den in der Anteils- und Betriebsvermögensbewertungsverordnung vorgesehenen Korrekturposten ist eine Hinzurechnung für fiktive Zinserträge aufgrund des Kassenbestands aus Gründen der Pauschalierung nicht vorgesehen. Bei „nicht zu hohen“ Geldbeständen steigt der Unternehmenswert nicht, weil dies nach der Aufzählung der Wertkorrekturen10 nicht vorgesehen ist. Das Geldvermögen gehört nach der Einlage ausschließlich zum Gewerbebetrieb. Denn der Umfang des Betriebsvermögens richtet sich nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen.11 Bei – im Vergleich zum gesamten Unternehmenswert – geringen Geldbeträgen wäre eine Erfassung bei der Unternehmensbewertung somit immer dann noch möglich, wenn die Geldbeträge innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt in das Betriebsvermögen eingelegt worden sind. Denn sog. „junges Betriebsvermögen“ ist nicht über den Ertrag des Unternehmens zu bewerten, sondern gesondert mit dem gemeinen Wert anzusetzen.12 – Das hat aus der Sicht der Finanzverwaltung den Vorteil, dass das eingelegte Geld bei der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-/Schenkungsteuer nicht völlig „verloren“ geht. – Aus der Sicht des Steuerzahlers hat die Erhöhung des Unternehmenswerts den im Einzelfall möglicherweise entscheidenden Vorteil, dass dadurch die Quote des Verwaltungsvermögens reduziert werden kann. 10 § 202 Abs. 1 BewG. 11 § 95 Abs. 1 BewG, § 15 EStG. 12 § 200 Abs. 4 BewG.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen

V. Problematik der Lohnsummen- und Behaltensregelung 1. Lohnsummenregelung Die Lohnsummenregelung soll verhindern, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Unternehmens der Verschonungsabschlag auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn das Unternehmen anschließend Arbeitsplätze in erheblichem Umfang abbaut. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers dient die Arbeitsplatzwirkung als Rechtfertigung der erbschaftsteuerrechtlichen Verschonungsmaßnahmen. Dabei erschien dem Gesetzgeber das Abstellen auf die Lohnsumme flexibler als eine reine Arbeitplatzklausel. 1.1 Ursprünglich vorgesehene 70 %-Regelung Die Lohnsummenregelung ist innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens kritisiert worden. Denn nach der zuerst vorgesehenen Regelung durfte die Lohnsumme in einem Zeitraum von zehn Jahren nach dem Übergang oder nach der Übertragung des begünstigten Vermögens in keinem Jahr geringer sein als 70 % der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre davor. Eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme hätte zum Wegfall der Verschonung in der Weise geführt, dass für jedes Jahr, in dem die Lohnsumme nicht erreicht worden wäre, ein Zehntel des gewährten Abschlags gestrichen worden wäre. Die Steuer hätte somit nach der sich entsprechend höheren Bemessungsgrundlage rückwirkend neu festgesetzt müssen. Für diejenigen Jahre, in denen die Mindestlohnsumme eingehalten worden wäre, hätte die Verschonung weiterhin gewährt werden müssen. Ferner war eine jährliche Dynamisierung der Ausgangslohnsumme mit dem fortlaufend vom Statistischen Bundesamt ermittelten Tariflohnindex vorgesehen. Die Dynamisierung erschien relativ aufwendig. Dies gilt zumindest, wenn man berücksichtigt, dass daneben noch eine Öffnungsklausel vorgesehen war. 1.2 Realisierung der Lohnsummen durch das ErbStRG Das ErbStRG verzichtet aus Vereinfachungsgründen auf die jährliche Dynamisierung der durchschnittlichen Ausgangslohnsumme. Ferner soll nicht jährlich untersucht werden, ob die Lohnsumme unterschritten wird. Vielmehr ist erst nach Ablauf von sieben Jahren zu prüfen, ob hinreichende Lohnsummen – insgesamt 650 % der Ausgangslohnsumme – gezahlt worden sind. Beantragt der Steuerzahler die Optionsverschonung, erfolgt die Prüfung nach Ablauf von zehn Jahren, wobei in diesem Fall insgesamt 1.000 % der Ausgangslohnsumme gezahlt worden sein muss. 106

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Bei einem Unterschreiten der Mindestlohnsumme soll die Verschonung nur in demselben prozentualen Umfang entfallen, zu dem die Mindestlohnsumme tatsächlich unterschritten wird. Beispiel: Die Summe der jährlichen Lohnsummen in den sieben Jahren erreicht 585 % der Ausgangslohnsumme und liegt damit 65 % unter der Mindestlohnsumme von 650 %, das entspricht einem Zehntel. Der Verschonungsabschlag verringert sich um ein Zehntel von 85 % auf 76,5 %. Beträgt der gemeine Wert eines Betriebs im Besteuerungszeitpunkt 10 Mio. Euro, bleiben zunächst 8,5 Mio. Euro steuerfrei und 1,5 Mio. Euro sind zu versteuern. Wegen des Verstoßes gegen die Lohnsummenregelung bleiben dann nur noch 7,65 Mio. Euro steuerfrei und 2,35 Mio. Euro sind zu versteuern. Die zunächst gezahlte Steuer wird verrechnet. Problematisch kann die Vorschrift wirken, wenn man in § 13a Abs. 4 ErbStG die Beschreibung der maßgeblichen Lohnsumme nachvollzieht. Keinen großen Aufwand sieht der Gesetzgeber, wenn die Lohnsumme für ein Einzelunternehmen oder eine Personen- oder Kapitalgesellschaft zu ermitteln ist und sich keine Unterbeteiligungen im Betriebsvermögen befinden. Denn hier ist der zu bewertende Betrieb zugleich der relevante Arbeitgeber. Die Begründung zu § 13a Abs. 4 ErbStG führt hierzu aus: „Gehören dagegen zum Vermögen eines zu bewertenden Betriebs (Mutterbetrieb) Beteiligungen an anderen Unternehmen (Töchterbetriebe), sind diese im Wert des Mutterbetriebs zu berücksichtigen. Auf den dadurch erhöhten Wert werden die Verschonungen gewährt. Folglich müssen auch die Lohnsummen dieser Töchter in die Entscheidungsgröße einbezogen werden. Sonst wäre es unschädlich, Beteiligungen zu verkaufen oder aufzugeben oder Arbeitsplätze in Tochterbetrieben abzubauen, solange nur die Lohnsumme des Mutterbetriebs nicht unter die Mindestgrenze sinkt. Die Lohnsummenerfassung soll auf den EU- und EWR-Raum begrenzt bleiben. Verlagerungen von Arbeitsplätzen aus diesem Wirtschaftsraum in das übrige Ausland gehen daher zu Lasten der maßgeblichen Lohnsumme.“ 1.3 Lohnsumme bei einer Holding Keine Anwendung findet die Lohnsummenregelung, wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb nicht mehr als zehn Beschäftigte hat. Das bedeutet, eine Gesellschaft, bei der nur zehn Beschäftigte tätig sind, muss hinsichtlich der Lohnsummenregelung nicht überwacht werden. Das könnte auch dann gelten, wenn zum Betriebsvermögen der Gesell107

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen schaft solche Beteiligungen an anderen Gesellschaften gehören, in denen beliebig viele Beschäftigte tätig sind. Denn nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG könnte man die Auffassung vertreten, dass die Obergesellschaft nicht unter die Lohnsummenregelung fällt, weil bei ihr die Zahl der Beschäftigten nicht überschritten wird. Sofern kurz vor einer unentgeltlichen Übertragung eine Holding mit maximal zehn Beschäftigten mit dem Ziel gegründet wird, die Lohnsummenregelung auszuhebeln, wäre das für die Finanzverwaltung zweifellos ein Umgehungstatbestand im Sinne des § 42 AO. Besteht die Holding dagegen schon „geraume“ Zeit, könnte bei der Übertragung der Anteile an der Holding die Anwendung der Lohnsummenregelung ausscheiden. Folglich könnten anschließend Arbeitsplätze der Untergesellschaften in beliebigem Umfang abgebaut werden, ohne dass dies zu einem Wegfall des Verschonungsabschlags führen würde. Die Finanzverwaltung vertritt hier eine restriktive Auffassung. Nach Abschnitt 8 Abs. 2 der gleichlautenden Erlasse vom 25.6.200913 ist bei der Prüfung, ob die Mindestarbeitnehmerzahl erreicht wird, auch die Anzahl der Arbeitnehmer nachgeordneter Gesellschaften einzubeziehen. Dabei gelten die Grundsätze des § 13a Abs. 4 Satz 3 ErbStG sinngemäß. 2. Risiken des Schenkers bei Insolvenz des Erwerbers Nicht neu, aber tragisch könnte grundsätzlich folgender Fall wirken: Beispiel: Der 70 Jahre alte Unternehmer ist ein erfolgreicher Zulieferer für die Handyindustrie im Ruhrgebiet. Er entschließt sich, sein Unternehmen dem Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Zwei Jahre nach der Übertragung brechen die Aufträge ein, weil der Hauptkunde wegfällt. Das Unternehmen des Sohns wird insolvent und eingestellt. Das Finanzamt sieht in der Insolvenz eine Aufgabe des Gewerbebetriebs. Dies führt zum Wegfall des bisherigen Verschonungsabschlags von 85 %. Die Nachsteuer kann der Sohn wegen Zahlungsunfähigkeit nicht aufbringen. Da nach § 20 Abs. 1 ErbStG sowohl der Schenker als auch der Beschenkte die Schenkungsteuer schulden, könnte sich das Finanzamt an den Schenker, also an den Vater wenden und von ihm die Nachsteuer verlangen. 13 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009 zur Answendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes, BStBl. 2009 I Seite 704.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen Dementsprechend ist im Verwaltungsweg in Abschnitt 5 Abs. 4 der gleich lautenden Erlasse vom 25.6.200914 geregelt worden, dass eine Inanspruchnahme des Schenkers für die Schenkungsteuer nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei einem Verstoß eines Erwerbers gegen die Behaltungsregelungen oder die Lohnsummenregelung für begünstigtes Vermögen nicht erfolgt. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn der Schenker die Steuer nach § 10 Abs. 2 ErbStG ohnehin selbst übernommen hat. Die Koalitionsfraktionen hielten im Ausschuss zur Frage der Steuerschuldnerschaft des Schenkers bei Verstoß gegen Behaltensregelungen durch den Beschenkten Folgendes fest: Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sei bei einer Schenkung neben dem Erwerber (Beschenkten) auch der Schenker Schuldner der Schenkungsteuer. Die Inanspruchnahme des Schenkers durch einen eigenen Steuerbescheid sei möglich, wenn der Schenker ausdrücklich erklärt habe, die Schenkungsteuer übernehmen zu wollen, oder die Steuer beim Beschenkten nicht erhoben werden kann, z. B. wegen fehlender Zahlungsmöglichkeit oder Wegzug ins Ausland. Auf eine gesetzliche Ausnahme von der Gesamtschuldnerschaft für Fälle, in denen der Erwerber von nach § 13a ErbStG begünstigtem Vermögen gegen die Behaltensreglungen verstoße, werde verzichtet. Dementsprechend ist im Verwaltungsweg in Abschnitt 5 Abs. 4 der gleichlautenden Erlasse vom 25.6.200915 geregelt worden, dass eine Inanspruchnahme des Schenkers für die Schenkungsteuer nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei einem Verstoß eines Erwerbers gegen die Behaltensregelungen oder die Lohnsummenregelung für begünstigtes Vermögen nicht erfolgt. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn der Schenker die Steuer nach § 10 Abs. 2 ErbStG ohnehin selbst übernommen hat. Die Inanspruchnahme des Schenkers wird demzufolge als eine Ermessensentscheidung angesehen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung16 hat die Finanzbehörde kein freies Ermessen, sondern muss sich zunächst an den Beschenkten halten. Will das Finanzamt den Schenker in Anspruch nehmen, muss das Finanzamt das Ermessen stets folgerichtig ausüben und im Steuerbescheid erläutern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es 14 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009 zur Abwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes, BStBl. 2009 I Seite 704. 15 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009 zur Answendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes, BStBl. 2009 I Seite 704. 16 BFH, Urt. v. 29. 11. 1961, BStBl. 1961 III, 323; BFH, Urt. v. 26. 10. 2006, BFH/NV 2007, 852.

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Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen nicht ermessensgerecht sein kann, wenn die Finanzbehörde, die für den Erwerb des Beschenkten zunächst die Verschonung gewährt habe, den Schenker – auch nach mehreren Jahren – überraschend in Anspruch nehme. Eine Ermessengerechtigkeit ist nicht erkennbar, wenn dem Schenker das Risiko des – nicht in seinem Interesse sondern im Interesse des Beschenkten und des förderungswilligen Staates – steuerrechtlich zunächst begünstigen Erwerbs aufzubürden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Schenker für eine vom Erwerber zu vertretende Nichterfüllung von Behaltensvoraussetzungen für begünstigtes Betriebsvermögen in Anspruch genommen werden soll.

VI. Nicht realisierte Alternative: NRW-Modell Eine Alternative zu den Verschonungsregelungen des ErbStRG wäre ein Abzinsmodell gewesen, bei dem aufwendige Überwachungen und Behaltensregelungen überflüssig würden. Das Modell ist als Alternative in Nordrhein-Westfalen entwickelt worden und hätte die Probleme des Verwaltungsvermögens, der Lohnsummenregelung und der drohenden Nachversteuerung vollständig vermieden. Beim NRW-Modell ergäbe sich kein – unsicherer – Steuervorteil von 85 % (100 %), sondern über eine Abzinsung der Steuerschuld ein – definitiver– Steuervorteil von rund 40 %. Das NRW-Modell zeichnet sich durch folgende Eckpunkte aus: 1. Bewertung des übergehenden Vermögens zu gemeinen Werten 2. Begünstigung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften und zusätzlich von vermieteten Immobilien durch – Stundung der Steuerschuld, soweit sie auf begünstigtes Vermögen entfällt über einen Zeitraum von 10 Jahren (Betriebsvermögen, landund forstwirtschaftliches Vermögen und wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften) und über einen Zeitraum von 5 Jahren (vermietete Immobilien) – Option zur sofortigen Entrichtung der Steuer mit Abschlag von 41,5 % (bzw. 23,5 % bei Immobilien) oder Ratenzahlung in gleichen Jahresraten mit dem Kapitalwert der Steuerschuld (jährliche Rate: 7,4 % der Steuerschuld bzw. 17 % bei Immobilien) 3. Steuertarif mit niedrigen Steuersätzen in allen drei Steuerklassen Linearer Tarif für alle Steuerklassen: – Steuerklasse I

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9%

Mannek, Besondere Aspekte der Verschonungsregelungen – Steuerklasse II

18 %

– Steuerklasse III 27 % 1. Vorteile des NRW-Vorschlags Das NRW-Modell vermeidet Bürokratieaufwand, weil durch die Stundung der Steuer auf begünstigtes Vermögen auf die komplizierten, kaum administrierbaren Voraussetzungen zum Erhalt des Verschonungsabschlags verzichtet werden kann. Ferner kann verzichtet werden auf – die aufwendige Ermittlung des Verwaltungsvermögens und dessen Anteil am Betriebsvermögen – die Ermittlung einer Ausgangslohnsumme, deren Überwachung und die Nachversteuerung für die Jahre der Unterschreitung – die Behaltensfrist von sieben bzw. zehn Jahren Damit wird die Belastung mit Erbschaftsteuer eine verlässliche Rechengröße. Denn die Steuerstundung führt zu einem kalkulierbaren Zinsvorteil, weil sie allein auf die im Besteuerungszeitpunkt maßgeblichen Verhältnisse abstellt. Zudem entfällt das Risiko einer Nachversteuerung aufgrund eines Verstoßes gegen die Unzahl von Verschonungsvoraussetzungen im ErbStRG. Zudem hätte der NRW-Vorschlag einen wunden Punkt des ErbStRG überwunden: Die Frage, ob die Verschonung einzelner Vermögensteile nicht zu weitgehend ist und ob die Bestimmung dieser Vermögensteile aus verfassungsrechtlicher Sicht hinreichend zielgenau definiert ist.

VII. Ausblick Die Verschonung des betrieblichen Vermögens ist ein von der Politik angestrebtes Ziel und auch Bestandteil des Koalitionsvertrags der Bundesregierung. Bedingungen und Voraussetzungen für die Verschonung sind als verfassungsrechtliche Rechtfertigung notwendig. Fraglich erscheint, ob der angenommene Umfang der Verschonung von regelmäßig 85 % bzw. 100 % beim Optionsmodell und die damit zusammenhängenden Verschonungsregelungen in ihrer Summe die angestrebte Zielgenauigkeit der Begünstigung erreichen. Die aufgezeigten besonderen Aspekte der Verschonung veranschaulichen, dass die Neuregelungen nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen führen. Allerdings ist dies die Folge der von der Bundesregierung mit dem ErbStRG favorisierten Reformansätze.

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Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Prof. Dr. Andreas Söffing Steuerberater, Frankfurt am Main Inhaltsübersicht

I. Generierung von begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften 1. Vorbemerkung 2. Anteilspooling 3. Umwandlung in eine Personengesellschaft 4. Einlage der Beteiligung in eine gewerbliche Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft mit geringem Verwaltungsvermögen 5. Bündelung mehrerer Beteiligungen in einer gewerblichen Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft zur Erreichung der Mindestbeteiligungsquote II. Drittstaatenvermögen/Drittstaatenbeteiligungen 1. Vorbemerkung 2. Drittstaatenvermögen 3. Drittstaatenbeteiligungen III. Wahlrecht zwischen dem 7jährigen und 10jährigen Begünstigungskonzept 1. Vorbemerkung 2. Wegfall des Verschonungsabschlags im 7jährigen und im 10jährigen Konzept im Vergleich 3. Berücksichtigung des Lohnsummentests 4. Berücksichtigung des Verwaltungsvermögens IV. Verwaltungsvermögenstest 1. Vorbemerkung 2. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke als Verwaltungsvermögen 3. Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 % als Verwaltungsvermögen

4. Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 % als Verwaltungsvermögen 5. Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen als Verwaltungsvermögen 6. Ermittlung des Verwaltungsvermögensanteils 7. Junges Verwaltungsvermögen V. Lohnsummentest 1. Vorbemerkung 2. Wahl des Übertragungszeitpunktes 3. Ausgangslohnsumme/Summe der jährlich maßgebenden Lohnsummen 4. Lohnsummentest in Konzernstrukturen VI. Berücksichtigung latenter Ertragsteuern 1. Vorbemerkung 2. Realisierung der Ertragsteuerbelastung vor dem Erbfall oder der Schenkung 3. Realisierung der Ertragsteuerbelastung nach dem Erbfall aber für die Zeit vor dem Erbfall 4. Keine Realisation von steuerlichem Verlustpotential vor dem Erbfall VII. Wahlrecht zur Anwendung des neuen Rechts 1. Vorbemerkung 2. Hinweise zur Wahlrechtsausübung VIII. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 1. Vorbemerkung 2. Reduzierung der Bemessungsgrundlage

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Einleitung Durch die Erbschaftsteuerreform werden das ErbStG und das BewG tiefgreifenden Änderungen unterworfen, um den Anforderungen des BVerG zu genügen.1 Durch das neue Recht haben sich eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, welche die zukünftige Nachfolgeplanung in starkem Maße beeinflussen werden. Im Folgenden wird eine Auswahl solcher Gestaltungen dargestellt und ihre jeweilige Vorteilhaftigkeit erläutert.2

I. Generierung von begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften 1. Vorbemerkung Zum begünstigten Vermögen i. S. d. § 13b ErbStG gehören gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung).3 Es stellt sich bei Nichterfüllung der Mindestbeteiligungsquote somit die Frage, wie die Zugehörigkeit von Anteilen an Kapitalgesellschaften zum begünstigten Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erreicht werden kann. 1 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, S. 192. 2 Für die Unterstützung bei der Entstehung dieses Beitrags gilt mein Dank Herrn Dipl.-Kfm. Stephan Vossel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter eines gemeinsamen Forschungsprojektes der Universität zu Köln, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und SJ Berwin LLP. Das Manuskript dieses Beitrags wurde am 6.1.2009 abgeschlossen. Darüber hinaus wurden lediglich die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25. Juni 2009, BStBl I 2009, S. 713 berücksichtigt. Der Erlass wird im Folgenden mit „ErbSt-Erlass“ bezeichnet. 3 Vgl. Abschn. 21 Abs. 1, ErbSt-Erlass. Durch diese Mindestbeteiligungsquote bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften bleibt bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ein erheblicher Rechtsformunterschied im Vergleich zur Personengesellschaft, bei der das Gesetz eine solche Mindestbeteiligung nicht verlangt. Die in den Gesetzesmaterialien angeführte Begründung, Abgrenzung zwischen einer unternehmerischen Beteiligung und einer Kapitalanlage, überzeugt u.E. nicht. Zur Kritik an der Mindestbeteiligungsquote siehe auch Crezelius, DStR 2007, 415, 419 f.; Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 19, die ferner darstellen, dass unmittelbar und mittelbar von einem Gesellschafter gehaltene Anteile zur Ermittlung der 25 %-Grenze nicht zusammengerechnet werden.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 2. Anteilspooling Die erste Möglichkeit bietet das ErbStG selbst, da mit Hilfe des sog. Anteilspooling zur Ermittlung der Mindestbeteiligungsgrenze die Anteile mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden können.4 § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG regelt, dass die Mindestbeteiligung nach der Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen ist, „wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben.“5 Zur Erfüllung der vorstehenden Voraussetzungen werden die Gesellschafter gesonderte Poolverträge abschließen.6 Auch ist es möglich, die für die Poolung erforderlichen Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag der Kapitalgesellschaft aufzunehmen.7 Dagegen darf die vom Gesetz vorgegebene Poolungslösung nicht über eine Personengesellschaft mit steuerlichem Privatvermögen (gesellschaftsvertragliche Poolung) erfolgen, da Anteile an Kapitalgesellschaften gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur bei unmittelbarer Beteiligung zum begünstigen Vermögen gehören.8 Werden die Anteile dagegen über eine Personengesellschaft mit steuerlichem Betriebsvermögen oder eine Kapitalgesellschaft gehalten, so ist diese selber begünstigt. In diesem Fall müssen die zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft gehörenden Anteile an der Kapitalgesellschaft den Verwaltungsvermögenstest gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG bestehen.9 Die in § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG enthaltene Möglichkeit des Anteilspooling hat neben dem Tatbestandsmerkmal der Verfügungsbeschränkung auch die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern als Voraussetzung.10 Hierbei ist beachtlich, dass nach dem BMF-Schreiben zur Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG Stimmrechtsvereinbarungen, Stimm-

4 Vgl. Abschn. 21 Abs. 3 S. 1 ErbSt-Erlass. 5 Zur entsprechenden Regelung im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG. 6 Grundsätzlicher Fall gem. Abschn. 21 Abs. 4 S. 6 ErbSt-Erlass. 7 Vgl. Abschn. 21 Abs. 5 ErbSt-Erlass. 8 Vgl. zum bisherigen Recht auch H 26 ErbStR 2003; Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG, Anm. 93. 9 Vgl. hierzu auch IV.3. 10 Gem. Abschn. 21 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht rechtsbindungen oder Stimmrechtsverzichte ein einer schädlicher Anteilsübertragung i. S. d. § 8c KStG vergleichbarer Sachverhalt darstellen kann.11 Beachtlich sind ferner die Mitteilungspflichten bei börsennotierten Aktiengesellschaften. Gem. §§ 21, 22 WpHG ist eine Mitteilung zu machen, wenn ein Anteilseigner bestimmte Schwellenwerte (3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 %) der Stimmrechte an einem Emittenten unmittelbar hält oder ihm solche zugerechnet werden. Schließlich ist das Übernahmerecht zu beachten. Wer unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, ist gem. § 35 Abs. 1 WpÜG verpflichtet, dies zu veröffentlichen und gem. § 35 Abs. 2 WpÜG verpflichtet, ein Übernahmeangebot zu machen. Als Kontrolle definiert hierbei § 29 Abs. 2 WpÜG das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft. Gem. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG fallen der Verschonungsabschlag i. S. d. § 13a Abs. 1 ErbStG sowie auch der Abzugsbetrag i. S. d. § 13a Abs. 2 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung innerhalb der Behaltfrist aufgehoben wird.12 Der Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich gem. § 13a Abs. 5 S. 2 ErbStG auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist ergibt. Eine Mindestvorlaufzeit der Poolung durch den Erblasser/ Schenker sieht das Gesetz in den Fällen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (Definition des begünstigten Vermögens) nicht vor.13 3. Umwandlung in eine Personengesellschaft Anteile an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes gehören unabhängig von einer bestimmten Beteiligungshöhe gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG grundsätz-

11 Vgl. BMF, Schr. v. 4.7.2008, BStBl I 2008, 736. Die Anteilsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist dagegen nicht mehr schädlich. Anders jedoch bei einem vorhandenen Zinsvortrag i. S. d. § 4h ErbStG, der bei unentgeltlicher Übertragung untergeht. 12 Nach § 13a Abs. 5 S. 1 ErbStG ist hierbei die Situation des Erwerbers maßgebend. In der Praxis wird man neben dem Abschluss von gesonderten Poolverträgen zwischen einzelnen Gesellschaftern auch bestrebt sein, die Voraussetzungen einer Poolung im Gesellschaftsvertrag umzusetzen. In diesen Fällen ist auch bei der Änderung der Gesellschaftsverträge die Behaltefrist zu beachten. 13 Vgl. von Oertzen, Ubg 2008, 57, 61. Auch Abschn. 21 Abs. 5 ErbSt-Erlass spricht lediglich davon, dass die Poolvereinbarung im Besteuerungszeitpunkt vorliegen muss.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht lich immer zum begünstigten Vermögen.14 Daher kann es sich anbieten15, die Kapitalgesellschaft aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gründen durch Formwechsel oder Verschmelzung in eine Personengesellschaft umzuwandeln, so dass die 25 %ige Beteiligungsgrenze nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die sich aus den §§ 3 ff. UmwStG ergebenden umwandlungssteuerrechtlichen Konsequenzen müssen in jedem Einzelfall geprüft werden. Zu nennen sind insbesondere die Ausschüttungsfiktion i. S. d. § 7 UmwStG, der Untergang verrechenbarer Verluste, verbleibender Verlustvorträge, nicht ausgeglichener negativer Einkünfte sowie eines Zinsvortrages gem. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG, die Vernichtung der steuerlichen Anschaffungskosten durch die Nichtberücksichtigung eines etwaigen Übernahmeverlustes gem. § 4 Abs. 6 UmwStG, die Gewerbesteuerpflicht eines etwaigen Veräußerungsgewinns gem. § 18 Abs. 3 UmwStG sowie die grundsätzliche Anwendung der für Personengesellschaften geltenden Besteuerungsgrundsätze nach erfolgter Umwandlung. Die steuerliche Rückwirkung i. S. d. § 2 UmwStG bzw. § 14 UmwStG dürfte bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wohl keine Anwendung finden.16 4. Einlage der Beteiligung in eine gewerbliche Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft mit geringem Verwaltungsvermögen Gehört zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft von 25 % oder weniger, so gehört auch dieser Anteil mit zum begünstigten Vermögen, wenn die Personengesellschaft insgesamt den Verwaltungsvermögenstest besteht. D. h., dass das Betriebsvermögen dieser Personengesellschaft insgesamt nicht zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen im 7jährigen Begünstigungskonzept oder nicht zu mehr als 10 % aus Verwaltungsvermögen im 10jährigen Konzept bestehen darf, und es sich bei dem Anteil an der Kapitalgesellschaft auch nicht um sog. junges Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 S. 3 ErbStG handeln darf.17 Es kann sich somit anbieten, eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung, die die Mindestbeteiligungsquote nicht erfüllt in eine 14 Vgl. Absch. 20 Abs. 1 S. 3 ErbSt-Erlass. 15 Nach bisherigem Recht war die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft insbesondere aufgrund der unterschiedlichen erbschaftund schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlagen empfehlenswert. Aus ertragsteuerlicher Sicht dürfte in vielen Fällen auch nach Einführung der Thesaurierungsbegünstigung i. S. d. § 34a EStG die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft vorteilhaft sein. 16 BFH, Urt. v. 4.7.1984 – II R 73/81, BStBl. II 1984, S. 772; Kapp/Ebeling, § 11 ErbStG, Rn. 30; Widmann in: Widmann/Mayer, § 2 UmwStG, Rn. 85 m. w. N. 17 Zum jungen Verwaltungsvermögen allgemein vgl. Abschn. 34 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht gewerbliche Personengesellschaft einzulegen. Die Einlage kann hierbei in das Gesamthandsvermögen oder auch in das Sonderbetriebsvermögen erfolgen. Beachtlich ist bei der Einlage in das Gesamthandsvermögen, dass es sich um eine verdeckte Einlage und nicht um eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder einen anderen entgeltlichen Vorgang handelt, da es andernfalls zur Aufdeckung von stillen Reserven kommen kann.18 Gehört zum Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft ein Anteil an einer anderen Kapitalgesellschaft, so gehört auch dieser Anteil zum begünstigten Vermögen, wenn die Kapitalgesellschaft insgesamt den Verwaltungsvermögenstest besteht. Es kann sich somit auch anbieten, eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung, die die Mindestbeteiligungsquote nicht erfüllt, über eine Kapitalgesellschaft zu halten. Im Vergleich zur Einlage in eine gewerbliche Personengesellschaft ist in diesem Fall jedoch zu beachten, dass die Beteiligung an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft selber wiederum die Mindestbeteiligungsquote erfüllen muss und dass die Überführung von Anteilen an Kapitalgesellschaften auf eine andere Kapitalgesellschaft i. d. R. ertragsteuerlich zur Aufdeckung und Versteuerung von stillen Reserven führt.19 5. Bündelung mehrerer Beteiligungen in einer gewerblichen Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft zur Erreichung der Mindestbeteiligungsquote Gehört zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft von mehr als 25 %, so gehört auch dieser Anteil zum begünstigten Vermögen der Personengesellschaft.20 Es kann sich daher anbieten, dass im Privatvermögen von mehreren Gesellschaftern gehaltene Beteiligungen, die die Mindestbeteiligungsquote nicht erfüllen, in einer gewerblichen Personengesellschaft gebündelt werden, so dass auf Ebene der Personengesellschaft die Mindestbeteiligungsquote erfüllt wird. Zur Beurteilung der 25 %-Grenze ist u.E. die Beteiligungsquote der Personengesellschaft und nicht die durchgerechnete Quote ihrer Gesellschafter maßgebend.21 Dies ergibt sich auch aus § 13b Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 2 ErbStG, der im Rah18 Zur Abgrenzung vgl. auch BMF, Schr. vom 26.11.2004, BStBl. I 2004, 464. 19 Vgl. § 17 Abs. 1 S. 2 EStG, § 21 UmwStG. 20 Voraussetzung ist jedoch gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG, dass das Verwaltungsvermögen bei der Tochterkapitalgesellschaft nicht größer als 50 % ist. 21 Vgl. Beispiele in H 30 Abs. 2 ErbSt-Erlass. Eine Zuordnung von Beteiligungen zum Sonderbetriebsvermögen reicht allerdings nicht aus, da das Sonderbetriebsvermögen jedes Gesellschafters gem. Abschn. 30 Abs. 2 ErbSt-Erlass separat und jeweilig getrennt vom Gesamthandsvermögen beurteilt werden muss.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht men des Verwaltungsvermögenstests auf die Beteiligungsquote der Gesellschaft abstellt. Die Anteilsbündelung über eine gewerbliche Personengesellschaft ist im Vergleich zu der Anteilspoolung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG mit dem Vorteil verbunden, dass die Aufhebung der Bündelung kein Verstoß gegen die Behaltefrist i. S. d. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG darstellt. Die Ausführungen zu einer etwaigen Entgeltlichkeit der Einlage in I.4. sind zu beachten. Gehört zum Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft von mehr als 25 %, so gehört auch dieser Anteil zum begünstigten Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.22 Es kann sich daher anbieten, dass Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die die Mindestbeteiligungsquote nicht erfüllen, über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft gehalten werden. Die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft führt jedoch nur dann zur Nutzung der Begünstigung, wenn die Gesellschafter der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft wiederum die Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 % erfüllen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die verdeckte Einlage einer wesentlichen Beteiligung i. S. d. § 17 EStG gem. § 17 Abs. 1 S. 2 EStG der Veräußerung der Anteile gleichsteht, so dass es zur Aufdeckung und Versteuerung der in der Beteiligung gebildeten stillen Reserven käme. Eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten kann dagegen zu den Anschaffungskosten durchgeführt werden, wenn die Voraussetzungen des qualifizierten Anteilstausches i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG erfüllt sind. Allerdings ist die siebenjährige Sperrfrist des § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG zu beachten, nach der eine Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der Sperrfrist nachträglich zu einem steuerpflichtigen Einbringungsgewinn führt.

II. Drittstaatenvermögen/Drittstaatenbeteiligungen 1. Vorbemerkung Zum begünstigten Vermögen gehört inländischen Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA oder eines Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). 22 Vorraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Verwaltungsvermögenstest auf Ebene der Tochterkapitalgesellschaft erfüllt ist.

119

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Zum begünstigten Vermögen gehören auch Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat oder der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).23 2. Drittstaatenvermögen Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist Betriebsvermögen begünstigt, wenn es sich im Inland befindet oder einer Betriebsstätte im EU- oder EWR-Raum dient. Demgegenüber ist nicht relevant, wo sich der Gewerbebetrieb oder die Personengesellschaft befindet. Ausländisches Betriebsvermögen, welches sich in einer Drittstaaten-Betriebsstätte eines inländischen Gewerbebetriebs oder einer inländischen Personengesellschaft befindet, ist somit von der Begünstigung ausgenommen.24 Umgekehrt ist das Betriebsvermögen einer Drittstaaten-Personengesellschaft wiederum begünstigt, wenn es aufgrund Zugehörigkeit zu einer deutschen Betriebsstätte als inländisches Betriebsvermögen zu qualifizieren ist oder wenn es einer Betriebsstätte im EU- oder EWR-Raum dient.25 Sofern Drittstaatenvermögen existiert, sollte somit die Überführung in eine inländische oder EU/EWR-Betriebsstätte überprüft werden. Auch könnte das Drittstaatenvermögen über eine Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem EU/EWR-Staat gehalten werden. 3. Drittstaatenbeteiligungen Anteile an Kapitalgesellschaften sind gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur begünstigt, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder innerhalb der EU/EWR hat.26 Die Zugehörigkeit des Vermögens der Kapitalgesellschaft zu einer inländischen oder EU/EWR-Betriebsstätte ist damit für die Anmeldung der Begünstigung nicht erforderlich. Werden die Anteile an einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft über ein inländisches Betriebsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gehalten, so ist nicht der Sitz oder die Geschäftsleitung der Tochter-Kapitalgesell23 Abschn. 21 Abs. 1 ErbSt-Erlass. 24 Abschn. 20 Abs. 4 S. 2 f. ErbSt-Erlass. Vgl. auch Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 19; Huber/Reimer, DStR 2007, 2042; Raupach, DStR 2007, 2037; 2041. 25 Abschn. 20 Abs. 4 S. 1 ErbSt-Erlass. Vgl. auch Hannes/Onderka, ZEV 2008,16, 19. 26 Abschn. 21 Abs. 1 S. 21 ErbSt-Erlass.

120

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht schaft im Inland oder in der EU/EWR, sondern die Zugehörigkeit dieser Beteiligung zu einer inländischen oder EU/EWR-Betriebsstätte maßgebend, so dass die Anteile an der Drittstaaten-Kapitalgesellschaft durch diese Zuordnung in den Anwendungsbereich der Vergünstigung kommen können. Werden die Anteile an der Drittstaaten-Kapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftleitung im Inland oder der EU/ EWR gehalten, so fallen sie in den Anwendungsbereich der Vergünstigung.27

III. Wahlrecht zwischen dem 7jährigen und 10jährigen Begünstigungskonzept 1. Vorbemerkung Das neue ErbStG unterscheidet für begünstigtes Betriebsvermögen i. S. d. § 13b ErbStG zwischen einem 7jährigen und einem 10jährigen Begünstigungskonzept. Das 7jährige Begünstigungskonzept gewährt bei der Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen einen 85 %igen Bewertungsabschlag. Dieser kommt in vollem Umfang zur Anwendung, wenn das Betriebsvermögen am Übertragungsstichtag zu nicht mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, eine 7jährige Behaltefrist gewahrt wird und die Mindestlohnsumme von 650 % nach Ablauf der Lohnsummenfrist von 7 Jahren nicht unterschritten wird.28 Das 10jährige Begünstigungskonzept gewährt bei der Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen einen 100 %igen Bewertungsabschlag. Dieser kommt in vollem Umfang zur Anwendung, wenn das Betriebsvermögen am Übertragungsstichtag zu nicht mehr als 10 % aus Verwaltungsvermögen besteht, eine 10jährige Behaltefrist gewahrt wird und die Mindestlohnsumme von 1000 % nach Ablauf der Lohnsummenfrist von 10 Jahren nicht unterschritten wird.29 Das 7jährige Begünstigungskonzept ist als gesetzliches Grundkonzept ausgestaltet. Gem. § 13a Abs. 8 ErbStG kann der Erwerber jedoch unwiderruflich erklären, dass das 10jährige Begünstigungskonzept zur Anwendung kommt. Die Ausübung der Option ist bis zur formellen Bestandskraft der Steuerveranlagung möglich. Da sie unwiderruflich ist, kann nach Optionsausübung nicht mehr zur Regelbesteuerung zurückgekehrt 27 Vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. 28 Vgl. zum 7jährigen Begünstigungskonzept §§ 13a Abs. 2 und Abs. 5 und 13b Abs. 4 ErbStG. 29 Vgl. zum 10jährigen Begünstigungskonzept § 13a Abs. 8 ErbStG.

121

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht werden. Da das 10jährige Begünstigungskonzept erheblich strengere Voraussetzungen hat als das 7jährige Begünstigungskonzept, empfiehlt sich eine möglichst späte Optionsausübung. 2. Wegfall des Verschonungsabschlags im 7jährigen und im 10jährigen Konzept im Vergleich Wird innerhalb der Behaltefristen von 7 bzw. 10 Jahren30 einer der schädlichen Tatbestände31 ausgelöst, so entfällt der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 %. Allerdings beschränkt sich der Wegfall des Verschonungsabschlags in den Fällen des § 13a Abs. 5 S. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 5 auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltefrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgte, zur gesamten Behaltefrist entspricht. Der durch Zeitablauf erdiente Abschlag bleibt somit erhalten.32 Bleiben die weiteren Voraussetzungen der Begünstigung, Verwaltungsvermögenstest sowie Lohnsummentest, zu nächst unberücksichtigt bzw. wird unterstellt, dass diese erfüllt werden können, so ergibt sich folgender Vergleich zwischen dem 7jährigen (Alternative I) und dem 10jährigen (Alternative II) Begünstigungskonzept: Verbleibender Verschonungsabschlag Veräußerung in Jahr 1

2

3

4

5

Alternative I

0,00 %

12,14 %

24,29 %

36,43 %

48,57 %

Alternative II

0,00 %

10,00 %

20,00 %

30,00 %

40,00 %

Differenz

0,00 %

2,14 %

4,29 %

6,43 %

8,57 %

Veräußerung in Jahr 6

7

8

9

10

11

Alternative I

60,71 %

72,86 %

85,00 %

85,00 %

85,00 %

85,00 %

Alternative II

50,00 %

60,00 %

70,00 %

80,00 %

90,00 % 100,00 %

Differenz

10,71 %

12,86 %

15,00 %

5,00 %

–5,00 % –15,00 %

30 Vgl. § 13a Abs. 5 und Abs. 8 Nr. 1 ErbStG. 31 Vgl. § 13a Abs. 5 Nrn. 1–5 ErbStG. 32 Der ursprünglich vorgesehene Fallbeileffekt ist somit in der abschließenden Gesetzesfassung nicht mehr enthalten. Allerdings sind bei einer schädlichen Verwendung während der Behaltefrist die Wertverhältnisse im Übertragungszeitpunkt maßgebend, was gerade bei Wertverlusten gravierende Steuerbelastungen auslösen kann.

122

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Der Vergleich zeigt, dass ein Verstoß gegen die Behaltefristen in dem Zeitraum vom 1. bis zum 9. Jahr nach dem Erwerb im 7jährigen Begünstigungskonzept günstiger ist als im 10jährigen Begünstigungskonzept. Kommt es z. B. zu einer Veräußerung im Jahre 7 nach dem Erwerb, so verbleibt im 7jährigen Begünstigungskonzept ein Verschonungsabschlag von 72,86 % und im 10jährigen Begünstigungskonzept dagegen nur von 60 %. Erst bei einer Veräußerung im Jahr 10 oder später nach dem Erwerb, ist das 10jährige Begünstigungskonzept günstiger als das 7jährige Begünstigungskonzept. Schulden und Lasten, die mit nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gem. § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a anzusetzenden Wertes dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a entspricht. Kommt es durch eine schädliche Verwendung innerhalb der 7jährigen oder 10jährigen Behaltefrist33, so reduziert sich der Verschonungsabschlag, was wiederum zur Folge hat, dass sich der Umfang der nach § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG abzugsfähigen Schulden und Lasten erhöht.34 3. Berücksichtigung des Lohnsummentests Das 7jährige Begünstigungskonzept verlangt, dass innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 650 % der Ausgangslohnsumme (Mindestlohnsumme) nicht unterschritten werden dürfen.35 Das 10jährige Begünstigungskonzept verlangt, dass innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 1.000 % der Ausgangslohnsumme (Mindestlohnsumme) nicht unterschritten werden dürfen.36 Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.37 Vergleicht man die nachträgliche Reduzierung des Verschonungsabschlags bei einem Verstoß gegen die Behaltefristen einerseits und bei der Nichteinhaltung der Mindestlohnsumme andererseits, so ist die Reduzierung des Verschonungsabschlags im 7jährigen Begünstigungskonzept bei einer Mindestlohnsumme von 557,1 % und im 10jährigen Begünstigungskonzept von 900 % mit der Reduzierung des Verschonungsabschlags bei einer schädlichen Verwendung im letzten Jahr des 33 34 35 36 37

Vgl. § 13a Abs. 5 ErbStG. Abschn. 1 Abs. 4 S. 5 ErbSt-Erlass. § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG. § 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG. § 13a Abs. 1 S. 5 ErbStG.

123

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Überwachungszeitraums identisch. Ist somit absehbar, dass die Mindestlohnsumme 557,1 % im 7jährigen Begünstigungskonzept bzw. 900 % im 10jährigen Begünstigungskonzept unterschreitet, ist eine schädliche Verwendung innerhalb des letzten Jahres des Überwachungszeitraums i. d. R. vorteilhaft, da der Lohnsummentest auf diesem Wege vermieden werden kann. Vorstehend wurde davon ausgegangen, dass der Lohnsummentest gem. § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG erst nach Ablauf der Lohnsummenfrist durchgeführt werden muss. Eine schädliche Verwendung während der Behaltefrist (§ 13a Abs. 5 Nr. 1–5 ErbStG) würde damit den erst nach Ablauf der Frist durchzuführenden Lohnsummentest verdrängen. Zu einer anderen Auslegung siehe Abschn. 16 Abs. 3 ErbSt-Erlass.38 Entwicklung des verbleibenden Verschonungsabschlages bei schädlicher Verfügung im letzten Jahr der Behaltefrist im Vergleich zum Nichtbestehen des Lohnsummentests Verschonungsabschlag in % 100 90 85 72,86

0

557,1 650

900 1000 Mindestlohnsumme in %punkten 10-jähriges Begünstigungskonzept 7-jähriges Begünstigungskonzept

4. Berücksichtigung des Verwaltungsvermögens Die beiden Begünstigungskonzepte enthalten unterschiedliche Schädlichkeitsquoten für das Verwaltungsvermögen. Im 7jährigen Begünstigungskonzept ist Betriebsvermögen nicht mehr begünstigt, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Betriebsvermögen der 38 Siehe hierzu auch Thonemann, DB 2008, S. 2616, 2618 f.

124

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Betriebe oder der Gesellschaft zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Im 10jährigen Begünstigungskonzept beträgt die schädliche Quote mehr als 10 % (§ 13a Abs. 8 ErbStG).39 In beiden Begünstigungskonzepten handelt es sich bei dem Verwaltungsvermögenstest um eine Betrachtung zum jeweiligen Übertragungsstichtag (Stichtagsbetrachtung). Ausgenommen von dieser Stichtagsbetrachtung ist jedoch gem. § 13b Abs. 2 S. 3 ErbStG sog. junges Verwaltungsvermögen.40 Unabhängig vom Bestehen des Verwaltungsvermögenstests wird Verwaltungsvermögen, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war, von der Begünstigung ausgeschlossen. Bestimmte Anforderungen an die Entwicklung des Verwaltungsvermögens nach dem Übertragungsstichtag enthält das Gesetz dagegen nicht. Vergleicht man die Steuerbelastung der beiden Begünstigungskonzepte unter Beachtung des Verwaltungsvermögenstests, so führt dies u.E. zu einer Vorteilhaftigkeit des 7jährigen Konzeptes. Hierbei wird vorausgesetzt, dass Verwaltungsvermögen in ausreichendem Umfang vorhanden ist. Die positive Wirkung des zusätzlichen Verschonungsabschlags im 10jährigen Konzept (100 % satt 85 %) fällt nämlich in der Regel geringer aus als die nachteilige Belastungswirkung der geringeren Verwaltungsvermögensgrenze (10 % statt 50 %). Beispiel: Das vollumfänglich mit Eigenkapital finanzierte Vermögen des Erblassers beträgt 180, welches hälftig die Voraussetzungen des begünstigten Vermögens und hälftig die Merkmale des Verwaltungsvermögens erfüllt (Verwaltungsvermögen 90). Im 7jährigen Begünstigungskonzept käme der 85 %-ige Verschonungsabschlag noch zur Anwendung, wenn das gesamte Vermögen zum Betrieb gehören würde, da das Verwaltungsvermögen (90) die 50 %-Grenze nicht überschreiten würde. Insgesamt umfasst somit der Verschonungsabschlag von 85 % das gesamte Vermögen von 180. Im 10jährigen Begünstigungskonzept kommt der 100 %-ige Abschlag zur Anwendung, wenn max. 10 % des Vermögens im Betrieb aus Verwaltungsvermögen besteht. Ingesamt wird somit ein Vermögen von 100 von

39 Sollte das 10jährige Begünstigungskonzept gewählt werden, sich jedoch beispielsweise im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung herausstellen, dass das Verwaltungsvermögen über 10 % lag, erhält der Erwerber die 7jährige Begünstigung, sofern dieses aufgrund des neu festgesetzten Verwaltungsvermögensbestandes zulässig ist. Vgl. Abschn. 17 Abs. 3 S. 4 ErbSt-Erlass. 40 Vgl. Abschn. 34 Abs. 1 ErbSt-Erlass.

125

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht dem 100 %igen Verschonungsabschlag erfasst. Das verbleibende Verwaltungsvermögen von 80 unterliegt insoweit ohne Begünstigung der Besteuerung. Die nachstehenden Tabellen machen deutlich, dass der Vorteil des erhöhten Verschonungsabschlags im 10jährigen Begünstigungskonzept bei den getroffenen Annahmen durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage für das nicht begünstige Verwaltungsvermögen kompensiert wird. Steuerbelastung im 7jährigen Begünstigungskonzept Betriebsvermögen: 180, hiervon Verwaltungsvermögen 90 Da eine Verwaltungsvermögensquote von 50 % besteht, kann der 85 %-ige Verschonungsabschlag in Anspruch genommen werden. Somit sind 153 von der ErbSt befreit, wohingegen die verbleibenden 15 % (= 27) in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage einfließen (BMG I). Sofern keine schädliche Verfügung über das verschonte Vermögen in den nächsten sieben Jahren durchgeführt wird, sind 153 vollständig von der ErbSt ausgenommen. Ansonsten kommt es gem. § 13a Abs. 5 ErbStG zu einer zeitanteilig rückwirkenden Erhöhung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (BMG II). Der Lohnsummentest soll bei dieser Betrachtung vernachlässigt werden. Schädliche Verfügung im Jahr 1

2

3

4

5

BMG I

27

27

27

27

27

BMG II

153

131,14

109,29

87,43

65,57

180

170

160

150

140

Summe BMG

Schädliche Verfügung im Jahr 6 BMG I BMG II Summe BMG

7

8

9

10

11 27

27

27

27

27

27

43,71

21,86

0

0

0

0

130

120

110

100

90

80

Steuerbelastung im 10jährigen Begünstigungskonzept Im Falle des 10jährigen Begünstigungskonzeptes darf das Verwaltungsvermögen höchstens 10 % des Betriebsvermögens betragen. Somit können lediglich 100 (90 Produktivvermögen + 10 Verwaltungsvermögen) begünstigt werden. Die verbleibenden 80 gehen unmittelbar in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage (BMG I) ein. 126

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Schädliche Verfügung im Jahr 1

2

3

4

5

BMG I

80

80

80

80

80

BMG II

100

90

80

70

60

Summe BMG

180

170

160

150

140

Schädliche Verfügung im Jahr 6

7

8

9

10

11

BMG I

80

80

80

80

80

80

BMG II

50

40

30

20

10

0

130

120

110

100

90

80

Summe BMG

Bei einem Vergleich der beiden Begünstigungskonzepte unter Beachtung des Verwaltungsvermögenstests ist weiterhin zu beachten, dass die 10 %-ige Schädlichkeitsgrenze im 10jährigen Begünstigungskonzept u.E. so niedrig angesetzt ist, dass die unwiderrufliche Erklärung zur Nutzung des 10jährigen Begünstigungskonzeptes nur in selten Fällen abgegeben werden kann bzw. sollte. In vielen Unternehmen befinden sich zur Fortführung des Betriebes erforderliche Vermögensgegenstände, die vom Gesetzgeber jedoch als schädliches Verwaltungsvermögen definiert werden. So z. B. Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, strategische Minderheitsbeteiligungen von nicht mehr als 25 % an Tochterkapitalgesellschaften oder auch kurzfristig wegen Leerstand fremdvermietete Betriebsgebäude. Auch können Wertschwankungen im Unternehmenswert einerseits sowie beim Verwaltungsvermögen andererseits und schließlich noch die Nichtberücksichtigung von zum Verwaltungsvermögen gehörenden Verbindlichkeiten im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests durch die niedrige 10 %-Grenze nicht abgedeckt werden. Berücksichtigt man schließlich noch etwaige Rechtsunsicherheiten, so z. B. die Frage nach der Existenz einer Betriebsaufspaltung, wird ersichtlich, dass in vielen Fällen das 10jährige Begünstigungskonzept wegen Überschreitens der 10 %-Grenze oder wegen verbleibender Unsicherheiten gar nicht genutzt werden kann bzw. sollte.41

41 Die Erklärung kann bis zur (formellen) Bestandskraft der Steuerfestsetzung abgegeben werden, so dass etwaige Unsicherheiten ggf. durch eine späte Abgabe der Erklärung aufgefangen werden könnten. Siehe auch Abschn. 17 Abs. 3 S. 4 ErbSt.-Erlass.

127

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht

IV. Verwaltungsvermögenstest 1. Vorbemerkung Handelt es sich bei dem zu übertragenden Vermögen um begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 ErbStG (erster Prüfungsschritt), so muss in einem zweiten Prüfungsschritt gem. § 13b Abs. 2 ErbStG der Verwaltungsvermögenstest durchgeführt werden. Führt diese Überprüfung zu dem Ergebnis, dass das Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft, eines Gewerbebetriebs oder einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile begünstigt sind, zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 1–5 ErbStG besteht, kommt die Begünstigung nicht zur Anwendung.42 Diese 50 %-Grenze gilt für das 7jährige Begünstigungskonzept. Im 10jährigen Begünstigungskonzept wird diese Grenze gem. § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG auf 10 % reduziert. Kann der zum Übertragungsstichtag durchzuführende Verwaltungsvermögenstest nicht bestanden werden, da der Verwaltungsvermögensanteil größer als 50 % bzw. größer als 10 % ist, kommt die Betriebsvermögensvergünstigung überhaupt nicht zur Anwendung. Damit schlagen die nach neuem Recht deutlich höheren Bemessungsgrundlagen für Unternehmensvermögen in diesen Fällen ohne jede Vergünstigung durch, was zu einer massiven Steuerbelastung führen kann. Daher ist es dringend geboten, Kontrollsysteme zur permanenten Überprüfung des Verwaltungsvermögens zu installieren und ggf. erforderliche Umstrukturierungsschritte zur Anpassung an die 50 %- bzw. 10 %-Grenze durchzuführen. Hier ist z. B. zu denken an einen Aktivtausch zur Reduzierung des Verwaltungsvermögens, die Zuführung oder Entnahme von Verwaltungsvermögen zur optimalen Nutzung der 50 %- bzw. 10 %-Grenze, die Nutzung von Holdingstrukturen sowie die Vermeidung von fremdfinanziertem Verwaltungsvermögen. 2. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke als Verwaltungsvermögen Gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ErbStG gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten zum Verwaltungsvermögen.43 Das Gesetz enthält von dieser Regelung jedoch eine Vielzahl von Ausnahmen: Eine Nutzungsüberlassung an Dritte liegt gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Buchst. a ErbStG in den Fällen der Betriebsaufspaltung44 und des Sonderbetriebs42 Abschn. 23 Abs. 1 S. 1 ErbSt-Erlass. 43 Abschn. 24 S. 1 ErbSt-Erlass. 44 In der abschließenden Gesetzesfassung ist nun auch die sog. Personengruppentheorie berücksichtigt. Vgl. hierzu z. B. Geck, ZEV 2008, 557, 561.

128

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht vermögens dagegen nicht vor, wenn diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergangen ist45 und soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt.46 Es bietet sich somit an, die Sachverhalte, bei denen bisher insbesondere aus ertragsteuerlichen Gründen eine Betriebsaufspaltung oder von Sonderbetriebsvermögen vermieden wurde, aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gründen die bewusste Begründung einer Betriebsaufspaltung oder von Sonderbetriebsvermögen zu überprüfen.47 Eine Nutzungsüberlassung an Dritte liegt gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Buchst. b ErbStG auch dann nicht vor, wenn die Grundstücke im Rahmen einer Betriebsverpachtung Dritten zur Nutzung überlassen werden.48 Weitere Voraussetzung ist gem. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG, dass die Verpachtung beim Verpächter zu gewerblichen oder freiberuflichen Einkünften führt und der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter zum Erben eingesetzt hat. Gleiches gilt gem. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb ErbStG, wenn die Verpachtung zwar an einen Dritten erfolgt, der Beschenkte im Zeitpunkt der Steuerentstehung den Betrieb jedoch altersbedingt nicht führen kann; und die Verpachtung auf höchstens 10 Jahre befristet ist. Hat der Beschenkte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, beginnt die Frist mit Vollendung des 18. Lebensjahres. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass der Betrieb vor der Verpachtung die Voraussetzungen als begünstigtes Vermögen erfüllt hat. Beachtlich ist, dass die erste Alternative (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG) verlangt, dass der Betrieb beim Erwerb von Todes wegen aufgrund einer letztwilligen Verfügung oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung vom Erben erworben wird. Der Erwerb aufgrund gesetzlicher Erbfolge sowie die Vermächtniseinsetzung sind damit ausgeschlossen.49 Es sollte

45 Während bisher im Rahmen der Nachfolgeplanung insbesondere aus ertragsteuerlichen Gründen sichergestellt werden musste, dass durch Erbfall, Erbauseinandersetzung oder vorweggenommene Erbfolge eine bestehende Betriebsaufspaltung oder die Existenz von Sonderbetriebsvermögen nicht beendet wird, gewinnt dieser Aspekt durch § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a ErbStG auch erbschaft- und schenkungsteuerlich erheblich an Bedeutung. 46 Abschn. 25 Abs. 1 f. ErbSt-Erlass. 47 Die Regelung des § 13b Abs. 2 S. 3 ErbStG zum sog. jungen Verwaltungsvermögen kommt u.E. in diesen Fällen nicht zur Anwendung, da es sich bei den im Rahmen einer Betriebsaufspaltung oder des Sonderbetriebsvermögens überlassenen Grundstücken durch die Rückausnahme in § 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 Buchst. a ErbStG um originär begünstigtes Betriebsvermögen und nicht um Verwaltungsvermögen handelt. 48 Zu den Voraussetzungen vgl. Abschn. 26 Abs. 1 ErbSt-Erlass. 49 Vgl. hierzu Geck, ZEV 2008, 557, 561.

129

Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht somit der Pächter tatsächlich durch letztwillige Verfügung als Erbe eingesetzt werden. Die zweite Alternative (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb ErbStG) gilt nach dem Wortlaut nur für die Schenkung des verpachteten Betriebs innerhalb der Frist und nicht für den Erbfall50, so dass nach Möglichkeit rechtzeitig eine Zuwendung unter Lebenden erfolgen sollte.51 Eine Nutzungsüberlassung an Dritte liegt gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. c ErbStG auch dann nicht vor, wenn sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern i. S. d. § 4h EStG gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt. Schließlich liegt einen Nutzungsüberlassung an Dritte gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG auch dann nicht vor, wenn die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen i. S. d. § 181 Abs. 1 BewG besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert.52 Beachtlich ist zunächst, dass sich diese Regelung bei Personengesellschaften auf das gesamthänderisch gebundene Betriebsvermögen beschränkt, so dass etwaiges Sonderbetriebsvermögen ausgeschlossen ist. Fraglich ist, wann die Voraussetzung, „dessen Erfüllung ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 AO erforderlich ist“, erfüllt ist.53

50 Vgl. auch Thonemann, DB 2008, 2616, 2620. 51 Da § 13b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb ausdrücklich nur den Beschenkten erwähnt, ist u.E. eine entsprechende Anwendung auf Erbfälle nicht möglich. § 1 Abs. 2 ErbStG erlaubt eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen auch auf Schenkungen und umgekehrt, nur wenn der Wortlaut des Gesetzes zweifelhaft ist (vgl. auch Weinmann, in Moench/Kein-Humbert/Weinnmann, § 1 Anm. 32). Bei eindeutigem Wortlaut (vgl. z. B. auch § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) ist eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung nicht möglich. 52 Das gilt auch dann, wenn Grundstücke bzw. Grundstücksteile, die vermietet werden, nicht zu Wohnzwecken, sondern zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden. Maßstab ist hier das Verhältnis der Summe der Grundbesitzwerte die zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken zu der Gesamtsumme aller vermieteten Grundstücke, vgl. Wiegand, DStR 2008 Beiheft zu Heft 51–52, 93, 97. 53 Vgl. auch Abschn. 28 ErbSt.-Erlass. Eine Konkretisierung enthält der ErbSt.-Erlass nicht.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 3. Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 % als Verwaltungsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG dann zum Verwaltungsvermögen eines Betriebs, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital der Kapitalgesellschaft 25 % oder weniger beträgt54, und sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Gesetzes über das Kreditwesen zuzurechnen sind.55 Es stellt sich somit bei Nichterfüllung der Mindestbeteiligungsquote die Frage, wie die Zugehörigkeit von Anteilen an Kapitalgesellschaften zum Verwaltungsvermögen verhindert werden kann. Grundsätzlich kann hierzu auf die Ausführungen zur Generierung von begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften56 verwiesen werden. Allerdings ist auf einige Besonderheiten hinzuweisen: Das Anteilspooling kann sowohl zur Generierung von begünstigtem Vermögen (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG) als auch zur Verhinderung von Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG) genutzt werden.57 Wird das Anteilspooling zur Generierung von begünstigtem Betriebsvermögen genutzt, so ist beachtlich, dass gem. § 13b Abs. 5 Nr. 5 ErbStG der Verschonungsabschlag i. S. d. § 13a Abs. 1 ErbStG sowie auch der Abzugsbetrag i. S. d. § 13a Abs. 2 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen, soweit die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung innerhalb der Behaltefrist aufgehoben werden. Eine Mindestvorlaufzeit der Poolung durch den Erblasser/Schenker sieht das Gesetz in diesen Fällen nicht vor. Wird das Anteilspooling im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests genutzt58, ist eine nachlaufende Behalte- bzw. Bindungsfrist aufgrund der Stichtagsbetrachtung dagegen nicht zu beachten. Auch eine Mindestvorlaufzeit der Poolung durch den Erblasser/Schenker sieht das Gesetz im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests nicht vor. Die das sog. junge Verwaltungsvermögen betreffende Frist von zwei Jahren gilt nur für Verwaltungsvermögen. Bei gepoolten Anteilen handelt es sich aber gerade nicht um Verwaltungsvermögen, da die Anteile durch die Poolung originär begünstigt sind. Bei Gesellschaften, die in einem Konzern unter einheitlicher Leitung stehen, ist gem. Abschn. 30 Abs. 1 S. 2 ErbSt.-Erlass eine gesonderte Poolvereinbarung i. S. d. § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStbG nicht erforderlich. Ein weiterer Unterschied zwischen § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (Definition des begünstigten Vermögens) und § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG (Definition 54 55 56 57 58

Abschn. 30 Abs. 1 S. 1 ErbSt-Erlass. Abschn. 30 Abs. 5 ErbSt-Erlass. Vgl. Abschn. I. Die Poolregelung gilt entsprechend gem. Abschn. 30 Abs. 1 S. 2 ErbSt-Erlass. Vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht des Verwaltungsvermögens) besteht in der Bankenklausel. Gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ErbStG gehören Anteile an Kapitalgesellschaften < 25 % nicht zum Verwaltungsvermögen, wenn sie dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes zuzurechnen sind. Eine derartige Regelung gibt es in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht. Insbesondere bei vermögensverwaltenden GmbHs, die in erster Linie als Anlagevehikel dienen und deren Portfolio in großem Umfang aus Aktienanlagen besteht, könnte sich die Nutzung dieser Bankenklausel anbieten.59 Diese Bankenklausel i. S. d. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ErbStG ist eines Regelung in Verbindung mit dem Verwaltungsvermögenstest, der am bzw. für den relevanten Übertragungsstichtag durchzuführen ist. Damit existieren nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Anforderungen an die der Übertragung nachfolgende Fortführungsdauer des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes. Die Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG wird hierbei beachtet werden müssen. 4. Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 % als Verwaltungsvermögen Sind in dem begünstigten Betriebsvermögen Anteile an Tochterpersonengesellschaften oder Anteile an Tochterkapitalgesellschaften > 25 % enthalten, so gehören diese Anteile dann zum Verwaltungsvermögen, wenn auf Ebene der Tochtergesellschaft der Verwaltungsvermögenstest nicht bestanden wird.60 In mehrstufigen Strukturen muss der Verwaltungsvermögenstest somit auf jeder Stufe durchgeführt werden.61 Da der Verwaltungsvermögenstest in mehrstufigen Strukturen gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG nicht im Rahmen einer Konzernbetrachtung, sondern für jede Tochtergesellschaft isoliert durchgeführt werden muss, kann der gesamte Umfang des unschädlichen Verwaltungsvermögens im Konzern durch eine entsprechende Verteilung auf die einzelnen Gesellschaften erhöht werden. Hierbei gilt gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG zur Beteiligung von Anteilen an Tochtergesellschaften auch im 10jährigen Begünstigungsmodell im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests die 50 %-Grenze.62

59 60 61 62

§ 8b Abs. 7 KStG ist zu beachten. Vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG; Abschn. 31 Abs. 1 S. 1 ErbSt-Erlass. Vgl. hierzu auch Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 21. Vgl. § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG erwähnt § 13a Abs. 2 S. 2 ErbStG nicht.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 5. Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen als Verwaltungsvermögen Gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gehören Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, die nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes oder eines Versicherungsunternehmens zuzurechnen sind, zum Verwaltungsvermögen. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, was unter Wertpapieren und vergleichbaren Forderungen zu verstehen ist.63 Geldbestände und Kundenforderungen werden nach ganz h.M. von dieser Regelung nicht erfasst, so dass sie nicht zum Verwaltungsvermögen gehören64, wobei auch hier die genaue Definition von Geldbeständen und Kundenforderungen noch nicht geklärt ist. U. E. sollten sämtliche Kassenbestände, Tages- und Festgelder, Konzerndarlehen, Cash-Pooling-Systeme, Steuererstattungsansprüche sowie sämtliche Forderungen aus i. V. m. dem laufenden Geschäftsbetrieb stehenden Schuldverhältnissen nicht zum Verwaltungsvermögen gehören. Eine entsprechende Definition findet sich in Abschn. 32 Abs. 1 S. 1 ErbSt.-Erlass. Zur Abgrenzung zwischen Anteilen an Kapitalgesellschaften und Wertpapieren hat die Regelung des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ErbStG gem. Abschn. 32 Abs. 1 S. 5 ErbSt.-Erlass Vorrang. Unter Beachtung der noch abschließend zu klärenden Abgrenzung kann gerade in den vorstehenden Fällen durch einen Aktivtausch schädliches Verwaltungsvermögen in begünstigtes Betriebsvermögen umgewandelt werden. 6. Ermittlung des Verwaltungsvermögensanteils Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich gem. § 13b Abs. 2 S. 4 ErbStG nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs.65 Diese Vergleichsrechnung muss zum Zeitpunkt des Erbfalls bzw. der Schenkung durchgeführt werden. Es handelt sich bei dem Verwaltungsvermögenstest somit um eine strenge Stichtagsbetrachtung, bei der etwaige Vor- oder Nachlauffristen nicht beachtet werden müssen. Das Bestehen oder Nichtbestehen des Verwaltungsvermögenstetst ist somit von der Höhe des Verwaltungsvermögens zum Stichtag einerseits und von dem Unternehmenswert zum Stichtag andererseits abhängig. Beachtlich ist insbesondere, dass bei der vorstehenden Vergleichsrechnung etwaige Verbindlichkeiten, die mit dem Verwaltungsvermögen in 63 Vgl. hierzu auch Geck, ZEV 2008, 557, 562; Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 21; Söffing, M. DStZ 2008, 867, 874. Eine Definition für Wertpapiere und Forderungen wird in Abschn. 32 Abs. 1 S. 2 f. Entwurf ErbSt-Erlass gegeben. 64 Vgl. insbesondere Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 21. 65 Abschn. 35 Abs. 1 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht berücksichtigt werden.66 Die Fremdfinanzierung von Verwaltungsvermögen reduziert somit über den Zinsaufwand den Unternehmenswert während das Verwaltungsvermögen ungekürzt in die Vergleichsrechnung einfließt.67 Es sollte somit fremdfinanziertes Verwaltungsvermögen nach Möglichkeit vermieden werden.68 Hierzu können die auf dem Verwaltungsvermögen lastenden Verbindlichkeiten getilgt werden, das Verwaltungsvermögen aus dem Betriebsvermögen entnommen werden69 oder aber das Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften gebündelt werden. 7. Junges Verwaltungsvermögen Konnte der Verwaltungsvermögenstest i. S. d. § 13b Abs. 2 S. 1 und 2 ErbStG als zweiter Prüfungsschritt bestanden werden, so ist gem. § 13b Abs. 1 ErbStG das gesamte Vermögen begünstigt. In einem dritten Prüfungsschritt muss etwaiges junges Verwaltungsvermögen aus dem begünstigten Vermögen ausgeklammert werden.70 § 13b Abs. 2 S. 3 ErbStG bestimmt, dass solches Verwaltungsvermögen, welches dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen war, nicht zum begünstigten Vermögen gehört.71 Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass kurz vor der Übertragung zur optimalen Nutzung der 50 %- bzw. 10 %-Grenze dem Betrieb weiteres Verwaltungsvermögen zugeführt wird. Der Wortlaut des § 13b Abs. 3 S. 3 ErbStG lässt eine weite und eine enge Auslegung zu. Nach der weiten Auslegung ist sämtliches am Stichtag dem Unternehmen zuzurechnendes Verwaltungsvermögen auszuklammern, welches sich entweder weniger als zwei Jahre im Betrieb befand oder welches die Qualifikation als Verwaltungsvermögen erst weniger als zwei Jahre besitzt. Hiernach würden zum jungen Verwaltungsvermögen z. B. auch Gebäude gehören, die vom Betrieb seit vielen Jahren zu eigenbetrieblichen Zwecken genutzt wurden, aber innerhalb der letzten zwei Jahre erstmals fremdvermietet werden. Gleiches gilt z. B. für einen seit vielen Jahren gehaltenen Anteil von 30 % an einer Tochterkapitalgesellschaft, der einige Monate vor der Übertragung aus strategischen Gründen auf 20 % reduziert wurde. Von dieser weiten Auslegung würde auch die 66 Vgl. Abschn. 35 Abs. 2 S. 5 ErbSt-Erlass. 67 Handelt es sich bei dem fremdfinanzierten Verwaltungsvermögen um nicht betriebsnotwendiges Vermögen i. S. d. § 200 Abs. 2 BewG, so wird dieses bei der Berechnung des Unternehmenswertes herausgerechnet. Vgl. Schiffers, DStZ 2008, 887, 888. 68 Vgl. Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16, 18; Schiffers, DStZ 2008, 887, 888; Söffing, M. DStZ 2008, 867, 874. 69 Ertragsteuerlicher Aspekte sind zu beachten. 70 Vgl. Abschn. 34 Abs. 1 S. 1 ErbSt-Erlass. 71 Vgl. Abschn. 34 Abs. 1 S. 2 f. ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Umschichtung von Verwaltungsvermögen, so z. B. Verkauf und Kauf von Wertpapieren, erfasst werden, obwohl sich der gesamte Umfang des Verwaltungsvermögens innerhalb der letzten zwei Jahre nicht erweitert hat. Nach der engen Auslegung ist durch die Regelung zum jungen Verwaltungsvermögen nur solches Verwaltungsvermögen auszuklammern, welches innerhalb der letzten zwei Jahre dem Betrieb erstmals von außen zugeführt wurde. Die Surrogation von altem Verwaltungsvermögen in junges Verwaltungsvermögen sowie auch von begünstigtem Vermögen in Verwaltungsvermögen werden somit nicht erfasst. Orientiert man sich an der Zielsetzung der Regelung, ist die enge Auslegung zu bevorzugen. Nach Abschn. 34 Abs. 1 S. 2 ErbSt.-Erlass gehört zum jungen Verwaltungsvermögen nicht nur innerhalb des Zweijahreszeitraums eingelegtes Verwaltungsvermögen, sondern i. d. R. auch Verwaltungsvermögen, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist. Vermögensgegenstände, die seit zwei Jahren und mehr zum Betriebsvermögen gehörten, sind gem. Abschn. 34 Abs. 1 S. 3 ErbSt.-Erlass dagegen kein junges Verwaltungsvermögen, wenn die in § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG genannten Kriterien erst innerhalb der letzten beiden Jahre eingetreten sind.

V. Lohnsummentest 1. Vorbemerkung Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vergünstigung ist gem. § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs innerhalb von 7 Jahren (im 10jährigen Begünstigungskonzept innerhalb von 10 Jahren) nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 650 % der Ausgangslohnsumme (im 10jährigen Begünstigungskonzept 1.000 %) nicht unterschreitet. Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre. Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. Der Lohnsummentest muss gem. § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG nicht durchgeführt werden, wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb nicht mehr als 10 Beschäftigte hat.72

72 Abschn. 8 Abs. 2 S. 7 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 2. Wahl des Übertragungszeitpunktes Der Übertragungszeitpunkt ist zunächst für die Ermittlung der Ausgangslohnsumme maßgebend. Da die Ausgangslohnsumme die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftjahre ist73, kann durch die Festlegung des Übertragungszeitpunktes bestimmt werden, welche Wirtschaftjahre einzubeziehen sind. Beachtlich sind hierbei die exakten Regelungen zum Übertragungszeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer in § 9 ErbStG. Der Übertragungszeitpunkt ist weiterhin der Beginn der Lohnsummenfrist und ist somit für die Ermittlung der Summe der jährlichen Lohnsummen maßgebend. Zur Ermittlung der jährlichen Lohnsumme ist u.E., wie auch bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme gem. § 13a Abs. 4 S. 1 ErbStG, auf das Ende der innerhalb der Lohnsummenfrist liegenden Wirtschaftjahre abzustellen. Würde man den Übertragungszeitpunkt sowie die dem Übertragungszeitpunkt entsprechenden Zeitpunkte der nachfolgenden Jahre als maßgebend ansehen, wäre eine exakte Vergleichbarkeit zwischen Ausgangslohnsummen und Summe der jährlichen Lohnsummen nicht mehr gewährleistet. 3. Ausgangslohnsumme/Summe der jährlich maßgebenden Lohnsummen Eine Reduzierung der Ausgangslohnsumme kann neben der Wahl eines günstigen Übertragungszeitpunktes auch durch die Umwandlung von Arbeitsplätzen in Leiharbeitsverhältnisse oder durch den verstärkten Einsatz von Arbeitnehmern, die nicht ausschließlich oder überwiegend im Betrieb tätig sind, erfolgen.74 Tochtergesellschaften, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Staat haben, werden im Rahmen des Lohnsummentests nicht berücksichtigt. Durch die rechtzeitige Verlagerung von Arbeitsplätzen in Drittstaaten-Gesellschaften oder die Verlagerung von Sitz oder Geschäftsleitung der Gesellschaft kann somit die Ausgangslohnsumme verringert werden. Auch kann es sich anbieten, besonders Lohnsummenintensive Teilbereiche eines Unternehmens oder Konzerns auf Schwestergesellschaften zu übertragen, um die Infizierung des Gesamtkonzerns zu vermeiden. Die für den Lohnsummentest maßgebende Summe der jährlichen Lohnsumme muss zum Ende der Lohnsummenfrist ermittelt werden. Ein 73 Abschn. 8 Abs. 5 S. 1 ErbSt-Erlass, vgl. auch H 8 ErbSt.-Erlass. 74 Vgl. § 13a Abs. 4 S. 1 ErbStG. Zur Nichtberücksichtigung der genannten Beschäftigungsverhältnisse vgl. Abschn. 8 Abs. 2 S. 2 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht Unterschreiten der Mindestlohnsumme kann somit noch durch eine Erhöhung der jährlichen Lohnsummen, z. B. durch Gehaltserhöhungen, Neueinstellungen oder durch Beteiligungen75 an Unternehmen mit hoher Beschäftigungszahl, zum Ende der Lohnsummenfrist erreicht werden. Umgekehrt sollte während der Lohnsummenfrist eine Verringerung oder Verlagerung von Arbeitsplätzen in Drittstaaten-Gesellschaften vermieden werden. Ist zum Ende der Lohnsummenfrist ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme absehbar, kann der bewusste Verstoß gegen die Behaltefrist i. S. d. § 13a Abs. 5 ErbStG vorteilhaft sein.76 4. Lohnsummentest in Konzernstrukturen Gehören zum Betriebsvermögen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft und Anteilen an Kapitalgesellschaften des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften sowie Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 %, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland oder einem EU/EWRStaat haben, so sind gem. § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG die Lohnsummen dieser Gesellschaften zu dem Anteil einzubeziehen, zu dem die unmittelbare und mittelbare Beteiligung besteht.77 Sind die Voraussetzungen des § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG erfüllt, so muss eine Konzernlohnsumme ermittelt werden. Es müssen die Lohnsummen aller Gesellschaften ermittelt und quotal entsprechend der Beteiligungshöhe zusammengerechnet werden. Hierbei sind u.E. die Verhältnisse jeder einzelnen Gesellschaft maßgebend, so dass z. B. zur Ermittlung der jährlichen Lohnsumme auf die Wirtschaftjahre der Tochtergesellschaften und nicht auf das Wirtschaftjahr der Muttergesellschaft abgestellt werden muss. Die Beteiligungsquote an den Tochtergesellschaften kann den Lohnsummentest erheblich beeinflussen. Eine Reduzierung der Beteiligungsquote vor dem Übertragungszeitpunkt kann eine Tochterkapitalgesellschaft bei Unterschreiten der 25 %-Grenze vollständig vom Lohnsummentest ausklammern oder bei Tochterpersonengesellschaften und Tochterkapitalgesellschaften > 25 % den Umfang der zu berücksichtigenden Lohnsumme reduzieren.78 Umgekehrt kann eine Erhöhung der Beteiligungsquoten während der Lohnsummenfrist die jährlichen Lohnsummen erhöhen. § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG bestimmt ausschließlich, welche Tochtergesellschaften in welchem Umfang in den Lohnsummentest einzubeziehen 75 76 77 78

§ 13b Abs. 4 S. 5 ErbStG muss beachtet werden. Vgl. Abschn. III.1. Abschn. 8 Abs. 6 S. 1 ErbSt-Erlass. Zur Berücksichtigung von Veränderungen im Beteiligungsbestand vgl. Abschn. 8 Abs. 6 S. 3 f. ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht sind. Ob überhaupt ein Lohnsummentest durchgeführt werden muss, ist in § 13a Abs. 1 ErbStG geregelt. Demnach ist gem. § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG der Lohnsummentest u.E. für den Konzern nicht durchzuführen, wenn bei der Konzernmutter die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder die Konzernmutter nicht mehr als 10 Beschäftigte hat. § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG ist in diesem Zusammenhang nicht zu beachten. Nach Abschn. 8 Abs. 2 S. 8 ErbSt.-Erlass sind dagegen bei der Prüfung der Mindestarbeitnehmerzahl auch die Arbeitnehmer nachgeschalteter Gesellschaften zu berücksichtigen.

VI. Berücksichtigung latenter Ertragsteuern 1. Vorbemerkung Durch die zum Teil massive Erhöhung der erbschaftschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlagen sowie durch die Einführung der Abgeltungssteuer79 hat sich das Problem der Doppelbelastung von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer erheblich verschärft.80 Auch durch die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung i. S. d. § 34a EStG entsteht eine latente Ertragsteuerbelastung, die im Erbfall gem. § 34a Abs. 7 S. 1 EStG auf die Erben übergeht. Hinzu kommt, dass durch den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.200781 zum Untergang eines Verlustvortrags im Erbfall latente Ertragsteuerentlastungen untergehen. Damit erhöht sich für die Steuerpflichtigen die Notwendigkeit die latenten Ertragsteuerbelastungen und -entlastungen im Rahmen der Nachfolgeplanung zu Berücksichtigen, sei es durch Maßnahmen zur Vermeidung der zusätzlichen Belastungswirkungen sei es durch eine Veränderung der Vermögensverteilung unter den zukünftigen Erben. Zur Abmilderung dieser Doppelbelastung ist mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2009 § 35b EStG neu eingeführt worden, der in eingegrenztem Umfang auf Antrag eine Anrechnung der Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer zulässt.82 Diese Anrechnungsregelung gilt jedoch nur, sofern bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden sind, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaft79 Vgl. hierzu auch Huber/Reimer, DStR 2007, 2042, 2045. 80 Vgl. hierzu auch Crezelius, BB-Spezial 2008 H. 10 m. w. N. 81 BFH, Beschl. v. 17.12.2007 – GrS 2/04, ZEV 2008, 199. Zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. BMF, Schr. v. 24.7.2008 – IV C 4 – S 2225/07/0006, FR 2008, 887, aus Vertrauensschutzgründen ist die bisherige Rechtsprechung weiterhin auf jene Erbfälle anzuwenden, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl eingetreten sind. 82 Vgl. hierzu auch Geck, ZEV 2008, 558, 564; Thonemann, DB 2008, 2616, 2620.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht steuer unterlegen haben. Es bleibt somit trotz dieser neuen Regelung in vielen Sachverhalten das Doppelbelastungsproblem. 2. Realisierung der Ertragsteuerbelastung vor dem Erbfall oder der Schenkung Da die latente Ertragsteuerbelastung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht bemessungsgrundlagenmindernd berücksichtigt werden kann, sollte die Realisierung der Belastung vor dem Erbfall oder der Schenkung überprüft werden. Selbstverständlich sind bei dieser Prüfung auch gegenläufige Aspekte, wie z. B. Steuersatzeffekte, zukünftige Wertschwankungen, Fristigkeit der Steuerverstickung, Liquiditätsaspekte sowie die Vermögensverteilung zwischen den Erben oder Beschenkten zu berücksichtigen. Eine bewusst vorgezogene Realisierung der Steuerbelastung dürfte sich insbesondere dann anbieten, wenn der zukünftige Erblasser noch über steuerliche Verlustvorträge verfügte, welche er aller Wahrscheinlichkeit nach selbst nicht mehr vollständig nutzen kann. Die Möglichkeiten zur Realisierung der Steuerbelastung sind vielfältig.83 Neben der Veräußerung von steuerverstrickten Wirtschaftsgütern kann die Aufdeckung von stillen Reserven durch Entnahmen, Einbringungsoder Umwandlungsvorgänge, Antragswahlrechte, Gewinnausschüttungen, bewusste Beendigung einer Betriebsaufspaltung oder von Sonderbetriebsvermögen, Aufhebung der Zugewinngemeinschaft oder auch durch der Verstoß gegen bestimmte steuerliche Behaltefristen erreicht werden. 3. Realisierung der Ertragsteuerbelastung nach dem Erbfall aber für die Zeit vor dem Erbfall Als Gesamtrechtsnachfolger84 haben die Erben die Möglichkeit, bei der Anfertigung der letzten Steuererklärungen des Erblassers etwaige auf sie durch den Erbfall übergegangenen latenten Ertragsteuerbelastungen nachträglich noch in der Person des Erblassers zu realisieren. Die hierdurch entstehende Einkommensteuerschuld des Erblassers würde die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage als Nachlassverbindlichkeit mindern. Die Möglichkeit zur nachträglichen Realisierung der Steuerbelastung durch die Erben aber noch für den Erblasser sind vielfältig.85 Zunächst sind die verschiedenen Wahlrechte, wie z. B. Ausübung von Bewertungs83 Vgl. auch die Zusammenstellung bei Piltz, ZEV 2008, 376 ff. 84 Vgl. § 1922 BGB sowie § 45 AO. Vgl. auch die Ausführungen in BFH, Beschl. v. 17.12.2007 – GrS 2/04, ZEV 2008, 199. 85 Vgl. auch hierzu die Zusammenstellung bei Piltz, ZEV 2008, 376, 378.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht wahlrechten im UmwStG86, Auflösung von § 6b EStG-Rücklagen oder von Rücklagen für Ersatzbeschaffung zu nennen. Zu einer nachträglichen Aufdeckung kann es auch durch einen Verstoß gegen die Behaltefristen i. S. d. § 6 Abs. 3 oder Abs. 5 EStG kommen. Gleiches gilt für die Auslösung eines Ereignisses, welches die in der Person des Erblassers gewährte Stundung i. S. d. § 6 AStG widerruft. Ggf. könnten die Erben auch für den Erblasser den Antrag auf Nachversteuerung der Thesaurierungsrücklage stellen.87 4. Keine Realisation von steuerlichem Verlustpotential vor dem Erbfall Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen. Befinden sich auf der Ebene des zukünftigen Erblassers noch latente Wertverluste, so sollten diese nach Möglichkeit nicht noch vor dem Erbfall realisiert werden, sondern als latente Verluste im Rahmen des Erbfalls mit auf die Erben übergehen.88

VII. Wahlrecht zur Anwendung des neuen Rechts 1. Vorbemerkung Nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG kann bei Erwerben von Todes wegen für die die Steuer nach dem 31.12.2006 und vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts entstanden ist, der Erwerber bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, das die neuen Regelungen des ErbStG, mit Ausnahme des § 16 ErbStG und die neuen Regelungen des BewG anzuwenden sind. Ist die Steuer, die auf einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31.12.2006 entstanden ist, festgesetzt worden, kann der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden. Der Antrag kann nicht widerrufen werden. Damit stellt sich für die von dieser Regelung betroffenen Erwerber die Frage nach der optimalen Ausübung dieses Antragswahlrechts.

86 Die steuerliche Rückwirkung i. S. d. § 2 UmwStG können die Erben nur insoweit nutzen, als der Umwandlungsvorgang noch von dem Erblasser beschlossen wurde; vgl. hierzu auch Piltz, ZEV 2008, 376; 378 sowie auch § 5 Abs. 1 UmwStG. 87 Vgl. z. B. Huber/Reimer, DStR 2007, 2042, 2045. 88 Vgl. hierzu auch Piltz, ZEV 2008, 376, 379.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 2. Hinweise zur Wahlrechtsausübung Die Vorteilhaftigkeit einer Ausübung des Wahlrechts zur Anwendung des neuen Rechts dürfte insbesondere dann gegeben sein, wenn Gegenstand eines Erwerbs von Todes wegen begünstigtes Betriebsvermögen i. S. d. § 13 b Abs. 1 und 2 ErbStG gewesen ist, da in diesen Fällen der erheblich umfangreichere Verschonungsabschlag von 85 %89 genutzt werden könnte.90 Auch könnten die neuen Befreiungsvorschriften für Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) sowie auch der Wegfall des § 25 ErbStG für die Ausübung der Option sprechen. Beachtlich ist zunächst, dass dieses Wahlrecht nur auf Erbfälle und nicht auch auf freigebige Zuwendungen Anwendung findet. Ferner kommen die neuen erhöhten Freibeträge i. S. d. § 16 ErbStG bei der Wahlrechtsausübung nicht zur Anwendung. Nachteilig dürfte sich in vielen Fällen auswirken, dass durch die Wahlrechtsausübung das neue BewG zur Anwendung kommt, so dass sich eine erheblich höhere Bemessungsgrundlage als noch nach altem Recht ergeben dürfte. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass durch die Wahlrechtsausübung auch die Behaltefristen des § 13a Abs. 5 ErbStG zur Anwendung kommen. Auch wenn der neue Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % erheblich günstiger ist als der bisherige Bewertungsabschlag von 35 % dürfte sich diese Vorteilhaftigkeit der Anwendung des neuen Rechts in vielen Fällen in einen Nachteil umkehren, wenn der Verschonungsabschlag wegen eines Verstoßes gegen die Behaltensregeln nachträglich entfällt. Gleiches kann bei einem Nichterreichen der Mindestlohnsumme gelten oder bei einem durch eine Außenprüfung nachträglich festgestellten Nichtbestehen des Verwaltungsvermögenstest.

VIII. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 1. Vorbemerkung Die bisherige Regelung des § 25 ErbStG ist vollständig entfallen. Bisher minderte die Nießbrauchsbelastung in den Fällen des § 25 ErbStG die Bemessungsgrundlage nicht. Die auf das Nießbrauchsrecht entfallende Steuer wurde jedoch zinslos gestundet und konnte auf Antrag mit dem Barwert abgelöst werden. Nach der Gesetzesbegründung war die Vor89 Die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des 100 %igen Verschonungsabschlages besteht ebenfalls, weist jedoch im Vergleich zum 85 %igen Konzept zu viele Nachteile auf. Vgl. hierzu auch Abschn. III. 90 Vgl. auch Geck, ZEV 2008, 5, 8 auch mit dem kritischen Hinweis, dass dieses Wahlrecht nicht auf freigebige Zuwendungen anzuwenden ist. Siehe zu dieser Kritik auch Wachter, ZErb 2007, 442, 451.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht schrift des § 25 ErbStG in den bisherigen niedrigeren Wertansätzen für bestimmtes Vermögen begründet.91 Mit dem Ansatz des gemeinen Wertes für die Vermögensgegenstände ist diese Ursache entfallen. 2. Reduzierung der Bemessungsgrundlage Durch den Wegfall des § 25 ErbStG kann zukünftig die Nießbrauchsbelastung in vollem Umfang von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Der positive Effekt wird zukünftig auch noch durch die in § 14 Abs. 1 BewG geregelte Aktualisierung der Sterbetafeln, durch die der Wert der Nießbrauchsbelastung erhöht wird, verstärkt. Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt dürfte somit zukünftig noch mehr an Attraktivität gewinnen.92 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Vorbehaltsnießbrauch bei Schenkungen zur Folge hat, dass die Frist von zehn Jahren für die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nicht zu laufen beginnt. Bei der Berechnung der Steuer nach § 25 ErbStG war gem. § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG eine Kürzung von Schulden vorzunehmen, wenn beim begünstigten Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften das übergehende Vermögen nach § 13a ErbStG gekürzt wurde. Nach § 10 Abs. 6 S. 4 und 5 ErbStG ist die Verhältnismäßige Schuldenberücksichtigung zukünftig bei sämtlichen nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen durchzuführen. Somit ist zukünftig trotz des Wegfalls des § 25 ErbStG das Nießbrauchsrecht in den Fällen, in denen das nießbrauchsbelastete Vermögen begünstigte ist nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des Vermögensansatzes nach Berücksichtigung der Vergünstigung zu dem Vermögensansatz ohne Begünstigung entspricht.93 Kommt es in diesen Fällen zu einer schädlichen Verwendung i. S. d. § 13a Abs. 5 ErbStG, so fällt der Verschonungsabschlag sowie der Abzugsbetrag mit Wirkung für die Vergangenheit weg. Dies hat wiederum zur Folge, dass sich die Höhe der abzugsfähigen Nießbrauchsbelastung erhöht.94

91 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/7918, S. 37. 92 Beachtlich ist weiterhin die Unterscheidung zwischen einer Nutzungs- oder Duldungsauflagen mit zukünftig unbegrenztem Schuldenabzug und einer Leistungsauflage, bei der im Privatvermögen die Grundsätze der gemischten Schenkung zu beachten sind. Bei letzteren werden sich wiederum die Konsequenzen der erhöhten Bemessungsgrundlagen auswirken. 93 Abschn. 1 Abs. 4 S. 1 ErbSt-Erlass. 94 Abschn. 1 Abs. 4 S. 5 ErbSt-Erlass.

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Söffing, Steuergestaltungen nach neuem Erbschaftsteuerrecht 3. Beendigung der Nießbrauchsbelastung War ein lebenslängliches Vorbehaltsnießbrauchsrecht vereinbart, welches durch das Ableben des Nießbrauchsberechtigten endet, dürften sich grundsätzlich keine erbschaft- und schenkungsteuerlichen Konsequenzen mehr ergeben. Beachtlich ist allenfalls § 14 Abs. 2 BewG, der bei einem unerwartet frühen Wegfall der lebenslänglichen Nutzung oder Leistung auf Antrag eine Berichtigung der nicht laufend veranlagten Steuern vorsieht. Ist eine Last weggefallen, so bedarf die Berichtigung gem. § 14 Abs. 2 S. 3 BewG keines Antrags. Dieser Satz 3 enthält u.E. keine generelle Berichtigungsermächtigung für die Finanzverwaltung. Die gesamte Vorschrift des § 14 Abs. 2 BewG ist nämlich allein als Härteregelung zu sehen. Die Regelung bietet den Steuerpflichtigen in den Fällen des vorzeitigen Wegfalls der Begünstigung die Möglichkeit einen Antrag auf Festsetzung einer niedrigeren Steuer nach § 14 Abs. 2 S. 2 BewG zu stellen, da die ursprüngliche Bewertung der Begünstigung offensichtlich überhöht war. U. E. hat nur in diesen Fällen das Finanzamt ausnahmsweise von Amtswegen die Möglichkeit, die mit der Korrektur des Begünstigungswertes einhergehende Reduzierung der entsprechenden Last nachzuvollziehen, so dass eine höhere Steuer festgesetzt wird. Ohne einen Antrag i. S.d § 14 Abs. 2 S. 1 BewG kann es somit u.E. nicht zu einer Berichtigung i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 3 BewG kommen.95 Die Finanzverwaltung sieht § 14 Abs. 2 S. 3 ErbStG dagegen als allgemeine Berichtigungsvorschrift.96

95 A. A. wohl Teß, in: Rössler/Troll, BewG, § 14 Anm. 23. 96 Vgl. Abschn. 42 Abs. 5 ErbSt.-Erlass.

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Korrespondenzprinzip bei internationalen verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen Andreas Kempf Steuerberater, Düsseldorf Inhaltsübersicht

I. Wirkungsweise und gesetzliche Verankerung der korrespondierenden Besteuerung 1. Formelle Korrespondenz für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 32a Abs. 1 KStG) und verdeckte Einlagen (§ 32a Abs. 2 KStG) 2. Materiell-rechtliche Korrespondenz für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8b Abs. 1 Satz 2–4 KStG) und verdeckte Einlagen (§ 8 Abs. 3 Satz 3–6 KStG)

3. Korrespondenzfragen vor Gesetzesänderung II. Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen 1. Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage in Deutschland 2. Begriffliche Schwierigkeiten in grenzüberschreitenden Fällen III. Folgen der Einführung des Korrespondenzprinzips für international tätige Unternehmen IV. Ergebnisse

Durch das Jahressteuergesetz 2007 wurde das Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen eingeführt, um eine gleichlaufende steuerliche Behandlung beim Anteilseigner und der Kapitalgesellschaft zu erreichen. Neben der rein formalen Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden nach § 32a KStG sind materiell die Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von erhaltenen verdeckten Einlagen und verdeckten Gewinnausschüttungen in § 8 Abs. 3 Satz 4 ff. KStG und § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG geändert worden1. Nach der Gesetzesbegründung diente die gesetzliche Einführung des Korrespondenzprinzips der Verhinderung von Besteuerungslücken und der Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbesteuerungstatbeständen2. Die Gesetzesbegründung geht weitgehend von rein deutschen Fällen aus, internationale Beispielsfälle werden nicht gebildet. In der Literatur wird die Einführung des

1 Neben den Änderungen in § 8b KStG wurde § 3 Nr. 40 Buchstabe d Satz 3 EStG entsprechend geändert. Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden auf die Vorschriften des KStG eingegangen, die für natürliche Personen entsprechend gelten. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/2712, S. 70 bzw. 71.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Korrespondenzprinzips vor dem Hintergrund deutscher Sachverhalte begrüßt3. Die folgenden Ausführungen sollen sich mit den deutschen steuerlichen Auswirkungen bei internationalen Sachverhalten auseinandersetzen, die bereits zu einer gemeinsamen Eingabe der obersten Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft beim Bundesministerium der Finanzen vom 10. Juni 2008 geführt hat. Die Auseinandersetzung soll auch über den reinen Anwendungsbereich der §§ 8 Abs. 3 und 8b Abs. 1 KStG hinaus ähnlich gelagerte Fälle aufgreifen.

I. Wirkungsweise und gesetzliche Verankerung der korrespondierenden Besteuerung 1. Formelle Korrespondenz für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 32a Abs. 1 KStG) und verdeckte Einlagen (§ 32a Abs. 2 KStG) Mit den neuen Vorschriften wurden außerhalb der Abgabenordnung formelle Änderungsvorschriften für Steuerbescheide geschaffen. Dies ist vor dem rein deutschen Hintergrund begrüßenswert, da es in der Vergangenheit Fälle gab, in denen die steuerlichen Konsequenzen von bestimmten Sachverhalten wegen Festsetzungsverjährung nur bei einem Teil der beteiligten Steuerpflichtigen umgesetzt werden konnten. Dies konnte für den Steuerpflichtigen sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. In den materiellen Vorschriften wird daran angeknüpft, dass z. B. bei einer steuerpflichtigen verdeckten Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert worden ist. Nach der Gesetzesbegründung soll dies so lange der Fall sein, bis eine erstmalige (gegenteilige) Steuerfestsetzung erfolgt ist4. In internationalen Sachverhalten muss bereits dann der Begriff „Steuerfestsetzung“ ausgelegt werden. So besteht z. B. in Großbritannien die Körperschaftsteuererklärung einer Kapitalgesellschaft aus einer weitgehend formularlosen Selbstberechnung der Steuer, der dann in den meisten Fällen durch einen Brief der Steuerbehörden zugestimmt wird. Diese formellen Aspekte des Korrespondenzprinzips sollen aber nicht der Schwerpunkt der Ausführungen sein.

3 Vgl. Trossen, DStR 2006, 2298. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/2712, S. 70 zu Nr. 4.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen 2. Materiell-rechtliche Korrespondenz für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8b Abs. 1 Satz 2–4 KStG) und verdeckte Einlagen (§ 8 Abs. 3 Satz 3–6 KStG) Materiell-rechtlich soll sichergestellt werden, dass erhaltene verdeckte Gewinnausschüttungen beim Empfänger nicht steuerfrei sind, wenn die zu Grunde liegenden Aufwendungen bei der leistenden Gesellschaft steuerlich abzugsfähig sind. Dies schließt wohl auch nicht versteuerte entgangene Vermögensmehrungen ein. Wegen der Kürzungsvorschriften in § 9 Nr. 2a und § 7 GewStG gilt das Korrespondenzprinzip für erhaltene verdeckte Gewinnausschüttungen nicht bei der Gewerbesteuer. Spiegelbildlich sollen erhaltene verdeckte Einlagen nicht steuerfrei sein, wenn der leistende Gesellschafter steuerlich die Leistung einkommensmindernd geltend machen kann. Mangels abweichender Sondervorschriften findet § 8 Abs. 3 KStG auch auf die Gewerbesteuer Anwendung. 3. Korrespondenzfragen vor Gesetzesänderung Bereits unabhängig von der Gesetzesänderung gab es eine Reihe von Korrespondenzfragen in den Fällen, in denen per Gesetzesfiktion (verdeckte) Gewinnausschüttungen geschaffen wurden oder Gewinnverwendungen/ verdeckte Gewinnausschüttungen per Gesetz als steuerlich abzugsfähig angesehen worden sind. Solche gesetzlichen Regelungen sind unterschiedlich und nach Ansicht des Autors zum Teil unvollständig umgesetzt worden5. – § 8a KStG a. F. qualifizierte Zinszahlungen in verdeckte Gewinnausschüttungen um. Eine entsprechende korrespondierende Regelung im EStG für den Anteilseigner findet sich nicht. Das FG Hamburg nimmt einen Zufluss einer Gewinnausschüttung beim Gesellschafter an6. – Vororganschaftliche Mehrabführungen gelten als Gewinnausschüttungen nach § 14 Abs. 3 KStG, ohne eine entsprechende Vorschrift im EStG für den Zufluss einer solchen. – Wenn nach ausländischem Steuerrecht Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung greifen, sollen nach Verwaltungsauffassung zum alten § 8a KStG in Deutschland insoweit Erträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen7. – Genossenschaftliche Rückvergütungen sind nach der Rechtsprechung des BFH8 verdeckte Gewinnausschüttungen. Diese sind nach § 22 5 Vgl. Kempf/Schmidt, DStZ 2008, 410. 6 FG Hamburg, Urt. v. 9. 3. 2007 – 6 K 181/05, EFG 2007, 787, bestätigt durch BFH, Urt. v. 20.8.2008 – IR 29/07, BFH/NV 2008, 2133. 7 BMF, Schr. v. 15. 7. 2004 – IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, 593, Tz. 27. 8 BFH, Urt. v. 24. 4. 2007 – I R 37/06, BFH/NV 2007, 1601.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen KStG steuerlich abzugsfähig, eine entsprechende Ausnahmeregelung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG findet sich im EStG nicht. Die herrschende Meinung in der Literatur geht ohne Begründung von einem Korrespondenzprinzip aus9. – Verluste von Kapitalgesellschaften im Eigentum der öffentlichen Hand oder von Betrieben gewerblicher Art auf Grund übernommener hoheitlicher Aufgaben stellen nach § 8 Abs. 7 KStG-E in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 keine verdeckten Gewinnausschüttungen dar, eine entsprechende Regelung im EStG fehlt. – Nach § 8 Abs. 3 KStG sind Vergütungen auf bestimmte Genussrechte Gewinnausschüttungen, hierfür wurde eine Sonderregelung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeführt. – Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind die Gewinnanteile des Komplementärs einer KGaA abziehbare Betriebsausgaben, die Steuerpflicht der korrespondierenden Einnahmen ist in § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG geregelt. Dieser kurze Überblick zeigt, dass bereits unabhängig von den hier zu erörternden Vorschriften die Frage des Korrespondenzprinzips gesetzessystematisch unzufrieden gelöst ist.

II. Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen 1. Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage in Deutschland Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung ist in ständiger Rechtsprechung des BFH geklärt worden. Sie besteht in einer Vermögensminderung oder einer verhinderten Vermögensmehrung, die durch das Gesellschafterverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht10. Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung ist bei der ausschüttenden Gesellschaft das Einkommen zu erhöhen, es erfolgt (nicht unbedingt zeitgleich) ein Abfluss und beim

9 Schlotter in Littmann/Bitz/Pust EStG, § 20 EStG, Tz. 240 (Februar 2002); Stuhrmann in Blümich EStG, § 20 EStG, Tz. 146 f. (März 2006); Hamacher in Korn EStG, § 20 EStG, Rz. 72 (Juni 2004); Koss in Lademann EStG, § 20 EStG, Anm. 222 (Oktober 2004); Wrede in Hermann/Heuer/Raupach EStG/ KStG, § 20 EStG, Anm. 178 (Januar 1998). 10 So zusammenfassend R 36 Abs. 1 KStR.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Gesellschafter ein Zufluss. Die Vorschrift des § 8b Abs. 1 KStG zielt unzweifelhaft auf den Zufluss beim Gesellschafter. Die für die Steuerpflicht erforderliche Einkommensminderung bei der Gesellschaft schließt wohl auch entgangene Vermögensmehrungen ein11. Der Begriff der verdeckten Einlage ist nicht unumstritten. Einlagen können abnutzbare und nicht abnutzbare materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter sein, die als Ausfluss der Gesellschafterstellung der Gesellschaft zufließen12. Nach überwiegender Literaturmeinung liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn die Einlage nicht auf einem gesellschaftsrechtlichen Beschluss beruht, also sich bilanziell nicht unmittelbar im Eigenkapital der Gesellschaft widerspiegelt, sondern über die Gewinn- und Verlustrechnung durch überhöhte Erträge oder zu niedrige Aufwendungen erfasst wird13. Dieser Meinung schließt sich der Autor an. Demgegenüber definiert die Finanzverwaltung die verdeckte Einlage als Zuwendung ohne Entgelt in Form von Gesellschaftsrechten, sie fasst also alle Einlagen, die nicht zu einer Erhöhung des Nennkapitals führen, unter den Begriff der verdeckten Einlagen14. Diese Definition der verdeckten Einlage durch die Finanzverwaltung entspricht der Auffassung des BFH, nach der eine verdeckte Einlage eine Zuwendung von bilanzierbaren Vermögensvorteilen aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten ist15. Der vierte Senat des BFH beruft sich u. a. auf den achten Senat. Die11 Vgl. dazu Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 374, die auf weitere systematische Überlegungen eingehen und insbesondere einen Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften erörtern. 12 Vgl. R 4.3 EStR. 13 Ehmcke in Blümich EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG, Tz. 137 (Oktober 2003); Rengers in Blümich EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG, Tz. 175 (April 2007); Wochinger in Dötsch/Jost/Pung/Witt KStG, § 8 Abs. 1 KStG, Tz. 91 (Oktober 2003); Lang in Ernst&Young KStG, § 8 KStG, Tz. 472 (Juni 2008); Frotscher in Frotscher/Maas KStG, § 8 KStG, Rz. 82 (Mai 2008); Eilers/Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach EStG/KStG, § 17 EStG, Anm. 140 (Februar 2006); Eckstein in Hermann/Heuer/Raupach EStG/KStG, § 6 EStG, Anm. 1214c (Oktober 2007); Crezelius in Kirchhof EStG, § 4 EStG, Rdnr. 104 (8. Auflage); Schneider in Kirchhof/Söhn EStG, § 17 EStG, Rdnr. B60 (Oktober 2000); Strahl in Korn EStG, § 17 EStG, Rz. 63 (Mai 2002); Hauswirth in Lademann KStG, § 8 KStG, Anm. 88 (Juli 1998); Heinicke in Schmidt EStG, § 4 EStG, Tz. 360 (27. Auflage, 2008); Schwedhelm in Streck KStG, § 8 KStG, Tz. 40 f. (6. Auflage, 2003); anderer Ansicht: Wied in Blümich EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG, Tz. 520 (August 2006); Glanegger in Schmidt EStG, § 6 EStG, Tz. 441 (27. Auflage, 2008); Weber-Grellet in Schmidt EStG, § 17 EStG, Tz. 110 (27. Auflage, 2008); widersprüchlich: Roser in Gosch KStG, § 8 KStG, Tz. 105 f. (2005). 14 H 4.3 EStR. 15 BFH, Urt. v. 6. 11. 2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen ser hat aber in dem Bezugsurteil gerade zwischen verdeckten Einlagen und Nachschüssen nach § 26 GmbHG unterschieden16. Nachschüsse nach § 26 GmbH führen aber ebenso wie Leistungen nach § 55 AktG, § 6 Nr. 3 GenG oder sonstige Zuzahlungen i. S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB nicht zu der Gewährung neuer Gesellschaftsrechte. Für die Nachschüsse nach § 26 GmbHG regelt § 42 Abs. 2 GmbHG sogar ausdrücklich die buchhalterische Erfassung als Kapitalrücklage. Des Weiteren bezieht sich der vierte Senat auf den ersten Senat, der verdeckte Einlagen als solche definiert, die nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen17. Zuwendungen nach § 26 GmbHG, § 55 AktG und § 6 Nr. 3 GenG beruhen auf gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Auch eine Einlage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB dürfte auf einer gesellschaftsrechtlichen Vorschrift beruhen. Denn eine solche Einlage darf nur ausgewiesen werden, wenn der Gesellschafter einen solchen Willen zum Ausdruck gebracht hat18. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass keine einhellige Meinung innerhalb der verschiedenen Senate des BFH existiert, was eine verdeckte Einlage darstellt. Zwei Senate scheinen vielmehr, abweichend von der Finanzverwaltung, der überwiegenden Meinung in der Literatur zu folgen. Da eine verdeckte Einlage für die Anwendung des § 8 Abs. 3 KStG vorliegen muss, wird sich der BFH wahrscheinlich vor diesem Hintergrund nochmals mit der Definitionsfrage auseinandersetzen müssen. Eine ähnliche Fragestellung könnte allerdings auch im Zusammenhang mit der Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG aufkommen. 2. Begriffliche Schwierigkeiten in grenzüberschreitenden Fällen Die Unklarheiten bei der rein innerdeutschen Gesetzesanwendung werden in grenzüberschreitenden Fällen erhöht. Die deutsche steuerbilanziell geprägte Betrachtungsweise ist in anderen Ländern unbekannt. So werden z. B. in Großbritannien ähnliche Fälle wie in Deutschland aufgegriffen. Allerdings erfolgt eine Korrektur als „Transfer Pricing Adjustment“. Solche Fälle müssen dann zusätzlich in einem ersten Schritt unter die deutsche Gesetzesterminologie subsumiert werden. Ferner muss der Abfluss bzw. der Zufluss aus deutscher Sicht zusätzlich angenommen werden, obwohl eine solche Betrachtungsweise in Großbritannien unbekannt ist.

16 BFH, Urt. v. 12. 12. 2000 – VIII R 22/92, BStBl. II 2001, 385 unter II 3. Auf diese Stelle geht der vierte Senat nicht ein. 17 BFH, Urt. v. 15. 10. 1997 – I R 80/96, BFH/NV 1998, 624, m.w.N, das regelmäßig auf nicht-gesellschaftsrechtliche Einlagen abstellt. 18 IDW HFA 2/1996, WPg 1996, 709, unter 22.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Wenn also eine englische Kapitalgesellschaft Waren an ihre deutsche Mutterkapitalgesellschaft verbilligt geliefert hat, wird das Einkommen der englischen Gesellschaft erhöht, ohne dass ein Dividendenabfluss angenommen wird. Gleichwohl ist aus deutscher Sicht bei der deutschen Gesellschaft eine zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttung zuzurechnen, für die in diesem Beispielsfall die Steuerbefreiung des § 8b KStG greift. Im umgekehrten Falle des Nicht-Aufgriffes in England ist die zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttung in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig. Eine ganz andere Frage ergibt sich aus der praktischen Handhabung. Sowohl Steuerpflichtigem als auch der deutschen Finanzverwaltung sind solche Fälle nicht offenkundig. Wenn die deutsche Finanzverwaltung den Fall der Nicht-Beanstandung in England allerdings aufgreift, stellt sich die Anschlussfrage der korrespondierenden Besteuerung in England. Denn rein rechtlich werden die Ergebnisse der Warenlieferung nicht zweimal besteuert, wenn England die zu günstige Berechnung nach Deutschland unbeanstandet lässt. Raum für ein Verständigungsverfahren dürfte es nicht geben. Vielmehr greift Deutschland die Nicht-Besteuerung in England auf und versteuert in Deutschland nach. Wirtschaftlich handelt es sich um eine neue Form der Hinzurechnungsbesteuerung, für die sich die Frage der europarechtlichen Beurteilung ergibt.

III. Folgen der Einführung des Korrespondenzprinzips für international tätige Unternehmen Die folgenden Ausführungen sollen sich auf praktische Fragen konzentrieren, die in der Beratungspraxis seit Einführung des Gesetzes erörtert worden sind. Europarechtliche Aspekte sind an anderer Stelle bereits erörtert worden19 und sollten hier keinen Schwerpunkt darstellen. Allerdings soll auf Bestimmungen zusätzlich eingegangen werden, die wie z. B. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG wirtschaftlich in den Themenbereich des Korrespondenzprinzips hineinspielen. Um es vorwegzunehmen: Die Besteuerungsergebnisse führen nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Entgegen der Gesetzesbegründung werden unerwünschte Doppelbesteuerungen nicht vermieden, sondern zum Teil zusätzlich geschaffen.

19 Vgl. Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Beispiel 1: Verhinderte Vermögensmehrung bei Beteiligungsveräußerung durch eine ausländische Tochtergesellschaft an ihre inländische Muttergesellschaft Die in den Niederlanden ansässige T-B. V. veräußert ihre Beteiligung an der in Frankreich ansässigen E-S. A. zu einem Veräußerungspreis von 150 an ihre deutsche Muttergesellschaft M-GmbH. Der angemessene Veräußerungspreis liegt bei 200. Der Beteiligungsbuchwert der E-S. A. bei der T-B. V. beträgt 100. M-GmbH

Deutschland

KP = 150 (angemessen: 200) T-B.V.

E-S.A.

Niederlande

Frankreich

In den Niederlanden wird der Veräußerungsgewinn der T-B. V. von 50 nach nationalem Recht von der dortigen Besteuerung ausgenommen20. Ein in seiner Höhe unangemessener Veräußerungspreis aus solchen Anteilsveräußerungen wird daher in der Praxis von den niederländischen Finanzbehörden selten korrigiert. Aus deutscher Sicht stellt der verhinderte Veräußerungsgewinn der T-B. V. in Höhe von 50 jedoch eine verhinderte Vermögensmehrung der T-B. V. zugunsten der M-GmbH dar. Aufgrund des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG wird die Steuerfreistellung der verdeckten Gewinnausschüttung versagt. Während solche verdeckten Gewinnausschüttungen aufgrund einer Beteiligungsveräußerung im reinen Inlandsfall regelmäßig zu 5 % einer Besteuerung unterliegen, unterliegt die verdeckte Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit der oben beschriebenen Anteilsveräußerung dagegen bei der M-GmbH in voller Höhe der Körperschaftsteuer21. 20 Vgl. zur Befreiung von Veräußerungsgewinnen in den Niederlanden: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, 999. 21 Für Zwecke der Gewerbesteuer greift die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG. Die DBA-Beteiligungsertragsbefreiung wird über § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG versagt.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Dieses Ergebnis stellt einen Verstoß gegen nationale (Trennungs- und Leistungsfähigkeitsprinzip) und internationale Besteuerungsprinzipien dar, denn es werden ausschließlich im Ausland entstandene stille Reserven als verdeckte Gewinnausschüttungen im Inland besteuert, für die Deutschland nach DBA kein Besteuerungsrecht hat (Art. 7 Abs. 1 OECDMA). § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG wirkt wie eine Hinzurechnungsbesteuerung „durch die Hintertür“, ohne dass Einkünfte aus passivem Erwerb oder die sonstigen Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung vorliegen müssen. Ebenso wie die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) in der bisherigen Form22 könnte die Regelung daher einen Verstoß gegen primäres Europarecht und möglicherweise auch gegen die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie darstellen. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass ggf. auch im Inlandsfall die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG Anwendung finden könnten. Da die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der veräußernden Gesellschaft nach § 8b Abs. 2 KStG von der Besteuerung auszunehmen ist23, könnte dem Wortlaut der Vorschrift nach auch im Inlandsfall in entsprechender Höhe eine Minderung des Einkommens im Sinne des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG vorliegen. Insoweit dürfte auf Ebene der empfangenden Muttergesellschaft § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG ebenfalls keine Anwendung finden. Da die Vorschrift jedoch insbesondere aufgrund abweichender Verrechnungspreisvorschriften überwiegend bei grenzüberschreitenden Lieferungs- und Leistungsbeziehungen Anwendung finden dürfte, ist die Vorschrift europarechtlich wohl selbst nicht haltbar, wenn auch im vergleichbaren Inlandsfall eine Besteuerung erfolgt. Die Steuerpflichtigen müssen Besteuerungsnachteile durch international nicht abgestimmte Einkommensermittlungsvorschriften hinnehmen, die sie nicht beeinflussen können. Der M-GmbH bleibt nur übrig, in den Niederlanden eine Einkommenskorrektur bis zur Höhe des aus deutscher Sicht angemessenen Verrechnungspreises zu erwirken, damit die verdeckte Gewinnausschüttung im Inland steuerfrei gestellt wird. Präventiv müssten Steuerpflichtige der Ermittlung von Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden Transaktionen eine noch höhere Aufmerksamkeit widmen, um signifikante Steuernachteile durch § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG wie im oben beschriebenen Fall zu vermeiden.

22 Vgl. zur Europarechtskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung in der bisherigen Form beispielhaft Wassermeyer, DB 2006, 2045; Köhler/Eicker, DStR 2006, 187; Hahn, DStR 2007, 201; Rättig/Protzen, GmbHR 2003, 503. 23 „Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben … außer Ansatz“. Gemeint ist allerdings der Gewinn in Satz 1 des § 8b Abs. 1 KStG. Unklar ist, ob dies auch der Fall für den Satz 2 ist.

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Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Beispiel 2: Veräußerung von Anteilen an eine inländische Tochtergesellschaft durch ihre Auslandsmutter zu einem unangemessen niedrigen Preis Die inländische D1-GmbH erwirbt Anteile an einer weiteren inländischen Gesellschaft (D2-GmbH) von ihrer österreichischen Muttergesellschaft Ö-AG zum Preis von 80 (angemessener Preis aus deutscher Sicht: 100). In Österreich erfolgt keine Einkommenskorrektur, da der Veräußerungspreis aus dortiger Sicht angemessen ist24. Österreich

Ö-AG Verkauf Anteile an der D2-GmbH D1-GmbH

D2-GmbH

Deutschland

Im Beispielfall liegt eine verdeckte Einlage in Höhe der Differenz von 20 zwischen dem gewählten und dem angemessenen Veräußerungspreis vor25. Dies wird in der Handelsbilanz der D1-GmbH ertragswirksam verbucht26. Der verdeckten Einlage steht auf Ebene der Ö-AG eine verhinderte Vermögensmehrung gegenüber, die nach der Gesetzesbegründung27 zur Einführung des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG die Rechtsfolge der Norm auslösen soll, so dass die verdeckte Einlage i. H. v. 20 im Inland bei der D1-GmbH der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegt. Über § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG wurden im Ausland entstandene stille Reserven versteuert. Dies unterliegt den bereits zu § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG herausgearbeiteten verfassungs-, europa-, und abkommensrechtlichen Bedenken, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.

24 Nach österreichischem Steuerrecht sind entsprechende Veräußerungsgewinne aus Share Deals unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, 999. 25 Vgl. BFH, Urt. v. 23. 10. 1968 – I 228/65, BStBl. II 1969, 243; BFH, Urt. v. 18. 7. 1985 – IV R 135/82, BStBl. II 1985, 635. 26 Vgl. Wochinger in Dötsch/Jost/Pung/Witt KStG, § 8 Abs. 1 KStG, Tz. 91 (Oktober 2003). Vgl. zur handelsrechtlichen Behandlung der verdeckten Einlage Adler/Düring/Schmaltz, § 255 HGB, Tz. 111 (5. Auflage). 27 Laut Gesetzesbegründung soll eine Minderung des Einkommens vorliegen, wenn ein WG unentgeltlich oder verbilligt geliefert wurde. Vgl. BT-Drucks. 16/2712, S. 70.

156

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Damit würden grenzüberschreitende Transaktionen zukünftig großen Verrechnungspreisrisiken unterliegen, die sich oftmals nur durch Verständigungs- oder Schiedsgerichtsverfahren vermeiden lassen, um im Ausland den aus deutscher Sicht zutreffenden Verrechnungspreis durchzusetzen. Alternativ könnte die Ö-AG die Beteiligung an der D2-GmbH zu Buchwerten28 steuerneutral gegen Ausgabe neuer Anteile einbringen, um die Annahme einer verdeckten Einlage zu vermeiden. Beispiel 3: Veräußerung eines Funktionsbereichs an inländische Tochtergesellschaft durch Auslandsmutter zum verminderten Veräußerungspreis29 Die im Ausland ansässige M-Ltd. überträgt den Vertrieb zu einem Veräußerungspreis von 200 an ihre in Deutschland ansässige 100 %-ige Tochtergesellschaft T-GmbH. Der Buchwert der übertragenen Wirtschaftsgüter beträgt 100. Aus deutscher Sicht beträgt der Teilwert der übertragenen Funktion 250. Der ausländische Staat geht hingegen aufgrund von divergierender Verrechnungspreisvorschriften von einem Marktwert der übertragenen Funktion in Höhe von 200 aus. TW = 250 VP = 200

M-Ltd.

Vertrieb

Ausland

100 %

Inland T-GmbH

28 Grundsätzlich sind die übernommenen Anteile mit dem gemeinen Wert nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG anzusetzen. Nach Satz 2 der Vorschrift kommt jedoch für einen qualifizierten Anteilsaustausch ein Buchwertansatz in Betracht, wenn die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat. 29 Vgl. Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 377.

157

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen In Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert und dem angesetzten Veräußerungspreis liegt eine verdecke Einlage der M-Ltd. in die T-GmbH vor30. Die T-GmbH hat die Vermögensmehrung nicht selbst erwirtschaftet, sondern diese aufgrund des Gesellschafterverhältnisses empfangen – bisher wurde die verdeckte Einlage daher systematisch zutreffend steuerlich neutral behandelt. Nach dem neu eingeführten § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG wird die verdeckte Einlage steuerpflichtig, soweit sich das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat bzw. bei diesem eine verhinderte Vermögensmehrung eingetreten ist31. Dabei bestimmt sich die Einkommensminderung wiederum nach ausländischem Recht32. Im Beispielsfall unterliegen damit 50 der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer im Inland. Hierdurch werden im Ausland entstandene stille Reserven besteuert, die aus Sicht des ausländischen Steuerrechts gar nicht vorhanden sind und für die Deutschland kein Besteuerungsrecht hat. Wenn überhaupt sind diese stillen Reserven Ausdruck der steuerlichen Leistungsfähigkeit der ausländischen Muttergesellschaft M-Ltd., erhöhen aber nicht die Leistungsfähigkeit der T-GmbH als Empfänger der verdeckten Einlage. Schon gar nicht lässt sich nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine Besteuerung beim ausländischen Gesellschafter rechtfertigen33. Soweit Beteiligungsveräußerungen im Ausland der Besteuerung unterliegen und die vorangegangene Übertragung des Vertriebs nach dortigem Recht nicht zu einer Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts an der T-GmbH geführt hat, kommt es zu einer Doppelbesteuerung, wenn die M-Ltd. die Beteiligung an der T-GmbH später veräußert. Die Gesellschafterin versteuert dann die als verdeckte Einlage im Inland auf Gesellschaftsebene bereits versteuerten stillen Reserven ein weiteres Mal34. Fraglich ist, ob diese zukünftige Einkommenserhöhung die Versteuerung im Zeitpunkt der verdeckten Einlage abwenden kann35 und bejahenden-

30 Vgl. BFH, Urt. v. 21. 9. 1989 – IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86. 31 Die verhinderte Vermögensmehrung wird vom sachlichen Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG erfasst. Vgl. BT-Drucks. 16/2712, S. 70. 32 Bei einer anderen Auslegung liefe die Norm weitgehend ins Leere. Vgl. auch Beispiel im Bericht des Finanzausschusses vom 9. 11. 2006, BT-Drucks. 16/3368, S. 21; kritisch Lüdicke in Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30, 2007, S. 309 f. 33 Im Ergebnis ebenso: Lüdicke in Kohl/Kübler/Ott/Schmidt (Hrsg.), Zwischen Markt und Staat, 2008, S. 411 f. 34 Vgl. Lüdicke in Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30, 2007, S. 310. 35 Der spätere steuerpflichtige Gewinn entsteht als Folge der Anteilsveräußerung, nicht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorangegangen verdeckten Einlage, so dass u. U. weiter eine für § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG schädliche Einkommensminderung vorliegt.

158

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen falls, wie der Steuerpflichtige all dies nachhalten und im Besteuerungsverfahren belegen soll. Es wird deutlich, dass das Korrespondenzprinzip auch für international verdeckte Einlagen verfehlt ist, weil es anstatt Besteuerungslücken zu schließen, eher eine Doppelbesteuerung bewirkt und grenzüberschreitende Übertragungen von Wirtschaftsgütern und Funktionen im Konzern einer prohibitiven Besteuerung aussetzt. Der vom Gesetzgeber durchaus gewünschte Transfer betrieblicher Funktionen und damit auch der Transfer von Besteuerungssubstrat ins Inland wird durch diese „Welcome Taxation“ weitgehend erschwert. Beispiel 4: Gewährung eines zinsfreien Darlehens Die in Großbritannien ansässige M-Ltd. gewährt ihrer deutschen Tochter T-GmbH ein zinsfreies Darlehen.

M-Ltd. Großbritannien zinsfreies Darlehen

T-GmbH

Deutschland

In Großbritannien werden fiktive Zinserträge steuerpflichtig. Ein einlagefähiges Wirtschaftsgut liegt nach der Rechtsprechung36 nicht vor, es gibt keine korrespondierende Berücksichtigung in Deutschland37. Das gesetzliche Korrespondenzprinzip verhindert keine Doppelbesteuerung.

36 BFH, Beschl. v. 26. 10. 1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 37 Dem Vernehmen nach soll die Finanzverwaltung bei grenzüberschreitenden Fällen allerdings spätestens im Verständigungsverfahren Nutzungseinlagen in Deutschland akzeptieren.

159

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Beispiel 5: Veräußerung eines Grundstücks durch eine inländische Betriebsstätte der Auslandsmutter an eine ebenfalls inländische Tochtergesellschaft der Auslandsmutter zu einem unangemessen niedrigen Preis38 Die im Inland ansässige T-GmbH ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der in den Niederlanden ansässigen B-B. V. Die B-B. V. unterhält im Inland eine Betriebsstätte BS. Die BS veräußert an die T-GmbH ein Grundstück zu einem Veräußerungspreis von 100. Der angemessene Veräußerungspreis liegt bei 300.

B-B.V. Niederlande

BS

T-GmbH

Deutschland

In Deutschland wird im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung der Sachverhalt aufgegriffen, und es erfolgt eine Nachversteuerung. Es erfolgt keine Korrektur in den Niederlanden. Bei der Frage, ob die Einlage beim leistenden Gesellschafter das Einkommen gemindert hat, lässt der Gesetzeswortlaut es offen, auf welches Land abzustellen ist, wenn der Vorgang beim Einlegenden unter die Steuerhoheit mehrerer Länder zum Beispiel im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht fällt. Im vorliegenden Fall sollte die steuerliche Erfassung in Deutschland zu einer steuerfreien Einlage bei der T-GmbH führen. Beispiel 6: Verbilligte Lieferung der Enkelgesellschaft an die Großmutter Die im Inland ansässige M-GmbH hält über ihre britische Tochtergesellschaft T-Ltd. alle Anteile an der inländischen E-GmbH. Die E-GmbH liefert verbilligt an die M-GmbH. 38 Vgl. Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1652 (Beispiel 6).

160

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen

M-GmbH

Deutschland

T-Ltd. Großbritannien

E-GmbH

Deutschland

Bei der E-GmbH wird die verdeckte Gewinnausschüttung steuerlich zutreffend erfasst. Die Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung der E-GmbH an die T-Ltd. wird aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht erhoben. In Großbritannien wird keine erhaltene verdeckte Gewinnausschüttung erfasst. Die Folgeausschüttung der T-Ltd. mindert also folglich das Einkommen der T-Ltd. Für deutsche Steuerzwecke wird das Einkommen der T-Ltd. durch die verdeckte Gewinnausschüttung erhöht, wegen der Mutter-TochterRichtlinie hat Deutschland trotz beschränkter Steuerpflicht der T-Ltd. lediglich kein Besteuerungsrecht. Die erhaltene verdeckte Gewinnausschüttung der M-GmbH sollte steuerfrei sein, da im Rahmen der beschränkten deutschen Steuerpflicht das Einkommen der T-Ltd. erhöht wurde. Falls dies nicht zutrifft, kommt die Rückausnahme des Satzes 4 in § 8b Abs. 1 KStG in Betracht. Das Einkommen einer nahestehenden Person (E-GmbH) wird erhöht. Allerdings kann der Verweis auf die Nichtanwendbarkeit von § 32a KStG als Voraussetzung zu weiteren Fragen führen39.

39 Die Gesetzesbegründung zum JStG 2007 hilft bei dieser Frage nicht weiter.

161

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Beispiel 7: Forderungsverzicht der inländischen M-GmbH gegenüber ihrer 100 %igen inländischen Tochtergesellschaft Die inländische M-GmbH verzichtet gegenüber ihrer 100 %-igen inländischen Tochtergesellschaft T-GmbH auf eine teilweise wertlos gewordene Forderung.

M-GmbH

Forderungsverzicht T-GmbH

Der Verzicht auf die teilsweise wertlos gewordene Forderung führt zu einer Einlage der M-GmbH in die T-GmbH. Eine steuerfreie Einlage des Gesellschafters als Folge des Verzichts ergibt sich nur insoweit, als die Forderung noch werthaltig ist. Eine nicht mehr vollwertige Forderung gegenüber der T-GmbH führt somit bei dieser zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung40. Nach der Neufassung von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG durch das JStG 2008 kann der durch den Forderungsverzicht entstehende Aufwand auf Ebene der M-GmbH nicht berücksichtigt werden. Findet aber dennoch auf Ebene der Tochtergesellschaft eine Besteuerung des Ertrags statt, so entsteht eine Doppelbesteuerung. Nach der Begründung des JStG 200841, besteht die Möglichkeit aus sachlichen Billigkeitsgründen42 die Steuer zu erlassen. Es ergibt sich somit ein Anspruch auf einen Billigkeitserlass43. Fraglich ist nun, wie eine solche Billigkeitsregelung aussehen kann. Sicherlich ist die Billigkeit auf der Basis des in der Gesetzesbegründung angeführten BMF-Schreibens zu Sanierungsgewinnen nicht zielführend, da Verluste aufgebraucht werden, für die Gewerbesteuer die Rechtlage unklar bleibt und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. 40 41 42 43

BFH, Beschl. v. 9. 6. 1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307. BR-Drucks. 544/07 v. 10. 8. 2007, S. 95. Vgl. BMF, Schr. v. 27. 3. 2003 – IV A 6 – S 2140–8/03, BStBl. I 2003, 240. Vgl. Fuhrmann/Strahl, DStR 2008, 125, 127; anderer Ansicht: Pung, Ubg 2008, 255.

162

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Zum einen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Forderungsverzicht bei der Tochtergesellschaft zu einem nicht steuerpflichtigen Ertrag führt, und zum anderen, dass der Forderungsverzicht bei der Muttergesellschaft zu einer abziehbaren Betriebsausgabe führt. Die steuerliche Behandlung einer eventuell früheren Teilwertabschreibung der Forderung müsste gesondert geregelt werden. Dies ergibt neue Fragen im grenzüberschreitenden EU-Bereich. Alternative 1

M-B.V.

Niederlande

Forderungsverzicht T-GmbH

Deutschland

Wenn der Forderungsverzicht generell bei der Tochter zu keinem steuerpflichtigen Ertrag führt, soweit die Forderung wertlos ist, muss dies auch bei Inboundfällen im EU-Bereich gelten, um nicht gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen. Alternative 2

M-GmbH

Deutschland

Forderungsverzicht T-B.V.

Niederlande

Wenn der Forderungsverzicht bei der Muttergesellschaft generell zu abziehbaren Betriebsausgaben führt, soweit die Forderung wertlos ist, muss dies auch für Outboundfälle gelten, um nicht gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen. Eine generelle Billigkeitslösung würde aus Sicht der Finanzverwaltung sicher zu unerwünschten Ergebnissen führen. Die Billigkeitsregelung 163

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen müsste somit auf die Behandlung im Ausland abstellen. Dies verkompliziert die praktische Handhabung erheblich und kann bei vergleichbaren ausländischen Regeln zu unlösbaren Konflikten führen, wenn das Ausland z. B. die nicht von Deutschland praktizierte Billigkeitslösung umgesetzt hat (im Ausland Forderungsverzicht steuerlich abzugsfähig, wenn in Deutschland der Ertrag steuerpflichtig, während in Deutschland der Ertrag steuerfrei ist, wenn im Ausland der Aufwand nicht abzugsfähig ist). Bei einer Billigkeitsregelung sollten aber auch nicht EU-Fälle einbezogen werden, wie sich aus folgendem Beispiel ergibt. Die inländische M-GmbH verzichtet gegenüber ihrer amerikanischen 100 %-igen Holding US-Corp., die zwei Tochtergesellschaften in den USA hält, auf eine teilweise wertlos gewordene Forderung.

M-GmbH Forderungsverzicht

Deutschland

US-Corp.

T1

USA

T2

Aus amerikanischer Sicht ergibt sich bei richtiger Strukturierung eine steuerfreie Gesellschaftereinlage durch den Forderungsverzicht der M-GmbH. Nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG kann der durch den Forderungsverzicht entstehende Aufwand auf Ebene der M-GmbH nicht berücksichtigt werden. Dadurch, dass die Gesellschaftereinlage in den USA nicht steuerpflichtig ist, kommt es zunächst zu keiner Doppelbesteuerung. Die US-Corp. erzielt jedoch passive Einkünfte aus dem Forderungsverzicht. Diese erzielten Einkünfte unterliegen einer niedrigen Besteuerung nach dem AStG. Die Einkünfte der US-Corp. unterliegen somit der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 f. AStG) und werden wie eine fiktive Dividende der ausländischen Gesellschaft an den unbeschränkt Steuerpflichtigen behandelt. Dies führt zu einer Doppelbesteuerung.

164

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen Beispiel 8: Zinsfreies Darlehen im Dreiecksfall I Die deutsche T1-GmbH gewährt ihrer deutschen Schwestergesellschaft T2-GmbH ein zinsfreies Darlehen. Gemeinsame Muttergesellschaft der beiden deutschen Gesellschaften ist die französische M-S.A.

M-S.A. Frankreich Deutschland T1-GmbH

T2-GmbH

zinsfreies Darlehen

Bei der T1-GmbH kommt es zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, da es trotz gesetzlichen Regelungen zum Korrespondenzprinzip zu keinem Ausgleich der T2-GmbH führt. Die Gesetzesänderung hat insoweit zu keiner Änderung der Rechtslage geführt. Beispiel 9: Zinsfreies Darlehen im Dreiecksfall II44 Die rechtliche Beurteilung wird schwieriger, wenn die M-GmbH in Deutschland und die T1-Ltd. in Irland sitzt. Irland soll keine Einkommenskorrektur vornehmen.

44 Vgl. Pung, Ubg 2008, 254, Beispiel 2.

165

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen

M-GmbH

Deutschland T1-Ltd.

Irland

T2-GmbH

zinsfreies Darlehen

In einem ersten Schritt ist die erhaltene verdeckte Gewinnausschüttung der M-GmbH steuerpflichtig, da das Einkommen der T1-Ltd. gemindert worden ist. Allerdings gilt dies nach Satz 4 des § 8b Abs. 1 KStG nicht, soweit das Einkommen einer nahestehenden Person (T2-GmbH) erhöht worden ist und § 32a KStG auf diese nahestehende Person keine Anwendung findet. – Wenn im konkreten Fall § 32a KStG dem Grunde nach anwendbar ist, ist die erhaltene verdeckte Gewinnausschüttung steuerpflichtig, der Verbrauch auf Ebene der M-GmbH steuerlich abzugsfähig. – Wenn im konkreten Fall § 32a KStG nicht anwendbar ist, bleibt die erhaltene verdeckte Gewinnausschüttung bei der M-GmbH (zu 95 %) steuerfrei. Es bleibt beim Vorteilsverbrauch bei der M-GmbH, der nach Pung45 steuerlich nicht abzugsfähig ist. Für diese Nicht-Abzugsfähigkeit ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

IV. Ergebnisse – Die gesetzliche Verankerung des Korrespondenzprinzips hat im grenzüberschreitenden Bereich zu neuen Fällen ungerechtfertigter Doppelbesteuerung geführt. – Deutschland schöpft teilweise Steuersubstrat anderer Staaten ab. – Vor der Gesetzesänderung bereits bestehende ungerechtfertigte Doppelbesteuerungstatbestände wurden nicht beseitigt.

45 Vgl. Pung, Ubg 2008, 257.

166

Kempf, Korrespondenzprinzip bei int. GA u. verdeckt. Einlagen – In der Praxis werden die einzelnen Fälle durch die Steuerpflichtigen, die Berater und die Finanzverwaltung nur unvollständig erfasst werden können. Aus diesen Gründen sollten die Gesetzesvorschriften bis auf die formellen Änderungsmöglichkeiten ersatzlos abgeschafft werden. Eine bloße Regelung im Rahmen eines BMF-Schreibens erscheint unbefriedigend. Daneben sollten die anderen aufgezeigten Schwachstellen der korrespondierenden Besteuerung im Rahmen einer Gesetzesänderung aufgegriffen werden. So lange eine solche Gesetzesänderung nicht auf den Weg gebracht wird, können Steuerpflichtige in beschränktem Umfange steuerplanerisch versuchen, sich gegen die Auswirkungen des gesetzlichen Korrespondenzprinzips zu schützen. Einlagen sollten nicht als verdeckte Einlagen gestaltet werden. Im Outbound-Bereich können alle Auslandsbeteiligungen über eine niederländische Zwischenholding gehalten werden, um verdeckte Gewinnausschüttungen aus Beziehungen zwischen Schwestertochtergesellschaften nicht in Deutschland ankommen zu lassen.

167

Personengesellschaften im Abkommensrecht – Erlassentwurf und neue Rechtsprechung Prof. Dr. Christian Schmidt Steuerberater, Nürnberg Inhaltsübersicht

I. Vorbemerkung II. Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen (BFH v. 17. 10. 2007 – I R 5/06) 1. Vorbemerkung und Sachverhalt 2. Lösung der Finanzverwaltung 3. Lösung des BFH 4. Auswirkung der Entscheidung auf das Entwurfsschreiben und für die Gestaltungspraxis 5. Eigene Auffassung zum BFHUrteil I R 5106 III. Zuordnung von Wirtschaftsgütern 1. Unbeachtlichkeit der eigenen Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft für die

2.

3.

4. IV.

Zuordnung von Wirtschaftsgütern – Maßgeblichkeit der funktionalen Betrachtung Unbeachtlichkeit des Fehlens des Merkmals „tatsächliche Zugehörigkeit“ im konkreten DBA und des Betriebsstättenvorbehalts von Art. 20 Abs. 2 OCDMA Zuordnungsgrundsätze für bewegliche Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte bei Anwendung von Art. 13 Abs. 2 OECD-MA Abkommensrechtliche „Nurbetriebsstätte“ Resümee

I. Vorbemerkung Das BMF hatte den Entwurf eines Schreibens „Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften“ mit Datum vom 10. 5. 20071 ins Internet eingestellt und um Stellungnahme bis zum 1. 7. 2007 gebeten. Aufgrund der neueren BFH-Rechtsprechung wurde die amtliche Veröffentlichung eines solchen Schreibens auf unbestimmte Zeit zurückgestellt.2 Es besteht jedoch die feste Absicht der Finanzverwaltung, ein entsprechendes Schreiben zu verabschieden. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen. „Personengesellschaften im Abkommensrecht“ sind unbestritten eines der schwierigsten Gebiete des Internationalen

1 BMF, Entwurf v. 10. 5. 2007 – IV B 4 – S 1300/07/0006. 2 Vgl. Rupp, Aktuelle Fragen zum internationalen Steuerrecht, Vortragsmanuskript, Steuerberaterkammer Stuttgart 9/2008, S. 26 f.

169

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Steuerrechts. Zahlreiche in der Praxis wichtige Fragestellungen werden äußerst kontrovers diskutiert.3 Gleichzeitig stellen Personengesellschaften bei Familienunternehmen eine wichtige Rechtsform dar. Denn sie stellt in Verbindung mit dem Freistellungsartikel des jeweiligen Abkommens sicher, dass die sogenannte Kapitalimportneutralität4 verwirklicht wird und die im Ausland erwirtschafteten Gewinne auch nur dort versteuert, dagegen in Deutschland grundsätzlich unter Progressionsvorbehalt freigestellt werden.5 Die Finanzverwaltung hat bereits zahlreiche BMF-Schreiben zu Personengesellschaften im Abkommensrecht veröffentlicht,6 nicht alle „verbindlich“ im Bundessteuerblatt.7 Es gab Stellungnahmen von führenden Vertretern der Finanzverwaltung in der Literatur, die zu Irritationen führten, inwieweit diese Schreiben weiterhin Geltung haben würden.8 Dies hat vor allem deshalb zu Unsicherheiten geführt, weil in einigen dieser Schreiben der OECD-Partnership-Report und die Änderungen im OECD-MK 2000 ihren Niederschlag gefunden hatten. Das BMF-Schreiben vom 19. 3. 20049 zur steuerlichen Einordnung einer Limited Liability Company nach US-Recht brach schließlich auch mit der Auffassung des OECD-Steuerausschusses. Nach diesem Schreiben soll für die abkommensrechtliche Ansässigkeit einer US-LLC ausschließlich auf die Qualifikation nach dem innerstaatlichen deutschen Steuerrecht abzustellen sein. D. h. Deutschland als Quellenstaat soll die Abkommensvorteile dann nicht gewähren müssen, wenn zwar die US-LLC nach US-Recht als Körperschaft zu behandeln ist, aber der deutsche Rechtstypenvergleich zur Einordnung als Personengesellschaft kommt.10 Nach Ziff. 5 zu Art. 1 OECD-MA und Beispiel 5 des Partnership-Reports11 müsste dagegen Deutschland als Quellenstaat die Abkommensvorteile gewähren. Es bestünde eine Bindung an die Qualifikation des Sitzstaates, der eine Körperschaft und folglich eine ansässige Person i. S. v. Art. 4 des OECD-MA annimmt. 3 Vgl. etwa auch Lang, Festschrift für Lutz Fischer, S. 713. 4 Vgl. hierzu ausführlich Jacobs, Otto H., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., 2007, S. 21 ff. 5 Vgl. hierzu und zu weiteren Vorteilen von Personengesellschaften, Schmidt, IStR 2001, 489 ff. (490 ff). 6 Vgl. hierzu die Aufstellung in Tz. 8 des Anwendungsschreibens. 7 Vgl. BMF, Schr. v. 24. 9. 1999, IStR 2000, 627. 8 Vgl. Wolff, IStR 2004, 542 ff. (548). 9 BMF, Schr. v. 19. 3. 2004 – IV B 4 – S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (unter VI. Nr. 2 Buchst. b) letzter Satz). 10 Vgl. hierzu auch Möbus, GmbHR 2004, 1202 ff. 11 Example 5 und Ziffer 63 des OECD-Partnership-Reports, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, Paris 1999.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Ein umfassendes Anwendungsschreiben bringt für den Berater Klarheit, welche Rechtsposition die Finanzverwaltung für die komplexen und vielfältigen Fragen der Personengesellschaft im Abkommensrecht einzunehmen gedenkt. Leider gelingt es dem Entwurfsschreiben in seiner derzeitigen Fassung aber nicht, zur Rechtssicherheit beizutragen. Es ignoriert nämlich zum einen in zentralen Punkten die Rechtsprechung des BFH, was dazu geführt hat, dass das Entwurfsschreiben als „Kampfansage der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung“12 gewertet wurde. Des Weiteren wird auch die im OECD-Partnership-Report13 und im OECD-MK 2000 vertretene Rechtsauffassung in wichtigen Punkten nicht umgesetzt. Und teilweise hat das Entwurfsschreiben die h.M. gegen sich. Beispielhaft seien folgende Regelungen im BMF-Entwurf genannt, die problematisch sind: – Zu weit gehende Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts bei der Abkommensauslegung (Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). – Die abkommensrechtliche Behandlung von im Sitzstaat „intransparenten“ Personengesellschaften. Dies gilt einerseits für die Fälle, in denen Deutschland Quellenstaat, als auch andererseits für jene, in denen Deutschland Ansässigkeitsstaat ist. – Die abkommensrechtliche Qualifikation von Sondervergütungen i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Hierauf wird im Folgenden ausführlich einzugehen sein. – Die Behandlung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft auf Abkommensebene. Das Entwurfsschreiben geht – entgegen der wohl h.M.14 – davon aus, dass gewerblich geprägte Personengesellschaften grundsätzlich Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA vermitteln.15 – Das Schreiben listet die inzwischen bestehenden zahlreichen einander überlappenden „Keinmalbesteuerungsverhinderungsklauseln“ auf, verzichtet jedoch auf eine Systematisierung bzw. Rangfolgenfestlegung.

12 Wassermeyer, IStR 2007, 413. 13 Siehe Fn 11. 14 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 16a, 49, 85 m. w. N.; Kroppen in B/H/G/K OECD-MA Art. 7 Rz. 46; Hemmelrath in Vogel/Lehner Art. 7 Rz. 8, 167 ff.; Hemmelrath, IStR 1995, 570 ff. (573); Schaumburg in Internationales Steuerrecht Rz. 16.230 f.; FG Hamburg, Urt. v. 22. 8. 2006, DStRE 2007, S. 665; FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27. 11. 2002, DStRE 2003, S. 1104; FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28. 3. 2006, DStRE 2006, S. 1526. 15 Vgl. Tz. 2.2.1 des Entwurfsschreibens.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht – Die Finanzverwaltung16 folgt der dynamischen statt der von der h.M.17 in Deutschland vertretenen statischen Abkommensauslegung. Da die Regelungen des Entwurfsschreibens über eine bloße Abkommensanwendung (Abkommensauslegung) hinausgehen – jedenfalls wenn man mit der h.M.18 einer statischen Auslegung folgt – wurde seitens der Finanzverwaltung „flankierend“ eine Gesetzesänderung initiiert, die der Gesetzgeber mit § 50d Abs. 9 EStG im JStG 2007 umgesetzt hat. Man kann darüber streiten, inwieweit die Neuregelung deklaratorischen Charakter hat19 und inwieweit sie ein Treaty overriding darstellt.20 Allein diese Vorschrift löst zahlreiche Auslegungs- und Bestimmtheitsfragen aus, die kontrovers diskutiert werden.21 Seit Veröffentlichung des Entwurfsschreibens ist eine Reihe wichtiger BFH-Entscheidungen ergangen, die teilweise die Rechtsposition der Finanzverwaltung stützen. Teilweise zementieren sie jedoch auch die unterschiedlichen Rechtspositionen. Die hierbei bedeutsamste Entscheidung ist das Urteil vom 17. 10. 2007 (I R 5/06);22 es betrifft die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen.

II. Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen (BFH v. 17. 10. 2007 – I R 5/06) 1. Vorbemerkung und Sachverhalt An einer deutschen GmbH & Co KG waren neun natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt, von denen zwei in den USA und zwei in der Schweiz wohnten. Die übrigen fünf Kommanditisten wohnten in Deutschland.

16 Vgl. Tz. 4.1.3.3.2 des Entwurfsschreibens. 17 Vgl. z. B. Lang, IStR 2001, 536 ff.; Gosch, IStR 2008, 413 ff. (416); Gosch, BFH – PR 2008, 238; Prokisch in Vogel/Lehner Art. 1 Rz. 49; Wassermeyer, IStR 2007, 413 ff (414); Schnitger, IStR 2002, 407 ff. (408). 18 Siehe Fn 14. 19 So z. B. die Finanzverwaltung bezüglich § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG, vgl. Entwurfsschreiben, Tz. 4.1.3.3.2. 20 Vgl. hierzu z. B. Vogel, IStR 2007, 225 ff. 21 Vgl. z. B. Dallwitz/Mattern/Schnitger, DStR 2007, 1697 ff; Meretzki, IStR 2008, 23 ff.; Grotherr, IStR 2007, 265 ff.; Vogel, IStR 2007, 225 ff. (277 f.). 22 BFH, Urt v. 17. 10. 2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300.

172

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht

E

B

M

A ung order DL-F en Zins

der

sen

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Zin

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ung

D

DL-

USA

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GmbH D F U

G

Strittig war die abkommensrechtliche Behandlung der Zinsen an die in den USA ansässigen Gesellschafter auf ihre Darlehenskonten I und II. 2. Lösung der Finanzverwaltung Die Lösung der Finanzverwaltung nach dem Entwurfsschreiben lässt sich wie folgt zusammenfassen (vgl. hierzu auch Beispiel 3 zu Tz. 5):23 Die Zinsen sind als Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Teil des inländischen Betriebsstättengewinns und können deshalb von Deutschland als Betriebsstättenstaat nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA besteuert werden. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA kommt nicht zur Anwendung, da aus deutscher Sicht keine Zinsen, sondern Sondervergütungen vorliegen. Den bestehenden Qualifikationskonflikt und die daraus resultierende Doppelbesteuerung, dass Deutschland Betriebsstättengewinne nach Art. 7 OECD-MA, der Ansässigkeitsstaat jedoch Zinsen nach Art. 11 OECD-MA annimmt, hat der Ansässigkeitsstaat zu beseitigen.

23 Vgl. hierzu Tz. 5 (insbesondere Beispiel 3) unter Verweis auf Tz. 2.2.1 und 3.1.

173

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Die Finanzverwaltung bezieht sich bei ihrer Lösung auf den OECD-Partnership-Report24 und den OECD-MK seit dem Update 2000.25 Die Lösung des Entwurfsschreiben wurde hierbei aus dem Betriebsstätten-Erlass26 übernommen.27 3. Lösung des BFH Der BFH hat diese Lösung abgelehnt. Er geht davon aus, dass die Zinsen zwar nach innerstaatlichem Steuerrecht Sondervergütungen i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darstellen. Abkommensrechtlich lägen jedoch Zinsen i. S. v. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA vor. Dies ergäbe sich aus dem Zusammenspiel von Art. 7 Abs. 7 mit Art. 11 OECD-MA, der eine Vorrangregelung zugunsten von Art. 11 enthält. Der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA greife mangels tatsächlicher Zugehörigkeit der Darlehensforderungen zur deutschen Betriebsstätte nicht. Somit werde das ausschließliche Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der beiden Gesellschafter (USA) zugewiesen. Das Urteil war – nicht zuletzt von der Finanzverwaltung im Hinblick auf das Entwurfsschreiben28 – mit Spannung erwartet worden. Es stellt den spiegelbildlichen Fall zum Grundsatzurteil vom 27. 2. 199129 dar, bei dem inländische Gesellschafter Zinsen von „ihrer“ US-Personengesellschaft erhielten. Während im Outbound-Fall, bei dem die Zinsen nach Deutschland bezahlt werden, zwar unterschiedliche Begründungen von der Finanzverwaltung und vom BFH gegeben werden, kommen beide Auffassungen zum gleichen Ergebnis: Deutschland als Ansässigkeitsstaat darf die Zinsen besteuern. Auch im Outbound-Fall begründet die Finanzverwaltung ihre Auffassung mit dem OECD-Partnership-Report und dem OECD-MK 2000 und subsumiert die Zinsen ausschließlich unter Art. 7 OECD-MA.30 Das Besteuerungsrecht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat ergibt sich in diesem Fall daraus, dass – in Übereinstimmung mit der OECD-Auffassung – Art. 23 Abs. 1 OECD-MA einschränkend auszulegen sei. D. h. die Nichtbesteuerung der Zinsen im Quellenstaat führt

24 Siehe Fn. 11; vgl. hierzu auch Schmidt, IStR 2001, 489 ff. 25 Ziff. 32.1–32.7 zu Art. 23. 26 BMF, Schr. v. 24. 12. 1999, BStBl. I 1999, 1076 („Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“), Tz. 1.2.3. 27 Vgl. Tz. 5.1 des Entwurfsschreibens. 28 Vgl. hierzu auch die Fußnote im Entwurfsschreiben bei Beispiel 3 zur Tz. 5. 29 BFH, Urt. v. 27. 2. 1991, BStBl. II 1991, 444. 30 Vgl. hierzu Beispiel 2 zu Tz. 5 und Tz. 4.1.3.2. und 4.1.3.3.2 des Entwurfsschreibens, vgl. ferner Krabbe, IWB (2000) 3 Deutschland Gr. 2, 863 ff.; Krabbe, FR 2001, 129 ff.

174

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht zur Versagung der Freistellung, wenn sich der Quellenstaat durch sein innerstaatliches Recht, an der Besteuerung gehindert sieht. Der BFH sieht – wie dargestellt – abkommensrechtlich eine Darlehensforderung, die Zinsen i. S. v. Art. 11 OECD-MA vermittelt, so dass – wenn wie im Fall USA das DBA kein Quellenbesteuerungsrecht enthält – das ausschließliche Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters liegt. Im Ergebnis bleibt der I. Senat des BFH im Urteil vom 17. 10. 2007 seiner ständigen Rechtsprechung31 treu, auch wenn diese bisher ausschließlich zu Outbound-Fällen erging und damit Deutschland das Besteuerungsrecht für die Gesellschafterzinsen hatte. Der Gleichlauf mit dem Ergebnis der Finanzverwaltung entfällt beim jetzt erstmals entschiedenen Inbound-Fall, so dass das Urteil von daher grundsätzliche Bedeutung hat. 4. Auswirkung der Entscheidung auf das Entwurfsschreiben und für die Gestaltungspraxis Welche Auswirkung diese Entscheidung auf das Entwurfsschreiben hat, ist derzeit noch offen. Es ist aber kaum denkbar, dass die Regelung zu den Sondervergütungen in Tz. 5 des Entwurfsschreibens bzw. die entsprechende Regelung im Betriebsstätten-Erlass32 aufrechterhalten bleiben.33 Die BFH-Rechtsprechung eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten: Bei Personengesellschaften kann mit einer grenzüberschreitenden Gesellschafterfremdfinanzierung der steuerpflichtige inländische Gewinn durch die Zinsen reduziert werden, während es bei der Zuführung von Eigenkapital „gegen“ Vorabgewinn bei der inländischen Steuerpflicht der „Vergütung“ bliebe.34 Die Finanzverwaltung versucht offenbar, den aus der Rechtsprechung resultierenden Verlust an Steuersubstrat über die Zinsschranke (§§ 4h EStG und 8a KStG) zu begrenzen.

31 Zuletzt BFH, Urt. v. 20. 12. 2006, IStR 2007, 473 m. w. N. 32 BMF, Schr. v. 24. 12. 1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.3. 33 Man wird wohl Gosch zustimmen müssen, wenn er hierin eine Rechtsverweigerung sieht, die gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, vgl. Gosch, BFH – PR 2008, 238. 34 Vgl. Gosch, BFH – PR 2008, 238; wohl ebenso Wassermeyer, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, in: Achatz/Ehrke-Rabel/Heinrich/Leitner/Taucher (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Europarecht, Festschrift für Ruppe, 2007, S. 681 ff. (690).

175

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Nach Tz. 19 des BMF-Schreibens zur Zinsschranke35 sollen Zinsen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nur dann für die Anwendung der Zinsschranke unbeachtlich sein, wenn sie im Inland steuerpflichtig sind. Diese Auffassung verkennt aber, dass die Umqualifizierung der Sondervergütungen in Zinsen nur für Zwecke der Abkommensanwendung erfolgt. Nach innerstaatlichem Steuerrecht liegen keine Zinsen i. S. v. § 4h Abs. 3 S. 2 EStG vor, weil sie den Gewinn i. S. des EStG nicht gemindert haben. Im Rahmen der additiven Gewinnermittlung nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG36 stehen den Zinsaufwendungen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft die Zinserträge in der Sonderbilanz des darlehensgewährenden Gesellschafters gegenüber, so dass der Zinsaufwand neutralisiert wird. Von diesem Grundverständnis der Aggregation der Sonderbilanzen der Gesellschafter mit der Steuerbilanz der Gesellschaft geht auch die Finanzverwaltung für die Anwendung der Zinsschranke aus, wie sich aus Tz. 6 des BMF-Schreibens zur Zinsschranke ergibt. Zu beachten ist aber, dass der Steuervorteil in Deutschland aus der BFH-Rechtsprechung sich im Fall von Refinanzierungen nur auf das Zinsdelta bezieht, da die Refinanzierungszinsen als Sonderbetriebsausgaben den inländischen Gewinn mindern. Man durfte also gespannt sein, wie die Finanzverwaltung bzw. die Gesetzgebung auf das Urteil reagieren werden. Die Reaktion erfolgte im Jahressteuergesetz 2009. Zunächst bat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 19. 9. 2008 zum Jahressteuergesetz 2009,37 im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Zinsschrankenregelung (§§ 4h EStG, 8a KStG) aufgrund des Urteils I R 5/06 geändert werden muss, um sicherzustellen, dass sie nicht von Steuerausländern durch Gestaltungen mit inländischen Personengesellschaften unterlaufen werden kann. Der Gesetzgeber ging jedoch weiter und übernahm die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung in einem umfassenden Treaty overriding ins Gesetz. Der neue § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2009 fingiert nunmehr die ins Ausland abfließenden Sondervergütungszinsen als Unternehmensgewinne im Sinne des Abkommen. Allerdings ist diese Fiktion unvollständig. Sie umfasst nicht die Zuordnung der Darlehensforderung zur inländischen Betriebsstätte, so dass sich der Wille des Gesetzgebers nicht im Wortlaut des Gesetzes wiederfindet.38 Im Ergebnis läuft damit die Vorschrift im Normalfall leer, so dass sie nicht die BFH-Rechtsprechung verdrängen kann. Sollte der Gesetzgeber „nachbessern“, wäre

35 36 37 38

Vgl. BMF, Schr. v. 4. 7. 2008, BStBl. I 2008, 718. Vgl. hierzu Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 400 ff. BR-Drucks. 545/08, Nr. 3. Vgl. hierzu ausführlich auch Salzmann, IWB 2009. F. 3, Gr. 3 S. 1539 ff. („fiskalischer Blindgänger“); Günkel/Lieber, Ubg 2009, S. 301 ff.; Hils, DStR 2009, S. 888 ff.

176

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht dies ein Treaty override39 – auch wenn die Gesetzesbegründung zu § 50d Abs. 10 EStG lediglich von einer „innerstaatlich verbindlichen Auslegung des DBA-Ausdrucks ‚Unternehmensgewinne‘, den die DBA selbst nicht definieren“ spricht.40 Nach einer stark im Vordringen befindlichen Meinung, die einen über eine bloße Missbrauchsverhinderung hinausgehenden Treaty override als verfassungswidrig ablehnt,41 wäre zweifelhaft, ob eine solche Reparatur im Ergebnis vor dem Verfassungsgericht Bestand haben könnte. 5. Eigene Auffassung zum BFH-Urteil I R 5106 Die Konsequenz des BFH, Inbound- und Outbound-Fall gleich zu behandeln, ist zu begrüßen. Bei einem Bruch mit der nunmehr ständigen Rechtsprechung wäre dem BFH wohl auch fiskalische Rücksichtnahme auf das Ergebnis seiner Entscheidung unterstellt worden. Aber es fällt schwer, die Begründung nachzuvollziehen. Der BFH gelangt zu seinem Ergebnis durch folgende Argumentation: – Der in Art. 11 Abs. 1 DBA-USA 1989 verwendete Begriff „Zinsen“ umfasst gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 (= Art. 11 Abs. 3 OECD-MA) Einkünfte aus Forderungen jeder Art. Zu diesen Forderungen gehören auch diejenigen, die im Verhältnis zwischen einer Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter bestehen. – Dem könne nicht entgegenhalten werden, dass das Bestehen einer „Forderung“ i. S. des Art. 11 Abs. 2 DBA-USA 1989 (= Art. 11 Abs. 3 OECD-MA) das Vorhandensein eines Gläubigers und eines Schuldners voraussetze und dass eine Personengesellschaft weder Gläubiger noch Schuldner sein könne, wenn sie – wie im Bereich des DBA-USA 1989 – nicht „Person“ i. S. des maßgeblichen Abkommens sei. – Denn da das DBA-USA 1989 den Begriff „Forderung“ nicht speziell für Zwecke dieses Abkommens definiert, ist insoweit auf die Maßstäbe des deutschen Rechts zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 1989). Dieses aber erkennt, obwohl es Personengesellschaften nicht als Subjekte des Einkommensteuer- oder des Körperschaftsteuerrechts begreift, Verträge zwischen ihnen und ihren Gesellschaftern an. Dieselbe Vorstellung läge dem deutschen Zivilrecht wie auch dem US-ame-

39 Ebenso Günkel/Lieber, Ubg 2009, 306; Salzmann, IWB 2009, F. 3 Gr. 3, S. 1539; Loschelder, in Schmidt, 28. Aufl. 2009, § 50d EStG Rz. 60; a. A. Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 ff. (111 f.). 40 BT-Drucks. 16/11108, S. 29 (Kursivsetzung vom Verfasser). 41 Vgl. Vogel, in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Einl. Rz. 204; Gosch, IStR 2008, 413 ff.; Stein, IStR 2006, S. 505; Rust/Reimer, IStR 2005, 843; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377.

177

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht rikanischen Recht zu Grunde. Sie muss deshalb abkommensrechtlich nachvollzogen werden. Dieser Rückgriff auf das deutsche Steuerrecht ist aber nicht erforderlich, weil sich eine Auslegung aus dem Abkommen selbst ergibt. Damit ist die Anwendung der lex-fori-Klausel versperrt. Und es ist deshalb der – vom BFH zitierten42 – Gegenmeinung zuzustimmen, die eine Forderung i. S. des Abkommens von dem darlehensgewährenden Gesellschafter an die Personengesellschaft verneint, wenn die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigte Person ist. Folgende drei Fälle sollen der Verdeutlichung der Überlegungen dienen: Fall 1: An einer zweigliedrigen inländischen Personengesellschaft ist M mit 100 % und A mit 0 % beteiligt. M gewährt der Personengesellschaft ein verzinsliches Darlehen.

M

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A

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Nach dem Besprechungsurteil würde der BFH Zinsen i. S. von Art. 11 OECD-MA annehmen, weil nach innerstaatlichem Zivil- und Steuerrecht eine „Forderung“ besteht und damit – nach einer „spezifischen abkommensrechtlichen isolierenden Betrachtungsweise“43 – Art. 11 OECD-MA einschlägig sei und aufgrund von Art. 7 Abs. 7 OECD-MA dem Betriebsstättenartikel vorgehe.

42 IStR 2008, 300 ff. unter II. 1. b) aa). 43 Gosch, BFH – PR, 237 unter Bezug auf Debatin in Debatin/Wassermeyer, DBA, Systematik, IV Rz. 5, Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, MA Vor Art. 6–22 Rz. 21 und FS Ruppe (Fn. 34), S. 684.

178

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Bei dieser Betrachtung werden aber die verschiedenen Rechtsebenen unzulässig vermischt. Für Zwecke der Abkommensanwendung hat der BFH selbst in ständiger Rechtsprechung – auch bei mehrstöckigen Strukturen – vollständig durch die Personengesellschaft hindurch gesehen und entschieden, dass eine Personengesellschaft (anteilige) Betriebsstätten für jeden an der Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter vermittelt.44 Gesellschafter und Personengesellschaft stehen sich deshalb für die Anwendung des Abkommens nicht wie fremde Dritte, sondern wie Stammhaus und Betriebsstätte gegenüber. Die Personengesellschaft wird für die Abkommensanwendung negiert.45 Abgestellt wird auf die einzelnen Gesellschafter. Es gilt ein abkommensrechtliches Vielheitsprinzip. M hat damit – nachdem er zu 100 % an der Personengesellschaft beteiligt ist – auf Abkommensebene keine Forderung mehr. Es kommt demnach auch nicht mehr zu der Notwendigkeit, den Begriff „Forderung“ auszulegen. Denn das, was zivilrechtlich und nach innerstaatlichem Steuerrecht eine Forderung darstellt – wie der BFH insoweit zutreffend feststellt –, besteht auf Abkommensebene als solche nicht mehr, so dass es auch einer Auslegung nicht bedarf. A

Deutschland

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100 % Betriebsstätte M

Wenn also einerseits abkommensberechtige Personen die einzelnen Gesellschafter sind, dann würde im Beispiel M für die Anwendung von Art. 7 OECD-MA Betriebsstättengewinne erzielen und die Zinsen an ihn wären – bei Transparenz der Personengesellschaft – abkommensrechtlich Zahlungen einer Betriebsstätte an den Unternehmer („Verrechnungszin44 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 16. 10. 2002, BStBl. II 2003, 631 m. w. N. zur Rechtsprechung unter III. 3. a) aa) aaa). 45 Vgl. BFH, Urt. v. 16. 10. 2002, DStRE 2003, 358 (360) m. w. N.

179

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht sen“). Sie stellen nicht einmal Entnahmen dar, da die Zahlung sich innerhalb eines abkommensrechtlichen Unternehmens vollzieht. Dieses Ergebnis wird durch den klaren Wortlaut von Art. 11 OECD-MA gestützt. Zunächst setzt nämlich Art. 11 Abs. 1 OECD-MA voraus, dass die Zinsen aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden. Eine transparente Personengesellschaft ist jedoch keine abkommensberechtigte Person, wie Ziff. 5 S. 2 OECD-MK zu Art. 1 feststellt: „Wird jedoch eine Personengesellschaft nach dem Transparenzprinzip behandelt, so unterliegt sie in diesem Staat nicht der Steuerpflicht im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und kann daher keine in diesem Staat ansässige Person für Zwecke des Abkommens sein.“ Ferner bestimmt Art. 11 Abs. 5 OECD-MA: „Zinsen gelten dann aus einem Vertragsstaat stammend, wenn der Schuldner eine in diesem Staat ansässige Person ist.“ Damit ist eindeutig bestimmt, dass Zinsen i. S. v. Art. 11 OECD-MA nur vorliegen können, wenn sie zwischen zwei abkommensberechtigten Personen gezahlt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine Personengesellschaft bei transparenter Behandlung im Quellenstaat keine ansässige Person im Sinne des Abkommens, sondern vermittelt lediglich eine Betriebsstätte für den Gesellschafter. Damit ist im Fall 1 M zwar abkommensberechtigte Person. Die Zinsen werden aber nicht von einem Schuldner bezahlt, der im anderen Staat ansässig ist; es fehlt gerade diese zweite abkommensberechtigte Person. Fall 2: In Abwandlung von Fall 1 gewährt A das Darlehen

A

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M

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Deutschland KG

180

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht In diesem Fall käme man unter Zugrundelegung der abkommensrechtlichen Transparenz der Personengesellschaft zum Ergebnis, dass Zinsen i. S. v. Art. 11 OECD-MA vorlägen. A hat eine Forderung an M. Abkommensrechtlich werden also die Zinsen zwischen zwei ansässigen Personen bezahlt. Dass M nicht im anderen Staat – sondern hier im gleichen Staat wie A – ansässig ist, schadet nicht. Denn Art. 11 Abs. 5 S. 2 OECD-MA bestimmt: „Hat aber der Schuldner der Zinsen, …, in einem Vertragsstaat eine Betriebsstätte und ist die Schuld, für die die Zinsen gezahlt werden, für Zwecke der Betriebsstätte eingegangen worden und trägt die Betriebsstätte die Zinsen, so gelten die Zinsen als aus dem Staat stammend, in dem die Betriebsstätte liegt.“ Damit stammen die Zinsen aus dem anderen Staat, weil die Schuld (des M!) für seine Betriebsstätte im anderen Staat eingegangen wurde.

A

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Ausland Deutschland

100 % Betriebsstätte M

Fall 3: In Abwandlung von Fall 1 sind A und M jeweils mit 50 % an der Personengesellschaft beteiligt. Die von der Personengesellschaft gezahlten Zinsen wären zu 50 % Zinsen nach Art. 11 OECD-MA und zu 50 % Unternehmensgewinne nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA Für den Urteilsfall ergibt sich damit,46 dass nicht in vollem Umfang Zinsen i. S. v. Art. 11 OECD-MA, sondern anteilig Unternehmensgewinne 46 Vgl. Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in: Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, FS für Lutz Fischer, S. 713–730, S. 724 ff.

181

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht vorlägen. Anders als nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht47 ist die Darlehensforderung und die darauf entfallenden Zinsen aufzuspalten. Damit liegen abkommensrechtlich Zinsen nur soweit vor, als der jeweilige darlehensgewährende Gesellschafter anteilig nicht Gesellschafter ist. Nun mag man einwenden, das Ergebnis sei kompliziert.48 Aber kann es darauf ankommen? Auch nach innerstaatlichem Steuerrecht sind Personengesellschaften keine einfache Rechtsmaterie. So dass man sagen könnte, wer sich dieser Rechtsform bedient, muss auch bereit sein, den höheren Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad zu akzeptieren. Aber auch bei dem hier – in Übereinstimmung mit Michael Lang49 – vertretenden Ergebnis stellt sich die Frage, ob für die anteiligen Zinsen, die Unternehmensgewinne darstellen, der Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht hat. Überlegt werden könnte, die eigene Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft im Rahmen der Einkunftsabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA zu berücksichtigen, so dass es gerechtfertigt wäre, diese anteiligen Zinsen aus dem Betriebsstättengewinn herauszulösen und dem „Stammhaus“ des Gesellschafters zuzuordnen. Bisher haben der OECD-Steuerausschuss,50 die deutsche Finanzverwaltung51 und die wohl überwiegende Meinung in Deutschland52 die Auffassung vertreten, dass Zinszahlungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Rahmen der Einkunftsabgrenzung nicht anzuerkennen seien (eingeschränkte Selbständigkeit der Betriebsstätte). Diese Meinung wird von der OECD im Update 2008, der den sogenannten Authorized OECD Approach der Arbeitsgruppe 6 umsetzt und der dem Functionally Separate Entity Approach folgt, aufrechterhalten.53 Begründet wird dieses Verbot mit einem rechtlichen und einem wirtschaftlichem Argument:

47 Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 540. 48 Vgl. Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in: Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, FS für Lutz Fischer, S. 713–730, S. 725. 49 Vgl. Lang (Fn. 42), S. 725 und Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1997, S. 97 f. 50 Vgl. Ziff. 18 OECD-MK 2005 zu Art. 7. 51 Vgl. Betriebsstättenerlass, BMF, Schr. v. 24. 12. 1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.2. 52 Vgl. z. B. Ritter, JbFfSt 1976/77, 300 ff., Debatin, DB 1989, 1692 ff.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA Art. 7 Rz. 185; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, Rz. 16.264. Allerdings besteht eine starke Gegenmeinung, vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München, S. 621 ff.; GKG/Kroppen, Art. 7 Rz. 108; Becker, DB 1990, 392; FWWK/Buciek, Art. 7, Rz. 504. 53 Ziff. 41 f. OECD-MK 2008 zu Art. 7.

182

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht – Vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet, setzen Zinsen ein „formales Rechtsgeschäft“ voraus, welches mit der wahren Rechtsnatur der Betriebsstätte nicht vereinbar ist. – Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, stellen solche internen Beziehungen u. U. keine Schulden und Forderungen dar, wenn nämlich eine ausschließliche oder überwiegende Eigenkapitalfinanzierung gegeben sei. Beide Argumente greifen jedoch nicht im Fall einer Personengesellschaft. Sie kann Forderungen erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Insofern besteht ein Unterschied, ob eine „bloße“ Betriebsstätte Zinsen auf ein Verrechnungskonto an das Stammhaus zahlt oder ob eine Persongesellschaft Zinsen aufgrund eines zivilrechtlich und steuerrechtlich anzuerkennenden Darlehensvertrages an ihren Gesellschafter entrichtet. Die Grenze wäre nur dort, wo das Darlehen nicht mehr fremdüblich, sondern etwa als eigenkapitalersetzend anzusehen wäre. Folgt man dieser Auffassung, hätte Deutschland im Inbound-Fall ebenfalls kein Besteuerungsrecht für Zinsen auf das Darlehen an den ausländischen Gesellschafter – soweit diese fremdüblich sind. Damit besteht im konkreten Fall (USA) kein Unterschied im materiellen Ergebnis zur BFH-Entscheidung. Unterschiede ergeben sich jedoch bei all jenen Abkommen, bei denen Deutschland ein Quellenbesteuerungsrecht für die Zinsen hat.54 Soweit das Darlehen abkommensrechtlich (anteilig) auf den darlehensgewährenden Gesellschafter entfällt, könnte Deutschland sein Quellenbesteuerungsrecht nach Art. 11 Abs. 2 OECD-MA nicht geltend machen.

III. Zuordnung von Wirtschaftsgütern 1. Unbeachtlichkeit der eigenen Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern – Maßgeblichkeit der funktionalen Betrachtung Die nächste Entscheidung betrifft die Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen in Drittstaaten auf eine ausländische Personengesellschaft. Der Sachverhalt war wie folgt: Die niederländische Personengesellschaft fungierte nur als Vertriebsgesellschaft für die Niederlande. Die Drittlandsbeteiligungen der C. V. wurden lediglich zivilrechtlich und bilanziell übertragen. Weitere Funktionen – wie Marketing und Vertrieb für die gesamte Gruppe – wurden nicht mit übertragen. Die Klägerin 54 Z. B. 10 % nach dem DBA Kanada, vgl. im Einzelnen die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, 5. Aufl., Art. 11 Rz. 48.

183

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht (GmbH) begehrte die Freistellung der Dividenden aus den Drittlandsbeteiligungen als Teil des niederländischen Betriebsstättengewinns nach Art. 20 Abs. 2 DBA Niederlande.

A-KG

GmbH (Klägerin)

D NL

C.V. (Vertriebsges. für NL) B.V.

Drittländer Vertriebsgesellschaften

Italien

Spanien

Kanada

GB

Belgien

CH

Frankreich

Der BFH folgt in dem Beschluss vom 19. 12. 2007 (I R 66/06)55 weitgehend seiner ständigen Rechtsprechung,56 die auch die Finanzverwaltung im Entwurfsschreiben übernommen hat.57 Danach ist es für die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich unerheblich, ob ein Wirtschaftsgut einer bloßen Betriebsstätte oder einer Personengesellschaft zuzuordnen ist. Die eigene Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft58 wird bei der Zuordnungsentscheidung ignoriert. Entscheidend ist für die Zuordnung nach den Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 und 21 Abs. 2 OECD-MA allein, ob die den Einkünften zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören. Hierfür ist zwingende Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut in einem funktionalen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte steht, von ihr genutzt wird und zu ihrem Betriebsergebnis beiträgt.59 Die zivil-

55 BFH, Beschl. v. 19. 12. 2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 56 Vgl. BFH, Urt. v. 17. 12. 2003, BFH/NV 2004, 771 und aktuell BFH, Urt. v. 19. 12. 2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 57 Tz. 2.2.4.1 des Entwurfsschreibens. 58 Vgl. BGH, BGHZ 146, 341 ff.; ebenso BAG, NJW 2005, 1004 ff. 59 Tz. 2.2.4.1.

184

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht rechtliche Übertragung auf eine Personengesellschaft unterbricht dabei den funktionalen Zusammenhang nicht.60 Der BFH hat in seinem Beschluss die abkommensrechtliche Zuordnung der Beteiligungen zur C. V. abgelehnt, weil der funktionale Zusammenhang mit der Betriebsstätte bzw. Personengesellschaft nicht gegeben war. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Selbst wenn man bei der Zurechnungsentscheidung die eigene Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft mit der damit verbundenen eigenständigen Haftungsmasse, wie sie die bloße Betriebsstätte nicht besitzt, im Rahmen einer Funktionsund Risikoanalyse angemessen berücksichtigen wollte:61 Die von der C. V. ausgeübten Funktionen waren nicht ausreichend, um eine andere Entscheidung zu treffen. Der BFH lässt aber erkennen, dass er eine Zuordnung der Beteiligungen zur ausländischen Personengesellschaft möglicherweise dann akzeptiert hätte, wenn die Personengesellschaft eine geschäftsleitende Holdingfunktion über die anderen Auslandsvertriebsgesellschaften ausgeübt hätte.62 Dies steht im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung des BFH. Im Urteil vom 17. 12. 200363 hatte der Senat nämlich die Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zur ausländischen Personengesellschaft auch dann als fraglich angesehen, wenn diese als geschäftsleitende Holding anzusehen gewesen wäre.64 2. Unbeachtlichkeit des Fehlens des Merkmals „tatsächliche Zugehörigkeit“ im konkreten DBA und des Betriebsstättenvorbehalts von Art. 20 Abs. 2 OCD-MA Der Beschluss vom 19. 12. 2007 ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie zu Drittstaateneinkünften nach dem DBA Niederlande erging. Dieses DBA enthält weder im Unternehmensgewinneartikel (Art. 5 DBA Niederlande) die Vorrangregelung des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA, noch den Betriebsstättenvorbehalt in Art. 21 Abs. 2 des OECD-MA. Darüber hinaus fehlt im Betriebsstättenvorbehalt des Dividendenartikels (= Art. 13 Abs. 5 DBA Niederlande) das zusätzliche Merkmal in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA, dass die die Dividenden vermittelnde Beteiligung tatsächlich zur Betriebsstätte gehören muss. Das Besteuerungsrecht für Dividenden wird vom Ansässigkeitsstaat in den Quellenstaat also nach dem Wortlaut des Abkommens bereits dann zurückgegeben, „wenn eine Person mit

60 61 62 63 64

Tz. 2.2.4.1 des Entwurfsschreibens. Vgl. hierzu auch Blumers, DB 2008, 1765 ff. BFH, Urt. v. 19. 12. 2007 – I R 66/06 unter II.2.c) cc) aaa). BFH, Urt. v. 17. 12. 2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. hierzu auch Schönfeld, IStR 2008, 367.

185

Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Wohnsitz in einem der Vertragstaaten eine Betriebstätte in dem anderen Staat hat und die Einkünfte durch diese Betriebstätte erzielt.“ Bei einer stärker am Wortlaut orientierten Auslegung unter Rückgriff auf das innerstaatliche deutsche Steuerrecht, hätte somit bereits die Betriebsstättenzugehörigkeit – und damit wohl auch das Vorliegen von gewillkürtem Betriebsvermögen – ausgereicht, um eine Zuordnung der Dividenden auf die niederländische C. V. vorzunehmen. Denn die Beteiligungen waren – sowohl nach der Handels- als auch nach der Steuerbilanz – zutreffend bei der C. V. bilanziert. Der BFH verweist für sein Judikat auf eine, Zinsen betreffende Entscheidung des II. Senats65 zum DBA Frankreich und seine frühere daran anknüpfende Entscheidung zum DBA Großbritannien und hält an ihr fest. 3. Zuordnungsgrundsätze für bewegliche Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte bei Anwendung von Art. 13 Abs. 2 OECD-MA Die dritte Entscheidung betrifft die Zuordnung von beweglichen Wirtschaftsgütern bei Anwendung von Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. Der Sachverhalt des Urteils war kompliziert.

X

CH

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50 % 50 % = SBV

KG (Klägerin) 50 %

40 %

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Steuerrecht 40 % = SBV

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% 10

Stiftung Personengesellschaften international – Erlassentwurf und neue Rechtsprechung

65 Vgl. BFH, Urt. v. 9. 8. 2006 – II R 59/05, BFHE 214, 518.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Im Kern ging der Streit um die Frage, ob die Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung des X an der Z-Inc. bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages zu erfassen sind. Dabei war zunächst zu klären, wie Art. 13 Abs. 2 DBA Schweiz, der Art. 13 Abs. 2 OECD-MA nachgebildet ist, auszulegen ist und ob für die Erfassung der Veräußerungsgewinne in Deutschland die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen ausreicht. Die Vorschrift enthält das Tatbestandsmerkmerkmal der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ nämlich nicht. Es stellte sich somit die Frage, ob es bei der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen einer Betriebsstätte auf die tatsächliche Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zur Betriebsstätte im Sinne der Betriebsstättenvorbehalte nach den Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA ankommt oder eine Betriebsstättenzuordnung nach innerstaatlichem Recht über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ausreicht. Letzteres hat der BFH im Urteil vom 13. 2. 2008 (I R 63/06)66 bejaht. Er hat es ausreichen lassen, dass die Kapitalgesellschaftsbeteiligung zum Sonderbetriebsvermögen nach dem innerstaatlichen deutschen Recht gehört.67 Zu diesem Ergebnis gelangt er, indem er Art. 13 Abs. 2 OECD-MA eigenständig – von Art. 10 Abs. 4 OECD-MA unabhängig – auslegt und hierbei über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA deutsches Steuerrecht anwendet. Demgegenüber wendet die Finanzverwaltung für die Zuordnungsentscheidung bei beweglichen Wirtschaftsgütern für die Anwendung der Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA einerseits und des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA andererseits die gleichen Grundsätze an.68 Dem ist zuzustimmen; und dies entspricht auch der h. M.69 Man darf gespannt sein, ob die Finanzverwaltung dieses für sie im entschiedenen Inbound-Fall günstige Urteil in das Anwendungsschreiben übernimmt.70 Denn das Urteil widerspricht – wie ausgeführt – zum einen der h.M,71 zum anderen wird es im Outbound-Fall zum Danaer-Geschenk. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen können der deutschen Besteuerung leichter entzogen werden, wenn es nicht darauf ankommt, dass die Beteiligungen tatsächlich zur Betriebsstätte gehören 66 BFH, Urt. v. 13. 2. 2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025. 67 Vgl. BFH, Urt. v. 13. 2. 2008 – I R 63/06 unter II.5.a). 68 Vgl. das Beispiel unter 2.2.4.1, ebenso Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643 ff. (649). 69 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 30. 8. 1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Betriebsstättenerlass, BMF, Schr. v. 24. 12. 1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4; Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 13 MA Rz. 77; Strunk/Kaminski/Köhler, Art. 13 MA Rz. 18. 70 Eine Veröffentlichung im BStBl. hat bisher noch nicht stattgefunden. 71 Vgl. hierzu auch Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643 ff. (649) m. w. N.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht und es vielmehr entscheidend ist, ob nach dem innerstaatlichen deutschen Steuerrecht „Betriebsvermögen“ der ausländischen Personengesellschaft vorliegt. Sollte jedoch der ausländische Staat für sich kein Besteuerungsrecht beanspruchen, weil er etwa durch gleichgerichtete Auslegung von Art. 10 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 2 OECD-MA eine andere Zuordnungsentscheidung trifft und davon ausgeht, dass die Beteiligung tatsächlich nicht zur Betriebsstätte gehört, käme es zu einer doppelten Nichtbesteuerung. In diesem Fall wäre § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG zu beachten. Bei dem sich formierenden Widerstand gegen die ausufernden Treaty overriding Vorschriften im deutschen Steuerrecht,72 bliebe aber abzuwarten, wie der BFH bzw. das BVerfG dann entscheiden würden. 4. Abkommensrechtliche „Nurbetriebsstätte“ Zu klären war dann in einem weiteren Schritt, ob die Beteiligung im Inland steuerverhaftet oder gegebenenfalls einer schweizerischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Hierzu enthält das Urteil eine interessante Feststellung. Nach Auffassung des BFH kann nämlich eine natürliche Person im Ansässigkeitsstaat (Schweiz) ein Unternehmen mit einer ausschließlich im anderen Staat belegenen Betriebsstätte haben.73 Die Ansässigkeit vermittelt nach dieser Auffassung also nicht zwingend zumindest eine Leitungsbetriebsstätte nach Art. 5 Abs 2 Buchst. a) OECD-MA. Der BFH hält es somit für möglich, dass die Leitungsfunktion im Wesentlichen am Ort der Betriebsstätte ausgeübt wird und es danach möglich ist, dass abkommensrechtlich – anders als nach innerstaatlichem Recht74 – eine „Nurbetriebsstätte“ ohne Stammhaus angenommen werden kann. Die Vorstellung begegnet Bedenken. Sie setzt voraus, dass Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative beim Verlassen jener Betriebsstätte gleichsam abgelegt werden und sich die Leitung auch nur dort vollzieht. Auch diese Entscheidung fällt in den Spannungsbogen Einheit der Personengesellschaft einerseits und Vielheit der Gesellschafter als abkommensberechtige Personen andererseits. Der BFH leitet sein Ergebnis, nach dem eine „Nurbetriebsstätte“ möglich ist, daraus ab, dass er auf die inländische KG, die Klägerin, fokussiert, wenn er ausführt: „Die Feststellungen des FG bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin im Streitjahr außerhalb Deutschlands Betriebsstätten i. S. des Art. 5 DBA Schweiz unterhalten hat. Deshalb handelt es sich aus abkommensrechtlicher Sicht bei der Klägerin, soweit es um den Anteil des X geht, um ein

72 Vgl. hierzu Gosch, IStR 2008, 413 ff. (418 ff.) m. w. N.; Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einl. Rz. 204 f. m. w. N.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843. 73 Vgl. BFH, Urt. v. 13. 2. 2008 – I R 63/06 unter II.5.b). 74 Vgl. hierzu ausführlich Wassermeyer, IStR 2004, 676.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Schweizer Unternehmen mit ausschließlich in Deutschland belegenen Betriebsstätten“.75 Aber auch hier ist festzustellen, dass es nicht die Personengesellschaft ist, die abkommensrechtlich ein Unternehmen betreibt, sondern nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) OECD-MA (= Art. 3 Abs. 1 Buchst. f) DBA Schweiz 1971) der Gesellschafter X, als abkommensberechtigte Person. Dabei ist dem BFH zuzustimmen, wenn er – in ständiger Rechtsprechung76 – davon ausgeht, dass die Betriebsstätten der Personengesellschaft ihren Gesellschaftern zuzurechnen sind. Aber m. E. muss für den Regelfall davon ausgegangen werden, dass zumindest eine Leitungsbetriebsstätte für das Unternehmen des Gesellschafters – in das sich seine Beteiligung auf Abkommensebene wandelt – im Ansässigkeitsstaat besteht. Denn abzustellen ist hier nicht auf die Geschäftsführung bei der Personengesellschaft, sondern darauf, wo der Gesellschafter im Rahmen seiner Mitunternehmerstellung Mitunternehmerinitiative entfaltet und Mitunternehmerrisiko trägt. An eine solche Leitungsbetriebsstätte sind keine besonderen Anforderungen zu stellen.77 Man wird deshalb – bei Fehlen eines Büros – die Wohnung des Mitunternehmers als einen Ort der Leitung i. S. v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) OECD-MA ansehen können.78 Der BFH hat dies für eine Betriebsstätte nach innerstaatlichem Steuerrecht für die Auslegung des Begriffs „Stätte der Geschäftsleitung“ nach § 12 AO angenommen.79 Im Fall ging es um einen in den Niederlanden ansässigen Händler, der Waren ausschließlich auf deutschen Wochenmärkten verkaufte. Dass eine Wohnung Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung i. S. v. § 10 AO sein kann, wenn ein entsprechendes Büro fehlt, hat der BFH ebenfalls bejaht.80 Aber eine geschäftliche Oberleitung setzt Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) OECD-MA nicht voraus.81 Die Vorschrift geht vielmehr davon aus, dass durchaus mehrere Orte der Leitung vorhanden sein können.82 75 BFH, Urt. v. 13. 2. 2008 – I R 63/06 unter II.5.b). 76 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 16. 10. 2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631 unter III. 3. b) bb) aaa) mit weiteren Urteilsnachweisen. 77 So Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 5 MA Rz. 65. In jedem Fall sind keine hohen Anforderungen zu stellen, vgl. RFH, Urt. v. 9. 6. 1939 – I 254/38, RStBl. 1939, 788 zum DBA Schweiz 1931, Görl in Vogel/Lehner Art. 5 Rz. 39; eine EDV-Anbindung mit Zugang zum Intranet des Unternehmens sollte damit auch nach dieser Meinung ausreichen. 78 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 5 MA Rz. 65. 79 Vgl. BFH, Urt. v. 28. 7. 1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; vgl. hierzu auch Wassermeyer, IStR 2004, 676 ff. (676). 80 Vgl. BFH, Urt. v. 23. 1. 1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554 m. w. N. 81 Vgl. Görl in Vogel/Lehner Art. 5, Rz. 40 m. w. N. 82 Vgl. Görl in Vogel/Lehner Art. 5, Rz. 39 m. w. N.; Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer Art. 5 MA Rz. 64.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass nach der Lebenswahrscheinlichkeit im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zumindest von einer Leitungsbetriebsstätte auszugehen ist. Eine „Nurbetriebsstätte“ ist im Quellenstaat schwer vorstellbar. Damit ist noch keine Zuordnungsentscheidung für die vom Gesellschafter behaltene Beteiligung getroffen. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass sich eine am deutschen Sonderbetriebsvermögenskonzept orientierte Zuordnungsentscheidung in einem Verständigungs- oder EUSchiedsverfahren durchsetzen lassen würde. Ein Verständigungsverfahren setzt bekanntlich keine Doppelbesteuerung voraus.83 Es kann somit auch geführt werden, wenn die Gewinne aus der Beteiligungsveräußerung nach dem innerstaatlichen Recht des anderen Staates nicht der Besteuerung unterliegen, wie es nach dem Steuerrecht der Schweiz der Fall sein kann. Unterschiede in der Rechtsauffassung bestehen bereits zu Österreich. Nach deutschem Steuerrecht würde z. B. eine Beteiligung an einer Komplementär-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen bei einer deutschen GmbH & Co KG gehören. Österreich dagegen ordnet Anteile an einer GmbH & Co KG grundsätzlich dem Privatvermögen zu.84 Es ist deshalb äußerst fraglich, ob der Ansässigkeitsstaat die Entscheidung des BFH teilt. Festzustellen bleibt deshalb zum einen, dass sich nach dem Urteil die gewünschte Zuordnung der Beteiligung durch eine entsprechende Planung und Sachverhaltsgestaltung erzielen lässt. Zum anderen sind Steuerpflichtige und Berater bei der vorausschauenden Steuerplanung gut beraten, für eindeutige Verhältnisse zu sorgen und des Weiteren darauf zu achten, dass sich diese im Zeitablauf nicht verändern. Man kann Gosch, dem Vorsitzenden Richter des I. Senats, nur zustimmen, wenn er feststellt, dass „es angesichts solch ‚verschlungener‘ Argumentation sicher nicht einfach [ist] seriös und planungssicher zu beraten“ und die Grenzlinien eher „amorph“ verliefen.85 Hinzuweisen ist noch, dass gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt wurde.86

83 So der eindeutige Wortlaut von Art. 25 und ausdrücklich auch Ziff. 11 des OECD-MK zu Art. 25. 84 Vgl. öVwGH, Urt. v. 9. 11. 1982 – 82/14/84, ÖStZB 1983, 300 f. 85 Gosch, BFH – PR 2008, 329. 86 Anhängig unter Az. 1 BvR 1509/08.

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Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht

IV. Resümee Bei der abkommensrechtlichen Behandlung der Sondervergütungszinsen überzeugt weder die BFH-Rechtsprechung, noch die Auffassung der Finanzverwaltung. Die eigene Rechtszuständigkeit auch der transparenten Personengesellschaft wird vom OECD-MA ignoriert. De lege lata ergeben sich Zinsen nur insoweit als die Darlehensforderung anteilig auf andere Gesellschafter entfällt. Eine Herauslösung der anteilig auf den darlehensgewährenden Gesellschafter entfallenden Zinsen lässt sich eventuell über Art. 7 Abs. 2 OECD-MA vertreten. Das im Jahressteuergesetz 2009 vorgenommene Treaty overriding in § 50d Abs. 10 EStG, ist massiv. Während § 50d Abs. 9 EStG „nur“ für Steuerinländer gilt, wendet sich die neue Vorschrift an Steuerausländer. Bei ihnen wird nun bei der Abkommensauslegung die deutsche, Ausländern vielfach nicht bekannte, Sondervergütungskonzeption durchgedrückt, ohne dass diese das Abkommen missbräuchlich nutzen. Wenn schon die bisherigen Treaty overridings im deutschen Steuerrecht verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen,87 dann gilt dies für § 50d Abs. 10 EStG erst recht. Deutschland okkupiert Besteuerungsrechte, die ihm nach dem Territorialitätsprinzip nicht zustehen.88 Man darf deshalb gespannt sein, wie BFH bzw. Bundesverfassungsgericht urteilen werden. Möglicherweise ist das BMF gut beraten – sozusagen vorsorglich – in künftigen Abkommensverhandlungen darauf zu dringen, das deutsche Sondervergütungskonzept in den jeweiligen Abkommen zu verankern, wie dies in den DBA mit Österreich89 und der Schweiz90 erfolgt ist. Im Hinblick auf die weiteren kritisierten Problembereiche des Schreibens, wie sie eingangs erwähnt wurden, bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung noch einmal überdenkt.

87 88 89 90

Vgl. Gosch, IStR 2008, 413 ff. Ebenda, S. 419. Art. 7 Abs. 7 DBA Österreich. Art. 7 Abs. 7 DBA Schweiz.

191

Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung Prof. Dr. Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Inhaltsübersicht

I. Einführung 1. Normativ-konzeptionelle Defizite bis zum Inkrafttreten des SEStEG 2. Entstrickungsregelung im neuen Recht (SEStEG) II. Dogmatische Grundlagen 1. Reichweite der Steuerentstrickung 2. Transaktionsbezogene Gewinnund Verlustrealisierung im Betriebsvermögen 2.1 Steuerliche Gewinnrealisierung 2.2 Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips 3. Transaktionsbezogene Gewinnund Verlustrealisierung im Privatvermögen 4. Europarechtliche Vorgaben III Neue Regelungsbereiche 1. (Fiktive) Entnahme 1.1 Grundlagenentscheidung

1.2

2. 3.

4.

IV.

Divergenzen zwischen nationaler und internationaler Steuerentstrickung 1.3 Europarechtliche und verfassungsrechtliche Vorgaben Fiktive Veräußerung Wegzug 3.1 Wegzug von Kapitalgesellschaften 3.2 Wegzug natürlicher Personen Internationale Umwandlungen 4.1 Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug 4.2 Grenzüberschreitende Umwandlungen 4.3 Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug Fazit

I. Einführung 1. Normativ-konzeptionelle Defizite bis zum Inkrafttreten des SEStEG Als Steuerentstrickung werden allgemein jene Vorgänge bezeichnet, auf Grund deren die in zu einem Betriebs- oder Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven der Besteuerung ganz oder teilweise entzogen werden, ohne dass eine die Gewinnrealisierung auslösende Außentransaktion gegeben ist. Diejenigen Normen, die eine derartige Steuerentstrickung tatbestandlich erfassen, statuieren in aller Regel einen entsprechenden Ersatzrealisationstatbestand. Dieser bewirkt 193

Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung eine Abrechnung der stillen Reserven für steuerliche Zwecke zum letztmöglichen Zeitpunkt ihrer steuerlichen Erfassung. Die auf eine derartige ultima-ratio-Besteuerung gerichtete Steuerentstrickung betrifft entweder Vorgänge im Binnensystem des deutschen Steuerrechts, etwa bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen oder aber im außensteuerlichen Kontext grenzüberschreitende Vorgänge, etwa die Überführung von Wirtschaftsgütern von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte. Bis zum Inkrafttreten des SEStEG1 waren die Fälle der Steuerentstrickung lediglich partiell normativ abgesichert2. Nur für den grenzüberschreitenden Transfer stiller Reserven zwischen miteinander verbundenen in- und ausländischen Kapitalgesellschaften ergab sich auf der Grundlage der Rechtsinstitute der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage sowie von § 1 AStG eine Regelungsdichte, die jedenfalls im Ansatz die steuerliche Erfassung stiller Reserven absicherte. Im Hinblick auf die normativ-konzeptionellen Defizite gewann in der Vergangenheit die höchstrichterliche Rechtsprechung an Bedeutung, nach der zwar allgemein eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung verneint wurde3, durch extensive Auslegung des Entnahmetatbestands (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder gar dessen analoge Anwendung sowie durch extensive Auslegung des Betriebsaufgabebegriffs (§ 16 Abs. 3 EStG) hatte sie im Ergebnis aber die Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung zum allgemeinen Rechtsprinzip erhoben4. Mit Urteil vom 17.7.20085 hat der Bundesfinanzhof seine frühere Rechtsprechung zur Theorie der finalen Entnahme6 indessen aufgegeben7. Der BFH stützt die Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme im Wesentlichen darauf, dass das Gesetz hierfür 1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7. 12. 2006 (BGBl. I 2006, 2782). 2 Z. B. §§ 12, 11 KStG, §§ 11 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UmwStG, § 6 AStG. 3 BFH, Urt. v. 16. 7. 1069, BStBl. II 1970, 175; BFH, Urt. v. 10. 2. 1972, BStBl. II 1972, 455; BFH, Urt. v. 16. 12. 1975, BStBl. II, 1976, 246. 4 RFH, Urt. v. 21. 10. 1936, RStBl. 1937, 424; BFH, Urt. v. 16. 3. 1969, BStBl. II 1970, 175; BFH, Urt. v. 28. 4. 1971, BStBl. II 1971, 630; BFH, Urt. v. 30. 5. 1972, BStBl. II 1972, 760; im Urteil v. 16. 12. 1975 (BStBl. II 1976, 246) hat der Bundesfinanzhof eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung allerdings für den Fall verneint, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen im Nachhinein abgeschlossen wird und dadurch stille Reserven zuvor in das Ausland überführter Wirtschaftsgüter aus der inländischen Besteuerung ausscheiden. 5 BStBl. II 2009, 464. 6 BFH v. 16.7.1969, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 28.4.1971, BStBl. II 1971, 630; BFH v. 24.11.1982, BStBl. II 1983, 113; BFH v. 30.5.1972, BStBl. II 1972, 760; BFH v. 16.12.1975, BStBl. II 1976, 246; BFH v. 19.2.1998, BStBl. II 1998, 509. 7 Hierzu Koch, BB 2008, 2450; Weiser, DB 2008, 2724 ff.; Roser, DStR 2008, 2389 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung keine hinreichende Grundlage habe. Für eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG setze das Gesetz nämlich voraus, dass das Entnahmeobjekt für betriebsfremde Zwecke entnommen werde. Dies sei aber etwa bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens nicht der Fall, da der bestehende betriebliche Funktionszusammenhang nicht gelöst werde. Schließlich, so der BFH, gehe auch bei einem grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven auch dann nicht verloren, wenn abkommensrechtlich ausländische Betriebsstättengewinne freigestellt würden. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA könnten zwar Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsstättenvermögens im Betriebsstättenstaat versteuert werden, bei Geltung der Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA) gehe der inländische Besteuerungszugriff auf diese Veräußerungsgewinne aber nur in jenem Umfang verloren, in dem das Vermögen der Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen sei und in dem die realisierten Gewinne auch durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet würden. Im Hinblick darauf sei abkommensrechtlich eine Aufteilung künftiger Veräußerungsgewinne zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen geboten. Ausgehend davon ist den neuen Entstrickungsregeln des Ertragsteuerrechts zu einem großen Teil die Grundlage entzogen8. Im Hinblick auf das Nichtanwendungsschreiben des BMB9 wird im Folgenden von der Teleologie ausgegangen, die in der Begründung SEStEG zum Ausdruck kommt. 2. Entstrickungsregelung im neuen Recht (SEStEG) Mit dem SEStEG hat der Gesetzgeber erstmals den Versuch unternommen, für das Ertragsteuerrecht eine einheitlich geltende Entstrickungskonzeption zu entwickeln. Im Vordergrund steht hierbei die Regelung des § 4 Abs. 1 Sätze 3–5 EStG, wonach in den Fällen, in denen hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine (fiktive) Entnahme zum gemeinen Wert10 angenommen wird. Soweit es hiernach zu einer Gewinnrealisierung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kommt, kann ein Ausgleichsposten mit der Maßgabe gebildet werden, dass dieser im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren jeweils zu 1/5 gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 4g EStG). Angesprochen sind hierdurch insbesondere Fälle des grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstrans8 Vgl. hierzu die Diskussion zu dem Urteil des BFH v. 17.7.2008, z. B. Schneider/Oepen, FR 2009, 22 ff.; Hoffmann, DB 2008, 2286 ff.; Ditz, IStR 2009, 115 ff. a. A. z. B. Mitschke, FR 2009, 326 ff. 9 BMF-Schreiben v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671. 10 § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung fers von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, wobei freilich die vorgenannte Steuerstreckung auf EU-Fälle beschränkt bleibt. Durch die vorgenannte Regelung wird allerdings auch die Betriebs- bzw. Teilbetriebsverlegung sowie der Wegzug eines Einzel- und Mitunternehmers oder einer Mitunternehmerschaft insgesamt erfasst. Schließlich gibt es auch eine entsprechende Regelung für den Wegzug von Kapitalgesellschaften (§ 12 Abs. 1, 3 KStG), wobei die sich hieran anknüpfenden Rechtsfolgen auf Gesellschafterebene in § 17 Abs. 5 EStG normiert sind. Sobald natürliche Personen wegziehen, kommt für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanteile die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG in Betracht.

II. Dogmatische Grundlagen 1. Reichweite der Steuerentstrickung Ausgehend davon, dass als Steuerentstrickung solche Vorgänge bezeichnet werden, auf Grund deren die in Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven der Besteuerung ganz oder teilweise entzogen werden, ohne dass eine die Gewinnrealisierung auslösende Außentransaktion gegeben ist, werden gleichermaßen Betriebs- und Privatvermögen, Steuersubjekte und Steuerobjekte sowie Vorgänge im Inland und Ausland sowie schließlich auch grenzüberschreitende Vorgänge betroffen. Darüber hinaus wird von der Reichweite der Steuerentstrickung auch der bloße subjekt- und objektbezogene Statuswechsel etwa durch Abschluss oder Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen erfasst. Schließlich ist die Steuerentstrickung kein Spezifikum des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts, sondern auch von Bedeutung im Rahmen der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer. Im Hinblick darauf müssten entsprechende normative Entstrickungsregelungen sachlogisch sämtliche Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven erfassen, und zwar für jede Steuerart gesondert und unabhängig voneinander. Ein derartiges Entstrickungsprinzip11 müsste, um sich gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu legitimieren, konsequent umgesetzt sein und als sachgerechte Wertentscheidung folgerichtig durchgehalten werden12. Die dem SEStEG zu Grunde liegende Entstrickungskonzeption erfasst indessen nur die subjekt- und objektbezogene Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich sowie die wegzugsbedingte Steuerentstrickung im Zusammenhang mit Anteilen i. S. v. § 17 EStG. Vergleichbare Vor11 Hierzu Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 17 Rz. 231. 12 BVerfG v. 9.12.2008, FR 2009, 74 (Pendlerpauschale); Tipke, Die Steuerrechtsordnung Teil I, 2. Aufl. Köln 2000, 327 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung

Steuerentstrickung Wirtschaftsgüter

steuersubjektbezogen

steuerobjektbezogen

Privatvermögen

Betriebsvermögen

national

international

ESt/KSt

GewSt

ErbSt

gänge im Privatvermögensbereich lösen demgegenüber keine entsprechenden Steuerfolgen aus. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen natürliche Personen wegzugsbedingt aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheiden und hierdurch der Steuerzugriff für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) mangels beschränkter Steuerpflicht oder abkommensrechtlich dem deutschen Steuerzugriff entzogen werden. Nicht erfasst werden auch Vorgänge, auf Grund deren der Gewerbesteuerzugriff entfällt, so etwa beim Strukturwandel, wenn etwa ein Gewerbebetrieb zu einem landwirtschaftlichen oder freiberuflichen Betrieb wird13. Schließlich ist für gewerbesteuerliche Zwecke eine Steue13 Die Rechtsprechung lehnt hier eine Betriebsaufgabe (Totalentnahme) ab; so BFH, Urt. v. 7. 10. 1974, BStBl. II 1975, 168; BFH, Urt. v. 9. 12. 1986, BStBl. II 1987, 342; BFH, Urt. v. 12. 3. 1992, BStBl. II 1993, 36.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung rentstrickung auch dann nicht vorgesehen, wenn ein Betrieb im Inland von einer Hochsteuer- in eine Niedrigsteuergemeinde verlegt wird. Entsprechendes gilt für den Wegzug von einem Niedrig- in ein Hochsteuerland mit der Folge, dass hierdurch eine Hinzurechnungsbesteuerung14 entfällt. An eine Steuerentstrickung anknüpfende Steuerfolgen werden schließlich auch nicht dadurch ausgelöst, dass wegzugsbedingt ausländisches Vermögen und bei Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auch Inlandsvermögen aus dem deutschen Erbschaftsteuerzugriff ausscheiden. Im Hinblick darauf, dass das SEStEG im Wesentlichen nur die Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich normativ verankert, ist den gesetzlichen Neuregelungen insoweit eine umfassende Gesamtkonzeption versagt geblieben. Verwerfungen ergeben sich allerdings auch im Zusammenhang mit zu einer Steuerentstrickung führenden Vorgängen im Betriebsvermögensbereich: Während die Entnahme von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, etwa Waren, mit dem Teilwert anzusetzen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG), ist für einen vergleichbaren grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der gemeine Wert maßgeblich (§§ 4 Abs. 1 Satz 3, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG) mit der Folge, dass nur im zweiten Fall (fiktive Entnahme) ein etwaiger Produktions- und Liefergewinn der Besteuerung zuzuführen ist. 2. Transaktionsbezogene Gewinn- und Verlustrealisierung im Betriebsvermögen 2.1 Steuerliche Gewinnrealisierung Die auf eine ultima-ratio-Besteuerung gerichtete Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich ist eine Ausnahme von dem im Bilanzsteuerrecht konzeptionell zu Grunde liegende Realisationsprinzip. Nach diesem Realisationsprinzip dürfen nur realisierte Gewinne ausgewiesen werden, so dass bloße Wertsteigerungen der Vermögensgegenstände nicht erfasst werden15. Das Realisationsprinzip, das zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Bilanzierung gehört, ist im § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG16 verankert, wonach der für die Ermittlung des Gewinns maßgebliche Betriebsvermögensvergleich von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abhängig gemacht wird. Damit wird für das Bilanzsteuerrecht das handelsrechtliche System ordnungsgemäßer Buchführung und damit zugleich auch das Realisationsprinzip rezipiert. Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisie-

14 §§ 7–14 AStG. 15 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 letzter Hs. HGB. 16 Über § 8 Abs. 1 KStG gilt diese Vorschrift auch für Kapitalgesellschaften.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung rung des Vorsichtsprinzips17 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion erfolgt, wenn etwa der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Der vorstehende Grundsatz gilt nicht nur für Einzeltransaktionen, also etwa für die Veräußerung einzelner zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter, sondern auch für Gesamttransaktionen, etwa für die Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnahmen. Hierzu gehören insbesondere jene Normen, die auch ohne Transaktionen eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt ermöglichen, zu dem Wirtschaftsgüter, Betriebe oder Teilbetriebe aus der steuerlich relevanten Erwerbssphäre ausscheiden. Eine derartige ultima-ratio-Besteuerung, auf die das Entstrickungsprinzip abzielt, verwirklichen insbesondere – Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 2; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG), – fiktive Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 2. Hs. EStG); – Betriebsaufgabe (§§ 14; 14a Abs. 3; 16 Abs. 3; 18 Abs. 3 EStG), – fiktive Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG), – Verlegen der Geschäftsleitung/Sitz ins Ausland (§ 12 Abs. 3 KStG), – Wechsel zur Steuerbefreiung (§ 13 Abs. 6 KStG), – Wegzug (§ 21 Abs. 2 UmwStG a. F.18; § 6 AStG; § 17 Abs. 5 EStG). Steuerspezifische Modifikationen des Realisationsprinzips enthalten jene Vorschriften, die auf eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven verzichten. Es geht hierbei um Transaktionen, bei denen die Besteuerung der stillen Reserven durch eine Buchwertverknüpfung sichergestellt ist. Die dem Prinzip der Buchwertverknüpfung19 folgenden Normen betreffen – unentgeltliche Übertragungen (§ 6 Abs. 3 EStG), – Betriebsvermögenstransfers (§ 6 Abs. 5 EStG) und – Umwandlungen (UmwStG). Die (steuerneutrale) Umwandlung ohne Gewinnrealisierung steht durchweg unter Entstrickungsvorbehalt, so dass die Buchwertverknüpfung nur dann möglich ist, wenn die (deutsche) Besteuerung der stillen Reserven 17 Ableitung aus § 252 Abs. 1 und 4 HGB. 18 Gem. § 27 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 UmwStG ist diese für einbringungsgeborene Anteile gültige Regelung auch nach Inkrafttreten des SEStEG weiterhin anzuwenden. 19 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 9 Rz. 405.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung weiterhin uneingeschränkt gewährleistet bleibt. Diese Entstrickungsklauseln bewirken im Ergebnis eine Rückführung auf das grundlegende Prinzip der steuerlichen Gewinnrealisierung20, sie bilden also selbst keine Ausnahme zum Realisationsprinzip. Das Realisationsprinzip erfährt schließlich aber auch in jenen Fällen eine steuerspezifische Modifikation, in denen zwar steuertechnisch an eine Gewinnrealisierung angeknüpft, die Besteuerung der stillen Reserven aber aufgeschoben wird. Zu diesem Normenkreis zählt etwa § 6b EStG21. Trotz Gewinnrealisierung wird (systembedingt) ein partieller Steuerverzicht schließlich bei der Veräußerung von Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 2 KStG) ausgesprochen. 2.2 Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips Das über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für das Steuerrecht rezipierte Realisationsprinzip beruht zwar auf dem handelsrechtlichen Normensystem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, es erfährt aber auch eine spezifische steuerrechtliche Legitimation durch das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie durch das Übermaßverbot. Hiernach ist eine Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse grundsätzlich nicht gerechtfertigt: Steuerliche Leistungsfähigkeit setzt stets Liquidität für die Steuerzahlung voraus22, und das Übermaßverbot23 gebietet eine vorsichtige Besteuerung, d. h. eine Besteuerung nur des liquiden Einkommens24. Für den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich ergibt sich hieraus, dass nur fundiertes Vermögen, also nur im Bestand gefestigtes Vermögen einbezogen wird. Das so verstandene Realisationsprinzip harmoniert im Übrigen auch mit dem für das Einkommensteuerrecht maßgeblichen Markteinkommenskonzept, wonach grundsätzlich nur das erwirtschaftete, am Markt realisierte Einkommen der Besteuerung zugeführt wird25. Im Ergebnis wird damit eine Besteuerung frei von Substanzsteuereffekten gewährleistet. Dem am Leistungsfähigkeitsprinzip und am Übermaßverbot ausgerichtete Realisationsprinzip, wonach nicht realisierte Wertzuwächse nicht 20 Z. B. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. 21 Ferner die gewohnheitsrechtliche anerkannte Rücklage für Ersatzbeschaffung (vgl. R 6.6 EStR). 22 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 4 Rz. 103. 23 Das Übermaßverbot ergibt sich als übergreifende Leitregel aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, insbesondere aus Artikel 12 Abs. 1, Artikel 14 Abs. 1 GG; hierzu Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 4 Rz. 209 ff. 24 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 9 Rz. 404. 25 Zu Einzelheiten Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008, § 4 Rz. 109; § 99 Rz. 52; Pezzer, DStJG 14 (1991) 3 ff. (22 ff.).

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung erfasst werden, wird allerdings in den Fällen Grenzen gesetzt, in denen eine Besteuerung später nicht mehr möglich ist. Hier ist vorbehaltlich europarechtlicher Restriktionen ein steuerlicher Zugriff auf stille Reserven auch ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung gerechtfertigt. Eine Nichtbesteuerung wäre jedenfalls mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar. Eine derartige ultima-ratio-Besteuerung erfolgt demgemäß insbesondere im außensteuerlichen Kontext, also dann, wenn wegzugs- oder überführungsbedingt deutsches Besteuerungsrecht verlorengeht oder eingeschränkt wird. In den vorgenannten Fällen wird normativ im Grundsatz sichergestellt, dass die stillen Reserven im letzten noch möglichen Zeitpunkt für steuerliche Zwecke abgerechnet werden26. Bei dieser internationalen Steuerentstrickung geht es also insbesondere darum, für steuerliche Zwecke die stillen Reserven beim Wechsel des Steuersubjekts und von Wirtschaftsgütern in eine andere Steuerhoheit zu erfassen. 3. Transaktionsbezogene Gewinn- und Verlustrealisierung im Privatvermögen Entsprechend dem im EStG vorgegebenen Einkünftedualismus27 weist auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen eine duale Struktur auf. Während Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen durchgängig der Besteuerung unterliegen, werden Einkünfte aus der Veräußerung von Privatvermögen nur selektiv erfasst, und zwar lediglich bei Veräußerung von Kapitalanteilen (§§ 17, 20 Abs. 2 EStG) und bei privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG). Die vorgenannte Veräußerungsgewinnbesteuerung wird durchweg nur transaktionsbedingt ausgelöst. Damit wird im Ausgangspunkt ebenso wie bei der Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Übermaßverbot entsprochen28. Die vom EStG erfasste Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen ist allerdings nicht durch eine ultima-ratio-Besteuerung abgesichert, obwohl dies, wie bereits ausgeführt, durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt wäre29. Eine ultima-ratio-Besteuerung ist in dem hier interessierenden Zusammenhang allein im Rahmen der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) vorgesehen. Hierdurch werden Kapitalanteile i. S. v. § 17 EStG erfasst. Nicht erfasst werden demgegenüber unter § 20 Abs. 2 EStG fallende Kapitalanteile und Immobilien, bei denen die Besitzzeit von zehn Jahren (§ 23 26 § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1, 3 KStG. 27 Gebilligt durch BVerfG, Urt. v. 9. 7. 1969, BVerfGE 26, 302; BVerfG, Urt. v. 7. 10. 1969, BVerfGE 27, 111; BVerfG, Urt. v. 11. 5. 1970, BVerfGE 28, 227; kritisch hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2003, 718 ff. 28 Hierzu oben. 29 Hierzu oben.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) noch nicht abgelaufen ist. Konkret: Verzieht etwa eine bislang unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person in einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, entfällt der Steuerzugriff z. B. für unter § 20 Abs. 2 EStG fallende Kapitalanteile und für privat gehaltene etwa im betreffenden Zuzugsstaat belegene Immobilien. 4. Europarechtliche Vorgaben Eine auf Absicherung des inländischen Steueraufkommens ausgerichtete ultima-ratio-Besteuerung ist im außensteuerlichen Kontext europarechtlichen Schranken ausgesetzt. Auf Grund der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten30 bleibt nämlich im Grundsatz eine etwa durch Wegzug oder grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer ausgelöste Besteuerung versagt, solange entsprechende Vorgänge im Inland ohne steuerliche Folgen bleiben. Diese europarechtlichen Schranken sind insbesondere durch die Entscheidung des EuGH in der Sache Hughes de Lasterie du Saillant31 deutlich geworden. Der EuGH billigt zwar in der vorgenannten Entscheidung jedem Staat Maßnahmen zu, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen, eine Sofortversteuerung bei Wegzug hat er aber eine Absage erteilt32. Dementsprechend hält sich die Stundungskonzeption des § 6 AStG in dem vom EuGH vorgegebenen europarechtlichen Rahmen33. Was für den Wegzug natürlicher Personen gilt, hat freilich auch für Kapitalgesellschaften zu gelten34. Mit anderen Worten: Eine wegzugsbedingte Sofortbesteuerung der stillen Reserven auf Gesellschaftsebene ist im Grundsatz unzulässig35. Im Hinblick auf diese Vorgaben ist die durch das SEStEG getroffene Regelung im § 12 Abs. 1 KStG mit dem Europarecht insoweit nicht vereinbar, als eine 30 Freizügigkeit der Arbeitnehmer Art. 39 ff. EG; Niederlassungsfreiheit der Selbständigen (Art. 49 ff. EG), Dienstleistungsfreiheit (Art. 43 ff. EG), Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG). 31 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02, EuGHE 2004, I-2409; vgl. auch EuGH, Urt. v. 7. 9. 2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006- I-8089. 32 Zu Einzelheiten Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff. 33 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteurrecht, § 6 AStR Anm. 26 ff. unter Hinweis auf europarechtliche Bedenken in Detailfragen. 34 Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff. (614); Schaumburg, Festschrift Wassermeyer, München 2005, S. 411 ff. (414); Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Steuerrecht, Rz. 152 ff. 35 Die Vereinbarkeit mit Art. 10b, 10c FRL ändert hieran nichts; hierzu Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Steuerrecht Rz. 157; Schön/Schindler, IStR 2004, 571 ff; vgl. allerdings EuGH v. 16.12.2008, NJW 2009, 569 (Cartesio), wonach zwischen europarechtlich nicht geschütztem formwahrenden und geschütztem formwechselnden Wegzug unterschieden wird; hierzu Zimmer/ Naendrup, NJW 2009, 545 ff.; Teichmann, ZIP 2009, 393 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Sofortbesteuerung in den Fällen angeordnet wird, in denen die stillen Reserven nicht in einer zurückbleibenden Betriebsstätte steuerverhaftet bleiben36. Hier wäre eine dem § 6 Abs. 5 AStG entsprechende Stundungslösung geboten gewesen. Was für den Wegzug natürlicher Personen und von Kapitalgesellschaften gilt, hat in Orientierung an der Reichweite der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit auch für den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer zu gelten. Hieraus folgt, dass eine Besteuerung stiller Reserven bei der Überführung von Wirtschaftsgütern z. B. aus einem inländischen Betriebsvermögen auf eine ausländische Betriebsstätte ein und desselben Unternehmens unzulässig ist, wenn ein entsprechender inländischer Betriebsvermögenstransfer unbesteuert bleibt. Dem widerspricht indessen die im § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme) getroffene Grundregelung, wonach bei Verlust oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts eine Sofortversteuerung der stillen Reserven angeordnet wird. Dass die Regelung im § 4g EStG durch Bildung von Ausgleichsposten eine Steuerstreckung vorsieht, führt zwar in gewissen Grenzen zu einer steuerlichen Entlastung, ändert aber an der Europarechtswidrigkeit mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG verfolgten Konzept der Sofortversteuerung nichts37. Darüber hinaus kann die im § 4g EStG getroffene Regelung ohnehin nur von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen und nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Anspruch genommen werden.

III. Neue Regelungsbereiche 1. Fiktive Entnahme 1.1 Grundlagenentscheidung Der für nach dem 31. 12. 2005 endende Wirtschaftsjahre (§ 52 Abs. 8b EStG) eingefügte § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG enthält die normative Grundlagenentscheidung, an der sich sämtliche im außensteuerlichen Kontext bedeutsamen Entstrickungsregelungen des Ertragsteuerrechts orientieren. Nach dieser Vorschrift wird der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Entnahme für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) gleichgestellt. Im Unterschied zu der im § 4 36 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Steuerrecht, Rz. 152 ff. m. w. N. 37 Hierzu Heinicke in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 4g Rz. 1; Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 ff.; Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22 f., Kramer, DB 2007, 2338 ff.; Kahle, IStR 2007, 757 ff. (762).

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Abs. 1 Satz 2 EStG geregelten Entnahme ist die fiktive Entnahme (Entstrickungsentnahme) nicht mit dem Teilwert, sondern mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Hs. 2 EStG). Mit dieser normativen Grundlagenentscheidung wird im Wesentlichen die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung umgesetzt, wonach der Tatbestand der Entnahme für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) im Sinne eines finalen Entnahmebegriffs mit dem Ziel erweitert wurde, die steuerliche Erfassung der stillen Reserven umfassend zu gewährleisten38. Dementsprechend enthält § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG keine Aufzählung einzelner Entstrickungstatbestände, sondern beschränkt sich darauf, die Entstrickungsentnahmen von der Rechtsfolge her zu definieren. Da schließlich abweichend von der Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) die fiktive Entnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist, ist die Gleichstellung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG weitgehend sinnentleert. Sie hat lediglich Bedeutung insoweit, als die fiktive Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) ebenso wie die Entnahme selbst (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung auf der zweiten Stufe als Korrektur zum Unterschiedsbetrag anzusetzen ist. 1.2 Divergenzen zwischen nationaler und internationaler Steuerentstrickung Nach Kodifizierung der fiktiven Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich eine duale Struktur der Steuerentstrickung: § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ist im Sinne einer ultima-ratio-Besteuerung darauf gerichtet, die stillen Reserven aufzudecken, wenn das Wirtschaftsgut39 seine Betriebsvermögenseigenschaft verliert und damit zu steuerlich nicht verstricktem Privatvermögen wird. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG erfasst demgegenüber grenzüberschreitende Vorgänge und Vorgänge im Ausland, soweit diese zum Ausschluss oder zur Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts führen. Erfasst werden daher insbesondere die Überführung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte bzw. von einer inländischen Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus, die Verlegung von Betriebsstätten (Betriebe, Teilbetriebe) in das Ausland, der Wegzug des Steuerpflichtigen selbst und schließlich auch der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen. Geregelt ist in § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG somit die nationale und internationale Steuerentstrickung, die gleichermaßen eine ultima-ratioBesteuerung verankert. Trotz dieser teleologischen Ausrichtung sind 38 BFH, Urt. v. 7. 10. 1974, BStBl. II 1975, 168; BFH, Urt. v. 21. 12. 1977, BStBl. II 1978, 305. 39 Entsprechendes gilt für Nutzungsentnahmen, auf die hier nicht näher eingegangen wird.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung beide Normen hinsichtlich sowohl ihrer Tatbestände als auch ihrer Rechtsfolgen derart unterschiedlich, dass von einer einheitlichen Konzeption keine Rede sein kann. Wegen der damit verbundenen Verwerfungen ergeben sich Verstöße sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Art. 43 ff. EU). Zu einigen Einzelheiten: Da der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG (Entnahme) handlungsbezogen ist, wird eine Steuerentstrickung in den Fällen nicht erfasst, in denen ein Wirtschaftsgut in Folge einer Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet40. Im Unterschied dazu stellt § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme) hierauf nicht ab, so dass etwa der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens, auf Grund dessen etwa die Bundesrepublik Deutschland den Steuerzugriff auf ausländisches Betriebsstättenvermögen verliert, eine Gewinnrealisierung auslöst. Unter dem Gesichtspunkt einer ultima-ratio-Besteuerung ist diese Differenzierung nicht plausibel. Die Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, also insbesondere die Überführung von Wirtschaftsgütern vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen, wird mit dem Teilwert angesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Hs. 1 EStG) mit der Folge, dass die Entnahme von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (z. B. Waren)41 zu keiner Gewinnrealisierung führt. Demgegenüber gilt im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme) der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Hs. 2 EStG). Hieraus folgt, dass etwa die Überführung von selbst hergestellten Wirtschaftsgütern (z. B. Waren) von einem inländischen Stammhaus auf die ausländische Betriebsstätte eine Besteuerung auslöst, die auch in EU-Fällen42 nicht über § 4g EStG abgemildert werden kann43. Auch diese Differenzierung ist unter dem Gesichtspunkt einer ultima-ratio-Besteuerung nicht folgerichtig. Die Divergenzen zwischen nationaler und internationaler Steuerentstrickung lassen sich aus der nachfolgenden Übersicht entnehmen:

40 Hierzu Heinicke in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 4 Rz. 323 ff.; Tiedke/Heckel, DStZ 1999, 725 zur Beendigung einer Betriebsaufspaltung durch Rechtsprechungsänderung; BFH, Urt. v. 16. 12. 1975, BStBl. II 1976, 246 zum Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen. 41 Der Teilwert entspricht hier den Herstellungskosten bzw. Wiederbeschaffungskosten. 42 EWR-Fälle sind nicht begünstigt. 43 § 4g EStG betrifft nur Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Sofortbesteuerung

SteuerSteuerstreckung stundung

Teilwert

gemeiner Wert

Nationale Steuerentstrickung Betriebsvermögen Entnahme

x

x

Internationale Steuerentstrickung Betriebsvermögen fiktive Entnahme Anlagevermögen – EU – EWR – Drittstaat Umlaufvermögen

x

x x x x

x x x

Privatvermögen Wegzug – EU KapAnteile – EWR (§ 17 EStG) – Drittstaat KapAnteile (§ 20 II EStG) ausl. Grundstücke

x x x •



x x x •







§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG erfasst die Entnahme eines Wirtschaftsguts für betriebsfremde Zwecke, ohne hierbei darauf abzustellen, ob das entnommene Wirtschaftsgut tatsächlich aus der Steuerverstrickung ausscheidet. So löst die Entnahme von Anteilen an Kapitalgesellschaften auch dann eine Gewinnrealisierung aus, wenn die steuerliche Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung derselben gewährleistet ist (§ 17 Abs. 1 EStG, § 6 AStG; § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Entsprechendes gilt für die Entnahme von Immobilien, soweit danach Gewinne aus der Veräußerung im Rahmen privater Veräußerungsgeschäfte (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) steuerlich erfasst werden44. Einen derartigen wertungsmäßigen Überhang45 enthält auch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme), soweit der Gesetzgeber hier erkennbar davon ausgeht, dass in Abkommensfällen regelmäßig deutsches Besteuerungsrecht verloren geht46. Tatsächlich führt die Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte in Abkommensfällen zu keinem Ausschluss oder Beschränkung deutschen Be44 Hier wäre eine Entstrickung nur für Zwecke der Gewerbesteuer geboten. 45 Unter dem Gesichtspunkt einer ultima-ratio-Besteuerung. 46 BT-Drucks. 16/2710, 26, 44.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung steuerungsrechts, weil jedenfalls nach den abkommensrechtlichen Vorgaben (Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA) das Besteuerungsrecht am Veräußerungsgewinn in den Fällen der Steuerfreistellung zwischen Betriebsstätten- und Wohnsitzstaat aufzuteilen ist47. Entnahmen und fiktive Entnahmen erfassen schließlich unter keinen Umständen Entstrickungsvorgänge im privaten Vermögensbereich. Angesprochen sind im Wesentlichen damit folgende Fälle: – Wegzug eines Gesellschafters einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft, deren Anteile nicht unter § 6 AStG (§ 17 EStG) fallen mit der Folge, dass die späteren Gewinne aus der Veräußerung dieser Anteile entweder nicht der beschränkten Steuerpflicht48 unterliegen oder aber abkommensrechtlich49 der deutschen Besteuerung entzogen sind. – Wegzug eines Eigentümers eines ausländischen Grundstücks in das Ausland und anschließende Veräußerung des ausländischen Grundstücks innerhalb der maßgeblichen Zehn-Jahres-Frist. – Wegzug einer Zwischengesellschaft (§ 7 AStG) von einem Niedrig- in ein Hochsteuerland, so dass zukünftig eine Hinzurechnungsbesteuerung unterbleibt. 1.3 Europarechtliche und verfassungsrechtliche Vorgaben Durch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wird für Zwecke der steuerlichen Erfassung der im Inland gebildeten stillen Reserven das Konzept der Sofortversteuerung umgesetzt. Das gilt vor allem für die Überführung eines Wirtschaftsgutes vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte. Ein vergleichbarer Vorgang im Inland löst dagegen keine Besteuerung aus. Damit ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben50. Die Sicherstellung der stillen Reserven für Zwecke der Besteuerung ist zwar unter europarechtlichen Gesichtspunkten zulässig, hierfür bedarf es aber nur solcher Maßnahmen, die gemessen an diesem Ziel unbedingt erforderlich erscheinen. Das gilt auch für den Fall, dass man den Fortfall oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts entsprechend den gesetzgeberischen Intentionen51 in Abkommensfällen als gegeben annimmt. Dies deshalb, weil insoweit ein Besteuerungsauf47 Ritter, JbFSt 1976/77, 288 ff. (304); Schaumburg, DStJG 4 (1981), 247 ff. (253); Wassermeyer, DB 2006, 1176; ders., DB 2006, 2420; Werra/Teiche, DB 2006, 1455 f.; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 ff. 48 Bei Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften. 49 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 50 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2004, EuGHE 2004, I-2409 (Hughes de Lasteyrie du Saillant); EuGH, Urt. v. 7. 9. 2006, EuGHE 2006, I-8089 („N“). 51 BT-Drucks. 16/2710, 26, 44.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung schub bis zur tatsächlichen Außentransaktion das mildere Mittel wäre52. Dass Kohärenz- und Praktikabilitätserwägungen in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, zeigt auch das durch § 6 AStG umgesetzte Stundungskonzept und das in §§ 4 Abs. 1 Satz 4, 15 Abs. 1a EStG verankerte Konzept des Besteuerungsaufschubs: Was jedenfalls im Rahmen des § 6 AStG möglich ist, hat auch für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zu gelten53. Ein Aufschub der Besteuerung bis zu einer Außentransaktion54 ist schließlich auch unter dem verfassungsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit geboten55. 2. Fiktive Veräußerung Die für Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen56 geltende Entstrickungsregelung ist in § 12 Abs. 1 KStG normiert. Diese Vorschrift entspricht in ihrer Grundstruktur dem § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung und der Nutzung von Wirtschaftsgütern ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine Veräußerung der betreffenden Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert fingiert wird. Durch die Anknüpfung an die Veräußerung werden allerdings im Rahmen des § 12 Abs. 1 KStG diejenigen Verwerfungen vermieden, die zwischen § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG (Entnahme) und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme) bestehen57. Denn in Fällen einer tatsächlichen Veräußerung wird in aller Regel der erzielbare Fremdvergleichspreis dem gemeinen Wert entsprechend. Etwas anderes gilt freilich in den Fällen, in denen nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 KStG eine Gesamtveräußerung anzunehmen ist. In Orientierung an den Fremdvergleichspreis wird hier im Allgemeinen der Teilwert Orientierungsmaßstab sein. Dies hat insbesondere Auswirkung auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die im Rahmen einer Gesamtveräußerung in aller Regel mit den Wiederbeschaffungskosten oder Herstellungskosten und nicht mit dem am Markt erzielbaren Einzelveräußerungspreis angesetzt werden. Insoweit ist der Ansatz mit dem gemeinen Wert nicht folgerichtig. 52 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Steuerrecht, Rz. 155; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 17 Rz. 239; Hahn, IStR 2006, 797 ff. (803), Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22 ff.; Förster, DB 2007, 72 ff. (75); Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 ff. (372); Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266 ff. 268); zu § 4g EStG vgl. oben. 53 Vgl. hierzu Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar 2008, Steuerrecht, Rz. 156. 54 Bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nicht veräußert werden, ist auf das Ende der Nutzungsdauer abzustellen. 55 Zu Einzelheiten oben. 56 Im Folgenden kurz Kapitalgesellschaften. 57 Hierzu oben.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Soweit § 12 Abs. 1 KStG ebenso wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG konzeptionell von einer Sofortversteuerung ausgeht, ergeben sich vergleichbare europarechtliche und verfassungsrechtliche Probleme58. 3. Wegzug 3.1 Wegzug von Kapitalgesellschaften59 Die steuerlichen Rechtsfolgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft sind in § 12 Abs. 1, 3 KStG geregelt. Die Reichweite der dort verankerten Entstrickungsregelungen erfassen insbesondere die Verlegung des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung)60 einer SE61 in das EU-Ausland sowie im Übrigen die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung in das Ausland durch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften. Die Rechtsfolgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft auf Gesellschaftsebene hängen davon ab, ob der Wegzug in einen EU/EWR-Staat oder in einen Drittstaat erfolgt: § 12 Abs. 1 KStG betrifft den Wegzug in einen EU/EWR-Staat sowie in einen Drittstaat, soweit im letzteren Fall die Kapitalgesellschaft hierbei nicht aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet und § 12 Abs. 3 KStG den Wegzug in einen Drittstaat bei Aufgabe der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht oder der inländischen Ansässigkeit i. S. d. Abkommensrechts62. Bei Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen EU/EWR-Staat erfolgt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 KStG auf Gesellschaftsebene eine wirtschaftsgutbezogene Gewinnrealisierung (Entstrickung): Wird wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung und der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert. Das deutsche Besteuerungsrecht wird auf Gesellschaftsebene weder ausgeschlossen noch beschränkt, soweit Wirtschaftsgüter unverändert dem inländischen Betriebsstättenvermögen der wegziehenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind. Im Ergebnis führt das dazu, dass eine gem. § 12 Abs. 1 KStG gebotene Steuerentstrickung nur dann unterbleibt, wenn die Wirtschaftsgüter unverändert inländi-

58 Hierzu oben. 59 Im Sinne von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. 60 Zu den Unterschieden zwischen Verwaltungssitz und Ort der Geschäftsleitung Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, 2008, Rz. 49 ff. 61 Entsprechendes gilt für eine SCE (Genossenschaft). 62 Zu Einzelheiten Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 5 Rz. 191 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung sches Betriebsstättenvermögen bilden62a. Ist das nicht der Fall, erfolgt eine Sofortbesteuerung. Auf Gesellschafterebene ergeben sich durch den Wegzug der Kapitalgesellschaft folgende Rechtswirkungen: Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zum inländischen Betriebsstättenvermögen eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, erfolgt eine Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG in aller Regel deshalb nicht, weil in Abkommensfällen das deutsche Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt wird63. Etwas anderes gilt freilich in den Fällen, in denen abkommensrechtlich auch der Zuzugsstaat die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft versteuern darf und Deutschland die entsprechende ausländische Steuer zur Anrechnung bringen muss64. Greift kein Doppelbesteuerungsabkommen ein65, wird deutsches Besteuerungsrecht wegen der gebotenen Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG) ebenfalls beschränkt. Damit wird im Ergebnis auch insoweit das Konzept der Sofortbesteuerung umgesetzt. Handelt es sich bei der wegziehenden Kapitalgesellschaft dagegen um eine SE (SCE), unterbleibt auf Grund der Sondervorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) in Umsetzung des Art. 10d Abs. 1 FRL eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung im Betriebsvermögen des Gesellschafters. Im Falle einer späteren Veräußerung der Anteile schreibt für diesen Fall § 15 Abs. 1a EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i. V. m. § 15 Abs. 1a EStG) vor, dass der Veräußerungsgewinn ungeachtet etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen so zu besteuern ist, wie die Veräußerung zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte. Dieses treaty-overriding führt im Ergebnis dazu, dass auch diejenigen stillen Reserven der deutschen Besteuerung unterworfen sind, die während der Ansässigkeit der weggezogenen SE (SCE) im Ausland entstanden sind66. Insoweit wird also das europataugliche Konzept des Besteuerungsaufschubs umgesetzt. Gehören die Anteile zum Privatvermögen eines unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, greift gem. § 17 Abs. 5

62a Im Falle eines formwahrenden Wegzugs, also bei bloßer Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung) geht § 12 Abs. 1 KStG über das, was europarechtlich geboten ist, hinaus; vgl. EuGH v. 16.12.2008, NJW 2009, 569 (Cartesio). 63 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 64 Tschechien, Slowakei, Zypern. 65 Liechtenstein. 66 Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 5 Rz. 168 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung EStG eine Veräußerungsgewinnbesteuerung ein, wenn wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird67. Das ist in Abkommensfällen in aller Regel68 und in den Fällen, in denen keine Doppelbesteuerungsabkommen eingreifen69 nie ein Problem. Dies deshalb, weil im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Grundsatz70 ohne Beschränkung durch Doppelbesteuerungsabkommen gewährleistet ist. Ist nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze eine Veräußerungsgewinnbesteuerung gem. § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG ausnahmsweise geboten, wird diese allerdings durch § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG suspendiert, wenn die Kapitalgesellschaft71 in einen anderen EU/EWR-Staat verzieht. Im Falle der späteren Veräußerung ist der hieraus erzielte Gewinn allerdings ungeachtet der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen so zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn eine Sitzverlegung nicht stattgefunden hätte (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG)72. Diese Sonderregelung gilt auch für beschränkt Steuerpflichtige, deren Besteuerung aus der Veräußerung der Anteile an der weggezogenen Kapitalgesellschaft durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchstabe bb EStG abgesichert wird. Damit wird auch insoweit das europataugliche Konzept des Besteuerungsaufschubs umgesetzt. Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat führt auf Gesellschaftsebene zu einer sofortigen Liquidationsbesteuerung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG), wenn die Kapitalgesellschaft hierdurch aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet. Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft auf Grund Abkommensrechts nach dem Wegzug als nicht mehr im Inland oder in einem anderen EU/EWR-Staat als ansässig anzusehen ist (§ 12 Abs. 3 Satz 2 KStG)73 Damit werden etwaige während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bis zum Wegzug gebildete stille Reserven einer Schlussbesteuerung zugeführt (§ 11 KStG). Das setzt im Grundfall (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG) voraus, dass nach Wegzug sowohl

67 Zu Einzelheiten Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, 2008, Rz. 163 ff. 68 Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern. 69 Liechtenstein. 70 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern mit Anrechnungsverpflichtung des Wohnsitzstaates. 71 Nicht nur SE/SCE. 72 Zur Zulässigkeit eines treaty-overriding Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 2 Rz. 2, 5 f. 73 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung der Satzungssitz (§ 11 AO) als auch der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in einem Drittstaat belegen ist. Da die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat rechtstechnisch (noch) nicht möglich ist74, kommt in dem hier interessierenden Zusammenhang allein die Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat in Betracht. Insoweit wird also das Konzept der Sofortbesteuerung umgesetzt. Bleibt nach Wegzug der Kapitalgesellschaft eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht aufrechterhalten, so erfolgt eine Reduktion des Welteinkommensprinzips auf das Territorialitätsprinzip. Dieser Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen unterhält. Obwohl die in diesem Betriebsstättenvermögen enthaltenen stillen Reserven auch zukünftig im Inland steuerverhaftet bleiben, schreibt § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG in entsprechender Anwendung des § 11 KStG eine sofortige Liquidationsbesteuerung vor, in deren Rahmen es zu einer Realisation aller stillen Reserven kommt. Diese Rechtsfolge ist gemessen am Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 KStG nicht gerechtfertigt. Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 3 KStG nur für den Fall erfolgt, dass eine künftige Besteuerung der stillen Reserven auch im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nicht gewährleistet ist75. Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat löst auf Gesellschafterebene im Grundsatz unter den gleichen Voraussetzungen eine Gewinnrealisierung aus wie bei einem Wegzug in einen EU/EWR-Staat. Hieraus folgt, dass eine zu einer Sofortbesteuerung führende Gewinnrealisierung in den Fällen nicht zu vermeiden ist, in denen wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 3, 6 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs.; 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die für den Wegzug in einen EU/EWR-Staat maßgeblichen Besonderheiten (§§ 4 Abs. 1 Satz 4, 15 Abs. 1a; 17 Abs. 5 Satz 2 EStG) kommen nicht zur Anwendung.

74 OLG München, Urt. v. 4. 10. 2007, NZG 2007, 915. 75 Im Ergebnis ebenso Prinz, JbFSt 2007/2008, S. 416; a. A. Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, in Frotscher/Maas, KSt/UmwStG, Rz. 131.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Zum Wegzug von Kapitalgesellschaften der folgende Überblick: Wegzug von KapGes.

Sofortbesteuerung

Steuerstreckung

Besteuerungsaufschub

Teilwert

gemeiner Wert

Gesellschaftsebene Anlagevermögen – EU – EWR – Drittstaat Umlaufvermögen

x x x x x

x x x

Gesellschafterebene Betriebsvermögen – GmbH u. a. – SE/SCE Privatvermögen – EU – EWR – Drittstaat

x x x x x

x x x x x

3.2 Wegzug natürlicher Personen § 6 AStG ist darauf gerichtet, die Besteuerung derjenigen stillen Reserven sicherzustellen, die in Anteilen an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 EStG angefallen sind. Die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven erfolgt dadurch, dass das in § 17 EStG für die Gewinnrealisierung vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal der Veräußerung durch Tatbestandsmerkmale ersetzt wird, die an das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht anknüpfen. Die durch § 6 AStG begründete Besteuerung des Vermögenszuwachses wird in seinem Grundtatbestand dadurch erfüllt, dass der betroffene Steuerpflichtige die Bundesrepublik Deutschland verlässt. Diese Wegzugsbesteuerung ist damit der letzte Akt innerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht76. Der vorgenannte Grundtatbestand (Wegzug) wird durch einige Ergänzungstatbestände flankiert, wobei insbesondere durch den in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 verankerten Ergänzungstatbestand die teleologische Ausrichtung des § 6 AStG verdeutlicht wird. Hiernach sollen die stillen Reserven in den vorgenannten Kapitalanteilen stets dann der Besteuerung zugeführt werden, wenn der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteue76 Die Einzelheiten sind umstritten; vgl. Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/ Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 Anm. 17, 32 ff.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung rungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung dieser Anteile erfolgt. Die in § 6 AStG verankerte ultima-ratio-Besteuerung geht indessen weit über das vorgenannte teleologische Ziel hinaus. So wird die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG bereits dann ausgelöst, wenn der Steuerpflichtige von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht überwechselt, ohne dass tatbestandlich darauf abgestellt wird, ob hierdurch das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Kapitalanteile beschränkt oder gar ausgeschlossen wird. Ziehen etwa unbeschränkt Steuerpflichtige in einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, bleiben die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften i. S. v. § 17 EStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG) dem deutschen Steuerzugriff ausgesetzt. Im Hinblick darauf ist eine ultima-ratio-Besteuerung nicht gerechtfertigt. Das gilt insbesondere in jenen Fällen, in denen durch die zeitliche Vorverlagerung des fiktiven Veräußerungsgewinntatbestandes thesaurierte Gewinne der Kapitalgesellschaft erfasst werden. Werden diese zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschüttet, erfolgt insoweit eine Doppelbesteuerung77. Werden die Kapitalanteile nach dem Wegzug veräußert, wird zwar die doppelte Besteuerung im Inland durch die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG vermieden78, eine Doppelbesteuerung tritt aber insoweit ein, als der Veräußerungsgewinn auch der Besteuerung im Zuzugsstaat unterliegt. Im Gefolge der für die Wegzugsbesteuerung maßgeblichen EuGH-Rechtsprechung79 hat § 6 AStG i. d. F. des SEStEG nunmehr eine weitgehend europataugliche Regelung gefunden. Diese beruht darauf, dass die im Zeitpunkt des Wegzugs festgesetzte Steuer bis zur Realisierung eines Veräußerungsgewinns zinslos und ohne Verpflichtung zur Sicherheitsleistung gestundet wird (§ 6 Abs. 5 AStG). Damit folgt § 6 AStG der europarechtlich vorgegebenen Stundungslösung, die mit dem Konzept der Sofortbesteuerung in anderen Fällen80 kontrastiert. Wenn auch diese Stundungslösung im Grundsatz europarechtskonform ist81, so ergeben sich in einigen Detailfragen dennoch europarechtliche Probleme. Diese 77 Hierzu Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG, Anm. 21. 78 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG, Anm. 105 ff. 79 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2004 – Rs. C – 9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I – 2409; EuGH, Urt. v. 7. 9. 2006 – Rs. C 470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-8089. 80 Hierzu oben. 81 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG, Rz. 26.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung beruhen im Wesentlichen darauf, dass die in § 6 Abs. 5 AStG verankerte Stundungsmöglichkeit für den EU/EWR-Bereich nicht durchgängig auch für die Ersatzrealisationstatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 AStG Geltung haben82. In allen übrigen Fällen löst der Wegzug einer natürlichen Person keine Steuerentstrickung aus. Das gilt insbesondere für unter § 20 Abs. 2 EStG fallende Kapitalanteile sowie für ausländische Grundstücke innerhalb der Zehnjahresfrist (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). 4. Internationale Umwandlungen Im Hinblick auf eine mögliche Entstrickung ist bei internationalen Umwandlungen systematisch zu unterscheiden zwischen – inländischen Umwandlungen mit Auslandsbezug, also Umwandlungen inländischer Gesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern und/oder mit Auslandsvermögen, – grenzüberschreitenden Umwandlungen, hier insbesondere Hinausund Hereinverschmelzungen sowie Hinaus- und Hereinspaltungen und – ausländischen Umwandlungen mit Inlandsbezug, also Umwandlungen ausländischer Gesellschaften mit inländischen Gesellschaftern und/ oder mit Inlandsvermögen. 4.1 Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug Das UmwStG erfasst Umwandlungen von Körperschaften und Personengesellschaften, die nach Maßgabe insbesondere des UmwG aufgrund Gesamtrechtsnachfolge, partieller Gesamtrechtsnachfolge oder durch Formwechsel erfolgen. Darüber hinaus regelt das UmwStG aber auch Umstrukturierungen, in deren Rahmen Vermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge übergeht. § 1 Abs. 1, 2 UmwStG bestimmt in diesem Zusammenhang, dass der 2. bis 5. Teil des UmwStG (§§ 3 bis 19) nur auf Umwandlungen im Sinne des UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge Anwendung findet83. Soweit Personengesellschaften als übertragende bzw. formwechselnde Rechtsträger in Betracht kommen, gelten für sie ausschließlich der 6. und 7. Teil des UmwStG (§ 1 Abs. 3 UmwStG), die in Abweichung von der Terminologie des UmwG diese Vorgänge als Einbringungen bezeichnen. Unter die vorstehenden Regelungsbereiche des UmwStG fallen auch inländische Umwandlungen 82 Hierzu Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG, Rz. 27.2. 83 Gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwStG gelten diese Teile allerdings nicht für die Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG), die als Einbringung gem. §§ 20 ff. UmwStG zu behandeln ist.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung mit Auslandsbezug, wobei eine normative Differenzierung zwischen inund ausländischem Betriebsstättenvermögen der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger sowie zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern und Gesellschaftern von an Umwandlungen beteiligten Kapital- und Personengesellschaften durchweg versagt bleibt. Das gilt für die im UmwStG geregelte Verschmelzung, Spaltung und den Formwechsel gleichermaßen. In allen Fällen ist eine Steuerneutralität gewährleistet, soweit deutsches Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Hierzu die folgenden Hinweise: Bei inländischen Umwandlungen mit Auslandsbezug spielen die im UmwStG verankerten Entstrickungsklauseln insbesondere in den Fällen eine Rolle, in denen umwandlungsbedingt ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht oder an den beteiligten Rechtsträgern beschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Das gilt insbesondere für die Verschmelzung bzw. Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften: § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG enthält eine doppelte Entstrickungsklausel dahingehend, dass eine Buchwertfortführung oder ein Ansatz unter dem gemeinen Wert für ausländisches Betriebsstättenvermögen nur möglich ist, wenn sichergestellt ist, dass die in den übergehenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven der ausländischen Einkommen- oder Körperschaftsteuer ausgesetzt sind und zudem das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Ausgeschlossen wird beispielsweise das deutsche Besteuerungsrecht vor allen Dingen dann, wenn bei Beteiligungen beschränkt steuerpflichtiger Personen ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, weil insoweit sowohl die laufenden Gewinne als auch die Gewinne aus der Veräußerung dieses Betriebsstättenvermögens nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen84. Das gilt freilich nur in den Fällen, in denen keine Doppelbesteuerungsabkommen eingreifen und in Abkommensfällen, soweit die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird85. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings in EUFällen, soweit die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird86. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 FRL erfolgt gem. § 3 UmwStG eine Anrechnung der fiktiven Steuer, die im anderen Mitgliedstaat bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre87. Greifen 84 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG; BFH, Urt. v. 24. 2. 1988, BStBl. 1988 II, 663; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996, 118 ff. (123 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 ff. (416). 85 Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStR, § 3 Rz. 83 f.; Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 3 Rz. 104. 86 Vgl. etwa Protokoll Nr. 8 zu Art. 24 DBA/Portugal. 87 Hierzu Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 3 Rz. 159.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung dagegen Doppelbesteuerungsabkommen ein, auf Grund deren die Doppelbesteuerung durch Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte vermieden wird, ändert sich verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht nicht mit der Folge, dass das Bewertungswahlrecht (§ 3 Abs. 1 UmwStG) ausgeübt werden kann88. Soweit die vorgenannten Entstrickungsklauseln nicht eingehalten werden, ist die Besteuerung des Übertragungsgewinns im Sinne einer Sofortversteuerung unvermeidbar. Insoweit wird auf das grundlegende für das deutsche Steuerrecht maßgebliche Realisationsprinzip zurückgeführt. Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf andere Kapitalgesellschaften sowie die entsprechende Auf- und Abspaltung ist ebenfalls nur dann steuerneutral möglich, wenn sichergestellt ist, dass die in dem übergehenden Vermögen enthaltenen stillen Reserven bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft später der Körperschaftsteuer unterliegen und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Dieser für die Besteuerung des Übertragungsgewinns auf Gesellschaftsebene bedeutsame Vorbehalt bleibt bei Inlandsverschmelzungen im außensteuerlichen Kontext weitgehend ohne Bedeutung89. Eine Sofortversteuerung erfolgt allerdings ausnahmsweise dann, wenn verschmelzungsbedingt ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern etwa von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte oder von einer ausländischen Freistellungs- auf eine inländische Anrechnungsbetriebsstätte erfolgt90. Die auf Gesellschafterebene für Zwecke des Übertragungsgewinns wirkende Entstrickungsklausel des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG wird auf Gesellschafterebene durch eine vergleichbare Entstrickungsklausel ergänzt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Da bei Inlandsverschmelzungen das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig uneingeschränkt erhalten bleibt, ist die Steuerneutralität auf Gesellschaftsebene durchweg gewährleistet. Das gilt für Anteile im in- und ausländischen Betriebsvermögen91 und für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen92. Entsprechendes gilt, wenn die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen gehören. 88 Der verschmelzungsbedingte Wegfall des Progressionsvorbehaltes ist keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. 89 Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStR, § 11 Rz. 24 ff. 90 Hierzu Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 11 Rz. 126. 91 Im Sinne von Betriebsstättenvermögen. 92 Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 13 Rz. 36; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 ff. (421).

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung Bei der Verschmelzung von Personen- auf Kapitalgesellschaften bzw. bei entsprechenden Auf- und Abspaltungen entbehrt das UmwStG einer strengen Anknüpfung an das UmwG, so dass insoweit die §§ 20 bis 23 UmwStG zur Anwendung kommen. Die Steuerneutralität hängt hiernach u. a. davon ab, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des übergehenden Betriebsvermögens bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Diese auf den Zeitpunkt der Sacheinlage bezogene und eine Sofortversteuerung auslösende Entstrickungsklausel wird unter außensteuerlichen Aspekten für Zwecke der rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG) durch die in § 22 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 Nr. 6 UmwStG verankerten Entstrickungsklauseln ergänzt. 4.2 Grenzüberschreitende Umwandlungen Grenzüberschreitende Umwandlungen sind (derzeit) rechtstechnisch nur im eingeschränkten Maße möglich. Sie betreffen allein die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften (§§ 122a ff. UmwStG) sowie die Gründung einer SE/SCE durch grenzüberschreitende Verschmelzung93. Soweit grenzüberschreitende Umwandlungen eine ausdrückliche Regelung versagt bleibt, sind sie allenfalls unter Berufung auf die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit möglich, was in der Praxis freilich keine Bedeutung erlangen wird. Im Hinblick darauf wird auf Ersatzkonstruktionen zurückgegriffen, die im Wesentlichen darauf gerichtet sind, ein der grenzüberschreitenden Umwandlungen vergleichbares Ziel zu erreichen. Soweit eine grenzüberschreitende Umwandlung von Kapitalgesellschaften rechtstechnisch möglich ist, steht eine etwaige Steuerneutralität unter dem Vorbehalt, dass bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft das übergehende Vermögen grundsätzlich der Körperschaftsteuer unterliegt und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Insoweit gelten die für inländische Verschmelzungen geltenden Regeln entsprechend. In allen anderen Fällen, in denen das Umwandlungsziel nur durch Ersatzkonstruktionen erreicht werden kann, ist eine transaktionsbedingte Gewinnrealisierung im Sinne einer Sofortversteuerung auf Gesellschaftsebene unvermeidbar.

93 Art. 17 SE-VO; Art. 18 SCE-VO.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung 4.3 Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug werden rechtstechnisch nach den hierfür maßgeblichen Regeln des jeweiligen ausländischen Rechts vollzogen. Derartige ausländische Umwandlungen wirken indessen auch auf das inländische Steuerrecht ein. Hiermit sind insbesondere diejenigen Fälle angesprochen, in denen entweder im Zuge der ausländischen Umwandlung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht oder an den ausländischen Rechtsträgern unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Das UmwStG enthält hierfür im § 1 Abs. 2, 4 UmwStG eine spezifische, allerdings auf den EU/EWR-Bereich begrenzte Regelung, wonach unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen die mit den Umwandlungen des UmwG vergleichbaren ausländischen Vorgänge in den Anwendungsbereich des UmwG einbezogen werden mit der Folge, dass eine Steuerneutralität im Inland gewährleistet werden kann. Darüber hinaus gelten die §§ 20 ff. UmwStG ebenfalls für den EU/ EWR-Bereich, ohne dass es hier auf eine Vergleichbarkeit mit einem Umwandlungsvorgang des UmwG ankommt (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UmwStG). Schließlich kommt speziell für die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften in Drittstaaten auch die Anwendung des § 12 Abs. 2 KStG in Betracht. Soweit verschmelzungs- bzw. spaltungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, ist die Steuerneutralität dann gewährleistet, wenn die für die Umwandlung von Kapital- auf Personengesellschaften und von Kapital- auf andere Kapitalgesellschaften maßgeblichen Entstrickungsklauseln Anwendung finden94. Entsprechendes gilt für die in § 20 und § 24 UmwStG für die Umwandlung von Personen- auf Kapitalgesellschaften und für die Umwandlung von Personen- auf Personengesellschaften maßgeblichen Entstrickungsklauseln95. In allen Fällen ist die Steuerneutralität nur dann gewährleistet, wenn deutsches Besteuerungsrecht weder eingeschränkt noch verloren geht. Besonderheiten ergeben sich für die Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften in Drittstaaten, soweit hierdurch verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht. Hier unterbleibt gem. § 12 Abs. 2 KStG unter den dort näher genannten Voraussetzungen eine Gewinnrealisierung, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Auf Gesellschafterebene führt die vorgenannte Verschmelzung zur Anwendung des § 13 UmwStG (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG). Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag die Anteile an der übernehmenden Kapi94 §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. 95 §§ 20 Abs. 2 Satz 2, 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG.

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Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung talgesellschaft mit dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft anzusetzen. Auch hier ist Voraussetzung, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Für internationale Umwandlungen ergibt sich somit insgesamt die folgende Übersicht: Sofortbesteuerung

modifizierte Sofortbesteuerung

gemeiner Wert

x

x x

x

x x

Internationale Umwandlungen Gesellschaftsebene – EU/EWR – Drittstaat

x

Gesellschafterebene – EU/EWR – Drittstaat

x

IV. Fazit Die neue Entstrickungsdogmatik baut auf dem Prinzip der ultima-ratioBesteuerung auf, auf Grund deren eine Abrechnung der stillen Reserven für steuerliche Zwecke zum letztmöglichen Zeitpunkt ihrer steuerlichen Erfassung erfolgt. Diese insbesondere durch das SEStEG getroffene normative Grundlagenentscheidung ist indessen nicht konsequent umgesetzt worden. So gilt sie zwar partiell für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht aber unabhängig und isoliert hiervon für die Gewerbesteuer. Schließlich enthält auch das Erbschaftsteuerrecht keine entsprechenden Entstrickungsregelungen. Von der Reichweite der im Einkommensteuerrecht verankerten Entstrickungsregelungen wird, von § 6 AStG abgesehen, nur Betriebsvermögen erfasst. Scheiden Wirtschaftsgüter des Privatvermögens aus dem Steuerzugriff aus, unterbleibt eine ultima-ratio-Besteuerung. Diese Belastungsdivergenz zwischen Betriebsvermögen einerseits und Privatvermögen andererseits vermag sich gegenüber dem Gleichbehandlungsgebot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu legitimieren. Soweit Betriebsvermögen erfasst wird, ergeben sich freilich ebenfalls Belastungsunterschiede, die darauf beruhen, dass die Bemessungsgrundlagen für die normativ geregelten Entstrickungsvorgänge unterschiedlich ausgestaltet sind. Während die Überführung von Wirtschaftsgütern aus 220

Schaumburg, Die neue Dogmatik der int. Steuerentstrickung dem Betriebs- in das Privatvermögen mit dem Teilwert anzusetzen sind, ist für den etwa vergleichbaren grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der gemeine Wert maßgeblich. Grenzüberschreitend sind somit stille Reserven der Besteuerung zuzuführen, die im Inland keiner Besteuerung ausgesetzt sind. Auch diese Belastungsdivergenz ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Soweit im Übrigen die neuen Entstrickungsregelungen dem Konzept der Sofortversteuerung folgen, sind sie mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten nicht vereinbar: Die ultima-ratio-Besteuerung ist zwar europarechtlich legitimiert, hier hätte aber zwecks Sicherung der stillen Reserven für Zwecke der Besteuerung die Stundungslösung normativ umgesetzt werden müssen. Insoweit entspricht allein § 6 AStG den europarechtlichen Vorgaben. Die vorgenannten Gesichtspunkte gelten auch für den Anwendungsbereich der Körperschaftsteuer. Soweit auch hier undifferenziert durchgehend an das Konzept der Sofortversteuerung angeknüpft wird, ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben. Soweit demgegenüber im Anwendungsbereich des internationalen Umwandlungssteuerrechts das Konzept der Sofortversteuerung umgesetzt wird, ist dies sowohl unter verfassungsrechtlichen als auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich. Dies deshalb, weil der umwandlungsbedingte Vermögenstransfer im Grundsatz zu einer Gewinnrealisierung führt und die im Umwandlungssteuergesetz verankerten Entstrickungsklauseln auf dieses Realisationsprinzip lediglich wieder zurückführen. Es gibt keine spezifischen gewerbesteuerrechtlichen Entstrickungsnormen. Hieraus folgt, dass Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, die zwar aus der Gewerbesteuerpflicht, nicht aber aus der Einkommensteuerpflicht ausscheiden, keiner spezifischen gewerbesteuerlichen Entstrickung zugeführt werden. Dies ist im Hinblick auf das Prinzip der ultimaratio-Besteuerung inkonsequent. Entsprechendes gilt auch für Vermögenswerte, die aus der Erbschaftsteuerpflicht ausscheiden; denn erbschaftsteuerrechtliche Entstrickungsklauseln gibt es nicht.

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BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Prof. Dr. Thomas Rödder Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bonn Inhaltsübersicht

1. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz de lege lata 2. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz nach BilMoG 3. Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut und persönliche Zurechnung 4. Aktivierungsverbote und -wahlrechte

5. Allgemeine Bewertungsgrundsätze 6. Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten 7. Abschreibungen und Zuschreibungen 8. Bewertungsvereinfachungen 9. Ansatz von Rückstellungen 10. Bewertung von Rückstellungen 11. Sicherungsgeschäfte 12. Latente Steuern 13. Gewinnabführungsverträge 14. Perspektive der steuerlichen Gewinnermittlung

1. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz de lege lata De lege lata hat der handelsrechtliche Einzelabschluss nach den §§ 238 ff., 264 ff. HGB vor allem eine Ausschüttungsbemessungsfunktion, d. h. er ist Grundlage für die Ergebnisverwendungsentscheidung. Außerdem ist die Handelsbilanz de lege lata der Ausgangspunkt für die Ermittlung des steuerbilanziellen Ergebnisses, also der Kerngröße der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen des Bilanzierenden. Daneben hat der handelsbilanzielle Einzelabschluss eine Informationsfunktion für die Gesellschafter und Eigenkapitalgeber, die Gläubiger und die ansonsten interessierte Öffentlichkeit.1 Allerdings hat insoweit in praxi die Konzernrechnungslegung eine sehr viel größere Bedeutung. Sie folgt gegenwärtig zwar noch häufig den in §§ 290 ff. HGB vorgesehenen Vorgaben. Mit § 315 a HGB ist indessen insoweit für bestimmte „größere“ Fälle die Zugrundelegung des internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS obligatorisch bzw. wahlweise ermöglicht worden. Danach haben am Kapitalmarkt agierende Unternehmen ihren Konzernabschluss zwingend nach IFRS zu erstellen, während im Übrigen ein entsprechen1 Auf die Prüfungs- und Publizitätspflicht nach HGB wird hier nicht eingegangen.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung des Unternehmenswahlrecht besteht. De facto haben fast alle größeren Unternehmen ihren Konzernabschluss inzwischen auf IFRS umgestellt. HGB-Konzernabschlüsse werden im Wesentlichen nur noch durch die kleineren Konzerne (die allerdings zahlenmäßig dominieren) aufgestellt. Es ist davon auszugehen, dass davon auf Sicht auch der handelsrechtliche Einzelabschluss und auch das Steuerbilanzrecht nicht unberührt bleiben werden. Das soeben verabschiedete sog. BilMoG, das Anlass für diesen Beitrag ist, ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung2 (s. auch w. u. unter 14.). Die Ergebnisermittlung nach deutschem HGB ist derzeit vor allem durch das Realisations- und das Imparitätsprinzip (Konkretisierungen des Vorsichtsprinzips) als wesentliche GoB geprägt (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Wichtigste Ausprägung des Realisationsprinzips ist die generelle Vorgabe der Bewertung nicht über Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten so lange, bis der Gewinn quasi sicher ist (Anschaffungskostenprinzip). Vermögenszuwächse/Gewinne sind an realisierte Umsätze gebunden. Nach dem Imparitätsprinzip sind dagegen die in der Zukunft erwarteten Risiken und Verluste schon in der Gegenwart zu antizipieren. Grundgedanke ist es, die Vorgänge in der Zukunft verlustfrei zu stellen (Kapitalerhaltung; Gläubigerschutz). Diese Vorgabe findet bspw. ihren Niederschlag im Niederstwertprinzip bei der Bewertung von Aktiva bzw. im Höchstwertprinzip bei der Bewertung von Passiva sowie in der Passivierung von Rückstellungen, insbesondere von Drohverlustrückstellungen. Ausdruck des Vorsichtsprinzips ist auch bspw. das Aktivierungsverbot für selbsterstellte immaterielle Anlagegüter. Vor diesem Hintergrund schreibt gegenwärtig § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die (materielle) Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB und solcher Vorschriften, die GoB zum Ausdruck bringen, für die steuerliche Gewinnermittlung vor, soweit dem nicht zwingende steuerrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Darüber hinaus bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG nach hM (auch) die sog. formelle Maßgeblichkeit. Das heißt, nicht nur die abstrakten handelsrechtlichen Normen, sondern auch die konkret getroffenen Bilanzansatz- und Bewertungsentscheidungen in der tatsächlich erstellten Handelsbilanz für ein Wirtschaftsjahr sind für die Steuerbilanz maßgeblich, soweit sie handelsrechtlich zulässig sind und dem nicht zwingende steuerrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Ausdrücklich regelt § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG, dass steuerrechtliche Wahlrechte, die handelsbilanziell abbildbar sind, nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz genutzt werden können. In Folge dieser sog. umgekehrten Maßgeblichkeit wird die Ausübung steuerlicher Wahlrechte von 2 BGBl. I 2009, 1102. Der größte Teil der Änderungen durch das BilMoG tritt am 1. 1. 2010 in Kraft.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung einer korrespondierenden Vorgehensweise in der Handelsbilanz sogar dann abhängig gemacht, wenn entsprechende Ansätze/Werte den GoB widersprechen.3 Andererseits schlagen handelsrechtliche Wahlrechte nicht ohne weiteres auf die Steuerbilanz durch. So gilt der Grundsatz,4 dass handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte zu einem steuerrechtlichen Aktivierungsgebot und handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot führen. Überdies sind zB in den § 5 Abs. 2–6 EStG sowie den §§ 6 ff. EStG spezifische steuerrechtliche Regelungen enthalten, die einen von der Handelsbilanz abweichenden steuerbilanziellen Ansatz/Wert vorsehen, der den handelsrechtlichen Bilanzansatz/-wert verdrängt und nicht mit den GoB in Einklang stehen muss.5 Seit längerem steht die im vorstehenden Sinne verstandene Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz in der Kritik. Sie richtet sich überwiegend gegen die umgekehrte Maßgeblichkeit, da dadurch rein steuerrechtlich motivierte, GoB-fremde Ansätze Eingang in die Handelsbilanz finden. Die Abschaffung nur der formellen Maßgeblichkeit könnte, so wurde bislang häufig argumentiert, Handels- und Steuerbilanz entflechten, ohne bei der Steuerbilanz auf handelsrechtliche Grundsätze zu verzichten. Würde man dagegen auch auf die materielle Maßgeblichkeit verzichten, so bedürfte es eines völlig eigenständigen Steuerbilanzrechts. 2. Grundsätze der handelsbilanziellen Ergebnisermittlung und der Zusammenhänge mit der Steuerbilanz nach BilMoG Die handelsrechtlichen Vorschriften zur Rechnungslegung werden durch das BilMoG umfassend reformiert.6 Der entsprechende RegE war zwar schon am 21. 5. 2008 durch das Bundeskabinett beschlossen worden. Die Verabschiedung erfolgte aber nach Vornahme wesentlicher Änderungen erst im April 2009. Der wesentliche Teil der Vorschriften tritt mit Wir3 Betroffen sind davon vor allem subventionelle Steuervergünstigungen (Sonderabschreibungen, sonstige erhöhte Absetzungen, gewinnmindernde Rücklagen). Der Ansatz dieser Werte in der Handelsbilanz wird durch Öffnungsklauseln im HGB (§§ 247 Abs. 3, 254, 279 Abs. 2, 273, 280 Abs. 2, 281 HGB) ermöglicht. 4 BFH, Urt. v. 3. 2. 1969 – GrS 2/68, BStBI. II 1969, 291 ff. 5 Neben den besonderen Ansatz- und Bewertungsregeln des Steuerbilanzrechts sind nach §§ 4 Abs. 1 S. 8, 5 Abs. 6 EStG u. a. auch die besonderen steuerlichen Regeln über Entnahmen und Einlagen, Betriebsausgaben und die Bilanzänderung zu beachten. 6 BGBl. I 2009, 1102. Dazu aus steuerlicher Sicht s. z. B. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 157; Ortmann-Bebel/Bolik/Gageur, DStR 2009, 934; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 976; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 1; Herzig, DB 2008, 1339; Theile/Hartmann, DStR 2008, 2031; Stobbe, DStR 2008, 2432; Strahl, KÖSDI 2008, 16290; Günkel, Ubg 2008, 126; Herzig, DB 2008, 1.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung kung ab 1. 1. 2010 in Kraft.7 Das Reformvorhaben verfolgt das Ziel, das deutsche Bilanzrecht zu einer dauerhaften und im Verhältnis zu den internationalen Rechnungslegungsstandards vollwertigen, aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative weiterzuentwickeln, ohne die Eckpunkte des HGB-Bilanzrechts aufzugeben. Hintergrund ist vor allem die Ablehnung der IFRS durch den Mittelstand. Die HGB-Bilanz soll zwar auch in Zukunft Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung bleiben. Der Informationsfunktion soll aber eine deutlich stärkere Bedeutung als bisher zukommen. Dementsprechend wird es trotz der im BilMoG vorgesehenen Abschaffung nicht mehr zeitgemäßer Wahlrechte und der damit einhergehenden Annäherung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz aufgrund anderer vorgesehener Neuregelungen8 zusätzliche Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz geben (wobei allerdings insgesamt Steuerneutralität der handelsbilanziellen Änderungen angestrebt ist). Die insoweit im Detail vorgesehenen Änderungen werden w. u. im Einzelnen dargestellt. Grundsätzlich bedeutsam ist insoweit, dass nach dem BilMoG zwar der Maßgeblichkeitsgrundsatz beibehalten, das bisher in § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG verankerte Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit aber aufgehoben wird. Der bisher in § 5 Abs. 1 S. 2 EStG enthaltene Satz, dass steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben sind, entfällt, und statt dessen wird § 5 Abs. 1 S. 1 EStG nF wie folgt gefasst9: „Bei Gewerbetreibenden ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen …, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist,10 es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.“11 Zugleich entfallen die bislang zur Umsetzung der 7 Zur Übergangsregelung s. im Einzelnen Art. 66 und 67 EGHGB. Wichtig ist, dass für die sogleich darzustellende Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit keine Übergangsregelung vorgesehen ist, sodass sie schon in 2009 wirksam sein könnte. 8 Bei denen teilweise eine Abkehr vom Realisations-, Anschaffungskostenund Vorsichtsprinzip gegeben ist. 9 Möglicherweise mangels Übergangsregelung nicht erst mit Wirkung ab 1. 1. 2010, sondern schon mit Wirkung in 2009. 10 Wegen der stärkeren Betonung der Informationsfunktion der Handelsbilanz im BilMoG stellt sich die Frage, ob die GoB einen im Detail veränderten Inhalt bekommen werden, der dann über den Maßgeblichkeitsgrundsatz auch Auswirkungen auf die Steuerbilanz haben könnte. 11 Der Unternehmer muss für den Fall, dass er steuerrechtliche Wahlrechte in Anspruch nehmen will, ein gesondertes Verzeichnis führen (§ 5 Abs. 1 S. 2 u. 3 EStG n. F.). Es ist danach Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung umgekehrten Maßgeblichkeit erforderlichen handelsrechtlichen Öffnungsklauseln wie beispielsweise §§ 247 Abs. 3, 254, 273, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2, 281 HGB. Steuerrechtliche Wahlrechte könnten danach prinzipiell unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden12. Betroffen davon sind bspw. Rücklagenbildungen nach §§ 4 Abs. 8, 4g, 6b EStG bzw. nach R 6.5 und 6.6 EStR sowie die Inanspruchnahme erhöhter steuerlicher Absetzungen. Dass die Ausübung steuerlicher Wahlrechte die Handelsbilanz (von latenten Steuern abgesehen) nicht mehr beeinflusst, ist ein wesentlicher Aspekt zur Verbesserung des Informationsgehalts der Handelsbilanz.13 Die umgekehrte Maßgeblichkeit ist auch aus steuerrechtlicher Sicht nicht mehr zwingend geboten. Mit der umgekehrten Maßgeblichkeit sollte u. a. sichergestellt werden, dass handelsrechtlich nicht Gewinne ausgeschüttet werden, die aufgrund besonderer Vorgaben des Steuergesetzgebers nicht oder später besteuert werden. Dies unterstellt, dass der handelsrechtliche Gewinn ohne die umgekehrte Maßgeblichkeit höher ist als der steuerrechtliche Gewinn. Hiervon kann aber nicht mehr ausgegangen werden, weil steuerrechtliche Sonderregelungen die Maßgeblichkeit durchbrechen und dazu führen, dass der steuerrechtliche Gewinn regelmäßig ohnehin höher ist als der handelsrechtliche Gewinn (z. B. Verbot einer Rückstellung für Drohverluste, für Jubiläumszuwendungen, Abzugsverbote für bestimmte Betriebsausgaben etc.). Für eine Sicherstellung der späteren Besteuerung „unversteuerter Gewinne“ besteht mithin kein wirkliches Bedürfnis mehr, zumal in der Handelsbilanz dann auch grds. latente Steuern zu passivieren sind. 3. Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut und persönliche Zurechnung Nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB n. F. sind Vermögensgegenstände zwar grds. in die Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand jedoch nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden, in denen der Tag der Anschaffung der Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen sind. 12 Wenn nicht vertreten wird, dass die umgekehrte Maßgeblichkeit nur für die steuerrechtlichen Wahlrechte abgeschafft wird, die den GoB widersprechen. Die Rechtslage ist nicht wirklich klar. Kann z. B. in der Steuerbilanz degressiv abgeschrieben werden, wenn in der Handelsbilanz linear abgeschrieben wird? Auch stellt sich die entscheidende Frage, was ein steuerrechtliches Wahlrecht ist (Hinweis z. B. auf die Regelung der Teilwertabschreibung und § 6a EStG [s. dazu aber auch das Nachholverbot]). 13 Siehe auch zur Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit näher Herzig/ Briesemeister, DB 2009, 926.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. Damit wird das Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung erstmals im Handelsrecht gesetzlich verankert. Ursprünglich war geplant, mit dem BilMoG keine dem § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO entsprechende Regelung einzuführen, sondern eine Annäherung an die nach IFRS übliche Betrachtungsweise („substance over form“). Dies hätte im Einzelfall zu verstärkten Abweichungen zwischen der Zuordnung von Vermögensgegenständen bzw. Wirtschaftsgütern nach Handels- und Steuerrecht führen können. Nun ist jedoch, wie gezeigt, vorhergesehen, die Definition des wirtschaftlichen Eigentums in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und die bisherigen standardisierten Zurechnungskriterien, die z. B. in den Leasingerlassen der Finanzverwaltung dargelegt sind, grds. auch für handelsbilanzielle Zwecke beizubehalten14. Neu ist, dass in bestimmten Fällen handelsrechtlich eine Verrechnung von Vermögensgegenständen mit Schulden erfolgt.15 Die Verrechnungsverpflichtung betrifft Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, die gegenüber Arbeitnehmern eingegangen wurden, und die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB n. F.).16 Übersteigt der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände den Betrag der Schulden, ist der übersteigende Betrag unter einem gesonderten Posten zu aktivieren. Steuerbilanzrechtlich erfolgt diese Verrechnung nicht; in der Steuerbilanz dürfen Posten der Aktivseite unverändert nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden (§ 5 Abs. 1a EStG n. F.).17 4. Aktivierungsverbote und -wahlrechte § 246 Abs. 1 S. 4 HGB n. F. regelt erstmals ausdrücklich den derivativen Geschäftswert als zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand. Das bisherige Ansatzwahlrecht in § 255 Abs. 4 HGB entfällt. In der Steuerbilanz bestand insoweit wegen § 5 Abs. 2 EStG immer schon ein Aktivierungsgebot, die Handelsbilanz wird insoweit also an die Steuerbilanz angeglichen.

14 Die im Detail möglichen Abweichungen zwischen dem Zurechnungsverständnis für handels- und steuerbilanzielle Zwecke bleiben vom BilMoG allerdings unberührt. 15 Entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen zu verfahren. 16 Betroffen sind vor allem sog. CTA-Konstruktionen, die insolvenzsichernde Separierung von sog. Planvermögen für Altersversorgungsverpflichtungen. 17 Bei einer Saldierung auch für Steuerbilanzzwecke wäre die Frage besonders interessant gewesen, wie mit Bewertungsdifferenzen zwischen Planvermögen und § 6a EStG-Rückstellung umgegangen werden soll.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Weiter wird das bislang durch § 248 Abs. 2 HGB normierte Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aufgehoben und ein Aktivierungswahlrecht für die bei der Entwicklung eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens angefallenen Herstellungskosten begründet (§§ 248 Abs. 2 S. 1, 255 Abs. 2a HGB n. F.).18 Entwicklung ist nach § 255 Abs. 2a S. 2 HGB n. F. „die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen“. Forschung ist demgegenüber die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grds. keine Aussagen gemacht werden können. Bei Abgrenzungsproblemen zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten ist eine Aktivierung ausgeschlossen. Korrespondierend sieht § 268 Abs. 8 HGB n. F. eine Ausschüttungssperre vor.19 Die Änderung hat keine steuerlichen Auswirkungen, da nach dem unverändert geltenden § 5 Abs. 2 EStG eine Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auch in Zukunft nur dann zulässig ist, wenn diese entgeltlich erhoben wurden. Somit kann § 248 HGB n. F. künftig zu einer vom Steuerrecht abweichenden handelsrechtlichen Bilanzierung führen. Nach dem BilMoG werden auch die handelsbilanziellen Regelungen für erworbene eigene Anteile deutlich geändert. Sie sind grds. (siehe aber auch zu § 272 Abs. 4 HGB n. F. w. u.) nicht mehr zu aktivieren.20 Korres18 Der ursprüngliche Plan der Einführung eines Aktivierungsgebots ist aufgegeben worden. Ein Aktivierungsverbot besteht weiterhin für Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden (§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB n. F.). 19 Eine Ausschüttung ist danach nur möglich, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen abzüglich des Verlustvortrages oder zzgl. eines Gewinnvortrages dem Gesamtbetrag der Erträge abzgl. der dafür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen. Der Gesetzgeber trägt durch die Einführung einer Ausschüttungssperre der Unsicherheit Rechnung, dass immateriellen Vermögensgegenständen Herstellungskosten regelmäßig nicht eindeutig zugerechnet werden können und ihnen bezüglich ihrer künftigen Nutzungsdauer ein objektiver Wert nur schwer zugewiesen werden kann. 20 Gleichwohl ist nach § 71 Abs. 2 S. 2 AktG n. F. der Erwerb u. a. nur dann zulässig, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden darf (s. auch § 71a Abs. 1 S. 2 AktG n. F., § 33 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F.).

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung pondierend damit wird § 265 Abs. 3 S. 2 HGB aufgehoben, der den gesonderten Ausweis eigener Anteile im Umlaufvermögen vorsah. Nach § 272 Abs. 1a HGB n. F. ist der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Aufwendungen, die Anschaffungsnebenkosten sind, sind Aufwand des Geschäftsjahres. Bei der Veräußerung eigener Anteile entfällt der Ausweis gem. § 272 Abs. 1a S. 1 HGB n. F. (§ 272 Abs. 1b HGB n. F.). Ein den Nennbetrag oder den rechnerischen Wert übersteigender Differenzbetrag aus dem Veräußerungserlös ist bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten Betrages in die jeweiligen Rücklagen, darüber hinaus in die Kapitalrücklage einzustellen. Die Nebenkosten der Veräußerung sind Aufwand des Geschäftsjahres. Demgegenüber regelt § 272 Abs. 4 HGB n. F., dass für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen eine Rücklage zu bilden ist. In diesem Fall geht das BilMoG also offensichtlich nach wie vor von der Aktivierung der erworbenen Anteile am Mutterunternehmen aus. In die Rücklage ist ein Betrag einzustellen, der dem auf der Aktivseite der Bilanz für die Anteile an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen angesetzten Betrag entspricht.21 Die Rücklage ist aufzulösen, soweit die Anteile an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen veräußert, ausgegeben oder eingezogen werden oder auf der Aktivseite ein niedrigerer Betrag angesetzt wird. Die neue Regelung führt bei der Kapitalgesellschaft, die eigene Anteile erwirbt, dazu, dass steuerrelevante Ergebnisse bei einer späteren Veräußerung nicht mehr gegeben sein können. Zu Belastungen nach § 8b KStG kann es nicht mehr kommen (auch Chancen und Risiken nach § 8b Abs. 7 KStG sind nicht mehr gegeben), wenn nicht „freiwillig“ über eine Tochtergesellschaft erworben wird.22 Beim Gesellschafter sollten unverändert normale steuerrelevante Veräußerungsvorgänge gegeben sein. D. h., dass – anders als bisweilen vertreten – auch nach dem BilMoG auf Gesellschafterebene keine Behandlung wie eine Teilliquidation gegeben sein sollte. Das BilMoG sieht weiter vor, dass das Wahlrecht der Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäfts21 Die Rücklage, die bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu bilden ist, darf aus vorhandenen frei verfügbaren Rücklagen gebildet werden. 22 Siehe auch näher z. B. Mayer, Ubg 2008, 779.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung betriebs in § 269 HGB aufgehoben wird. Steuerlich war diese Bilanzierungshilfe ohnehin nie ansetzbar. Auch die Sonderfälle des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens in § 250 Abs. 1 S. 2 HGB (bestimmte Zölle und Verbrauchsteuern sowie Umsatzsteuer auf bestimmte Anzahlungen) entfallen. Steuerlich bleibt es insoweit bei der gem. § 5 Abs. 5 EStG gegebenen Aktivierungspflicht. § 246 Abs. 3 HGB n. F. schreibt vor, dass die im letzten Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden beizubehalten sind (§ 252 Abs. 2 HGB gilt entsprechend). Steuerlich dürfte kaum eine Bedeutung dieser Regelung gegeben sein, da steuerlich schon bisher ein Willkürverbot galt und im neuen Handelsbilanzrecht ohnehin nur noch wenige Ansatzwahlrechte gegeben sind. 5. Allgemeine Bewertungsgrundsätze Das BilMoG behält die Regelung des § 252 HGB zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen bei, ändert aber die Soll-Vorgabe zur Bewertungsstetigkeit in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB in eine Muss-Vorgabe. Steuerlich sollten daraus keine merkbaren Änderungen resultieren, zumal es unverändert bei der Ausnahmeregelung des § 252 Abs. 2 HGB bleibt. 6. Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten Die Bewertung von Vermögensgegenständen höchstens mit den (ggf. fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird grds. beibehalten (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB n. F.).23 Nach § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E sollten generell zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente mit ihrem beizulegenden Zeitwert angesetzt werden. Nun ist eine entsprechende Regelung in § 253 Abs. 1 S. 3 HGB n. F., mit der insoweit das Realisationsprinzip und der Grundsatz der Nichtbilanzierung von schwebenden Geschäften aufgegeben wird, nur noch für Kreditinstitute etc. vorgesehen; es greift dann eine Ausschüttungssperre (§ 268 Abs. 8 HGB n. F.).24 Finanzinstrumente sind z. B. 23 Gem. § 256a HGB n. F. zur Währungsumrechnung ist künftig für auf fremde Währung lautende Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten eine Umrechnung am Abschlussstichtag zum Devisenkassamittelkurs vorzunehmen. Dabei soll bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr das Anschaffungskostenprinzip zu berücksichtigen sein, bei einer Laufzeit von weniger als einem Jahr nicht. Zumindest Letzteres dürfte steuerlich nicht mit vollzogen werden, da dort unverändert das Anschaffungskostenprinzip gilt. Unklar ist darüber hinaus, ob Auswirkungen in den Fällen gegeben sind, in denen steuerlich die Anwendung der Zeitbezugsmethode für möglich gehalten wird (z. B. bei der Ermittlung von Betriebsstättenergebnissen). 24 Siehe dazu näher w. o.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Aktien, Schuldverschreibungen und Fondsanteile; erfasst sind auch schwebende Geschäfte wie z. B. Derivate. Der beizulegende Zeitwert entspricht gem. § 255 Abs. 4 HGB n. F. dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen.25 Steuerrechtlich hätte ohnehin der Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG einer Übernahme der handelsrechtlichen Bewertung zu Zeitwerten in die Steuerbilanz entgegengestanden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bilden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Wertobergrenze der Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens und der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Bei Kreditinstituten etc. erfolgt der Ansatz mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikoabschlags künftig aber auch in der Steuerbilanz (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG n. F.). Überdies ist in § 253 Abs. 1 S. 4 HGB n. F. eine Zeitwertbewertung von gem. § 246 Abs. 2 S. 2 HGB n. F. zu verrechnenden Vermögensgegenständen (Planvermögen) vorgesehen (siehe dazu schon w. o.). Insoweit gilt ohnehin der steuerliche Vorbehalt in § 5 Abs. 1a EStG n. F. Die Definition der aktivierungsfähigen Herstellungskosten in § 255 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGB n. F. wird weitgehend an die schon bestehende steuerbilanzielle Regelung angeglichen. Nach dem Gesetzestext fallen darunter Materialkosten, Fertigungskosten und Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Zudem dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen unverändert nicht einbezogen werden. Zur Aktivierung von Herstellungskosten bei der Entwicklung von immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens siehe § 255 Abs. 2a HGB n. F. (und bereits w. o.).

25 Ist auch das nicht möglich, sind subsidiär die (ggf. fortgeführten) Anschaffungsbzw. Herstellungskosten relevant.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung 7. Abschreibungen und Zuschreibungen Die bisher für den derivativen Geschäftswert wahlweise vorgesehene 25 %-Abschreibung entfällt. D. h., dass auch insoweit nur noch eine Schätzung der Nutzungsdauer ohne eine alternative feste Vorgabe vorgesehen ist. Steuerlich bleibt es dagegen bei der Vorgabe einer festen 15-jährigen Abschreibungsdauer (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG). Nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB n. F. gilt künftig ein Verbot für außerplanmäßige Abschreibungen bei nur vorübergehenden Wertminderungen von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Eine Ausnahme ist in § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB n. F. für Finanzanlagen vorgesehen (so bisher schon § 279 Abs. 1 S. 2 HGB). Insoweit sind außerplanmäßige Abschreibungen nach wie vor auch bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung möglich. Die Neuregelung hat keine steuerlichen Auswirkungen, da gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG Teilwertabschreibungen ohnehin nur bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen zulässig sind. Der Kreis möglicher Abweichungen zwischen Handelsund Steuerbilanz wird auf Finanzanlagen eingeschränkt.26 Es entfällt auch das bisher für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens in § 253 Abs. 3 S. 3 HGB vorgesehene Wahlrecht der außenplanmäßigen Abschreibung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung auf den sog. Wertschwankungswert (arg. ex § 253 Abs. 4 HGB n. F.). Gleiches gilt für die bislang generell in § 253 Abs. 4 HGB (vorbehaltlich § 279 Abs. 1 S. 1 HGB) vorgesehene Möglichkeit der Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung. In der Steuerbilanz sind insoweit schon immer keine Teilwertabschreibungsmöglichkeiten gegeben gewesen. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB n. F. sieht ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot vor, wenn die Gründe für den niedrigeren Wertansatz aufgrund einer außerplanmäßigen Abschreibung entfallen sind (so bisher schon § 280 Abs. 1 HGB). Eine Ausnahme ist nach § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB n. F. lediglich für einen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert vorgesehen, bei dem ein niedrigerer Wertansatz aufgrund einer außerplanmäßigen Abschreibung verpflichtend beizubehalten ist. Insoweit bleibt eine Abweichung zwischen der Handels- und Steuerbilanz bestehen. In der Sache stellt allerdings auch in der Steuerbilanz eine Wertaufholung bei einem derivativen Geschäfts- oder Firmenwert eine eigentlich (verbotene) Aktivierung eines selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwertes dar. 26 Siehe aber auch das sog. Infineon-Urteil des BFH vom 26. 9. 2007 (DStR 2008, 187) wonach bei notierten Aktien grds. jeder Kursverlust als voraussichtlich dauernd angesehen werden kann (ggf. ab Überschreiten einer sog. Erheblichkeitsschwelle). Siehe nun aber auch BMF vom 26. 3. 2009 (DStR 2009, 693).

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung 8. Bewertungsvereinfachungen Die Änderung in § 256 Satz 1 HGB n. F. beschränkt die Bewertungsvereinfachungsverfahren auf das Lifo- und das Fifo-Verfahren. Steuerlich ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 EStG unverändert nur das Lifo-Verfahren zulässig. 9. Ansatz von Rückstellungen Die bislang in § 249 Abs. 2 HGB geregelten Aufwandsrückstellungen sind nicht mehr zulässig. Gleiches gilt für die bisher in § 249 Abs. 1 S. 3 HGB geregelten Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung bei Nachholung innerhalb des Geschäftsjahres. Da insoweit in der Steuerbilanz ohnehin Passivierungsverbote bestehen, erfolgt insoweit mithin eine Anpassung der Handels- an die Steuerbilanz. 10. Bewertung von Rückstellungen Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB n. F. werden Rückstellungen mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag angesetzt, so dass künftige Preis- und Kostensteigerungen bereits bei der Rückstellungsbewertung berücksichtigt werden.27 In Zusammenhang damit steht die Neuregelung des § 253 Abs. 2 HGB n. F., nach der Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr in der Handelsbilanz mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen sind. Abweichend davon dürfen Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abgezinst werden, der sich bei einer angenommenen Laufzeit von 15 Jahren ergibt.28 Vorstehendes gilt entsprechend für auf Rentenverpflichtungen beruhende Verbindlichkeiten, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist. Der anzuwendende Abzinsungszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich bekannt gegeben. 27 Auch für Verbindlichkeiten sieht § 253 Abs. 1 S. 2 HGB n. F. die Bewertung mit dem Erfüllungsbetrag vor. 28 Nach Art. 67 Abs. 1 EGHGB n. F. darf, soweit aufgrund der geänderten Rückstellungsbewertung eine Zuführung zu den Rückstellungen für laufende Pensionen oder Anwartschaften auf Pensionen erforderlich ist, dieser Betrag bis spätestens zum 31. 12. 2024 in Jahresraten angesammelt werden. Soweit sich die Höhe von Altersversorgungsverpflichtungen ausschließlich noch dem beizulegendem Zeitwert von Wertpapieren bestimmt, sind Rückstellungen hierfür zum beizulegenden Zeitwert dieser Wertpapiere anzusetzen, soweit er einen garantierten Mindestbetrag übersteigt.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Wegen der in §§ 6 Abs. 1 Nr. 3a und 6a EStG enthaltenen Spezialvorschriften haben diese Änderungen keine steuerlichen Auswirkungen. Steuerbilanziell wird die Einbeziehung von künftigen Preis- und Kostensteigerungen schon bisher unter Verweis auf das Stichtagsprinzip abgelehnt. § 6 Abs. 1 Nr. 3a f) EStG n. F. regelt nun aber auch ausdrücklich, dass bei der Bewertung die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend sind und künftige Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden dürfen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind Rückstellungen mit einem festen Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen; gem. § 6a EStG werden Pensionsrückstellungen mit einem Zinssatz von 6 % abgezinst. Handelsund Steuerbilanz weichen daher insoweit voneinander ab.29 Alle durch das BilMoG erfolgenden handelsbilanziellen Änderungen können bei Versicherern gem. § 21 KStG (betr. die Rückstellung für Beitragsrückerstattungen) auch mittelbare Auswirkungen auf die Steuerbilanz haben. 11. Sicherungsgeschäfte Durch § 254 HGB n. F. wird die Möglichkeit der Bildung von Bewertungseinheiten in der Handelsbilanz gesetzlich verankert. Danach können Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden. Als abgesicherte Geschäfte kommen mithin nicht nur Finanzinstrumente, als absichernde Geschäfte hingegen nur Finanzinstrumente in Betracht.30 Erfasst sein können Mikro-, Makround Portfolio-Hedges. Die Zielsetzung der Risikoabsicherung setzt eine ausreichende Dokumentation über die gebildete Bewertungseinheit voraus. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen ist auf den Ausweis nicht realisierter Verluste aufgrund korrespondierender nicht realisierter Gewinne in dem Umfang und für den Zeitraum zu verzichten, in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen. Die neue Regelung wirkt sich steuerlich aus, da handelsrechtliche Bewertungseinheiten gemäß dem unveränderten § 5 Abs. 1a EStG auch in der 29 Es ist allerdings nicht folgerichtig, zukünftige Verpflichtungen mittels Abzinsung zum Barwert anzusetzen, ohne gleichzeitig künftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Eine Abzinsung wäre allenfalls zu rechtfertigen, wenn sie zum Realzins erfolgen würde. Diesem Erfordernis entspricht aber die Zugrundelegung eines gesetzlich fixierten Zinssatzes von 5,5 % bzw. 6 % nicht. 30 Als Finanzinstrumente gelten auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Steuerbilanz zu bilden sind. Bedeutsam für die steuerliche Gewinnermittlung ist die Einbeziehung geplanter Transaktionen in die Bewertungseinheiten, was bei einem Verpflichtungsüberschuss auch zu nach dem ebenfalls unveränderten § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG zulässigen Rückstellungen führen kann.31 12. Latente Steuern Nach § 274 HGB n. F. erfolgt ein Übergang zum „temporary“ Konzept. Das heißt, dass im Grundsatz nicht nur zeitlich begrenzte Differenzen, sondern auch alle quasi-permanenten Abweichungen erfasst werden. Vergleichsweise überzahlte Steuern führen zu aktiven latenten Steuern, vergleichweise zu wenig gezahlte Steuern zu passiven latenten Steuern. Für beide Größen war im RegE eine Ansatzpflicht geplant, für aktive latente Steuern ist nun aber doch ein Aktivierungswahlrecht vorgesehen worden. Aktive und passive latente Steuern sollten nach dem RegE nicht mehr zu saldieren und separat auszuweisen sein, nun ist aber ein Verrechnungsund Saldierungswahlrecht eingeräumt worden. Die Berücksichtigung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge ist nur in Höhe der erwarteten Verrechnung in den nächsten fünf Jahren möglich. Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen. Ein eventueller Überhang aktiver latenter Steuern unterliegt der Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 HGB n. F. Im Einzelnen führt § 274 HGB n. F. Folgendes aus:32 Bestehen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen, so ist eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern in der Bilanz anzusetzen. Eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerentlastung kann als aktive latente Steuern in der Bilanz angesetzt werden. Die sich ergebende Steuerbe- und die sich ergebende Steuerentlastung können auch unverrechnet angesetzt werden. Steuerliche Verlustvorträge sind bei der Berechnung aktiver latenter Steuern in Höhe der innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung zu berücksichtigen. Die Beträge der sich ergebenden künftigen Steuerbe- und -entlastung sind mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt der Umkehrung der Differenz zu bewerten und nicht abzuzinsen. Sie sind aufzulösen, sobald die Steuerbe- oder -entlastung eintritt oder mit ihr nicht mehr zu rechnen ist.

31 Ungeklärt bleiben schon bisher offene Fragen bei der Auflösung von Bewertungseinheiten und bei teilweiser Bedeutung von § 8b KStG. 32 Zur Konkretisierung der Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB n. F. s. bereits w. o.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Damit erhalten die latenten Steuern im HGB-Abschluss wohl doch nicht ganz das erwartete Gewicht.33 Allerdings bedarf es anders als bisher stets aufwändiger Einzelermittlungen. Ob die Spielräume zur Ergebnisbeeinflussung größer oder kleiner als bisher sind, ist unklar34. Auch viele wesentliche Details sind noch unklar (z. B.: Wer hat im Organschaftsfall latente Steuern zu bilden? Wie ist bei Personengesellschaften vorzugehen?).35 13. Gewinnabführungsverträge Besonderheiten gelten bei Vorliegen von Gewinnabführungsverträgen. Nach § 301 AktG darf als Gewinn höchstens der ohne die Gewinnabführung sonst entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag sowie um den in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrag, abgeführt werden. Andere Gewinnrücklagen dürfen nur insoweit abgeführt werden, als sie während der Dauer des Vertrages gebildet wurden (§ 301 S. 2 AktG). Nach § 301 S. 1 AktG n. F. i. d. F. des BilMoG darf auch der Betrag der nach § 268 Abs. 8 HGB n. F. ausschüttungsgesperrten Erträge nicht abgeführt werden. Überdies ist für steuerliche Organschaften von Bedeutung, dass die durch das BilMoG erfolgenden Änderungen auch Auswirkungen auf den Umfang von Mehr- und Minderabführungen haben können. 14. Perspektive der steuerlichen Gewinnermittlung Auch nach der Umsetzung des BilMoG wird die Handelsbilanz zwar z. T. der Steuerbilanz angenähert, teilweise werden die Unterschiede aber auch ausgeweitet sein. Im Detail bleibt das Verhältnis unklar. Auch sind die rechtlichen Grundlagen für die steuerliche Gewinnermittlung von Unternehmen unverändert zersplittert (aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes) im HGB und im EStG geregelt. Die Situation ist auch nach 33 Siehe auch näher z. B. Loitz, DB 2009, 913. 34 Große Spielräume wären gegeben, wenn das Saldierungs- und das Aktivierungswahlrecht frei miteinander kombiniert werden könnten. Zutreffend ist aber wohl die Ansicht, dass die Entscheidung für die Nichtsaldierung wohl auch eine Entscheidung gegen das Aktivierungswahlrecht bedeutet. Auch dürfte sich das Aktivierungswahlrecht nicht auf jeden Einzelsachverhalt beziehen, sondern auf den Saldo insgesamt. 35 Im Organschaftsfall dürften auch die auf die Organgesellschaft entfallenden latenten Steuern beim Organträger zu bilden sein (mit besonderen Folgefragen bei Beendigung der Organschaft). Bei Personengesellschaften sind nur latente Gewerbesteuern zu bilanzieren. Ergänzungsbilanzen dürften dabei zu berücksichtigen sein, die Behandlung von Sonderbetriebsvermögen ist dagegen schwierig zu präzisieren (bei der Personengesellschaft und beim bilanzierenden Mitunternehmer).

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung dem BilMoG überdies deshalb unverändert unbefriedigend, weil die Zukunft der HGB-Bilanzierung immer noch ungewiss ist (dazu auch sogleich), weil im SEStEG der Maßgeblichkeitsgrundsatz für alle Umstrukturierungsvorhaben aufgegeben worden ist und weil der Steuergesetzgeber in der Vergangenheit in das steuerliche Gewinnermittlungsrecht stets nur punktuell ohne eine nochvollziehbare Leitlinie eingegriffen hat. Vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen, wonach es einer grundsätzlichen Neuregelung der steuerlichen Gewinnermittlung bedarf.36 Teilweise wird das BilMoG wegen seiner im Sinne der Informationsfunktion vorhergesehenen partiellen Durchbrechungen des Realisations-, Anschaffungskosten- und Vorsichtsprinzips sogar als „Katalysator“ für eine eigene steuerliche Gewinnermittlung angesehen.37 Dabei spricht zwar aus Sicht der Unternehmen im Grundsatz für die Beibehaltung eines wie auch immer ausgestalteten Maßgeblichkeitsgrundsatzes, dass Ausschüttungs- und Steuerbemessung ähnlichen teleologischen Wertungen unterliegen und mit dem Maßgeblichkeitsgrundsatz die Einflussmöglichkeiten des Steuergesetzgebers auf die steuerliche Gewinnermittlung im Ergebnis in Grenzen gehalten werden können. Es ist aber dennoch wahrscheinlich, dass die Gewinnermittlung nach HGB mittelfristig als mögliche Kerngröße für die steuerliche Gewinnermittlung im Sinne eines Maßgeblichkeitsgrundsatzes ausscheiden wird. Dies wird schon durch die Diskussion verdeutlicht, ob und inwieweit die HGB-Gewinnermittlung nachhaltig weiter als Ausschüttungsbemessungsgrundlage dienen kann. International nimmt der Druck zu, die Ausschüttungsbegrenzung (ggf. auch) auf Grund eines sog. „solvency test“ vorzunehmen. Die internationalen Rechnungslegungsnormen IFRS, die für die Konzernbilanzen größerer Unternehmen inzwischen obligatorisch sind, werden sich mittel- und langfristig auch auf die Einzelabschlüsse jedenfalls von Großunternehmen auswirken, und die Gewinnermittlung nach HGB wird zunehmend an die nach IFRS angeglichen werden. Das BilMoG ist ja gerade Ausdruck dieser Entwicklung (auch wenn durch die gegenwärtige Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise temporär eine eher retardierende Diskussionstendenz ausgelöst werden könnte). Auch eine Maßgeblichkeit der internationalen Rechnungslegungsnormen IFRS für die steuerliche Gewinnermittlung ist aus vielen Gründen kaum vorstellbar. Vor allem wird insoweit die völlig unterschiedliche Funktion der IFRS-Rechnungslegung einerseits (Kapitalmarktfunktion) und der steuerlichen Gewinnermittlung andererseits (Ermittlung eines für Steuerzahlungen zur Verfügung stehenden realisierten Gewinns) ins 36 Das auf europäischer Ebene betriebene Projekt der sog. CCCTB hat aus heutiger Sicht hingegen keine realistische Umsetzungsperspektive. 37 Siehe auch näher z. B. Weber-Grellet, DB 2008, 2451.

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Rödder, BilMoG und steuerliche Gewinnermittlung Feld geführt. Noch wichtiger aber dürfte aus Sicht des deutschen Steuergesetzgebers sein, dass bei einer Maßgeblichkeit der IFRS-Rechnungslegung in noch deutlich größerem Umfang als bei einer HGB-Maßgeblichkeit Fremdbestimmtheit bestehen würde (von der Frage der staatlichen Legitimation eines Verweises auf die IFRS trotz „endorsement“ und den Problemen der Auslegungskompetenz einmal abgesehen). Schließlich ist eine handelsrechtliche IRFS-Gewinnermittlung für kleine Unternehmen nicht realistisch absehbar.38 Deshalb ist zu erwarten, dass mittelfristig ein eigenes nationales steuerliches Gewinnermittlungsrecht ohne Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Rechnungslegungswerke etabliert werden wird.

38 Umgekehrt zeigt das BilMoG, dass bei Kleinunternehmen zunehmend ganz auf Bilanzierung verzichtet wird. § 241a HGB n. F. regelt eine neue Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars. Danach brauchen Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 500.000 Euro Umsatzerlöse und 50.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, nicht zu bilanzieren. Es handelt sich tendenziell um eine Angleichung an § 141 AO. Danach wird es mithin drei Gruppen von Gewinnermittlern geben: (1) Die Großunternehmen, die HGB- und IFRSDoppelbilanzierer sind; (2) die mittelgroßen Unternehmen, die nur nach HGB bilanzieren; (3) die kleinen Gewerbetreibenden, die gar nicht bilanzieren, sondern ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln.

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Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Dr. Michael Kempermann Richter am Bundesfinanzhof a.D., München Inhaltsübersicht

I. Grundlagen 1. Definition des wirtschaftlichen Eigentums 2. Bedeutung für die Gewinnrealisierung II. Gründe für die Abweichung des wirtschaftlichen vom rechtlichen Eigentum III. Erste Fallgruppe – zweifelhaft ist nur der Realisationszeitpunkt 1. Begriff der wirtschaftlichen Erfüllung 2. Bewegliche Sachen 3. Grundstücke 4. Wertpapiere 5. Nicht verbriefte Rechte 6. Bedeutung von Optionsrechten 7. Bedeutung von Doppeloptionen

7.1

IV. 1. 2.

V.

Doppeloption als Termingeschäft 7.2 Doppeloption führt nicht zu einem Termingeschäft Zweite Fallgruppe – Frage nach dem „verborgenen Geschäft“ Finanzierungsleasing Sale-and-buy-back-Geschäfe 2.1 Echte Pensionsgeschäfte 2.2 Unechte Pensionsgeschäfte 2.3 Rücktrittsrecht des Erwerbers für den Fall des Fehlschlags einer Weiterveräußerung 2.4 Autoverkäufe an Großabnehmer mit Rückgabemöglichkeit Zusammenfassung

I. Grundlagen 1. Definition des wirtschaftlichen Eigentums Die „Definition“1 des wirtschaftlichen Eigentums findet sich in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO. Sie geht auf das „Leasingurteil“ des BFH vom 26. 1. 19702 zurück3 und lautet: „Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen.“ 1 Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 21 weist darauf hin, dass es sich streng genommen nicht um eine Definition handelt. 2 BFH, Urt. v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl. II 1970, 264 3 BT-Drs. 7/4292, S. 19.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Gegenüber dieser Abgrenzung, die allein darauf abstellt, dass ein anderer (der dann als wirtschaftlicher Eigentümer bezeichnet wird) den rechtlichen Eigentümer von den ihm an sich zustehenden Befugnissen ausschließen kann, enthält die vom österreichischen VwGH4 verwendete Definition eine Formulierung, die auch die positiven Befugnisse des wirtschaftlichen Eigentümers umschreibt5: „Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind (Gebrauch, Verbrauch, Belastung, Veräußerung), auszuüben in der Lage ist und zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechts, nämlich den Ausschluss von der Einwirkung auf die Sachen auch gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer, das heißt auf die Zeit der möglichen Nutzung, geltend machen kann.“ Das wirtschaftliche Eigentum ist nicht nur maßgeblich für die steuerliche Zurechnung, sondern auch für die Auslegung des § 242 Abs. 1 HGB, demzufolge der Kaufmann „sein“ Vermögen auszuweisen hat6. 2. Bedeutung für die Gewinnrealisierung Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist regelmäßig Voraussetzung für die Gewinnrealisierung. Im Folgenden sollen zwei Fallgruppen7 unterschieden werden, zum einen die Fälle in denen lediglich der Realisationszeitpunkt zweifelhaft ist, zum anderen die, in denen Meinungsverschiedenheiten über die Zurechnung des Vermögensgegenstandes/Wirtschaftsguts als solche, also etwa darüber bestehen können, ob lediglich ein Nutzungsverhältnis begründet werden soll, oder ob beabsichtigt ist, dass der „Nutzende“ den rechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von seiner Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (Beispielsfälle: Leasing, Sale-and-buy-back-Geschäfte). Mittelbar beeinflusst die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auch in der zweiten Fallgruppe den Realisationszeitpunkt, da ein Nutzungsentgelt – anders als ein Kaufpreis mit Ratenzahlungsvereinbarung – pro rata temporis vereinnahmt wird.

4 Vgl. z. B. Öst. VwGH, Erkenntnis v. 21. 9. 2006 – 2003/15/0053, ÖStZB 2007, 90. 5 Ähnlich wie im deutschen Handelsrecht, vgl. Rüber/Angloher, FR 2008, 498, 499 m. w. N. 6 BGH, Urt. v. 6. 11. 1995 – II ZR 164/94, DStR 1996, 187. Zu möglicherweise unterschiedlicher Behandlung des bösgläubigen Eigenbesitzers vgl. Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz. B 231 m. w. N. 7 Im Anschluss an Hoffmann/Lüdenbach, DStR 2004, 1758 ff.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt

II. Gründe für die Abweichung des wirtschaftlichen vom rechtlichen Eigentum Fälle der ersten vorstehend genannten Gruppe können darauf zurückzuführen sein, dass der Veräußerer die Veräußerung herauszögern, gleichwohl den Verkauf aber schon „festzurren“ möchte. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn steuerliche Behaltefristen eingehalten werden sollen (z. B. §§ 6 Abs. 5 Satz 4, 6b, 16 Abs. 3 Satz 3 EStG – bis zur Änderung durch das SEStEG v. 7.12.2006: § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG; § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG). Fällen der zweiten Art, insbesondere Sale-and-lease-back-Geschäften, kann die Zielsetzung zugrunde liegen, stille Reserven zu heben, indem beim Rückkauf nicht mehr der ursprüngliche Buchwert, sondern die höheren erneuten Anschaffungskosten angesetzt werden. Es kann aber auch beabsichtigt sein, die Liquidität des Unternehmens zu verbessern8.

III. Erste Fallgruppe – zweifelhaft ist nur der Realisationszeitpunkt 1. Begriff der wirtschaftlichen Erfüllung Der Gewinn aus der Veräußerung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgutes wird durch einen Umsatz realisiert, bei dem das Entgelt an die Stelle der veräußerten Sache tritt9. Realisiert ist der Gewinn aus einem entgeltlichen Veräußerungsgeschäft für den Veräußerer dann, wenn der Veräußerer den Vertrag „wirtschaftlich erfüllt“ hat10, insbesondere „die vereinbarte Lieferung oder Leistung erbracht hat“11; denn damit reduziert sich das Kaufpreisrisiko des Veräußerers aus dem Veräußerungsgeschäft darauf, dass der Käufer Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist12. 2. Bewegliche Sachen Bei beweglichen Sachen ist der Vertrag wirtschaftlich erfüllt i. d. R. bei Übergabe und dem mit der Übergabe nach § 446 BGB verbunden Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs („Preisgefahr“). 8 IDW ERS HFA 13 n. F. Rz. 1. 9 BFH, Urt. v. 18. 5. 2006 – III R 25/05, BFHE 213, 499. 10 Z. B. BFH, Urt. v. 14. 12. 1982 – VIII R 53/81, BFHE 137, 339, 342, BStBl. II 1983, 303. 11 BFH, Urt. v. 22. 8. 1984 – I R 198/80, BFHE 142, 370, 375, BStBl. II 1985, 126. 12 BFH, Urt. v. 29. 11. 1973 – IV R 181/71, BFHE 111, 89, 92, BStBl. II 1974, 202.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Nach einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum ist der Gewinn auch dann mit dem Übergang der sog. Preisgefahr realisiert, wenn der Besitz noch nicht übergegangen ist, nämlich im Fall des Versendungskaufs (§ 447 BGB)13. In diesen Fällen ist das wirtschaftliche Eigentum jedenfalls noch nicht übergegangen. Der Käufer darf die Waren noch nicht aktivieren14. Ob man es für zulässig hält, dass der Verkäufer beim Versendungskauf mit Übergabe an die mit der Verwendung betraute Person die Ware bei sich ausbucht, hängt davon ab, ob man bereit ist zu akzeptieren, dass die Ware eine Zeit lang weder beim Verkäufer noch beim Käufer bilanziert wird15. Aus der Sicht der jüngeren Rechtsprechung zum Übergang der wirtschaftlichen Inhaberschaft an Rechten liegt es näher, die Gewinnrealisierung nicht an den bloßen Übergang der Preisgefahr zu knüpfen16. Denn in diesen Fällen hat der BFH die Gewinnrealisierung stets davon abhängig gemacht, dass die „mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte“ auf den Erwerber übergegangen sind. Andererseits: Da das Realisationsprinzip Ausdruck des allgemeinen Vorsichtsprinzips ist17, kommt es ohne Übergang der Preisgefahr – trotz Übergabe – nicht zur Gewinnrealisierung. Daher bedarf es z. B. bei Werkverträgen i. S. des § 631 BGB außer der Übergabe der Abnahme des Werkes durch den Besteller (§§ 640, 644 BGB)18. Ist bei Werklieferungsverträgen mit Montageverpflichtung außer der Abnahme im Unternehmen des Herstellers auch eine Abnahme im Betrieb des Herstellers nach der Montage im Betrieb des Bestellers vorgesehen, ist für den Realisationszeitpunkt die zweite Abnahme nach Montage maßgeblich19. Es liegen keine Teilleistungen vor. 3. Grundstücke Bei Grundstücken führt die Verschaffung von Eigenbesitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums20.

13 Z.B Woerner, BB 1988, 769; weitere Nachweise bei Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 5 Rz. 609. 14 BFH, Urt. v. 3. 8. 1988 – I R 157/84, BFHE 154, 321, BStBl. II 1989, 21; öVwGH, Erkenntnis v. 8. 3. 1994 – 93/14/0179, ÖStZB 1994, 685. 15 Dafür z. B. Woerner, BB 1988, 769, 775; dagegen Hoffmann, DB 2008, Heft 31, I (Gastkommentar). 16 Im Ergebnis ebenso Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 5 Rz. 609. 17 Vgl. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz. B 83 m. w. N. 18 Ständige Rechsprechung und wohl einhellige Meinung, vgl. z. B. BFH, Urt. v. 8. 9. 2005 – IV R 40/04, BFHE 211, 206, BStBl. II 2006, 26 m. w. N. 19 So zutreffend Hoffmann/Lüdenbach, DStR 2004, 1758, 1760. 20 BFH, Urt. v. 2. 5. 1984 – VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl. II 1984, 820 unter II. 2.a.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Das Erfordernis der Abnahme für die Gewinnrealisierung bei Werkverträgen (s. o. Punkt 2) hat die Frage aufgeworfen, ob es bei Verträgen aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen auf die Abnahme des Sonder- oder des Gemeinschaftseigentums ankommt und ob es sich möglicherweise bei der Erstellung des Sondereigentums einerseits und der des Gemeinschaftseigentums andererseits um abgrenzbare Teilleistungen handelt21. Der BFH hat mit Urteil vom 8. 9. 200522 entschieden, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums maßgeblich ist. Es kommt zur Gewinnrealisation, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im Wesentlichen fertig gestellt Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen hat. Die Gewinnrealisierung betrifft dann nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte. 4. Wertpapiere Bei Wertpapieren erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen sind23. Das kann dadurch geschehen, dass dem Erwerber ein entsprechender Besitzmittlungsanspruch (§ 929 Satz 2 BGB) zu der girosammelverwahrenden Stelle (Deutsche Börse Clearing AG, früher Frankfurter Kassenverein AG) eingeräumt, oder dass ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) vereinbart wird. Entscheidend ist, dass dem Erwerber nach den einschlägigen Börsenusancen und den üblichen Abläufen die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig nicht mehr entzogen werden können (vgl. §§ 25, 29 der Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen24). Der Umstand, dass die entsprechende Umbuchung ggf. erst Tage nach dem Vertragsabschluss vorgenommen worden ist, beeinflusst den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht. Da es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann der Übergang des „wirtschaftlichen Eigentums“ auch dann anzunehmen sein, wenn die erwähnten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben sind25. 21 Vgl. einerseits Mundt und andererseits Uelner, Deutscher Steuerberatertag 1984, 141 f. 22 BFH, Urt. v. 8. 9. 2005 – IV R 40/04, BFHE 211, 206, BStBl. II 2006, 26. 23 BFH, Urt. v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl. II 2000, 527 24 WM 1984, 76 ff.; vgl. auch Wagner, Der Konzern 2007, 199, 203. 25 BFH, Urt. v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl. II 2000, 527.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Der österreichische VwGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Aktienkauf schweizerischem Recht unterlag. Nach Art. 967 des schweizerischen Obligationenrechts (OR) i. V. m. Art. 714 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) wird beim Abschluss eines Kaufvertrages das Eigentum an Inhaberpapieren durch Übertragung des Besitzes an der Urkunde übertragen. Dagegen gehen Nutzen und Gefahr nach § 185 OR, sofern nicht anders vereinbart, bereits bei Abschluss des Kaufvertrages auf den Erwerber über. In dem vom VwGH zu entscheidenden Fall hatte sich die Verkäuferin bereit erklärt, das Risiko des Untergangs der am 7. Dezember verkauften und übergebenen Aktien bis zum 31. Dezember zu übernehmen. Der VwGH entschied, dass hiermit lediglich die in Art. 185 OR erwähnte abweichende Vereinbarung über den Gefahrübergang getroffen worden sei, die nichts daran ändere, dass der Erwerber bei der Übertragung des Besitzes nicht nur das rechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum erworben habe26. 5. Nicht verbriefte Rechte Bei nicht verbrieften Rechten (insbesondere auch Gesellschaftsanteilen) fehlt es an der Besitzübergabe als Kennzeichen des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums. Nach § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf es zur (rechtlichen) Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Nach der Rechtsprechung des BFH geht das wirtschaftliche Eigentum (wirtschaftliche Inhaberschaft) in diesen Fällen über: wenn der Käufer des Anteils (1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und (2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie (3) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.27 Mit den „mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechten“ sind das Recht auf Gewinnbeteiligung bzw. Dividende28, das Stimmrecht bei

26 Öst. VwGH, Erkenntnis v. 15. 2. 2006 – 2002/13/0033, ÖStZB 2006, 591. 27 BFH, Urt. v. 10. 3. 1988 – IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl. II 1988, 832. 28 BFH, Urt. v. 10. 3. 1988 – IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl. II 1988, 832; RFH, Urt. v. 17. 9. 1931 – III A 1016/30, RStBl. 1931, 88.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Gesellschafterbeschlüssen29 und die Verwertungsbefugnis gemeint30. Es handelt sich hier, wenn man so will, um das Pendant zu den Befugnissen, die sich bei körperlichen Gegenständen aus der Übergabe des Besitzes ergeben. Da – wie bereits erwähnt – der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht davon abhängt, dass alle seine Merkmale in vollem und in gleichem Umfang gegeben sind, kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall an. Ausschlaggebend ist nicht das formal Erklärte oder Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und tatsächlich Bewirkte31. So ist beispielsweise das Kriterium des Risikos einer Wertminderung wenig aussagekräftig. Dementsprechend hat es der RFH32 z. B. abgelehnt, im Rahmen eines „Kostgeschäftes“ (Pensionsgeschäftes – s. u. IV. 2.1) dem „Hereingeber“ trotz Übertragung des rechtlichen Eigentums weiterhin das wirtschaftliche Eigentum nur deswegen zuzurechnen, weil er weiterhin das Risiko einer Wertminderung trug. Der RFH hat sogar die Auffassung vertreten, dass das Kursrisiko mit dem wirtschaftlichen Eigentum „nicht das mindeste zu tun“ habe, weil dieses Risiko jeder Käufer nach Abschluss des obligatorischen Kaufvertrages auf sich nehme. Ist hingegen das rechtliche Eigentum noch nicht auf den Erwerber übergegangen, weil die Übereignung bis zur Zahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt war, wird der Erwerber im Jahr des Vertragsschlusses nicht wirtschaftlicher Eigentümer, wenn der endgültige Kaufpreis durch ein im Folgejahr einzuholendes Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung etwaiger zwischenzeitlicher Wertveränderungen festgelegt werden soll33. Hinzu kam in diesem Fall allerdings, dass auch der Übergang des Besitzes an den verkauften Aktien aufschiebend bedingt war. 6. Bedeutung von Optionsrechten Die bloße Einräumung eines Optionsrechts genügt zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums nicht und zwar weder bei körperlichen Gegenständen noch bei Rechten34. 29 RFH, Urt. v. 17. 9. 1931 – III A 1016/30, RStBl. 1931, 868; BFH, Urt. v. 10. 3. 1988 – IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl. II 1988, 832. 30 RFH, Urt. v. 17. 9. 1931 – III A 1016/30, RStBl. 1931, 868; BFH, Urt. v. 18. 5. 1995 – IV R 125/92, BFHE 178, 63, BStBl. II 1996, 5. 31 BFH, Urt. v. 18. 5. 2006 – III R 25/05, BFHE 213, 499 Leasing einer Telefonanlage. 32 RFH, Urt. v. 17. 9. 1931 – III A 1016/30, RStBl. 1931, 868. 33 BFH, Urt. v. 22. 7. 2008 – IX R 74/06, DB 2008, 2168. 34 Aus jüngerer Zeit: BFH, Urt. v. 4. 7. 2007 – VIII R 68/05, BFHE 218, 299, BStBl. II 2007, 937 mit Anm. Mayer, FR 2008, 139 zu einer Call-Option auf den Erwerb von Aktien.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Zum einen kann das Bestehen einer Option nach dem Leasingurteil des BFH35 überhaupt nur dann zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums führen, wenn nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Optionsrechts gerechnet werden kann. Zum anderen reicht allein die Wahrscheinlichkeit der Ausübung des Optionsrechts für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht aus. Das ergibt sich aus der Entscheidung des BFH zum Fall eines bindenden Verkaufsangebotes36. Der BFH rechnete den verkauften Grundstücksanteil weiterhin dem Veräußerer zu, obwohl der Erwerber ohne weitere Mitwirkung des Veräußerers den Erwerb des Eigentums herbeiführen konnte. Zur Wahrscheinlichkeit der Annahme des Verkaufsangebotes hat sich der BFH nicht geäußert. Vielmehr hob er hervor, dass vom Übergang des wirtschaftlichen Eigentums des Erwerbers nur dann hätte ausgegangen werden können, wenn er die tatsächliche Herrschaft über das gekaufte Wirtschaftsgut (Grundstückshälfteanteil) so hätte ausüben können, dass die Veräußerin als die nach bürgerlichem Recht Berechtigte von einer Einwirkung ausgeschlossen gewesen wäre. Daran fehlte es im Streitfall, solange die Veräußerin infolge des fortbestehenden Mietverhältnisses den (mittelbaren) Besitz behielt. Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit der Optionsausübung conditio sine qua non für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Ob die Ausübung hinreichend wahrscheinlich ist, hängt davon ab, ob sie dem Inhaber der Option wirtschaftliche Vorteile bringt37. Nach IAS 17 Par. 10 ist von der Ausübung auszugehen, wenn die Kaufoption es gestattet, den Vermögenswert zu einem Preis zu erwerben, der erwartungsgemäß deutlich niedriger ist, als der zum möglichen Optionsausübungszeitraum beizulegende Zeitwert. Die Option ist dann „deutlich im Geld“ (deeply in the money)38 7. Bedeutung von Doppeloptionen 7.1 Doppeloption als Termingeschäft Die Ausübung des Optionsrechts hat der BFH nach diesem Maßstab für hinreichend sicher gehalten, bei wechselseitigen oder Doppeloptionen, die sich zeitlich überschneiden und denen ein von vorn herein festgelegter Kaufpreis zugrunde liegt39. 35 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 26. 1. 1970 – IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl. II 1970, 264 – Grundsatzurteil zum Finanzierungsleasing unter C. II. 7. 36 BFH, Urt. v. 27. 9. 1979 – IV R 149/72, BFHE 129, 439, FR 1980, 248. 37 BMF, Schr. v. 21. 3. 1971, BStBl I 1992, 188 unter I. 2. c) bb). 38 Vgl. IAS 39 Anhang 51f; Hoffmann, GmbHR 2007, 54, 56. 39 BFH, Urt. v. 11. 7. 2006 – VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl. II 2007, 296.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Fall: Mit notariellem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 24. Juli 1992 veräußerte A (Verkäufer), der zugleich Geschäftsführer der X-GmbH (Stammkapital: 200 000 DM) war, die Hälfte seiner Beteiligung (50 v. H.) einschließlich der darauf entfallenden Gewinnbeteiligungen ab dem 1. Januar 1992 zu einem Kaufpreis von insgesamt 4 Mio. DM an die Y-GmbH (Käuferin). Ferner erhielt die Käuferin das unwiderrufliche Recht, jederzeit zwischen dem 1. Juli 1997 und dem 30. Juni 1999 die dem Verkäufer verbliebenen Anteilsrechte (50 v. H.) zu erwerben (Ankaufsrecht). Umgekehrt wurde dem Verkäufer das gleichfalls unwiderrufliche Recht gewährt, in der Zeit von 24. Juli 1992 bis 30. Juni 1999 die ihm verbliebenen Beteiligungen an die Käuferin zu veräußern (Andienungsrecht). Beide Optionsrechte konnten nur bezüglich sämtlicher Geschäftsanteile des Verkäufers ausgeübt werden. Die Anteile waren zu einem festen und von der Wertentwicklung der Beteiligungen unabhängigen Kaufpreis in Höhe von 4 Mio. DM zu übertragen. Für das Jahr der Ausübung des Optionsrechts sollte dem Verkäufer zwar noch das Gewinnbezugsrecht zustehen. Nicht ausgeschüttete Gewinne dieses oder eines früheren Geschäftsjahres konnte der Verkäufer jedoch selbst im Falle der Auflösung von Kapitalrücklagen nicht beanspruchen. Nach dem neu gefassten Gesellschaftsvertrag der X-GmbH vom 24. Juli 1992 wurde ein weiterer alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer auf Vorschlag der Käuferin bestellt; ab diesem Zeitpunkt stand dem bisherigen Anteilseigner kein Alleinvertretungsrecht mehr zu und er war auch nicht mehr von Vertretungsbeschränkungen des § 181 BGB befreit. Für außergewöhnliche Rechtsgeschäfte hatten die Geschäftsführer die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Deren Beschlüsse waren grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen, wobei die Geschäftsanteile der Käuferin 1.002 Stimmen gewährten, auf die Anteilsrechte des Verkäufers hingegen nur 1.000 Stimmen entfielen. Lediglich für die Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals, andere Änderungen des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung (Verschmelzung) der Gesellschaft war eine Mehrheit von 75 v. H. der abgegebenen Stimmen erforderlich. Verfügungen über die Geschäftsanteile bedurften grundsätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter; ausgenommen hiervon war lediglich die Übertragung der Anteilsrechte durch die Käuferin an verbundene Unternehmen. Mit notariellem Verkaufs- und Abtretungsvertrag vom 7. August 1997 übte die Käuferin ihr Optionsrecht aus.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Lösung: Nach Ansicht des FG hatte der Verkäufer im Jahr 1992 lediglich einen Gewinn aus der Veräußerung der bereits in diesem Jahr übertragenen Geschäftsanteile (50 v. H.) erzielt. Hinsichtlich der übrigen Anteile hat das FG den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Jahr 1992 mit der Begründung verneint, dass der Verkäufer zum einen sein Stimmrecht nicht vollständig aufgegeben habe. Zum anderen habe ihm, wenn auch in eingeschränktem Umfang, ein Gewinnbezugsrecht zugestanden. Der BFH hob die Entscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Höhe des Kaufpreises sei für sämtliche (zivilrechtlich) zurückbehaltenen Gesellschaftsanteile auf 4 Mio. DM bestimmt worden, wobei die Vertragsbeteiligten offenkundig den Wert des Unternehmens der X-GmbH im Jahre 1992 zugrunde gelegt hätten. Daher müsse gemessen an dem „Regelfall“ (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977), d. h. an dem im Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrags (24. Juli 1992) typischerweise zu prognostizierenden Geschehensablauf, davon ausgegangen werden, dass – jedenfalls im Überschneidungsbereich der vereinbarten Optionszeiträume (1. Juli 1997 bis 30. Juni 1999) – entweder der Verkäufer zur Abwendung eines Vermögensverlustes oder die Käuferin zur Realisierung eines Vermögenszuwachses von ihren Optionsrechten Gebrauch machen würden. Damit aber stehe zugleich fest, dass – ebenso wie im Falle eines Terminverkaufs – sowohl das Risiko der Wertminderungen der streitbefangenen Anteilsrechte als auch die Chance ihrer Wertsteigerung bereits mit Abschluss des Übertragungsvertrags auf die Käuferin übergegangen sei. Bei der Anlehnung des Falles an den Terminverkauf bezog sich der BFH auf ein älteres BFH-Urteil vom 10. 3. 198840, in dem es um ein Geschäft ging, bei dem der formgerecht abgeschlossene dingliche Abtretungsvertrag mit einer Befristung versehen war41. Bereits in diesem Fall hatte der 40 BFH, Urt. v. 10. 3. 1988 – IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl. II 1988, 832. 41 Unter den Begriff der Termingeschäfte fallen auch solche Geschäfte, die lediglich auf einen Differenzausgleich gerichtet sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG (ab VZ 2009 § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG) nur solche Geschäfte betreffen, wohingegen der der – wortgleiche – § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG auch Termingeschäfte erfassen soll, die auf reale Lieferung gerichtet sind (Bay. Landesamt für Steuern, Vfg. v. 9. 3. 2007, DStR 2007, 719 unter Bezugnahme auf BMF, Schr. v. 27. 11. 2001, BStBl. I 2001, 986; zustimmend Schmidt/Wacker, aaO. § 15 Rz. 902 m. w. N.). Bei privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 ist zudem darauf zu achten, dass sich die Behaltefrist nach den obligatorischen Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäften bestimmt (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH, Urt. v. 13. 12. 2005 – IX R 14/03, BFHE 212, 127, BStBl. II 2006, 513).

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt BFH den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (nur) deshalb angenommen, weil der Erwerber nicht nur eine rechtlich geschützte, unentziehbare Rechtsposition erworben hatte, sondern auch die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte auf ihn übergegangen waren42. Mithin lag auch im Fall des BFH-Urteils vom 11. 7. 200643 das Schwergewicht auf der Erörterung der Frage, ob Stimmrechte und Gewinnbezugsrecht in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Kern bereits dem Erwerber zustanden. Das hat der BFH im Gegensatz zur Vorinstanz angenommen bzw. für möglich gehalten. Dem Übergang der Mitwirkungsrechte (Stimmrechte) im Jahr 1992 stand nach Auffassung des BFH nicht entgegen, dass für satzungsändernde Beschlüsse eine Mehrheit von 75 v. H. der abgegebenen Stimmen erforderlich war und der Verkäufer deshalb bis zur Abtretung der Geschäftsanteile solche Beschlüsse hätte blockieren können. Zwar lasse sich nicht sagen, dass satzungsändernde Beschlüsse nicht in den Bereich des in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO genannten „Regelfalls“ fielen. Gleichwohl sei nach dem Gesamtbild des Streitfalls für das anhängige Verfahren eine abweichende Würdigung angezeigt, weil nach dem bisherigen Vortrag keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Vertragspartner gemessen an dem durch diese Vertragsbestimmungen vorgezeichneten (typischen) Geschäftsverlauf ernsthaft die Möglichkeit einer satzungsändernden Beschlussfassung vor Ausübung der Optionsrechte in Betracht gezogen hätten. Vielmehr hätten sie offenkundig das Erfordernis einer Umstrukturierung in persönlicher Hinsicht insoweit bedacht, als sie der Käuferin die Weiterveräußerung der im Jahre 1992 abgetretenen Gschäftsanteile innerhalb ihres Konzernverbunds ohne Zustimmung der Altgesellschafter gestattet hätten. Lediglich hinsichtlich des Gewinnbezugsrechts hielt es der BFH für denkbar, dass es geeignet sein könnte, den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den (zivilrechtlich) dem Altgesellschafter verbliebenen Geschäftsanteilen bereits im Jahre 1992 zu verhindern. Allerdings war nach den für den BFH erkennbaren Umständen das Gewinnbezugsrecht durch die Verpflichtung zur Rücklagenbildung und bestehende Verlustvorträge eingeschränkt. Er gab daher dem FG auf, zu prüfen, ob dem Gewinnbezugsrecht angesichts des vereinbarten Kaufpreises von 4 Mio. DM ein wirtschaftlich zu beachtendes Gewicht zugekommen sein könnte.

42 Vgl. auch Rödder in Schaumburg (Hrsg), Unternehmenskauf im Steuerrecht, 2004, S. 67, 73 und in Rödder/Hötze/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf-Unternehmensverkauf (2003), § 26 Rz. 8. 43 BFH, Urt. v. 11. 7. 2006 – VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl. II 2007, 296.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Der zweite Rechtsgang endete mit einem Kostenbeschluss nach Erledigung der Hauptsache (§ 138 Abs. 1 FGO). Das FG erlegte dem Kläger 73 v. H. der Kosten auf, dem FA 27 v. H.44. Daraus ist zu schließen, dass dem zurückbehaltenen Gewinnbezugsrecht kein wirtschaftlich zu beachtendes Gewicht zukam und der Teilerfolg der Klage sich auf andere Punkte beschränkte. Das Urteil ist im Schrifttum vorwiegend positiv aufgenommen und als Richtschnur für Gestaltungsmöglichkeiten begrüßt worden45. Kritik äußern lediglich Schmidt/v.Busekist/Drescher46. Sie vertreten die Auffassung, der für den Veräußerer und Erwerber bestehende Anreiz zur Ausübung des jeweiligen Optionsrechts rechtfertige nicht die Annahme einer geschehenstypischen Optionsausübung, solange die Wertdifferenz nicht eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreite. Es erscheine verfehlt, die für am Kapitalmarkt gehandelte Terminkontrakte geltenden Regelungen auf den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer mittelständischen GmbH zu übertragen. Wichtiger als das Interesse an kurzfristigen Gewinngenerierungen durch die Ausübung von Optionsrechten erschienen Gesichtspunkte wie Markterschließung, strategische Geschäftsentwicklung oder familiäre Gründe. Dem ist entgegen zu halten, dass gerade auch diese Gesichtspunkte Anlass für den Veräußerer oder Erwerber sein können, jeweils die ihm zustehende Option auszuüben, der Verkäufer, wenn ihm die genannten Entwicklungen gegenüber der Zeitpunkt der Begründung der Optionsrechte ungünstig, der Erwerber, wenn sie ihm günstig erscheinen. 7.2 Doppeloption führt nicht zu einem Termingeschäft Eine Doppeloption führt aber nicht einmal immer dazu, dass das Geschäft als Terminverkauf einzustufen ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst ein Urteil des FG Hamburg47 aus dem Jahr 1988 zu nennen. Der Fall wies gegenüber dem des BFH-Urteils vom 11. 7. 200648 die Besonderheit auf, dass die Kaufoption erst nach acht Jahren, die Verkaufsoption erst nach 12 Jahren ausgeübt werden konnte. Nebeneinander bestanden die Optionsrechte mithin erst nach einem Ablauf von 12 Jahren und somit außerhalb des streitigen Zeitraums. Das FG verneinte das Vorliegen eines Terminverkaufs und verglich den Fall – freilich vor Inkrafttre44 FG Köln, Beschl. v. 22. 7. 2008 – 1 K 4480/06, n. v. 45 Kutt, DB 2006, 2669; Weber, BB 2006, 2681; Hoffmann, GmbHR 2007, 54; Hoffmann, PiR 2008, 278 mit Hinweis auf die Behandlung nach IFRS; Wagner, Der Konzern 2007, 199; Mayer, FR 2008, 139; Fraberger, RdW 2008, 170. 46 Schmidt/v.Busekist/Drescher, FR 2007, 1, 10. 47 FG Hamburg, Urt. v. 24. 9. 1987 – II 133/84, EFG 1988, 475. 48 BFH, Urt. v. 11. 7. 2006 – VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl. II 2007, 296.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt ten des 1990 eingefügten § 340b Abs. 4 HGB – mit dem eines echten Pensionsgeschäftes (hierzu nachstehend unter IV. 2.1). Ähnlich lagen die Umstände des Falles, der dem BFH-Urteil vom 30. 8. 2007 zugrunde lag49. Die Optionsrechte konnten frühestens in dem auf die Vereinbarung folgenden Jahr ausgeübt werden. Aus einem anderen Grund scheiterte die Annahme eines Terminverkaufs im Fall des BFH-Urteils vom 19. 12. 200750. Auch diesem Fall lag eine Doppeloption zugrunde, im Gegensatz zum Fall des BFH-Urteils vom 11. 7. 200651 war jedoch der Kaufpreis nicht von vorn herein fest vereinbart, so dass es keine Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und späterer Wertentwicklung geben konnte, die die eine oder die andere Vertragspartei zur Ausübung ihres Optionsrechts hätte veranlassen können. In allen drei Fällen hätte indessen unabhängig vom Fehlen eines Terminskaufs der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums allein aus dem Grund verneint werden können, dass dem potentiellen Erwerber vor der Optionsausübung weder Stimmrecht noch Gewinnbezugsrecht zustanden52.

IV. Frage nach dem „verborgenen Geschäft“ 1. Finanzierungsleasing Im Fall des Finanzierungsleasings verbirgt sich hinter einer Nutzungsüberlassung die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Leasingnehmer (Ratenkauf). Fallgruppen53: (1) Das Leasinggut ist derart auf die Bedürfnisse des Leasingnehmers zugeschnitten, dass es der Leasinggeber nach einer Rückgabe nicht anderweitig verwenden könnte; (2) die Grundmietzeit (die Zeit, in der der Mietvertrag bei vertragsgemäßem Verhalten nicht kündbar ist) deckt sich in etwa mit der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggutes;

49 50 51 52

BFH, Urt. v. 30. 8. 2007 – IV R 22/06, BFH/NV 2008, 109 unter II. 2. b). BFH, Urt. v. 19. 12. 2007 – VIII R 14/06, BStBl. 2008, 475, DStR 2008, 668. BFH, Urt. v. 11. 7. 2006 – VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl. II 2007, 296. Der BFH entschied allerdings, dass auch eine schuldrechtliche Option auf den Erwerb einer Beteiligung eine Anwartschaft i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen und somit zu einem steuerbaren Gewinn i. S. des § 17 EStG führen kann; s. hierzu Strahl, BeST 2008, 18. 53 Vgl. BFH, Urt. v. 30. 5. 1984 – I R 146/81, BFHE 141, 509, BStBl. II 1984, 825.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt (3) nach Ablauf der Grundmietzeit hat der Leasingnehmer eine Option auf Verlängerung der Mietzeit oder auf Ankauf des Leasinggutes. Im letztgenannten Fall geht das wirtschaftliche Eigentum – wie bereits unter Punkt III. 6. ausgeführt – nur dann auf den Leasingnehmer über, wenn mit der Ausübung des Optionsrechts gerechnet werden kann, was nach Auffassung des BFH umso eher der Fall ist, je kürzer die Grundmietzeit im Verhältnis zur Nutzungsdauer ist; denn der Leasingnehmer wird bestrebt sein, für seine hohen Anfangszahlungen auch einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten54. Im Gegensatz zur vorstehend behandelten ersten Fallgruppe, in der nur der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs zweifelhaft ist, stellt der Übergang von Besitz und Nutzungsmöglichkeiten naturgemäß kein Problem dar. Gegenstand von Diskussionen war in jüngerer Zeit insbesondere die steuerliche Behandlung von Flugzeug- und Filmleasingfonds, in denen dem Leasingnehmer – anders als sonst bei typischen Teilamortisationsleasingverträgen55 ein Ankaufsrecht eingeräumt ist. Bei Vertragsende hat er eine Abschlusszahlung in Höhe der Restamortisation zu entrichten. Übt er sein Ankaufsrecht aus, wird die Abschlusszahlung auf den Kaufpreis angerechnet. Übersteigt der Verkehrswert die Abschlusszahlung, so muss der Leasingnehmer zusätzlich 25,1 v. H. des übersteigenden Betrages an den Leasinggeber entrichten. Wird dagegen der Leasinggegenstand an einen Dritten veräußert so steht dem Leasingnehmer der Verkaufserlös zu 74,9 v. H. und dem Leasinggeber zu 25,1 v. H. zu. Die Finanzverwaltung rechnet in diesen Fällen den Leasinggegenstand dem Leasingnehmer als wirtschaftlichem Eigentümer zu56. Kommt es – wie bereits ausgeführt (unter III. 6.) – auf die Frage an, ob die Option „deeply in the money“ ist, wäre die Auffassung der Finanzverwaltung (nur) dann richtig, wenn von vorn herein feststünde, dass bei Flugzeugen und Filmrechten nach Ablauf des Leasingzeitraums der Verkehrswert deutlich höher ist als die Restamortisation. 2. Sale-and-buy-back-Geschäfte Von Sale-and-buy-back-Geschäften spricht man bei Gestaltungen, bei denen Vermögensgegenstände veräußert und zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. bereits nach kurzer Zeit oder auch aufgrund zeitgleich abgeschlossener Geschäfte zurückerworben werden. Je nach Gestaltung kann es sich gewissermaßen um das Spiegelbild zum Leasing handeln: hinter 54 BFH, Urt. v. 26. 1. 1970 – IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl. II 1970, 264 unter III. 2.c). 55 Hierzu BMF, Schr. v. 22. 12. 1975, DB 1976, 172, Anh. 21 III EStH. 56 OFD Frankfurt, Vfg. v. 20. 6. 2006, FR 2006, 793; a. M. Rüber/Angloher, FR 2008, 498.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt der Eigentumsübertragung kann sich eine Nutzungsüberlassung verbergen. 2.1 Echte Pensionsgeschäfte Gesetzlich geregelt ist die bilanzielle Behandlung von Pensionsgeschäften. Beim sog. echten Pensionsgeschäft (§ 340b Abs. 2 HGB) wird der Pensionsnehmer bürgerlich-rechtlich Inhaber der in Pension genommenen Vermögensgegenstände (in der Regel Forderungen, Wechsel, Wertpapiere). Trotz der Verpflichtung des Pensionsnehmers, die übergebenen Vermögensgegenstände (oder bei entsprechender Vereinbarung Vermögensgegenstände der gleichen Gattung57) zu einem bestimmten oder vom Pensionsgeber zu bestimmenden Termin zurück zu übertragen (§ 340b Abs. 2 HGB), ist der BFH früher davon ausgegangen, dass das wirtschaftliche Eigentum (außer bei bloßen Sicherungsgeschäften) nicht beim Pensionsgeber verbleibt58. Demgegenüber bestimmt § 340b Abs. 4 HGB nunmehr, dass die übertragenen Vermögensgegenstände weiterhin in der Bilanz des Pensionsgebers auszuweisen sind. In Höhe des für die Übertragung erhaltenen Betrages hat der Pensionsgeber eine Verbindlichkeit auszuweisen. Die wohl herrschende Meinung geht davon aus, dass § 340b Abs. 4 HGB einen GoB wiedergibt, der von allen Kaufleuten, nicht nur von den unmittelbar angesprochenen Kreditinstituten zu beachten ist59. Es wird aber auch die Meinung vertreten, dass § 340b Abs. 4 HGB zumindest steuerrechtlich nicht maßgeblich sei. Diese Auffassung stützt sich darauf, dass das Pensionsgut während der Pensionszeit vom Pensionsnehmer veräußert werden kann und dem Zugriff seiner Gläubiger unterliegt60. Der RFH hatte angenommen, bei formaler Betrachtungsweise setze sich das „Kostgeschäft“ zwar aus einem sofort zu erfüllenden Verkauf von Wertpapieren und einem später zu erfüllenden Ankauf zusammen. Wirtschaftlich liege aber ein Darlehensgeschäft und kein Kaufvertrag vor („wechselseitige Geld- und Sachdarlehen“61). Bei Weggabe von gattungsmäßig bestimmten Wertpapieren gegen Begründung eines gattungsgleichen Rückgabeanspruchs liege „keine auch nur teilweise Realisierung“ vor62.

57 58 59 60 61 62

Böcking/Löw/Wohlmannstetter in MüKo HGH, 2. Aufl., § 340b Rz. 14. BFH, Beschl. v. 29. 11. 1982 – GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl. II 1983, 272. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz. B 238 m. w. N. Z. B. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 39 AO Rz. 108. Häuselmann, BB 2000, 1287, 1291 RFH, Urt. v. 3. 10. 1928 – VI A 1153/28, StuW 1928, 1423 (Nr. 816).

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt 2.2 Unechte Pensionsgeschäfte Bei einem unechten Pensionsgeschäft (§ 340b Abs. 3 HGB) ist der Pensionsnehmer lediglich berechtigt, die Vermögensgegenstände zu einem von vorn herein bestimmten oder noch zu bestimmenden Zeitpunkt zurück zu übertragen (Put-Option). Hier geht sowohl das rechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber über (§ 340b Abs. 5 HGB). Übersteigt der vom Pensionsgeber erzielte Veräußerungserlös den Buchwert des abgehenden Vermögensgegenstandes und besteht die Verpflichtung, den Vermögenswert zu selben Preis zurück zu erwerben, ist die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Buchwert als Verbindlichkeit zu passivieren, solange das Risiko besteht63. Das Pensionsgut ist dagegen weiterhin beim Veräußerer auszuweisen, sofern aus rechtlichen oder sachlichen Gegebenheiten abzuleiten ist, dass der Erwerber unter Würdigung aller Umstände gezwungen ist, das Rückveräußerungsrecht auch wahrzunehmen64. Solche Umstände sind vor allem dann gegeben, wenn im Vorhinein ein entsprechend hoher Rückveräußerungspreis vereinbart wurde, die Option also i. S. von IAS 39 Anhang 51f „deeply in the money“ ist. 2.3 Rücktrittsrecht des Erwerbers für den Fall des Fehlschlags einer Weiterveräußerung65 Die Verkäuferin veräußerte im Jahr 1983 ein ihr gehörendes Mietwohngrundstück an die Erwerberin, die beabsichtigte, den erworbenen Grundbesitz in Eigentumswohnungen aufzuteilen und sodann die Wohnungen zu veräußern. Für den Fall, dass die Wohnungen bis zum 31. 12. 1983 nicht verkauft waren, stand ihr ein Rücktrittsrecht zu, das sie im Jahr 1984 auch ausübte. Der BFH nahm an, dass wegen des Übergangs von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr im Jahr 1983 das wirtschaftliche Eigentum auf die Erwerberin übergegangen sei. Der drohenden Ausübung des Rücktrittsrechts war nach Auffassung des BFH durch Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung Rechnung zu tragen, falls am Bilanzstichtag 31. 12. 1983 die Ausübung des Rücktrittsrechts hinreichend wahrscheinlich war. Hoffmann hat die Entscheidung im Jahr ihrer Veröffentlichung kritisiert66. Er hielt den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums in einem solchen Fall zumindest für zweifelhaft. In einem neueren Aufsatz67 hat er 63 64 65 66 67

IDW ERS HFA 13 n. F. Rz. 24. IDW ERS HFA 13 n. F., Rz. 25, 26. Fall des BFH, Urt. v. 25. 1. 1996 – IV R 114/94, BFHE 180, 57, BStBl. II 1997, 382. Hoffmann, BB 1996, 1821. Hoffmann/Lüdenbach, DStR 2004, 1758, 1761 f.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt sich dafür ausgesprochen, diese Gestaltung wie einen exklusiven Maklervertrag oder ein Kommissionsgeschäft zu werten. Wenn er sich dabei auf den Vorschlag in IDW ERS HFA 13 in der Fassung von 200468 stützt, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Fassung nicht mehr aktuell ist. Hieß es in der Fassung von 2004 noch, dass ein an den Fehlschlag des Weiterverkaufs geknüpftes Rücktrittsrecht wirtschaftlich einer Verkaufskommission entspreche, so lautet die Fassung von 200769 einschränkend, dass dies so sein könne. M. E. spricht im Fall des BFH-Urteils gegen die Parallele zur Verkaufskommission, dass der Erwerber nicht für Rechnung des Veräußerers tätig werden sollte. Es scheint mir naheliegend, die Gewinnrealisierung – wie im Fall eines unechten Pensionsgeschäfts (s. o. unter IV. 2.2) – durch Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung zu vermeiden70, allerdings ohne die vom BFH verlangte Prüfung, ob die Ausübung der Option wahrscheinlich ist. Wäre sie wahrscheinlich – was im Vorhinein kaum festzustellen sein wird –, ginge m. E. das wirtschaftliche Eigentum nicht über (s. o. unter IV. 2.2). 2.4 Autoverkäufe an Großabnehmer mit Rückgabemöglichkeit Ein Autohändler veräußerte an zwei Leasinggesellschaften und an eine Autovermietung Neuwagen. Bei Vertragsabschluss verpflichtete er sich gegenüber den Leasinggesellschaften, die verkauften Fahrzeuge nach Ende der Leasingzeit zu festgesetzten Preisen zurückzukaufen. Nach dem mit der Autovermietung geschlossenen Rahmenvertrag war der Autohändler verpflichtet, die verkauften Fahrzeuge nach einer Mindestlaufzeit zurückzukaufen, wenn die Autovermietung ihm dies anbot. Diese Verpflichtung bestand auch, wenn anstatt eines bestimmten bei dem Autohändler gekauften Fahrzeugs ein nach Modell und Ausstattung gleichartiges Fahrzeug zum Kauf angeboten wurde. Der Rückkaufpreis errechnete sich nach den im Rahmenvertrag im Einzelnen festgelegten Kriterien. Der BFH ging in seinem Urteil vom 11. 10. 200771 davon aus, dass die Leasinggesellschaften und die Autovermietung nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Eigentümer geworden seien. Die Rückkaufverpflichtung war seiner Auffassung nach im Wege einer Verbindlichkeitsrückstellung zu berücksichtigen72. Demgegenüber soll nach 68 WPg 2004, 952 Rz. 27. 69 IDW ERS HFA 13 n. F. Rz. 34. 70 IDW ERS HFA 13 n. F. Rz. 24; so auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 249. 71 BFH, Urt. v. 11. 10. 2007 – IV R 52/04, BFHE 219, 129, DStR 2008, 237 72 Zustimmend Paal, BB 2008, 496; Jebens, DB 2008, 833; kritisch, Naujok, FR 2008, 517 und Hoffmann, DStR 2008, 240; Nichtanwendung: OFD Hannover, Vfg,. v. 18. 3. 2008 – S 2137–124 – StO 222/221.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt Hoffmann73 der Fall unter Rückgriff auf IAS 17 zur Leasingbilanzierung gelöst werden. Es sei die verdeckte Nutzungsvergütung im Zeitablauf als Umsatz zu realisieren und nicht der „scheinbare Verkaufserlös“74. Offenbar werden nach der internen Bilanzierungsanweisung des Peugeot Citoen-Konzerns derartige Gestaltungen tatsächlich als Operating-Leasing eingeordnet75. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass ein Unterschied zu dem als Miete oder Pacht anzusehenden Operating-Leasing darin besteht, dass die nutzende Autovermietung (oder die Leasinggesellschaft) als rechtliche Eigentümerin über die Autos verfügen kann, dass die Wagen dem Zugriff ihrer Gläubiger ausgesetzt sind und dass sie das Risiko des zufälligen Untergangs trägt. Daher hat der BFH m. E. zu Recht entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum auf die Autovermietung (Leasinggesellschaft) als Abnehmer übergeht. In diesem Sinne verstehe ich auch die einschlägige Stellungnahme des IDW76. Danach sollen die wesentlichen Elemente des wirtschaftlichen Eigentums (Risiko des zufälligen Untergangs) beim Veräußerer verbleiben, wenn der Vermögensgegenstand dem Käufer – bezogen auf die Nutzungsdauer – nur kurzfristig zur Verfügung steht. Steht der abnutzbare Vermögensgegenstand dem Käufer dagegen über einen erheblichen Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zur Verfügung, geht die Stellungnahme des IDW davon aus, dass das Restwertrisiko als Differenz aus dem fest vereinbarten Preis und dem verbleibenden Verkehrswert im Allgemeinen nicht wesentlich sein werde, so dass von einem Abgang der wesentlichen Elemente des wirtschaftlichen Eigentums beim Verkäufer auszugehen sei. Für das Restrisiko soll erforderlichenfalls eine Rückstellung für drohende Verluste gebildet werden77, die allerdings nach § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG in der Steuerbilanz nicht mehr zulässig ist.78 M. E. bietet sich auch hier die Parallele zum unechten Pensionsgeschäft an (s. o. unter IV. 2.2). Der Unterschied, dass die von der Put-Option betroffenen Autos im Gegensatz zu Wertpapieren der Abnutzung unterliegen79, scheint mir in diesem Zusammenhang nicht wesentlich zu sein.

73 Hoffmann, DStR 2008, 240. 74 Ähnlich bereits Hoffmann/Lüdenbach, DStR 2005, 1331 und DStR 2004, 1758. 75 „Direct new vehicle sales with a buy back commitment are not recognised at the time of deliveriy but accounted for as operating leases“, zitiert nach Hoffmann, DStR 2008, 240. 76 IDW ERS HFA 13 n. F. Rz. 16 und 17. 77 So auch noch die BFH, Urt. v. 15. 10. 1997 – I R 16/97, BFHE 184, 439, BStBl. II 1998, 249 und v. 22. 10. 1998 – I R 35/97, BFHE 187, 440, BStBl. II 1999, 171. 78 Hierzu Krüger, FR 2008, 625. 79 Hoffmann, DStR 2008, 240.

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Kempermann, Wirtschaftliches Eigentum und Realisationszeitpunkt

V. Zusammenfassung – Solange es am Übergang des Besitzes oder – bei Gesellschaftsanteilen – am Übergang der „mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte“ fehlt, geht das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den Erwerber über. Es kommt auch (noch) nicht zu einer Gewinnrealisierung beim Veräußerer. – Sog. Doppeloptionen können wie ein Terminkauf behandelt werden, wenn sie sich zeitlich überschneiden und wenn ihnen ein von vorn herein festgelegter Kaufpreis zugrunde liegt. Damit es zur Gewinnrealisierung kommt, müssen zusätzlich die vorstehend genannten Voraussetzungen (Übergang des Besitzes oder der „wesentlichen Rechte“) erfüllt sein. – Beim Finanzierungsleasing handelt es sich um einen verdeckten Ratenkauf. Ein sale-and-buy-back-Geschäft kann unter bestimmten Umständen als verdecktes Operating-Leasing anzusehen sein. Der BFH neigt jedoch dazu, Gewinnrealisierung beim Veräußerer anzunehmen und die Rückkaufverpflichtung im Wege einer Verbindlichkeitsrückstellung zu berücksichtigen.

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Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Dipl.-Kfm. Manfred Günkel Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Inhaltsübersicht

I. Umgekehrte Maßgeblichkeit bei der Übertragung von § 6b EStGRücklagen II. Rückstellungsbildung – rechtliche Entstehung vs. wirtschaftliche Verursachung III. Abgrenzung Drohverlustrückstellung/Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten IV. Bilanzberichtigung/Bilanzänderung

V. Pensionsrückstellungen – Nachholverbot und Aktivierung von Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen VI. Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei Teilwertabschreibungen VII. Berücksichtigung nichtabzugsfähiger Rückstellungen beim Unternehmenskauf

I. Umgekehrte Maßgeblichkeit bei der Übertragung von § 6b EStG-Rücklagen Fall: Die A-GmbH ist zu 50 % an der Personengesellschaft B-KG beteiligt. Im Jahr 01 erzielt die A-GmbH einen nach § 6b EStG begünstigten Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern und bildet in ihrer Bilanz gem. § 6b Abs. 3 EStG eine Rücklage (Reinvestitionsrücklage). Im Jahr 02 erwirbt die Personengesellschaft B-KG Wirtschaftsgüter. Die Mitunternehmerin A-GmbH überträgt die in ihrem Betriebsvermögen gebildete § 6b-Rücklage auf das Reinvestitionsobjekt der B-KG. Lösungshinweise: § 6b EStG gestattet dem Steuerpflichtigen, stille Reserven, die sich in bestimmten Arten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gebildet haben und die bei einer Veräußerung aufgedeckt werden, auf Reinvestitionen zu übertragen. Der Steuerpflichtige kann den Veräußerungsgewinn entweder im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der neuen Wirtschaftsgüter abziehen oder zunächst in eine gewinnmindernde, auf vier Jahre befristete Rücklage einstellen und auf Investitionen in späteren Zeitpunkten übertragen. Diese Übertragungsmöglichkeit wird von Unternehmen häufig genutzt, da hierdurch nachhaltige Steuerstundungseffekte erzielt werden können. Entsprechend dem Charakter einer steuerlichen Begünstigungsvor263

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht schrift – gefördert werden sollen ökonomisch sinnvolle strukturelle Anpassungsmaßnahmen – sind die einzuhaltenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompliziert. Natürliche Personen, Personengesellschaften und Gemeinschaften (§ 6b Abs. 10 EStG) sowie juristische Personen, die jeweils im Inland unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind und den Gewinn ihres Betriebs nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, sind berechtigt die Vergünstigung des § 6b EStG in Anspruch zu nehmen. Die begünstigten Veräußerungsobjekte sind in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG abschließend aufgezählt, d. h. auf darin nicht aufgeführte Wirtschaftsgüter ist eine entsprechende Anwendung nicht zulässig. Begünstigt sind die Reinvestitionen in Grund und Boden, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden entstanden ist, die Reinvestition in Aufwuchs auf dem Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn er zu einem Land- und Forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden oder Aufwuchs mit dem dazugehörigen Grund und Boden entstanden ist und die Reinvestition in Gebäude, soweit der Gewinn bei Veräußerung von Grund und Boden, Aufwuchs im vorgenannten Sinne oder Gebäuden entstanden ist. Die Wirtschaftsgüter müssen im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben. Nach der bis zum 31. 12. 1998 und seit dem 1. 1. 20021 geltenden Rechtslage ist Anspruchsberechtigter für die Übertragung stiller Reserven auf Reinvestitionsobjekte bzw. die Bildung von Rücklagen im Falle von Personengesellschaften nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter (Mitunternehmer). In den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2001 war Anspruchsberechtigter die Gesellschaft selbst2. Die Personenbezogenheit nach geltendem Recht ermöglicht die wechselseitige Übertragung von begünstigten Gewinnen zwischen dem Mitunternehmer und der Personengesellschaft.3 Da § 6b EStG nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2007 auch bei der Einkommensermittlung einer Kapitalgesellschaft entsprechend anzuwenden ist, besteht die Übertragungsmöglichkeit auch für Kapitalgesellschaften. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass in der A-GmbH realisierte Veräußerungsgewinne bei den genannten begünstigten Wirtschaftsgütern erfolgsneutral auf begünstigte Investitionen der B-KG übertragen werden können. Die Übertragung ist jedoch nur mit der Quote möglich, mit der die A-GmbH an der B-KG

1 § 6b EStG i. d. F. des UntStFG v. 20. 12. 2001, BGBl I 2001, 3858. 2 § 6b EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl I 1999, 402. 3 Vgl. hierzu insbesondere R 6b.2 Abs. 6 und 7 EStR 2005.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht beteiligt ist, d. h. soweit die Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind. Das Wahlrecht nach § 6b EStG ist nach allgemeiner Meinung ein Anwendungsfall der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies bedeutet, dass die steuerliche Anerkennung der Rücklage, die einen passiven Sonderposten darstellt, und die anschließende Übertragung auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt die Bildung eines entsprechenden Passivpostens bzw. eine Minderung des Wertes des angeschafften Vermögensgegenstandes in der Handelsbilanz voraussetzt. In der Handelsbilanz ist ein Sonderposten mit Rücklageanteil nach §§ 247 Abs. 3, 273 HGB zu bilden. In dem Fall, dass eine (Mitunternehmer-) Kapitalgesellschaft eine bei ihr gebildete § 6b-Rücklage auf ein Wirtschaftsgut ihrer Personengesellschaft überträgt, war die Reichweite der umgekehrten Maßgeblichkeit umstritten. Hier müssen die Ebenen der Kapital- und der Personengesellschaft mit ihren jeweiligen handels- und steuerbilanziellen Wirkungen auseinander gehalten werden. Insbesondere die handelsrechtliche Bilanzierung dieses Vorgangs bereitet Probleme. Hierzu hat sich das Bundesfinanzministerium jüngst in einem Schreiben vom 29. 2. 2008 geäußert.4 Bisher lagen mehrere Äußerungen der Finanzverwaltung zu dieser Problematik vor.5 Danach hatte die Personengesellschaft für die übertragende Kapitalgesellschaft eine negative Ergänzungsbilanz aufzustellen. Auf der Aktivseite dieser Ergänzungsbilanz ist ein entsprechendes Minderkapital, und auf der Passivseite sind die Minderwerte der Wirtschaftsgüter auszuweisen, auf die der Veräußerungsgewinn übertragen wird. Die Kapitalgesellschaft sollte in ihrer Handelsbilanz nach dem Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit den Buchwert der Beteiligung an der Personengesellschaft in Höhe des übertragenen Rücklagenbetrags mindern (sog. Nettomethode). Eine Übertragung sei jedoch nur zulässig, soweit durch die Minderung des Beteiligungsbuchwerts kein negativer Betrag entstehe. Sonst sei die Rücklage in Höhe des übersteigenden Betrags gewinnerhöhend aufzulösen. Diese Gewinnwirkung könne aber dadurch vermieden werden, indem die Kapitalgesellschaft den Buchwert der Beteiligung durch Einlagen erhöhe oder den Buchwert unverändert ausweist und einen Ausgleichsposten in Höhe der stillen Reserven auf der Passivseite einstellt (sog. Bruttomethode). Insbesondere die handelsrechtliche Abschreibung der Beteiligung durch die Übertragung der § 6b-Rücklage 4 BMF, Schr. v. 29. 2. 2008 – IV B 2 S-2139/07/0003; BStBl. I 2008, 495; DB 2008, 551. 5 BMF, Schr. v. 10. 11. 1992, DB 1999, 2526; Gleichlautende Erlasse der Oberfinanzdirektionen, z. B. OFD München, Vfg. v. 30. 4. 1999 – S 2139–36 St 42 M, DB 1999, 1352; FinSen. Berlin, Erlass v. 6. 12. 1993 –– III B 12 – S 2139–5/92 (S 2139–3/92), FR 1994, 164.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht wurde durch das IDW kritisiert, da eine Abschreibung voraussetzt, dass ein unter dem Buchwert beizulegender Wert gegeben ist und sich dies nicht durch die Übertragung ergibt.6 In der Literatur wurde daher auch vorgeschlagen, den bei der Kapitalgesellschaft ursprünglich in der Handelsbilanz gebildeten Sonderposten mit Rücklageanteil zunächst beizubehalten und später korrespondierend zur steuerlichen Ergänzungsbilanz aufzulösen, um dem Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit zu entsprechen.7 In der Literatur finden sich zudem Stimmen, die die Auffassung vertreten, die umgekehrte Maßgeblichkeit gelte in dem zugrundeliegenden Fall nicht.8 In ihrem Schreiben vom 29. 2. 20089, welches das ursprüngliche Schreiben vom 15. 1. 200810 mit einer geänderten Übergangsregelung ersetzt, hat die Finanzverwaltung wegen der unterschiedlichen Behandlung von Personengesellschaftsanteilen in Handels- und Steuerbilanz die Nichtgeltung der umgekehrten Maßgeblichkeit eingeräumt. Sie verzichtet nun auf die problematische Beteiligungsabwertung und gestattet die übertragungsbedingte Auflösung des Sonderpostens mit Rücklageanteil in der Handelsbilanz der Kapitalgesellschaft mit der Begründung, die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts könne nicht mehr dargestellt werden: „Da die Beteiligung an einer Personengesellschaft abweichend vom Handelsrecht in der Steuerbilanz kein selbständiges Wirtschaftsgut darstellt, sondern die anteilige Zurechnung der der Personengesellschaft dienenden Wirtschaftsgüter beim Gesellschafter begründet, mindert sich der entsprechende Ansatz in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft aufgrund der spiegelbildlichen Darstellungsweise (…). Dies gilt unabhängig von der Bewertung der Beteiligung in der Handelsbilanz der Kapitalgesellschaft. Der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit findet insoweit keine Anwendung, da für den Ansatz der Beteiligung in der Personengesellschaft kein steuerliches Wahlrecht im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG besteht.“11 Nach den Ausführungen des BMF ist bilanzsteuerrechtlich nach den Grundsätzen in R 6b.2 Abs. 8 EStR 2005 zu verfahren. Die Übertragung 6 Schreiben des IDW an das BMF v. 27. 5. 1994, FN-IDW 1994, 243 und v. 2. 11. 1999, FN-IDW, 550; Eisele/Knobloch, DB 2005, 1349 (1351). 7 Soethe, DStR 1994, 1101, Schreiben des IDW an das BMF v. 27. 5. 1994, a. a. O. (Fn. 6). 8 Soethe, DStR 1994, 1101; Korten, DB 1994, 692. 9 BMF, Schr. v. 29. 2. 2008 – IV B 2 S-2139/07/0003; BStBl. I 2008, 495; DB 2008, 551. 10 BMF, Schr. v. 15. 1. 2008, DB 2008, 158; Dieses Schreiben wurde nicht im BStBl. veröffentlicht und gilt daher als nicht ergangen. 11 BMF, Schr. v. 29. 2. 2008 – IV B 2 S-2139/07/0003; BStBl. I 2008, 495; DB 2008, 551, Tz. II.1.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht des begünstigten Gewinns auf ein Wirtschaftsgut der Personengesellschaft wird durch die Minderung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts und die erfolgsneutrale Absetzung vom Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Personengesellschaft abgebildet – wegen der personenbezogenen Begünstigung nur vom Kapitalkonto des übertragenden Gesellschafters. Problematisch ist jedoch, dass das BMF-Schreiben nunmehr die Anwendung der umgekehrten Maßgeblichkeit in der Handelsbilanz der Personengesellschaft anordnet. Da die Übertragung der Rücklage die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts darstelle, müssten die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts in der Handelsbilanz der Personengesellschaft gemindert werden. Zuschreibungen in Folgejahren erhöhten den Buchwert des Wirtschaftsguts in der Steuerbilanz.12 Auf Ebene der Personengesellschaft werden durch die Einbeziehung in die Handelsbilanz künftig alle Gesellschafter betroffen. Es kann zu einer anteiligen Übertragung von stillen Reserven auf die Mitgesellschafter und einer Verschiebung der handelsrechtlichen Ergebnisverteilung kommen. Insoweit enthält das BMF-Schreiben keine Ausführungen dazu, dass dieses Ergebnis – wie bisher – durch die Führung von Ergänzungsbilanzen vermieden werden kann. In der Literatur wird daher in Frage gestellt, ob das BMF diese Konsequenz bedacht und maßgeblichkeitsbedingte Gewinnverschiebungen tatsächlich gewollt hat und die bisherige Handhabung über Ergänzungsbilanzen befürwortet.13 Das Fallbeispiel zeigt m. E., wie fragwürdig die so genannte Maßgeblichkeit gerade in den Fällen wirkt, in denen die begünstigte Bildung einer § 6b-Rücklage in einer anderen Bilanz stattfindet als deren Übertragung. Hinzuweisen ist darauf, dass die problematischen Äußerungen im BMFSchreiben zur Anwendung der umgekehrten Maßgeblichkeit entbehrlich würden, sollte der Regierungsentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 21. 5. 2008 Gesetz werden. Bisher sieht der Gesetzentwurf vor, dass der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit in § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG sowie § 247 Abs. 3 und § 273 HGB gestrichen wird. Steuerliche Wahlrechte könnten dann – vorbehaltlich der vorgesehenen Führung der Wirtschaftsgüter in laufenden Verzeichnissen – ohne entsprechenden Ausweis in der Handelsbilanz ausgeübt werden. Ob die umgekehrte Maßgeblichkeit letztlich gestrichen wird oder nicht, sie unterliegt bereits einem erheblichen Bedeutungsverlust. So hat der BFH jüngst in seinem Urteil vom 4. 6. 200814 entschieden, dass die Not12 BMF, Schr. v. 29. 2. 2008 – IV B 2 S-2139/07/0003; BStBl. I 2008, 495; DB 2008, 551, Tz. II.2. 13 Prinz in Status Recht 4/08 (Beilage DB), S. 130; Grützner, StuB 2008, 178 (180). 14 BFH, Urt. v. 4. 6. 2008 – I R 84/07, BB 2008, 2229 mit Anm. Günkel.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht wendigkeit der Vornahme des handelsrechtlichen Nachvollzugs von steuerlichen „Sonderabschreibungen“ auf das Jahr der Vornahme der Sonderabschreibung beschränkt ist, spätere Zuschreibungen in der Handelsbilanz jedoch in der Steuerbilanz nicht nachvollzogen werden müssen. In dem Urteilsfall hatte der Steuerpflichtige Sonderabschreibungen nach dem FördG in Anspruch genommen und diese auch in seiner Handelsbilanz vorgenommen. In einem darauffolgenden Wirtschaftsjahr wurde aber die Abschreibung durch eine Zuschreibung rückgängig gemacht. Das Finanzamt verlangte eine entsprechende Rückgängigmachung in der Steuerbilanz, konnte sich hiermit jedoch vor dem BFH nicht durchsetzen. Im Hinblick auf die § 6b-Rücklage schränkt der BFH jedoch die Wirkungen seines Urteils ein, denn die umgekehrte Maßgeblichkeit sei auch bei dem Beibehaltungswahlrecht nach § 6b EStG zu beachten, d. h. dieses könne durch einen entsprechenden Wertansatz auch steuerrechtlich ausgeübt werden. Ist dagegen – wie im vorliegenden Fall – der Betrag nach § 6 b EStG auf ein Wirtschaftsgut übertragen worden, kann in einem späteren Jahr handelsrechtlich eine Zuschreibung erfolgen, ohne dass diese steuerbilanziell nachvollzogen wird. Die Praxis kann sich damit der durch das BMF-Schreiben entstandenen Problematik durch eine entsprechende Zuschreibung im Folgejahr entziehen.

II. Rückstellungsbildung – rechtliche Entstehung vs. wirtschaftliche Verursachung BFH-Urteil vom 13. 12. 2007 – IV R 85/0515 Fall: Die Klägerin betrieb Tankstellen. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben war sie verpflichtet, verschiedene Tankstellen nach dem Stand der Technik mit einem Gasrückführsystem im Bereich der Zapfsäulen bis spätestens zum 31. 12. 1997 bzw. 31. 12. 1998 nachzurüsten. Bis zum 31. 12. 1996 führte die Klägerin einen Teil der Maßnahmen durch und aktivierte die hierfür angefallenen Aufwendungen. Ein weiterer Teil der Maßnahmen sollte erst nach 1996 durchgeführt werden. Für die hiermit zusammenhängenden künftigen Aufwendungen bildete die Klägerin ebenfalls zum 31. 12. 1996 Rückstellungen, die vom Finanzamt jedoch mit der Begründung nicht anerkannt wurden, entsprechende Rückstellungen dürften erst nach Ablauf der für die Maßnahme gesetzten gesetzlichen Frist gebildet werden.

15 BFH, Urt. v. 13. 12. 2007 – IV R 85/05, DB 2008, 1013.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Lösungshinweise: In diesem BFH-Urteil des IV. Senats geht es um eine Grundsatzfrage im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die steuerrechtliche Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Diese Verpflichtung gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und gilt daher nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen (aber rechtlich bereits entstandenen) Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Diese Formulierung und diese Voraussetzungen entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BFH und sind dem Grundsatz nach zwischen den Senaten unstreitig.16 Streitig innerhalb der Senate des BFH ist jedoch die Bedeutung der Voraussetzung der „wirtschaftlichen Verursachung“. Der I. Senat vertritt diesbezüglich eine abweichende Auffassung. In seinem Urteil vom 27. 6. 2001 hat er die Auffassung vertreten, dass die Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung nur für solche Verbindlichkeiten gilt, die nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach ungewiss sind.17 Nach seiner Auffassung genügt daher bei einer rechtlich bereits entstandenen Verbindlichkeit, dass sie dem Betrag nach ungewiss ist, ohne dass vorausgesetzt ist, dass sie auch wirtschaftlich bereits verursacht ist. Bei diesem Fall hatte ein Säge- und Spanplattenwerk eine Spänetrocknungsanlage in Betrieb, die jedoch nicht mehr den Anforderungen nach der TA-Luft entsprach. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt gab daher dem Unternehmen auf, die Anlage innerhalb von drei Jahren umzurüsten. Die Umrüstung hatte zum Ziel, bestimmte Emissionswerte ab einem bestimmten und erst nach dem nächsten Bilanzstichtag liegenden Zeitpunkt einzuhalten. Der Widerspruch des Unternehmens hatte Erfolg, als die Verfügung nach dem Bilanzstichtag geändert wurde. Die Umrüstungsverpflichtung dem Grunde nach blieb jedoch bestehen, geändert wurden nur die Emissionswerte. Das Unternehmen bildete zu dem ersten Bilanzstichtag, der auf die Bekanntgabe der ursprünglichen Umrüstungsverfügung folgte, eine Rückstellung, 16 BFH, Urt. v. 19. 5. 1987 – VIII R 327/83, BStBl. II 1987, 848; BFH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IV R 28/91, BStBl. II 1992, 600. 17 BFH, Urt. v. 27. 6. 2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121; vgl. auch BFH, Urt. v. 5. 6. 2001 – I R 96/00, BFH/NV 2002, 1638; BFH, Urt. v. 5. 6. 2002 – I R 23/01, BFH/NV 2002, 1434.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht obwohl zu diesem Zeitpunkt mit der Umrüstung noch nicht begonnen worden war. Das FA erkannte die Rückstellung unter Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 27. 9. 198818 nicht an. Der I. Senat des BFH begründet seine Entscheidung ausführlich. Bereits aus den Geboten des zutreffenden Vermögensausweises und der Vollständigkeit des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 1 i. V. m. § 246 Abs. 1 HGB) folge, dass rechtlich bereits entstandene, aber der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten immer passiviert werden müssten. Eine unterbliebene Passivierung bestehender Verbindlichkeiten mit dem Hinweis auf die funktionale Verknüpfung der Aufwendungen mit der zukünftigen betrieblichen Tätigkeit widerspreche sowohl bei der Bewertung als auch bei der Bilanzierung dem Grunde nach dem Unternehmensfortführungsprinzip in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB („Going Concern Prinzip“). Der I. Senat lehnt es ausdrücklich ab, das Realisationsprinzip in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sinngemäß auf die Passivierung von Rückstellungen anzuwenden. Es gebe weder einen handelsrechtlichen Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung, der es gebiete, Einnahmen in eine spätere Zeit zu verlagern, in welcher die Ausgaben (Kosten) anfallen, zu deren Deckung sie dienen, noch einen solchen, der fordere, Ausgaben (Kosten) in das Jahr zu verlagern, in welchem die Einnahmen zufließen, aus denen die Ausgaben gedeckt werden. Das Realisationsprinzip sei systematisch dem Vorsichtsprinzip zugeordnet, d. h. auf die Nichterfassung nichtrealisierter Erträge gerichtet und begrenzt. Demgegenüber fordere das Imparitätsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB die Berücksichtigung aller vorhersehbarer Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind. Diesem Gebot widerspreche es, den Ausweis von Risiken und Verlusten erst mit der Realisierung der damit zu erzielenden Erträge vorzusehen. Bereits in seiner Entscheidung vom 23. 9. 1969, auf die er auch in seinem Urteil vom 27. 6. 2001 Bezug nimmt, hatte der I. Senat des BFH entschieden, dass beim Auseinanderfallen der rechtlichen Verpflichtung und der wirtschaftlichen Verursachung für die Passivierung der frühere Zeitpunkt maßgeblich ist.19 Die Auffassung des I. Senats wird auch in Teilen der Literatur und von dem Verfasser vertreten.20 Auch das Finanzgericht München hat sich in seinem Urteil vom 28. 6. 2005 dieser Meinung angeschlossen.21 18 BMF, Schr. v. 27. 9. 1988 – IV B 2 – S 2137–49/88, DB 1988, 2279. 19 BFH, Urt. v. 23. 9. 1969 – I R 22/66, BStBl. II 1970, 104. 20 Christiansen, DStR 2007, 127; Tiedchen in Herman/Heuer/Raupach, EStG, 3/2005, § 5 Rz. 511; Koths, DB 2001, 184 (Betonung der praktischen Relevanz des Urteils beim Betrieb von Kernkraftwerken); Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), 67 (83); Wassermeyer, WPg 2002, 10; Günkel, JbFSt 1990/91, S. 97 (108). 21 FG München, Urt. v. 28. 6. 2005 – 6 K 2749/03 – Rev. Eingelegt (Az. des BFH: VIII R 49/05), EFG 2005, 1528.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Der VIII. und der XI. Senat des BFH verstehen die Formulierung hingegen so, dass das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch für die rechtlich bereits entstandenen und nur dem Betrag nach ungewissen Verbindlichkeiten gelten soll.22 Dies nimmt auch die Finanzverwaltung an.23 Sie hat daher das Urteil des I. Senats vom 27. 6. 2001 mit einem Nichtanwendungserlaß belegt.24 Interessanterweise scheint das BMF jedoch in seiner Einschätzung dieses Urteils selbst unsicher zu sein. Wie Ackermann in seiner Anmerkung zu dem Nichtanwendungserlaß ausführt25, hatte das BMF zunächst die Absicht, das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden, was vom BMJ ausdrücklich begrüßt wurde. Nach einer Beratung der Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden der Länder entschied sich das BMF schließlich anders und wurde umgehend vom BMJ darauf hingewiesen, dass die nunmehr vertretene Auffassung nicht den handelsrechtlichen Grundsätzen zur Bilanzierung von Rückstellungen entspreche. Nach der bisherigen Rechtsprechung dürften Rückstellungen schon dann verursacht sein, wenn sie rechtlich entstanden seien. Dem BMJ sei kein Fall bekannt, in dem die Rückstellungsbildung bei einer rechtlich entstandenen (und nur der Höhe nach ungewissen) Verbindlichkeit nur deshalb versagt worden wäre, weil sie wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag nicht verursacht sei. Die Auffassung des VIII. und XI. Senats wird – ebenso wie die abweichende Auffassung des I. Senats – von Teilen der Literatur gestützt.26 Maßgebende Begründung ist insoweit, dass das Realisationsprinzip auch bei der Rückstellungsbildung Anwendung findet. Weber-Grellet führt als weitere Argumente die Nichtbilanzierung schwebender Verträge (trotz rechtlicher Entstehung), die Aktivierung von Anschaffungskosten, die Regelungen in § 5 Abs. 2a EStG (kein Ausweis von Verbindlichkeiten, deren Existenz von künftigen Gewinnen abhängt), § 5 Abs. 4a EStG (steuerrechtliches Verbot der Verlustrückstellung), § 5 Abs. 4b EStG (Rückstellungsverbot für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen) sowie das Prinzip der Nettorealisation an.27

22 BFH, Urt. v. 19. 10. 1993 – VIII R 14/92, BStBl. II 1993, 891; BFH, Urt. v. 19. 8. 2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 03, 131; BFH, Urt. v. 19. 8. 1998 – XI R 8/96, BStBl. II 99, 18. 23 Vgl. R 5.7 Abs. 2 EStR 2005; BMF-Schr. v. 27. 9. 1988, DB 1988, 2279. 24 BMF, Schr. v. 21. 1. 2003 – IV A 6 – S 2137–2/03, BStBl. I 2003, 125. 25 Ackermann, DB 2003, 240. 26 Euler, BB 2001, 1897; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Auflage 2008, § 5 Rz. 78, 384; Herzig, DB 1990, 1341; Moxter in FS Döllerer, S. 447 (456) und in FS Forster, S. 427 (432); Siegel, DB 2002, 707. 27 Weber-Grellet, DB 2002, 2180.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Im Ergebnis ist die Bedeutung des Merkmals der „wirtschaftlichen Verursachung“ bei der Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten seit längerem umstritten und bis jetzt ungeklärt. Mit dem seinem Urteil vom 13. 12. 2007 zugrunde liegenden Fall hätte der IV. Senat des BFH die Möglichkeit gehabt, die Problematik der Klärung durch den Großen Senat des BFH zuzuführen. Anstatt jedoch zu der rechtlichen Problematik Stellung zu nehmen, lässt der Senat dies ausdrücklich offen und weist die Revision aus rein tatsächlichen Gründen ab. Er begründet dies damit, dass die zugrundeliegende Verpflichtung weder rechtlich noch wirtschaftlich vor dem maßgebenden Bilanzstichtag 31. 12. 1996 entstanden sei. Die Verpflichtung zur Ausrüstung der Zapfsäulen mit dem Gasrückführsystem sei noch nicht rechtlich entstanden, weil nach der maßgebenden Rechtsverordnung noch eine Übergangsfrist bis zum 31. 12. 1997 bestand. Der Fall ähnele daher dem, der dem Urteil des BFH vom 19. 5. 198728 zugrundelag. In diesem Fall musste ein Lufttransportunternehmen die Antriebsmotoren und Fahrgastzellen ihrer Hubschrauber erst nach Erreichung bestimmter Betriebszeiten überprüfen. Der Fall in dem Urteil des BFH vom 27. 6. 2001 sei hiervon zu unterscheiden, da bei diesem die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Umrüstung der Spänetrocknungsanlage nach den Gesetzen sofort zu erfüllen war, dem Unternehmen von den Behörden jedoch nur eine „Schonfrist“ eingeräumt worden sei. Daher weiche der IV. Senat in seinem Urteil auch nicht von diesem Urteil des I. Senats ab. Das Fehlen der „wirtschaftlichen Verursachung“ begründet der IV. Senat nur knapp damit, dass es an der Voraussetzung fehle, dass der Tatbestand, an den das Gesetz die Verpflichtung knüpfe, im Wesentlichen verwirklicht ist. Die streitgegenständliche Verpflichtung sei nicht daran geknüpft, dass die Klägerin in der Vergangenheit über die Zapfsäulen Kraftstoff abgegeben hatte, sondern daran, dass sie das auch in Zukunft weiter beabsichtigte. Das Urteil des IV. Senats wird in einer m. E. zutreffenden Anmerkung von Hofmann als Musterbeispiel einer „Divergenzumgehungsbegründung“ bezeichnet29. Es erscheint in der Tat wenig einsichtig, warum eine in der BImSchV eingeräumte Übergangsfrist anders zu beurteilen sein soll als eine von der Behörde eingeräumte Übergangsfrist. In beiden Fällen geht es nur um die Fälligkeit der Anpassungsverpflichtung, da der Betrieb der Anlage nicht den geltenden Umweltstandards entsprach. M. E. ist an der Auffassung festzuhalten, dass nur dann, wenn alle zum Bilanzstichtag rechtlich entstandenen Verpflichtungen unabhängig von ihrer Fälligkeit berücksichtigt werden, die handelsrechtlichen Grundsätze der Unternehmensfortführung und der Vollständigkeit erfüllt werden. 28 BFH, Urt. v. 19. 5. 1987 – VIII R 327/83, BStBl. II 1987, 848 (Fn. 16). 29 Hofmann, DB 2008, 1014.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Im Ergebnis ist an den BFH die Frage zu stellen, wie es bei dieser Frage weitergehen soll. Es bleibt abzuwarten, ob und vor allem wann ein Senat des BFH erneut die Gelegenheit haben wird, den Großen Senat anzurufen. Im Übrigen hat der BFH die Frage nicht behandelt, ob eine Rückstellungsbildung an § 5 Abs. 4 b EStG scheitern könnte. Dies ist m. E. nicht der Fall, da keine nachträglichen Herstellungskosten entstehen.

III. Abgrenzung Drohverlustrückstellung/Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten Fall: Die Kfz-Handelsgesellschaft A-GmbH handelt mit neuen und gebrauchten Kraftfahrzeugen. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs veräußert sie Neuwagen an Leasinggesellschaften und Autovermietungen. Um den Absatz zu fördern, verkauft die A-GmbH der Leasing-GmbH Neufahrzeuge zusammen mit der Verpflichtung, die Fahrzeuge nach einer bestimmten Zeit zu einem garantierten Preis von der Leasing-GmbH zurück zu kaufen. Der Kaufpreis pro Fahrzeug einschließlich Rücknahmeverpflichtung beläuft sich auf EUR 20.000. Als Rücknahmebetrag hat die A-GmbH der Leasing-GmbH einen Betrag von EUR 8.000 zugesichert, entsprechend 40 % des gezahlten Kaufpreises. Der Marktpreis zum Zeitpunkt der Rücknahme der Fahrzeuge schätzt die A-GmbH auf EUR 6.000, was einem Verlust von EUR 2.000 pro Fahrzeug entspricht. Die A-GmbH bilanziert im Rahmen ihres Jahresabschlusses den voraussichtlichen Verlust zwischen Rücknahmepreis und Marktpreis und bezeichnet die Rückstellung als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten. Nach Abschluss einer Außenbetriebsprüfung bei der A-GmbH erlässt das Finanzamt einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid mit der Begründung, die als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bezeichnete Rückstellung sei in Wirklichkeit eine Rückstellung für drohende Verluste, die gem. § 5 Abs. 4a EStG für die Jahre ab 1997 nicht mehr in die Steuerbilanz übernommen werden dürfe. Zu Recht? Lösungshinweise: Abweichend vom Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG i. V. m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB dürfen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften für nach dem 31. 12. 1996 endende Wirt-

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht schaftsjahre in der Steuerbilanz nicht mehr gebildet werden30 und mindern mithin nur den handelsbilanziellen Gewinn. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wäre hingegen auch in der Steuerbilanz zu berücksichtigen. Seit Einführung des § 5 Abs. 4a EStG kommt daher der Unterscheidung zwischen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten entscheidende Bedeutung zu. Ein schwebendes Geschäft ist ein gegenseitiger, auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag, der von beiden Vertragsparteien noch nicht erfüllt ist und nicht bilanziert wird. Übersteigt allerdings der Wert der eigenen Leistungsverpflichtung den Wert des Gegenleistungsanspruchs (Verpflichtungsüberschuss), ist dieser drohende Verlust in der Handelsbilanz zu passivieren. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten hingegen werden für zukünftige Aufwendungen, denen keine zukünftigen Erträge gegenüberstehen, gebildet, d. h. zum einen Aufwendungen, die in der Vergangenheit realisierten Erträgen zuordnenbar sind (Erfüllungsrückstand) und zum anderen Aufwendungen, denen weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft Erträge gegenüberstehen. Das dem vorliegenden Beispielsfall zugrunde liegende Urteil des FG Bremen31 sieht die Voraussetzungen zur Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften als erfüllt an. In seiner Urteilsbegründung geht das FG von zwei unabhängig voneinander anfallenden Geschäftsvorfällen aus, zum einen von dem Neuwagenverkauf und zum anderen von dem Rückkaufgeschäft. Einer bilanziellen Zusammenfassung von Neuwagengeschäft- und Rückkaufgeschäft stehe schon das Prinzip der Einzelbewertung entgegen32. Bei Betrachtung des Rückkaufgeschäfts führe der voraussichtliche Verlust in Höhe des garantierten Rückkaufpreises und des Marktpreises zu einer Rückstellung für drohende Verluste in der Handels-, nicht jedoch in der Steuerbilanz. In seiner jüngsten Rechtsprechung33 hat sich der BFH mit einem dem Beispiel entsprechenden Sachverhalt beschäftigt und kommt darin zu einem überraschenden Ergebnis. Anders als das FG Bremen, das in dem Verkaufsgeschäft nur den „nackten“ Verkauf eines Fahrzeugs sieht, geht der BFH davon aus, dass in dem erzielten Erlös neben dem eigentlichen Verkaufserlös ein Teilbetrag für die Einräumung der Rückgabeoption enthalten ist. Für diesen Teil, den 30 Übergangsregelung des § 52 Abs. 6a Satz 2 EStG 1997; § 52 Abs. 13 Satz 2 EStG 1999. 31 FG Bremen v. 26. 8. 2004 – 1 K 99/04. 32 BFH, Urt. v. 15. 10. 1997 – I R 16/97, BStBl. II 1998, 249. 33 BFH, Urt. v. 11. 10. 2007 – IV R 52/04, DStR 2008, 237.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht der BFH nicht beziffern konnte und zwecks Ermittlung den Fall an das FG Bremen zurückverwiesen hat, muss nach Auffassung des BFH in Höhe dieses Betrages eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Dabei geht der BFH davon aus, dass die beim Verkauf der Neuwagen eingegangene Verpflichtung wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistungen darstellen, die losgelöst von dem nachfolgendem Rückkaufgeschäft zu beurteilen sind. Zudem ist die Erfüllung der Verpflichtungen erzwingbar, denn es besteht für die Leasing-GmbH die Möglichkeit, die A-GmbH auf Erfüllung der Rückkaufverträge zu verklagen (vgl. § 894 Abs. 1 ZPO) oder ggf. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Bei den Rückkaufverpflichtungen handele es sich auch nicht lediglich um unwesentliche Nebenleistungen in Bezug auf das Neuwagengeschäft. Die Verpflichtungen zum Ankauf der Gebrauchtwagen seien vielmehr selbständige (Hilfs-)Geschäfte im Rahmen des Neuwagenverkaufs34. Die Verpflichtung der A-GmbH, die Fahrzeuge zurückzukaufen, entfalle erst mit der Ausübung oder dem Verfall der jeweiligen Rückverkaufsoptionen, zuvor ist die Verpflichtung der A-GmbH nicht (vollständig) erfüllt. Daher fordert schon das Gebot der vollständigen Bilanzierung (§ 246 Abs. 1 HGB) den Ausweis dieser Verbindlichkeit. Anders als das FG Bremen geht der BFH bei seiner Urteilsfindung unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 18. 12. 200235 nicht von einem schwebenden Geschäft aus. Vielmehr nimmt der BFH an, dass ein Schwebezustand bereits mit Erfüllung der Geldleistung beendet werden kann, obwohl die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist, wenn der zur Geldleistung Verpflichtete ausnahmsweise vorzuleisten hat. Dem steht nach Auffassung des BFH nicht entgegen, dass in den Verträgen zwischen den beiden Gesellschaften keine ausdrückliche Aufteilung des Gesamtpreises in die einzelnen Bestandteile vorgenommen wurde. Die Aufteilung soll anhand objektiver Maßstäbe im Verhältnis der Teilwerte zueinander erfolgen. Somit hat die A-GmbH mit Abschluss des Kaufvertrages über Neufahrzeuge eine Verpflichtung zum Rückkauf zu passivieren. Diese Verpflichtung ist erst mit Ausübung oder Verfall der eingeräumten Rückkaufsoption erfolgswirksam auszubuchen. Bei der Entscheidung des BFH fällt auf, dass dieser kaum auf das Thema der Abgrenzung von Drohverlustrückstellungen eingeht, welches während des FG-Verfahrens noch den Hauptstreitpunkt bildete. 34 BFH, Urt. v. 25. 7. 2000 – VIII R 35/97, BB 2001, 33. 35 BFH, Urt. v. 18. 12. 2002 – I R 17/02, DStR 2003, 678.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Vergleichbar mit dem Urteil des BFH aus 200236 (Wertpapieroptionsgeschäft) sieht der BFH in dem Kaufvertrag ein Mehrkomponentengeschäft, das sich in dem Verkaufserlös für die Fahrzeuge und einer „Stillhaltervergütung“ niederschlägt, die aus der Gesamtvergütung herauszurechnen und als Verbindlichkeit bis zur Ausübung oder zum Verfall der Rückkaufsoption auszuweisen ist. Die Entscheidung des BFH dürfte in der Beraterpraxis zu Denkanstössen führen. So ist z. B. die Frage interessant, inwieweit sich diese Urteilsgrundsätze auch auf andere Branchen ausdehnen lassen. So wäre z. B. eine Ausweitung auf das Textilgewerbe denkbar, soweit sich die Textilhersteller gegenüber dem Textileinzelhandel verpflichten, nach einem vertraglich festgelegten Zeitpunkt bis dahin unverkäufliche Ware zurückzugeben.37 Das gleiche könnte es auch für den Handel mit abgepackten Lebensmitteln geben, bei denen sich der Hersteller zur Rücknahme bei Verfallsdatum verpflichtet hat.

IV. Bilanzberichtigung/Bilanzänderung Fall: Die Z-GmbH hat ein dem Kalender entsprechendes Wirtschaftsjahr. Im April 02 erstellt die Z-GmbH ihren Jahresabschluss für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 01. Das Finanzamt berücksichtigt den auf dieser Basis ermittelten Gewinn in den Steuerbescheiden, die gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangt der Prüfer zu dem Ergebnis, dass das Einkommen der Z-GmbH per Saldo außerbilanziell um TEUR 100 zu erhöhen sei. Daraufhin macht die Z-GmbH beim Finanzamt geltend, dass sie für das Jahr 01 eine Rückstellung von TEUR 30 für die künftige Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen hätte bilden müssen, was bisher nicht geschehen sei (zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung war die Bildung einer solchen Rückstellung umstritten). In den nach der Betriebsprüfung durch das FA erlassenen Änderungsbescheiden wird diese Rückstellung nicht berücksichtigt. Die Z-GmbH fragt bei ihrem Steuerberater nach, ob ein Einspruchs- und ggf. Klageverfahren Aussicht auf Erfolg haben wird.

36 BFH, Urt. v. 18. 12. 2002 – I R 17/02, DStR 2003, 678. 37 Jebens, DB 2008, 833.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Lösungshinweise: Gem. § 4 Abs. 2 EStG kann eine Bilanz aus zwei Gründen korrigiert werden. Zum einen kommt eine Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG in Betracht, wobei der Steuerpflichtige die Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes (dem Grunde und der Höhe nach) durch einen richtigen Bilanzansatz vornimmt. Bilanzberichtigung setzt somit eine fehlerhafte Bilanzierung voraus. Zum anderen besteht gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG die Möglichkeit einer Bilanzänderung, indem ein richtiger Bilanzansatz durch einen anderen richtigen Bilanzansatz ersetzt wird (soweit die Bescheide noch nicht bestandskräftig sind). Eine solche Bilanzänderung kann aber nur vorgenommen werden, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG steht und nur insoweit, wie die Auswirkung jener Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht. Der BFH hat hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit einer Bilanzkorrektur mit Urteilen aus den Jahren 2006 und 200738 seine Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff als Grundlage einer Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 EStG auf Bilanzansätze bei ungeklärter Rechtslage ausgedehnt. Diesen Ansatz verfolgt der BFH mit seinem jüngsten Urteil vom 23. 1. 200839 konsequent weiter. Danach ist eine Bilanzberichtigung nicht möglich, wenn die Bilanz zwar objektiv gesehen unrichtig ist, sie aber subjektiv durch den bilanzierenden Kaufmann als richtig erachtet werden konnte, wenn dieser bei einer höchstrichterlich ungeklärten Rechtslage und unter Beachtung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht davon ausgehen konnte, dass der eigene Bilanzansatz richtig bzw. vertretbar sei. Vertretbar ist ein Bilanzansatz bereits dann, wenn sich der Steuerpflichtige auf ein von der bisherigen Rechtsprechung abweichendes FG-Urteil stützen kann. Im Fall der Z-GmbH ist mithin eine Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht möglich, da davon ausgegangen werden kann, dass die Z-GmbH die Bilanz mit der im Zeitpunkt der Aufstellung nötigen kaufmännischen Sorgfaltspflicht erstellt hat. Im Erstellungszeitpunkt der Bilanz gab es keinen gefestigten Meinungsstand zur Bildung eines solchen Passivposten, vielmehr hielt im Jahr 01 das FG München die Bildung eines solchen Passivpostens für unzulässig; allerdings sprach sich die herrschende Meinung in der Literatur für einen solchen Passivposten aus. Im Herbst des Jahres 02 bejahte der BFH erstmalig die Bildung einer solchen Rückstellung40. 38 BFH, Urt. v. 5. 6. 2007 – I R 47/06, DStR 2007, 1711; BFH, Urt. v. 5. 4. 2006 – I R 46/04, BB 2006, 1626. 39 BFH, Urt. v. 23. 1. 2008 – I R 40/07, DStR 2008, 1180. 40 BFH, Urt. v. 19. 2. 2002 – BStBl. II 2003, 131.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Da die Z-GmbH jedoch im Erstellungszeitpunkt ihrer Bilanz die Notwendigkeit einer solchen Rückstellungsbildung nicht vorgetragen hatte, ist davon auszugehen, dass bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtungsweise eine solche nicht für erforderlich erachtet wurde. Nach aktueller Rechtsprechung des BFH ist somit die nachträgliche Bildung einer Rückstellung für die Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen nicht gegeben, da die Bilanz der Z-GmbH im Zeitpunkt der Aufstellung subjektiv als richtig zu erachten war. Hätte der Betriebsprüfer bei der Z-GmbH nicht nur außerbilanzielle Hinzurechnungen vorgenommen, sondern z. B. aufgrund fehlerhafter Bilanzierung eine Gewinnerhöhung vorgenommen, würde sich die Frage stellen, ob die Z-GmbH die Rückstellung für die künftige Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Wege einer Bilanzänderung – sozusagen als Ausübung eines Wahlrechts – als Folge der vorangegangenen Bilanzberichtigung hätte bilden können. Diese Frage hat der BFH jetzt mit Urteil vom 17. 10. 2008 entschieden. Gemäß dieser Entscheidung ist eine kompensierende Bilanzänderung möglich. Diese Bilanzänderung umfasst den Ersatz eines zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen zulässigen Bilanzansatz. Diese Vorschrift greift dort ein, wo das Gesetz dem Unternehmen ein Wahlrecht zwischen mehreren Bilanzansätzen einräumt und sie erfasst zudem die Ersetzung eines Bilanzansatzes, der nach den Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung der kaufmännischen Sorgfalt entsprach und in diesem Sinn „subjektiv richtig“ ist durch einen sich nachträglich als objektiv richtig erweisenden anderen Bilanzansatz. Die Entscheidung des BFH41 zur subjektiven Richtigkeit der Bilanz wirft die Frage auf, wie der Steuerpflichtige zu bilanzieren hat, um seine Rechte zu wahren. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Steuerpflichtige bei der Erstellung seiner Handelsbilanz einen für ihn günstigen Bilanzansatz vertritt und beibehält. Dabei sind möglichst alle Spielräume bei der Gesetzesauslegung zugunsten des Steuerpflichtigen zu nutzen. Wird dann in der Steuerbilanz oder dem Steuerausgleichsposten gem. § 60 EStDV ein vom handelsrechtlichen Jahresabschluss abweichender Bilanzansatz gewählt, der der Auffassung der Finanzverwaltung entspricht (z. B. dem Risiko der Vollverzinsung gem. § 233a AO zu entgehen), sollte dieser durch den Steuerpflichtigen kenntlich gemacht werden. Durch die Aufnahme eines Hinweises in der Steuerklärung, dass der Steuerpflichtige die Steuer-

41 BFH, Urt. v. 23. 1. 2008 – I R 40/07, DStR 2008, 1180; BFH, Urt. v. 17. 10. 2008 – I R 85/07, DB 2008, 2287.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht bilanz subjektiv für nicht richtig erachtet, sollte diese Auffassung dann noch einmal untermauert werden. Das BMF hat dazu in seinem aktuellen Entwurf der Einkommensteuerrichtlinien42 Stellung bezogen. Darin heißt es: „Hat der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung entsprechend der Verwaltungsauffassung bilanziert, hält er jedoch einen davon abweichenden Ansatz für richtig, ist eine Bilanzänderung bei einer Änderung der Verwaltungsauffassung auf Grund höchstrichterliche Rechtsprechung zulässig, wenn der Steuerpflichtige durch Zusätze oder Vermerke bei der Aufstellung der Bilanz dokumentiert hat, dass er einen von der Verwaltungsauffassung abweichenden Ansatz begehrt.“

V. Pensionsrückstellungen – Nachholverbot und Aktivierung von Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen BFH-Urteil v. 13. 2. 2008 – I R 44/0743 Fall: Die Klägerin, eine GmbH, sagte ihren drei Gesellschafter-Geschäftsführern in 1996 jeweils Alters- und Invalidenversorgung zu, zu deren Absicherung sie für die Versorgungsberechtigten als versicherte Personen kapitalbildende Lebensversicherungen abschloss, die durch Gehaltskürzungen finanziert wurden. Die Forderungen aus den Rückdeckungsversicherungen verpfändete die GmbH zur Sicherung der Ansprüche an die Berechtigten. In den Jahresabschlüssen 1996 bis 2000 berücksichtigte die GmbH weder die Pensionsverpflichtungen noch die Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen in ihren Bilanzen. Die Versicherungsbeiträge erfasste sie jeweils als Aufwand. Sowohl die Klägerin als auch das Finanzamt nahmen rechtsirrtümlich an, die Rückstellungen dürften nicht gebildet werden. Die erklärungsgemäßen Körperschaftsteuerbescheide 1996–1999 wurden bestandskräftig. Für das Streitjahr 2000 passivierte das Finanzamt nach einer Betriebsprüfung die Pensionsverpflichtungen und aktivierte die Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen. Der Pensionsrückstellung führte es jedoch unter Berufung auf § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht den gesamten Teilwert der Pensionsverpflichtung zu, sondern nur den Differenzbetrag zwischen dem Teilwert zum 31. 12. 1999 und jenem zum 31. 12. 2000. Die Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen aktivierte das Finanzamt hingegen mit dem vollen Teilwert. 42 R 4.4 EStÄR-Entwurf. 43 BFH, Urt. v. 13. 2. 2008 – I R 44/07, DB 2008, 1352.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Lösungshinweise: In diesem vom BFH entschiedenen Fall ging es um die Reichweite des sog. Nachholverbots in § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG, insbesondere dessen Bedeutung im Zusammenhang mit Bilanzberichtigungsmöglichkeiten. Pensionsanwartschaften sind Verbindlichkeiten gegenüber Dritten und gehören daher zu den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die nach § 249 Abs. 1 HGB zu passivieren sind. Die Passivierungspflicht gilt nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB erst für Zusagen, die nach dem 31. 12. 1986 erteilt worden sind. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Pensionsverpflichtungen, für die keine Gegenleistung mehr zu erwarten ist, mit ihrem Barwert anzusetzen. Rückstellungen dürfen nur in Höhe des Betrages angesetzt werden, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist.44 Die Passivierung von Pensionsverpflichtungen entspricht daher den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und ist steuerlich nach § 5 Abs. 1 EStG geboten. Steuerlich besteht Passivierungspflicht45. Eine steuerliche Pensionsrückstellung darf nach § 6a Abs. 1 Satz 1 EStG höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden, für dessen Bestimmung § 6a Abs. 1 Satz 2 EStG weitere Regeln enthält. Ausgangspunkt ist steuerlich ebenfalls der Barwert der zukünftigen Leistungen. § 6a Abs. 1 EStG macht die grundsätzliche Zulässigkeit der Bildung der Pensionsrückstellung darüber hinaus von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungsrelevant waren. Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung in einem Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres erhöht werden. Aus diesem Wortlaut des Gesetzes wird das Nachholverbot für im Vorjahr unterlassene Rückstellungen bzw. Rückstellungszuführungen abgeleitet. Dieses Verbot wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz – vom 19. 12. 197446 eingeführt, als für Pensionsverpflichtungen noch ein steuerliches Wahlrecht bestand. Sinn und Zweck des Nachholverbots war die Verhinderung willkürlicher Gewinnverschiebungen.47 Die Rechtsprechung lässt Ausnahmen vom Nachholverbot nur in einzelnen Fällen zu, nämlich bei vorheriger Verhin44 Vgl. hierzu Günkel, StBJb 2004/2005, S. 305. 45 H. M., z. B. BFH v. 13. 6. 2006 – I R 58/05, BStBl. II 2006, 928; R 6a Abs. 1 S. 1 EStR 2005; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Auflage 2008, § 6a, Rz. 3; a. A. – nur steuerliches Passivierungswahlrecht: Höfer, BetrAVG, Bd. II: Steuerrecht, 5. Aufl., Rz. 42 ff.; Otto in Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl., StRA Rz. 380; Mann, DB 1986, 2199. 46 BGBl. I 1974, 3610. 47 BT-Drucks. 7/1281, S. 40.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht derung zutreffender Rückstellungsbildung durch die Finanzverwaltung, d. h. wenn die unzutreffende Berechnung auf einer fehlerhaften Formel der Finanzverwaltung oder Betriebsprüfung zurückgeht.48 Es greift ferner nicht, wenn die Rückstellungsbildung infolge einer entgegenstehenden Rechtsprechung nicht zugelassen wurde, diese Rechtsprechung aber inzwischen geändert wurde.49 Das Nachholverbot gilt jedoch – unabhängig vom Vorliegen von Willkür – wenn die Rückstellung aufgrund einer zulässigen Berechnungsmethode50 oder einem schlichten Berechnungsfehler51 zu niedrig berechnet wurde oder ein Rechtsirrtum52 vorliegt. Mit Hinweis auf diese Grundsätze und Rechtsprechung verneint der BFH zunächst auch im vorliegenden Fall eine Durchbrechung des Nachholverbots. Zum einen sei unbeachtlich, dass sowohl die Klägerin als auch das Finanzamt rechtsirrtümlich annahmen, die Pensionsrückstellung dürfe nicht gebildet werden, zum anderen könne die Nichtbeanstandung der Nichterfassung der Pensionsrückstellung nicht mit einem von der Finanzverwaltung erzwungenen Bilanzansatz verglichen werden. Zudem verneint der BFH einen Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn das Finanzamt nach Erlangung einer besseren Erkenntnis auf einer gesetzeskonformen Bilanzierung besteht. Wichtiger ist jedoch, dass der BFH die Anwendung des formellen Bilanzzusammenhangs verneint. Nach diesem vom BFH entwickelten Grundsatz ist, wenn ein fehlerhafter Bilanzansatz in einem bestandskräftigen Steuerbescheid berücksichtigt worden ist und jener Bescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht geändert werden kann, bei der Steuerfestsetzung für ein nachfolgendes Jahr als „Betriebsvermögen zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres“ i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG das der früheren Veranlagung zugrunde gelegte Betriebsvermögen zu berücksichtigen. Die Korrektur ist in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist.53 Zwar sei der Grundsatz des formalen Bilanzzusammenhangs vorliegend grundsätzlich einschlägig, er werde jedoch durch das Nachholverbot als lex specialis verdrängt. Dies gelte auch für die allgemeinen Grundsätze der Bilanzberichtigung.

48 BFH, Urt. v. 9. 11. 1995 – IV R 2/93, BStBl. II 1996, 589. 49 BFH, Urt. v. 7. 4. 1994 – IV R 56/92, BStBl. II 94, 740/2; BFH, Urt. v. 24. 7. 1990 – VIII R 39/84, BStBl. II 1992, 229; BFH, Urt. v. 7. 7. 1992 – VIII R 36/90, BStBl. II 1993, 26; H 6a.2 Abs. 20 EStR. 50 BFH, Urt. v. 10. 7. 2002 – I R 88/01, BStBl. II 2003, 936. 51 FG Rh-Pf., EFG 2005, 1848, rkr. 52 BMF, Schr. v. 11. 12. 2003, BStBl. I 2003, 746. 53 Beschl. des Großen Senats des BFH v. 29. 11. 1965 – GrS 1/65, BStBl. III 19966, 142; BFH, Urt. v. 28. 4. 1998 – VIII R 46/96, BStBl. II 1998, 443.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Im Hinblick auf die gesetzliche Möglichkeit der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ist darauf hinzuweisen, dass in dem vorliegenden vom BFH entschiedenen Fall die zugrundeliegenden Veranlagungen bereits bestandskräftig waren. Ob der generelle Vorrang des Nachholverbots auch in Fällen gilt, in denen die Veranlagungen noch offen sind, führt der BFH nicht aus. Meines Erachtens steht das Nachholverbot einer Korrektur von Pensionsrückstellungen durch Nachbuchung der jeweiligen jährlichen Zuführungen ab dem ersten noch „offenen“ Veranlagungszeitraum nicht entgegen, da die Bilanzberichtigung sich rückwirkend auf die Fälle bezieht, in denen die Steuerfestsetzung noch nicht durchgeführt oder noch nicht bestandskräftig ist.54 Das Urteil des BFH führt schließlich zum Ausweis eines an sich nicht bestehenden Gewinns, da die Forderungen aus den Rückdeckungsversicherungen in Höhe des vollen Teilwerts aktiviert und die Pensionsverpflichtungen nur mit dem anteiligen Teilwert für das noch offene Jahr passiviert werden müssen. Dies bedeutet, dass der BFH auf die Rückdeckungsversicherung den Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs anwendet. Die von der Klägerin geforderte Anwendung des Nachholverbots auf diese Ansprüche lehnte der BFH aber ab. Zutreffend dürften Pensionsrückstellungen und Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen nach § 246 Abs. 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 EStG nicht saldiert werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Regierungsentwurf des BilMoG das Saldierungsverbot geändert werden soll. Nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB des Entwurfs soll eine Saldierungspflicht für korrespondierende Vermögensgegenstände und Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen eingeführt werden. Dies wird nach § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG-E jedoch nicht für die steuerliche Gewinnermittlung gelten, d. h. hier bleibt es beim Bruttoausweis. Das BilMoG wird daher nach dem derzeitigen Stand nicht zu einer Änderung der vom BFH für den vorliegenden Fall gegebenen Einschätzung führen.

VI. Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei Teilwertabschreibungen Fall: Die X–GmbH hat sich in Zeiten des allgemeinen Rohstoffbooms mit verschiedenen Rohstoffen im Wert von EUR 10 Mio. und damit dem Bedarf von 3 Jahren eingedeckt. Vor dem Hintergrund einer unerwarteten kon54 Vgl. Günkel, StBJb 2004/2005, S. 308.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht junkturellen Abkühlung sind die Rohstoffpreise zum Jahresende 01 an der Rohstoffbörse NYMEX um 25 Prozent eingebrochen. Zum Bilanzstichtag am 31. 12. 01 haben die Rohstoffe der X-GmbH somit lediglich einen Wert von EUR 7,5 Mio. Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung im April 02 haben sich die Werte leicht erholt und die Rohstoffe der X-GmbH liegen bei EUR 8,5 Mio. Die X-GmbH setzt die Rohstoffe in ihrer Bilanz mit EUR 7,5 Mio. an und möchte diesen Wert aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelbilanz für die Steuerbilanz auch in der Steuerbilanz übernehmen. Lösungshinweise: Die erworbenen Rohstoffe sind weder Sach- noch Finanzanlagen und können somit nicht im Anlagevermögen der X-GmbH ausgewiesen werden sollen. Da sie nicht für die Produktion verwendet werden, sind sie im Umlaufvermögen unter den Vorräten auszuweisen. Das BMF hat mit Schreiben vom 25. 2. 200055 zu Teilwertabschreibungen aufgrund voraussichtlich dauernder Wertminderung im Bereich des Umlaufvermögens Stellung genommen. Darin heißt es, dass bei einem bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung anhaltenden Kursverlust börsennotierter Wirtschaftsgüter eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt und damit grundsätzlich eine Teilwertabschreibung in Betracht kommt56. Allerdings sind nach Auffassung des BMF Erkenntnisse des Kursverlaufs ab Bilanzstichtag bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen. Bei einem Kursanstieg wie im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass die börsennotierten Rohstoffe mit EUR 8,5 Mio. in der Bilanz zum 31. 12. 01 anzusetzen wären. Ob das auch dann gilt, wenn der Bestand des Umlaufvermögens eine Reichweite von 3 Jahren hat, ist nicht gesichert. Für Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren Anlagevermögens hatte das BMF hingegen in diesem Schreiben die Auffassung vertreten: „Kursschwankungen von börsennotierten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens stellen eine nur vorübergehende Wertminderung dar. Sie berechtigen demgemäß nicht zum Ansatz des niedrigeren Teilwerts.“57 Der BFH hat mit Urteil vom 26. 9. 200758 entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass bei im Anlagevermögen gehaltenen Wertpapieren eine Teilwertabschreibung auf den niedrigeren Börsenkurs zum Bilanzstichtag möglich ist. Danach ist bei einem gesunkenen Bör55 56 57 58

BMF, Schr. v. 25. 2. 2000 – IV C 2–2171b – 14/00, BStBl. I, 372. BMF, Schr. v. 25. 2. 2000 – IV C 2–2171b – 14/00, BStBl. I, 372, Tz. 23 ff. BMF, Schr. v. 25. 2. 2000 – IV C 2–2171b – 14/00, Tz. 11. BFH, Urt. v. 26. 9. 2007 – I R 58/06, DStR 2008, 187.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht senwert grundsätzlich davon auszugehen, dass eine dauerhafte Wertminderung vorliegt. Der BFH begründet dies damit, dass der aktuelle Börsenkurs die Einschätzung der Marktteilnehmer über die künftige Entwicklung von Wertpapieren widerspiegelt. In dem entschiedenen Fall hat der BFH sich nicht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung eingetretene Kurserholung als werterhellend oder wertbegründend auf den Bilanzstichtag zurückwirkt, weil die Klägerin und Revisionsklägerin den zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung gestiegenen Kurs in ihrem Abschluss berücksichtigt und dies auch zum Klagegegenstand gemacht hatte. Weil der BFH in der Frage, ob ein Wertverlust einer börsennotierten Aktie voraussichtlich dauerhaft ist, auf die prognostischen Möglichkeiten aus der Sicht des Bilanzstichtags abstellt und diese Prognose über die künftigen Kurse bereits in den Börsenkurswert eingeflossen sind, ist die Bestimmung eines zugrunde zu legenden Prognosezeitraums entbehrlich. Das kann nur bedeuten, dass der die zukünftige Kursentwicklung bereits antizipierende Kurs am Bilanzstichtag, der in der Steuerbilanz anzusetzende Teilwert ist. Da diese für das Anlagevermögen entwickelten Grundsätze (Stichwort gemildertes Niederstwertprinzip) erst recht für das Umlaufvermögen gelten dürften (Stichwort strenges Niederstwertprinzip), wären die Rohstoffe mit EUR 7,5 Mio. im Abschluss 01 der X-GmbH ansetzen. Im Übrigen hat der BFH demnächst Gelegenheit, die oben genannten Urteilsgrundsätze auf die Teilwertzuschreibung von Passivposten zu übertragen; unter dem Aktenzeichen IV R 62/06 ist die Revision gegen das Urteil des FG Bremen vom 10. 12. 2006 anhängig. In diesem Urteil bestätigt das FG Bremen die Ansicht des BMF, wonach eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung bei Kursschwankungen unterliegenden Fremdwährungs-verbindlichkeiten nicht zum Ansatz einer höheren Verbindlichkeit berechtigen59. Da sich auch Wechselkurse wie Aktienkurse an Märkten bilden, dürften die Rechtsprechungsgrundsätze des BFH übertragbar sein. Weil Verbindlichkeiten wie Umlaufvermögen zu bewerten sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG), dürfte der BFH diesmal auch zu der Frage Stellung nehmen, ob Kursänderungen im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung auf den Bilanzansatz zurückwirken oder ob der Stichtagskurs anzusetzen ist.

59 BMF, Schr. v. 12. 8. 2002 – IV A 6 – S-2175–7/02.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht

VII. Berücksichtigung nichtabzugsfähiger Rückstellungen beim Unternehmenskauf Fall: Die A-GmbH veräußert ihren Betrieb im Rahmen eines Asset Deals an die erwerbende B-GmbH. Dabei übernimmt die B-GmbH im Rahmen einer befreienden Schuldübernahme alle am Übertragungsstichtag begründeten und zum Unternehmen gehörenden Verpflichtungen. Dazu zählen auch zwei Posten, die nur handelsbilanziell gebildet werden konnten. Zum einen eine Drohverlustrückstellung aus einem langfristigen Mietvertrag und zum anderen eine Rückstellung für Arbeitnehmerjubiläen i. H. v. insgesamt EUR 3,3 Mio. Als Kaufpreis wird der handelsrechtliche Buchwert des Betriebsvermögens (Reinvermögen unter Berücksichtigung von Schuldposten) zuzüglich eines Betrages von EUR 2 Mio. für stille Reserven vereinbart. Darin sind auch die beiden in der Steuerbilanz nicht gebildeten Posten i. H. v. EUR 3,3 Mio. berücksichtigt. Handelsbilanziell weist die A-GmbH einen Veräußerungsgewinn von Euro 5 Mio. aus. Aus der Steuerbilanz der A-GmbH ergibt sich nach Abzug der beiden Rückstellungen hingegen ein Veräußerungsgewinn von nur EUR 1,7 Mio. Die steuerliche Betriebsprüfung rechnet denjenigen Teil der auf den Erwerber übertragenen Verbindlichkeiten hinzu, der in der Steuerbilanz nicht passivierungsfähig war (Drohverlustrückstellung und Jubiläumsrückstellung) dem aus der Steuerbilanz ersichtlichen Veräußerungsgewinn und kommt so auf einen Veräußerungsgewinn von EUR 5 Mio. Der Erwerber, die B-GmbH, bilanziert die erworbenen Vermögensgegenstände und Schulden mit ihren Teilwerten und setzt dabei auch in der Steuerbilanz die erworbene „Drohverlustrückstellung“ bzw. „Jubiläumsrückstellung“ als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten an. Lösungshinweise: Dieser beim Fachkongress in ähnlicher Form bereits mehrfach behandelte Fall ist nun vom BFH mit Urteil vom 17. 10. 200760 entgegen der Meinung der Finanzverwaltung bzw. des FG Baden-Württemberg entschieden worden. Diese Entscheidung des BFH steht in Einklang mit den bereits auf den vorhergehenden Fachkongressen vorgestellten Lösungsvorschlägen. Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass die Rückstellungsverbote in der Steuerbilanz nicht besagen, dass Verluste auch im Fall ihrer tatsächlichen Realisierung nicht steuerwirksam bleiben sollen. In der Übertragung von Verbindlichkeiten gegen Reduzierung des Kaufpreises sieht der BFH eine endgültige Verlustrealisierung. Da die 60 BFH, Urt. v. 17. 10. 2007 – I R 61/06.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht mit diesem Verlust verbundene Vermögensminderung bisher noch nicht erfasst wurde, muss sie im Rahmen der Bemessung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden. Damit ist ein Streit entschieden, bei dem man sich aus heutiger Sicht fragt, wie Finanzverwaltung und Finanzgericht bei einem so einfach erscheinenden Sachverhalt eine derart abwegige Auffassung vertreten konnten. Nicht entschieden vom BFH wurde bisher die im Zusammenhang mit Asset Deals häufig aufkommende Frage, welchen Charakter die beim Veräußerer steuerlich nicht bilanzierungsfähigen Verpflichtungen (z. B. Drohverlustrückstellung und Jubiläumsrückstellung) in der Handelsund Steuerbilanz des Erwerbers haben. Der Ansatz einer Drohverlustrückstellung setzt zwingend voraus, dass einerseits ein schwebendes Geschäft vorliegt und andererseits ein Verlust aus diesem schwebenden Geschäft droht. Diese beiden Tatbestandsmerkmale liegen lediglich beim Veräußerer vor, nicht jedoch beim Erwerber. Seine Verpflichtung besteht darin, den Veräußerer von dessen Verpflichtung freizustellen. Deshalb liegt auch kein schwebendes, sondern ein von beiden Seiten erfülltes Geschäft vor, für das eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist. Dieser Posten wird sowohl handelsbilanziell als auch steuerbilanziell wirksam. Gleiches gilt für die Jubiläumsrückstellung.61 Bei zukünftigen Anpassungen solcher Rückstellungen muss danach unterschieden werden, ob der Rechtsgrund für die Anpassung den „Altbestand“ betrifft oder in die Zeit ab Erwerb dieser Rückstellung fällt. Im erstgenannten Fall ist die Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten mit steuerlicher Wirkung anzupassen, im letztgenannten Fall hingegen nicht. Für diesen Teil wird man das steuerliche Rückstellungsverbot wohl bejahen müssen.

61 Bogenschütz, Ubg 2008, 135, 139.

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Letzte Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt und Steuerberater, Frankfurt am Main Inhaltsübersicht

I. Das System der Abgeltungsteuer 1. Grundlagen 2. Wahlveranlagung zum Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 4 EStG 3. Veranlagungsoption zum individuellen Steuersatz gemäß § 32d Abs. 6 EStG 4. Verlustverrechnungsbeschränkungen und KESt-Abzug 5. Sog. Alt-Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften 6. Sog. Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften 7. Wahlrecht bei der Kirchensteuer 8. Abgeltungsteuer bei Kapitalmaßnahmen nach § 20 Abs. 4a EStG n. F. 8.1 Tausch von Anteilen an ausländischen Körperschaften 8.2 Wandel-, Aktien- und Umtauschanleihen 8.3 Bezugsrechte 8.4 Zuteilung von Aktien ohne gesonderter Gegenleistung 8.5 Zeitpunkt der Einbuchung der neu erhaltenen Wertpapiere als steuerlich relevanter Zeitpunkt II. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 2 EStG) 1. Darlehen und stille Beteiligungen, „Hausbankprinzip“ (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG n. F.)

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2. Option gegen die Abgeltungsteuer bei mindestens 25 %-Beteiligung, oder mindestens 1 %-Beteiligung und beruflicher Tätigkeit für die GmbH (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F.) 3. Versicherungsleistungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG III. Abgeltungsteuer im Investmentsteuerrecht 1. Zeitliche Anwendungsregeln 2. Neudefinition der „ausschüttungsgleichen Erträge“ durch das JStG 2009 3. Neuregelung des Zwischengewinns 4. Neuregelung der sog. akkumulierten thesaurierten Erträge bei ausländischen thesaurierenden Investmentvermögen 5. Neuregelung des Immobiliengewinns 6. Neuregelung der Besteuerung von Gewinnen oder Verlusten aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentvermögen 7. Sonderregelung für sog. steueroptimierte Geldmarktfonds IV. Altersvorsorge-Produkte 1. Rürup- und Riester-Renten 2. Investmentfonds-Sparplan 3. Kapitallebensversicherungen 3.1 Grundsätze 3.2 Verschärfung der Anwendungsvoraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 4. (Fondsgebundene) Rentenversicherungen

Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer V. Handlungsmöglichkeiten für Privatanleger 1. Erwerb von Kapitalanlagen noch in 2008 wegen Bestandsschutz bei Veräußerungen nach 2008 2. Errichtung separater Depots oder Unterdepots 3. Vorziehen negativer Einnahmen (verausgabter Stückzinsen) 4. Einzug privater, vor 2009 unter dem Nennwert erworbener Forderungen

5. Sicherstellung der Abzugsfähigkeit nach 2008 anfallender Werbungskosten 5.1 Überführung fremdfinanzierter Kapitalanlagen ins Betriebsvermögen 5.2 Bestimmung des Transaktionskostenanteils der Vermögensverwaltungsgebühr (allin-fee) in Vermögensverwaltungsverträgen VI. Schlussfolgerung

I. Das System der Abgeltungsteuer 1. Grundlagen Das UntStRefG 20081 vom 14.8.2007 führte in §§ 20, 32d EStG einen linearen Einkommensteuer-Satz („ESt-Satz“) von 25 % auf im Privatvermögen erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen ein2. Verluste aus Kapitalvermögen können ab 2009 nur noch mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden3. Innerhalb dieser Einkunftsart werden Aktienveräußerungsverluste darüberhinaus gesondert „eingezäunt“4. Gewinne aus der Veräußerung oder Einlösung von Kapitalanlagen sind ab 2009 haltedauerunabhängig steuerpflichtig. Die bislang geltende Trennung zwischen Ertrags- und Vermögenssphäre wurde in diesem Bereich –

1 Vgl. BGBl. I 2007, 1652. 2 Die sog. Reichensteuer (obere Proportionalzone i. S. v. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG) ist nicht anwendbar. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörende Kapitalerträge werden auch nicht in den für Einkünfte aus den anderen Einkunftsarten relevanten Progressionsvorbehalt einbezogen. 3 Vgl. § 20 Abs. 6 S. 2f EStG n. F. Ein Verlustrücktrag ist nicht vorgesehen. 4 Vgl. § 20 Abs. 6 S. 5 EStG: Verrechnung nur mit Aktienveräußerungsgewinnen. Diese Sonderregelung gilt nur für Aktien, nicht z. B. für Bezugsrechte, sog. American Depository Receipts, Zertifikate, Termingeschäfte und – gemäß BMF, Schr. v. 18.8.2009 zum InvStG, Zweifels- und Auslegungsfragen, IV C 1 – S 1980–1/08/10019, Rz. 196b unabhängig davon, ob es sich um ein Investmentvermögen des Vertrags- oder des (Kapital-)Gesellschaftstyps handelt – für Aktienfondsanteile; vgl. BMF, Schr. v.14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001. Eine sachliche Begründung für diese weitere Verlustausgleichsbeschränkung ist nicht ersichtlich; kritisch z. B. Dinkelbach, DB 2009, 870, 873: „Verluste z. B. aus Siemens Aktien können nicht mit positiven Einkünften aus § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG (außer mit Gewinnen aus Aktienäußerungen) ausgeglichen werden, hingegen schon Verluste aus an der NYSE gehandelten Siemens ADR, deren jeweiliger Kurs umgerechnet nahezu dem der Siemens Aktie entspricht“.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer weitgehend, aber nicht ausnahmslos5 – aufgehoben. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 EStG wurden um bestimmte bisher unter §§ 23 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 46, 22 Nr. 3 EStG a. F. fallende Einkünfte erweitert7. Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist ab 2009 ein Werbungskosten-Abzug ausgeschlossen8. Abziehbar ist lediglich der SparerPauschbetrag9. Durch die Stellung eines Freistellungsauftrags kann seine Berücksichtigung wie bisher schon beim Kapitalertragsteuer-Abzug erreicht werden10. Der Anwendungsbereich der Kapitalertragsteuer („KESt“), deren Einbehalt im Grundsatz abgeltende Wirkung haben soll11, wurde ausgedehnt. Zum einen werden bestimmte Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne erstmals dem KESt-Abzug unterworfen12. Zudem sind 5 Bei den Veräußerungs- und Einlösungsgewinnen oder -verlusten aus Kapitalanlagen bleibt es bei einer punktuellen transaktions- bzw. ereignisbezogenen Erfassung, d. h. es wird nicht in genereller Weise an die Wertentwicklung eines „Finanzvermögens“ angeknüpft (z. B. keine Abschreibung aufgrund bloßen Wertverfalls). Der Verfall von Options- und Bezugsrechten soll auch zukünftig kein steuerlich abzugsfähiger Aufwand sein, d. h. die bisherige Rechtslage (vgl. BFH, Urt. v. 19.12.2007 –– IX R 11/06; BMF, Schr. v. 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986, Tz. 18, Tz. 23) besteht im Ergebnis fort. Nach Ansicht der OFD Münster soll ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger seine im Privatvermögen gehaltenen Optionsscheine am letzten Handelstag vor Verfall des Optionsrechts zu einem Preis von nahe null Euro veräußert; vgl. Kurzinformation vom 13.7.2009, DStR 2009, 1757 mit kritischer Anm. Schmitt/Lenz. Auch soll ein vom Stillhalter gezahlter Barausgleich keine negative Einnahme darstellen; vgl. BMF, Verbände-Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/001. 6 Zur Einbeziehung von Termingeschäften in § 20 Abs. 2 EStG n. F. vgl. z. B. Dahm/Hamacher, DStR 2008, 1910. 7 Vgl. § 20 Abs. 2 EStG n. F. 8 Damit sind z. B. tatsächlich verausgabte Zinsen auf Darlehen zur Finanzierung von Gesellschaftsanteilen und Kapitalanlagen sowie Depot- und Kontoführungsgebühren vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Dies gilt auch für tatsächlich verausgabte Vermögensverwaltungshonorare, deren Abzug von der Finanzverwaltung schon bisher – zum Teil regional unterschiedlich – eingeschränkt worden war; vgl. BMF, Schr. v. 12.6.2002, BStBl. I 2002, 647; OFD Düsseldorf/OFD Münster, Verf. v. 28.10.2004, DB 2004, 2450; OFD Rheinland, Verf. v. 31.1.2007; FG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2006, EFG 2007, 354. Der Ausschluss des Abzugs tatsächlich entstandener Werbungskosten nach § 20 Abs. 9 EStG wird in der Literatur vielfach für verfassungswidrig gehalten; vgl. z. B. Hey, BB 2007, 1303, 1307; Wenzel, DStR 2009, 1182. 9 Bei Einzel-Veranlagung EUR 801, bei Zusammen-Veranlagung EUR 1.602. Vgl. § 20 Abs. 9 EStG n. F. 10 Vgl. § 44a Abs. 1, Abs. 2 EStG. Vor 2009 gestellte Freistellungsaufträge bleiben auch nach 2008 gültig. 11 Vgl. § 43 Abs. 5 EStG n. F. 12 Allerdings unterbleibt – wenn der Steuerpflichtige dies durch Abgabe des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks beantragt – ein KESt-Abzug auf Kapitalerträge

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer nun ausländische Steuern, negative Einnahmen, Anschaffungskosten, Verluste und – auf Antrag – die Konfessionszugehörigkeit (zum Einbehalt von Kirchensteuer) bereits beim KESt-Abzug zu berücksichtigen. Die schon durch das UntStRefG 2008 in § 44a Abs. 5 Satz 4 EStG geregelte Abstandnahme vom KESt-Abzug bei Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG (insbesondere Auslandsdividenden, Erträge aus Termingeschäften, vereinnahmte Optionsprämien und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften) von Körperschaften ist durch § 43 Abs. 2 EStG i. d. F.d. JStG 2009 allgemein auf derartige im Betriebsvermögen erzielte Einkünfte ausgedehnt worden. Voraussetzung für die Abstandnahme vom KESt-Abzug ist, dass der Gläubiger der Kapitalerträge gegenüber der auszahlenden Stelle nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck13 erklärt, dass die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind. Dies gilt entsprechend für Kapitalerträge aus Options- und Termingeschäften, wenn sie zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören. Eine entsprechende Abstandnahmemöglichkeit ist bisher für ausschüttenden Investmentvermögen nicht eingeführt worden14, was – wenn diese Gesetzesänderung nicht nachgeholt wird – eine Benachteiligung der Fonds-Anlage gegenüber der Direktanlage zur Folge hätte15. Gemäß § 43 Abs. 5 EStG ist die Einkommensteuer („ESt“) des privaten Anlegers für Kapitalerträge, die der KESt unterlegen haben, mit dem Steuerabzug grundsätzlich abgegolten. Diese Kapitalerträge müssen nicht mehr in der ESt-Erklärung angegeben werden16. Kapitalerträge, die

13 14

15 16

i. S. v. § 43 Abs. 1 Nr. 6, 8 bis 12 EStG im betrieblichen Bereich und bei Kapitalerträgen aus Options- und Termingeschäften i. S. v. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 und 11 EStG auch dann, wenn sie zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören. Vgl. BMF, Verbände-Schr. v. 22.12.2008 – IV C 1 – S 2404/0. Entgegen der Ankündigung im BMF-Verbändeschreiben vom 15.8.2008, Tz. III. 9. Im Verbände-Schreiben vom 5.2.2009 (IV C 1 – S 1980–1/08/10111) bestätigt das BMF, dass ab 2009 im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung bei betrieblichen Anlegern und Kapitalerträgen i. S. v. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG bei Ausschüttung eine Abstandnahme bzw. bei Thesaurierung unter sinngemäßer Anwendung von § 7 Abs. 5 InvStG eine Erstattung der KESt erfolgen kann; vgl. auch BMF, Schr. v. 18.8.2009, IV C 1 – S1980–1/08/10019, Tz. 143a. Vgl. Ebner, NWB 4/2009, 209 mit dem Hinweis, dass bei WM Daten und in den Systemen der Branche bereits Maßnahmen zur Umsetzung dieser Abstandnahmemöglichkeit getroffen worden seien. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 8 EStG nicht für zu einer anderen Einkunftsart gehörende Kapitalerträge, für unter § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG fallende Zinsen und Gewinnanteile aus typisch stillen Beteiligungen, gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG für Erträge aus begünstigten Lebensversicherungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG und auf Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für bestimmte („unternehmerische“) Anteile an Kapitalgesellschaften.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer nicht im Inland dem Steuerabzug an der Quelle unterlegen haben17, sind demgegenüber auch zukünftig in der ESt-Erklärung anzugeben. Die EStFestsetzung erfolgt gemäß § 32d Abs. 3 EStG im Grundsatz zum Abgeltungsteuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Soweit Rechtsnormen des EStG an die Begriffe „Einkünfte“, „Summe der Einkünfte“, „Gesamtbetrag der Einkünfte“, „Einkommen“ oder „zu versteuerndes Einkommen“ anknüpfen, sind die der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitalerträge18 gemäß § 2 Abs. 5b S. 1 EStG n. F. nicht einzubeziehen. Dies gilt gemäß § 2 Abs. 5b S. 2 EStG n. F. allerdings nicht in den folgenden Fällen: – beim Spendenabzug gemäß § 10b Abs. 1 EStG19 wegen des prozentualen Höchstbetrags bezogen auf den Gesamtbetrag der Einkünfte, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt; – zwingend für Zwecke der kindbedingten Freibeträge wegen der Höhe eigener Einkünfte und Bezüge gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG, bei § 32d Abs. 2, Abs. 6 EStG (gesetzliche Ausnahmen von der Abgeltungsteuer, Veranlagungsoption zum individuellen Steuersatz), bei § 33 Abs. 3 EStG zur Ermittlung der zumutbaren Belastung, weil der prozentuale Höchstbetrag auf den Gesamtbetrag der Einkünfte bezogen ist, und bei § 33a Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 2 EStG bei Anwendung des Unterhalts- und Ausbildungsfreibetrags, der von der Höhe eigener Einkünfte und Bezüge abhängt. 17 Z. B. Zinsen auf zwischen Privatpersonen vereinbarte Darlehen, im Ausland erzielte Kapitalerträge. 18 Vgl. §§ 32d Abs. 1, 43 Abs. 5 EStG. 19 Ein Spendenabzug i. S. v. § 10b EStG kann nur im Rahmen der Veranlagung erfolgen. Ins Leere geht die Durchführung des Spendenabzugs, wenn der Steuerpflichtige ausschließlich Kapitaleinkünfte erzielt. Im Grundsatz gilt der KEStAbzug gemäß § 43 Abs. 5 EStG als endgültig, d. h. Kapitaleinkünfte werden bei der Veranlagung im Grundsatz nicht erfasst. Die Regelungen in § 32d Abs. 1, Abs. 3 EStG n. F. regeln die Erhebung der Abgeltungsteuer auf „Einkünfte“, d. h. vor Abzug von Sonderausgaben. Auch der Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG ist nicht geeignet, den Abzug von Sonderausgaben (Spenden) von Kapitaleinkünften zu erreichen. Im Ergebnis können Spenden nicht von den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur von sonstigen Einkünften abgezogen werden; vgl. Schienke-Ohletz/Selzer, DStR 2008, 136; Roth, FR 2008, 209. Einen Spendenabzug ermöglicht dem Gesetzeswortlaut nach lediglich § 32d Abs. 6 EStG. Weil es danach zur Veranlagung zum individuellen ESt-Satz nur dann kommt, wenn dieser unter 25 % liegt, erfasst diese Vorschrift nicht die in der Praxis relevanten Spendenfälle. Erzielt der Steuerpflichtige neben Kapitaleinkünften auch Einkünfte aus anderen Einkunftsarten, sind Spenden nur dann voll abziehbar, wenn die anderen Einkünfte mindestens so hoch sind wie die Spenden und der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Einbeziehung der Kapitaleinkünfte mindestens fünfmal so groß ist wie die Spenden.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer 2. Wahlveranlagung zum Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 4 EStG Privatanleger können auf Antrag auch solche Kapitalerträge zum Abgeltungsteuersatz von 25 %20 in die Veranlagung einbeziehen, die der KESt im Inland unterlegen haben. Dies ist vor allem dann angezeigt, wenn bestimmte begünstigende Tatbestände beim Steuerabzug nicht bzw. nicht vollständig berücksichtigt worden sind, z. B. – wenn der Sparer-Pauschbetrag nicht vollständig ausgenutzt wurde21, – wenn die Pauschal-Bemessungsgrundlage angewandt wurde22, – wenn noch ausländische Quellensteuern angerechnet werden sollen23, 20 Im Falle des Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG n. F., der auf einzelne Kapitalerträge beschränkt werden kann, bleibt es nicht nur beim linearen Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG, sondern auch bei der Anwendung von § 2 Abs. 5b S. 1 EStG n. F. 21 Hat der Steuerpflichtige den Sparer-Pauschbetrag über mehrere Freistellungsaufträge auf mehrere Kreditinstitute verteilt, kann er den bei einer Bank nicht ausgeschöpften Freibetrag nur über einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 4 EStG nutzen. 22 Bei § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 bis 12 EStG n. F. bemisst sich der Steuerabzug nach dem Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen; vgl. §§ 43a Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 4 EStG n. F. Voraussetzung ist jedoch, dass die Wirtschaftsgüter von der auszahlenden Stelle erworben oder veräußert und von ihr verwahrt oder verwaltet worden sind. Ist dies nicht der Fall, oder sind die Anschaffungsdaten aus anderen Gründen nicht nachgewiesen, bemisst sich der Steuerabzug gemäß § 43a Abs. 2 S. 7 EStG nach 30 % der Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung der Wirtschaftsgüter. Der Steuerpflichtige kann gemäß § 32d Abs. 4 EStG n. F. im Rahmen der Veranlagung die Bemessungsgrundlage i. S. v. § 20 Abs. 4 EStG nachweisen und so ggf. eine teilweise Rückerstattung der KESt erreichen. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung in der Veranlagung unterstellen wird, dass die in der Steuerbescheinigung ausgewiesene KESt vorrangig auf mit der Ersatzbemessungsgrundlage i. S. v. § 43a Abs. 2 Sätze 7, 10, 13 und 14 EStG n. F. besteuerte Erträge entfällt. 23 Vgl. §§ 32d Abs. 5, 43a Abs. 3 EStG n. F.; vgl. Harenberg, IWB F. 3 Gruppe 3 S. 1561. Im Rahmen des Verlustverrechnungstopfes i. S. v. § 43a Abs. 3 EStG n. F. erfolgt zunächst eine Verrechnung mit negativen Einnahmen und Verlusten (und zwar nicht nur mit zukünftigen, sondern auch mit früheren Erträgen innerhalb desselben Topfes). Ausländische Steuern gelangen erst nach Berücksichtigung eines gestellten Freistellungsauftrags zur Anrechnung. Einen Anrechnungsüberhang hat das Kreditinstitut zu bescheinigen. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer wird ab 2009 auf jeden einzelnen Kapitalertrag bezogen. Die Anrechnung beträgt höchstens 25 %. Nach Satz 2 kann auch fiktive Quellensteuer, d. h. eine nach einem DBA als gezahlt geltende Quellensteuer, angerechnet werden. Satz 3 stellt klar, dass durch die Anrechnung die deutsche Steuer auf 0 EUR reduziert werden kann, eine Erstattung von Anrechnungsüberhängen aber ausgeschlossen ist.

293

Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer – zur Berücksichtigung eines Verlustes oder Verlustvortrags24, – wenn Kapitalerträge mit sog. Alt-Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden sollen25, – wenn der Steuereinbehalt im Grunde oder der Höhe nach vom Finanzamt überprüft werden soll. Von herausragender Bedeutung ist der Antrag auf Wahlveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG nach Veräußerung oder Rückgabe von Anteilen an ausländischen thesaurierenden Investmentvermögen, die in einem inländischen Depot verwahrt werden. Denn in diesem Fall kommt es zum Einbehalt von KESt ggf. auf seit 1994 als zugeflossen geltende, noch nicht einem Steuerabzug unterworfene Erträge gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG, und zwar unabhängig davon, dass der Fonds-Anleger in den Vorjahren jeweils die ausschüttungsgleichen Erträge im Rahmen der Veranlagung versteuert hat26. Die ggf. erheblich überhöhte KESt kann nur auf Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG erstattet werden. Der Fonds-Anleger muss der EStErklärung die Steuerbescheinigung der Depotbank gemäß § 45a Abs. 2 S. 1 EStG über die Bemessungsgrundlage und die einbehaltene KESt beifügen. 3. Veranlagungsoption zum individuellen Steuersatz gemäß § 32d Abs. 6 EStG Privatanleger, deren individueller (Grenz-) ESt-Satz in dem betreffenden Veranlagungszeitraum unter dem Abgeltungsteuersatz liegt, können beantragen, dass ihre sämtlichen Einkünfte aus Kapitalvermögen mit ihrem individuellen Steuersatz versteuert werden. Ergibt sich kein Vorteil für den Steuerpflichtigen, gilt der Antrag als nicht gestellt. Andern24 Gemäß § 43a Abs. 3 S. 2 EStG n. F. hat die auszahlende Stelle unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 6 S. 5 EStG n. F. im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen. Im Grundsatz wird der nicht ausgeglichene Verlust innerhalb des Verlustverrechnungstopfes auf das nächste Kalenderjahr übertragen. Der Steuerpflichtige kann jedoch bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres unwiderruflich die Erteilung einer Bescheinigung durch das Kreditinstitut beantragen, woraufhin das Kreditinstitut die Höhe eines nicht ausgeglichenen Verlustes nach amtlich vorgeschriebenem Muster bescheinigt. Der Steuerpflichtige kann so einen nicht ausgeglichenen Verlust in der Veranlagung mit positiven Kapitalerträgen verrechnen, die er bei anderen Kreditinstituten erwirtschaftet hat und in Bezug auf die er einen Wahlveranlagungsantrag nach § 32d Abs. 4 EStG n. F. stellt. Der vom anderen Kreditinstitut vorgenommene KESt-Abzug hat in diesem Fall Vorauszahlungscharakter, der Anrechnungsüberhang wird erstattet. 25 Dies ist auf Antrag bei bis Ende VZ 2013 erzielten positiven Kapitalerträgen zulässig; vgl. dazu unten in Ziffer I. 5. 26 Zur früheren Rechtslage vgl. z. B. OFD Rheinland, Verfügung vom 18.4.2007, DStR 2007, 1037.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer falls gilt § 2 Abs. 5b S. 1 EStG n. F. nicht, es gilt der progressive ESt-Satz und ist einbehaltene KESt anzurechnen. Auf Antrag des Steuerpflichtigen muss das Finanzamt eine sog. Günstigerprüfung durchführen. Der Antrag kann nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge des betreffenden Jahres – und bei zusammenveranlagten Ehegatten auch nur für beide Ehegatten gemeinsam – gestellt werden. Die sog. Günstigerprüfung erfolgt nicht automatisch, sondern nur auf Antrag, weil sie die vollständige Angabe aller Kapitalerträge in der EStSteuererklärung voraussetzt. Dabei ist zu beachten, dass die Jahresbescheinigung iSv § 24c EStG a. F. nach dem Gesetzeswortlaut letztmals für das Jahr 2008 zu erteilen ist27 und für Jahre danach die Erteilung von Einzel-Bescheinigungen ausreicht, die alle für ein etwaiges Veranlagungsverfahren erforderlichen Angaben enthalten28. Der Abzug tatsächlich entstandener Werbungskosten bleibt auch im Falle der Versteuerung sämtlicher Kapitalerträge zum individuellen Steuersatz nach § 32d Abs. 6 EStG ausgeschlossen. Auch die 40 %ige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG wird nicht durch den Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG anwendbar. 4. Verlustverrechnungsbeschränkungen und KESt-Abzug Die Verlustverrechnungsbeschränkungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG n. F. sind gemäß § 43a Abs. 3 S. 2 EStG bereits beim KESt-Abzug zu berücksichtigen. Das Kreditinstitut hat im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen29. Dabei nimmt das Kreditinstitut nicht nur am Ende des Kalenderjahres einen Abgleich vor, sondern auch unterjährig (zu bestimmten Stichtagen oder auch täglich bzw. mit jedem neuen Geschäftsvorfall). Dem Steuerpflichtigen erstattet es unterjährig einen etwaigen sich ergebenden positiven Steuersaldo. Dieser Steuersaldo wird vom Kreditinstitut im Rahmen der jeweils nächsten KESt-Anmeldung verrechnet30. Ungeachtet des § 43 Abs. 4 EStG n. F. wird die Verlustverrechnung auf Ebene der Kreditinstitute bei natürlichen Personen nur für diejenigen Kapitalerträge durchgeführt, die den Einkünften aus Kapital27 Nach dem BMF-Schreiben vom 24.11.2008 – IV C 1 – S 2401/08/10001, Ziffer II. 1. sollen grundsätzlich weiterhin Jahressteuerbescheinigungen ausgestellt werden (für alle Privatkonten und -depots des Steuerpflichtigen). 28 Vgl. § 54a EStG n. F. 29 Vgl. § 43a Abs. 3 S. 2 EStG n. F. 30 Dies war von den Verbänden gefordert worden, um eine gleichmäßigere Auslastung der an der Abrechnung beteiligten Konten- und Wertpapierabrechnungssysteme sowie eine zeitnahe Information der Kunden über das noch zur Verfügung stehende Verlustverrechnungspotenzial zu ermöglichen.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer vermögen zuzuordnen sind31. Negative Kapitalerträge, die anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind, sind demnach nicht mit positiven Kapitalerträgen des Privatvermögens verrechenbar32. Wegen der Sonderregelung für Aktienveräußerungsverluste in § 20 Abs. 6 S. 5 EStG n. F. sind zwei Verlustverrechnungstöpfe pro Anleger und Kreditinstitut zu führen. Das System des Verlustverrechnungstopfes iSv § 43a Abs. 3 EStG n. F. lässt sich wie folgt vereinfacht darstellen: An den Anleger auszuzahlender Kapitalertrag

abzüglich

Ergebnis des Verlustverrechnungstopfes

negative Einnahmen und Veräußerungsverluste* (gesonderter Aktien-Verlusttopf): Verrechnung negativer Einnahmen und von Verlusten nicht nur mit zukünftigen, sondern auch mit früheren Erträgen innerhalb desselben Topfes; Anrechnung ausländischer Steuern** positiv

Abführung der Abgeltungsteuer

negativ

Vortrag des Verlustes auf das nächste Kj (Vortrag eines Anrechnungsüberhangs unzulässig)

Auf Antrag*** (bis 15.12.): Bescheinigung iSv § 43a Abs. 3 S. 4 EStG n. F.

Auf Antrag: Bescheinigung iSv § 45a Abs. 2 EStG n. F.

Individuelle ESt-Veranlagung * Nur bei Einkünften aus KapVerm (nicht bei § 20 Abs. 8) ** Anrechnung von max. 25 % ausländischer Steuern auf den einzelnen Kapitalertrag, §§ 32d Abs. 5, 43a Abs. 3 EStG n. F. *** Getrennt für Aktien Verlusttopf und für allg. Verlusttopf zulässig.

31 Eine umfassende Verlustverrechnung für die nicht privaten Konten und Depots über ein gesondertes Steuerverrechnungskonto würde im Hinblick auf die zwingende Veranlagung keinen Sinn machen. 32 Vgl. BMF, Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Ein gestellter Freistellungsauftrag wird erst nach Berücksichtigung des Verlustverrechnungstopfes verbraucht. Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 9 S. 4 EStG n. F., wonach der Sparer-Pauschbetrag und der gemeinsame Sparer-Pauschbetrag nicht höher sein dürfen als die (um eine abzuziehende ausländische Steuer geminderten33 und) nach Maßgabe von Abs. 6 verrechneten Kapitalerträge. Je nach Reihenfolge der Geschäfte kann ein ausgeführter Freistellungsauftrag bzw. ein Freistellungsbetrag wieder „aufleben“, weil eine vorrangige Verrechnung von Verlusten die Ausführung des Freistellungsauftrags insoweit verhindert. Beispiel:34 Ertrag/ Verlust

Verlusttopf Aktienveräußerung

VerlustFreistel- AGS topf übrige lungsvolumen

01.02.09:

Zahlung von Stückzinsen

– 100



100

801

0

01.03.09:

Zufluss von Zinsen

+ 900



0

1

0

01.04.09:

Verlust aus Termingeschäft

– 500



0

501 (lebt wieder auf)

0

Der Sparer-Pauschbetrag wirkt sich voll umfänglich bei den verrechenbaren Kapitalerträgen aus35. Erzielt ein Steuerpflichtige z. B. Zinseinkünfte von EUR 900 und erleidet er Verluste aus Aktienverkäufen von EUR 700, ist der Sparer-Pauschbetrag in voller Höhe von den Zinseinkünften abzuziehen. Die Finanzverwaltung hat noch nicht entschieden, ob sie es unbeanstandet lassen wird, wenn die Kreditinstitute in der Praxis nur unbefristete oder auf den 31. Dezember eines Jahres befristete Freistellungsaufträge akzeptieren36. Wäre die Befristung auf einen Zeitpunkt während des Jahres möglich, würde nach einer Verlustverrechnung der dadurch „frei werdende“ Freistellungsbetrag bei dem Kreditinstitut wegen dieser vom Kunden ausgesprochenen Befristung nicht mehr genutzt werden können37.

33 Allerdings ist § 34c Abs. 2 EStG im Rahmen der Abgeltungsteuer nicht anwendbar; vgl. BMF, Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001. 34 Vgl. BMF, Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001. 35 Vgl. § 20 Abs. 9 S. 4 EStG. 36 Vgl. BMF, Schr. v. 15.6.2009, Ziffer II. 1., IV C 1 – S – 2000/07/0009. 37 Der Anleger sollte Antrag auf Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG stellen.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Auf dem Steuerverrechnungskonto zu erfassende Steuergutschriften ergeben sich aus der nachträglichen Verrechnung späterer negativer Einnahmen oder Verlust mit zuvor erzielten positiven Einnahmen oder Gewinnen. Beispiel:38 Ertrag/ Verlust

Verlusttopf Aktienveräußerung

Verlusttopf übrige

AGS

Steuergutschrift

26,375



0

26,375

01.02.09:

Zufluss von Zinsen

+ 100





01.03.09:

Zahlung von Stückzinsen

– 100



100

– 100 0

5. Sog. Alt-Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, die noch unter § 23 EStG a. F. fallen39, können bis zum Jahr 2013 sowohl mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften als auch mit Erträgen i. S. v. § 20 Abs. 2 EStG verrechnet werden40. Dies gilt auch für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Grundstücken. Eine Verrechnung solcher AltVerluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit laufenden Erträgen i. S. v. § 20 Abs. 1 EStG ist unzulässig. Veräußerungs- und Einlösungserträge aus Zerobonds oder erhaltene Stückzinsen sind – weil sie unter § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F. fallen – mit Alt-Verlusten i. S. v. § 23 EStG a. F. ausgleichbar41. Für den VZ der Erzielung des Veräußerungs- oder Einlösungsgewinn ist ein Antrag auf Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG erforderlich42. Zuviel abgezogene KESt wird angerechnet bzw. erstattet. 38 Vgl. BMF-Verbändeschreiben vom 14.12.2007, IV B 8 – S 2000/07/0001. 39 Sog. Alt-Verluste können also auch noch bei Veräußerungen nach 2008 entstehen, wenn das Wirtschaftsgut vor 2009 angeschafft wurde und die Ein-JahresFrist i. S. v. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. im Veräußerungszeitpunkt noch nicht abgelaufen ist. 40 Vgl. § 23 Abs. 3 S. 9, 10 i. V. m. § 52a Abs. 11 letzter Satz EStG n. F. 41 Vgl. Delp, DB 2008, 2381, 2386 mit dem Hinweis, dass sich bei Zerobonds Zinsen aus mehreren Jahren zur Veräußerungsgewinnen umgestalten ließen, während bei Stückzinsen nur ein Zinsanspruch von unter 12 Monaten gewandelt werden könne. 42 Vgl. oben in Ziffer I. 2.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer 6. Sog. Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften Stillhalterprämien stellen ab 2009 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n. F. Kapitalerträge dar43. Erfasst werden Optionsprämien, die Stillhalter als Entschädigung für die Bindung an die Risiken erhalten, die sie durch die Einräumung von Optionsrechten (Kauf- oder Verkaufsoptionen) eingehen. Solche Optionsprämien fielen bis Ende 2008 als sonstige Einkünfte unter § 22 Nr. 3 EStG44. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n. F. soll, wenn eine Glattstellung erfolgt, die für das Gegengeschäft gezahlte Optionsprämie von der Stillhalterprämie abgezogen werden, so dass im Ergebnis nur der Nettoertrag besteuert wird45. Sog. Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG a. F. konnten bisher nur mit unter § 22 Nr. 3 EStG fallenden späteren Einnahmen verrechnet werden. Weil Einnahmen aus Stillhaltergeschäften nach 2008 nicht mehr zu den Einnahmen i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG gehören, wurde durch §§ 22 Nr. 3 S. 5, 6 EStG n. F. im Rahmen des JStG 2009 sicher gestellt, dass solche Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften für fünf Jahre mit Einnahmen aus Stillhaltergeschäften i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n. F. verrechnet werden können46. Diese Regelung gilt nur für Zwecke der ESt-Veranlagung, d. h. Einnahmen aus Stillhaltergeschäften müssen gemäß § 32d Abs. 4 EStG n. F. in der Veranlagung geltend gemacht werden. Weil die Kreditinstitute keine Kenntnis bzw. keine Aufzeichnungen über Alt-Verluste i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG a. F. haben, ist eine Verrechnung solcher Alt-Verluste mit Einnahmen aus Stillhaltergeschäften i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG im KESt-Abzugsverfahren nicht möglich. Diese Verrechnung sog. Alt-Verluste ist nur in Höhe des positiven Saldos möglich, der sich nach der – bereits im KESt-Abzugsverfahren durchgeführten – Verrechnung mit sog. Neu-Verlusten ergibt. 7. Wahlrecht bei der Kirchensteuer Die Kirchensteuer ist eine Annexsteuer zur ESt/Lohnsteuer47. Bis Ende 2008 war die Erhebung von Kirchensteuer auf die KESt nicht vorgesehen. 43 § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n. F. gilt erstmals für nach 2008 zufließende Stillhalterprämien; vgl. § 52a Abs. 9 EStG n. F. 44 Optionsprämien i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG a. F. wurden nicht in der Jahresbescheinigung i. S. v. § 24c EStG ausgewiesen. 45 Gemäß BMF-Schreiben vom 14.12.2007, Tz. 4h sind im Glattstellungsgeschäft gezahlte Prämien im Zeitpunkt der Zahlung in den Verlustverrechnungstopf einzustellen. Sie müssen also nicht mit der Stillhalterprämie aus dem Geschäft, das nun glattgestellt wird, verrechnet werden. Dies hat Bedeutung in Fällen, in denen das Eröffnungsgeschäft und das Gegengeschäft nicht im gleichen Kalenderjahr stattfinden. 46 Vgl. § 52a Abs. 10a EStG n. F. 47 Vgl. Kußmaul/Meyering, DStR 2008, 2298.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Die Kirchensteuer bleibt auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Sonderausgabe unbeschränkt abzugsfähig48. Weil die Abgeltungsteuer aber grundsätzlich abgeltende Wirkung haben soll, wird – wenn die Kirchensteuer bereits beim KESt-Abzug einbehalten wird49, d. h. der Anleger seinem Kreditinstitut seine Konfessionszugehörigkeit mitteilt – die Wirkung des Sonderausgabenabzugs der Kirchensteuer im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen bereits beim KESt-Abzug berücksichtigt. Gemäß § 32d Abs. 1 EStG n. F. tritt die steuermindernde Wirkung der Kirchensteuer bereits bei der Berechnung des Abgeltungsteuersatzes ein50. Die Banken haben ohne weiteres Zutun der Steuerpflichtigen allerdings keine Kenntnis darüber, ob diese einer Religionsgemeinschaft angehören. Die Kirchensteuer ist daher nur auf Antrag des Steuerpflichtigen durch den Schuldner der Kapitalerträge bzw. die auszahlende Stelle einzubehalten. Der Antrag kann nicht rückwirkend widerrufen werden. Der Steuerabzug wird im Falle der Antragstellung über das Finanzamt an die entsprechende Religionsgemeinschaft weitergeleitet. Die Steuerpflichtigen haben mithin ab dem VZ 2009 ein Wahlrecht, auf welchem Wege sie Kirchensteuer auf ihre Kapitalerträge bezahlen. Stellen sie den Antrag bei der Bank nicht, wird die Kirchensteuer erst im Rahmen der ESt-Veranlagung erhoben, was zu einem gewissen Zinsvorteil für den Steuerpflichtigen führt. Allerdings muss der Steuerpflichtige bei der Veranlagung dann die einbehaltene KESt erklären und dem Finanzamt eine entsprechende Bescheinigung des Kreditinstituts vorlegen. Die in Höhe von linear 25 % auf die Kapitalerträge zu erhebende ESt vermindert sich dann im Wege der Veranlagung um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer. Die Kirchensteuer ist insoweit nicht zusätzlich als Sonderausgabe im Rahmen der ESt-Veranlagung abzugsfähig. Erlitt der Steuerpflichtige ausländische Quellensteuer, kompliziert sich die Reduzierung der Abgeltungsteuer durch die Kirchensteuer51. Geplant ist, einen umfassenden Quellensteuerabzug auf der Grundlage eines elektronischen Informationssystems einzuführen. Bis zum 30.6.2010 soll die Bundesregierung darüber dem Bundestag berichten52. Voraussichtlich wird dann ab 2011 die Erhebung der Kirchensteuer grundsätzlich an der Quelle erfolgen. 48 Vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. 49 Vgl. § 51a Abs. 2c S. 1 EStG n. F. 50 Beispiel: Bei Zinserträgen in Höhe von EUR 1.000 und einem Kirchensteuersatz in Höhe von 9 % ermäßigt sich die KESt (Abgeltungsteuer) von an sich EUR 250 (EUR 1.000 x 25 %) auf EUR 244,50 (EUR 1.000: (4 + 0,09)). 51 Vgl. die Berechnungsformel in § 32d Abs. 1 S. 4 und S. 5 EStG n. F. 52 Vgl. § 51a Abs. 2e EStG n. F. Die Bischofskonferenz sieht die Gefahr erheblicher Einnahmeverluste, weil die Banken zunächst auf die freiwillige Konfessionsangabe angewiesen sind, um die Abgabe einbehalten zu können.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer 8. Abgeltungsteuer bei Kapitalmaßnahmen nach § 20 Abs. 4a EStG n. F. Immer dann, wenn ein Privatanleger für seine Aktien oder Anleihe andere Aktien oder Anleihen erhält oder ihm ohne gesonderte Gegenleistung Aktien zugeteilt werden, ergeben sich für die zum Einbehalt der Abgeltungsteuer verpflichteten Kreditinstitute im Grundsatz besondere Schwierigkeiten. Es werden keine Barzahlungen erbracht, so dass das Kreditinstitut den Anleger an sich gemäß § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 EStG auffordern müsste, die erforderlichen Steuerbeträge zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssten die vom Anleger erhaltenen Anteile oder Anleihen zur Ermittlung seines Veräußerungsgewinns bzw. -verlusts bewertet werden. Deshalb wird § 20 Abs. 4 S. 1 EStG n. F. durch Abs. 4a für dort im einzelnen bezeichnete Kapitalmaßnahmen modifiziert. Sinn der im Rahmen des JStG 2009 eingefügten bzw. geänderten Regelungen in §§ 20 Abs. 4a, 43 Abs. 1a EStG ist es, die Abgeltungsteuer für derartige Transaktionen praktikabler auszugestalten und die zu erwartende Anzahl der Antragsveranlagungen einzudämmen53. § 20 Abs. 4a EStG gilt nicht nur für das Abzugsverfahren, sondern insbesondere auch materiell-rechtlich54. Betroffen sind (1) der Tausch von Anteilen an ausländischen55 Körperschaften, wenn der Tausch aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen wird und die Veräußerung der erhaltenen Anteile in Deutschland besteuert werden kann oder Art. 8 der EU-Fusionsrichtlinie anwendbar ist, (2) der Tausch bei Umtausch- und Aktienanleihen, (3) der Wertansatz gewährter Bezugsrechte und (4) der Bezug von Freiaktien. 8.1 Tausch von Anteilen an ausländischen Körperschaften Der Tausch von Anteilen einer ausländischen Körperschaft war – mit Ausnahme der im UmwStG (bei entsprechendem Antrag) und in § 12 Abs. 2 KStG geregelten Fälle – vor Inkrafttreten des JStG 2009 wie eine Veräußerung steuerpflichtig. Lediglich für den KESt-Abzug sah § 43 Abs. 1 S. 7 EStG i. d. F.d. UntStRefG vom 14.8.2007 für die Fälle von §§ 13, 21 UmwStG – unabhängig von der Ausübung des Bewertungswahlrechts durch die betreffende Körperschaft in der Veranlagung – die Fortführung der Anschaffungskosten der weggegebenen Anteile für die erhaltenen Anteile vor. Materiell-rechtlich wäre es jedoch gemäß § 20 Abs. 2, 53 Vgl. Steinlein, DStR 2009, 509: Jede „Fehl“-Beurteilung einer Kapitalmaßnahme ziehe potentiell eine Vielzahl von „Folgefehlern“ nach sich, so dass der Grundsatz gelte: „Einmal in der Veranlagung, immer in der Veranlagung“. 54 Allerdings nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen, vgl. § 20 Abs. 8 EStG n. F. 55 Für die Fälle, dass eine der beteiligten Körperschaften Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat, ging der Gesetzgeber davon aus, dass Kapitalmaßnahmen rechtzeitig angekündigt werden und eindeutige Informationen über die steuerliche Behandlung der Maßnahme liefern.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Abs. 4 EStG zur Gewinnrealisierung gekommen, wenn tatsächlich Zwischen- oder gemeine Werte angesetzt werden, so dass der Privatanleger seinen Veräußerungsgewinn hätte gemäß § 32d Abs. 3 EStG erklären müssen. Zudem wäre es, wenn die durch Verschmelzung oder Anteilstausch erworbenen neuen Anteile später veräußert werden, zu einem (gemessen an der materiellen Rechtslage) zu hohen KESt-Einbehalt gekommen. Der Privat-Aktionär wäre gezwungen gewesen, gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Besteuerung dieser Kapitalmaßnahmen im Veranlagungswege zu beantragen, um die Anrechnung der KESt zu erreichen56. Das mit der Einführung der Abgeltungsteuer verfolgte Ziel, die Veranlagung von Einkünften aus Kapitalvermögen auf ein Minimum zu reduzieren, wäre insoweit nicht erreicht worden. Gemäß § 20 Abs. 4a S. 1 EStG n. F. werden nun auch die nicht nach UmwStG unter Fortführung der historischen Anschaffungskosten und die nicht unter § 12 Abs. 2 KStG fallenden Anteilstausche im Rahmen von Kapitalmaßnahmen nicht der Veräußerungsgewinnbesteuerung unterworfen. Der Anteilstausch muss auf gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen beruhen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen57. Darunter fällt auch die Annahme eines Übernahmeangebots durch eine andere Körperschaft. Der Privatanleger hat die von ihm – nach 2008 – neu erhaltenen Aktien mit den Anschaffungskosten der hingegebenen Aktien anzusetzen. Mit dem Verbände-Schreiben vom 15.8.200858 hatte das BMF schon frühzeitig klargestellt, dass in den hingegebenen Aktien ruhenden stillen Reserven, die bei einer marktoffenen Veräußerung steuerfrei wären, durch die Kapitalmaßnahme nicht erneut steuerverstrickt werden. Die gegen Hingabe der vor 2009 angeschafften Aktien erlangten neuen Aktien und hierfür ggf. zusätzlich erlangte neue Wertpapiere werden weiter als sog. Altbestand geführt, d. h. der vor 2009 liegende Anschaffungszeitpunkt gilt auch für die neuen Aktien und Wertpapiere. Durch die letztlich in Kraft getretene Neufassung von § 20 Abs. 4a S. 1 EStG, wonach die erhaltenen Anteile an die Stelle der hingegebenen Anteile treten59, wird bestätigt, dass bei vor 2009 erworbenen Anteilen, bei denen die bisher geltende Haltefrist von einem Jahr bereits überschrit-

56 Mangels Übereinstimmung der Regelungen in § 43 Abs. 1a EStG n. F. mit denen in § 20 Abs. 4a EStG n. F. besteht ein (wirtschaftlicher) Zwang zur Wahlveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG n. F. in bestimmten Konstellationen auch nach InKraft-Treten des JStG 2009 fort. 57 Nicht von § 20 Abs. 4a S. 1 EStG n. F. erfasst werden Umtauschvorgänge auf freiwilliger Basis, z. B. aufgrund eines privatrechtlichen Tauschvertrags zwischen zwei Privatanlegern. 58 BMF, Schr. v. 15.5.2008 – IV C 1 – S 2000/07/0009. 59 Die erlangten Anteile „erben“ den steuerlichen Status der hingegebenen Anteile, vgl. Steinlein, DStR 2009, 509 („Fußstapfen-Theorie“).

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer ten ist, die stillen Reserven nicht erneut steuerverstrickt werden60. Gezahlte Transaktionskosten sollen sich steuerlich nicht auswirken61. Die Neuregelung ist ausdrücklich auf den Tausch von Anteilen an außerhalb Deutschlands ansässigen Körperschaften, Vermögensmassen oder Personenvereinigungen beschränkt. Handelt es sich bei den hingegebenen und/oder bei den neu erhaltenen Anteilen um Anteile an einer deutschen Aktiengesellschaft, gelten für die Veranlagung – gemäß § 43 Abs. 1a EStG n. F. jedoch nicht für den KESt-Abzug – die allgemeinen Grundsätze. Privat-Aktionäre werden darauf angewiesen sein, dass ihnen ihre Kreditinstitute die für die Veranlagung erforderlichen Daten (z. B. Verkehrswert der neu erhaltenen Anteile) zur Verfügung stellen. In Fällen, in denen ein übernehmendes Unternehmen neben eigenen Anteilen als weitere Gegenleistung auch eine Barkomponente anbietet, ist gemäß § 20 Abs. 4a S. 2 EStG n. F. diese Zahlung – gemäß § 43 Abs. 5 EStG grundsätzlich mit abgeltender Wirkung – dem KESt-Abzug zu unterwerfen62. Die Anschaffungskosten der hingegebenen Anteile sind auch in diesem Fall auf die neuen Anteile zu übertragen. 8.2 Wandel-, Aktien- und Umtauschanleihen Mit Ausnahme von Wandelanleihen i. S. v. § 221 AktG, bei denen die Wandlung in Aktien hinsichtlich der Höhe der Anschaffungskosten aufgrund der zivilrechtlichen Situation auch schon bisher nicht als Veräußerung angesehen wurde63, ist der Vorgang des Tauschs bei Aktien- und 60 Vgl. auch BT-Drucks. 16/11108, S. 20. 61 Vgl. Steinlein, DStR 2009, 509, 511 unter Hinweis auf die bisherige Praxis bei Ausübung einer Wandelanleihe, vgl. BMF, Schr. v. 25.10.–2004, BStBl. I 2004, 1034. Ungeklärt ist, ob die gezahlten Transaktionskosten als nachträgliche Anschaffungskosten behandelt werden können. 62 Bei Alt-Anteilen, bei denen die Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. schon abgelaufen ist, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut zur Besteuerung nach § 52a Abs. 10 S. 1 EStG gerade nicht mehr steuerverstrickter stiller Reserven. 63 Vgl. BMF, Schr. v. 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 5, 6. Bereits der RFH hatte in den Jahren 1929 und 1944 entschieden, dass der Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Aktien aufgrund der in den Anleihebedingungen gewährten Befugnis eine Gewinnverwirklichung nicht herbeiführe; vgl. RFHE 25, 264 und RFHE 54, 128. Der RFH argumentierte dabei, dass der die Lieferung von Aktien verlangende Anleihegläubiger nicht seine Schuldverschreibungen umtausche, auch nicht auf sein Recht aus den Schuldverschreibungen verzichte, sondern die Aktien als Inhalt seines Rechts aus den Schuldverschreibungen verlange. Der Anleihegläubiger habe schon mit dem Erwerb der Schuldverschreibungen das feste Recht auf den Erwerb der Aktien erlangt. Die Leistung, durch die er das Recht auf den Aktienerwerb erworben habe, sei die bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen bewirkte Geldleistung. Es handele sich danach

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Umtauschanleihen an sich als Veräußerung nach § 20 Abs. 2, 4 EStG steuerpflichtig. Durch § 20 Abs. 4a S. 3 EStG n. F. wird auch beim Tausch von Aktien- und Umtauschanleihen gegen Aktien sonstige Wertpapiere die Realisierung stiller Reserven verhindert, d. h. die materiell-rechtliche Steuerneutralität auf den Tausch solcher Anleihen gegen Aktien oder sonstige Wertpapiere aus Vereinfachungsgründen (die stillen Reserven blieben steuerverstrickt und würden bei einer zukünftigen Veräußerung gegen Geldzahlung realisiert) ausgedehnt. Anders als die Neuregelung in S. 1 gilt die Regelung in S. 3 nicht nur für Sachverhalte im EU/EWR-Ausland und in Drittstaaten, sondern auch für Sachverhalte im Inland. Anders als § 20 Abs. 4a S. 1 EStG n. F. ordnet S. 3 nicht an, dass die neu erlangten Wertpapiere steuerlich an die Stelle der bisherigen Wertpapiere treten. Die erlangten Wertpapiere gelten mithin als neu angeschafft64. Unklar ist die Anwendbarkeit von § 20 Abs. 4a S. 3 EStG n. F. auf Vollrisikozertifikate, die mit einem Recht zur Aktienandienung ausgestattet sind. Dass keine „Rückzahlung des Nominalbetrags“ vorgesehen ist, spricht gegen, Praktikabilitätserwägungen sprechen für die Anwendbarkeit. Die Finanzverwaltung lehnt die Anwendung von § 20 Abs. 4a S. 3 EStG n. F. auf Vollrisikozertifikate mit Andienungsrecht ab. Unabhängig davon, ob die derartigen Kapitalanlagen bereits der Tatbestand der Lieferung einer „vorher festgelegten Anzahl von Wertpapieren“ erfüllt sei, sei jedenfalls der Tatbestand „anstelle der Rückzahlung des Nominalbetrags“ nicht erfüllt. Denn die Rückzahlung oder Andienung von Wertpapieren sei abhängig von der Entwicklung des Basiswerts65. Die Finanzverwaltung hat noch nicht entschieden, wie sie den Fall behandeln will, in dem bei der Tilgung von sonstigen Kapitalforderungen mittels Andienung von Wertpapieren (z. B.) Aktien Bruchteile nicht geliefert, sondern in Geld ausgeglichen werden66. 8.3 Bezugsrechte Bis Ende 2008 war bei Entstehung von Bezugsrechten der Altaktionäre bei Kapitalerhöhungen im Zeitpunkt des Bezugs ein Teil der Anschaffungskosten der „alten“ Aktien auf die Bezugsrechte abzuspalten (vgl. BMF, Schr. v. 20.12.2005, BStBl. I 2006, 8). Der oft schwer zu ermittelnde auf das Bezugsrecht entfallende Teil der Anschaffungskosten minderte bei der späteren Veräußerung oder Ausübung67 des Bezugsrechts das Ver-

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bei der Begebung der Schuldverschreibungen und der späteren Lieferung der Aktien steuerlich um einen einheitlichen Rechtsvorgang. Der BFH hat sich dem angeschlossen; vgl. BFH, BStBl. II 1973, 460; BFH, BStBl. II 2000, 262. Vgl. Steinlein, DStR 2009, 509, 511: Die sog. Fußstapfentheorie gilt nicht. Vgl. BMF, Schr. v. 19.6.2009, Ziffer IV. 1, IV C 1 – S – 2000/07/0009. Vgl. BMF, Schr. v. 19.6.2009, Ziffer IV. 3. Nach bisheriger Verwaltungsansicht stellt die Ausübung der Bezugsrechte eine Veräußerung der Bezugsrechte dar; vgl. BMF, Schr. v. 20.12.2005, BStBl. I 2006, 8.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer äußerungsergebnis. Nach § 20 Abs. 4a S. 4 EStG n. F. werden den Bezugsrechten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen68 nun keine anteiligen Anschaffungskosten der Alt-Anteile mehr zugerechnet. Die Besteuerung der Veräußerung von Bezugsrechten erfolgt mithin auf Brutto-Basis, und die Anschaffungskosten der Alt-Anteile werden nicht weiter vermindert69. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung den Fall der Bezugsrechtenausübung nicht als Veräußerungsfall behandeln wird70. Andernfalls müssten die Kreditinstitute mangels entsprechendem Geldflusses bei den Privat-Aktionären die erforderlichen Steuerbeträge anfordern. Die Kreditinstitute wären gezwungen, den Wert des Bezugsrechts im Zeitpunkt seiner Ausübung zu ermitteln. Gerade dies wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung von § 20 Abs. 4a S. 4 EStG n. F. im RegE zum JStG 2009 verhindern71. Weiter ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung an ihrer bisherigen Ansicht72 festhält, wonach Bezugsrechte bereits im Zeitpunkt der Anschaffung der Alt-Aktien als angeschafft gelten, obwohl der die Bezugsrechte zivilrechtlich zur Entstehung bringende Kapitalerhöhungsbeschluss erst später gefasst wird. Weil Bezugsrechte der Aktionäre keine zusätzlichen Gewinnanteile darstellen, sondern die Vermögensebene der Anteilseigner betreffen (Entschädigung für Verwässerungseffekte), muss die Übergangsregelung in § 52a Abs. 10 S. 1 EStG, wonach Wertsteigerungen aus vor 68 § 20 Abs. 4a S. 4 EStG gilt nicht im Rahmen der anderen Einkunftsarten, d. h. z. B. nicht für § 17 EStG; vgl. Meilicke, DB 2009, 476, 478; BMF, Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001. 69 Weil der Bezug junger Aktien aufgrund Bezugsrechtsausübung bisher als Anschaffung i. S. v. § 23 EStG angesehen wird (vgl. BFH, Urt. v. 12.4.1967 – VI 144/64, BStBl. II 1967, 554), ist zu befürchten, dass § 52a Abs. 10 S. 1 EStG teilweise ausgehöhlt werden wird; vgl. Meilicke, DB 2009, 476. 70 Dies ist derzeit noch unklar; vgl. BMF, Schr. v. 15.6.2009, IV C1 – S – 2000/07/6009, Ziffer I. Im BMF, Schr. v. 20.12.2005, BStBl. I 2006, 8 wird die Bezugsrechtsausübung für die Zwecke von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Veräußerung der Bezugsrechte angesehen, was mE auf einem Missverständnis des zeitgleich im BStBl. veröffentlichten BFH-Urteils IX R 36/01, BStBl. II 2006, 12 beruht; vgl. dazu Behrens/Renner, AG 2006, 367. Denn in diesem Urteil hat der BFH gerade nicht darüber entschieden, ob – wenn das Bezugsrecht vor Ablauf eines Jahres seit Anschaffung der Alt-Aktie ausgeübt wird – in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Bezugsrechts und seinen von den Anschaffungskosten der Alt-Anteile abgespalteten Anschaffungskosten ein steuerpflichtiger Gewinn i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. entsteht. Im Rahmen von § 17 EStG nimmt die Finanzverwaltung schon bisher im Zeitpunkt der Bezugsrechtsausübung keine Besteuerung vor; vgl. OFD Hannover, Verfg. v. 5.1.2007, DB 2007, 491. 71 Vgl. Meilicke, DB 2009, 476. Im Hinblick auf die haltedauerunabhängige Wertzuwachsbesteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG n. F. ist die Besteuerung des Ausübungsvorgangs auch aus fiskalischer Sicht nicht mehr erforderlich. 72 Vgl. BMF, Schr. v. 20.12.2005, BStBl I 2006, 8.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer 2009 angeschafften Aktien nach mindestens einjähriger Haltedauer steuerfrei veräußert werden können, entsprechend auch für aus Alt-Aktien resultierende Bezugsrechte und für die bei Ausübung der Bezugsrechte erlangten Neu-Aktien73 gelten. Anderenfalls müssten die Privat-Aktionäre ihre Alt-Aktien vor der Abtrennung der Bezugsrechte veräußern, um eine – nicht systemgerechte – Besteuerung zu verhindern74. 8.4 Zuteilung von Aktien ohne gesonderter Gegenleistung Zur Vermeidung von Veranlagungsfällen bestimmt § 20 Abs. 4a S. 5 EStG n. F., dass die Einbuchung von Anteilen, ohne dass eine gesonderte Gegenleistung – z. B. in Form eines Tausches oder in Form von Geldzahlungen – zu erkennen ist, zu einem Ertrag von EUR 0 führt und die Anschaffungskosten dieser Anteile EUR 0 betragen. Auch wenn der Kapitalertrag bei der Zuführung der Anteile zunächst nicht besteuert wird, wird damit eine vollständige Besteuerung der Vermögensmehrung beim Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Veräußerung erreicht75. Voraussetzung für den Ansatz von Ertrag und Anschaffungskosten mit EUR 0 ist, dass die auszahlende Stelle den Kapitalertrag nicht ermitteln kann. Nach der Gesetzesbegründung soll davon ausgegangen werden, dass die Erträge in Inlandsfällen durch entsprechende Angaben der Emittenten ermittelbar sind. In Auslandsfällen soll § 20 Abs. 4a S. 5 EStG n. F. nicht zur Anwendung gelangen, wenn das ausländische Recht ein Wahlrecht zulässt, wonach unter Verzicht einer Bardividende der Bezug von Freiaktien möglich ist. Denn in diesen Fällen wäre es den Kreditinstituten möglich, den steuerlich relevanten Kapitalertrag zu ermitteln. 8.5 Zeitpunkt der Einbuchung der neu erhaltenen Wertpapiere als steuerlich relevanter Zeitpunkt Gemäß § 20 Abs. 4a S. 6 EStG n. F. ist, soweit es auf die steuerliche Wirksamkeit einer Kapitalmaßnahme im Sinne der vorgenannten Vorschriften ankommt, auf den Zeitpunkt der Einbuchung in das Depot des Privatanlegers abzustellen. Relevant ist dies für die Ermittlung des Zeitpunkts etwaiger Steuerabzüge76 und für die Anwendung des Verbrauchsreihenfolge-Verfahrens (Fifo-Grundsätze) bei girosammelverwahrten Wertpapieren gemäß § 20 Abs. 4 S. 7 EStG. 73 Das Bezugsrecht und die aufgrund seiner Ausübung erlangte neue Aktie sind als insoweit identisch anzusehen, als der Wert des Bezugsrechts auf die neue Aktie übergeht. Nur soweit der Bezugsberechtigte bei Ausübung eine Zuzahlung leistet, liegt m. E. die Anschaffung einer neuen Aktie vor. 74 Vgl. Hahne/Krause, DStR 2008, 1724, 1727; Meilicke, DB 2009, 476. 75 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 21. 76 Z. B. bei Anwendung von § 20 Abs. 4a S. 2 EStG n. F.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer

II. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 2 EStG) 1. Darlehen und stille Beteiligungen, „Hausbankprinzip“ (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG n. F.) In § 32 d Abs. 2 Nr. 1 EStG hat der Gesetzgeber die Fallgestaltungen bezeichnet, bei denen er grundsätzlich die Gefahr sieht, dass die Spreizung der Steuersätze bei den Einkünfte aus Kapitalvermögen einerseits und bei den übrigen Einkunftsarten andererseits ausgenutzt wird. Betroffen sind Einkünfte i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 4, 7 (Zinsen, Gewinnanteile aus typisch stillen Gesellschaften) sowie nach dem Gesetzeswortlaut Veräußerungs- bzw. Einlösungsgewinne i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Nr. 7 EStG (Gewinne aus der Veräußerung bzw. Einlösung verzinslicher Forderungen und typisch stiller Gesellschaften), – wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende77 Personen sind (§ 32 d Abs. 2 Nr. 1 a) EStG), – wenn sie von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen mindestens 10 %igen Anteilseigner oder an eine einem solchen Anteilseigner nahestehende Person gezahlt werden (§ 32 d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG), oder – soweit ein Dritter die Kapitalerträge schuldet und diese Kapitalanlage (d. h. das Darlehen oder die typisch stille Beteiligung) im Zusammenhang steht mit einer Kapitalüberlassung – an einen Betrieb des Gläubigers der Kapitalerträge (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 1 EStG), – an eine dem Gläubiger der Kapitalerträge nahestehende Person (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 c) aa) EStG), – an eine Personengesellschaft, bei der der Gläubiger der Kapitalerträge oder eine diesem nahestehende Person als Mitunternehmer beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 c) bb) EStG), oder – an eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, an der der Gläubiger der Kapitalerträge oder eine diesem nahestehende Person zu mindestens 10 % beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 c) cc) EStG). In allen Fällen – mit Ausnahme des Falls der Kapitalüberlassung an einen Betrieb des Gläubigers der Kapitalerträge – setzt § 32 d Abs. 2 Nr. 1 c) EStG für die Anwendung des progressiven (statt des 25 %igen) Steuersatzes auf die Darlehenszinsen und Gewinnanteile

77 Vgl. zum Begriff „Nahestehen“ BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, S. 97 ff. mit einer weitgehend mit § 1 Abs. 2 AStG übereinstimmenden Definition; vgl. Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer aus typisch stiller Beteiligung voraus, dass der Dritte auf den Gläubiger oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann78. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 3 bis 5 EStG ist ein Zusammenhang zwischen der Kapitalanlage und der Kapitalüberlassung anzunehmen, wenn beides auf einem einheitlichen Plan beruht. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Kapitalüberlassung in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Kapitalanlage steht oder die jeweiligen Zinsvereinbarungen miteinander verknüpft sind79. Von einem Zusammenhang ist jedoch nicht auszugehen, wenn die Zinsvereinbarungen marktüblich sind oder die Anwendung des 25 %igen Abgeltungsteuersatzes beim Steuerpflichtigen zu keinem Belastungsvorteil führt80. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ordnet die folgenden Rechtsfolgen an: – der 25 %ige Abgeltungsteuersatz ist nicht anwendbar; – gemäß § 2 Abs. 5 b S. 2 Nr. 2 EStG sind die Zinsen und Gewinnanteile aus typisch stiller Beteiligung bei der Ermittlung der Einkünfte, der Summe der Einkünfte, des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Einkommens und des zu versteuernden Einkommens im Sinne des EStG mit einzubeziehen, woraus sich ergibt, dass die Zinsen und Gewinnanteile aus typisch stiller Beteiligung dem progressiven ESt-Satz i. S. v. § 32a EStG unterliegen; – § 20 Abs. 6 EStG gilt nicht, d. h. im Zusammenhang mit den betroffenen verzinslichen Forderungen und typisch stillen Beteiligungen erlittene Verluste dürfen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen und ggf. nach § 10d EStG abzogen werden; – im Zusammenhang mit den betroffenen verzinslichen Forderungen und typisch stillen Beteiligungen tatsächlich entstandene Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG abzugsfähig, d. h. das Verbot des Abzugs tatsächlich entstandener Werbungskosten nach § 20 Abs. 9 EStG gilt nicht. Insoweit steht auch der Sparerpauschbetrag nicht zur Verfügung. Die Anwendung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG soll die Umwandlung von Einkünften aus progressiv bzw. mit Unternehmenssteuern besteuerten 78 Weil der Gläubiger der Kapitalerträge im Fall von § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 1 EStG selbst Schuldner hinsichtlich der Kapitalüberlassung durch den Dritten oder durch einen Vierten (sog. Doppelbanken-Fall) ist, hielt der Gesetzgeber die Anknüpfung der Rechtsfolge des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG an das Vorliegen einer Rückgriffsberechtigung für überflüssig (weil in Form der Schuldnerschaft aus der Kapitalüberlassung für sowieso gegeben). 79 Dazu vgl. BT-Drucks. 16/7036 v. 8.11.2007, S. 13 f. 80 Dazu vgl. BT-Drucks. 16/7036 v. 8.11.2007, S. 13 f.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Tätigkeiten in niedrig besteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen verhindern81. Dementsprechend setzt die Anwendung des progressiven ESt-Satzes (statt des Abgeltungsteuersatzes) voraus, dass der Schuldner das Fremdkapital für eine progressiv oder mit Unternehmenssteuern besteuerte Tätigkeit einsetzt, in deren Rahmen die für das Fremdkapital gezahlten Vergütungen im Grundsatz als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Die Anwendung des progressiven ESt-Satzes (statt des Abgeltungsteuersatzes) kommt in den Fällen von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Nr. 7 EStG nur dann in Betracht, wenn dem Zufluss des Veräußerungs-, Einlösungs- oder Rückzahlungserlöses im Grundsatz ein entsprechender Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug auf Ebene der hoch besteuerten Tätigkeit gegenüber steht82. Unklar ist, unter welchen Voraussetzungen bei § 32d Abs. 2 Nr. 1 a) EStG der Schuldner und in den Fällen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 2 aa) EStG der Empfänger des Fremdkapitals dem Gläubiger der Kapitalerträge „nahe steht“. M. E. kann ein relevantes Naheverhältnis nur angenommen werden, wenn der eine auf den anderen einen beherrschenden Einfluss oder eine dritte Person auf beide einen beherrschen Einfluss ausüben kann, oder einer von beiden im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen des Darlehens bzw. der stillen Beteiligung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Weil die Anwendung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Vorteilszuwendung voraussetzt, ist die BFH-Rechtsprechung zum Begriff „nahestehende Person“ im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen83 mE nicht anwendbar. Auch an die Angehörigen-Eigenschaft i. S. v. § 15 AO kann nicht angeknüpft werden84, weil § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht auf § 15 AO verweist und nach den Gesetzesmaterialien ein eigenes wirtschaftliches (nicht nur ein persönliches) Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen erforderlich ist. Nicht von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasst sind im Grundsatz85 die Fälle der Fremdfinanzierung von Mitunternehmerschaften, an der eine dem

81 Vgl. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007. 82 Dies ist bei der Einlösung von Zerobonds denkbar, nicht jedoch im Falle der Veräußerung der verzinslichen Forderung oder typisch stillen Beteiligung an einen Dritten. 83 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 18.12.1996 – I R 139/94, BStBl. II 1997, 901. 84 So aber Schmidt/Wänger, NWB Fach 3, 14939, NWB Nr. 6 v. 4.2.2008; Hahne, Stbg 2008, 477; Zimmermann, BBK 8/2009, 380, 383 (allerdings ohne Begründung). 85 Allerdings greift der progressive ESt-Satz, wenn es sich bei dem Kapitalgesellschafter und der KG um nahestehende Personen handelt, z. B. wenn der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft die KG beherrscht (mittels mittelbarer Stimmrechtsmehrheit).

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Gläubiger der Kapitalerträge nahestehende Person beteiligt ist, oder die einer Kapitalgesellschaft nachgeschaltet ist86. Die Versteuerung der Kapitalerträge zum progressiven ESt-Satz (statt mit dem 25 %igen Abgeltungsteuersatz) setzt bei Back-to-Back-Finanzierungen einen Zusammenhang zwischen Kapitalanlage und Kapitalüberlassung mit Rückgriff des Dritten auf den Gläubiger der Kapitalerträge voraus. Hinsichtlich der den Zusammenhang begründenden „Verknüpfung der Zinsvereinbarungen“ ist im Rahmen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 4 Var. 2 EStG unklar, ob die Vereinbarung fester Zinssätze in beiden Verhältnissen schon deshalb schädlich ist, weil der Spread damit feststeht. Bei der Prüfung der Marktüblichkeit der Zinsvereinbarungen bei § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 5 Var. 1 EStG ist auf die isolierte Kapitalüberlassung ohne Kapitalanlage, aber unter Gewährung vergleichbarer Sicherheiten abzustellen. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die Gesetzesmaterialien, nach denen „geringe Abweichungen“ zur EWUZinsstatistik unschädlich sein sollen, in der Praxis berücksichtigen wird. Die Rückausnahme des Fehlens eines Belastungsvorteils durch die Anwendung des 25 %igen Abgeltungsteuersatzes i. S. v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) S. 5 Alt. 2 EStG ist auf Grundlage der Gesetzesmaterialien nur dann anwendbar, wenn der individuelle ESt-Satz des Gläubigers der Kapitalerträge unter dem Abgeltungsteuersatz liegt87. In diesem Fall kann der Gläubiger durch Antrag auf Günstigerprüfung i. S. v. § 32d Abs. 6 EStG die Anwendung seiner geringeren individuellen ESt-Satzes erreichen. In den Fällen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 a) und b) EStG gilt diese Rückausnahme nicht, d. h. bleibt es bei der Anwendung des individuellen EStSatzes, so dass insoweit ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht erforderlich ist88. 2. Option gegen die Abgeltungsteuer bei mindestens 25 %-Beteiligung, oder mindestens 1 %-Beteiligung und beruflicher Tätigkeit für die GmbH (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F.) Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F.89 gilt § 32d Abs. 1 EStG n. F. auf Antrag nicht für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (d. h. insbesondere für Gewinnausschüttungen und Liquidationsraten) aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar

86 87 88 89

Vgl. Kollruss, GmbHR 2007, 1133. Vgl. Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57, 60. § 32d Abs. 6 S. 2 und S. 3 EStG sind entsprechend teleologisch zu reduzieren. JStG 2008 vom 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer – zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder – zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist90. Insoweit finden § 3 Nr. 40 S. 2 und § 20 Abs. 6 und 9 keine Anwendung. Der Antrag gilt für die jeweilige Beteiligung erstmals für den Veranlagungszeitraum, für den er gestellt worden ist (frühestens erstmals für den VZ 2009). Er ist spätestens zusammen mit der ESt-Erklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, so lange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind. Die Widerrufserklärung muss dem Finanzamt spätestens mit der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum zugehen, für den die Sätze 1 bis 4 erstmals nicht mehr angewandt werden sollen. Nach einem Widerruf ist ein erneuter Antrag des Steuerpflichtigen für diese Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht mehr zulässig. Mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. soll berücksichtigt werden, dass bei bestimmten Sachverhaltsgestaltungen der Anteilserwerb nicht als bloße Kapitalanlage bezweckt wird, sondern vielmehr aus einem unternehmerischen Interesse heraus erfolgt91. Aus diesem Grund wird dem Erwerber eine Option eingeräumt, seine Dividendeneinkünfte – vergleichbar einer Beteiligung im Betriebsvermögen – dem progressiven ESt-Tarif (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG) unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 2 EStG) zu unterwerfen. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. bietet mithin ein Wahlrecht im Hinblick auf die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (60 % steuerpflichtig, 40 % steuerfrei) für sog. unternehmerische Beteiligungen. Ermöglicht werden soll – antragsgebunden – vor allem der Werbungskostenabzug im Zusammenhang mit Gewinnbezügen aus einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung92. Bei einem individuellen Grenzsteuersatz von unter ca. 43,9 % (ESt + SolZ) führt der Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, d. h. die 90 Nur bei diesen Steuerpflichtigen sei bei zulässigerweise typisierender Betrachtung von einer unternehmerischen Beteiligung auszugehen (zur entsprechenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers vgl. BVerfGE 96, 1 [6 f.]). 91 Vgl. BT-Drucks. 16/7036, S. 14. Erwähnt werden der umfangreiche Beteiligungserwerb im Rahmen eines „management-buy-out“ und der Erwerb eines Anteils an einer Berufsträgerkapitalgesellschaft. Derartige Sachverhalte, in denen allein aufgrund der qualifizierten Höhe der Kapitalbeteiligung ein wesentlicher Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen ausgeübt werden kann oder bei denen aufgrund beachtlicher Beteiligungshöhe und durch die berufliche Tätigkeit maßgeblicher Einfluss auf die Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann, seien zu unterscheiden von Fällen, in denen es allein um private Vermögensverwaltung geht. 92 Vgl. Schmidt/Wänger, NWB Fach 3 Seite 14939, NWB Nr. 6 v. 4.2.2008.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Besteuerung auf Grundlage des progressiven ESt-Tarifs und des Teileinkünfteverfahrens, auch dann zu einer geringen Besteuerung, wenn keine Werbungskosten anfallen: AGS

Gewinnausschüttung (GA) Steuer Netto-GA

100

– 26,375 73,625

TEV

TEV

TEV

TEV

30 %

43 % 43,5 %

43,9 %

100

100

100

– 18 – 25,8 – 26,1 82

74,2

73,9

100

TEV

TEV

TEV

44 % 45 % 47,475 % 100

100

100

– 26,34 – 26,4

– 27

– 28,485

73

71,515

73,66

73,6

Der Begriff „berufliche Tätigkeit“ entspricht der Terminologie von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG93. Nach der Kommentarliteratur erfasst der Gesetzeswortlaut jegliche Tätigkeit, bei der der Gesellschafter seine Arbeitskraft in den Dienst der Kapitalgesellschaft stellt, also auch die Geschäftsführungs- oder Vorstandstätigkeit eines Gesellschafters mit einer Mindestbeteiligung von 1 %94. Jedwede Voll- oder Teilzeittätigkeit sollte im Grundsatz ausreichen, gleichgültig ob sie haupt- oder nebenberuflich, selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird. Das Fehlen eines Entgelts ist zumindest dann unschädlich, wenn der Gesellschafter aufgrund Existenzgründung oder wirtschaftlicher Schieflage der Kapitalgesellschaft auf ein Gehalt im Vorhinein verzichtet95. Beispielsfall (zu den verfahrensrechtlicher Antragsbeschränkungen)96: A hält im VZ 2009 einen 20 %igen und einen 10 %igen Geschäftsanteil an der A-GmbH, insgesamt also 30 % im Privatvermögen. Im Jahr 2010 erwirbt er den 70 %igen Restanteil hinzu. Im Jahr 2011 veräußert er den 70 %igen und 20 %igen Geschäftsanteil an B, weil er in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Im Jahr 2014 erwirbt A nach Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Anteile (insgesamt 90 %) von B zurück und ist sodann wieder zu 100 % beteiligt. A gibt am 1.3.2011 seine ESt-Erklärung für 2009 ab und stellt – da er hohe Finanzierungskosten im Zusammenhang mit dem Anteil hatte – gleichzeitig den Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens. Ab VZ 2013 widerruft A seinen Antrag, möchte 93 Vgl. Groh, FR 2008, 265: Der gesetzgeberische Wille sei auf die Privilegierung der Beteiligung an Freiberufler-Kapitalgesellschaften gerichtet gewesen. 94 Vgl. Baumgartl/Lange in HHR, Jahresband 2008, § 32d, Anm. J07–31. 95 Vgl. Schmidt/Wänger, NWB Fach 3, 14939, wonach in der Praxis davon auszugehen sei, dass jegliche, auch noch so geringfügige Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft ausreicht, auch eine ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Tätigkeit. 96 Nach Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57, 61 f.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer aber nach Rückkauf der Anteile ab VZ 2014 erneut einen Antrag stellen. A war zu keiner Zeit für die A-GmbH beruflich tätig. Lösung: Im VZ 2009 ist durch die wirksame Antragstellung das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Dies gilt auch für 2010 und 2011, und zwar nach Neumann/Stimpel 97 nicht nur hinsichtlich der Anteile im Umfang von 30 %, sondern zwangsläufig auch für den hinzuerworbenen 70 %igen Geschäftsanteil. In 2012 gilt hinsichtlich des 10 %igen Restanteils der ursprüngliche Antrag fort, obwohl in diesem Jahr die Voraussetzungen von § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG nicht mehr vorliegen. Die Fünf-Jahres-Frist ist noch nicht abgelaufen. Durch den Widerruf für die VZ ab 2013 ist für den 10 %igen Geschäftsanteil nach dem Gesetzeswortlaut – für die Zukunft – nur noch die Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG) sowie das Werbungskosten-Abzugsverbot (§ 20 Abs. 9 EStG) anzuwenden. Für die in 2014 zurückerworbenen Geschäftsanteile in Höhe von 90 % kann A nach Neumann/Stimpel keinen Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens stellen. Weil er ununterbrochen an der A-GmbH beteiligt war, wirke der Widerruf wegen der beteiligungsbezogenen Ausrichtung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. auch für die in 2014 zurückerworbenen Anteile. A könne nur dann erneut die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens beantragen, wenn er zwischenzeitlich sämtliche Anteile an der A-GmbH veräußert hätte (was m. E. nicht sachgerecht ist). Erwirbt er dann zu einem nachfolgenden Zeitpunkt wieder Anteile an der A-GmbH, sei ihm der erneute Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eröffnet98. ME ist es nicht sachgerecht, die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 6 EStG auf die gesamte Beteiligung an der betreffenden Kapitalgesellschaft zu beziehen. Die Stellung des Antrags nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. wirkt sich ausschließlich im Veranlagungsverfahren aus. Der KESt-Abzug hat so zu erfolgen, als wäre der Antrag nicht gestellt worden. Einbehaltene KESt ist nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen bzw. zu erstatten. In der Literatur wird bemängelt, dass § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht alle Fälle des fremdfinanzierten Erwerbs der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erfasst. Zumindest sollte § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auf alle Beteiligungen anwendbar sein, bei denen es sich um Anteile i. S. v. § 17 EStG handelt. Außerdem wird geltend gemacht, dass dem Steuerpflichtigen bei jedem Hinzuerwerb eines weiteren Geschäftsanteils oder weiterer Aktien zugebilligt werden müsse, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu 97 GmbHR 2008, 57, 61 f. 98 Unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/7036 v. 8.11.2007, 14.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer beantragen, um Härtefälle zu vermeiden. Die Möglichkeit eines weiteren Hinzuerwerbs sei insbesondere für Arbeitnehmer oder Minderheitsgesellschafter zumeist nicht vorhersehbar99. 3. Versicherungsleistungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG Wird bei Lebensversicherungen iSv § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG100 die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahrs des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Abgeltungsteuer gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG – und auch das Verlustverrechnungsverbot nach § 20 Abs. 6 EStG – nicht anwendbar und ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung101 und den eingezahlten Beiträgen steuerfrei. Im Rahmen des KESt-Abzugs findet diese Begünstigung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG keine Berücksichtigung102. Mithin hat der Steuerpflichtige die Wahlveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG n. F. zu beantragen.

III. Abgeltungsteuer im Investmentsteuerrecht Im Folgenden werden nur einige wenige Aspekte der Auswirkungen der Abgeltungsteuer im Investmentsteuerrecht dargestellt. 1. Zeitliche Anwendungsregeln Erträge von Investmentvermögen, die dem Investmentvermögen nach dem 31.12.2008 zufließen, unterliegen auf Ebene der Privatanleger der Abgeltungsteuer103. Eine Ausnahme gilt für sog. Alt-Veräußerungs99 Vgl. Schmidt/Wänger, NWB Fach 3, 14939, die vorschlagen, das Optionsrecht eine gewisse Zeitspanne nach einem Widerruf wieder aufleben zu lassen, um den befürchteten ständigen Wechsel des Besteuerungsregimes zu vermeiden. 100 Darunter fallen Kapitalversicherungen und nach S. 4 fondsgebundene Lebensversicherungen, Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht, soweit keine lebenslange Rentenzahlung vereinbart und erbracht wird; zu den weiteren Voraussetzungen für die Anwendung von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG n. F. vgl. unten in Ziffer IV. 2. 101 Die in einem Betrag ausgezahlte Todesfall-Leistung ist nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern; vgl. BFH, Urt. v. 25.10.1994 – VIII R 79/71, BStBl. II 1995, 121, 124. Die Todesfall-Leistung unterliegt nicht der Einkommensteuer (Ausnahme: Todesfall-Leistung in Form von Rentenzahlungen). 102 Durch das JStG 2009, BGBl. I 2008, 2794, wurde der KESt-Abzug auf Leistungen iSv §§ 20 Abs. 1 Nr. 6, 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die durch ausländische Versicherungen mit inländischer Niederlassung iSv §§ 106, 110a oder 110d VAG erbracht werden, ausgedehnt; vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 HS 2 EStG. 103 Vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 InvStG.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer gewinne des Fonds, d. h. für nach 2008 ausgeschüttete Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, Termingeschäften und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften, bei denen das Wertpapier oder Bezugsrecht vom Fonds vor 2009 angeschafft wurde bzw. der Fonds das Termingeschäft vor 2009 abgeschlossen hatte104. Die Gewinne aus der Veräußerung im Privatvermögen gehaltener Investmentfonds-Anteile, die der Anleger nach 2008 angeschafft hat, sind ab 2009 unabhängig von der Haltedauer steuerpflichtig105. Eine Ausnahme gilt für PublikumsFonds-Anteile, die der Privatanleger vor 2009 erworben hat106. Gewinne aus der Veräußerung von Publikums-Fonds-Anteilen sind bei Veräußerung innerhalb der Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG als sog. Spekulationsgewinne107 mit dem progressiven ESt-Satz zu versteuern, auch wenn der Veräußerungszeitpunkt nach 2008 liegt. Gewinne aus der Veräußerung solcher Alt-Anteile, die in 2009 oder später nach Ablauf der Ein-Jahres-Frist erzielt werden, sind steuerfrei. Eine Sonderregelung gilt – außer für sog. steueroptimierte Geldmarktfonds108 – für sog. Individual-Fonds bzw. Spezialfonds für Privatanleger i. S. v. § 18 Abs. 2a InvStG, die vor 2009 und nach dem 09.11.2007 erworben worden sind. Solche Veräußerungsgewinne unterliegen grundsätzlich in voller Höhe der Abgeltungsteuer109. Der Privatanleger ist berechtigt, dem Finanzamt die Höhe der Gewinne nachzuweisen, die der Fonds aus nach 2008 angeschafften Wertpapieren bzw. nach 2008 abgeschlossenen Termingeschäften erzielt und thesauriert hat110. Betroffen sind Anteile 104 Insoweit gilt auch bei Ausschüttung nach 2008 noch das sog. Fonds-Privileg i. S. v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG a. F., d. h. ausgeschüttete Erträge auf Investmentanteile sind – unabhängig davon, ob der Privatanleger seinen Fondsanteil vor 2009 oder erst nach 2008 angeschafft hat – insoweit steuerfrei, als sie Wertpapierveräußerungs- und Termingeschäftsgewinne enthalten. 105 Vgl. § 8 Abs. 5 InvStG n. F.; der Gesetzeswortlaut ordnet die Geltung des gesamten § 8 InvStG allerdings nur für den Fall an, dass der Aktiengewinn veröffentlicht wird (vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 InvStG). 106 Vgl. § 18 Abs. 2 S. 2 InvStG n. F. Zum Korrekturbedarf des mit dem JStG 2009 in Kraft getretenen Gesetzeswortlauts vgl. BMF, Schr. v. 5.12.2008 – IV C 1 – S 1980–1/08/10011. Dieses Redaktionsversehen ist im Rahmen des Mitarbeiterbeteiligungsgesetzes vom 7.3.2009, BGBl. I 2009, 451 korrigiert worden. 107 Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften. 108 § 18 Abs. 2b InvStG, vgl. dazu unten in Ziffer III. 8. 109 Vgl. § 18 Abs. 2a InvStG n. F. Allerdings findet keine Nachversteuerung i. S. v. § 8 Abs. 5 S. 5 InvStG n. F. statt, d. h. ausgeschüttete Gewinne aus der Veräußerung vor 2009 angeschaffter Wertpapiere und eingegangener Termingeschäfte bleiben bei Privatanlegern, die Individualfonds-Anteile zwischen dem 10.11.2007 und dem 31.12.2008 angeschafft haben, steuerfrei. 110 Vgl. § 18 Abs. 2a S. 4 InvStG: „Als Veräußerungsgewinn wird aber höchstens die Summe der vom Investmentvermögen thesaurierten Veräußerungsgewinne angesetzt, auf die bei Ausschüttung § 18 Abs. 1 S. 2 nicht anzuwen-

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer an inländischen Spezial-Sondervermögen, inländischen Spezial-Investment-Aktiengesellschaften, ausländisches Spezial-Investmentvermögen und anderen Investmentvermögen, bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Vertragsbedingungen die Beteiligung natürlicher Personen von der Sachkunde des Anlegers abhängig oder für die Beteiligung eine Mindestanlagesumme von EUR 100.000 oder mehr vorgeschrieben ist111. Nach § 18 Abs. 2a InvStG gilt die neue Veräußerungsgewinnbesteuerung bereits dann, wenn solche Spezialfonds-Anteile nach dem 9.11.2007 und vor dem 1.1.2009 erworben, veräußert bzw. zurückgegeben werden. Das Ausnutzen der alten einjährigen Spekulationsfrist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG war deshalb grundsätzlich nicht mehr möglich, auch wenn die Anschaffung vor dem 1.1.2009 erfolgte112. Mit Schreiben vom 22.10.2008113 äußert sich das BMF zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 18 Abs. 2a S. 2 InvStG nach Verwaltungsansicht auch dann Anwendung finden soll, wenn dem Gesetz, der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder den Vertragsbedingungen weder eine geforderte besondere Sachkunde noch eine Mindestanlagesumme von EUR 100.000 oder mehr zu entnehmen ist. Danach kann, wenn das wesentliche Vermögen eines Investmentvermögens einer kleinen Anzahl von bis zu 10 Anlegern zuzuordnen ist, für diejenigen Anleger, deren Anlagesumme sich tatsächlich auf einen Betrag von mindestens EUR 100.000 beläuft, sowohl unterstellt werden, dass eine Mindestanlagesumme in Höhe von EUR 100.000 vorausgesetzt ist, als auch, dass von diesen Anlegern eine besondere Sachkunde i. S. v. § 18 Abs. 2a S. 2 InvStG gefordert wird. Gegenteilige Vereinbarungen sollen dabei aufgrund der Überlagerung durch die tatsächlichen Umstände außer Betracht bleiben. Die Finanzverwaltung will damit eine „Umgehung“ der Einschränkungen i. S. v. § 18 Abs. 2a InvStG verhindern. Es ist allerdings sehr fraglich, ob der Gesetzeswortlaut derart extensiv ausgelegt werden kann. Haben sich vor dem 1.1.2009 mehr als zehn Anleger an einem dem Gesetzeswortlaut nach von § 18 Abs. 2a InvStG nicht erfassten Investmentverden wäre; der Anleger hat diesen niedrigeren Wert nachzuweisen“. Wie der Anleger diesen Nachweis im Einzelnen zu erbringen hat, ist unklar. 111 Im Frühjahr 2007 wurden aufgrund einer Änderung des luxemburgischen Investmentrechts Spezialfonds für Vermögen der Privatanleger zugelassen. Danach ist Privatpersonen ab einer Mindesteinlage von EUR 1.250.000 die Bildung eines eigenen Spezialfonds erlaubt. Der Bundesrat befürchtete, dass durch die Anlage von Geldern in solchen Spezialfonds die Abgeltungsteuer dauerhaft umgangen werden könnte; vgl. BR-Drucks. v. 4.9.2007–544/07. § 18 Abs. 2a InvStG wurde bereits durch das JStG 2008 eingefügt. 112 Zu § 18 Abs. 2a InvStG, der bereits mit dem JStG 2008 eingeführt worden war, vgl. z. B. Grabbe/Behrens, DStR 2008, 950, 953 f. 113 BMF, Schr. v. 22.10.2008 – IV C 1 – S 1980–1/08/10011, DStR 2008, 2217. Vgl. dazu Wagner, DStZ 2009, 293.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer mögen beteiligt, kommen die gesetzlichen Einschränkungen trotz des BMF-Schreibens vom 22.10.2008 m. E. nicht zur Anwendung114. Trotz Einführung der haltedauerunabhängigen Veräußerungs- bzw. Rückgabegewinnbesteuerung ist die Besteuerung sog. ausschüttungsgleicher Erträge und des Zwischengewinns beibehalten worden. Wie in den Fällen der Direktanlage soll der KESt-Abzug auch bei der Fondsanlage grundsätzlich abgeltende Wirkung haben, d. h. Privatfondsanleger sollen grundsätzlich Fondserträge nicht mehr in ihrer ESt-Erklärung angeben müssen. Der Kreis der in den KESt-Abzug einbezogenen Erträge wurde ausgeweitet115. Durch Einfügung von § 4 Abs. 2 S. 8 InvStG im Rahmen des JStG 2009 soll – wie bei Direktanlage – auch die Anrechnung ausländischer Steuern bereits im Rahmen des KESt-Einbehalts erfolgen. Mit Datum 18.8.2009 hat das BMF das überarbeitete BMF-Schreiben (ursprünglich vom 2.6.2005) betreffend Zweifels- und Auslegungsfragen zum InvStG116 veröffentlicht. Grundsätzlich folgt die Finanzverwaltung der Auslegung von § 1 S. 2 und § 2 InvG durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Anpassungen sind auch im Hinblick auf das BaFin-Rundschreiben 14/2008 vom 22.12.2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG117. 2. Neudefinition der „ausschüttungsgleichen Erträge“ durch das JStG 2009 Ausschüttungsgleiche Erträge sind gemäß § 1 Abs. 3 S. 3 InvStG n. F.118 die von einem Investmentvermögen nach Abzug der abziehbaren Werbungskosten nicht zu Ausschüttung verwendeten Kapitalerträge (Nr. 1) sowie Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken 114 Den Rechtsweg zu beschreiten, empfehlen Schmitt/Kraus, DStR 2008, 2217. Die Ausweitung des Tatbestandes von § 18 Abs. 2a S. 2 InvStG durch das BMF, wonach bei kleinen Fondsvermögen allein eine Einlage von mindestens EUR 100.000 ausreichen solle, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Außerdem sei der Zeitpunkt für die Wesentlichkeitsprüfung nicht bestimmt, und auch nicht erläutert, was „wesentlich“ sein solle. Dem einzelnen Anleger seien in der Regel die Beteiligungsverhältnisse nicht bekannt, so dass eine einheitliche und gleichmäßige Umsetzung des BMF-Schreibens vom 22.10.2008 nicht möglich sei. Letztlich würden kleine Fondsanbieter benachteiligt. Ebenso Fürwentsches, FR 2008, 1146. 115 Insbesondere ist gemäß § 8 Abs. 6 InvStG auch von Gewinnen aus der Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen KESt einzubehalten. Dies gilt nicht für Gewinne aus der Veräußerung oder Rückgabe von Anteilen an sog. Individualfonds i. S. v. § 18 Abs. 2a InvStG, die der Anleger zwischen dem 10.11.2007 und dem 31.12.2008 angeschafft und nach 2008 veräußert hat. 116 Die Fassung vom 6.2.2005 ist in BStBl. I 2005, 728 veröffentlicht. 117 Vgl. auch BMF, Schr. v. 18.8.2009 – IV C 1 – S 1980–1/08/10019, Rz. 5 ff. 118 Vgl. BMF, Schr. 18.8.2009, Rz. 18–20.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer und grundstücksgleichen Rechten, sonstige Erträge und Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 EStG (Nr. 2). Bei den Kapitalerträgen, die gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG n. F. sowohl laufende Erträge als auch Einlösungs- bzw. Veräußerungsgewinne umfassen, gelten jedoch einige Ausnahmen119. Bei den Ausnahmen in Bezug auf Gewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (Kapitalforderungen) geht es darum, marktbedingte (echte) Kursbewegungen auch bei Realisierung auf Fonds-Ebene im Falle der Thesaurierung durch den Fonds steuerfrei zu belassen, während wirtschaftlich als Zins einzustufende Bestandteile als ausschüttungsgleiche Erträge erfasst werden sollen120. Nicht in die ausschüttungsgleichen Erträge einbezogen sind, d. h. bei Thesaurierung durch das Investmentvermögen unbesteuert bleiben – Veräußerungsgewinne aus Aktien, Geschäftsanteilen an GmbH, (Ziel-)Fondsanteilen121, aktienähnlichen Genussrechten (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG n. F.), – Erträge aus der Beendigung bzw. Veräußerung von Termingeschäften sowie Differenz-Ausgleichsgeschäften, Optionen, Futures, CFTs und Swaps122 (durch den Verweis auf § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG n. F. wird deutlich, dass zukünftig kein weiter Termingeschäftsbegriff mehr verwandt werden soll; die Einstufung eines Produkts als sonstige Kapitalforderung i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n. F. soll vorrangig sein), – Gewinne aus der Veräußerung und Einlösung von Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F.), soweit sie nicht auf vereinnahmte Stückzinsen123 entfallen und wenn es sich um sonstige Kapitalforderungen 119 Nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen gehören Erträge aus Stillhalterprämien iSv § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, Gewinne iSv § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (Anteile an Körperschaften) und Gewinne iSv § 20 Abs. 2 Nr. 3 (Termingeschäfte). 120 Auch wenn bei der Direkt-Anlage Veräußerungs- und Einlösungsgewinne nach 2008 grundsätzlich steuerpflichtig sind, sollten – wohl mit Rücksicht auf die Rechtslage im europäischen Ausland – thesaurierte Veräußerungsgewinne zumindest teilweise weiterhin nicht der Besteuerung unterworfen werden. Der Gesetzgeber wollte jedoch wiederum verhindern, dass die Verschiebung bestimmter Erträge von § 20 Abs. 1 EStG zu § 20 Abs. 2 EStG (z. B. Zerobonds) im Fall der Fonds-Anlage zu einer Einschränkung der Besteuerung im Vergleich zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer führt. 121 Vgl. Verweis auf § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG in § 8 Abs. 5 InvStG. Vgl. auch BTDrucks. 16/9012. 122 Vgl. Herrmann, BB 2009, 188, 191, auch zur Frage, ob ein fully funded swap wie eine sonstige Kapitalforderung zu qualifizieren ist. 123 Vom Investmentvermögen vereinnahmte Stückzinsen waren schon bisher Bestandteil der ausschüttungsgleichen Erträge. Der Gesetzgeber des JStG 2009 will verhindern, dass vom Investmentvermögen vereinnahmte Stückzinsen aus dem Kreis der ausschüttungsgleichen Erträge herausfallen, was ohne die Änderung durch das JStG 2009 der Fall gewesen wäre, weil sie im Falle der

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer handelt, die in den Buchstaben a) bis f) in § 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 InvStG n. F. genannt sind. – § 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 a) InvStG n. F.: Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalforderungen mit Emissionsrendite gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen124. Die Emissionsrendite wird gemäß § 1 Abs. 3 S. 4 InvStG n. F. als nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InvStG n. F. periodisch abzugrenzender Zins in die ausschüttungsgleichen Erträge einbezogen125. Gemäß § 18 Abs. 12 S. 3 HS 2 InvStG n. F. gelten vor dem 1.1.2009 angeschaffte nicht abgrenzungspflichtige Kapitalforderungen als zum 1.1.2009 angeschafft. § 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1a) InvStG n. F. führt zu einer Durchbrechung des Transparenzprinzips zu Lasten der Fondsanleger, weil beim Direktanleger z. B. eines Zerobonds die Besteuerung erst bei der Veräußerung oder Einlösung stattfindet, die Emissionsrendite mit dem Ergebnis jährlicher Besteuerung also nur im Fall der Fonds-Anlage abgegrenzt wird126. – Gewinne aus Kapitalforderungen, die ein Nutzungsentgelt in fixer oder variabler Höhe gewähren und bei denen die Rückzahlung zugesagt oder gewährt wird, gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 b) InvStG n. F.). Der Gesetzesgeber geht davon aus, dass in diesem Fall ein Veräußerungsergebnis eindeutig Direktanlage nun Teil der Veräußerungsgewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG sind. 124 Mangels Ertragskomponente, vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 59. Vgl. BMF, Schr. v. 18.8.2009, Rz. 18, unter Ziffer a): „Sollte darüber hinaus noch ein Rest-Kursergebnis erzielt werden, handelt es sich insoweit um einen markbedingten Wertpapierveräußerungsgewinn oder -verlust“. 125 Bei Kapitalforderung mit Emissionsrendite, die nicht leicht und eindeutig ermittelbar ist, wird nicht auf die Zinsen und angewachsenen Ansprüche aus einem Emissionsdisagio abgestellt, sondern ersatzweise die Marktwertsteigerung im Laufe des Fonds-Geschäftsjahres (bei unterjährigem Erwerb seit Anschaffung) angesetzt; vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 HS 3 InvStG n. F. (sog. Marktrendite-Konzept). In diesem Fall gehen auch (unrealisierte) Kursschwankungen etwa aufgrund von Marktzinsveränderungen schon während der Haltezeit in die ausschüttungsgleichen Erträge ein; vgl. § 1 Abs. 3 S. 4 InvStG n. F. Für das Fonds-Reporting sind Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite (deren Wertsteigerungen erst dann der Abgeltungsteuer beim Privatanleger unterliegen, wenn das Investmentvermögen sie einlöst oder veräußert; Ausnahmen gelten für Gewinnobligation und Genussrechte), Kapitalforderungen mit leicht und eindeutiger mittelbarer Emissionsrendite und Kapitalforderungen mit Emissionsrendite, die nicht leicht und eindeutig ermittelbar ist, bei WMDaten zu klassifizieren, und zwar sowohl für Alt- als auch für Neu-Emissionen nach 2008. 126 Vgl. kritisch Feyerabend/Vollmer, BB 2008, 1088, 1091; Ebner, NWB 4/2009, 204 f., der in Bezug auf in Fremdwährung notierte Emissionsrendite-Papiere auf eine weitere Abweichung von der Direktanlage hinweist.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer der Vermögens-Sphäre zuzuordnen ist und daher an der Begünstigung für thesaurierte Veräußerungsgewinne teilnehmen kann. Begünstigt sind Gewinne aus der Veräußerung normaler Anleihen127, unverbriefter Forderungen mit festem Coupon, down rating Anleihen, (reverse) floater, Stufen- und Kombizinsanleihen. – Vollrisiko-Zertifikate, die sich auf Einzelaktien beziehen128 oder die einen öffentlichen Aktienindex ohne Abweichung abbilden, gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 c) InvStG n. F.). Damit soll berücksichtigt werden, dass in einzelnen Ländern eine Direkt-Investition des Investmentvermögens in Aktien schwierig oder unzweckmäßig ist, z. B. weil Aktien nicht uneingeschränkt handelbar sind. Ein Aktienindex muss, um „öffentlicher Aktienindex“ im Sinne dieser Regelung zu sein, regelmäßig an allgemein zugänglicher Stelle bekannt gemacht werden und über die Verwendung nur in konkreten Fällen hinausgehen. Ein für eine oder mehrere bestimmte Anlagen zusammen gestellter „Basket“ (Aktienkorb) soll nicht ausreichen129. – Andere Vollrisiko-Zertifikate, die nach 2008 von Investmentvermögen erworben werden, führen bei Realisierung und Thesaurierung durch den Fonds zu ausschüttungsgleichem Ertrag130. Wegen des Fehlens einer Emissionsrendite sind unrealisierte Gewinne nicht in die ausschüttungsgleichen Erträge einbezogen. Gewinne aus Garantie-Zertifikaten mit Rückzahlungszusage unter dem Nennwert gehören zu den ausschüttungsgleichen Erträgen, und zwar auch dann, wenn sie Einzelaktien oder öffentliche Aktienindizes abbilden. – Gewinne aus der Veräußerung von Wandel-, Umtausch- und Aktienanleihen gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 d) InvStG n. F.)

127 Ein Emissionsdisagio zur Zinsfeinabstimmung ist gemäß § 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 b) S. 2 InvStG n. F. unschädlich. Insoweit soll die sog. Disagiostaffel nach dem BMF, Schr. v. 24.11.1986, BStBl. I 1986, 539 weiter gelten. 128 Neben sog. 1:1-Zertifikaten auf Einzelaktien und Zertifikaten auf öffentliche Aktienindizes sind auch ADRs und GDRs begünstigt. 129 Vgl. BMF, Schr. v. 18.8.2009, Rz. 18, unter Ziffer c). 130 Wenn das Investmentvermögen ein Vollrisiko-Zertifikat, das sich nicht bzw. nicht nur auf Einzelaktien bezieht und das keinen öffentlichen Aktienindex abbildet, vor 2009 angeschafft hat und nach 2008 verkauft oder einlöst, gehört der Veräußerungs- bzw. Einlösungsgewinn bei Thesaurierung nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen; vgl. BR-Drucks. 545/09, S. 132. Vgl. § 18 Abs. 12 S. 2 InvStG n. F.: „Satz 1 gilt nicht für Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen im Sinne der nach 2008 anzuwendenden Fassung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die nicht sonstige Kapitalforderungen im Sinne der vor 2009 anzuwendenden Fassung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind“.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer – Gemäß § 20 Abs. 4a S. 3 EStG n. F. wird im Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts die Veräußerung zu Anschaffungskosten fingiert. Die erworbenen Aktien gelten mithin als Neuanteile. Gewinne aus ihrer späteren Veräußerung sind nicht als sog. Altveräußerungsgewinne nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 InvStG a. F. begünstigt, auch wenn z. B. die Wandelanleihe vom Investmentvermögen bereits vor 2009 angeschafft worden war. – Gewinne aus der Veräußerung von rentenähnlichen Genussrechten gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 e) InvStG n. F.) Trotz des Verweises auf § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, worin Genussrechte lediglich inländischer Emittenten geregelt sind, sind auch Gewinne aus der Veräußerung von Fremdkapital-Genussrechten begünstigt, die von ausländischen Unternehmen ausgegeben werden131. – Gewinne aus der Veräußerung von Optionsanleihen gehören nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 1 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 f) InvStG n. F.) Die Herausnahme von Gewinnen aus der Veräußerung von Optionsanleihen, bei denen der Optionsschein nicht von der Anleihe abgetrennt ist, aus den sog. ausschüttungsgleichen Erträgen beruht auf Vereinfachungsgründen. Nach der Trennung von Anleihe und Optionsschein sollen die allgemeinen Vorschriften gelten. Die Neuregelung der ausschüttungsgleichen Erträge gilt gemäß § 18 Abs. 12 S. 1 InvStG erstmals für Erträge, die ein Fonds nach 2008 erzielt. Die Finanzverwaltung hat durch ein BMF-Schreiben für die Anwendung der Neuregelungen in §§ 1 Abs. 3, S. 3, 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 1 Abs. 4 InvStG idFd JStG 2009 eine Übergangsregelung bis zum 30.6.2009 gewährt132. 3. Neuregelung des Zwischengewinns Angestrebt worden war, die Bemessungsgrundlage des Zwischengewinns an die Neudefinition der ausschüttungsgleichen Erträge anzugleichen. In § 1 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 InvStG n. F. wird jedoch der Charakter des Zwischengewinns als „Zinsanteil“ aufrecht erhalten. Die Angleichung des Zwischengewinns an die ausschüttungsgleichen Erträge ist mithin nur im Hinblick auf Zinsanteile erfolgt. Dividendenanteile, die ebenfalls in 131 Vgl. Ebner, NWB 4/2009, 207, unter Hinweis auf die Kapitalverkehrsfreiheit i. S. v. Artikel 56 EGV. 132 Vgl. BMF, Schr. v. 5.2.2009 – IV C 1 – S 1980–1/08/10011. Danach kann auch die Einstufung der Wertpapierbestände als Finanzinnovationen nach der bisherigen Verwaltungsauffassung einschließlich des BMF-Schreibens vom 5.6.2008 zu Tz. I. 1. noch bis zum 30.6.2009 fortgeführt werden.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer den ausschüttungsgleichen Ertrag einfließen, gehören auch zukünftig nicht zum Zwischengewinn133. 4. Neuregelung der sog. akkumulierten thesaurierten Erträge bei ausländischen thesaurierenden Investmentvermögen Die akkumulierten thesaurierten Erträge, von denen bei Veräußerung oder Rückgabe des ausländischen thesaurierenden Fondsanteils gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG KESt einzubehalten ist, umfasst seit 2009 auch ausländische Dividenden. Weil gemäß § 4 Abs. 2 S. 7 InvStG von ausländischen Investmentvermögen erzielte inländische Dividenden als ausländische Erträge fingiert werden, fallen auch inländische Dividenden – und damit zukünftig sämtliche Dividenden – unter § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG. Grundsätzlich werden gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG sämtliche ab dem 1.1.1994 aufgelaufenen, noch nicht einem Steuerabzug unterworfenen Ertragsbestandteile der KESt unterworfen, wenn der Fonds-Anleger seine Anteile am ausländischen thesaurierenden Fonds veräußert oder zurückgibt. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 InvStG a. F. gilt eine Erleichterung in Form des Einbehalts von KESt vom besitzzeitanteiligen Wert nur dann, wenn die Depotstelle die Fondsanteile durchgängig verwahrt hat. Ab 2009 sind bei einem Depotwechsel gemäß § 43a Abs. 2 S. 3 EStG n. F. die Anschaffungsdaten vom übertragenden Kreditinstitut dem aufnehmenden Kreditinstitut mitzuteilen. Deshalb ist im Rahmen des JStG 2009 auch § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG dahingehend geändert worden, dass ab 2009 auch bei Depotwechsel nur noch die besitzzeitanteiligen thesaurierten Erträge in die akkumulierten thesaurierten Erträge einzubeziehen sind134. 133 Der Fonds-Anleger kann damit den auf im laufenden Geschäftsjahr vereinnahmten Dividenden beruhenden Teil des Veräußerungserlöses bei unterjähriger Veräußerung oder Rückgabe des Fondsanteils steuerfrei realisieren, wenn er den Fondsanteil bereits vor 2009 angeschafft hatte und länger als ein Jahr gehalten hat. Entsprechendes gilt für im Zeitpunkt der Veräußerung des Fondsanteils auf Fonds-Ebene noch nicht realisierte Gewinne aus Kapitalforderungen, die keine Emissionsrendite haben. Bei nach 2008 angeschafften Fondsanteilen wirkt sich das Fehlen eines Gleichlaufs von Zwischengewinn und ausschüttungsgleichem Ertrag für den Fonds-Anleger nachteilig aus, weil die Pro-Rata-Abgrenzung Dividenden und unrealisierte Kurssteigerungen nicht erfasst und deshalb der Neu-Anleger mit Ablauf des Geschäftsjahres des Fonds ausschüttungsgleiche Erträge versteuern muss, die er durch den Kaufpreis abgegolten hat. 134 Dazu, dass der Fonds-Anleger im Falle des KESt-Abzugs gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG bei Veräußerung oder Rückgabe ausländischer thesaurierender Investmentfonds-Anteile insoweit die Veranlagung dieser Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG beantragen muss, um sich die überhöhte KESt erstatten zu lassen, vgl. oben in Ziffer I. 2.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Gemäß § 43a Abs. 2 S. 8 EStG n. F. zieht ein Depotübertrag, durch den gemäß § 43 Abs. 1 S. 4 EStG eine Veräußerung der Fondsanteile fingiert wird, ab 2009 dieselben steuerrechtlichen Konsequenzen nach sich wie eine tatsächliche Veräußerung der Fondsanteile. Neben dem Stückzins sind – über den Wortlaut hinaus – auch Zwischengewinne zu erfassen, so dass beim übernehmenden Kreditinstitut der negative Zwischengewinn in den allgemeinen Verlustverrechnungstopf des Fonds-Anlegers einzustellen ist. Bei ausländischen thesaurierenden Fonds werden wohl die akkumulierten thesaurierten Erträge auf den Zeitpunkt des Depotübertrags abgegrenzt werden. 5. Neuregelung des Immobiliengewinns Bis Ende 2008 wirkte sich der sog. Immobiliengewinn135 lediglich bei der Besteuerung solcher Anleger aus, die die Fondsanteile im Betriebsvermögen hielten. Gemäß § 8 Abs. 5 S. 6 InvStG n. F. sind ab 2009 auch von Privatanlegern erzielte Gewinne aus der Veräußerung von Fondsanteilen insoweit steuerfrei, als der Veräußerungsgewinn auf nach § 4 Abs. 1 InvStG DBA-befreite Immobiliengewinne und ausländische Mieterträge entfällt. Voraussetzung ist die bewertungstägliche Ermittlung und Veröffentlichung des Immobiliengewinns durch den Fonds136. 6. Neuregelung der Besteuerung von Gewinnen oder Verlusten aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentvermögen Investmentfonds-Anteile können gemäß §§ 8 Abs. 5, 18 Abs. 2 S. 2137 InvStG steuerfrei veräußert werden, wenn der Fonds-Anleger sie vor 2009 erworben hatte und im Veräußerungszeitpunkt die Ein-Jahres-Frist i. S. v. 135 Der sog. Immobiliengewinn ist eine bewertungstäglich veröffentlichte Prozentzahl, die multipliziert mit dem parallel zu veröffentlichenden Rücknahmepreis den Wert der im Anteilspreis verborgenen steuerrechtlich noch nicht zugerechneten Immobilienwertzuwächse und Mieterträge i. S. v. § 4 Abs. 1 InvStG widerspiegelt. 136 Vgl. §§ 5 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 S. 1 InvStG. Gemäß BMF, Schr. v. 18.8.2009, Rz. 301 lässt es die Finanzverwaltung zu, dass bestehende Fonds, die nach Auflage, bei Beginn ihres Vertriebs oder im Fall des Private Placement nach erstmaliger Ausgabe an Inländer im Inland das durch das BMFSchreiben vom 2.6.2005, BStBl. I 2005, 728, Rz. 110 eingeräumte Wahlrecht für die Veröffentlichung des Aktien- und Immobiliengewinns nicht nach § 5 Abs. 2 S. 3 InvStG ausgeübt haben, dies zum 1.1.2009 nachholen. Dazu, dass insbesondere für Publikumsfonds, die ganz überwiegend Privatanlegern angeboten werden, die Ermittlung des sog. Immobiliengewinns bisher keinen Sinn machte und deshalb die nachträgliche Entscheidung für seine Ermittlung zugelassen werden sollte, vgl. Ebner, NWB 4/2009, 211. 137 Nach dem Wortlaut von § 18 Abs. 2 S. 2 InvStG idFd JStG 2009 käme es in jedem Fall bei Veräußerung des Fondsanteils nach 2008 zur Besteuerung nach

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. abgelaufen ist. Für nach 2008 angeschafften Fonds-Anteile gilt im Grundsatz die haltedauerunabhängige Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Abzugsfähigkeit von Veräußerungsverlusten innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen138. § 8 Abs. 5 S. 1 InvStG ordnet an, dass Gewinne aus der Veräußerung oder Rückgabe von Investmentfonds-Anteilen zu den Einkünften i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG gehören139. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentfonds-Anteilen unterliegen im Falle der Anschaffung der veräußerten Fonds-Anteile nach 2008 auch dem KESt-Abzug. Das Veräußerungsergebnis und die Bemessungsgrundlage für den KESt-Abzug ist gemäß §§ 7, 8 Abs. 5 und Abs. 6 InvStG n. F. wie folgt zu ermitteln: Ausgangspunkt ist § 20 Abs. 4 S. 1 EStG, d. h. vom Veräußerungs- oder Rückgabeerlös sind die Anschaffungskosten und Transaktionskosten abzuziehen. Vom Ergebnis sind – der besitzzeitanteilige Zwischengewinn140, – die besitzzeitanteiligen ausschüttungsgleichen Erträge141, – die ausgeschütteten ausschüttungsgleichen Erträge142, – ausgeschüttete sog. Alt-Veräußerungsgewinne143,

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§ 8 Abs. 5 InvStG. Mit BMF-Schreiben vom 5.12.2008 wurde eine gesetzliche Korrektur angekündigt. Vgl. Haisch/Danz, DStZ 2008, 392. Vgl. dazu Helios/Link, DStR 2008, 386, 391. Der Zwischengewinn gehört gemäß § 2 Abs. 1 InvStG zu den Erträgen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, d. h. er unterliegt als laufender Ertrag gesondert der Besteuerung. Die ausschüttungsgleichen Erträge sind, weil noch nicht tatsächlich ausgeschüttet, noch im Veräußerungserlös enthalten, obwohl sie im Rahmen der Veranlagung gemäß § 32d Abs. 3 EStG bereits auf Anlegerebene versteuert worden sind. Wurden ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre bereits ausgeschüttet, tritt eine entsprechende Minderung des Veräußerungs- bzw. Rückgabeerlöses ein. Die Ausschüttung ausschüttungsgleicher Erträge von Vorjahren ist auf Anlegerebene steuerlich unbeachtlich. Auf ausgeschüttete Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, Termingeschäften und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften, bei denen das Investmentvermögen die Wertpapiere oder Bezugsrechte vor 2009 angeschafft hat oder das Investmentvermögen das Termingeschäft vor 2009 abgeschlossen hat, ist § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG a. F. gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 InvStG n. F. weiter anzuwenden. Werden solche Alt-Veräußerungsgewinne (steuerfrei) ausgeschüttet, tritt eine entsprechende Verringerung des Veräußerungs- bzw. Rückgabeerlöses ein. Dadurch, dass der Gewinn aus der Veräußerung oder Rückgabe gemäß § 8 Abs. 5 S. 5 InvStG n. F. um die während der Besitzzeit des Anlegers ausgeschütteten und nach §§ 18 Abs. 1 S. 2 InvStG n. F., 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG a. F. nicht besteuerten Beträge erhöht wird, wird die bei Aus-

Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer – besitzzeitanteilige Immobiliengewinne144, und – aus dem Fondsvermögen gezahlte Abgeltungsteuer sowie vergleichbare ausländischen KESt zu eliminieren145. Der Gesetzeswortlaut in der durch das JStG 2009 verabschiedeten Fassung berücksichtigt nicht die Substanzauskehr im investmentsteuerlichen Sinne146. Die Substanzauskehr führt aufgrund des Abflusses aus dem Fondsvermögen zu einer Reduzierung des Veräußerungs- bzw. Rückgabeerlöses und vermindert so einen evtl. Veräußerungs- bzw. Rückgabegewinn, obwohl die Substanzauskehr bislang auf Anlegerebene steuerlich nicht berücksichtigt wurde. 7. Sonderregelung für sog. steueroptimierte Geldmarktfonds Sog. steueroptimierte Geldmarktfonds werden vom Bestandsschutz vor der Abgeltungsteuer ausgenommen. Es handelt sich um Publikums-Investmentvermögen, deren Anlagepolitik auf die Erzielung einer Geldmarktrendite ausgerichtet ist und bei denen Zinsen in Termingeschäftsbzw. Wertpapierveräußerungsgewinne umgewandelt werden, wenn die außerordentlichen Erträge die ordentlichen Erträge aus Kapitalvermögen übersteigen. Gemäß § 18 Abs. 2b InvStG147 gilt für nach dem 19.9.2008 erworbene Anteile eine zeitlich unbeschränkte Steuerverhaftung sämtlicher Wertzuwächse. Für vor dem 20.9.2008 erworbene Anteile wird für Zwecke von § 8 Abs. 5 InvStG eine Veräußerung und ein Erwerb am 10.1.2011 fingiert und damit lediglich der anschließende Wertzuwachs bei der Rückgabe oder Veräußerung besteuert. Auf Hinweis der Verbände, dass die erst mit dem JStG 2009 in Kraft gesetzte Vorschrift in § 18 Abs. 2b InvStG nicht bis zum Jahresanfang 2009 umsetzbar sei, gewährte das BMF mit Schreiben an die Verbände vom 5.2.2009148 hinsichtlich des KESt-Abzugs eine Übergangsregelung. Danach kann bei Anteilen an sog. steueroptimierten Geldmarktfonds, die nach dem 18.9.2008, aber vor dem 1.1.2009 erworben und nach dem 31.12.2008 zurückgegeben oder veräußert werden, bei deren Rückgabe

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schüttung gewährte Befreiung auf Anlegerebene im Ergebnis für Neu-Anleger rückgängig gemacht. Besitzzeitanteilige Immobiliengewinne erhöhen – weil noch nicht ausgeschüttet – den Veräußerungs- bzw. Rückgabeerlös. Es handelt sich jedoch gemäß § 4 Abs. 1 InvStG um DBA-befreite Erträge. Vgl. BMF, Schr. v. 18.8.2009, IV C 1 – S1980–1/08/10019, Rz. 196a und Anhang 6. Bei ausländischen Investmentvermögen kommt es häufig zur Substanzauskehr, denkbar ist sie auch bei inländischen Immobilien-Sondervermögen. Vgl. BMF, Schr. v. 18.8.2009, Rz. 302. BMF, Schr. v. 5.2.2009 – IV C 1 – S 1980–1/08/10011. Vgl. auch BMF, Schr. V. 18.8.2009, Rz. 302.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer oder Veräußerung vom KESt-Abzug nach § 8 Abs. 6 InvStG aus Billigkeitsgründen abgesehen werden, wenn der Zufluss der Einnahmen aus der Rückgabe oder Veräußerung vor dem 1.7.2009 erfolgt149. Anteile, die nach dem 18.9.2008 und vor dem 1.1.2009 erworben und vor dem 1.1.2009 wieder veräußert oder zurückgegeben wurden, unterfallen noch § 23 EStG a. F. und damit keinem KESt-Abzug.

IV. Altersvorsorge-Produkte 1. Rürup- und Riester-Renten Die Einführung der Abgeltungsteuer wirkt sich auf die Besteuerung der Erträge aus Basis-Vorsorgeverträgen150 nicht aus. So unterliegt bei Riester- und Rürup151-Fondsverträgen der Gewinn aus der Umschichtung von Wertpapieren während der Laufzeit des Vertrags nicht der Abgeltungsteuer152. Erst in der Auszahlungsphase kommt es zur Besteuerung, und zwar zum individuellen ESt-Satz des Anlegers. 2. Investmentfonds-Sparplan Bei anderen Vorsorgeformen, wie z. B. einer privaten langfristen Aktienanlage oder einem Investmentfonds-Sparplan, werden die Erträge und 149 Die materielle Steuerpflicht nach § 8 Abs. 5 InvStG bleibt unberührt, d. h. diese Veräußerungsgewinne sind in der ESt-Erklärung anzugeben. Wird eine Steuerbescheinigung ausgestellt, ist der Steuerpflichtige hierauf durch ergänzende Angaben in der Bescheinigung i. S. v. BMF-Schreibens vom 24.11.2008, BStBl. I 2008, 973, Rz. 3 hinzuweisen. 150 Vgl. sog. Riester-Rente, kapitalgedeckte private Altersversorgung; vgl. Eigenheimrentengesetz vom Juni 2008 (Riesterförderung für Wohnungseigentum). 151 Durch das JStG 2009 wurde ein bundeseinheitliches Zertifizierungsverfahren für die sog. Rürup-Renten eingeführt; vgl. § 5a GrEStG über die Zertifizierung von Altersvorsoge- und Basisrentenverträgen. 152 Seit dem JStG 2007 sind auch Rürup-Fondssparpläne zulässig. Nach dem Plan des Gesetzgebers ergibt sich aus § 2 Abs. 1 InvStG idFd Achten Gesetzes zur Änderung des VAG etc. vom 28.5.2007, dass der Anleger während der Ansparphase keine Fondserträge zu versteuern hat, und ab 2009 auch keine Abgeltungsteuer anfällt. Tatsächlich gibt der Wortlaut von § 2 Abs. 1 InvStG dies nicht her. Auch ist der Fall der Veräußerung von Fondsanteilen während der Ansparphase (zu Umschichtungen anderer Fondsanteile) nicht abgedeckt; vgl. BT-Drucks. 16/4191, obwohl noch diese Formulierung zu kurz greift, sowohl gegenüber dem Gesetzestext, der – wenn man ihn überhaupt durch Auslegung als ausreichend ansieht – auch ausgeschüttete Erträge erfasst, wie auch gegenüber der gesetzgeberischen Intention, auch Anteilsveräußerungsgewinne während der Ansparphase beim Anleger nicht zu besteuern. Erträge aus Verträgen zur Basisversorgung sind dem § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG und aus zertifizierten inländischen und ausländischen Altersvorsorge-Verträgen sind dem § 22 Nr. 5 EStG zuzuordnen.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Wertsteigerungen bereits während der in der Regel langen Ansparphase besteuert153. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2009 war die Befreiung von Investment-Sparplänen entsprechend der steuerlichen Behandlung von Kapitallebensversicherungen gefordert worden. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 bis 3, 5 EStG-E sollten für nach 2008 mit einer Kapitalanlagegesellschaft abgeschlossener Verträge zum regelmäßigen Erwerb von Investmentanteilen i. S. v. InvG (Fonds-Sparverträge) sinngemäß gelten, wenn der betreffende Fonds-Sparvertrag eine Laufzeit von mindestens 12 Jahren aufweist und eine laufende Beitragsleistung während der gesamten Vertragslaufzeit vorgesehen ist. Dem Gegenargument, dass nur Lebensversicherungsverträge biometrische Risiken abdeckten, wurde entgegen gehalten, dass es sich bei der Kapital-Lebensversicherung um eine Kombination aus Kapitalsparvertrag und Risikolebensversicherung handele, weshalb keine andere steuerliche Behandlung gerechtfertigt sei als bei separatem Abschluss von zwei eigenständigen Verträgen. Gegen die steuerliche Gleichbehandlung von Fonds-Sparverträgen mit Kapitallebensversicherungen auf Ebene der Anleger wurde weiter angeführt, dass nur Lebens-Versicherungsunternehmen zur Eigenmittelunterlegung gezwungen seien, KAGs hingegen keine Solvabilitätsanforderungen zu erfüllen hätten. Warum allerdings Unterschiede bei den aufsichtsrechtlichen Vorschriften Unterschiede bei der Besteuerung der Anleger rechtfertigen können sollen, blieb offen. Dennoch ist es nicht zur Gleichstellung gekommen. 3. Kapitallebensversicherungen 3.1 Grundsätze Erträge aus klassischen Kapitallebensversicherungen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen worden sind, werden grundsätzlich nicht besteuert. Ein Ausnahme gilt, wenn die Laufzeit weniger als 12 Jahre beträgt oder die Lebensversicherung steuerschädlich beliehen wurde; in diesem Fall werden die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteile besteuert154. Der Rückkauf solcher Versicherungen ist steuerfrei 153 Vielfach wird davon ausgegangen, dass sich für die Leistungen aus Riesterund Rürup-Renten durch die Herausnahme aus der Abgeltungsbesteuerung auf langer Sicht gesehen regelmäßig eine gegenüber anderen privaten Vorsorgeformen günstigere Besteuerung ergeben wird, auch wenn der individuelle ESt-Satz im Alter über 25 % liegt. Dazu BT-Drucks. 16/9012, S. 4: „Nicht jede langfristige Anlage dient aber der Altersvorsorge“. 154 Vgl. FG Niedersachsen, Urt. v. 18.11.2008–12 K 10521/05, rkr, LEXinform 5007894: „Wird ein Versicherungsvertrag vor Ablauf von 12 Jahren gekündigt, so sind die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern. Aus welchen Gründen der Vertrag seitens des Steuerpflichtigen gekündigt wurde, ist unerheb-

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer möglich, wenn er nicht vor Ablauf von 12 Jahren nach Vertragsabschluss erfolgt. Veräußert der Versicherungsnehmer die Kapitalversicherung, muss er außerhalb der Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. weder einen eventuellen Überschuss aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und den einbehaltenen Beiträgen noch (fiktive) Zinsen versteuern155. Erträge aus sog. Neu-Verträgen, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden, sind ausnahmslos steuerpflichtig. Der ESt zu unterwerfen ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG der volle Unterschiedsbetrag zwischen der Ablaufleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge. Beträgt die Laufzeit mindestens 12 Jahre und wird die Versicherungsleistung erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Steuerpflichtigen ausbezahlt, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags der ESt zu unterwerfen. Entsprechendes gilt bei einem Rückkauf. Wird ein solcher Neu-Vertrag veräußert, bleibt der Gewinn daraus steuerfrei, wenn die Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG bereits abgelaufen ist. Die Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 bis 4 EStG sind durch das UntStRefG 2008 und die JStG 2008 und 2009 weitgehend unverändert geblieben. Im Falle des entgeltlichen Erwerbs treten gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG n. F. ab 1.1.2009 die Anschaffungskosten an die Stelle der vor dem Erwerb entrichteten Beiträge. Dies gilt allerdings nicht für Zwecke des KESt-Abzugs, so dass der Erwerber in den Fällen, in denen die Anschaffungskosten höher sind als die vor dem Erwerb entrichteten Beiträge, Antrag auf Veranlagung dieser Erträge nach § 32d Abs. 4 EStG n. F. stellen sollte. Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG n. F. ist der Gewinn aus der Veräußerung von Versicherungsansprüchen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG haltedauerunabhängig der ESt zu unterwerfen. Besteuert wird die Differenz zwischen dem erhaltenen Kaufpreis und den Anschaffungs- und Veräußerungskosten. Die Besteuerung erfolgt in voller Höhe, auch wenn ein begünstigter Neu-Vertrag, bei der die Ablaufleistung nur zu 50 % zu versteuern ist, veräußert wird. Die hälftige Steuerfreistellung gilt nicht mehr im Verkaufsfall. § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG n. F. ist auf nach 2008 durchgeführte Veräußerungen von Kapitalversicherungen anzuwenden und gilt für sämtliche Verträge, die nach 2004 abgeschlossen wurden156. Erfasst werden auch solche Alt-Verträge, bei denen die Zinsen bei einem Rückkauf zum Veräußerungszeitpunkt nach der alten Gesetzesfassung steuerpflichtig gewesen wären. lich. Das Gesetz sieht keine Differenzierung des Eintritts der Steuerpflicht entsprechend der Zinsen danach vor, wer oder aus welchem Grund die Kündigung des Vertrags letztlich veranlasst bzw. ausgesprochen hat“. 155 Vgl. BMF, Schr. v. 22.8.2002, BStBl. I 2002, 827. 156 Vgl. § 52a Abs. 10 S. 5 EStG n. F.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 6 S. 2 EStG n. F. sind Versicherungsgesellschaften verpflichtet, auf Verlangen des Steuerpflichtigen eine Bescheinigung über die entrichteten Beiträge im Zeitpunkt der Veräußerung zu erteilen. Zudem sind Versicherungsgesellschaften verpflichtet, nach Kenntniserlangung von einer Veräußerung unverzüglich eine entsprechende Mitteilung an das Finanzamt des Steuerpflichtigen (d. h. ihres Kunden) zu machen. Ab 2009 unterliegen die steuerpflichtigen Einnahmen aus Ablaufleistung, Rückkauf oder Verkauf von Alt- und Neu-Verträgen als Kapitaleinkünfte der 25 %igen Abgeltungsteuer. Die Abgeltungsteuer greift jedoch bei Veranlagung nicht für die Besteuerung der Ablaufleistung bzw. des Rückkaufs begünstigter Neu-Verträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG n. F. Bei ihnen bleibt es bei der Besteuerung nach dem persönlichen EStSatz. Erfasst wird allerdings nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags. 3.2 Verschärfung der Anwendungsvoraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG Infolge der Einführung der Abgeltungsteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen ab 2009 einschließlich der haltedauerunabhängiger Veräußerungsgewinnbesteuerung bei Kapitalanlagen gewinnen – insbesondere auch fondsgebundene – Lebens- und Rentenversicherungen an Attraktivität. Denn so lange der Versicherer keine Auszahlungen tätigt, fallen beim Versicherungsnehmer bzw. Begünstigten im Grundsatz keine Steuern an (sog. Intransparenz von Versicherungsverträgen). Um die missbräuchliche Verwendung sog. Versicherungsmäntel zu verhindern, sollen dem Versicherer nach 2008 zufließende Erträge bei sog. vermögensverwaltenden Versicherungsverträgen steuerlich dem wirtschaftlich Berechtigten zugerechnet werden. Ein Versicherungsvertrag ist nach dem Wortlaut von § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 5 EStG n. F. „vermögensverwaltend“, wenn – in ihm „eine gesonderte Verwaltung von speziell für diesen Vertrag zusammengestellten Kapitalanlagen vereinbart ist, die nicht auf öffentlich vertriebene Investmentfondsanteile oder Anlagen, die die Entwicklung eines veröffentlichten Indexes abbilden, beschränkt ist, und – der wirtschaftlich Berechtigte unmittelbar oder mittelbar über die Veräußerung der Vermögensgegenstände und die Wiederanlage der Erlöse bestimmen kann“. Trotz der nicht völlig eindeutigen Gesetzesformulierung ist davon auszugehen, dass auch zukünftig ein Durchgriff durch fondsgebundene Versicherungsverträge unterbleibt, bei denen der Versicherer einer unbestimmten, von vornherein nicht bekannten Anzahl von Kunden verschiedene Investmentfonds anbietet und bei denen der Versicherungsnehmer lediglich eine Auswahl treffen kann, welche der angebotenen Produkte dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt werden sollen. Die Berechtigung des Ver329

Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer sicherungsnehmers, den Versicherer zu beauftragen, Fondsanteile umzuschichten, in die seine Prämien (nach Abzug der Kosten) bisher investiert sind oder in die zukünftige Prämien investiert werden sollen (switching oder shifting), sollte der steuerlichen Intransparenz fondsgebundener Versicherungsverträge m. E. auch zukünftig nicht entgegenstehen157. Noch unklar ist, ob die Finanzverwaltung – über die Neufassung von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG hinaus – die Anwendungsvoraussetzungen von § 42 AO in diesem Bereich durch Verwaltungsanweisung konkretisieren wird. Ein Gestaltungsmissbrauch, der die Zurechnung der dem Versicherer zufließenden Erträge unmittelbar zum wirtschaftlich Berechtigten begründet, soll danach in Abhängigkeit von der Würdigung des Gesamtbildes z. B. vorliegen, wenn es der Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer erlaubt, einzelne Wertpapiere oder ein gesamtes Wertpapierdepot als Versicherungsbeitrag auf den Versicherer zu übertragen, flexibel über die Versicherungsleistung durch die Möglichkeit zur Teilkündigung oder den Anspruch auf Vorauszahlungen zu disponieren, wenn hohe Mindestanlagesummen voraus-gesetzt werden, etc. Bei nach März 2009 abgeschlossenen Versicherungsverträgen und bei Versicherungsverträgen, für die erstmalig nach dem März 2009 ein Beitrag geleistet wird, ist die besonders vorteilhafte Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG158 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 6 EStG n. F. nur noch anwendbar, wenn – in einem Kapitallebensversicherungsvertrag mit vereinbarter laufender Beitragszahlung in mindestens gleichbleibender Höhe bis zum Zeitpunkt des Erlebensfalls die Todesfall-Leistung mindestens 50 % der Summe der für die gesamte Vertragsdauer zu zahlenden Beiträge beträgt159 oder – bei einem Kapitallebensversicherungsvertrag die Todesfall-Leistung das Deckungskapital oder den Zeitwert der Versicherung spätestens fünf Jahre nach Vertragsabschluss um mindestens 10 % des Deckungskapitals, des Zeitwerts oder der Summe der gezahlten Beiträge übersteigt. Dabei darf dieser Prozentsatz bis zum Ende der Vertragslaufzeit in jährlich gleichen Schritten auf Null sinken160. Begünstigt sind mit157 Vgl. BMF, Schr. v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, 92, Rz. 33. 158 Besteuerung der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und den Beiträgen zum individuellen ESt-Satz, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre bestanden und der Begünstigte im Zeitpunkt der Versicherungsleistung das 60. Lebensjahr vollendet hat. 159 In der Regel würde dann zumindest während der Hälfte der vertraglichen Laufzeit ein versicherungstechnisches Risiko getragen. 160 Dass der Versicherungsschutz in den letzten Vertragsjahren allmählich sinken darf, soll es ermöglichen, die vertraglichen Leistungen so auszugestalten, dass die Todesfall-Leistung kurz vor Ablauf der Laufzeit des Versicherungsvertrags

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer hin auch Verträge mit laufender Beitragszahlung, bei denen zwar nicht eine Todesfall-Leistung in Höhe von mindestens 50 % der Summe der für die gesamte Vertragsdauer zu zahlenden Beiträge vereinbart ist, die jedoch die genannte 10 %-Grenze erreichen. Bis Ende 2008 forderte die Finanzverwaltung eine „nennenswerte Risikotragung“, ohne aber die Voraussetzungen zu konkretisieren161. Nach der Neuregelung besteht die Rechtsfolge einer nicht ausreichenden Todesfall-Leistung m. E. lediglich darin, dass es – statt der besonders vorteilhaften Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG – zur Abgeltungsteuer auf den vollen Unterschiedsbetrag (Differenz zwischen Versicherungsleistung von Beiträgen) kommt. Rentenzahlungen aus einer ggf. fondsgebundenen Rentenversicherung sind von den Neuregelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht betroffen. Für sie gilt weiterhin die Besteuerung mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) EStG. Noch nicht entschieden scheint zu sein, ob die Finanzverwaltung die Anforderungen an die Übernahme eines hinreichenden Langlebigkeitsrisikos durch den Versicherer durch Verwaltungsregelung dahingehend konkretisieren wird, dass der Beginn der Rentenzahlungen nicht erst für einen Zeitpunkt nach Überschreiten der Lebenserwartung der versicherten Person bei Vertragsabschluss vereinbart werden darf. Außerdem soll es erforderlich sein, die Höhe der garantierten Rentenzahlungen grundsätzlich in Form eines konkreten Geldbetrags bereits bei Vertragsabschluss festzulegen. Bei fondsgebundenen Rentenversicherungen soll gefordert werden, dass der Versicherer bereits bei Ver-tragsabschluss einen konkret bezifferten Rentenfaktor garantiert, mit dem die Höhe der garantierten Rentenzahlungen durch Multiplikation mit den am Ende der Anspar- bzw. Aufschubphase vorhandenen Fondsvermögen errechnet wird. Was gelten soll, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden, ist unklar. Vermutlich sollen die Unterschiedsbeträge zwischen Versicherungsleistungen und zuordenbaren Beiträgen der Abgeltungsteuer unterworfen werden. 4. (Fondsgebundene) Rentenversicherungen Rentenzahlungen sind gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) EStG nur mit dem sog. Ertragsanteil162 der ESt unterwerfen, wenn gleichbleibende oder steinicht erheblich höher ist als die Erlebensfall-Leistung. Unmittelbar vor dem Ende der Vertragslaufzeit muss die Todesfall-Leistung idealerweise der Erlebensfall-Leistung entsprechen. 161 Vgl. BMF, Schr. v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, Rz. 3. 162 Bei Beginn der Rentenzahlungen nach Ablauf des 65. Lebensjahrs des Rentenberechtigten beträgt der Ertragsanteil 18 % der Rentenzahlungen, bei Rentenbeginn mit Ablauf des 60. Lebensjahrs 22 %.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer gende wiederkehrende Bezüge zeitlich unbeschränkt für die Lebenszeit der versicherten Person (lebenslange Leibrente) vereinbart werden163. Anwendbar ist der progressive ESt-Satz, nicht die Abgeltungsteuer164. Mit BMF-Schreiben vom 17.4.2008165 hat die Finanzverwaltung bestätigt, dass Auszahlungen aus der Rentenversicherung mit fondsgebundener Kapitalanlage auch in der Auszahlungsphase gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) EStG nur mit dem Ertragsanteil besteuert werden, wenn die Gewährung einer lebenslangen Rente in Höhe eines bestimmten Geldbetrags vereinbart wird und ein Sinken des Rentenzahlbetrags ausgeschlossen ist. Die Gewährung einer Todesfall-Leistung und von Kündigungsrechten zu Gunsten des Versicherungsnehmers ist unschädlich. Auch die Gewährung des Rechtes für den Versicherungsnehmer, einen oder mehrere Investmentfonds selbst auszuwählen, in deren Anteile die Sparanteile investiert werden sollen, hindert die Ertragsanteilsbesteuerung nicht, auch wenn der Versicherungsnehmer die Auswahl für zukünftige Sparanteile während der Versicherungsdauer ändern (switchen) oder bereits investierte Sparanteile in andere Fonds umschichten (shiften) kann166. Auf Grundlage eines (nicht offiziell veröffentlichten) BMF-SchreibensEntwurfs vom August 2008 ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung von der Übernahme eines ausreichenden biometrischen Risikos in Form des sog. Langlebigkeitsrisikos ausgehen wird, wenn die Höhe der garantierten Leibrente bei klassischen Rentenversicherung in Form eines konkreten Geldbetrags, bei fondsgebundenen Rentenversicherungen ein konkret bezifferter Faktor bereits bei Vertragsabschluss festgelegt wird, mit dem die Höhe der garantierten Leibrente durch Multiplikation mit dem am Ende der Anspar- bzw. Aufschubphase vorhandenen Fondsvermögen errechnet wird (Rentenfaktor)167.

163 Vgl. BMF, Schr. v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, 92, Rz. 20 S. 1. Als unschädlich gilt die Gewährung einer jährlich schwankenden Überschussbeteiligung neben einem gleichbleibenden oder steigenden Sockelbetrag; vgl. BMF, Schr. v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, Tz. 21 S. 2. 164 Dazu kritisch Dinkelbach, DB 2009, 870: Systematisch wäre für den Zinsanteil nach seinem wirtschaftlichen Charakter die Einbeziehung in die Abgeltungsteuer angezeigt. 165 Vgl. LEXinform 5231517. Vgl. dazu Behrens, BB 2008, 2049. 166 Vgl. schon BMF, Schr. v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, 92, Rz. 33. 167 Vgl. Redert, NWB Fach 3, 13987: Es fehle an der Tragung eines biometrischen Risikos, wenn sich das Versicherungsunternehmen in den Vertragsbedingungen vorbehält, den Rentenfaktor mehr oder weniger nach Belieben zu ändern.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer

V. Handlungsmöglichkeiten für Privatanleger Im Rahmen dieses Beitrags können nur einige Handlungsmöglichkeiten dargestellt werden, die Privatanleger Ende 2008 hätten nutzen können168. Infolge der durch die Finanzmarktkrise in vielen Fällen ausgelösten Verunsicherung standen diese Handlungsmöglichkeiten in der Praxis Ende 2008 wohl eher nicht im Vordergrund der Anlageentscheidungen. 1. Erwerb von Kapitalanlagen noch in 2008 wegen Bestandsschutz bei Veräußerungen nach 2008 Gemäß § 52a Abs. 10 S. 1 gilt für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen iSv § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG noch altes Recht, wenn der betreffende Anteil vor 2009 erworben wird. Für vor Ablauf der Ein-Jahres-Frist veräußerte Anteile gilt noch § 21 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. iVm § 3 Nr. 40 EStG a. F. (Halbeinkünfteverfahren), wenn der Anschaffungszeitpunkt vor 2009 sowie der Veräußerungszeitpunkt nach 2008 liegt169. Bei Beteiligungen iSv § 17 EStG gilt ab 01.01.2009 das Teileinkünfteverfahren iSv § 3 Nr. 40 EStG n. F., unabhängig davon, ob die Beteiligung vor 2009 oder erst nach 2008 erworben worden ist170. Gemäß § 52 Abs. 10 S. 3 EStG n. F. findet § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. erstmals auf Termingeschäftsgewinne Anwendung, bei denen der Rechtserwerb nach 2008 erfolgt. Entsprechendes gilt gemäß § 52a Abs. 10 S. 4 für § 20 Abs. 2 Nr. 4 (Gewinne aus der Veräußerung von typisch stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen), Nr. 5 (Gewinne aus der Veräußerung von Rechten, die Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden zugrunde liegen) und Nr. 8 (Anteile bzw. Beteiligungen an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG) EStG n. F. Im Falle der Veräußerung klassischer Anleihen nach 2008, die noch vor 2009 angeschafft wurden, gilt ebenfalls die alte Rechtslage fort. Denn gemäß § 52a Abs. 10 S. 7 ist § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F. auch im Falle der Veräußerung erst nach 2008 für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen nicht anzuwenden, die zum Zeitpunkt des vor 2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F. sind, nicht aber Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F. 168 Zu weiteren Möglichkeiten vgl. z. B. Behrens, DStR 2007, 1998. Kracht, NWB Fach 2, 9838. 169 Vgl. § 52a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 EStG n. F. 170 Gemäß § 52a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 EStG n. F. sind §§ 3 Nr. 40 Sätze 1 und 2, 3c Abs. 2 EStG n. F. erstmals ab dem VZ 2009 anzuwenden. Unter § 17 EStG fallende Veräußerungspreise werden von § 3 Nr. 40c) EStG erfasst.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Nur eingeschränkter Bestandsschutz bestand für Vollrisikozertifikate171. Bei Einlösung oder Veräußerung nach 2008 ist die Abgeltungsteuer nicht anwendbar, wenn die Vollrisikozertifikate vor dem 15.3.2007172 angeschafft worden waren. Auf danach angeschaffte Vollrisikozertifikate wurde die Steuerfreiheit auf Zuflüsse bis zum 30.6.2009 beschränkt173, wenn die Einlösung oder Veräußerung vor dem 1.7.2009 und nach dem Ablauf der Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolgt. Bei Einlösung oder Veräußerung nach dem 31.6.2009 ist § 52a Abs. 11 S. 4, 6 EStG n. F., d. h. § 32 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 EStG a. F. vorrangig anzuwenden. Dies bedeutet, dass bei Einlösung bzw. Veräußerung von vor 2009 angeschafften Vollrisiko-Zertifikaten innerhalb der Jahresfrist noch eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. mit dem individuellen EStSatz erfolgt und nur bei Einlösung bzw. Veräußerung nach Ablauf der EinJahres-Frist nach dem 30.6.2009 die Abgeltungsteuer greift174. Keinen Bestandsschutz genießen Finanzinnovationen i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. Für Erträge aus Kapitalforderungen, die am 31.12.2008 unter § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F. fielen, ist § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F. erstmals auf nach 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung solcher Kapitalforderungen anzuwenden, auch wenn die Kapitalforderungen vor 2009 angeschafft worden sind175. Anteile an Publikums-Investmentfonds genießen entsprechenden Bestandsschutz gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 InvStG n. F. Danach gilt die haltedauerunabhängige Veräußerungs- bzw. Rückgabegewinnbesteuerung nach § 8 Abs. 5 InvStG n. F. erstmals bei Rückgabe oder Veräußerung von 171 Vgl. § 52a Abs. 10 S. 8 EStG n. F. 172 Datum des Kabinettsbeschlusses. 173 Anlass für diese Sonderregelung war die Befürchtung, in der Finanzbranche würde die Nichtsteuerbarkeit von Vollrisikozertifikaten durch die Vereinbarung langer Laufzeiten lang sichergestellt werden; vgl. BT-Drucks. 16/4841, S. 73; BT-Drucks. 16/5491, S. 22; BR-Drucks. 220/07 v. 11.5.2007. 174 Vgl. BMF, Verbände-Schr. v. 14.12.2007 – IV B 8 – S 2000/07/0001, Ziffer 4c), 16. 175 Nach § 20 Abs. 4 EStG n. F. sind bei Ermittlung der Kapitalerträge aus Finanzinnovationen die Anschaffungsnebenkosten zu berücksichtigen. Diese werden von den Kreditinstituten vor 2009 im Regelfall nicht aufgezeichnet worden sein, weil beim Zinsabschlag nur das Entgelt für den Erwerb (ohne Nebenkosten) relevant war. Mit BMF-Verbände-Schreiben vom 14.12.2007, Ziffer 4 d) gewährte das BMF nicht Beanstandungsregelungen für Alt-Finanzinnovationen zum einen wird es nicht beanstandet, wenn bei der Gewinnermittlung nicht verfügbarer Anschaffungsnebenkosten nicht berücksichtigt werden (was sich zu Lasten der Steuerpflichtigen auswirkt). Außerdem wird für Fälle, in denen die Anschaffungskosten nicht in Euro aufgezeichnet worden sind, zugelassen, dass bei Veräußerung oder Einlösung der Unterschiedsbetrag weiterhin in Fremdwährung ermittelt und der sich ergebende Gewinn mit dem aktuellen Umrechnungskurs in Euro umgerechnet wird.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Investmentanteilen, die nach 2008 erworben werden. Ausnahmen gelten für Anteile an sog. Individualfonds176 und sog. steueroptimierten Geldmarktfonds. 2. Errichtung separater Depots oder Unterdepots Die Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. gilt auch nach 2008 weiterhin für bestimmte Wertpapiere und Geschäfte, die vor dem 1.1.2009 bzw. 15.3.2007 angeschafft oder eröffnet worden sind. Diese Wertpapiere oder Geschäfte können auch nach 2008 nach Ablauf der Ein-Jahres-Frist steuerfrei veräußert bzw. abgerechnet werden177. Bei Einbuchung zu verschiedenen Zeitpunkte angeschaffter Wertpapiere im selben Depot ist jedoch das Verbrauchsreihenfolge-Verfahren (FifoVerfahren) gemäß § 20 Abs. 4 S. 7 EStG n. F. zu beachten. Danach ist bei vertretbaren Wertpapieren, die einem Verwahrer zur Sammelverwahrung i. S. v. § 5 DepotG anvertraut worden sind, zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Wertpapiere zuerst veräußert werden. Bei einem Nachkauf der gleichen Gattung und einem anschließenden Teilverkauf dieser Gattung gelten mithin die zuerst erworbenen Wertpapiere als zuerst veräußert. Um sicherzustellen, dass bei Verkauf solcher Wertpapiere als veräußert gelten, die nach 2008 angeschafft worden sind, ist die Eröffnung eines zweiten Depots oder Unterdepots zu empfehlen. Mit BMF-Schreiben vom 11.7.2008178 hat die Finanzverwaltung bestätigt, dass die FifoVerbrauchsfolge auch für Unterdepots anzuwenden ist, wenn eine rückwirkende Veränderung banktechnisch ausgeschlossen ist. Bei einem Unterdepot handelt es sich nach diesem BMF-Schreiben um eine eigenständige Untergliederung eines Depots mit einer laufenden UnterdepotNummer. Der Steuerpflichtige muss bei seinen Transaktionen das betreffende Unterdepot genau bezeichnen. 3. Vorziehen negativer Einnahmen (verausgabter Stückzinsen) Mit Einführung der Abgeltungsteuer wurde § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG a. F., wonach gesondert ausgewiesene Stückzinsen bei Zufluss zu versteuern waren, abgeschafft, weil künftig die Veräußerung sämtlicher Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG n. F. generell steuerpflichtig ist. Somit sind Stückzinsen nun Bestandteil des Veräußerungsgewinns i. S. v. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG. Beim Erwerber sind jedoch die von ihm entrichteten und gesondert in Rechnung gestellten Stückzinsen im Veranla-

176 § 18 Abs. 2a InvStG, vgl. oben in Ziffer III. 1. 177 Vgl. § 52a Abs. 10 EStG n. F. 178 BMF, Schr. v. 11.7.2008 – IV C 1 – S 2000/07/0009.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer gungszeitraum des Abfluss auch nach Einführung der Abgeltungsteuer weiterhin negative Einnahmen aus Kapitalvermögen179. In 2008 wurde empfohlen, vor 2009 Anleihen mit hohem Stückzinsausweis zu erwerben. Gezahlte Stückzinsen minderten in 2008 als negative Kapitaleinnahmen mit dem progressiven ESt-Satz die zu besteuernden Einkünfte aus Kapitalvermögen und auch andere Einkünfte, während der entsprechende positive Ertrag erst nach 2008 anfiele und dann der Abgeltungsteuer von 25 % unterläge180. Nach dem Gesetzeswortlaut von § 52 Abs. 10 S. 7 EStG ist § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG n. F. für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen nicht anzuwenden, die zum Zeitpunkt des vor 2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F. waren, aber nicht Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. Daraus ergibt sich sogar die vollständige Steuerfreiheit nach 2008 vereinnahmter Stückzinsen, wenn die veräußerte Anleihe bereits vor 2009 angeschafft worden ist181. Mit BMF-Schreiben vom 14.5.2007 an die Verbände hat das BMF bestätigt, dass der Berücksichtigung noch in 2008 gezahlter Stückzinsen – ebenso wie noch in 2008 gezahlter Zwischengewinne – als negative Einnahmen die Regelungen in §§ 20 Abs. 2b S. 2 i. V. m. 15b EStG nicht entgegen stehen. Gemäß § 20 Abs. 2b EStG i. d. F.d. JStG 2007182 gelten die Verlustverrechnungsbeschränkungen für Steuerstundungsmodelle i. S. v. § 15b EStG im Grundsatz sinngemäß auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Erwerb der Anleihe mit gesondertem Stückzinsausweis darf sich allerdings nicht nur wegen eines steuerlichen Vorteils als für den Steuerpflichtigen vorteilhaft erweisen. Erwirbt ein Steuerpflichtiger am Ende eines Jahres Anleihen mit gesondertem Stückzinsausweis, scheitert nach Auffassung des BFH die Berücksichtigung der gezahlten Stückzinsen als negative Einnahmen i. S. v. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG in diesem Jahr trotz bestehender Überschusserzielungsabsicht jedenfalls dann an § 42 AO, wenn bereits im Zeitpunkt des Erwerbs feststeht, dass bis zur Veräußerung zu Beginn des Folgejahres unter Einbeziehung der Vermögensebene ein Verlust eintreten wird und sich dieses Wertpapier179 Vgl. § 43a Abs. 3 EStG n. F. 180 Vgl. Kracht, NWB Nr. 37, 3469, Fach 2, 9838; Henkel, GStB 2008, 393. 181 Ob die Finanzverwaltung dieser Argumentation folgen wird, ist nicht gesichert. Nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg v. 30.1.2008–2 K 145/05, EFG 2008, 669, rkr, sind Stückzinsen, die zur Erzielung von Zinseinnahmen aufgewendet werden, die nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, nicht als negative Einnahmen bei der deutschen Einkommensbesteuerung zu berücksichtigen. Im zu beurteilenden Fall stand im Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere, für die die Stückzinsen gezahlt wurden, bereits fest, dass der Steuerpflichtige ins Ausland umziehen würde (was dann auch tatsächlich eintrat). 182 Jetzt § 20 Abs. 7 EStG n. F.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer geschäft deshalb nur im Falle seiner steuerlichen Anerkennung aufgrund der Freibetragsregelung in § 20 Abs. 4 EStG für den Steuerpflichtigen vorteilhaft auswirken würde183. Das BMF-Schreiben vom 14.5.2007 betrifft Fälle, in denen der Wertpapiererwerb mit Eigenkapital finanziert wurde. Bei kreditfinanzierten Wertpapiererwerben soll das Verlustverrechungsverbot zu beachten sein, wenn die negativen Einkünfte höher sind als 10 % des eingesetzten Eigenkapitals184. Daher können Verluste aus gezahlten Stückzinsen bzw. Zwischengewinnen im Fall einer entsprechend hohen Fremdfinanzierung auch bei Abfluss vor 2009 erst mit den später zufließenden Zinseinnahmen verrechnet werden185. 4. Einzug privater, vor 2009 unter dem Nennwert erworbener Forderungen Gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 EStG gilt als Veräußerung für die Zwecke von § 20 Abs. 2 S. 1 EStG explizit auch die Einlösung, Rückzahlung und Abtretung (sowie verdeckte Einlage) des Wertpapiers bzw. der Kapitalforderung. Die Einbeziehung sämtlicher Veräußerungs- und Einlösungsgewinne führt dazu, dass zukünftig im Grundsatz nicht mehr zwischen der Einkunftsebene und der Vermögensebene zu unterscheiden ist. Bis Ende 2008 war der Einzug privater, unter den Nennwert erworbener Forderungen zumindest außerhalb der Ein-Jahres-Frist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht steuerbar. Im Falle der Tilgung nach 2008 könnte auch bei Anschaffung der Forderung noch vor 2009 bereits § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F. anwendbar sein. Gemäß § 52a Abs. 10 S. 6 EStG n. F. ist diese Vorschrift erstmals auf nach 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden. Nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG ist zwar für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor 2009 erfolgten Erwerbs Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F., nicht aber Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F. sind, § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG n. F. nicht anzuwenden. Durch das JStG 2009 wurde Satz 7 jedoch um einen Halbsatz ergänzt, wonach Kapitalforderungen i. S. v. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F. auch dann vorliegen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. In der Literatur wird daher vertreten, dass im Falle des Forde-

183 Vgl. BFH, Urt. v. 27.7.1999 – VIII R 36/98, BStBl. II 1999, 769. 184 Vgl. OFD Münster, Verfg. v. 7.11.2008 – S 2210–45 – St 22–31. 185 Anders noch OFD Magdeburg, Verfg. v. 13.6.2008 – S 2252–104 – St 214 V, worin nicht danach differenziert wurde, ob der Wertpapiererwerb mit Eigenmitteln oder fremdfinanziert erfolgt.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer rungseinzugs oder der Veräußerung nach 2008 auf die Differenz zwischen Erlös und Anschaffungskosten Abgeltungsteuer und bei mindestens 10 %iger Beteiligung an der Darlehensnehmerin gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG n. F. Einkommensteuer zum progressiven ESt-Satz anfalle186. ME fallen Forderungen, die vor 2009 wegen schlechter Bonität des Schuldners zu einem Preis unter dem Nennwert erworben worden sind, nicht unter § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F.187 Auch der durch das JStG 2009 in Kraft gesetzte zweite Halbsatz von § 52a Abs. 10 S. 7 EStG führt nicht dazu, dass die Einlösung oder Veräußerung vor 2009 unter dem Nominalwert angeschaffter, im Privatvermögen gehaltener Forderungen zur Abgeltungsteuer oder progressiven ESt auf die Differenz zwischen Nominalwert und Anschaffungskosten führt. Diese Gesetzesänderung soll nach der Gesetzesbegründung188 lediglich der durch die BFH-Rechtsprechung in der zweiten Hälfte von 2006189 zweifelhaft gewordenen, früheren Verwaltungsauffassung zur Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a. F.190 durch Gesetzesänderung Geltung verschafft werden191. Betroffen von Halbsatz 2 in § 52a Abs. 10 S. 7 EStG n. F. sind Finanzmarktprodukte, die schon nach früherer Verwaltungsauffassung in den Anwendungsbereich § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. fielen. Weil es sich bei aufgrund schlechter Bonität des Schuldners unter Nominalwert erworbenen Forde-

186 Vgl. Schwetlik, GmbHR 2008, 358: Dass die Forderung vor 2009 (unter dem Nennwert) erworben worden war, ist nach Auffassung von Schwetlik unerheblich, weil § 52a Abs. 10 S. 7 EStG n. F. nicht anwendbar sei. Dagegen Scharl, DB 2009, 532, 535: „Normale“ Forderungen fielen nicht unter § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F., stellten also insbesondere keine Finanzinnovationen dar. Die schlichte Bonität des Schuldners, insbesondere deren Erhöhung im laufenden Geschäftsgang, könne nicht als Ungewissheit i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG verstanden werden. 187 Vgl. Scharl, DB 2009, 532, 535. 188 Vgl. BT-Drucks. 16/10189, S. 66. 189 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 20.11.2006 – VII R 97/02, BStBl. II 2007, 555 (reverse floater); BFH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII R 6/05, BStBl. II 2007, 571 (Down-RatingAnleihen); BFH, Urt. v. 4.12.2007 – VIII R 53/05, BStBl. II 2008, 563 (teilgarantierte Zertifikate, d. h. Kombination aus Vollrisikozertifikat und Finanzinnovation ohne Emissionsrendite); dazu vgl. Behrens/Grabbe, BB 2008, 709. 190 Vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 14.7.2004, BStBl. I 2004, 611; BMF, Schr. v. 18.7.2007, BStBl. I 2007, 548. 191 Die vom BFH geforderte Unterscheidung könne im konkreten Einzelfall nur nach einer intensiven Überprüfung der jeweiligen individuellen Ausgestaltung der Kapitalanlage vorgenommen werden, was im Massengeschäft der Kreditwirtschaft aufgrund der Vielgestaltigkeit und unüberschaubaren Zahl von Finanzinnovationen für Zwecke des KESt-Abzugs nicht geleistet werden könne.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer rungen zu keinem Zeitpunkt um Finanzinnovationen i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. gehandelt hat, ist § 52a Abs. 10 S. 7 HS 2 EStG n. F. auf sie nicht anwendbar192. 5. Sicherstellung der Abzugsfähigkeit nach 2008 anfallender Werbungskosten Ab dem 1.1.2009 gilt ein Werbungskostenabzugs-Verbot bei den Einkünften aus Kapitalvermögen193. Grundsätzlich können nur noch der SparerPauschbetrag von EUR 801 (Einzelveranlagung) bzw. EUR 1.602 (Zusammenveranlagung) abgezogen werden. Nach § 11 Abs. 2 S. 2 EStG gilt ein Zehn-Tages-Zeitraum, d. h. kurze Zeit nach dem Jahreswechsel gezahlte, regelmäßig wiederkehrende Ausgaben können noch für 2008 berücksichtigt werden, wenn sie für 2008 gezahlt werden. Auf Nachfrage der Bankenverbände, wie die Aufwendungen für Depotgebühren und andere im Zusammenhang mit der Konto- und Depotführung regelmäßig wiederkehrenden Leistungen (z. B. Kosten der Erträgnisaufstellung) beim Übergang zur Abgeltungsteuer Ende 2008 zu berücksichtigen seien, hat das BMF mit Schreiben vom 15.8.2008194 den Zehn-Tage-Zeitraum bis zum 31.1.2009 verlängert. Entsprechendes bestätigte das BMF in einem Verbände-Schreiben vom 24.11.2008 für Vermögensverwaltungsgebühren,

192 Vgl. Scharl, DB 2009, 532, 535 f.; Neumann, GmbHR 2008, 473, auch zur Übertragung eines Besserungsscheins nach voran gegangenem Forderungsverzicht. Wenn mit Eintritt der Bedingung für die Besserung eine neue Forderung entsteht (vgl. BFH, Urt. v. 29.1.2003 – I R 50/02, BStBl. II 2003, 768), die erst mit Eintritt der Bedingung nach 2008 als angeschafft gilt, fällt auf die Differenz zwischen Einzugs- bzw. Veräußerungserlös und Anschaffungskosten Abgeltungsteuer bzw. bei mindestens 10 %iger Beteiligung Einkommensteuer zum progressiven ESt-Satz an. 193 Dass das Verbot des Abzugs tatsächlich entstandener Werbungskosten auch im Fall der Antragsveranlagung gilt, wird in der Literatur als verfassungswidrig eingestuft; vgl. Otto, DStR 2008, 228; Englisch, FR 2008, 230; Paus, DStZ 2008, 145; Bäumel, DStZ 2008, 107; Behrens, DStR 2007, 1998, 2002; Hötzel, JbFSt 2007/08, S. 174 ff. Die Nichtabziehbarkeit insbesondere von Schuldzinsen kann im Ergebnis zu einer enteignungsgleichen Belastungswirkung der Abgeltungsteuer führen. Dass nach § 32d Abs. 6 EStG zum Teileinkünfteverfahren optiert werden könne, insbesondere wenn die Steuerbelastung bei Eingreifen der Abgeltungsteuer wegen der Nichtabzugsfähigkeit von Kosten im Zusammenhang mit der Beteiligung (etwa Finanzierungskosten) höher ist, tragen Demuth/Kaiser, Abgeltungsteuer, Stollfuß-Verlag, S. 6 vor, allerdings ohne Begründung. M. E. kann es durch die Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG n. F. nur zur Ersetzung des linearen Steuersatzes von 25 % durch den (geringeren) individuellen ESt-Satz im Rahmen der ESt-Progression kommen. 194 BMF, Schr. v. 15.8.2007 – IV C 1 – S 2000/07/0009.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer die Vermögensverwalter ihren Kunden für die Finanzportfolio-Verwaltung in Rechnung stellen und die auf den von der jeweiligen Depotbank zum Jahresende erstellten Depotaufstellungen basieren. Erfolgt die Zahlung der für 2008 angefallenen Vermögensverwaltungsgebühren bis zum 31.1.2009, werden sie noch dem VZ 2008 zugeordnet. Nach dem BMFSchreiben vom 24.11.2008 wird dabei aus Vereinfachungsgründen auch auf die Zuordnung der einzelnen Werbungskosten im Rahmen von § 3c EStG verzichtet. Um die nachteiligen Folgen von § 20 Abs. 9 EStG n. F. zu vermeiden, wird die Einbringung von Kapitalanlagen in eine rechtliche Hülle diskutiert, die den vollständigen oder teilweisen Werbungskostenabzug erhält195. Im Falle der Übertragung von Kapitalanlagen auf Investmentfonds ergibt sich die Zulässigkeit des Werbungskostenabzugs grundsätzlich in Höhe von 90 % nach § 3 InvStG. Die Kapitalanlage in Form einer Lebensversicherung ermöglicht im Grundsatz den Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben auf Ebene des Versicherungsunternehmens. Die vom Versicherer ausgezahlten Versicherungsleistungen sind vornherein um die Kosten reduziert. 5.1 Überführung fremdfinanzierter Kapitalanlagen ins Betriebsvermögen Um einen Finanzierungskostenabzug bei der Fremdfinanzierung von GmbH-Anteilen zu ermöglichen, könnte an die Einbringung der GmbHAnteile in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG oder an die Zwischenschaltung einer Holding-GmbH („Spardosen-GmbH“) gedacht werden196. – Einbringung von GmbH-Anteilen in eine gewerblich geprägte GmbH und Co. KG Wenn die Anteile gemäß § 17 EStG steuerlich verstrickt sind, stellt sich die Frage der Aufdeckung stiller Reserven anlässlich der Überführung der

195 Vgl. Delp, DB 2008, 2381, 2385: Sog. Asset Wrapping. 196 Weitere Vorschläge bei Paus, NWB Fach 3, 14957 (Begründung einer atypisch stillen Beteiligung an der GmbH, Einbringung der GmbH-Anteile in ein Betriebsvermögen, Begründung einer Betriebsaufspaltung, Verlagerung des Zinsaufwandes in den betrieblichen Bereich oder in den Bereich der Vermietung und Verpachtung mit Hilfe eines Zwei-Konten-Modells, debt-push-down in die GmbH z. B. durch Gewinnausschüttung, Umwandlung der GmbH in eine gewerbliche Personengesellschaft mit der Folge der Behandlung des Zinsaufwandes als Sonderbetriebsausgaben nach Tz. 04.37 des UmwStG-Erlasses vom 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268; Beteiligungsverkauf).

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer Anteile in die GmbH & Co. KG. Ertragsteuerlich neutral möglich wäre insoweit wohl die Einlage der Anteile gegen Gutschrift auf dem sog. gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto197 unter Zurückbehalt der Verbindlichkeiten198. Trotz Zuordnung der Verbindlichkeit zum Sonderbetriebsvermögen – und damit zum Betriebsvermögen – der KG liegt mangels zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Schuldübernahme durch die KG keine Gegenleistung vor. – „Spardosen-GmbH“ Im Einzelfall zu prüfen wäre, ob die Übertragung von Kapitalanlagen in eine „Spardosen-GmbH“ (vermögensverwaltende GmbH) vorteilhaft sein könnte199. Je nach Fallgestaltung kann sich die steuerliche Situation auch verschlechtern: Werden die von der „Spardosen-GmbH“ erzielten Kapitalerträge ausgeschüttet, fällt bei Beteiligungen von weniger als 15 %200 der „Spardosen-GmbH“ an den eingebrachten Gesellschaften nicht nur zusätzlich Gewerbesteuer (auf Ebene der Spardosen-GmbH) an, sondern ist auch die Summe aus Körperschaftsteuer in der GmbH und der Abgeltungsteuer bei Ausschüttung höher als die Abgeltungsteuer bei Direktanlage. Werden die Erträge nicht ausgeschüttet, sondern wird die GmbH zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst oder veräußert und hält der Steuerpflichtige eine Beteiligung i. S. v. § 17 EStG, unterliegt der Auflösungs- bzw. Veräußerungsgewinn unabhängig vom Zeitpunkt der Anschaffung der GmbH-Anteile und der Haltedauer zu 60 % der Besteuerung zum persönlichen ESt-Satz201. Bei unentgeltlicher Übertragung der

197 Vgl. BMF-Schreiben vom 26.11.2004, BStBl I 2004, 1190. 198 Vgl. Strahl, DStR 2008, 9, 11. 199 Vgl. Maute, EStB 2008, 376, 377 mit Hinweis auf die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber Streubesitzdividenden durch Gesetzesänderung aus dem Anwendungsbereich von § 8b Abs. 1 KStG herausnehmen könnte (zur Bereinigung der EU-Rechtswidrigkeit der deutschen Kapitalertragsbesteuerung von Auslandsdividendenzahlungen im Hinblick auf das EuGH-Urteil C-170/05 vom 14.12.2006, Denkavit; nach einer Pressemitteilung vom 19.03.2009 hat die EU-Kommission beschlossen, aus diesem Grund Klage gegen Deutschland vor dem EuGH zu erheben). Im Oktober/November 2008 waren entsprechend Pläne (Einfügung eines § 8b Abs. 4 KStG nF) gescheitert. 200 Ab EZ 2008 beträgt die Mindestbeteiligung für die gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien nach § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG 15 %; vgl. § 36 Abs. 8 S. 6 GewStG. 201 Gemäß §§ 32d Abs. 2 S. 1 iVm 20 Abs. 8 EStG n. F. ist der AbgeltungsteuerSatz von 25 % nicht anwendbar. Bei Auflösung oder Veräußerung nach 2008 ist gemäß §§ 3 Nr. 4 c), 52a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 das Teileinkünfteverfahren anwendbar, auch wenn die Beteiligung vor 2009 erworben wurde. § 52a Abs. 10 S. 1 EStG n. F. ist insoweit nicht anwendbar.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer GmbH-Anteile (z. B. Schenkung an die Kinder) werden die Beschenkten bei Ausschüttung der bisher thesaurierten Erträge mit Abgeltungsteuer belastet und auch der Status als Beteiligter i. S. v. § 17 EStG und damit die Besteuerung des Veräußerungsgewinns für den Beschenkten regelmäßig unvermeidbar. Beispiel: Ein Steuerpflichtige erzielt die folgenden Kapitalerträge: Zinsen Dividenden Anteilsveräußerungsgewinne

EUR 15.000 (voll KSt- und GewSt-pflichtig) 25.000 (95 % KSt-frei, voll GewSt-pflichtig) 10.000 (95 % KSt-frei, 95 % GewSt-frei)

Würden die Kapitalanlagen unmittelbar im Privatvermögen gehalten, betrüge die Abgeltungsteuer auf die Kapitalerträge EUR 12.500 (mit SolZ EUR 13.187,50), d. h. die Erträge nach Steuern belaufen sich auf EUR 37.500 (mit SolZ EUR 36.812,50). Wird das Kapitalvermögen in einer „Spardosen-GmbH“ gehalten, sieht die steuerliche Belastung wie folgt aus: Kapitalerträge Gewerbesteuer (Köln: 15,75 %) Körperschaftsteuer + SolZ Nach Steuern in Spardosen-GmbH Vollausschüttung Abgeltungsteuer + SolZ Erträge nach Steuern

EUR 50.000 –6.378,75 –2.650,69 40.970,56 40.970,56 –10.805,99 30.164,57

Werden nur Kapitalgesellschaftsbeteiligungen auf die „SpardosenGmbH“ übertragen, ergibt sich eine erhebliche Steuerentlastung. Dies gilt allerdings nicht bei anschließender Vollausschüttung an den die Beteiligung an der „Spardosen-GmbH“ im Privatvermögen haltenden Gesellschafter. Beispiel (Annahme: Ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. wird nicht gestellt): Werden Gewinnausschüttungen in Höhe von EUR 25.000 im Privatvermögen bezogen, beträgt die Abgeltungsteuer einschließlich SolZ EUR 6.594, d. h. es verbleiben Erträge nach Steuern von EUR 18.406. Im Falle des Bezugs dieser Gewinnausschüttung durch eine „SpardosenGmbH“ stellt sich die Steuerbelastung in dem Fall, dass die Beteiligung 342

Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer an der ausschüttenden GmbH mindestens 15 % beträgt und § 8b Abs. 7 KStG202 nicht zur Anwendung kommt203, wie folgt dar: Gewinnausschüttung Gewerbesteuer (Köln: 15,75 %) Körperschaftsteuer Nach Steuern in GmbH Vollausschüttung Abgeltungsteuer + SolZ Erträge nach Steuern

EUR 25.000 –197 –198 24.605 24.605 –6.490 18.115

5.2 Bestimmung des Transaktionskostenanteils der Vermögensverwaltungsgebühr (all-in-fee) in Vermögensverwaltungsverträgen Nach dem BMF-Schreiben vom 15.8.2008204 ist es zulässig, eine in einer sog. all-in-fee enthaltene Transaktionskostenpauschale im Zeitpunkt der Verauslagung in den Verlustverrechnungstopf einzustellen. Dies war von den Bankenverbänden gefordert worden, weil es keinen Unterschied mache, ob die Transaktionskosten beim jeweiligen Geschäft in Rechnung gestellt oder über eine pauschale Jahresgebühr erhoben würden. Das BMF sieht 50 % des Vermögensverwaltungsentgelts als Obergrenze für den Ansatz des Transaktionskostenanteils an, d. h. bis zu 50 % der Vermögensverwaltungsgebühr dürfen im Zusammenhang mit Gewinnen aus der Veräußerung oder Einlösung von Kapitalanlagen bei entsprechender Vereinbarung als Werbungskosten abgezogen werden. Im Vermögensverwaltungsvertrag ist ausdrücklich festzuhalten, welcher Anteil des Vermögensverwaltungsentgelts (pauschal) auf die einzelnen Transaktionskosten entfällt. In solchen Fällen können daneben keine Einzelveräußerungskosten berücksichtigt werden. Derzeit ist noch ungeklärt, ob die Finanzverwaltung auch eine pauschale Vereinbarung des Transaktionskostenanteils in Beratungsverträgen anerkennen wird205. Ob der alternative Ausweis des Transaktionskostenanteils in der Abrechnung (der Vermögensverwaltungsvertrag enthält lediglich (d. h. ohne prozen202 Zu den Begriffen „Finanzunternehmen“ und „kurzfristige Erzielung eines Eigenhandelserfolges“ vgl. BFH-Urteil I R 36/08 vom 14.01.2009. 203 Vgl. FG Hamburg, Urt. v. 26.2.2008–2 K 54/07, LEXinform 5006493: GmbHGeschäftsanteile seien handelbare Anteile i. S. v. § 1 Abs. 12 S. 1 Nr. 1 KWG und würden daher von § 8b Abs. 7 KStG erfasst. 204 BMF, Schr. v. 15.8.2008 – IV C 1 – S 2000/07/0009. 205 Anders als bei Vermögensverwaltungsverträgen steht die vom Kreditinstitut oder sonstigen Berater empfohlene Wertpapiertransaktion bei Bestehen eines Beratungsvertrags unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Kunden.

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Behrens, Vorbereitungen auf die Abgeltungsteuer tuale Quoten) eine all-in-fee, die alle Kosten abdeckt, die mit der Vermögensverwaltung, der Depotführung und den Wertpapiertransaktionen (Wertpapierumsatztransaktionen) zusammenhängen) ausreicht, ist offen206.

VI. Schlussfolgerung Durch die Abgeltungsteuer wird die Besteuerung von Kapitalerträgen nicht einfacher. Steuerberater haben zukünftig vielfältige Überwachungsaufgaben zu erfüllen. Insbesondere ist zu prüfen, ob die vom Mandanten erwirtschafteten Kapitalerträge in der ESt-Erklärung anzugeben sind, bzw. ob, wenn ein KEStAbzug stattgefunden hat, das Kreditinstitut dem Grunde nach und der Höhe nach den KESt-Abzug richtig vorgenommen hat. Es ist zu überprüfen, ob das Kreditinstitut bei Tatbeständen des § 20 Abs. 2 EStG alle Anschaffungs- und Veräußerungskosten berücksichtigt hat, und ob KESt auf Grundlage der Ersatzbemessungsgrundlage berechnet worden ist. Kapitalerträge, die bisher keinem KESt-Abzug unterlegen haben, sind zu erklären. Bei Kapitalerträgen, bei denen bestimmte Vergünstigungen wie der Sparer-Pauschbetrag oder der Ansatz der – gegenüber der Ersatzbemessungsgrundlage geringeren – Bemessungsgrundlage möglich ist, sollte nach § 32d Abs. 4 EStG die Wahlveranlagung beantragt werden. Die Wahlveranlagung ist z. B. auch dann zu beantragen, wenn bei einem anderen Kreditinstitut bis zum 15.12. des laufenden Jahres absehbar ist, dass am Jahresende ein Verlustsaldo bestehen wird. Bei diesem anderen Kreditinstitut ist eine Bescheinigung über den Verlust nach § 43a Abs. 3 S. 4 EStG zu beantragen. In allen Fällen, in denen Kapitalerträge in der ESt-Erklärung angegeben werden sollen, sind bei den Kreditinstituten entsprechende Steuerbescheinigungen einzuholen. Zur Angabe aller Kapitalerträge in der ESt-Erklärung zwingt auch die Kirchensteuer, wenn ihr Einbehalt nicht rechtzeitig beim Kreditinstitut unter Angabe der Konfessionszugehörigkeit beantragt worden ist. Besondere Schwierigkeiten kommen auf den Steuerberater zu, soweit private Kapitalanlagen seines Mandanten im Zusammenhang mit einer betrieblichen Kreditaufnahme stehen und dadurch gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG der Belastungsunterschied zwischen den betrieblichen Einkünften (Schuldzinsenabzug bei potentiellen hochbesteuerten Einkünften) und den privaten Kapitalerträgen (Abgeltungsteuer) – nach Verwaltungsansicht „missbräuchlich“ – ausgenutzt sein könnte. 206 Die Finanzverwaltung hat zu dieser Frage noch keine Entscheidung getroffen, vgl. BMF, Schr. v. 15.6.2009, Ziffer II. 2, IV C 1 – S – 2000/07/0009.

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„Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Dr. Wolfgang Bornheim Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht

I. Problemstellung und Grundlagen II. Täterschaft und Teilnahme des Beraters 1. Täterschaft des Beraters 2. Teilnahmehandlungen des Beraters 2.1 Abgrenzung Mittäterschaft und Teilnahme 2.2. Beihilfe als Hauptform der Teilnahmehandlung III. Grundregeln für die steuerliche Gestaltungsberatung 1. Ziel der steuerrechtlichen Beratung 2. Offenlegung von Rechtsansichten und Vertretbarkeit (damit zusammenhängende Rechtsfragen) 3. Checkliste für das Beraterhandeln in diesem Zusammenhang IV. Die Missbrauchsregelungen als steuerliche und strafrechtliche Grenze der Gestaltung 1. Grundsituation 2. Gestaltungsfreiheit 3. Abgrenzung zulässige Gestaltung – Missbrauch 3.1 Auslegung von Steuergesetzen

3.2

V. 1. 2.

3.

VI.

Zulässige Steuergestaltung als Gratwanderung 3.3 Missbrauch und Steuerumgehung unter Berücksichtigung der Neufassung des § 42 AO 3.4 Weitere Risikofelder Steuer- und strafrechtliche Folgen verfehlter Gestaltung – Verteidigungsansätze Steuerrechtliche Folge Steuerstrafrechtliche Folgen 2.1 Schwere Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO 2.2 Rechtliche Einordnung und Bewertung der Neuregelung Wesentliche Grundsätze der Verteidigungsstrategie 3.1 Zielkorridor – Verteidigungsstrategie 3.2 Unabhängige Beurteilung von steuerrechtlichem und steuerstrafrechtlichem Verfahren 3.3 Subjektiver Tatbestand als Verteidigungsansatz Zusammenfassung und Ausblick

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“

I. Problemstellung und Grundlagen Der Mandant erwartet vom steuerlichen Berater1 im betriebswirtschaftlichen Sinne eine zielorientierte Gestaltung wirtschaftlicher Sachverhalte2. Dies ist auch seit langem einer der Kernbereiche der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre in ihrer Aufgabe, die einzelwirtschaftlichen Auswirkungen der Besteuerung zu untersuchen3 und in gezielte Gestaltungen umzusetzen. Dabei ist die Grenzziehung zwischen Steuergestaltung, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung oft ein schmaler Grat der mangels genau konturierter Linien oft in Gestaltungsphasen schwer abschätzbar ist, oder bei der, wie ROSE4 formuliert: “die Grenze zwischen ganz Dunkel und ganz Hell nicht deutlich zu erkennen ist, sondern nebelhaft grau verläuft“. Sowohl in der Steuerdeklarationsberatung als auch in der Steuergestaltungsberatung5 besteht dabei das Risiko, dass der Berater diese Grenze zur falschen Seite überschreitet und sich dann mit einem strafrechtlichen Vorwurf konfrontiert sieht, zumal dieses Gebiet im Rahmen der Gesamtberatung auch einen immer größeren Aufgabenbereich einnimmt6. Verfahren gegen Steuerberater wegen Teilnahme7 an der Straftat eines Mandanten sind derzeit nicht häufig8, sie haben aber eine deutlich steigende Tendenz9. Vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des BGH und wegen der damit zusammenhängenden, erheblichen strafrechtlichen und berufsrechtlichen Konsequenzen bis hin zum Verlust der

1 Dies kann aufgrund der entsprechenden beruflichen Voraussetzungen der Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, vereidigter Buchprüfer oder aber der Wirtschaftsprüfer sein. Anders als in weiten Bereichen der Betriebswirtschaftslehre fallen Unternehmensberater nicht in die mögliche Beraterkategorie, da ihnen aufgrund der im StberG bzw. RberG geregelten Vorbehaltsaufgaben der oben genannten Berufsgruppen die nötige Berechtigung hierzu im Rahmen ihrer Berufsausübung nicht zusteht. Nachstehend werden die steuerlichen Berater auch schlicht als Berater bezeichnet. 2 pars pro toto: Heinen, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 1985, 25 f. 3 Hierzu: Fischer/Schneeloch/Sigloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerberatung – Gedanken zum 60jährigen „Jubiläum“ der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, DStR 1980, 699, 700 (linke Spalte). 4 Zu diesen Unschärfen: Rose, Von den Steuerrechten im Halbschatten, in Schön, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 515. 5 Zu den Begriffen: Rose, Einführung in den Beruf des Steuerberaters, 1995, 38 f. 6 Rose, Entwicklungstendenzen aus der Sicht des Steuerberatungswissenschaftlers, Steuerberater Jahrbuch 1980/1981, 565 f. 7 Zur Abgrenzung der verschiedenen Arten der Teilnahme: Pfaff, Zur Strafbarkeit bei verdeckten Parteispenden, StBp 1987, 242. 8 Dörn in Achenbach/Wannenmacher, Beraterhandbuch zum Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, § 8, Rz. 2. 9 Hierzu: Hild, Kriminalisierung klassischer Steuerberatung?, BB 2001, 493.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Zulassung10, ist es erforderlich, diesen Komplex eingehender zu bearbeiten. In diesem Zusammenhang ist es zunächst von Bedeutung festzustellen, in welcher Funktion der Steuerberater im konkreten Fall tätig geworden ist. Die Möglichkeiten hierzu sind weit gefächert. Die geringste Stufe der Einbindung des Beraters wäre dann zu sehen, wenn er der Sache nach nur als Gehilfe anzusehen ist11 ohne eigene Erklärungspflichten, denn dann kommt er als Adressat strafrechtlicher Normen im Regelfall gar nicht in Betracht12. Das andere Extrem wäre es, den Steuerberater als primären Verantwortungsträger zu sehen, was aber im Regelfall aufgrund der Abstimmung der Erklärungsinhalte mit dem Mandanten ausscheiden dürfte13. So gelangt man zu einer differenzierenden Betrachtungsweise, die wohl unter Berücksichtigung der im einzelnen Mandat jeweils ausgeübten Funktionen zu prüfen ist14. Hierbei ist insbesondere zu unterscheiden, in welchen Teilbereichen des Berufsspektrums der Berater tätig wird, so z. B. bei der Erstellung von Steuererklärungen15, der Buchführungserstellung16 oder der allgemeinen Beratung17. Hiernach sind die Tathandlungen im Einzelnen zu untersuchen18.

II. Täterschaft und Teilnahme des Beraters 1. Täterschaft des Beraters Der Berater kann im Mandat eine eigene Steuerhinterziehung als Alleinoder Mittäter19, durch Unterlassen oder aktives Tun20 z. B. dann begehen, wenn er Vermögensverwalter, Treuhänder oder faktischer Geschäftsfüh10 Dörn, Steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit des Steuerpflichtigen oder/und des Steuerberaters?, StBp 1995, 25, 49. 11 Hierzu differenzierend und kritisch für eine funktionsspezifische Betrachtung eintretend: Duttge, Zur Verantwortlichkeit des gutgläubigen Steuerberaters, wistra 2000, 201, 203 ff. 12 BayObLG, Urt. v. 9. 11. 1993 – 4 St RR 54/93, NStZ 1994, 136, 138; OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 3. 1996 – Ss (B) 100/95, wistra 1996, 319. 13 Lohmeyer, Die steuerstraf- und bußgeldrechtliche Verantwortung der Angehörigen der steuerberatenden Berufe, 1971, 21. 14 Duttge, Zur Verantwortlichkeit des gutgläubigen Steuerberaters, wistra 2000, 206 ff. 15 Hierzu: Meilicke, Wird das Steuerstrafrecht für die Steuerpraxis zum russischen Roulette?, BB 1984, 1885, 1889. 16 Wannenmacher/Gotzens, Steuerstrafrecht, 1999, Rz. 1888. 17 Dörn, Steuerhinterziehung und Steuerrecht, wistra 1992, 241. 18 Gotzens/Heinsius, Die strafrechtliche Grauzone der steuerlichen Beratung, Stbg 2000, 209, 212. 19 Schlüchter, Steuerberater im strafrechtlichen Risiko?, 1996, 52 ff.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ rer ist21. Voraussetzung einer derart weitreichenden Verantwortung ist allerdings, dass der Berater eigene steuerliche Pflichten im Zusammenhang mit dem Mandat originär übernommen hat oder ihm diese durch Gesetz zugefallen sind, so wie dies z. B. in den Fällen des § 35 AO der Fall ist22. Zudem muss er im Falle des aktiven Tuns auch eigene falsche Angaben gemacht oder Auskünfte erteilt haben bzw. entsprechend falsche Steuererklärungen unterzeichnet haben23. Ist der Berater allerdings Vermögensverwalter, Testamentsvollstrecker o. ä. so treffen ihn auch eigene Erklärungspflichten mit der Folge, dass in einem solchen Fall auch bereits das Unterlassen der entsprechenden Erklärungen für ihn strafrechtlich relevant sein kann. Ein Sonderfall ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Rechtstellung des Betreuers eines (in der Vergangenheit) steuerunehrlichen Betreuten. Dieser hat nämlich, soweit er die Steuerunehrlichkeit des Betreuten erkennt, eine eigene Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO. Erfüllt er diese nicht, so macht er sich ggf. der Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar. Andererseits stellt die Berichtigung des Betreuers auch eine Selbstanzeige des Betreuten dar24. Der Betreuer kann sich aus einem Konflikt ggf. nur durch Niederlegung des Amtes entziehen25. Eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO trifft den steuerlichen Berater außerhalb der o.a. Fälle nach nunmehr ausdiskutierter Auffassung im Allgemeinen nicht26. Insbesondere trifft den gutgläubigen Steuerberater keine eigene Garantenpflicht für die Angaben in der Steuererklärung des Mandanten, an der er mitgewirkt hat27. Auch der zunächst gutgläubige Berater wird allerdings zum Mittäter, wenn er die Steuerhinterziehung des Mandanten erkennt und hiernach durch eigene Handlungen z. B. durch Anfertigung unrichtiger Aufstellun20 Zur Differenzierung: Bornheim/Birkenstock, Steuerfahndung – Steuerstrafverteidigung, Berlin 1998, 80 f. 21 Loose in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 35 AO, Rz. 3. 22 BFH, Urt. v. 12. 10. 1999 – VII B 54/99, GmbHR 2000, 395. 23 BayObLG, Urt. v. 26. 10. 1987 – 4 St 106/87, wistra 1988, 76. 24 Unter im Übrigen den gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere auch der Sperrwirkung. 25 Zum Ganzen: Stahl/Carlé, Die steuerliche Rechtsstellung des Betreuers eines steuerunehrlichen Betreuten und steuerstrafrechtliche Risiken, DStR 2000, 1245. 26 BGH, Urt. v. 20. 12. 1995 – 5 StR 412/95, NStZ 1996, 563; Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO § 153 AO, Rz. 4; Achenbach, Der BGH zu den Strafbarkeitsrisiken des nachträglich bösgläubigen Steuerberaters – Klärungen und offene Fragen, Stbg 1996, 299; Joecks, Berichtigungspflichten des nachträglich bösgläubigen Steuerberaters, INF 1997, 21; H. L., Keine Berichtigungspflicht des Steuerberaters (§ 153 AO), DB 2000, 1992. 27 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO, Rz. 16.5.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ gen, falscher Erklärungen während der Betriebsprüfung etc. den Taterfolg für den Mandanten sichert. Für den Mandant stellt dies eine straffreie Nachtat zur bereits begangenen Steuerhinterziehung dar, für den Berater eine (eigene) Haupttat28. Hinzu kommt in solchen Fällen, dass dieses Verhalten als Vortat im Rahmen einer nach § 257 StGB strafbaren Begünstigung gewürdigt werden kann29, was dann zur Verwirklichung eines weiteren Straftatbestands führt. Auch in einem anderen Fall ist eine Deliktsverwirklichung durch den Berater möglich, denn die Grenze zwischen Strafverteidigung und Strafvereitelung i. S. v. § 258 StGB30 ist ein enger Grat31. Hier ist nach der h.M. aufgrund der Möglichkeit der aktiven Verdunkelung und der Verzerrung des Sachverhalts die Grenze zulässigen Handelns im Sinne der strafprozessualen Regelungen schnell erreicht32. Ist der Berater Täter einer Steuerhinterziehung im Mandat, so ist er verpflichtet, dem (gutgläubigen und unbeteiligten) Mandanten entsprechend Schadenersatz zu leisten und z. B. auch diesem auferlegte Bußgelder zu ersetzen33. 2. Teilnahmehandlungen des Beraters 2.1 Abgrenzung Mittäterschaft und Teilnahme Die Abgrenzung zwischen der Mittäterschaft des Beraters und der Teilnahmehandlung34 z. B. in Gestalt der Beihilfe an einer Steuerhinterziehung des Mandanten ist fließend. § 25 Abs. 2 StGB fordert für Mittäterschaft im Gegensatz zur Teilnahmehandlung ein gemeinschaftliches Handeln; dazu wird ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken verlangt35. Fehlt es am Bewusstsein und Wollen des Zusammenwirkens, 28 BGH, Urt. v. 7. 7. 1993 – 5 StR 212/93, wistra 1993, 302. 29 BGH, Urt. v. 16. 10. 1998 – 5 StR 746/97, aaO; Vgl. hierzu ausführlich Bornheim, Steuerstrafverteidigung, Kapitel 2.2.2. 30 Hierzu: BGH, Urt. v. 26. 11. 1998 – 4 StR 207/98, wistra 1999, 140; BGH, Urt. v. 9. 5. 2000 – 1 StR 106/00, wistra 2000, 301. 31 Wassmann, Strafverteidigung und Strafvereitelung, 1982, 12 ff und 123 ff; Stumpf, Die Strafbarkeit des Strafverteidigers, 1999, 15 ff. 32 Zur Frage ob solche Handlungen überhaupt tatbestandlich im Sinne von § 258 Abs. 1 StGB sind: Stumpf, Zur Strafbarkeit des Verteidigers gemäß § 258 StGB – zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 26. 11. 1998–4 StR 207/98, wistra 1999, 140, wistra 2001, 123, 125 ff. 33 BGH, Urt. v. 14. 11. 1986 – IX ZR 215/95, DB 1997, 472. 34 Zu den Begriffen: Lohmeyer, Der Steuerberater als Täter oder Teilnehmer einer Steuerzuwiderhandlung, Stbg 1985, 297; Fischer, Die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe bei der Steuerhinterziehung, StuW 1963, 242. 35 Vgl. Cramer in Schönke/Schröder, § 25, Rz. 70 f.; Baumann/Weber, Strafrecht, Allgemeiner Teil, S.526.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ kommt eine Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB auch dann nicht in Betracht, wenn ein Zusammenwirken vorliegt; denn ein Zusammenwirken allein reicht für eine Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB nicht aus36. Erhebliche Bedeutung erlangt diese Unterscheidung im Rahmen der Strafzumessung, denn § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB verlangt für den Teilnehmer im Gegensatz zum (Mit-)Täter zwingend die Milderung der Strafe auf ¾37. Im Zusammenhang mit der Bewertung einer Teilnahmehandlung kommt es nach der Rechtsprechung des BGH in erster Linie auf den Unwert des Tatbeitrags an und erst dann und nur mittelbar auf das mit der Haupttat verwirklichte Unrecht38. 2.2. Beihilfe als Hauptform der Teilnahmehandlung Beihilfe begeht nach § 27 Abs. 1 StGB, wer den Erfolg der Haupttat vorsätzlich mit verursacht, mithin zu einer fremden Tat Hilfe leistet. In Abgrenzung zur Mittäterschaft mangelt es hier an der Tatherrschaft des Beihelfers39. Erste Voraussetzung ist damit eine rechtswidrige Haupttat, die vorsätzlich begangen worden ist, wobei allerdings der bedingte Vorsatz ausreichend und zumindest in das Versuchsstadium gelangt ist40. Im Weiteren muss durch den Beihelfer die Tat gefördert werden, wobei jede physische (z. B. durch Ausstellen falscher Belege) und psychische Unterstützung (z. B. durch Ratschläge, deren Umsetzung die Tat ermöglichen) hinreichend ist41. Für den Steuerberater kann es hiernach bereits ausreichen, wenn er dem Täter lediglich ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt und ihm dadurch den Rücken stärkt. Jedenfalls liegt Beihilfe dann vor, wenn der Berater Kenntnis davon hat, dass die vom Mandanten angegebenen Informationen unzutreffend sind, er diese dennoch in Steuerklärungen unter Beifügung des Mitwirkungsvermerks einbringt42. Schließlich ist zumindest bedingter Vorsatz für das Handeln des Beraters erforderlich, der sich auf die Haupttat bezieht und diese auch fördern will.

36 BFH, Urt. v. 24. 3. 1987 – VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560; BGH, Urt. v. 5. 5. 1981 – 1 StR 80/81, wistra 1982, 28. 37 Hierzu: Kohlmann, § 370 AO, Rz. 17. 38 BGH, Urt. v. 3. 11. 1999 – 3 StR 406/99, wistra 2000, 55. 39 BGH, Urt. v. 13. 3. 1979 – 1 StR 739/78, NJW 1979, 1721. 40 §§ 26,27 StGB; BGH, Urt. v. 10. 9. 1986 – 3 StR 292/86, wistra 1987, 30. 41 BGH, Urt. v. 20. 12. 1995 – 5 StR 412/95, NStZ 1996, 563. 42 Dörn, Vorwurf der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bei Delegation steuerlicher Pflichten, insbesondere bei Beantragung der Herabsetzung von Vorauszahlungen, DStZ 1996, 168.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Leichtfertige Beihilfe sieht das Gesetz nicht vor43. Hingegen reicht die bloße einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines Mandanten und gegebenenfalls deren Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen44. Es bedarf somit bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass das bloße Dabeisein die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert hat und dass der Steuerberater sich dessen bewusst war, wobei allerdings eine lediglich innere Ablehnung der Haupttat zur Vermeidung eines Schuldvorwurfs nicht ausreichend ist45. Grundsätzlich ist ein Berater auch nicht verpflichtet, eigene Nachforschungen anzustellen, um die Angaben des Steuerpflichtigen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, wenn er seinen Auftraggeber über seine Pflichten belehrt hat. Er ist auch nicht verpflichtet, die von ihm eingereichten Unterlagen auf ihre Ordnungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Auch ist der Steuerberater nicht Sachwalter der Finanzbehörden46. Hat der Berater allerdings einen konkreten Verdacht, die Angaben des Mandanten seien unzutreffend, so kann er sich nicht ohne Risiko eigener Strafverfolgung ohne weiteres auf die mitgeteilten Angaben verlassen47. Hier muss er entsprechende Nachfragen stellen und diese (besonders wichtig) auch sorgfältig dokumentieren. Gerade die Dokumentation ist nach Jahren die beste Möglichkeit der Exkulpation. Der Berater ist, wenn er nach Beendigung der Tat48 durch den Mandanten hiervon erfährt, gleichwohl nicht verpflichtet, seinem Mandanten zur Selbstanzeige nach §§ 371, 378 AO zu raten49. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass der Berater immer dann, wenn er Kenntnis von einer noch nicht beendeten Tat des Mandanten erhält, alles in seiner Kraft stehende zu unternehmen hat, um den Mandant von seinem Tun abzubringen, andernfalls setzt er sich des Risikos strafrechtlicher Vorwürfe aus. Dieses Tun muss in geeigneter Weise dokumentiert werden.

43 Streck, Der Steuerhinterzieher als Mandant – Vortrag auf dem Deutschen Steuerberatertag 1984 in Stuttgart, BB 1984, 2205, 2007. 44 BGH, Urt. v. 13. 1. 1993 – 3 StR 516/92, wistra 1993, 181. 45 BGH, Urt. v. 10. 9. 1986 – 3 StR 292/86, wistra 1987, 30. 46 OLG Bremen, Urt. v. 26. 4. 1985 – Ws 111/84, StV 1985, 282. 47 OLG Karlsruhe, Urt. v. 19. 3. 1986 – 3 Ws 147/85, wistra 1986, 189. 48 Zum Zeitpunkt der Tatbeendigung: Bornheim/Birkenstock, Steuerfahndung – Steuerstrafverteidigung, Berlin 1998, 121. 49 BGH, Urt. v. 20. 12. 1995 – 5 StR 412/95, NStZ 1996, 563; Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung, 2. Auflage, Berlin 1988, Rz. 1715.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Erfährt er nach Beendigung der Tat von einer solchen, so darf er nicht an der (weiteren) Sicherung des Taterfolgs teilnehmen. Ohne ein solches Einwirken obliegt dem Berater keine strafrechtliche Garantenpflicht entsprechend § 13 StGB oder aber die Pflicht den Täter zu Selbstanzeige oder Berichtigungsmeldung zu beeinflussen. Zu beachten ist allerdings, dass soweit Tatbestände mehrere Jahre betreffen, für diejenigen zukünftigen Jahre, für die bisher noch keine Tatbeendigung eingetreten war, die Mitwirkung des Beraters zu neuen strafrechtlichen Risiken für den Berater führen kann, wenn die Erklärungen auf falschen Tatsachen beruhen und hierdurch neue Steuerverkürzungen eintreten.

III. Grundregeln für die steuerliche Gestaltungsberatung Die Grenzen sinnvoller und zulässiger Steuergestaltung können wie folgt bestimmt werden: – Es wird gegenüber einer zu definierenden Ausgangssituation ein Steuervorteil erreicht, der letztlich in einer gegenüber dieser niedrigeren Steuerbelastung besteht – und es werden kumulativ weder die steuerlichen noch die steuerstrafrechtlichen Missbrauchsgrenzen überschritten. 1. Ziel der steuerrechtlichen Beratung Das Ziel der steuerrechtlichen Beratung ist, im Rahmen des gesetzlich möglichen die Steuerbelastung, insbesondere auch in einer mehrperiodischen Betrachtungsweise, möglichst weit zu reduzieren. Zu diesem Zweck ist der Berater angehalten die Umstände, auf tatsächlicher und rechtlicher Ebene so zu gestalten, dass hierdurch steuerlich günstige Tatbestände erfüllt werden. Beispiele hierfür sind: – die Wahl einer günstigen Rechtsform, – oder die günstige Gestaltung der Rechtsverhältnisse, besonders missbrauchverdächtig sind bspw. Steuergestaltungen zwischen Gesellschaftern und/oder Familienangehörigen. Wie bereits oben gezeigt, ist die Steuerumgehung selbst nicht strafbar, aber es resultieren steuerrechtlich nachteilige Folgen hieraus, wie bspw. die Nachzahlung. Im Falle einer Steuerverkürzung können jedoch auch steuerstrafrechtliche Folgen anknüpfen. Um sowohl nachteilige steuerrechtliche, als auch steuerstrafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden 352

Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ gilt es für jeden Steuerberater Maßnahmen herauszuarbeiten, die in der Gestaltungsberatung immer vorab zu berücksichtigen sind. Hierbei gibt bereits der Wortlaut des § 370 AO erste Anhaltspunkte für zulässige Steuergestaltungen, danach ist eine Steuerumgehung nur dann strafbar, wenn eine Gestaltung vorgenommen wird, die den Anschein des Missbrauchs erweckt und der Finanzbehörde zudem nicht offenbart wird. Nachfolgend werden immanente Grundregeln für die gestaltende Steuerberatung dargestellt, um dem Missbrauchsvorwurf gezielt zu entgehen und damit den Gefahrenbereich der Steuerhinterziehung weiträumig zu umschiffen. 2. Offenlegung von Rechtsansichten und Vertretbarkeit (damit zusammenhängende Rechtsfragen) Der BGH hat in seinem Urteil vom 10. 11. 199950 kurz zusammengefasst Folgendes entschieden: – Die Bestimmung der Inhalte der einzelnen Felder der Steuererklärung ist das Ergebnis einer auch von der Rechtsauffassung abhängigen, steuerrechtlichen Beurteilung, bei der vom Steuerpflichtigen zwischen rechtlich erheblichen und rechtlich unerheblichen Tatsachen unterschieden werden muss. – Der Steuerpflichtige oder sein Berater dürfen den Steuerbehörden aus einem insgesamt hinsichtlich der Tatsachen steuerlich relevanten Gesamtsachverhalt nicht nur einen Teil der Tatsachen richtig vortragen und sie im übrigen nach Maßgabe einer nicht offengelegten, ersichtlich strittigen, eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs im Unklaren lassen. – Da sich hinter den mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, die für das Finanzamt nicht erkennbar sind, besteht zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. – Insbesondere dann, wenn die von dem Steuerpflichtigen oder seinem Berater vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumption bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht Hiernach besteht die Frage, wie sich der steuerliche Berater zu verhalten hat, wenn er eine von der Finanzverwaltung oder der Rechtsprechung abweichende Rechtsauffassung vertritt, um in diesen Fällen dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. Diese Frage ist in der Lite50 BGH, Urt. v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ ratur intensiv diskutiert und hat zu beträchtlicher Verunsicherung bei Beratern und Mandanten beigetragen51. In der Literatur wird gelegentlich die Bedeutung der Entscheidung verkannt. So kommen Fischer/Waßmer52 dazu, dass der Steuerberater im Falle der Falschdeklaration eines grunderwerbsteuerlichen Sachverhalts unter keinen denkbaren Umständen, soweit er nur nach innen tätig ist und er keine künftigen Steuererklärungen abgibt, einer Strafbarkeit unterliegen kann. Sämtliche in dem Aufsatz gemachten Folgerungen sind zwar grundsätzlich richtig, aber eben nicht komplett, denn eine Auseinandersetzung mit der vorgenannten Entscheidung des BGH unterbleibt dabei. Wäre eine solche vorgenommen worden, so wären relativ klare Konstellationen hervorgetreten, in denen der absolute Ausschluss der Strafbarkeit in dieser Allgemeingültigkeit nicht vorliegt. Genau betrachtet kann man folgende Risikolagen für den steuerlichen Berater in diesem Zusammenhang differenzieren: – Kein permanentes Problem besteht, wenn die zunächst nicht offen gelegte Rechtsauffassung nach Prüfung durch die Finanzverwaltung auch53 weiterhin nicht der Veranlagung zugrunde gelegt wird (d. h. die Finanzverwaltung bei ihrer veröffentlichten Meinung bleibt). So stellt sich die Frage der Strafbarkeit nicht mehr, denn dann scheitert es bereits an der dazu erforderlichen Steuerverkürzung. Der Taterfolg und damit die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens bleiben aus54. – Wird hingegen diese Auffassung zunächst anerkannt (d. h. das Finanzamt folgt der beantragten Steuerdeklaration) und sodann (z. B. nach einer Betriebsprüfung) endgültig nicht der Besteuerung zugrunde gelegt und führt dies (kumulativ) zu einer dann höher festgesetzten Steuer, dann bleibt am Ende eine objektive Steuerverkürzung, so dass sich die Frage der Strafbarkeit stellt. In diesem Zusammenhang stellt dann die nicht erfolgte Offenlegung eine Unterstützung und Förderung der Tat 51 Buhrhoff, Hinterziehung und leichtfertige Verkürzung bei abweichender Rechtsauffassung, PStR 2000, 24; Bilsdorfer, Steuerberatung im Grenzbereich von Kreativität und Steuerhinterziehung – Steuerhinterziehung, PStR 2000, 150; Weyand, Risiko der Steuerhinterziehung bei abweichender Rechtsauffassung – Anmerkungen zum BGH-Urteil v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, (wistra 2000, 137), INF 2000, 726 ff.; Dörn, Hinweispflicht bei Abweichung von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung? – Anmerkung zum Urteil des BGH v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, 4 (wistra 2000, 137), wistra 2000, 334. 52 Fischer/Waßmer, Steuerstrafrechtliche Aspekte grunderwerbsteuerlicher Sachverhalte bei Unternehmensakquisitionen im Rahmen internationaler M&A Transaktionen, BB 2002, 969, 973. 53 Ggf. auch im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens 54 Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 150 AO, Rz. 14; Kohlmann, § 370 AO, Rz. 30.2

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ dar. Mithin kommt es auf die Frage der vorsätzlichen Begehung durch den Berater an. Zunächst ist daher die Frage zu stellen, welche Rechtsansichten in strafrechtlicher Sicht als vertretbar gelten können. Hierzu sind in der bisherigen Rechtsprechung keine abschließenden Linien erkennbar. Ein Teil des Schrifttums fordert, der Steuerpflichtige müsse im Rahmen der Steuererklärung den typisierten Empfängerhorizont der Finanzverwaltung zugrunde legen und auf jede von ihm vertretene, aber von der Rechtsprechung oder den Richtlinien der Finanzverwaltung abweichende Rechtsansicht hinweisen55. Ein weiter Teil der Autoren vertritt die Ansicht, der Steuerpflichtige könne jede Rechtsansicht vertreten, ohne hierauf besonders hinweisen zu müssen, soweit die Auffassung nur „vertretbar“ sei56. Der Bundesfinanzhof hat diese Frage ausdrücklich offengelassen57. Allerdings hat der BFH in ständiger Rechtsprechung das Recht des Steuerpflichtigen, seine steuerlichen Verhältnisse in den Grenzen möglicher Gesetzesauslegung günstigst zu gestalten, bestätigt58. Eine abschließende Würdigung der verschiedenen Auffassungen ist bisher durch den BGH nicht erfolgt. Mit anderen Worten: Dieser Bereich enthält bereits zahlreiche Zweifelsfragen, die aber alle als Risikokomponenten der Gestaltungsberatung und anschließender Betreuung der Deklaration gesehen werden. Von der Frage der Vertretbarkeit zu unterscheiden ist die Frage, was bei einer (angenommen) extensiven Gesetzesauslegung im Rahmen der gesetzlichen Pflichten des § 150 AO bzw. § 90 AO den Finanzbehörden mitzuteilen ist59. Hieran knüpft der BGH in seiner neuen Entscheidung an60. Grundsätzlich steht es auch hiernach dem Steuerpflichtigen und seinem Berater frei, jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen. Er macht jedenfalls dann keine unrichtigen Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige 55 Krabbe in KS, § 150 AO, Rz. 4/1; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 150 AO, Rz. 17 ff. 56 So z. B. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 30.2; Meilicke, Wird das Steuerstrafrecht für die Steuerpraxis zum russischen Roulette?, aaO; Dörn, Fragen des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts bei Beauftragung eines Steuerberaters, DStZ 1993, 478, 483. 57 BFH, Urt. v. 10.08.1988 – IX R 219/84, BStBl. 1989 II, 131, 133. 58 BFH, Urt. v. 20. 10. 1965 – II 119/62, BStBl. III 1965, 697. 59 Fissenwert, Das Risiko des Steuerberaters hinsichtlich des Vertretens eigener (abweichender) Rechtsansichten bei der Abgabe von Steuererklärungen, DStR 1992, 1488, 1490. 60 BGH, Urt. v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt. Auf diese Weise ist es dem Finanzamt nämlich möglich, die Steuer unter möglicherweise abweichender, rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen61. Strafbar macht sich hingegen, wer vorsätzlich über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Hieran haben sich die Angaben in Steuererklärungen und Angaben/Anlagen zu messen. Was hierin aufzunehmen ist, hängt im Konkreten allerdings vom jeweiligen Sachverhalt und der daraus erwachsenden rechtlichen Möglichkeiten ab62, wobei – wie oben schon ausgeführt – die Steuererklärungen selber keine Sachverhaltsdaten vorsehen, sondern quasi lediglich das Extrakt der rechtlichen Subsumption aufnehmen. Eine solche ist aber ihrerseits wiederum das Ergebnis einer steuerrechtlichen Beurteilung, bei der vom Steuerpflichtigen zwischen rechtlich erheblichen und rechtlich unerheblichen Tatsachen unterschieden werden muss63. Legt man diesen (zutreffenden) Maßstab zugrunde, so steht es dem Steuerpflichtigen nicht frei, z. B. nur Teile eines Sachverhalts richtig vorzutragen und im übrigen eine strittige eigene rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können64. Da sich hinter den mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, die für das Finanzamt nicht erkennbar sind, besteht zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist65. In besonderem Maße gilt dies nach Auffassung des BGH66 dann, wenn die vom Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumption bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. In einem derartigen Fall soll es allerdings i. d. R. ausreichend sein, lediglich die abweichende Rechtsauffassung mitzuteilen, ohne die rechtlichen Würdigungen darzulegen, wenn sich hieraus die entscheidungserheblichen Tatsachen ergeben.

61 BGH, Urt. v. 19. 12. 1990 – 3 StR 90/90, NJW 1991, 1306; hierzu: Eppler, Anmerkung zu BGH vom 19. 12. 1991, 3 StR 90/90, aaO, NStZ 1991, 242 f. 62 Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 150 AO Rz. 10. 63 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 30; Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 150 AO Rz. 10. 64 BGH, Urt. v. 19. 12. 1990 – 3 StR 90/90, NJW 1991, 1306. 65 BGH, Urt. v. 8. 8. 1985 – 2 ARs 223/85, NJW 1986, 143; BGH, Urt. v. 15. 11. 1994 – 5 StR 237/94, HFR 1995, 545. 66 BGH, Urt. v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, aaO, Tz. II 3 bb der Begründung.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Hier muss auch Kritik an der Entscheidung ansetzen67, denn die „regelmäßige Veranlagungspraxis“ wird sich in der Praxis nur schwer feststellen lassen. Wer kennt nicht die Fälle, in denen einzelne Finanzämter in bestimmten identischen Fragen gänzlich andere Auffassungen vertreten. Was soll in so einem Fall die regelmäßige Praxis sein? Ungeklärt ist auch die Frage, wie bei Abweichen der Verwaltungspraxis von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verfahren ist (Nichtanwendungserlasse). Solche Beispiele werden häufiger und stehen dann im Spannungsfeld zwischen der entsprechenden Entscheidung des BFH und der Behördenmeinung. Zudem gibt es in Einzelfällen auch die Interaktion zwischen BFH Rechtsprechung, Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung solcher Entscheidungen im Bundessteuerblatt, Nichtanwendungserlassen der Finanzverwaltung und möglicher rückwirkender, die Rechtsprechung aushebelnder Gesetzesänderungen. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang sind die sogenannten Irlandurteile des BFH68. Diese sollten nach dem entsprechenden Nichtanwendungserlass69 über den Einzelfall hinaus nicht angewendet werden. Der BFH hat in diesem Fall entschieden, dass die in Irland sitzende Zwischengesellschaft aktiv tätig war, dies im Rahmen zulässiger Gestaltung erfolgt sei und daher kein Fall von § 42 AO vorläge. Allerdings würde durch diese Maßnahme die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG70 ausgelöst71. Die Folgen unterscheiden sich in beiden Varianten erheblich72,

67 Dörn, Hinweispflicht bei Abweichung von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung? Anmerkung zum Urteil des BGH v. 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, 4 wistra 2000, 137 –, wistra 2000, 334; Singer, Steuerhinterziehung durch Nichtoffenlegung einer abweichenden Rechtsauffassung? – Anmerkungen zu den BGH-Urteilen vom 10. 11. 1999 und 23. 2. 2000 –, StuB 2000, 830; Weyand, Risiko der Steuerhinterziehung bei abweichender Rechtsauffassung – Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, S. 137 –, INF 2000, 726, 728; Bilsdorfer, Steuerberatung im Grenzbereich von Kreativität und Steuerhinterziehung, PStR 2000, 150, 152. 68 BFH, Urt. v. 19. 1. 2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; BFH, Urt. v. 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824. 69 BMF, Schr. v. 19. 3. 2001 – IV B 4 – S 1300–65/01, BStBl. I 2001, 243. 70 Zu den Änderungen der Regelung durch das StSenkG: Wassermeyer, Die im Entwurf des Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 71 Zu den Entscheidungen: Clausen, Zu Beteiligungen von inländischen Kapitalgesellschaften an IFSC-Gesellschaften in den Dublin-Docks, IStR 2000, 185; Schroer, Die Beteiligung an einer irischen unlimited company nach den Entscheidungen des BFH vom 19. 1. 2000, IStR 2000, 711. 72 Zur Hinzurechnungsbesteuerung im Zusammenhang mit Steueroasen: Morgenthaler, Steueroasen und deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ denn bei Vorliegen von § 42 AO wird die tatsächliche Struktur quasi ausgeblendet und die Steuer so festgesetzt, wie sie bei wirtschaftlich angemessener Gestaltung entstanden wäre, was zur Inlandssteuerpflicht einschließlich Gewerbesteuer führt, während bei den Regelungen des AStG der Betrag aufgrund des dann einschlägigen DBA Irland73 freigestellt wäre74. In einem solchen Fall ergeben sich damit aus der BFH Rechtsprechung bereits völlig andere Erklärungspflichten, als dies aufgrund der Verwaltungsauffassung der Fall ist75. Zudem hat schnell nach Ergehen des Nichtanwendungserlasses die systematisch überzeugende Kritik eingesetzt76. Hiernach hat dann der Gesetzgeber die Entscheidungen – soweit sie über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangt hätten – durch die Änderung des § 42 AO77 kassiert, der mit Wirkung ab dem Jahr 2002 zu einer generellen Missbrauchsregelung ausgebaut worden ist, denn es wurde ein Absatz 2 eingeführt, der die Anwendbarkeit der Norm immer dann sichert, wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen ist78. Dieser Fall zeigt das ganze Dilemma der Deklarationsberatung auf, denn je nachdem, zu welchem Zeitpunkt jemand die Erklärung abgibt, hat er entweder die BFH Rechtsprechung anzuwenden, sie nicht anzuwenden oder aber sich auf die Neufassung des § 42 AO zu konzentrieren. Mag das im Fall der Irland Urteile bei einem tatsächlich Irland betreffenden Sachverhalt noch möglich sein, so wird dies erheblich schwieriger bei analogen Regelungen im Verhältnis zu anderen Staaten. Für den Steuerpflichtigen und seinen Berater könnte allerdings die Tatsache streiten, dass eine

73 Dieses sah im fraglichen Zeitraum keine Aktivitätsklausel vor, vgl. BMF, Schr. v. 30. 7. 1999, BStBl. I 1999, 698. 74 Zu der Konkurrenz zwischen den beiden Normensystemen: Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften – Eine Untersuchung des Normenkonkurrenzverhältnisses zwischen § 42 AO und den §§ 7 ff AStG sowie § 50d Abs. 1a EStG, 1997, 73 ff. 75 Allerdings sind auch die Normen des AStG derzeit Gegenstand eingehender Änderungsdiskussionen, hierzu: Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen – Anmerkungen zu den derzeitigen Überlegungen zur Reform des Außensteuerrechts, IStR 2001, 113. 76 Raupach/Burwitz, Die Versagung des Schachtelprivilegs für Beteiligungen an irischen unlimited companies durch die Irland-Urteile des BFH, IStR 2000, 385; Förster, Nichtanwendungserlass zu Beteiligungen an irischen „IFSC-Kapitalgesellschaften“, PIStB 2001, 127; Pflüger, „Irlandurteile“ und Nichtanwendungserlass: Wie soll man in der Praxis verfahren?, PIStB 2001, 172. 77 Hierzu: Crezelius, Neuregelung des § 42 AO? – Vom Missbrauch des Missbrauchs, DB 2001, 2214. 78 Dies geht einher mit einer ohnehin dynamischen Rechtsprechung zu § 42 AO, hierzu: Rose/Glorius-Rose, Missbrauchsrechtsprechung des BFH in Bewegung, DB 2000, 1633.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ derart umfassende Norm, die in alle Tatbestände des Steuerrechts geeignet ist einzugreifen, das Gebot der Gesetzesbestimmtheit79 bereits in steuerlicher Hinsicht verletzt80. Schließlich ist auch die Veranlagungspraxis nicht immer im Einklang mit den entsprechenden Erlassen zu sehen. Auch hierzu sagt die BGH Entscheidung nichts aus. Denn in vielen Fällen haben sich „regionale“ Übungen herausgestellt, die der überregional tätige Berater teilweise weder kennt noch nachvollziehen kann. Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH, ob darüber hinausgehend in diesen Fällen eine Mitteilungspflicht hinsichtlich der vertretenen Rechtsansicht besteht, in denen eine abweichende Rechtsansicht der Finanzverwaltung durch den Berater auch nur für möglich gehalten wird. Dem vorsichtigen Berater muss auch hier zur Offenlegung geraten werden, denn der Hoffnung81, der BGH werde in Zukunft diese Gedanken nicht rigoros umsetzen, scheint nach der jetzigen Situation der Boden zu fehlen. Sieht man die objektiven Voraussetzungen als erfüllt an, so ist aber gleichwohl die Frage des Vorsatzes zu klären. Dies wird jeweils nur im Einzelfall möglich sein. Im Rahmen der alltäglichen Beratungssituation wird der Berater allerdings jedenfalls, ohne dass besondere Anhaltspunkte vorliegen davon ausgehen können, dass sein Rat der pflichtgemäßen Beratung und nicht der Förderung einer Straftat gilt82. Dennoch ist dies im Einzelfall anhand entsprechender Fakten zu prüfen83. Hierbei wird es darauf ankommen, was der Steuerberater erkennen konnte und was er mit seinem Handeln wirklich bezwecken wollte84. Genau dies dürfte aber im Einzelfall schwer abzugrenzen sein, so dass hier entsprechende Risiken bestehen. Deren genaues Ausmaß lässt sich jedenfalls generell nicht mit Sicherheit abgrenzen85, so dass für die Praxis ausschließlich auf die Vermeidung des objektiven Tatbestands abzustellen ist.

79 Hierzu: Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage, § 4, Rz. 167. 80 Crezelius, Neuregelung des § 42 AO? – Vom Missbrauch des Missbrauchs, DB 2001, 2215 rechte Spalte. 81 Dörn, Hinweispflicht bei Abweichung von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung? – Anmerkung zum Urteil des BGH v. 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, 4 (wistra 2000, 137), wistra 2000, 334, 336;Anmerkung: J. D., Hinweispflicht bei Abweichung von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung – zum Beitrag von ORR Dörn (wistra 2000, 334), PStR 2001, 21. 82 Krekeler, Der steuerliche Berater als Betroffener, PStR 2002, 129, 132. 83 BGH, Urt. v. 21. 8. 1992 – 2 ARs 346/92, NJW 1992, 3047; BGH, Urt. v. 20. 9. 1999 – 5 StR 729/98, wistra 1999, 459. 84 Kritisch hierzu: Wohlers, Hilfeleistung und erlaubtes Risiko – zur Einschränkung der Strafbarkeit gemäß § 27 StGB, NStZ 2000, 169. 85 Hierzu: Klein/Gast-De Haan, AO, § 370 AO, Anm. 91.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Zusammenfassend kann daher derzeit nur eine unbefriedigende Situation gezeichnet werden, die einer Gleichung mit mehreren Unbekannten entspricht. Generell muss wohl als Präventivmaßnahme in wesentlich größerem Umfange als in der Vergangenheit mit Anlagen zu den Steuererklärungen gearbeitet werden, in denen die wesentlichen Elemente des Sachverhalts aufgezeichnet werden oder aber entsprechende Materialien in mehr oder weniger aufbereiteter Form dem Finanzamt zur eigenen Prüfung überlassen werden, denn nur dann kann ausgeschlossen werden, dass der objektive Tatbestand („Nichtmitteilen von Rechtsansichten“) ausgefüllt wird. 3. Checkliste für das Beraterhandeln in diesem Zusammenhang Zusammenfassend dient daher für diesen Komplex die folgende Checkliste dienen: – Der Steuerpflichtige und sein Berater dürfen jeweils die ihnen günstigst erscheinende steuerliche Gestaltung wählen und dabei auch verdeckt eine entsprechende Rechtsansicht vertreten, allerdings sind alle Sachverhaltselemente, die für die steuerliche Beurteilung wesentlich sind, vollständig vorzutragen. – Rechtsunsicherheit und verschiedene Auffassungen über (vertretbare) Gesetzesinterpretationen begründen keine Strafbarkeit des Beraters, wenn diese dem Finanzamt gegenüber offen gelegt werden. – Es ist hingegen mit strafrechtlichen Risiken behaftet, lediglich einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und z. B. einen anderen Teil wegzulassen, wenn dieser für die Beurteilung erheblich ist. – Tatsachen, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist, sind ungeachtet dessen vorzutragen, vor allem dann, wenn die vom Berater vertretene Rechtsauffassung von Rechtsprechung, Richtlinien oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis der Finanzbehörde abweicht oder sich die Veranlagungspraxis nicht zuverlässig ermitteln lässt. – Praktisch ist damit auch die Anwendung von Urteilen hinsichtlich derer Nichtanwendungserlasse auf einen bestimmten steuerrelevanten Tatbestand offen zu legen. Gleiches gilt auch bei einhelligen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur, soweit bekannt ist, dass die Finanzbehörde diese nicht teilt. Die Rangordnungen zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen sind nicht klar. – Es ist damit eine erhebliche Ausweitung der Verantwortlichkeit des Beraters eingetreten. Einzige Schutzmaßnahme ist die in Anlagen zur Steuererklärung beigefügte vollständige Sachverhaltsschilderung und Darstellung sämtlicher erheblichen Fakten. Dann ist ein gesonderter

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Hinweis darauf, dass die rechtlichen Subsumption von der Verwaltung möglicherweise nicht geteilt wird entbehrlich86. – Unterlässt der Berater bei entsprechenden Gestaltungen erläuternde Annahmen gegenüber den Finanzbehörden, so steigt das Risiko für ihn strafrechtlich verfolgt zu werden erheblich an. Der BGH hat hier klare Richtlinien vorgegeben, die es auch in diesem Fall zu beachten gilt. Es ist zu empfehlen, diese eher eng auszulegen. – Im Rahmen der Verteidigung gegen Vorwürfe gegenüber dem Berater aus dem Bereich der Gestaltungsberatung ist immer auch die Frage der Bestimmtheit des Tatbestands87 zu prüfen. Es sind ggf. diese Argumente herauszuarbeiten, denn der Tatrichter muss sich eine eigene Überzeugung bilden, was denn eine unter strafrechtlichen Kriterien und damit unter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ angemessene Gestaltung gewesen wäre. – Es empfiehlt sich aus der Not eine Tugend zu machen und mögliche Rechtsfragen bereits im Vorfeld der Realisation durch eine verbindliche Auskunft abzusichern.

IV. Die Missbrauchsregelungen als steuerliche und strafrechtliche Grenze der Gestaltung Im Folgenden wird zunächst die Grundsituation beschrieben, in der sich der Berater in der laufenden Beratung befindet und der rechtliche Rahmen für die zulässige Gestaltung in Abgrenzung zum Missbrauch beleuchtet. Von zentraler Bedeutung für die Grenzen der zulässigen Gestaltung in steuerrechtlicher Hinsicht ist die Missbrauchsregelung § 42 AO nF. in der Fassung des Jahressteuergesetzes 200888. 1. Grundsituation Steuerberatung bedeutet u. a. gestaltenden Maßnahmen für den Steuerpflichtigen auszuloten und durchzuführen. Die Tätigkeit des Beraters in der laufenden Beratung ist geprägt durch die Erwartungshaltung des Mandanten, steuerliche Vorteile zu erzielen, einerseits und die steuer- u. straf86 Weyand, Risiko der Steuerhinterziehung bei abweichender Rechtsauffassung – Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, S.137 –, INF 2000, 726. 87 Hierzu: Schulze-Osterloh, Unbestimmtes Steuerrecht und strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, in Kohlmann; Grundfragen des Steuerstrafrechts heute, 1983, 43 ff. 88 Hierzu: BMF, Schr. v. 24. 6. 1987, BStBl. I 1987, 474.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ rechtlichen Grenzen zulässiger Gestaltung andererseits. Der Mandant erwartet von seinem Steuerberater eine zielorientierte Beratung mit der Perspektive möglichst die Steuerlast zu reduzieren. Vorteile einer „Partei“ bedingen aber auch immer Nachteile einer anderen „Partei“. Damit ist das Besteuerungsverfahren ein Verfahren mit gegenläufigen Interessen der Beteiligten. Auf der einen Seite der Steuerpflichtige und auf der anderen die Finanzbehörde. Zwischen diesen Positionen ist der Berater einzuordnen. 2. Gestaltungsfreiheit Jedem Steuerpflichtigen steht es grds. frei, seine Angelegenheiten – im Rahmen der zulässigen Steuergestaltung – so einzurichten, dass er möglichst wenig Steuern zu entrichten hat. Dies ist höchstrichterliche Rechtsprechung89 und entspricht der, als Gestaltungsfreiheit im Steuerrecht konkretisierten, verfassungsrechtlich garantierten, allgemeinen Handlungsfreiheit. Diese Gestaltungsfreiheit endet jedoch, wenn sich die gewählte Form als Missbrauch herausstellt. Im Steuerrecht wird die Gestaltungsfreiheit durch § 42 AO, als Generalnorm zur Verhinderung des Gestaltungsmissbrauches und verschiedenen einzelgesetzlichen Normen, als Spezialnormen, begrenzt. § 370 AO und die dort vorgesehenen Kriterien der Steuerhinterziehung stellen die weiteren Grenzpfeiler dar, die eine steuerliche Gestaltung nicht überschreiten darf. In diesem Spannungsverhältnis wird der Berater tätig. Im Folgenden gilt es diesen Grenzbereich zwischen Steuerrecht und Steuerstrafrecht auszuloten. 3. Abgrenzung zulässige Gestaltung – Missbrauch Die Abgrenzung einer zulässigen Steuergestaltung von einer Steuerhinterziehung ist nicht auf den ersten Blick möglich. 3.1 Auslegung von Steuergesetzen Es stellt sich zunächst die Frage, ob ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt ist oder nicht. Dies ist keine Frage pragmatischer Subsumption unter den Wortlaut, sondern vielmehr eine Frage der Interpretation90. Erhebliche Bedeutung kommt dabei der ratio- legis sowie den verba legis zu91. Hierzu müssen zunächst die Wertungen des Gesetzes offengelegt werden92. Die 89 BFH, Urt. v. 22. 8. 1951, BStBl. II 51, 181; Meyer, Im Schattenreich des § 42 AO, PStR 2005, 239. 90 Danzer, Die Steuerumgehung, 35. 91 Danzer, aaO. 92 Danzer, aaO., 37.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Steuerberatung darf hierbei mit der Auslegungsgrenze des Wortlauts rechnen93 und auch Gesetzeslücken ausnutzen, um Steuern zu vermeiden94. 3.2 Zulässige Steuergestaltung als Gratwanderung Zentrale Bedeutung im Rahmen der beratenden Tätigkeit eines Steuerberaters kommt der planenden Steuergestaltung zu. Im Rahmen der Gestaltung sind alle rechtlichen Mittel zulässig, insbesondere eine günstige Rechtsform, eine günstige Gestaltung der Rechtsverhältnisse, eine günstige Einrichtung des Verhaltens zwischen Gesellschaftern oder/und Familienangehörigen95. Insbesondere die planende Steuerlastgestaltung ist also i. d. R. nicht missbräuchlich96. Für den steuerlichen Berater ist sie, im Rahmen seines Auftrages, sogar eine dem Mandanten geschuldete Pflichtleistung97. Die Erwartungshaltung der Mandanten ist nicht nur auf eine optimale Steuerberatung ausgerichtet, vielmehr wird Gewinnmaximierung durch Steuervermeidung erwartet98. Das Ausnutzen von Gesetzeslücken durch rechtlich zulässige Gestaltungen verwirklicht weder einen Steuerstraftatbestand noch eine Steuerordnungswidrigkeit99. Aber eine als Umgehung zu wertende Gestaltung, also ein Missbrauch i. S. von § 42 AO nF. kann und zwar nicht nur im Erfolgsfall der tatsächlichen Steuerverkürzung, sondern auch als Versuch den Verdacht einer Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 AO provozieren100. Demgemäß besteht zwischen zulässiger Steuergestaltung und Steuerhinterziehung nur ein schmaler Grad. 3.3 Missbrauch und Steuerumgehung unter Berücksichtigung der Neufassung des § 42 AO – Überblick über die Neufassung des § 42 AO § 42 AO wurde durch das Jahressteuergesetz 2008101 zwar grundsätzlich überarbeitet, stellt jedoch im wesentlichen eine Bestätigung der bereits zu § 42 AO aF., von der Rechtsprechung, entwickelten Grundsätze dar.

93 94 95 96 97 98 99 100 101

Tipke, Steuerberater-Jahrbuch 1972/73, 509, 512. Tipke, Steuerberater-Jahrbuch 1972/73, 509, 516. Glorius-Rose, aaO., 50. Glorius-Rose, aaO., 48. Glorius-Rose, aaO. Tipke, aaO., 509, 510. Glorius-Rose, aaO. 50. Glorius-Rose, aaO. JStG v. 20. 12. 2007, BGBl. I S. 3150; Geltung ab 29. 12. 2007.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Erstmalig wurde mit § 42 Abs. 2 AO nF. eine gesetzliche Definition des Missbrauchs implementiert. Diese Definition wurde bereits unter § 42 AO aF. vom BFH102 entwickelt und angewandt. Wie bereits zuvor ist die Unangemessenheit das zentrale Merkmal zur Beurteilung eines Missbrauchs. Aufgehoben wurde unterdessen § 42 Abs. 2 AO aF. und an seine Stelle ist die neue Konkurrenzregelung § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nF. getreten. – Gestaltungsmissbrauch i. S. d. Neufassung des § 42 AO durch das JStG 2008 § 42 AO ist nur einschlägig, wenn die Gestaltung wirksam ist, sonst greift § 41 AO ein, bspw. im Falle von Scheingeschäften103. Zwischen der zulässigen Steuergestaltung und der Steuerhinterziehung, steht die Steuerumgehung, die steuerstrafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Nach § 42 Abs. 2 AO nF.104 liegt eine Steuerumgehung vor, wenn der Berater bzw. der Steuerpflichtige wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten missbraucht. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 42 AO nF. Ein Missbrauch ist nach der neuen Legaldefinition gegeben, wenn, „eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.“105 Demgemäß handelt missbräuchlich, wer eine rechtliche Gestaltungsform wählt, die den angestrebten wirtschaftlichen Zielen nicht angemessen ist und lediglich zum Zwecke der Steuervermeidung angewandt wird106. Entscheidendes Merkmal der Missbrauchsdefinition ist, wie schon nach der alten Fassung, die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung. Die Unangemessenheit ist aus der Sicht eines ordentlichen und kundigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung zu bewerten107. Ein Rechtsmissbrach scheidet 102 Vgl. Tipke/Lang, § 5 Rz. 95 ff. 103 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18. 8. 1993, wistra 1993, 308, 313. 104 Umfassend dargestellt wird die Neufassung des § 42 AO durch Mack/Wollweber, DStR 2008, 182 ff.; Leisner-Egensperger, DStZ 2008, 358 ff. 105 Problematische Merkmale der neuen Missbrauchsdefinition werden nachfolgend behandelt. 106 Meine, Steuervermeidung, Steuerumgehung, Steuerhinterziehung, wistra 1992, 81; Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 23. 107 BFH, Urt. v. 18. 12. 1996, BStBl II 1997, 374.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ aus, wenn sich für die rechtliche Gestaltung ein zwingendes wirtschaftliches Argument ergibt108. Folglich wird eine ausschließlich aus steuerrechtlichen Gründen gewählte Gestaltung der steuerlichen Verhältnisse in der Regel den Anwendungsbereich des § 42 AO nF. eröffnen109. Nach Ansicht des BFH ist die wirtschaftliche Unangemessenheit gem. § 42 AO nF. danach zu beurteilen, ob diese wirtschaftlichen Vorgänge von verständigen Personen in Anbetracht aller Umstände des Falles insb. des mit der Regelung erstrebten wirtschaftlichen Zieles nicht gewählt würde110. Das bereits zuvor kritisierte111 Abgrenzungskriterium, der Ungewöhnlichkeit der rechtlichen Gestaltung, wurde bei der Neufassung des § 42 AO nicht mehr berücksichtigt. Neu eingefügt wurde § 42 Abs. 2 Satz 2 AO, der inhaltlich jedoch an die Rechtsprechung zu § 42 AO aF. anknüpft. Die Regelung beinhaltet nunmehr eine Beweislastumkehr. Kein Gestaltungsmissbrauch liegt hiernach vor, wenn der Steuerpflichtige außersteuerliche Gründe für die Gestaltung nachweist. Außersteuerliche Gründe können persönliche und wirtschaftliche sein. Diese sind steuerlich beachtlich, wenn sie im Rahmen der gesetzgeberischen Wertung liegen. Hingegen sind diese zu verneinen, wenn die Steuerersparnis das leitende Motiv der gewählten Gestaltung ist. Hervorzuheben ist ferner das der Steuerpflichtige die Nachweispflicht für das Vorliegen von außensteuerlichen Gründen trägt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken das in der Literatur112 streitig diskutiert wird, ob diese Beweislastumkehr als Ausnahme zum, im Steuerrecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz zu verstehen ist. Hiergegen und für eine objektive Beweislastregel spricht, der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz, der „Freiheit zur Steuergestaltung“. Darüber hinaus ist bei der Anwendung und insb. der Auslegung der Merkmale des § 42 AO nF. maßvolle Zurückhaltung geboten113. Denn nach Auffassung des EuGH sind typisierende Regelungen gegen den Missbrauch, die keinen Gegenbeweis zulassen unzulässig114.

108 109 110 111 112

Wolfsfeld, PStR 2000, 158, 159. Meine, aaO., 81, 82. Mayer, aaO.; BFH, Urt. v. 18. 12. 1996, BStBl. II 1997, 374. Mayer, aaO. Vgl. hierzu Mack/Wollweber, § 42 AO – Viel Lärm um nichts?, DStR 2008, 182, 185. 113 Wolfsfeld, PStR 2000, 158, 159. 114 Wolfsfeld, PStR 2000, 158, 159.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ In subjektiver Hinsicht muss mit Umgehungsabsicht gehandelt worden sein115. Die Frage, ob die Umgehungsabsicht mitbestimmend ist, ist jedoch weitgehend theoretischer Natur. Ist der Tatbestand des § 42 AO nF. nämlich im Übrigen erfüllt, so lässt sich die Umgehungsabsicht regelmäßig im Wege des Indizienbeweises feststellen116. Die „verfehlte“ Steuergestaltung ist im Normalfall nicht strafbar, soweit der der Berater bzw. der Steuerpflichtige den zugrunde liegenden Sachverhalt offen vorträgt117. Steuerrechtlich wird aber in diesen Fällen die „verfehlte“ Gestaltung in eine angemessene umgedeutet, so dass die Rechtsfolgen eintreten, die sich ergeben hätten, wenn der Berater bzw. der Steuerpflichtige eine dem wirtschaftlichen Ziel angemessene rechtliche Gestaltung gewählt hätte118. Kraft Gesetzes entsteht der Steueranspruch folglich so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen angemessenen Gestaltung entstanden wäre119. Die steuerrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen werden nachfolgend eingehend erläutert. – Spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsvorschriften und Konkurrenzverhältnis zu § 42 AO nF.120 Wie zuvor bereits erwähnt, wurde mit § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nF. eine neue Vorschrift zur Regelung des Konkurrenzverhältnisses zu anderen Missbrauchsvermeidungsvorschriften eingeführt121. In der Vergangenheit wurden zahlreiche neue Vorschriften, neben § 42 AO eingeführt, deren Ziel es ist gesetzlich eröffnete Gestaltungsspielräume hinsichtlich ihrer Eignung zum Missbrauch zu beschränken122. Erforderlich war dies, da mit §§ 41, 42 AO dem Gestaltungsmissbrauch nicht mehr hinreichend begegnet werden konnte und eine Vielzahl von Fallgestalten nicht mehr erfasst wurden. In diesem Zusammenhang sind auch mehrere BFH-Entscheidungen ergangen123. Von Beginn an war das Konkurrenzverhältnis von § 42 AO zu spezialgesetzlichen Missbrauchvermeidungsvorschriften problematisch.

115 Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 44. 116 Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 44. 117 Schmitt in www.steuernewsletter.de 19/2004 „Internationales Steuerstrafrecht: Steuervermeidung, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung. 118 Schmitt, aaO. 119 Kruse, Steuerberater-Jahrbuch 1978/79, 441, 446. 120 Vgl. hierzu umfassend Hey, Spezialgesetzliche Missbrauchsgesetzgebung, StuW 2008, 167 ff. 121 Ausführlich Hey, aaO. 122 Roser, FR 2005, 178. 123 Vgl. BFH, Urt. v. 18. 7. 2001, DStR 2001, 1883; v. 7. 8. 2002, DStRE 2003,104; v. 19. 8. 1999, DStR 1999, 1849; v. 20. 3. 2002, DStR 2002, 1348, v. 25. 2. 2004, DStR 2004, 1282.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Als spezialgesetzliche Missbrauchvermeidungsvorschriften sind u. a. folgende Normen zu nennen: – § 15a IV EStG (Verluste bei beschränkter Haftung), – § 8a KStG (Betriebsausgabenabzug Körperschaften – Zinsschranke),

für

Zinsaufwendungen

bei

– § 50d III EStG (Entlastung ausländischer Gesellschaften im Falle von DBA), – § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EStG (Gesellschafterfremdfinanzierung). Nunmehr soll § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nF. Klarheit in das Rangverhältnis zwischen § 42 AO und weiteren Missbrauchvermeidungsvorschriften bringen. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nF. bestimmt, dass einzelsteuergesetzliche Normen zur Verhinderung der Steuerumgehung „lex speziales“ zu § 42 AO nF. sind. Anders als noch § 42 Abs. 2 AO aF, der auf eine explizite einzelsteuergesetzliche Nichtanwendungsbestimmung verwies, ist § 42 AO nF. in diesen Fällen generell nicht anwendbar. Die speziellen Missbrauchverhinderungsvorschriften sind als spezialgesetzlich normierte Missbrauchsverhinderungstatbestände zu verstehen, die eine Anwendung des § 42 AO auch insofern ausschließen, als das diese den Begriff der Unangemessenheit des § 42 AO konkretisieren. Im Ergebnis ergeben sich jedoch, auch nach der Neufassung, für die Rechtsanwendung keine Änderungen. – Bewertung der Neufassung für die Beratungspraxis Für die praktische Anwendung des § 42 AO nF. ergeben sich keine wesentlichen Änderungen. Die Legaldefinition des Missbrauchs nach § 42 Abs. 2 AO nF. greift bereits zuvor geltende, durch die Rspr. entwickelte und konkretisierte Begriffe zur Steuerumgehung auf. Es handelt sich somit nicht um eine neue Missbrauchsdefinition, sondern um eine Klarstellung bereits geltender Grundsätze. Das Ziel eine eindeutige und präzise Norm zum Gestaltungsmissbrauch zu kodifizieren ist wieder nicht verwirklicht worden. Auch weiterhin wird § 42 AO bei der Rechtsanwendung einzelfallorientiert auszulegen und durch die Gerichte auszufüllen sein. Als Fazit für die Beratungspraxis bleibt festzuhalten: Es besteht weiterhin Raum für die angepasste Steuergestaltung. Dabei sind jedoch umgehungsverdächtige Gestaltungen zu identifizieren, um einen fehlerhaften Umgang mit § 42 AO zu vermeiden.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ 3.4 Weitere Risikofelder Durch die fortwährende Weiterentwicklung in Steuerrecht, insbesondere durch gesetzliche Neuregelungen, die Fortentwicklung der Rechtssprechung und die Implementierung neuer Verwaltungsvorschriften besteht das kontinuierliche Risiko das eine Gestaltungsform nach einer Änderung der rechtliche Situation nicht mehr zulässig ist. Daher ist für Steuerberater und Rechtsanwälte das regelmäßige Studium aktueller Fachzeitschriften von grundlegender Bedeutung. Das ist angesichts der großen Anzahl an Urteilen und Aufsätzen zu § 42 AO124 für die Gestaltungsberatung umso wichtiger. Auch ist die Teilnahme an Steuerrechtsseminaren zu empfehlen.

V. Steuer- und strafrechtliche Folgen verfehlter Gestaltung – Verteidigungsansätze Im Folgenden werden ausgewählte wichtige steuer- und strafrechtliche Folgen von verfehlter Gestaltung eingehend dargestellt. Zwischen Steuer- und Steuerstrafrecht bestehen sowohl enge Verzahnungen als auch beachtliche Gegensätze125. Die spezifische Konstellation der Besteuerung einschließlich der Interdependenz der Steuerarten, die Folgen der Änderung einzelner Parameter, die Berücksichtigung möglicherweise entlastender Folgeänderungen aufgrund von Vorwürfen der Strafverfolgungsorgane und die Analyse der Wirkungen strafprozessualer Beweisgrundsätze des § 261 StPO u. ä. müssen im Grenzbereich zwischen Steuerrecht und Strafrecht beherrscht werden. Der Steuerberater bzw. Steuerstrafverteidiger kann ohne solche Detailkenntnisse weder die Unschuld eines Beschuldigten bzw. eines Beklagten herausarbeiten noch die steuerlichen Aspekte optimieren oder die strafrechtlichen Nebenfolgen positiv beeinflussen. Im Falle der vorliegenden und bewiesenen Schuld muss die Steuerstrafverteidigung die Instrumente kennen und beherrschen, die ihr das Erreichen der vorstehend herausgearbeiteten Ziele ermöglichen126.

124 Juris verweist auf 1499 Entscheidungen zu § 42 AO (Stand: Aug. 2008). 125 Beispielhaft sei hier nur auf die unterschiedlichen Regelungen der Beweislast im Straf- und Steuerverfahren verwiesen, sowie auf die Diskrepanz zwischen Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren und (zeitgleichem) Recht zur Verweigerung der Mitwirkung im parallel laufenden Strafverfahren. 126 Dörn, INF 1992, 17; Welp, in Festschrift für Gallas, 1973, S. 391; Schäfer, NStZ 1984, 203; Felix/Streck, Stbg 1980, 78; Maatz, Mitwirkungspflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung und Rügeverlust, NStZ 1992, 513.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ 1. Steuerrechtliche Folge Steuerrechtliche Folge der Missbrauchsgestaltung ist, dass die Steuer so zu erheben ist, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. § 42 Abs. 1 S. 2 AO verhindert den Umgehungserfolg, indem die Vorschrift die Wirkung der missbräuchlichen Gestaltung neutralisiert127. Hierzu muss die Gestaltung nicht vollständig steuerlich neu gewertet werden, sondern es geht darum, den wirtschaftlichen Gehalt einer angemessenen rechtlichen Gestaltung zum Ausdruck zu bringen und der Bemessung zu Grunde zu legen. Statt der tatsächlich gewählten rechtlichen Gestaltung wird also die angemessene angewendet128. Das Umgehungsgeschäft selbst bleibt hingegen in seiner zivilrechtlichen Wirksamkeit unberührt129. § 42 AO stellt weder darauf ab, ob die von dem Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung (zivil-) rechtlich Bestand hat, noch berührt sie deren Wirksamkeit, soweit nicht vertraglich ein anderes geregelt ist. Gegebenenfalls kommen nach allgemeinen Grundsätzen zivilrechtlich Folgen aufgrund einer erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) oder auf Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Die steuerlichen Folgen treffen diejenigen, die sich der missbräuchlichen Gestaltung bedienen. Das ist im Regelfall derjenige, der die Gestaltung geschaffen hat, aber auch derjenige, der sie fortführt. Als Zurechnungsvorschrift kann § 42 AO indes auch den nur mittelbaren Veranlasser eine Missbrauchsgestaltung treffen, wenn dieser aus der Gestaltung einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht. Bei mehreren vorhandenen angemessenen Gestaltungsmöglichkeiten ist die günstigste zu wählen. Auch eine doppelte Besteuerung, d. h. nach der tatsächlichen und der angemessenen Gestaltung scheidet aus. Die aufgrund der unbeachtlichen, unangemessenen Rechtsgestaltung entrichtete Steuer wird auf den sich aus dem angemessenen Steuerbetrag ergebenden angerechnet. Gestaltungen, bei denen zwar auf der einen Seite eine Bemessungsgrundlage einer Steuerart ergebniswirksam reduziert werden konnte, indes auf der anderen Seite eine nicht unmittelbare korrespondierende Steuer anderer Art durch die Gestaltung erst entstand oder sich erhöhte, können problematisch werden. Die allein theoretische Korrektur der umgangenen Steuer mittels § 42 AO wäre im Regelfall für die erhöhte (gerade nicht umgangene) Steuer anderer Art als Korrekturmöglichkeit nicht einschlä127 Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 50. 128 Meyer, aaO., 239, 240. 129 Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 50.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ gig. Die Korrektur allein der umgangenen Steuer würde also im Ergebnis zu einer Mehrbelastung führen130. Dieses Ergebnis kann nach heute herrschender Meinung dadurch behoben werden, dass der Steuerpflichtige für die nicht mit geänderte Bemessungsgrundlage berechtigterweise eine Änderung der Festsetzung gem. § 174 AO erreichen kann (Antrag!)131. Falls die Steuer bereits festgesetzt wurde, kann dieser Bescheid gem. § 173 Abs. 1 AO aufgehoben und geändert werden. Für die Berechnung der 1-Jahres-Frist kommt es nach allgemeinen Grundsätzen auf die Kenntnis des für die Bearbeitung des Steuerfalles organisatorisch berufenen Beamten an, nicht eines etwaig tätig werdenden Betriebsprüfers. 2. Steuerstrafrechtliche Folgen 2.1 Schwere Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO Die zentrale Sanktionsnorm des Steuerstrafrechts ist § 370 AO. Seit der Aufhebung des § 370a AO werden auch die schweren Fälle der Steuerhinterziehung von § 370 AO erfasst. Im Folgenden wird auf eine ausführliche Darstellung des Tatbestandes verzichtet. Von Bedeutung sind hier jedoch die grundsätzlichen Verfahrensunterschiede zwischen Steuerrecht und Steuerstrafrecht, insbesondere der steuerrechtliche und der steuerstrafrechtliche Nachweis der Steuerumgehung sowie die hieran anknüpfende Verteidigungsstrategie. Zu Beginn soll jedoch kurz die Neuregelung der schweren Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO nach Aufhebung des § 370 AO dargestellt werden. Nach der massiven Kritik132 am Verbrechenstatbestand § 370a AO, der bisher die gewerbsmäßig- oder bandenmäßige Verkürzung der Steuer mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktionierte, wurde die Norm durch Art. 3 Nr. 3 des VDSG133 aufgehoben. Infolgedessen wurde durch das VDSG der Grundtatbestand des Steuerhinterziehung § 370 AO erweitert. § 370 Abs. 3 Nr. 1–5 AO normiert nunmehr die schweren Fälle der Steuerhinterziehung. In § 370 Abs. 3 heißt es: „In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 130 131 132 133

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Waldner, BB 1956, 526; Ebert, BB 1957, 673. Vgl. auch Klein, Kommentar zur AO, § 42 AO Rz. 26, m. w. N. Unter vielen vgl. Müller, DStR 2002, 1641; Hunsmann, NStZ 2005, 72. Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.

Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ 1. in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, 2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht, 3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, 4. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, oder 5. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.“ 2.2 Rechtliche Einordnung und Bewertung der Neuregelung Mit der Aufhebung des § 370a AO wurde auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, denen diese Norm seit ihrer Einführung 2001 ausgesetzt war reagiert. Die Fälle der schweren Steuerhinterziehung sind seit dem 1. 1. 2008 nicht mehr eigenständig in einem Tatbestand, sondern als Regelbeispiel in § 370 AO geregelt. Wie beim Betrug gem. § 263 BGB hat der Gesetzgeber, bei der einfachen Steuerhinterziehung nach § 370 AO, für besonders schwere Fälle ein erhöhtes Strafmaß, von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, vorgesehen. Damit sind diese Fälle nicht mehr, wie zuvor, als Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB, sondern als Vergehen nach § 12 Abs. 3 StGB einzuordnen. Taten nach § 370 AO fallen daher auch nicht mehr unter den Vortatenkatalog der Geldwäsche, entsprechend § 261 Abs. 1 StGB, und damit auch nicht mehr unter die Verdachtsanzeigepflicht. Ferner werden durch die Neuregelung auch die Wertungswidersprüche zu § 373 und § 374 AO beseitigt. Der Unrechtsgehalt dieser Taten ist nicht minder schwer zu bewerten, jedoch war das Strafmaß, der in § 370a AO normierten Fälle fast doppelt so hoch, wie die in den §§ 373 und 374 AO geregelten Fälle der Steuerhinterziehung. 3. Wesentliche Grundsätze der Verteidigungsstrategie Im Grenzbereich zwischen Steuerrecht und Strafrecht sind bei der Verteidigung, bei verfehlter Gestaltung, die einschlägigen materiellen Normen des Steuer-, des Strafrechts und der ggf. angrenzenden Rechtsbereiche zu untersuchen. Ferner ist zu prüfen, ob diese auch anwendbar sind. Hierdurch soll erreicht werden, dass diejenigen Tatsachen und die daraus resultierenden Rechtsfolgen herausgearbeitet werden, die dem vorgeworfenen Tatbestand inhärent sind. Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei 371

Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ die Berücksichtigung verfahrensrechtlichen Normen des Steuer- bzw. Steuerstrafrechts. 3.1 Zielkorridor – Verteidigungsstrategie Der Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs, unabhängig davon, ob er im steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Verfahren erhoben wird, ist das Ergebnis einer rechtlichen Wertung. Daher muss auch diese rechtliche Wertung der zentrale Ansatzpunkt für die Verteidigung sein. Es ist auch stets möglich diese Wertungen zum Vorteil des Mandanten auszulegen. Hierfür müssen Tatsachen, die im bisherigen Verfahrensverlauf, nicht ausreichend berücksichtigt wurden, betont in den Vordergrund gestellt werden. Die Praxis in der Steuerstrafverteidigung zeigt, dass die Finanzverwaltung, entgegen der gesetzlichen Anweisung, ein erhöhtes Interesse hinsichtlich der „(steuer-) anspruchsbegründenden“ Umständen hat. Daher ist es das Ziel des gestaltenden, wie auch des allein verteidigenden Beraters, auf Basis ausführlicher Detailarbeit entlastende Umstände zu finden und diese entsprechend offensiv offen zu legen. Der gestaltende Berater ist angehalten, frühzeitig im Rahmen der Gestaltung entlastende Umstände ausfindig zu machen und eine entsprechende Beweisvorsorge zu treffen. Zudem ist zu beachten, dass die wertende Betrachtung immer auch eine Betrachtung ist, die abhängig von den Einflüssen der Umstände zum Zeitpunkt der Wertung ist. Daraus folgt, dass ein heute als zulässig zu wertende Steuergestaltung, zukünftig dem Vorwurf des Missbrauchs ausgesetzt sein kann. Folglich sollte der vorausschauende Berater, Beweisvorsorge auch hinsichtlich mehr oder weniger wahrscheinlicher Entwicklungen in der Zukunft leisten. Ist es hingegen nicht mehr möglich den Missbrauchsvorwurf trotz des vorgenommen Aufwandes auf objektiver Ebene effektiv zu entkräften, sind die Folgen der Gestaltung zu ermitteln. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine multizentrische Strategie, die alle Bereiche eines Verfahrens miteinschließt Voraussetzung einer erfolgversprechenden Verteidigung ist. Nur so ist es möglich auf ein erfolgreich konkretisiertes Verfahrensziel hinzuarbeiten, worauf dann die Verteidigungsstrategie ausgerichtet werden kann. 3.2 Unabhängige Beurteilung von steuerrechtlichem und steuerstrafrechtlichem Verfahren Eine weitere zentrale Unterscheidung zwischen Besteuerungsverfahren und Strafverfahren besteht in den unterschiedlichen Beweislastregelungen. 372

Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Diese Differenzen werden besonders im Bereich der Blankettvorschriften deutlich, wenn unterschiedliche Regeln der Beweislast eingreifen. Während nämlich für die steuerliche Festsetzung alleine die Erfüllung des Tatbestands an welchen das Gesetz die Leistungspflicht knüpft ausreichend ist, ist für die strafrechtliche Sanktion zusätzlich u. a. Verschulden erforderlich. Diese unterschiedlichen Verfahrensnormen, führen damit regelmäßig zu in dem jeweiligen Verfahren spezifischen Ergebnissen, die nicht notwendig übereinstimmen müssen. Insbesondere kann damit in Fällen der Verletzung steuerlicher Formvorschriften und bei fehlenden, nach materiellem Steuerrecht jedoch erforderlichen, Nachweisen nicht ohne weiteres von einer vollendeten Steuerhinterziehung ausgegangen werden. Ermittlungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren sind begrifflich und praktisch sorgfältig voneinander zu trennen. Die rechtliche Charakterisierung von Nachweis- und Belegpflichten des Steuerrechts ist umstritten. Grundsätzlich können diese zum einen als Tatbestandsmerkmal angesehen werden und damit materiell und rechtlich Voraussetzung für das Eintreten einer bestimmten Rechtsfolge sein. Zum anderen können sie auch lediglich Beweisregel sein, die darüber bestimmen, in welcher Weise einem Beweismittel eine bestimmte Wirkung zugeordnet werden kann, wie dies z. B. die §§ 158 bis 161 AO darstellen. Ferner kommen Beweislastvorschriften in der Ausprägung der objektiven und subjektiven Beweislast dann zur Anwendung, wenn trotz hinreichender Beweiswürdigung eine eindeutige Sachverhaltsfeststellung nicht möglich ist. Das Steuerrecht enthält eine Vielzahl solcher Regelungen die jeweils den unterschiedlichen Charakterisierungen zugeordnet werden können. Für das jeweilige Verfahren sind die spezifischen Beweislastregelungen anzuwenden. Daher besteht auch keine Bindung des Strafverfahrens und der strafrichterlichen Würdigungen an die steuerlichen Regelungen zur Beweislast. Andererseits ist auch im Steuerrecht kein beliebiger Rückgriff auf die Regelungen der Beweislast möglich, denn eine Entscheidung nach Beweislastregeln kommt regelmäßig dann erst in Betracht, wenn der Sachverhalt nach Ausschöpfung der im Rahmen der gesetzlichen Pflichten des § 88 AO bestehenden Aufklärungsmöglichkeiten als unaufklärbar anzusehen ist. Im Rahmen des Steuerstrafverfahrens wird das materielle Steuerrecht aufgrund des Blankettverweises in § 370 AO zu einem Teil des materiellen Strafrechts und ist somit auch ohne Einschränkungen nach strafrechtlichen Regeln auszulegen. Dies hat zur Folge, dass der Schuldvorwurf, 373

Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ von Ausnahmen abgesehen, in der Regel beim steuerlichen Eingreifen von Beweislastregeln nicht dem Betrag der festgesetzten Steuer entsprechen wird. Er muss, mit Ausnahme von Fällen der Anwendung des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO, aufgrund des strafrechtlichen in dubio pro reo Prinzips in der Regel niedriger sein als die entsprechende Steuerfestsetzung. Im Rahmen der Ermittlung des Taterfolgs, wie auch der anderen Merkmale des Delikts, hat sich der Tatrichter stets im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO eine Überzeugung zu bilden. Eine irgendwie geartete Bindung an steuerliche Regeln, auch an Beweisvermutungen, besteht nicht. Es dürfen jedoch indiziell Umstände herangezogen werden, die nach den Beweislastregeln der Abgabenordnung zur Versagung steuerrechtlicher Vorteile führen würden (zum Beispiel §§ 160 Abs. 1, 90 Abs. 2 AO). Ferner darf der Tatrichter auf die im Steuerrecht üblichen Schätzungsmethoden zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zurückgreifen. Allerdings muss er hierbei sämtliche strafprozessualen Beweislastregeln beachten und sich eine eigene Überzeugung bilden. Dabei dürfen die Einlassungen des Angeklagten aber nicht durch bloße Vermutungen des Tatrichters widerlegt werden. Die Übernahme von Feststellungen der Steuerbehörden reicht nicht aus. Insbesondere ist danach der Grundsatz in dubio pro reo anzuwenden. 3.3 Subjektiver Tatbestand als Verteidigungsansatz Erhebliche Bedeutung für eine Verteidigung hat auch der subjektive Tatbestand. Hier kann sich entscheiden, ob ein bestimmtes Vorgehen des Beschuldigten als zulässige Steuergestaltung oder als Steuerhinterziehung zu würdigen ist. Häufig ist die unzulässige Rechtsgestaltung auf Unerfahrenheit, Gutgläubigkeit oder mangelnde rechtliche Kenntnis zurückzuführen. Hierauf kann eine Verteidigungsstrategie aufgebaut werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff „Unangemessenheit“ in § 42 AO hat zu zahlreichen Einzelfallentscheidungen der Rspr. geführt, daher dürfte der Nachweis der Unkenntnis der steuerrechtlichen Zusammenhänge, im Rahmen des § 42 AO, erfolgversprechend zu führen sein. Für den Steuerpflichtigen ist es sehr schwer im Voraus zu erkennen, ob seine rechtliche Gestaltung zu einer Steuerhinterziehung führt. Folglich kann sich der Steuerpflichtige auf seine Gutgläubigkeit berufen134. Hierdurch entfällt gleichzeitig auch die Mitteilungspflicht gegenüber dem

134 Wolfsfeld, aaO., 160.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Finanzamt, da der Steuerpflichtige keine Kenntnis von der Steuerhinterziehung hatte. In diesem Zusammenhang kann z. B. dargelegt werden, dass der Mandant sich in einem Rechts- bzw. Tatbestandsirrtum135 befunden hat, mit der Folge dass der erforderliche Vorsatz einer Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO nicht gegeben ist. Der Vorsatz des Täters muss alle Umstände erfassen, die im Einzelfall die Steuerpflicht begründen136. Voraussetzung für den Vorsatz ist, dass der Beschuldigte den unrechtsbegründenden Bedeutungsgehalt des Sachverhalts erfasst hat. Dies erfordert bei normativen Tatbestandsmerkmalen eine wertende Betrachtung. Folglich reicht die Kenntnis der Tatsachen nicht aus. Genau hier kann die Ursache eines Irrtums gem. § 16 Abs. 1 StGB liegen; beispielsweise wenn der Beschuldigte die Einkünfte zwar kennt, aber glaubt sie nicht versteuern zu müssen. Klarstellend ist jedoch festzuhalten, dass die Berufung auf einen Irrtum in den meisten Fällen lediglich eine Schutzbehauptung des Beschuldigten darstellen wird, zumal dann, wenn der Steuerpflichtige einen Steuerberater hinzugezogen hat. Hier zeigt der Steuerpflichtige nämlich Problembewusstsein, was ein wesentliches Indiz für einen Hinterziehungsvorsatz sein kann. Gleichzeitig bietet die Einschaltung eines steuerlichen Beraters auch „Schutzpotential“. Das OLG Bremen hat etwa entschieden, dass Anforderungen an das Verhalten des Steuerpflichtigen nicht überspannt werden dürfen137. Der Steuerpflichtige selbst kann den Vorwurf der Leichtfertigkeit im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Steuerordnungswidrigkeit z. B. bereits damit entkräften, dass er den insoweit eingeschalteten steuerlichen Berater sorgfältig ausgewählt hat und diesen im zumutbaren Rahmen überwacht138. Wie weit der Berater von dem Steuerpflichtigen zu überwachen ist, bzw. überhaupt überwacht werden kann, ist zwar grundsätzlich im Einzelfall zu entscheiden, an die Überwachungsfunktion eines Laien über den Fachmann können indes materiell in keinem Fall hohe Anforderungen zu stellen sein. Scheidet indes ein eigenes Handeln des Mandanten aus, ist auf einer zweiten Ebene allein über Fragen der Zurechnung fremden Handelns zu entscheiden, nämlich das des Beraters. Ist dem Steuerberater seinerseits zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit keine von seiner Deklaration abwei135 Hanseatisches OLG Bremen, Urt. v. 26. 4. 1985 – StV 1985, 282. 136 Hanseatisches OLG Bremen, aaO. 137 Hanseatisches OLG Bremen, aaO.; FG Köln, Urt. v. 23. 3. 1998, EFG 1998, 1171. 138 Kohlmann, aaO., § 378 AO, Rz. 82 unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung; AG Berlin-Tiergarten, Urt. v. 30. 3. 1992, DStZ 1993, 482.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ chende Rechtsprechung bekannt oder hielt er sie (mit entsprechenden Argumenten) für unzutreffend, dann scheiden Vorsatz und Leichtfertigkeit spätestens wegen Tatbestandsirrtum aus139. An den Berater sind nach der Rechtsprechung140, wie auch der herrschenden Meinung141 die Durchschnittsanforderungen des jeweiligen Berufskreises zu stellen. Damit erfordert ein dem Berater vorwerfbares Handeln, dass er hätte erkennen können, dass durch seine Tätigkeit das Steueraufkommen gefährdet sein würde. Die Nichtbeachtung von Verwaltungsanweisungen löst keine Leichtfertigkeit aus142. In Abgrenzung hierzu wäre ein bewusstes Abweichen von einer gefestigten Rechtsprechung ggf. als Leichtfertigkeit zu ahnden143.

VI. Zusammenfassung und Ausblick Angesichts der erheblichen strafrechtlichen Risiken für den steuerlichen Berater und den damit möglicherweise auch verbundenen berufsrechtlichen Sanktionen ist es erforderlich sowohl im Rahmen der Deklarationsberatung als auch der Gestaltungsberatung jeweils abzuwägen, ob die in der Steuererklärung kondensierte rechtliche Würdigung durch Rechtsprechung, Literatur oder methodisch saubere Auslegung gedeckt ist und in welcher Weise dies kenntlich zu machen ist. Auch wenn der Steuerberater nicht Sachwalter der Finanzbehörden ist, sondern ausschließlich seinem Mandanten verbunden ist, darf die Schwelle zur Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung bzw. Begünstigung entsprechend § 257 StGB nicht überschritten werden. Steuergestaltung zur legalen Steuervermeidung gehört nicht nur zum Recht des Mandanten, sondern wird zur Pflicht des qualifizierten Beraters, diese gilt es, gegen entsprechende Vorwürfe intelligent abzuschotten. Strategisch und unter Vorsichtsaspekten erarbeitete Anlagen zu den entsprechenden Steuererklärungen werden in Zukunft ein wesentliches Element der Vermeidung strafrechtlicher Risiken für den Berater darstellen und so dennoch den Freiraum für qualifizierte Gestaltung im risikoarmen Bereich erhalten. Auch wird wohl die verbindliche Auskunft ein häufiger genutztes Sicherheitselement werden.

139 §§ 16 Abs. 1 StGB, 369 Abs. 2 AO; Irrgang, DB 1988, 781. 140 Hanseatisches OLG Bremen, Urt. v. 26. 4. 1985 – StV 1985, 282; BGH, Urt. v. 7. 12. 1979, NJW 1980, 1006. 141 Kohlmann, aaO., § 378 AO, Rz. 106. 142 Dörn, aaO., wistra 1994, 290, 292 m. w. N. 143 BGH, Urt. v. 16. 5. 1984, NStZ 1984, 510.

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Bornheim, „Beratung im Grenzbereich von Steuerrecht und Strafrecht“ Dem strafrechtlich beschuldigten Berater kann nur dringend angeraten werden, sich nicht selber zu verteidigen, sondern frühestmöglich qualifizierten Rat einzuholen.

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„Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Dr. Martin Strahl Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht

I. Analyse des Beschlusses des Großen Senats des BFH zur Unvererblichkeit des Verlustabzugs 1. Beurteilung und Begründung 2. Richterliche Übergangsregelung als Novum 3. Berührungspunkte zu anderen Verlustausgleichsrestriktionen II. Gestaltungserwägungen 1. Beratungssituation 2. Gestaltungserwägungen zu Betriebsvermögen 2.1 Vorweggenommene Übertragung (auch gegen Rentenzahlungen)

2.2 2.3

Veräußerung und Aufgabe Bilanzierung und Gewinnermittlung 2.4 Pensionszusagen 2.5 (Rückwirkende) Umwandlung 2.6 Nachfolgeklauseln bei Personengesellschaften 3. Gestaltungserwägungen zu Privatvermögen 3.1 Vorweggenommene Übertragung 3.2 Veräußerung 3.3 Veranlagungsoption bei Kapitalerträgen

I. Analyse des Beschlusses des Großen Senats des BFH zur Unvererblichkeit des Verlustabzugs 1. Beurteilung und Begründung Dem Beschluss des Großen Senats lag auf Vorlage des XI. Senats des BFH der folgende Sachverhalt zugrunde:1 Ein Landwirt war von seinem im Jahre 1983 verstorbenen Vater testamentarisch zum alleinigen Hoferben bestimmt worden. Der Erbteil des Landwirts am Hofreinvermögen betrug lediglich 10 %; die restlichen Erbteile entfielen auf seine Mutter und seine vier Geschwister. Der Erblasser hatte in den Jahren vor seinem Versterben Verluste in Höhe von rd. 90.000 DM erlitten, die er nicht von positiven Einkünften abziehen konnte. Der Landwirt beantragte, die vom Erblasser nicht ausgeglichenen Verluste bei ihm abzuziehen. Dies erkannte das Finanzamt zunächst an, vertrat aber die Auffassung, ein Verlustvortrag sei nicht mehr vorzunehmen, weil der

1 Vgl. BFH, Beschl. v. 17. 12. 2007 – GrS 2/04, BStBl. 2008 II, 608; v. 28. 7. 2004 – XI R 54/99, BStBl. 2005 II, 262.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Kläger nur 10 % der vom Erblasser nicht verbrauchten Verluste habe abziehen dürfen. Der mit dieser Rechtsfrage befasste XI. Senat des BFH war der Rechtsauffassung, ein vom Erblasser nicht ausgenutzter Verlust könne vom Erben bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer überhaupt nicht geltend gemacht werden. Da der I. sowie der VIII. Senat des BFH insoweit eine gegenteilige Auffassung vertraten,2 legte der XI. Senat die Rechtsfrage der Vererblichkeit des Verlustabzugs dem Großen Senat zur Entscheidung vor.3 Der Große Senat des BFH teilte die Auffassung des XI. Senates und verneint – im Bruch einer seit 46 Jahren bestehenden Rechtsprechungskontinuität, der sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hatte4 – die Vererblichkeit des Verlustabzugs. Die Versagung der Vererblichkeit des Verlustabzugs wird dabei auf die folgenden Gesichtspunkte gestützt: Ausgangspunkt ist das für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge, welches einen vollständigen Eintritt des Erben in die Rechtsstellung des Erblassers bedingt. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge sei nicht auf den Bereich des Zivilrechts beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf das Steuerrecht.5 Höchstpersönliche Verhältnisse, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft seien, gingen gleichviel nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Inwieweit eine steuerrechtliche Position vor diesem Hintergrund vererblich sei, richte sich nach den Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes. Für die Vererblichkeit des Verlustabzugs leitet der Große Senat des BFH daraus folgendes ab: 1.1 Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer, welche die Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person erfasst. Erbe und Erblasser sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur Einkommensteuer herangezogen werden und deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden. Dieser Gesichtspunkt spricht nach Auffassung des Großen Senats zuvörderst dagegen, dass die beim Erblasser bis zu seinem Tod nicht aufgezehrten Verlustvorträge auf ein anderes Rechtssubjekt der Einkommensteuer übertragen werden.

2 Vgl. grundlegend BFH, Urt. v. 16. 5. 2001 – I R 76/99, BStBl. 2002 II, 487; v. 13. 11. 1979 – VIII R 193/77, BStBl. 1980 II, 188. 3 Vgl. BFH, Beschl. v. 28. 7. 2004 – XI R 54/99, BStBl. 2005 II, 262. 4 Vgl. zuletzt H 10d (Verlustabzug im Erbfall) EStH 2007. 5 Vgl. z. B. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ 1.2 Gleiches ergibt sich nach Auffassung des Großen Senats aber auch nach Maßgabe des sog. Kostentragungsprinzips, wonach lediglich der vom Steuerpflichtigen selbst erbrachte Aufwand abziehbar sei. 1.3 Darüber hinaus sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, die durch einen ersatzlosen „Untergang“ der nicht verrechneten Verluste ausgelöste „Überbesteuerung“ des Erblassers durch eine – gemessen an der eigenen einkommensteuerrechtlichen Leistungsfähigkeit des Erben nicht gerechtfertigte – „Unterbesteuerung“ des Erben auszugleichen. 1.4 Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Erbe gem. § 1967 Abs. 1 BGB i. V. m. § 45 AO uneingeschränkt für die vom Erblasser herrührenden Schulden hafte und eine solche wirtschaftliche Belastung nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH eine unerlässliche Voraussetzung für den Übergang der vom Erblasser nicht aufgezehrten Verluste auf den Erben darstelle. Nach Auffassung des Großen Senats des BFH sind die vom Erblasser erzielten negativen Einkünfte und seine Verbindlichkeiten strikt voneinander zu unterscheiden und getrennt zu beurteilen. Negative Einkünfte verkörperten unlösbar mit der Person des Einkünftebeziehers verbundene Besteuerungsgrundlagen, Schulden sind hingegen im Grundsatz verkehrsfähige negative Wirtschaftsgüter. 1.5 Zwar kommt dem potenziellen Verlustverrechnungsanspruch – auch nach Sicht des Großen Senats des BFH – ein „wirtschaftlicher (Vermögens-) Wert“ zu. Doch könne allein aus der potenziellen Vermögensqualität nicht auf die Vererblichkeit geschlossen werden. Lapidar wird dazu lediglich ausgeführt: „Denn eine solche Folgerung würde in unzulässiger Weise das Ergebnis der Prüfung der Vererblichkeit des Verlustabzugs vorwegnehmen.“6 1.6 Aus gesetzlichen Regelungen der sog. gespaltenen Tatbestandsverwirklichung, wie sie § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG vorgebe (danach liegen Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 oder aus einem früheren Rechtsverhältnis i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 EStG auch dann vor, „wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen“), folgert der Große Senat des BFH im Umkehrschluss, eine Zurechnung von Positionen des Erblassers komme beim Erben dann nicht in Betracht, wenn sie nicht ausdrücklich spezialgesetzlich geregelt sei. Zur Untermauerung dieser Rechtsposition führt der Große Senat des BFH auch § 6 Abs. 3 6 Vgl. BFH, Beschl. v. 17. 12. 2007 – GrS 2/04, BStBl. 2008 II, 608, 612 (unter Abschn. D. II. 2 der Beschlussgründe).

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ EStG an, dem eine streng objekt- und einkunftsquellenbezogene Konzeption zugrunde liege. 1.7 Letztlich verweist der Große Senat des BFH in historischer Hinsicht darauf, dass das Regelungsgefüge des § 10d EStG seit der erstmaligen Entscheidung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs eine erhebliche Änderung erfahren habe. Seinerzeit beschränkte § 10d EStG den Verlustabzug noch auf die negativen betrieblichen Einkünfte, welche durch Bestandsvergleich ermittelt worden waren, und sah lediglich einen zeitlich auf fünf Jahre begrenzten Verlustvortrag vor. Inzwischen sind sowohl die sachliche Beschränkung des Verlustabzugs auf die betrieblichen Einkünfte als auch die zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags entfallen. Dadurch sei nicht nur dem ursprünglich vom BFH verwendeten Argument, § 10d EStG stehe „in engstem Zusammenhang mit der betrieblichen Gewinnermittlung“, der Boden entzogen, sondern auch der praktische Anwendungsbereich des Verlustabzugs erheblich ausgeweitet worden. Kritisch an der Entscheidung des Großen Senats des BFH ist insbesondere zu würdigen, dass dem potenziellen Verlustverrechnungsanspruch zwar ein „wirtschaftlicher (Vermögens-)Wert“ zuerkannt wird, gleichviel aber aus diesem Gesichtspunkt heraus die Vererblichkeit nicht bejaht wird, weil damit vorgeblich das Ergebnis der Prüfung der Vererblichkeit des Verlustabzuges vorweggenommen würde (s. Abschn. D. II. 2 der Beschlussgründe). Diese Sichtweise wirkt sich besonders problematisch in jenen Fällen aus, in denen steuerverstrickte stille Reserven auf den Erben übergehen, die der Erblasser mit Verlustvorträgen hätte verrechnen können, wenn die stillen Reserven zu seinen Lebzeiten realisiert worden wären. Die Vermögensgegenstände gehen zweifelsohne mit den stillen Reserven auf den Erben über, ebenso wie Schulden als Belastungen. Obzwar der Große Senat dem Verlustverrechnungsanspruch ausdrücklich einen wirtschaftlichen Vermögenswert zuspricht, sieht er wegen der befürchteten Vorwegnahme des Prüfungsergebnisses von einem Übergang dieser Vermögensposition ab. 2. Richterliche Übergangsregelung als Novum Wohl nicht zuletzt im Hinblick auf die Beendigung einer seit 46 Jahren bestehenden Kontinuität der Rechtsprechung, die den Übergang des Verlustabzugs im Erbfall vorgab, sah sich der Große Senat des BFH veranlasst, „eine typisierende, nicht als abschließend zu verstehende Übergangsregelung“ des Inhalts zu treffen, dass die neue Rechtsprechung zur Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs erst mit Wirkung für die Zukunft angewendet werde. Der Große Senat spricht sich dafür aus, dass die nunmehr zu Lasten des Steuerpflichtigen geänderte Rechtsprechung erst in 382

Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Erbfällen anzuwenden sei, die nach Ablauf des Tages der Veröffentlichung des Beschlusses eingetreten sind. Damit dürfte der Tag der Veröffentlichung des Beschlusses im Internet gemeint sein, so dass nach dem Beschluss des Großen Senats Erbfälle nach dem 12. 3. 2008 von der verschärften Rechtsprechung betroffen wären.7 Es mutet eigenartig an, dass der Große Senat des BFH sich aufgerufen sah, eine typisierende Übergangsregelung zu treffen.8 Dies begründet er mit der „rechtssoziologischen Realität“, dass nahezu sämtliche Entscheidungen des BFH de facto eine mehr oder minder große Breitenwirkung entfalteten und sich damit ein Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen herausgebildet habe. Wie dies zu erwarten stand, reagierte die Finanzverwaltung, welche an die vom BFH getroffene Übergangsregelung nicht gebunden war, mit einer großzügigeren Anwendungsbestimmung: 9 Mit BMF-Schreiben vom 24. 7. 200810 wurde in Anbetracht dessen, dass sich der „Große Senat des BFH gegen die seit über 40 Jahren bestehende Rechtsprechung und Verwaltungspraxis“ gewendet hat, „wonach ein solcher Verlustabzug bei der Einkommensermittlung des Erben berücksichtigt wurde“, die Bestimmung getroffen, die bisherige Rechtsprechung sei in Abweichung von der Entscheidung des Großen Senats weiterhin „bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung der Entscheidung im Bundessteuerblatt anzuwenden“. Der Beschluss des Großen Senats ist in der Ausgabe Nr. 14 des BStBl. Teil II vom 18. 8. 2008 veröffentlicht worden, so dass die Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs erstmals auf Erbfälle Anwendung findet, die nach dem 18. 8. 2008 eingetreten sind.

7 Davon geht auch die Finanzverwaltung mit BMF, Schr. v. 24. 7. 2008 – IV C 4 – S 2225/07/0006, BStBl. 2008 I, 809, aus; so auch Schulte/Knief, BB 2008, 1045, 1046; Campos Nave, SteuerConsultant 5/2008, 25, 26. 8 Vgl. zu diesem Aspekt Kanzler, FR 2008, 465; kritisch Witt, BB 2008, 1199, 1202 („Ob er [erg.: der GrS BFH] für seine Entscheidung über die Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung zuständig war, erscheint mit Blick auf § 11 Abs. 2 und 3 FGO und in Anbetracht der Vorlagefrage des XI. Senats allerdings höchst fragwürdig.“). 9 Das Vertrauen der Steuerpflichtigen war nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO geschützt, wobei diese Regelung nur die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids, nicht aber seinen erstmaligen Erlass betrifft. Insoweit galt aber H 10d (Verlustabzug im Erbfall) EStH 2007 fort. 10 Vgl. BMF, Schr. v. 24. 7. 2008 – IV C 4 – S 2225/07/0006, BStBl. 2008 I, 809.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ 3. Berührungspunkte zu anderen Verlustausgleichsrestriktionen Wie in Abschn. I. 1 dargestellt, richtet sich unter Zugrundelegung der Beschlussgründe des Großen Senats des BFH die Frage der Vererblichkeit einer steuerrechtlichen Position nach den Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes. Den Übergang des Verlustabzugs nach § 10d EStG lehnt der BFH insoweit ab, da der Verlustabzug untrennbar mit der Person des Erblassers und dessen Leistungsfähigkeit verbunden sei. Der Charakter der Einkommensteuer als Personensteuer gibt aber den Ausschluss eines festgestellten Verlustes in anderen Fällen gleichwohl zwingend nicht vor. Dies ist im Beschluss des Großen Senats selbst insofern angelegt, als der Verlustabzug nach § 10d EStG der Regelung des § 6 Abs. 3 EStG gegenübergestellt wird, wonach diese Norm „ausnahmsweise und im Widerstreit zur personalen Struktur des Einkommensteuerrechts eine interpersonelle Übertragung der stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger“ anordnet. § 6 Abs. 3 EStG liege damit eine „objektund einkunftsquellenbezogene Konzeption“ zugrunde.11 In diesem Begründungsansatz ist angelegt, dass eine einkunftsquellenbezogene Konzeption der Verlustfeststellung einen Übergang der entsprechenden Verlustposition im Erbfall nicht ausschließt. Eine solche einkunftsquellenbezogene Konzeption sieht § 15a EStG vor, da insoweit die Höhe des lediglich verrechenbaren Verlustes vom Stand des Kapitalkontos des Kommanditisten oder einer ihm gleichstehenden Person abhängt. Das Kapitalkonto ist eine eigenständige Bilanzposition,12 die im Erbfall durch den Rechtsnachfolger übernommen wird. Dieser führt im Rahmen der Mitunternehmerstellung das Kapitalkonto in der ererbten Höhe fort. Da der nur verrechenbare Verlust mit dem Kapitalkonto, nicht aber mit der Person des Erblassers verknüpft ist, bleibt der Übergang des verrechenbaren Verlustes trotz Beschlusses des Großen Senats zur Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs gem. § 10d EStG bestehen. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Erbe des mit dem lediglich verrechenbaren Verlust i. S. von § 15a EStG verbundenen Kommanditanteil bei Einsatz der von ihm erzielten Gewinne zum Ausgleich des auf ihn übergegangenen negativen Kapitalkontos eigene negative Einkünfte erzielt13 – nicht aber solche des Erblassers verwertet. Insofern wird die Rechtsprechungskontinuität gewahrt, weil der Große Senat des BFH mit Bezug auf § 6 Abs. 3 EStG (§ 7 Abs. 1 EStDV a. F.) die streng objekt- und einkunftsquellenbezogene Konzeption hervorhebt, eben im Hinblick auf diese Norm aber ursprünglich begründet wurde, 11 Vgl. BFH, Beschl. v. 17. 12. 2007 – GrS 2/04, BStBl. 2008 II, 608, 614. 12 Vgl. BFH, Urt. v. 31. 5. 2007 – IV R 54/05, BStBl. 2008 II, 665, zur Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 EStG. 13 So zutreffend Dötsch, HFR 2008, 439.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ dass ein nur verrechenbarer Verlust im Zusammenhang mit einem negativen Kapitalkonto i. S. des § 15a EStG übergeht.14 Die übrigen Verlustausgleichsrestriktionen, welche das EStG vorsieht, erfahren im Erbfall jene Behandlung wie der nach § 10d EStG festgestellte Verlust, wenn für sie vorgesehen ist, dass eine Verlustminderung nach Maßgabe des § 10d EStG erfolgt (wie dies bei § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG und § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG der Fall ist). Hier steht nicht die Verbindung mit der Einkunftsquelle im Sinne einer objektbezogenen Konzeption, sondern die Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im Vordergrund, welche nicht eine entsprechende „Unterbesteuerung“ des Rechtsnachfolgers bedingt. Gleiches gilt für einen etwaig auf Seiten des Erblassers noch nicht verbrauchten Spendenvortrag i. S. des § 10b Abs. 1 Satz 3, 4 EStG.15 Demgegenüber sind m. E. nach § 2a Abs. 1 EStG festgestellte negative Einkünfte mit Auslandsbezug nicht vom Übergang im Erbfall ausgenommen, da die Norm einkunftsquellenbezogen ausgestattet ist.16 Unmittelbar deutlich wird dies etwa im Hinblick auf § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG, wonach negative Einkünfte aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwertes einer Körperschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland vom Verlustausgleich ausgenommen sind, soweit die negativen Einkünfte auf eine steuerschädliche ausländische Tätigkeit zurückzuführen sind. Zudem gilt auch hier die oben mit Bezug auf § 15a EStG angeführte Argumentation: Zur Realisation der negativen Einkünfte kommt es erst in Person des Erben, wenn dieser bei Fortführung der jeweiligen Tätigkeit in demselben Staat positive Einkünfte erzielt. Gleiches gilt mit Bezug auf Ver-

14 Vgl. BFH, Urt. v. 10. 3. 1998 – VIII R 76/96, BStBl. 1999 II, 269, 272, wo es unter Abschn. II. 3 Buchst. d der Urteilsgründe heißt: „Die unentgeltliche Übertragung des Kommanditanteils hat … gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 EStDV zur Folge, dass der Erwerber die Buchwerte des ausscheidenden Gesellschafters fortführen muss. Das gilt auch für das negative Kapitalkonto dieses Gesellschafters und auch für den Fall, dass wegen seines Ausscheidens aus der bisherigen Gesellschaft ein Einzelunternehmen wird …. … Allerdings geht mit dem Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen auch dessen verrechenbarer Verlust auf den das Unternehmen fortführenden Gesellschafter über.“ – Die Fortgeltung des Übergangs des nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG verrechenbaren Verlustes im Erbfall wird auch bejaht von Dötsch, HFR 2008, 439; Wälzholz, DStR 2008, 1769, 1772; Wacker, in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15a Rz. 234; P. Fischer, NWB F 3, 15045, 15051 (Heft 17/2008); ders., DStR 2008, 641, 646. 15 So auch Wälzholz, DStR 2008, 1769; Witt, BB 2008, 1199, 1203; Dötsch, DStR 2008, 641, 646; so auch für den Großspendenabzug nach § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG a. F. BFH, Urt. v. 21. 10. 2008 – X R 44/05, BFH/NV 2009, 375. 16 A. A. Dötsch, DStR 2008, 641, 646 (ohne Begründung).

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ luste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell gem. § 15b EStG. Wiederum anders fällt schon nach bisheriger Beurteilung des BFH17 die Beurteilung im Hinblick auf den gewerbesteuerlichen Verlustabzug nach § 10a GewStG aus, obzwar es sich bei der Gewerbesteuer um eine Objektsteuer handelt. Ursächlich dafür ist, dass § 10a Satz 8 i. V. m. § 2 Abs. 5 GewStG für den Fall eines vollständigen Unternehmerwechsels den Übergang des Gewerbeverlustes ausschließt. Der partielle Unternehmerwechsel soll nach dem vorzitierten Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. 5. 1993 ebenso zu behandeln sein, da nicht die Personengesellschaft, sondern ihre Gesellschafter Träger des Verlustabzuges seien. Daher gehe beim Austritt eines Gesellschafters der Verlustabzug unter, soweit er auf diesen entfällt. Trotz Kritik an dieser Rechtsprechung, die daran festmacht, dass der Gewerbebetrieb selbst – und nicht ihr Gesellschafter – nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewStG Objekt der Gewerbesteuer ist,18 ist der BFH bei seiner Auffassung geblieben.19

II. Gestaltungserwägungen 1. Beratungssituation Mit Bezug auf die Gestaltungsberatung ist zu differenzieren, ob der Erbfall bereits eingetreten ist oder nicht. 1.1 Vor Eintritt des Erbfalles kann ein prospektiver Ansatz zu Gestaltungen Anlass geben, wenn entweder die Verlustsituation bereits eingetreten ist oder aber sich abzuzeichnen beginnt. Im zuerst genannten Fall kann zu prüfen sein, ob ein Instrument zur Verlustbeseitigung – zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen – zur Verfügung steht. Dräut demgegenüber das Entstehen einer Verlustsituation, kann zu erwägen sein, die potenziell verlustbehaftete Einkunftsquelle im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Sollte es dann tatsächlich zu Verlusten kommen, entstehen diese beim potenziellen Erben und werden nicht durch einen Erbgang vernichtet. 1.2 Einem retrospektiven Ansatz steht der Berater gegenüber, wenn der Erbfall eingetreten, der Verlustabzug aber noch nicht verbraucht ist.

17 Vgl. BFH, Beschl. v. 3. 5. 1993 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II, 616, 625. 18 Vgl. z. B. Söffing, DB 1994, 747, 749; Finkbeiner, DB 1993, 2201, 2202; ders., BB 1997, 230. 19 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 7. 12. 1993 – VIII R 4/88, BFH/NV 1994, 573; BFH, Beschl. v. 12. 6. 1996 – IV B 133/95, BStBl. 1997 II, 82; vgl. bekräftigend auch Dötsch, DStR 2008, 641, 645.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ In diesem Falle stellt sich das Beratungsspektrum eingeschränkter dar. 2. Gestaltungserwägungen zu Betriebsvermögen 2.1 Vorweggenommene Übertragung (auch gegen Rentenzahlungen) 2.1.1 Überblick über die vorweggenommene Übertragung als prospektiver Ansatz zur Verlustverlagerung Sowohl in jenen Fällen, in denen bereits ein Verlust eingetreten ist, als auch dann, wenn eine Verlustphase absehbar ist, kann zu erwägen sein, den Betrieb oder Mitunternehmeranteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Die unentgeltliche Übertragung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils ist nach § 6 Abs. 3 EStG zwingend steuerlich neutral zu Buchwerten vorzunehmen. Ein etwaig bereits erlittener und noch nicht ausgeglichener Verlust bleibt beim Übergehenden im Rahmen des Verlustabzugs gem. § 10d Abs. 2 EStG bestehen, wohingegen der Übernehmer fürderhin eintretende Verluste entweder unmittelbar im Wege des Verlustausgleichs oder in späteren Veranlagungszeiträumen im Wege des Verlustabzugs nutzen kann. Die Grenze zur Verlustnutzung ist insofern lediglich die Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG. Die vorweggenommene Erbfolge wird aber nur dann zu empfehlen sein, wenn die Übernahme des Betriebes oder Mitunternehmeranteils sich für den Übernehmenden als wirtschaftlich sinnvoll darstellt, so dass Gestaltungsziel die Vermeidung des Entstehens weiterer Verluste sein sollte. In ertragsteuerlicher Hinsicht steht auch ein negatives Kapitalkonto grundsätzlich nicht einer Buchwertfortführung und damit der steuerlichen Neutralität des Vermögensübergangs gem. § 6 Abs. 3 EStG entgegen (s. dazu aber unten Abschn. c). Auf Grund der insoweit geltenden Einheitstheorie bedingt die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten kein Entgelt. Sollten demgegenüber außerbetriebliche Verbindlichkeiten übernommen oder Entgelte an Dritte geleistet werden (z. B. Gleichstellungsgeld), führt dies nach Maßgabe der Einheitstheorie nur insoweit zu einem Entgelt, als das Kapitalkonto überschritten wird. In diesem Falle liegt ein teilentgeltliches Geschäft vor, das zu einem Veräußerungsgewinn beim Übergeber und zu entsprechenden Anschaffungskosten beim Übernehmer führt, die auf die jeweiligen Wirtschaftsgüter nach Maßgabe der stillen Reserven zu verteilen sind.20

20 Vgl. BMF, Schr. v. 13. 1. 1993 – IV B 3 – S 2190–37/92, BStBl. 1993 I, 80, Tz. 27–31.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ 2.1.2 Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen Optional kann erwogen werden, die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen durchzuführen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG hat das durch die Rechtsprechung geprägte Institut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auch bei Vermögensübertragungen, die nach dem 31. 12. 2007 vereinbart werden (§ 52 Abs. 23e Satz 1 EStG), mit Bezug auf die Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit i. S. der §§ 13, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 EStG ausübt, sowie im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs- oder Teilbetriebs weiteren Bestand. Dem Rechtsinstitut der „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich der Übergeber in Gestalt der wiederkehrenden Leistung Erträge des mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge übertragenen Vermögens vorbehält.21 Das BVerfG hält diese Annahme zumindest nicht für „sachwidrig“.22 Dieser Lesart entsprechend handelt es sich bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen um einen unentgeltlichen Vorgang i. S. von § 6 Abs. 3 EStG,23 der mithin nicht mit der Realisation stiller Reserven einhergeht und dem Vermögensübergebenden gleichviel wiederkehrende Geldzahlungen sichert.24 Im Falle einer Vermögensübertragung an Angehörige gilt eine widerlegbare Vermutung dafür, dass es sich bei der wiederkehrenden Leistung nicht um eine wiederkehrende Leistung im Austausch mit einer Gegenleistung, sondern um eine private Versorgungsrente handelt. Die Vermutung für das Vorliegen einer privaten Versorgungsrente ist aber dann entkräftet, „wenn die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben und subjektiv davon ausgegangen sind, dass die Leistung im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in etwa wertgleich sind“.25 Unter dieser Voraussetzung handelt es sich bei den wiederkehrenden Leistungen um solche im Austausch mit einer Gegenleistung. Die Finanzverwaltung teilt diese Rechtsprechung.26 21 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 3; kritisch Spiegelberger, DStR 2000, 1073; zustimmend Hipler, DStR 2001, 1918, 1920. 22 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. 12. 1992 – 1 BvR 4/87, DStR 1993, 315. 23 Vgl. BMF, Schr. v. 13. 1. 1993 – IV B 3 – S 2190–37/92, BStBl. 1993 I, 80, Tz. 25; Schwenke, DStR 2004, 1679; Biergans/Koller, DStR 1993, 741, 743. 24 Diese sind beim Empfänger bei Vereinbarung der Vermögensübertragung nach dem 31. 12. 2007 gem. § 22 Nr. 1b EStG stets in voller Höhe zu versteuern, vgl. auch Wedekind, StB 2007, 410; Schmidt/Schwind, NWB F 3, 14887, 14890 (Heft 51/2007). 25 Vgl. BFH, Urt. v. 30. 7. 2003 – X R 12/01, BStBl. 2004 II, 211. 26 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 4.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Ist eine Verlustsituation beim Übergeber bereits eingetreten, stellt sich die Frage, ob diese einer Übertragung des betreffenden Betriebes oder Mitunternehmeranteils entgegenstehen könnte. Diese Problematik wird dadurch genährt, dass nach Aufgabe des sog. Typus 227 eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung nur dann gegeben sein kann, wenn die Erträge der übergebenen Wirtschaftseinheit zur Erbringung der wiederkehrenden Leistungen ausreichen.28 Darüber hinaus hat der Große Senat des BFH die Auffassung vertreten, eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sei auch dann nicht gegeben, wenn die Versorgungsleistungen „zwar aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs gezahlt werden können, das Unternehmen jedoch weder über einen positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert verfügt“.29 Verbleibe nach Abzug des Unternehmerlohns kein Unternehmenswert (Ertrags- oder Substanzwert) mehr, könnten Leistungen des Übernehmers nicht mehr als vorbehaltene Erträge des übergebenen Vermögens angesehen werden, sondern beruhten ausschließlich auf der Arbeitsleistung des Übernehmers. Dem ist die Finanzverwaltung ausdrücklich entgegengetreten und lässt Versorgungsleistungen, die aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs erbracht werden, auch dann zum Abzug als Sonderausgaben zu, „wenn der übergebene Betrieb nicht über einen ausreichenden Unternehmenswert verfügt“.30 Das Kriterium des „ausreichenden Unternehmenswertes“ ist auch nicht in die gesetzliche Regelung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 eingegangen und hat deswegen auch für Neufälle keine Bedeutung. Es ist aber nach wie vor davon auszugehen, dass nur eine hinreichend ertragbringende Wirtschaftseinheit Gegenstand des Übertragungsvertrages sein kann. Dies ergibt sich aus der inzwischen gefestigen Rechtsprechung und dem Dritten Rentenerlass.31 Die Versorgungsleistungen müssen aus den Erträgen des übertragenen Vermögens finanziert werden können. Wiederkehrende Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, sind nicht als dauernde Last abziehbar, sondern vielmehr Entgelt für das übernommene Vermögen.32 27 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 7. 28 Vgl. BFH, Beschl. v. 12. 5. 2003 – GrS 1/00, BStBl. 2004 II, 95; v. 12. 5. 2003 – GrS 2/00, BStBl. 2004 II, 100. 29 Vgl. BFH, Beschl. v. 12. 5. 2003 – GrS 2/00, BStBl. 2004 II, 100. 30 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 8. 31 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922; Eich, BeSt 2005, 5. 32 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 7.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Zur Prüfung, ob ausreichend hohe Nettoerträge im Hinblick auf die Erbringung der Versorgungsleistung zur Verfügung stehen, ist eine Ertragsprognose anzustellen, der regelmäßig das Jahr der Übergabe sowie die beiden folgenden Jahre zugrunde zu legen sind.33 Maßgeblich für den Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages. Aus Vereinfachungsgründen kann auf das Jahr der Übertragung sowie auf die beiden vorangegangenen Jahre zurückgegriffen werden.34 Wird ein Unternehmen (land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, Gewerbebetrieb, Unternehmen eines Selbständigen) gegen wiederkehrende Leistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, besteht aus Sicht der Finanzverwaltung aber eine Vermutung dafür, dass die Erträge ausreichen, um die wiederkehrenden Leistungen in der vereinbarten Höhe zu erbringen, wenn das Unternehmen vom Übernehmer tatsächlich fortgeführt wird.35 Diese Vermutung soll nur in Ausnahmefällen widerlegbar sein – etwa wenn mehrjährige Verluste aufgetreten sind oder im Verhältnis zu den wiederkehrenden Leistungen nur geringe Gewinne des Unternehmers erzielt werden konnten. In diesen zuletzt genannten Fällen kann aber tatsächlich die Übergabe des Betriebes oder Mitunternehmeranteils im Wege der vorweggenommenen Übertragung problematisch sein und sollte durch eine entsprechende Ertragsprognose abgesichert werden.36 Wird die Vermutung der ausreichenden Ertragskraft im Einzelfall – retrospektiv – widerlegt, liegt ein teilentgeltliches Geschäft vor, so dass bei Überschreiten des Kapitalkontos durch den Barwert der wiederkehrenden Leistungen der Veräußerungstatbestand erfüllt ist. 2.1.3 Problemfeld „Negatives Kapitalkonto“ Wird ein verlustbehafteter Mitunternehmeranteil oder Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, steht ein negatives Kapitalkonto der nach § 6 Abs. 3 EStG vorgegebenen Buchwertfortführung grundsätzlich nicht entgegen.37 Anders ist dies selbstredend dann, wenn die Übertragung des Betriebes oder Mitunternehmeranteils nicht unent33 Vgl. BFH, Urt. v. 16. 6. 2004 – X R 22/99, BFH/NV 2004, 1466. 34 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 25. 35 Vgl. BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 23. 36 Vgl. zu den verwaltungsseitigen Vorgaben zur Ermittlung der Erträge BMF, Schr. v. 16. 9. 2004 – IV C 3 – S 2255–354/04, BStBl. 2004 I, 922, Rz. 24. 37 Vgl. BMF, Schr. v. 13. 1. 1993 – IV B 3 – S 2190–37/92, BStBl. 1993 I, 80, Tz. 30; BFH, Urt. v. 23. 4. 1971 – IV 201/65, BStBl. 1971 II, 686; v. 24. 8. 1972 – VIII R 36/66, BStBl. 1973 II, 111.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ geltlich erfolgt, sondern mit der Zahlung eines Gleichstellungsgeldes oder einer Abstandszahlung oder der Übernahme einer privaten Verbindlichkeit verbunden ist. Es entsteht dann ein Veräußerungsgewinn beim Übergeber in Höhe des übertragenen negativen Kapitalkontos zuzüglich des Gleichstellungsgeldes, der Abstandszahlung oder der übernommenen privaten Verbindlichkeit. Beim Übernehmer kommt es zu Anschaffungskosten in gleicher Höhe.38 Dieser Grundsatz umschließt auch Fälle des § 15a EStG: Sind für das negative Kapitalkonto verrechenbare Verlustanteile i. S. von § 15a Abs. 2 EStG ursächlich und geht der KG-Anteil voll unentgeltlich unter Lebenden über, tritt der Übernehmende in die bilanzrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein und übernimmt auch das Recht zur Verlustverwertung.39 Problematisch kann aber sein, wenn das negative Kapitalkonto höher ist als die stillen Reserven und der Geschäftswert, soweit sie anteilig auf den Gesellschafter entfallen. Wacker vertritt diesbezüglich die Auffassung, eine unentgeltliche Übertragung des KG-Anteils mit Buchwertfortführung und Übergang des Rechtes zur Verlustverrechnung sei im vorgenannten Falle nicht mehr anzunehmen; vielmehr entstehe beim Übertragenen ein Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos, soweit dieses nicht durch anteilige stille Reserven gedeckt sei.40 Diese Aussage ist in ihrer Reichweite nicht zutreffend. Vielmehr ist nur dann mit der Übertragung des Mitunternehmeranteils beim Übergeber ein Wegfall des negativen Kapitalkontos gegeben, der als laufender Gewinn zum normalen Tarif zu besteuern ist, wenn feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Kommanditisten mit künftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kommt.41 Als maßgeblich für diese Beurteilung ist indes der Totalgewinn, d. h. das Gesamtergebnis des Betriebes von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation heranzuziehen. Ist danach eine Gewinnerzielungsabsicht gegeben, kommt es nicht zur Aufgabe der Mitunternehmerstellung im Rahmen der Übergabe des Mitunternehmeranteils.42 So heißt es mit Bezug auf Vorgänge der vorweggenommenen Erbfolge auch deutlich in einer Entscheidung des VIII. Senats des BFH:43 Der unentgeltlichen Übertragung eines Anteils „steht nicht entgegen, dass eine Schenkung bei einem Gesellschaftsanteil regelmäßig nicht in 38 Vgl. BMF, Schr. v. 13. 1. 1993 – IV B 3 – S 2190–37/92, BStBl. 1993 I, 80, Tz. 31; BFH, Urt. v. 16. 12. 1992 – XI R 34/92, BStBl. 1993 II, 436. 39 Vgl. Wacker, in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15a Rz. 234. 40 Vgl. Wacker, in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15a Rz. 234, 232. 41 Vgl. BFH, Beschl. v. 10. 11. 1980 – GrS 1/79, BStBl. 1981 II, 164; BFH, Beschl. v. 2. 7. 1992 – VIII B 17/92, BFH/NV 1993, 421, 422. 42 Vgl. ausdrücklich BFH, Beschl. v. 2. 7. 1992 – VIII B 17/92, BFH/NV 1993, 421. 43 Vgl. BFH, Urt. v. 10. 3. 1998 – VIII R 76/96, BStBl. 1999 II, 269, 271.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Betracht kommt, wenn dieser keinen Vermögenswert mehr verkörpert …. Das Ausscheiden des Gesellschafters weist in diesem Fall zwar darauf hin, dass er sein Engagement im verlustbringenden Betrieb beenden wollte …. Davon kann bei einer Übertragung des Anteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aber nicht ausgegangen werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Gesellschaftsvermögen erhebliche stille Reserven enthält und die Fortführung des Unternehmens durch den verbleibenden Gesellschafter den Schluss zulässt, dass der Anteil – ggf. aufgrund eines Konzepts – noch eine Gewinnchance repräsentiert“. Bei einer Anteilsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steht damit im Grundfall eine Verlustsituation beim Übergeber der Buchwertfortführung nicht entgegen. Indes sollte darauf geachtet werden, dass bei länger anhaltenden Verlusten ein Konzept präsentiert werden kann, wonach insgesamt die Gewinnerzielung angestrebt wird. Maßgeblich hierfür ist nach der Rechtsprechung des BFH eine steuersubjektübergreifende (generationenübergreifende) Beurteilung.44 2.2 Veräußerung und Aufgabe 2.2.1 Prospektiver Ansatz Sind Verluste auf Seiten des Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 10d EStG festgestellt worden, die im Erbfall unterzugehen drohen, kann eine Verminderung der Verlustsituation dadurch herbeigeführt werden, dass nicht betriebsnotwendiges Vermögen (z. B. drittvermietete Grundstücke) veräußert oder entnommen wird. Es kommt dann zu einem Veräußerungsgewinn in Höhe der realisierten stillen Reserven, der indes bis zur Höhe des nutzbaren Verlustausgleichs oder -abzugs nicht steuerwirksam wird. Dabei sind jene Grenzen zu berücksichtigen, welche die Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG setzt (Verlustabzug bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro – bei zusammen veranlagten Ehegatten in Höhe von 2 Mio. Euro – unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des nach Verlustabzug von 1 Mio Euro/2 Mio. Euro verbleibenden Gesamtbetrags der Einkünfte). Eine solche Veräußerung oder Entnahme nicht betriebsnotwendigen Vermögens kann auch mit einer vorweggenommenen Erbfolge verbunden werden. Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG setzt lediglich voraus, dass sämtliche in funktionaler Hinsicht wesentliche Betriebsgrundlagen an den Übernehmer übergehen.45 Wirtschaftsgüter des gewillkürten Betriebsvermögens sind auch in dem Falle, dass sie über hohe 44 Vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 11. 10. 2007 – IV R 15/05, BFH/NV 2008, 1019. 45 Vgl. Korn/Strahl, in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 471.2 (Stand: Dezember 2005), m. w. N.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ stille Reserven verfügen, stets funktional unwesentlich, so dass sie im zeitlichen Vorfeld zur Betriebsübertragung veräußert oder entnommen werden können.46 Zu berücksichtigen ist indes, dass die Bejahung der funktionalen Wesentlichkeit in der jüngeren Rechtsprechung eine stete Ausdehnung erfahren hat.47 Bestehen Zweifel hinsichtlich der Annahme der funktionalen Wesentlichkeit eines Wirtschaftsgutes, sollte seine Veräußerung oder Entnahme mit einem zeitlichen Abstand von zumindest zwei Jahren zur Vermögensübertragung erfolgen, um die Annahme eines Handelns in einem steuerschädlichen Gesamtplan auszuschließen.48 Ein sehr weit reichender prospektiver Gestaltungsansatz zur Vermeidung des Verlustes eines Verlustabzuges durch Eintritt des Erbfalles stellt die Veräußerung oder Aufgabe des verlustbehafteten Betriebes oder Mitunternehmeranteils durch den Steuerpflichtigen dar. Es kommt dadurch einerseits zur Beseitigung der Verlustquelle. Andererseits ist eine Realisation stiller Reserven im Rahmen des § 10d Abs. 2 EStG beim Steuerpflichtigen insofern nicht steuerwirksam, als dem erzielten Veräußerungsgewinn ein laufender Verlust oder ein festgestellter Verlustabzug gegenübersteht. 2.2.2 Retrospektiver Ansatz Geklärt ist, dass eine Veräußerung nicht rückbezogen werden kann. Ist somit der Erbfall eingetreten, kann ein für den Erbfall festgestellter Verlustabzug nicht dadurch realisiert werden, dass die Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens oder gar des gesamten Betriebes resp. Mitunternehmeranteils zu einem Zeitpunkt vollzogen wird, der noch in

46 Vgl. Kanzler, in FS Korn, 2005, S. 287, 292; Wendt, FR 2005, 468, 470. 47 Vgl. BFH, Urt. v. 10. 1. 2005 – IV R 7/05, BStBl. 2006 II, 176 (Bürogebäude als in funktionaler Hinsicht wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens bildet); v. 13. 7. 2006 – IV R 25/05, BStBl. 2006 II, 804 (funktionale Wesentlichkeit der als einziges Büro genutzten Räume in einem im Übrigen zu Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus); v. 14. 2. 2007 – XI R 30/05, BStBl. 2007 II, 524 (funktionale Wesentlichkeit eines Dachgeschosses, in dem Teilzeitkräfte eines Steuerberatungsbüros untergebracht waren); v. 19. 03. 2009 – IV R 78/06, DStR 2009, 1138 (funktionale Wesentlichkeit eines Gebäudeteils für ein Filialunternehmen, wobei der überlassene Gebäudeteil weniger als 50% der Gesamtfläche ausmacht). 48 Vgl. zum Handeln im steuerschädlichen Gesamtplan auch im Rahmen der unentgeltlichen Übertragung BMF, Schr. v. 3. 3. 2005 – IV B 2 – S 2241–14/05, BStBl. 2005 I, 458, Tz. 7; so auch FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5. 11. 2008 – 2 K 175/05, EFG 2009, 233 (Rev. unter Az. IV R 52/08 anhängig); kritisch dazu Förster, in FS Korn, 2005, S. 1, 3; Strahl, KÖSDI 2003, 13918; Crezelius, FR 2003, 537.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ die Lebzeit des Erblassers fällt. Maßgeblich für den Veräußerungszeitpunkt ist vielmehr stets der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Auch eine Betriebsaufgabe noch in Person des Erblassers kann nicht zurückbezogen werden. Bereits mit Urteil vom 20. 1. 200549 hat der BFH festgestellt, dass durch den Tod des Betriebsinhabers der Betrieb nicht aufgegeben wird. Die Betriebsaufgabe ist vielmehr ein tatsächlicher Vorgang, der ein aktives Tun zur Betriebsbeendigung durch den Betriebsinhaber voraussetzt. Dies hat der BFH unlängst bestätigt.50 Der Vollzug einer Betriebsaufgabe hängt danach nicht von subjektiven, sondern lediglich objektiven Momenten ab. Die Betriebsaufgabe gelangt mit der Veräußerung des letzten zur Veräußerung bestimmten oder geeigneten Wirtschaftsgutes zum Abschluss. Hatte der Erblasser bereits Handlungen ergriffen, die objektiv auf die Betriebsaufgabe gerichtet waren,51 wird der Betriebsaufgabegewinn nur dann in seiner Person realisiert, wenn die Betriebsaufgabe objektiv nach den vorstehenden Merkmalen noch zu seinen Lebzeiten zum Abschluss gekommen ist. Die Absicht allein, die Tätigkeit einzustellen, genügt für eine steuerliche beachtliche Betriebsausgabe nicht. Erforderlich ist stets auch die Umsetzung des Entschlusses zur Betriebsaufgabe durch Veräußerung oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Nur im Fall einer Betriebsverpachtung oder Betriebsunterbrechung kann die Betriebsaufgabe – unabhängig von den objektiven Umständen – durch eine Willenserklärung herbeigeführt werden.52 Nach R 16 Abs. 5 Satz 6 EStR 2005 erkennt die Finanzverwaltung die Aufgabe des Betriebes im Falle der Betriebsverpachtung im Ganzen für den vom Steuerpflichtigen gewählten Zeitpunkt an, wenn die Aufgabeerklärung spätestens drei Monate nach diesem Zeitpunkt abgegeben wird. Eine Zurückverlegung des Betriebsaufgabezeitpunktes in Fällen der Betriebsverpachtung im Ganzen oder der Betriebsunterbrechung kommt aber mit Bezug auf einen zwischenzeitlich eingetretenen Erbfall nicht in Betracht, weil R 16 Abs. 5 Satz 8 EStR 2005 bestimmt: „Nach Übergang eines im Ganzen verpachteten, noch nicht aufgegebenen Betriebs durch Erbfall kann der Erbe selbst innerhalb der Drei-Monats-Frist als Aufgabezeitpunkt frühestens den Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestimmen.“

49 Vgl. BFH, Urt. v. 20. 1. 2005 – IV R 35/03, BFH/NV 2005, 1046. 50 Vgl. BFH, Urt. v. 30. 8. 2007 – IV R 5/06, BStBl. 2008 II, 113. 51 Darunter fällt z. B. die Einschaltung eines Maklers zur Veräußerung der betrieblichen Grundstücke, vgl. BFH, Urt. v. 20. 1. 2005 – IV R 14/03, BStBl. 2005 II, 395. 52 Vgl. BFH, Urt. v. 19. 5. 2005 – IV R 17/02, BStBl. 2005 II, 637.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Damit kommt es zur Realisation eines Gewinns aus der Betriebsaufgabe in der Person des Erben, nicht aber in jener des Erblassers. 2.3 Bilanzierung und Gewinnermittlung 2.3.1 Prospektiver Ansatz Kommt es beim potenziellen Erblasser zum Eintritt einer Verlustsituation, kann zu prüfen sein, ob bei Gewinnermittlung durch Bilanzierung eine Verlustminderung durch die Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten herbeigeführt werden kann. Zur Verfügung steht insoweit das folgende Instrumentarium: – Ausübung des handelsrechtlichen Bewertungswahlrechtes nach § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB hinsichtlich der Einbeziehung der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie der Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung sowie nach § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB hinsichtlich der Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstandes verwendet wird, in die Herstellungskosten;53 – Überprüfung des Rückstellungsspiegels dahingehend, ob die Höhe der Rückstellungen in Anbetracht der Ernsthaftigkeit der drohenden Inanspruchnahme gesenkt werden müsste; – etwaige Auflösung gebildeter Rücklagen nach § 6b EStG; – etwaige Auflösung gebildeter Rücklagen für Ersatzbeschaffungen gem. R 6.6 Abs. 4 EStR 2008; – Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 EStG mit der Konsequenz, dass sich der Gewinn des Wirtschaftsjahres seiner Bildung um den in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag erhöht (zu berücksichtigen können auch Zinswirkungen i. S. des § 233a AO sein). Ebenso ist denkbar, im Wirtschaftsjahr der Investition den für das entsprechende Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag nicht gem. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG gewinnmindernd von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Investitionsgutes abzuziehen (höchstens im Umfang von 40 % des Investitionsabzugsbetrages). Auch kann in begünstigten Fällen zu erwägen sein, auf die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG zu verzichten. Die Verlustminderung durch die gewinnerhöhenden Maßnahmen auf Seiten des Erblassers geht damit einher, dass das steuerliche Ergebnis beim Erben geringer ausfällt (geringe Veräußerungsgewinne bei höheren Herstellungskosten, höhere AfA-Bemessungsgrundlage bei der vorherigen 53 Vgl. R 6.3 Abs. 4 EStR 2008.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Auflösung von Rücklagen oder der Nichtinanspruchnahme der Übertragung des Investitionsabzugsbetrages auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten). Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung, kann nach Eintritt der Verlustsituation in entsprechenden Fällen zu erwägen sein, zur Bilanzierung überzugehen. Es kommt durch den Übergang zur Bilanzierung zu einem Übergangsgewinn, wenn die Summe der Forderungen sowie der teilfertigen Arbeiten jene der zu passivierenden Verbindlichkeiten übersteigen. Dieser Übergangsgewinn bleibt bis zur Höhe eines Verlustausgleiches oder eines Verlustabzuges in den Grenzen des § 10d Abs. 2 EStG steuerunwirksam. Zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Übergangsgewinn nach R 4.6 Abs. 1 Satz 4 EStR 2008 in Fällen des Wechsels zum Betriebsvermögensvergleich wahlweise gleichmäßig entweder auf das Jahr des Übergangs und das folgende Jahr oder auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre verteilt werden kann. 2.3.2 Retrospektiver Ansatz Die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten steht auch den Erben nach Erbfall offen. Dementsprechend kann der Versuch unternommen werden, in Anwendung des oben dargestellten Instrumentariums ergebniserhöhende Maßnahmen in einer noch nicht aufgestellten Bilanz zu ergreifen, deren Stichtag in Lebzeiten des Erblassers fällt. Die gewinnerhöhenden Maßnahmen führen zu einem laufenden Gewinn, der noch dem Erblasser zuzurechnen ist und der demzufolge den bei ihm als gegeben unterstellten nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG mindert, der durch den Erbgang untergeht. Nach Abgabe einer Bilanz beim Finanzamt (noch durch den Erblasser) ist eine veränderte Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten hingegen nur im Wege der Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die eingereichten Bilanzen Steuerfestsetzungen beim Erblasser zugrunde liegen, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO stehen.54 Problematisch ist, dass die Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nur zulässig ist, soweit die Auswirkung einer Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht. Dies stellt eine Restriktion für Bilanzänderungen mit 54 Vgl. zur Zulässigkeit einer Bilanzänderung zuletzt BFH, Urt. v. 17. 7. 2008 – I R 85/07, BStBl. 2008 II, 924; v. 23. 1. 2008 – I R 40/07, BStBl. 2008 II, 669; v. 25. 10. 2007 – III R 39/04, BStBl. 2008 II, 226; kritisch vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes Wendt, FR 2008, 88, da die Beschränkung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nur für bilanzierende Unternehmen gelte, nicht aber für diejenigen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ dem Ziel der Gewinnminderung dar. Der Beratungsansatz in vorliegender Konstellation ist jedoch der eher unübliche, dass durch eine Bilanzänderung eine Gewinnerhöhung herbeigeführt werden soll. Gleichviel ist sie dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG folgend ausgeschlossen, wenn sie nicht in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht. Hat der Erblasser seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, ist es dem Erben grundsätzlich nicht verwehrt, zu Beginn des Wirtschaftsjahres noch zu Lebzeiten des Erblassers zur Bilanzierung mit der Folge überzugehen, dass es bei Forderungsüberhang zu einem Übergangsgewinn kommt, der eine anteilige Nutzung des Verlustabzuges des Erblassers bedingt. Der Eingang der realisierten Forderungen ist dann – soweit er auf die Zeit nach dem Erbfall entfällt – beim Erben steuerlich neutral. Der Übergang zur Bilanzierung setzt allerdings voraus, dass zeitnah – zu Beginn des Wirtschaftsjahres – eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine ordnungsmäßige Buchführung eingerichtet werden kann.55 Lediglich die Offenlegung bzw. Mitteilung der Wahl, den Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung oder der Bilanzierung zu ermitteln, kann noch später im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung oder gar im Klageverfahren erfolgen; das Wahlrecht selbst ist aber zu Beginn eines Gewinnermittlungszeitraums auszuüben.56 Dies schränkt die Möglichkeiten des Erben ein, durch den Übergang zur Bilanzierung beim Erblasser laufende Einkünfte zu generieren, welche zur Nutzung des Verlustabzugs beim Erblasser zur Verfügung stünden. Darüber hinaus besteht in den einschlägigen Fällen die Möglichkeit, durch Verstoß gegen eine Haltefrist ein Ereignis auszulösen, welches in die Vergangenheit zurückwirkt und dadurch steuerliche Folgen noch beim Erblasser auslöst. Zu denken ist an die Veräußerung – oder die Umsetzung eines gleichgestellten Vorgangs – von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung zu einem Wert unterhalb des gemeinen Werts dem Recht der rückwirkenden Besteuerung unterliegen57 (es kommt aber auch zu steuerlichen Folgen beim Veräußernden).58 Ebenso könnte nach der Übertragung eines Mitunternehmerteilanteils unter Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen oder der Übertragung eines Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 Satz 3 55 Vgl. BFH, Urt. v. 24. 11. 1959 – I 47/58, BStBl. 1960 III, 188 (seither ständige Rechtsprechung, zuletzt bestätigt durch BFH, Urt. v. 19. 3. 2009 – IV R 57/07, DStR 2009, 1252); BMF, Schr. v. 26. 3. 2004 – IV A 6 – S 2240–46/04, BStBl. 2004 I, 434, Tz. 33; Korn, in: Korn, EStG, § 4 EStG Rz. 494 f. (Stand: Juli 2008). 56 Vgl. BFH, Urt. v. 1. 10. 1996 – VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403, 404. 57 Vgl. dazu Piltz, ZEV 2008, 376, 378; Wälzholz, DStR 2008, 1769, 1771. 58 Vgl. zur rückwirkenden Besteuerung nach § 22 UmwStG z. B. Strahl, in CARLÉ_KORN_STAHL_STRAHL, Umwandlungen, 2007, Rz. 185.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ EStG noch durch den Erblasser nach dessen Tod durch den Erben gegen die fünfjährige Behaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG oder die dreijährige Behaltensfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG verstoßen werden.59 2.4 Pensionszusagen Nach Eintritt einer Verlustsituation kann sich ein prospektiver Beratungsansatz auch auf eine dem potenziellen Erblasser gewährte Pensionszusage erstrecken. Dabei ist wie folgt zu differenzieren: 2.4.1 Pensionszusage durch eine Kapitalgesellschaft Ist eine Pensionszusage durch eine Kapitalgesellschaft gewährt worden, kann zu erwägen sein, auf diese zu verzichten. Ist der Verzicht – wovon regelmäßig auszugehen ist – gesellschaftsrechtlich veranlasst,60 kommt es auf Seiten der Kapitalgesellschaft zur Einlage des Pensionsanspruchs in Höhe des werthaltigen Teils.61 In Höhe des nicht werthaltigen Teils resultiert aus dem Verzicht auf die gewährte Pension eine Gewinnerhöhung auf Seiten der Kapitalgesellschaft. Beim Gesellschafter hat der Verzicht auf die gewährte Pensionszusage die Rechtsfolge, dass es zu einem fiktiven Zufluss von Arbeitslohn in Höhe des Teilwertes des Pensionsanspruches kommt, welcher grundsätzlich der fiktiven Einmalprämie entspricht, die ein Versicherungsunternehmen verlangen würde, um einen derartigen Anspruch zu gewähren.62 Grundsätzlich ist der fingierte Arbeitslohn in einer Summe zu versteuern, obwohl dem kein entsprechender Zufluss an Liquidität gegenübersteht. Dieses Schrecknis der Gestaltungspraxis kann zur Nutzung von Verlustabzügen des potenziellen Erblassers gerade Gestaltungsziel sein.

59 Vgl. Piltz, ZEV 2008, 376, 378. 60 Nach OFD Hannover, Vfg. v. 15. 12. 2006 – S 2742–117 – StO 241, DB 2007, 135, soll nur dann von einer betrieblichen Veranlassung des Verzichts auszugehen sein, wenn die Pensionszusage im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr finanzierbar ist. Es käme dann nur zu einem außerordentlichen Ertrag auf Seiten der Kapitalgesellschaft in Höhe der aufzulösenden Pensionsrückstellung, vgl. Beck, DStR 2002, 473, 476, nicht indes zu einem Zufluss von Arbeitslohn auf Seiten des Gesellschafters, was für die hier vorliegende Beratungskonstellation ungünstig wäre, vgl. dazu Fuhrmann/Demuth, Beratungsbrennpunkt Pensionszusagen (KSp 2), 2007, Tz. C/8 f. 61 Vgl. BFH, Beschl. v. 9. 6. 1997 – GrS 1/94, BStBl. 1998 II, 307; Schwedhelm/Olgemöller, GmbH-StB 2003, 204, 205; Förster, DStR 2006, 2149, 2154; ders., Stbg 2006, 520, 522. 62 Ein Abschlag im Hinblick auf die Bonität der zur Pensionszahlung verpflichteten Kapitalgesellschaft wird verwaltungsseitig akzeptiert, vgl. H 40 (Verzicht auf Pensionsanwartschaftsrechte) KStH 2006.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Zur Abstimmung zwischen der Höhe des fingierten Arbeitslohnzuflusses und den nutzbaren Verlusten des Berechtigten kann auch ein Teilverzicht erwägenswert sein. Der fingierte Zufluss von Arbeitslohn in Höhe der fiktiven Einmalprämie an eine Lebensversicherung wird dann auf jenen Teil beschränkt, der dem Teilverzicht auf den Pensionsanspruch entspricht. Durch den Teilverzicht wird die betriebliche Veranlassung des verbliebenen Pensionsanspruchs nicht in Frage gestellt, so dass es insoweit nicht zu einer Gewinnerhöhung auf Seiten der Kapitalgesellschaft kommt. Insbesondere ist der Teilverzicht m. E. kein auslösendes Moment für eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Maßgabe des erweiterten Fremdvergleiches, weil er von der Finanzverwaltung selbst als Instrument angesehen worden war, mit dem einer verschlechterten wirtschaftlichen Situation der Kapitalgesellschaft entgegengesteuert werden kann.63 Es ist davon auszugehen, dass ein solcher Teilverzicht – auch bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Kapitalgesellschaft – gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, so dass es zu dem – vorliegend zum Verlustausgleich gewünschten – partiellen Zufluss fiktiven Arbeitslohnes kommt.64 Im Rahmen der Prüfung, ob ein Teilverzicht ausgesprochen werden solle, ist aber auch zu berücksichtigen, dass ein spätere erneute Aufstockung des Pensionsanspruches (nach Überwindung der Verlustsituation) problematisch sein kann. Es stellt sich nämlich hier die Frage, ob der aufgestockte Betrag neu den Kriterien der Erdienbarkeit zu entsprechen habe.65 Optional kann ein Teilverzicht gegen Besserungsschein zu erwägen sein. Tritt der Besserungsfall ein, handelt es sich meines Erach63 Vgl. zum Kriterium der „Finanzierbarkeit“ nach altem Recht (vor Ergehen des BFH, Urt. v. 8. 11. 2000 – I R 70/99, BStBl. 2005 II, 659) BMF, Schr. v. 14. 5. 1999 – IV C 6 – S 2742–9/99, BStBl. 1999 I, 512, Tz. 2.4.1. – A. A. aber Gosch, in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 1101: „Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der Teilverzicht auf die Versorgung wegen steuerlicher ‚Schwierigkeiten‘ des Arbeitgebers dürfte den Prototyp einer im Fremdvergleich unüblichen Handlungsweise darstellen. Kein Arbeitnehmer ohne gesellschaftliche Bindungen wird sich hierzu bereit finden“. 64 Vgl. auch BMF, Schr. v. 6. 9. 2005 – IV B 7 – S 2742–69/05, BStBl. 2005 I, 875, wonach von einer betrieblichen Veranlassung des Teilverzichtes nur ausgegangen werden kann, wenn er vor dem 20. 10. 2005 auf Grund der eingetretenen verschlechterten wirtschaftlichen Situation der Kapitalgesellschaft ausgesprochen wurde. 65 Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer muss ab dem Zusagezeitpunkt bis zum vorgesehenen Zeitpunkt des Renteneintritts mindestens noch 10 Jahre aktiv für das Unternehmen tätig sein, vgl. BFH, Urt. v. 15. 3. 2000 – I R 40/00, BStBl. 2000 II, 504; ein nicht beherrschender Gesellschafter muss im Zeitpunkt des vorgesehenen Ruhestandes 12 Jahre betriebszugehörig gewesen sein; zudem muss die Pensionszusage mindestens drei Jahre bestanden haben, vgl. BFH, Urt. v. 15. 3. 2000 – I R 40/00, BStBl. 2000 II, 504; zur Erdienbarkeit s. auch Gosch, in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 1092–1095.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ tens nicht um eine Neuzusage, die den Kriterien der Erdienbarkeit zu entsprechen habe. Der Verzicht oder Teilverzicht ist damit verbunden, dass es beim Gesellschafter zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des fingierten Arbeitslohnzuflusses kommt. Dies kann die Attraktivität der angedachten Gestaltung vor dem Hintergrund des Fortfalls des Verlustabzugs im Erbgang erhöhen, da der fingierte Arbeitslohnzufluss idealiter Verluste auf Seiten des Erblassers verbraucht und es stattdessen zu Anschaffungskosten kommt, die der Erbe bei einer Veräußerung oder Liquidation der Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens (§ 3c Abs. 2 EStG) nutzen kann. 2.4.2 Pensionszusage einer Mitunternehmerschaft Hat eine Mitunternehmerschaft einen Pensionsanspruch gewährt, hat nach Maßgabe der Rechtsprechung66 sowie der Finanzverwaltung67 die Gesellschaft für die sich aus der Pensionszusage ergebende Verpflichtung in der Gesamthandsbilanz nach Maßgabe des § 6a EStG eine Pensionsrückstellung zu bilden, wohingegen der aus der Zusage begünstigte Gesellschafter in seiner Sonderbilanz eine Forderung in entsprechender Höhe zu aktivieren hat. Kommt es zum Wegfall des Pensionsanspruchs, entsteht auf der Ebene des Gesellschafters ein außerordentlicher Aufwand, der zu Sonderbetriebsausgaben beim betreffenden Gesellschafter führt, wohingegen auf der Gesellschafterebene ein anteiliger außerordentlicher Ertrag aller Gesellschafter die Folge ist.68 Dies ist besonders problematisch, wenn der Wegfall des Pensionsanspruchs durch den Tod des Gesellschafters bedingt ist, denn in diesem Falle können durch den Wegfall der in seinem Sonderbetriebsvermögen aktivierten Rentenansprüche erhebliche Verluste entstehen, die steuerlich nicht mehr verwertet werden können.69 Umso mehr kann sich die Überlegung eröffnen, einen (Teil-)Verzicht zu Lebzeiten auszusprechen, der der Vermeidung einer entsprechenden Verlustrealisation im Falle des Todes des potenziellen Erblassers entgegenwirkt. Auch könnte zu erwägen sein, den Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft dahingehend zu ändern, dass im Zuge der Gewinnverteilung dem pensionsberechtigten Gesellschafter der gesamte durch die Zuführung zur Pensionsrückstellung bedingte Aufwand zugewiesen 66 Vgl. BFH, Urt. v. 30. 3. 2006 – IV R 25/04, BStBl. 2008 II, 171; v. 14. 2. 2006 – VIII R 40/03, BFH/NV 2006, 1198. 67 Vgl. BMF, Schr. v. 29. 1. 2008 – IV B 2 – S 2176/07/0001, BStBl. 2008 I, 317, Tz. 3, 5. 68 Vgl. BMF, Schr. v. 29. 1. 2008 – IV B 2 – S 2176/07/0001, BStBl. 2008 I, 317, Tz. 9. 69 Vgl. dazu Ley, KÖSDI 2008, 16204, 16206.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ wird.70 In einem solchen Fall ist dem Gesellschafter bei Wegfall der Pensionszusage auch der gesamte Ertrag zuzurechnen, so dass es nicht zu einem Verlust durch den Fortfall der Pensionszusage kommen kann, der nicht mehr verwertbar wäre. Dieses Gestaltungsinstrument ist indes behutsam einzusetzen, da es auch die Realisation von Verlusten ausschließt, welche beim Gesellschafter noch einen Verlustausgleich ermöglichten. 2.5 (Rückwirkende) Umwandlung 2.5.1 Prospektiver Ansatz nach Eintritt der Verlustsituation Hat der potenzielle Erblasser Verluste erlitten, kann die Einbringung eines ihm zuzurechnenden Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft zu erwägen sein. Nach Aufgabe des vorgeblichen Maßgeblichkeitsprinzips durch das UmwStG n. F.71 kann die aufnehmende Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft einen Zwischenwertansatz wählen, welcher dem Verlustabzug auf Seiten des Gesellschafters entspricht.72 Die Aufstockung auf den Zwischenwert ist danach beim potenziellen Erblasser steuerlich neutral, wohingegen der potenzielle Erbe von erhöhten Wertansätzen der aufnehmenden Kapitalgesellschaft resp. Personengesellschaft sowie – bei Einbringung in eine Kapitalgesellschaft – von höheren Anschaffungskosten für die Anteile an der Kapitalgesellschaft profitiert.73 – Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG sieht als Regelfall vor, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem 70 Eine solche abweichende handelsrechtliche Gewinnverteilungsabrede als zulässig erachtend BFH, Urt. v. 16. 10. 2008 – IV R 82/06, BFH/NV 2009, 581 (obiter dictum); Wacker, in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15 Rz. 587; ders., FR 2008, 801, 806; s. auch Ley, KÖSDI 2008, 16204, 16209. 71 Umwandlungssteuergesetz v. 7. 12. 2006, BGBl. 2006 I, 2791, als Artikel 6 des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG). 72 Nach dem BFH, Urt. v. 28. 5. 2008 – I R 96/06, BStBl. 2008 II, 953, bestand auch im Fall der Einbringung einer betrieblichen Sachgesamtheit (im Streitfall: eines Mitunternehmeranteils) in eine Kapitalgesellschaft bereits vor Änderung des UmwStG durch das SEStEG keine Bindung an den handelsbilanziellen Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens. 73 Diese unterliegen im Falle der Veräußerung innerhalb von sieben Jahren nach Einbringung dann aber der rückwirkenden Besteuerung gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG, vgl. dazu Strahl, in CARLÉ_KORN_STAHL_STRAHL, Umwandlungen, 2007, Abschn. B Rz. 185.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ gemeinen Wert anzusetzen hat. Von diesem Regelwertansatz kann aber nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG abgewichen werden, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in die Kapitalgesellschaft eingebracht wird, soweit – sichergestellt ist, dass es später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt,74 – die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen (dabei ist das Eigenkapital nicht zu berücksichtigen),75 – das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Sind die Voraussetzungen gegeben, kann das übernommene Betriebsvermögen durch die Kapitalgesellschaft auf Antrag des Einbringenden einheitlich mit dem Buchwert oder – hier interessierend – dem Zwischenwert angesetzt werden. Erfolgt eine Wertaufstockung, ergibt sich in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem gewählten Zwischenwertansatz und dem steuerlichen Buchkapital (unter Berücksichtigung der positiven und negativen Ergänzungsbilanzen) ein Gewinn, der indes in Höhe des Verlustabzugs nicht steuerwirksam wird. Hinsichtlich des Umfangs der Wertaufstockung ist die Grenze der Mindestbesteuerung i. S. des § 10d Abs. 2 EStG im Auge zu behalten. Auch ist sicherzustellen, dass durch eine klare Äußerung des Gewollten spätestens in den Erläuterungen zur Bilanz bzw. zu der Steuererklärung der Kapitalgesellschaft sichergestellt wird, dass bewusst der Zwischenwertansatz gewählt wurde. Ist das eingebrachte Betriebsvermögen verlustbehaftet, kann darüber hinaus zu berücksichtigen sein, dass die Höhe der aufgedeckten stillen Reserven glaubhaft zu machen ist (Problematik des Nachweises der vorhandenen stillen Reserven). Hingewiesen sei darüber hinaus darauf, dass im Falle des Zwischenwertansatzes sämtliche stille Reserven ermittelt und quotal gleichmäßig aufgestockt werden müssen (selektive Aufstockungen sind nicht zulässig). Lediglich der originäre Geschäftswert (ebenso der Praxiswert) ist davon auszunehmen und wird nur angesetzt, 74 Damit soll sichergestellt werden, dass das Betriebsvermögen nicht auf eine steuerbefreite Gesellschaft übertragen wird – etwa auf eine REIT-AG, vgl. dazu auch Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22, 27. 75 Auch nach § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a. F. war vorgesehen, dass bei einem negativen steuerlichen Buchkapital der einzubringenden Wirtschaftseinheit das Vermögen mindestens mit 0 Euro zu bewerten ist, so dass es in der Höhe der Differenz zwischen dem negativen steuerlichen Buchkapital und 0 Euro zur steuerwirksamen Aufstockung kommt.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ soweit der Gesamtbetrag der Wertaufstockung über die stillen Reserven der einzelnen Wirtschaftsgüter hinausgeht.76 Letztlich ist bei der Wahl der Einbringung des Betriebsvermögens in eine Kapitalgesellschaft beachtlich, dass weitere Verluste, zu denen es dann auf Seiten der Kapitalgesellschaft kommen würde, zwar über den Tod des Anteilseigners auf Ebene der Kapitalgesellschaft nutzbar bleiben, es aber nach Maßgabe des § 8c KStG bei Anteilsübertragungen innerhalb von fünf Jahren von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals oder der Stimmrechte an einen Erwerber (oder eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen) zu einer partiellen Versagung des Verlustabzuges auf Seiten der Kapitalgesellschaft kommen kann (überschreitet die Anteilsübertragung an den Erwerber oder die Erwerbergruppe innerhalb des Fünfjahreszeitraums 50 % des gezeichneten Kapitals oder der Stimmrechte, geht der Verlustabzug vollständig verloren). Einschränkend ist hier aber zu berücksichtigen, dass ein Anteilserwerb durch Erbfall einschließlich der unentgeltlichen Erbauseinandersetzung sowie der unentgeltlichen vorweggenommenen Erbfolge von § 8c KStG – anders als der Anteilserwerb im Wege der Schenkung sowie der entgeltliche Anteilserwerb – nicht erfasst wird.77 – Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft Auch für die Einbringung in eine Personengesellschaft gilt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG der Grundsatz, dass die Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter mit dem gemeinen Wert anzusetzen habe. In Inlandsfällen kann das übernommene Betriebsvermögen auf Antrag mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert – höchstens aber dem gemeinen Wert – angesetzt werden, vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. Auch hier kann infolgedessen ein Zwischenwertansatz zum Verbrauch eines Verlustabzuges des einbringenden Gesellschafters gewählt werden. Es sind dann sämtliche stille Reserven gleichmäßig (nach dem Verhältnis der gesamten stillen Reserven zu dem Aufstockungsbetrag insgesamt) aufzudecken; eine selektiv auf einzelne Wirtschaftsgüter bezogene Aufstockung wird steuerlich nicht anerkannt (wiederum mit Ausnahme des selbst geschaffenen Geschäfts- oder Praxiswertes, der von der Aufstockung ausgenommen werden kann). Der Zwischenwertansatz führt zu höheren Wertansätzen auf Seiten der übernehmenden Personengesell-

76 Vgl. BMF, Schr. v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978–21/98/IV B 2 – S 1909–33/98, BStBl. 1998 I, 268, Tz. 22.03 (Umwandlungssteuererlass). 77 Vgl. BMF, Schr. v. 4. 7. 2008 – IV C 7 – S 2745a/08/10001, BStBl. 2008 I, 736, Rz. 4.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ schaft, die im Falle der vorweggenommenen Erbfolge oder des Übergangs von Todes wegen durch den Rechtsnachfolger fortgeführt werden. Als Grenzen der Gestaltung sind erneut die Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass ein Zwischenwert höchstens im Umfang der tatsächlich vorhandenen stillen Reserven gewählt werden darf. Es ist infolgedessen bei Einbringung verlustbehafteten Betriebsvermögens dafür Sorge zu tragen, die erhöhten Wertansätze entsprechend dokumentieren zu können. 2.5.2 Retrospektiver Ansatz nach Erbfall Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes den Verlustabzug noch nicht verbraucht und gehört zu seinem Vermögen ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil mit stillen Reserven, ist zu prüfen, ob durch eine rückwirkende Umwandlung der Verlustabzug durch die Wahl eines Zwischenwertansatzes in Anspruch genommen werden kann und es dergestalt zur Generierung erhöhter Abschreibungsbemessungsgrundlagen für den Erben kommt. Dieser Gestaltungsansatz setzt zunächst voraus, dass – pietätlos gesprochen – der Betriebsinhaber rechtzeitig verstirbt; denn die rückwirkende Umwandlung ist nur innerhalb von acht Monaten nach Ende des Wirtschaftsjahres zulässig (§ 20 Abs. 6, § 24 Abs. 4 UmwStG). Zum zweiten setzt sie bei der Umwandlung in eine Personengesellschaft, die für den Erben steuerlich besonders attraktiv sein kann, voraus, dass sich diese im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, also der Verschmelzung auf die Personengesellschaft vollzieht. Die rückwirkende Einbringung des Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist demgegenüber nicht zulässig, da es sich um einen Fall der Einzelrechtsnachfolge handelt. Kernpunkt der Gestaltungsfragen ist aber, ob es zulässig ist, dass der Umwandlungsbeschluss durch den Erben gefasst wird, der Übertragungsgewinn aber auf Grund der rückwirkenden Umwandlung dem Erblasser zuzurechnen ist und dort zu einem partiellen Verbrauch des Verlustabzuges führt. Die Zulässigkeit der rückwirkenden Einbringung ist meines Erachtens in Fällen der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft zweifellos zu bejahen, da der Antrag auf Rückbeziehung durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft selbst zu stellen ist.78 Die Kapitalgesellschaft ist eine eigenstän-

78 Vgl. Schmitt, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwStG Rz. 255; so wohl auch die Finanzverwaltung, vgl. BMF, Schr. v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978–21/98/IV B 2 – S 1909–33/98, BStBl. 1998 I, 268,

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ dige Rechtsperson und deswegen von der physischen Existenz ihrer Gesellschafter unabhängig. Die Rückbeziehung scheitert infolgedessen nicht daran, dass zwischenzeitlich einer der Gesellschafter – und sei es auch der Alleingesellschafter – verstorben ist. Auch die Rückwirkung nach § 24 Abs. 6 UmwStG setzt einen Antrag der aufnehmenden Personengesellschaft voraus. An dieser sind nach dem Erbgang zwar andere Gesellschafter beteiligt, doch schränkt dies die Möglichkeit, den Antrag auf Rückbeziehung zu stellen, nicht ein.79 Als zweite Frage stellt sich, ob auf Grund der – zulässigen – rückwirkenden Einbringung der Einbringungsgewinn tatsächlich noch beim Erblasser entsteht. Dies verneint Piltz im Hinblick darauf, dass die „Fußstapfentheorie“, nach welcher der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in die Position des Erblassers einrückt, keine Anwendung im Umwandlungssteuerrecht finde.80 Dies ist m. E. zweifelhaft, weil das UmwStG insgesamt einen rückwirkenden Vermögensübergang mit allen steuerlichen Konsequenzen für die Steuern vom Einkommen sowohl des Einbringenden als auch für die übernehmende Kapitalgesellschaft vorgibt.81 Einbringender ist zwar der Rechtsnachfolger, doch werden die steuerlichen Konsequenzen auf den Zeitpunkt der Einbringung ausgelöst. Da der Rechtsnachfolger zu diesem Zeitpunkt noch nicht Gesellschafter war, der Gesellschafterstatus aber in Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (Nachfolgeklausel), gelten die Rechtsfolgen für im Rückbezugszeitraum ausgeschiedene Mitunternehmer82 für den Erblasser nicht, so dass ihm der Einbringungsgewinn zuzurechnen ist.83

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Tz. 20.31 („Aus der Bilanz oder der Steuererklärung muss sich ergeben, welchen Einbringungszeitpunkt die Kapitalgesellschaft wählt“). Vgl. zur Ausübung des Rückbeziehungswahlrechtes durch die Personengesellschaft BMF, Schr. v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978–21/98/IV B 2 – S 1909–33/98, BStBl. 1998 I, 268, Tz. 24.04 i. V. m. Tz. 20.31; Schmitt, in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 24 UmwStG Rz. 144, 147. Vgl. Piltz, ZEV 2008, 376, 378. Vgl. Schmitt, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwStG Rz. 240. Vgl. dazu Schmitt, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwStG Rz. 251; Patt, in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG (SEStEG) Tz. 326–328 (Stand: Juli 2007); Widmann, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG R 297 (Stand: April 2007). So im Ergebnis auch Nickel/Hilgers, FR 2004, 457, 460; Paus, FR 2008, 452, 454 f.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ 2.6 Nachfolgeklauseln bei Personengesellschaften Bei Eintritt einer Verlustsituation auf Seiten des potenziellen Erblassers kann auch die Überprüfung der Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft angezeigt sein, an der der potenzielle Erblasser beteiligt ist. Insoweit können vor dem Hintergrund eines drohenden Verlustuntergangs im Erbfall folgende Klauseln erwägenswert sein: – Die Festlegung einer qualifizierten Nachfolgeklausel bedingt, dass nicht alle Miterben, sondern nur einer oder einzelne der Miterben dem Erblasser in seiner Gesellschafterstellung nachfolgen. Nur diese qualifizierten Miterben sind nach Erbgang als Mitunternehmer anzusehen.84 Gehört zum Mitunternehmeranteil des potenziellen Erblassers auch Sonderbetriebsvermögen, kommt es bei Vereinbarung der qualifizierten Nachfolgeklausel im Erbfall zu einer anteiligen Entnahme des Sonderbetriebsvermögens, soweit es auf die nicht qualifizierten Miterben entfällt.85 Dieser Entnahmegewinn ist noch dem Erblasser zuzurechnen86 und führt bei ihm folglich zur Nutzung eines festgestellten Verlustabzuges. Im Gegenzug sind die Wertansätze anteilig mit Bezug auf die nicht qualifizierten Miterben zu erhöhen, so dass diese zukünftig von einer erhöhten Abschreibungsbemessungsgrundlage profitieren. – Als vorteilhaft kann sich in der Verlustsituation auch die gesellschaftsvertragliche Abrede herausstellen, dass dem Gesellschafter bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft ein Abfindungsanspruch zustehe, die Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils aber ausgeschlossen wird (Fortsetzungsklausel). Vollzieht sich das Ausscheiden durch seinen Tod, ist der durch diesen Vorgang entstehende Veräußerungsgewinn noch dem Erblasser zuzurechnen und unterliegt bei diesem der tarifbegünstigten Besteuerung.87 In jenem Umfang, in dem dem Veräußerungsgewinn auf Grund des Abfindungsanspruchs noch nicht verbrauchte Verlustabzüge gegenüberstehen, bleibt der Veräußerungsgewinn beim Erblasser unbesteuert und geht in diesem Umfang steuerlich ungeschmälert auf die Erben über. Der Anspruch auf die Ausgleichszahlung ist im Erbfall ein Anspruch der Erben, der aber zu steuerlichen Konsequenzen beim Erblasser führt.

84 85 86 87

Vgl. BFH, Urt. v. 29. 10. 1991 – VIII R 51/84, BStBl. 1992 II, 512. Vgl. BMF, Schr. v. 14. 3. 2006 – IV B 2 – S 2241–7/06, BStBl. 2006 I, 253, Tz. 73. Vgl. BMF, Schr. v. 14. 3. 2006 – IV B 2 – S 2241–7/06, BStBl. 2006 I, 253, Tz. 74. Vgl. BFH, Urt. v. 15. 4. 1993 – IV R 66/92, BStBl. 1994 II, 227.

406

Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ 3. Gestaltungserwägungen zu Privatvermögen 3.1 Vorweggenommene Übertragung Ist absehbar, dass die Veräußerung eines steuerverstrickten Wirtschaftsgutes des Privatvermögens beim potenziellen Erblasser zu einem Verlust führte, der nach Maßgabe des BFH-Beschlusses vom 17. 12. 2007 nicht auf den Erben übergeht, kann zu erwägen sein, das betreffende Wirtschaftsgut auf den potenziellen Erben im Wege der Schenkung zu übertragen. Sollte der Verlust tatsächlich zu realisieren sein, entsteht der Verlust dann nicht in der Sphäre des Erblassers, sondern des Übernehmers und ist bei diesem verwertbar. Im Einzelnen ist in diesem Zusammenhang das Folgende zu berücksichtigen: 3.1.1 Die Übertragung der steuerverstrickten Wirtschaftsgüter des Privatvermögens muss sich unentgeltlich vollziehen. Ein Entgelt – auch in Gestalt der Übernahme von Verbindlichkeiten – führte zur Annahme eines teilentgeltlichen Geschäftes nach Maßgabe der Trennungstheorie.88 3.1.2 Handelt es sich bei dem verlustbehafteten Wirtschaftsgut um eine Beteiligung i. S. des § 17 EStG, ist zu berücksichtigen, dass die Realisation des Verlustes – im Veräußerungsfall – mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums eintritt89 oder – in Liquidationsfällen – bedingt, dass das Liquidationsverfahren abgeschlossen ist, mithin feststeht, Auskehrungen in welcher Höhe noch an die Gesellschafter erfolgen und ob diese mit der Inanspruchnahme aus Bürgschaften zu rechnen haben, die für Gesellschaftszwecke hingegeben worden sind.90 Kommt es nach dieser Maßgabe zur Realisation des Verlustes nach dem 31. 12. 2008, wirkt sich der Verlust nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % steuerlich aus statt bislang nur zu 50 %, was ein zusätzlicher Anreiz dazu sein kann, die Verlustrealisation zu verschieben. 3.1.3 Wird die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG nicht erreicht, sind Anteile an Kapitalgesellschaften grundsätzlich erst bei Anschaf88 Vgl. dazu BFH, Urt. v. 26. 9. 1991 – XI R 13/89, BFH/NV 1992, v. 24. 4. 1991 – 99; XI R 5/83, BStBl. 1991 II, 793; BMF, Schr. v. 26. 8. 2002 – IV C 3 – S 2255–420/02, BStBl. 2002 I, 893, Rz. 22.2; v. 13. 1. 1993 – IV B 3 – S 2190–37/92, BStBl. 1993 I, 80, Tz. 14. 89 Vgl. BFH, Urt. v. 22. 7. 2008 – IX R 74/06, DStR 2008, 1921; v. 4. 7. 2007 – VIII R 68/05, DB 2007, 2348, 2349; v. 11. 7. 2006 – VIII R 32/04, BStBl. 2007 II, 296; v. 17. 2. 2004 – VIII R 26/01, BStBl. 2004 II, 651, 654; v. 17. 2. 2004 – VIII R 28/02, BStBl. 2005 II, 46. 90 Vgl. BFH, Urt. v. 1. 3. 2005 – VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2171; BFH, Beschl. v. 1. 4. 2005 – VIII B 199/03, BFH/NV 2005, 1772; v. 22. 11. 2005 – VIII B 308/04, BFH/NV 2006, 539.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ fung nach dem 31. 12. 2008 steuerlich verstrickt. Kommt es im späteren Verlauf zur Realisation eines Verlustes, besteht nur die Möglichkeit eines horizontalen Verlustausgleiches innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen – bei Aktien weiter eingeschränkt auf etwaige Gewinne aus der Veräußerung von Aktien.91 Droht bei Veräußerung von Wertpapieren innerhalb des Einjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein Verlust (betroffen können insoweit nur Wertpapiere sein, die vor dem 1. 1. 2009 erworben werden, da in § 23 Abs. 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2009 die unbeschränkte Subsidiarität der Norm festgeschrieben ist), gilt, dass ein Verlust „in der bis zum 31. 12. 2008 anzuwendenden Fassung“ der Norm auch mit Gewinnen aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften i. S. des § 20 Abs. 2 EStG bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2013 ausgeglichen werden kann. Unklar ist aber, wie Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften zu handhaben sind, die im Jahr 2009 innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung realisiert werden. Weil der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Veräußerung ausgelöst wird, ist nicht auszuschließen, dass die Übergangsregelung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG nicht gilt, welche nur „Verluste … in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung“ betrifft. Ein entsprechender Verlust könnte dann nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Es kann deswegen im Einzelfall (wenn eine Werterholung nicht wahrscheinlich erscheint oder nicht abgewartet werden soll) zu erwägen sein, eine verlustbehaftete Wertpapierveräußerung nach Anteilsübertragung innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist in das Jahr 2008 einzubeziehen. 3.1.4 Die Veräußerung eines Grundstückes innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist mit der Problematik verbunden, dass nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG eine Minderung der Anschaffungsoder Herstellungskosten um Absetzungen für Abnutzungen und Sonderabschreibungen stattfindet, soweit sie im Rahmen der Einkünfteermittlung vollzogen wurden. Letztlich führt dies zur Verminderung eines Veräußerungsverlustes oder Erhöhung eines Veräußerungsgewinns um die steuerlich geltend gemachten Absetzungen für Abnutzungen. 3.1.5 Die Übertragung steuerlich verstrickten Privatvermögens im Wege der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist durch § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG beträchtlich eingeschränkt worden. Betroffen sind nach § 52 Abs. 23e Satz 1 EStG alle Versorgungsleis91 Vgl. § 43a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG; dazu Hörster/Merker, NWB F 2, 9351, 9360 (Heft 28/2007).

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ tungen, die auf Vermögensübertragungen beruhen, welche nach dem 31. 12. 2007 vereinbart werden. Im Rahmen des steuerlich verstrickten Privatvermögens ist danach nur noch die Übertragung einer etwaig verlustbehafteten Beteiligung von mindestens 50 % an einer GmbH im Wege der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zulässig, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG).92 Ein Mindestzeitraum für die Bestellung des Übergebers als Geschäftsführer oder für die Fortführung der Geschäftsführertätigkeit durch den Übernehmer ist nicht normiert, könnte verwaltungsseitig indes postuliert werden. Fraglich ist darüber hinaus, ob es steuerschädlich ist, wenn der Übernehmer bereits vor der Übertragung als Geschäftsführer tätig war. EUrechtlich problematisch ist, dass nach dem Gesetzeswortlaut nur Anteile an einer GmbH und damit nicht an einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft begünstigt sind.93 Nach der gesetzlichen Regelung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen besteht insbesondere nicht mehr steuerlich begünstigt die Möglichkeit, Immobilien gegen Versorgungsleistungen zu übertragen. Gleiches gilt hinsichtlich der Übertragung von Wertpapieren, Anteilen an Kapitalgesellschaften, die zum Privatvermögen rechnen und nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG begünstigt sind, und typisch stillen Beteiligungen. Es kann zu prüfen sein, ob sich die Übertragung gegen Vorbehalt des Nießbrauchs als Gestaltungsoption anbietet. In diesem Falle sind die Erträge des übergebenen Vermögens vom Übertragenden zu versteuern, während es beim Übernehmenden nur insoweit zur Steuerminderung kommt, dass die Erträge nicht bei ihm anfallen. 3.2 Veräußerung Als prospektiver Ansatz bei entstandenen Verlusten kann auch die Veräußerung steuerverstrickten Privatvermögens zum Ausgleich des Verlustes auf Seiten des potenziellen Erblassers erwogen werden.

92 Vgl. insoweit zutreffend kritisch zum Wertungswiderspruch zwischen Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerrecht Schmidt/Schwind, NWB F 3, 14887, 14891 (Heft 51/2007). 93 Vgl. kritisch auch Wälzholz, DStR 2008, 273, 275 f., der sich dafür ausspricht, im Wege der verfassungskonformen Auslegung auch die AG, Limited, SARL, SRL, BV und vergleichbare Kapitalgesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm einzubeziehen.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ Eine solche Veräußerung kann auch an Angehörige oder eine eigene Erwerber-GmbH erfolgen.94 Die Veräußerung an den Angehörigen darf aber nicht mit einer zeitlich nahen Schenkung des Kaufpreises verbunden sein, weil im Übrigen in wirtschaftlicher Hinsicht eine unentgeltliche Übertragung in Umsetzung eines Gesamtplanes bejaht wird.95 In der Literatur wird darüber hinaus vertreten, die Nutzung eines Verlustabzugs noch beim Erblasser könne auch durch einen Kaufvertrag auf den Todestag herbeigeführt werden.96 Dies setzt indes voraus, dass der entsprechende Gegenstand nicht Teil der Erbmasse werden darf, vielmehr das wirtschaftliche Eigentum noch durch den Erblasser abgetreten wird. Paus bejaht dies für den Fall, dass sich der verkaufte Gegenstand bereits im Besitz des Erwerbers befindet oder ein Herausgabeanspruch z. B. gegen die Bank unmittelbar auf den Erwerber statt auf die Erben übergeht. Wälzholz97 schlägt für einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag auf den Todesfall die Formulierung vor, dass der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten in dem Zeitpunkt auf den Käufer übergehen, in dem ein „unumkehrbarer Sterbeprozess“ eingetreten ist. Dies sei stets 10 Minuten vor dem tatsächlichen Tod als erfüllt anzusehen. Die Gestaltung wird allerdings – so zutreffend Wälzholz – nicht anerkannt werden können, wenn der Vertragspartner des Kaufvertrags alleiniger Erbe ist, weil er dann den Kaufpreis nur an sich selbst zahlen könnte.98 Zudem müssen außersteuerrechtliche Gründe für die gewählte Konstruktion angegeben 94 Vgl. zur gezielten Verlustrealisierung durch die Übertragung von Anteilen i. S. von § 17 EStG durch die Gesellschafter einer GmbH an eine eigens dafür gegründete Beteiligungs-GmbH, deren Zweck ausschließlich das Halten der übertragenen Beteiligung war, BFH, Urt. v. 29. 5. 2008 – IX R 77/06, BStBl. 2008 II, 789 (Verneinung der Annahme von Gestaltungsmissbrauch). 95 Vgl. BFH, Urt. v. 27. 10. 2005 – IX R 76/03, BStBl. 2006 II, 359. Diesem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass die Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes das Wohnhaus auf der Hofstelle an den Sohn zu einem Kaufpreis von 100.000 DM veräußerten. Der Sohn finanzierte den Kaufpreis in voller Höhe durch die Aufnahme eines Darlehens und überwies dem Vater den fälligen Betrag im Dezember 1996. Dieser legte den Betrag als monatlich fälliges Termingeld an, löste das Festgeldkonto aber im Oktober 1997 auf und schenkte dem Kläger den angelegten Betrag zuzüglich der entstandenen Guthabenzinsen. Mit dem geschenkten Betrag löste der Sohn das Darlehen noch im selben Monat ab. – Der IX. Senat stufte die Gestaltung zur Erlangung der Eigenheimzulage als rechtsmissbräuchlich ein, weil die spätere Rückschenkung des Geldbetrages durch den Vater bereits bei Vereinbarung und Zahlung des Kaufpreises durch den Sohn vereinbart gewesen sei und damit von vornherein Gegenstand eines Gesamtplanes war, dem Sohn das Haus wirtschaftlich unentgeltlich zu überlassen. 96 Vgl. Paus, FR 2008, 452, 456. 97 Vgl. Wälzholz, DStR 2008, 1769, 1770. 98 Vgl. Wälzholz, DStR 2008, 1769, 1770.

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Strahl, „Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs – was tun?“ werden können, um der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs begegnen zu können. 3.3 Veranlagungsoption bei Kapitalerträgen Tritt eine Verlustsituation ein und ist der Steuerpflichtige an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, ist zu prüfen, ob eine Gewinnausschüttung beschlossen werden kann. Diese führt noch bis zum 31. 12. 2008 zu Einkünften des Gesellschafters, die nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens zu erfassen sind. Eines Liquiditätsabflusses bedarf es insoweit nicht. Ausreichend ist vielmehr, dass der Gesellschafter eine Forderung auf die Auszahlung der auf ihn entfallenden Gewinnausschüttung hat.99 Maßgeblich für den Zufluss der Gewinnausschüttung ist bei beherrschenden Gesellschaftern ebenso wie bei Beteiligungen im Rahmen des Betriebsvermögens der Zeitpunkt, in dem der Gewinnausschüttungsbeschluss gefasst wird.100 Auch bei einem nicht beherrschenden Gesellschafter gilt eine Gewinnausschüttung bereits als zugeflossen, wenn er nach dem Beschluss – etwa durch Gutschrift auf seinem Verrechnungskonto – über sie verfügen kann. Kommt es nach dem Gewinnausschüttungsbeschluss zum Erbfall, erlangen die Erben die Forderung gegenüber der Kapitalgesellschaft, deren Auszahlung ertragsteuerfrei ist. Nach Einführung des besonderen Steuersatzes gem. § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 26,375 % (inkl. Solidaritätszuschlag; hinzu tritt gegebenenfalls die Kirchensteuer gem. § 32d Abs. 1 Satz 4, 5 EStG) ist zu prüfen, ob in Anbetracht einer Verlustsituation der Antrag auf die Einbeziehung der Kapitalerträge in die Festsetzung der tariflichen Einkommensteuer gem. § 32d Abs. 6 EStG zu stellen ist. Die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte werden dann den übrigen Einkünften hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt (Günstigerprüfung). Der Antrag kann nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge und bei zusammen veranlagten Ehegatten nur für sämtliche Kapitalerträge beider Ehegatten gestellt werden. Die Stellung des Antrages ist sinnvoll, falls der individuelle Grenzsteuersatz unter Einbeziehung der Kapitalerträge des Steuerpflichtigen – etwa auf Grund der eingetretenen Verlustsituation – weniger als 25 % der Kapitalerträge beträgt. Dieser Grenzsteuersatz wird bei einzeln zur Einkommensteuer Veranlagten bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von rd. 13.000 Euro, bei zusammen zur Einkommensteuer Veranlagten bei einem zu versteuernden Einkommen von rd. 26.000 Euro erreicht. 99 Vgl. z. B. H 20.2 (Zuflusszeitpunkt) EStH 2007. 100 Vgl. BFH, Urt. v. 8. 3. 1989 – X R 9/86, BStBl. 1989 II, 714, 717; H 20.2 (Zuflusszeitpunkt) EStH 2007.

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Sachregister

Abgeltungsteuer – Aktienanleihen, Tausch 303 – Aktienerhalt als Kapitalmaßnahme 301 – Aktienveräußerungsverluste 296 – Aktienzuteilung ohne gesonderte Gegenleistung 306 – Altersvorsorge-Produkte 326 – Alt-Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften 294, 298 – Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften 299 – Anrechnung ausländischer Quellensteuern 293 – Anteilstausch/ausländische Körperschaften 302 – Anteilsveräußerung 290 – Ausländische Körperschaften/ Anteilstausch 302 – Ausländische Steuern 291 – Auslandsdividenden 291 – Ausschüttungsgleiche Erträge/Neudefinition 317 – Back-to-Back-Finanzierungen 310 – Berufliche GmbH-Tätigkeit 310 – Beteiligungsquote 25 % und mehr 310 – Betriebseinnahmen inländischen Betriebs 291 – Bezugsrechte 302 – Darlehen (Ausnahme) 307 – Darlehen zwischen Privatpersonen 292 – Depot- und Kontoführungsgebühren 290 – Einkommensteuer-Festsetzung 291 – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 291 – Einkünfteumwandlung 309 – Einkunftsbegriff, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen 291 – Ertrags- und Vermögenssphäre/Kapitalanlagen 289 – Freistellungsauftrag 290, 297

– Geldmarktfonds/steueroptimierte 325 – Gewinne aus Veräußerung/Einlösung von Kapitalanlagen 288 – Gläubiger und Schuldner als nahestehende Personen 307 – Günstigkeitsprüfung 295 – Handelsbilanz (BilMoG) 235 – Hausbankprinzip 307 – Immobiliengewinn 323 – Investmentfonds-Sparplan 326 – Investmentsteuerrecht 314 – Investmentvermögen/ Anteilsveräußerung 323 – Investmentvermögen/ Anteilsveräußerung bei ausländischem thesaurierten und im Inland verwahrten 295 – Jahresbescheinigung § 24c EStG a. F. 295 – Kapitalertragsteuerabzug 290 – Kapitalertragsteuerabzug/ Abstandnahme 290 – Kapitallebensversicherungen 327 – Kindbedingte Freibeträge 293 – Kirchensteuer 299 – Kreditinstitut/ Verlustverrechnung 295 – Lebensversicherung 314 – Mitunternehmerschaften/ Fremdfinanzierung 309 – Negative Einnahmen/ Vorziehen 335 – Option gegen die Abgeltungsteuer 310 – Optionsprämien/vereinnahmte 290 vereinnahmte 290 – Pauschal-Bemessungsgrundlage 293 – Privatanleger/ Handlungsmöglichkeiten 333 – Private Forderungen/Einzug unter dem Nennwert 337 – Progressionsvorbehalt 289 – Reichensteuer 289 – Rentenversicherungen/ fondsgebundene 331

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Sachregister – Sparer-Pauschbetrag 290, 293, 297 – Spendenabzug 292 – Steuerabzug an der Quelle, unterbliebener 292 – Steuereinbehalt/Überprüfung 294 – Steuersatzspreizung/ Ausnutzung 307 – Stille Beteiligung (Ausnahme) 307 – Stillhalter-Barausgleich 290 – Stillhaltergeschäfte/ Alt-Verluste 299 – System 289 – Teileinkünfteverfahren 311 – Termingeschäfte 290 – Termingeschäfte/Erträge 290 – Umtauschanleihen 303 – Unterhalts- und Ausbildungsfreibetrag 292 – Unternehmerische Beteiligungen 311 – UntStRefG 2008 289 – Veranlagungsoption zum individuellen Steuersatz 294 – Veräußerungsgeschäfte, private/AltVerluste 299 – Verfall von Options- und Bezugsrechten 290 – Verlust/VerlustvortragBerücksichtigung 294 – Verlustrücktrag 289 – Verlustverrechnungsbeschränkungen und KESt-Abzug 295 – Verlustverrechnungstopf und Freistellungsauftrag 297 – Verlustverrechnungstöpfe 296 – Verlustverrechung/Verluste aus Kapitalvermögen 289 – Versicherungsleistungen 314 – Wahlveranlagung zum Abgeltungsteuersatz 293 – Wandel-, Aktien- und Umtauschanleihen 303 – Werbungskosten-Abzug 290, 296 – Zinsen auf Finanzierung von Kapitalanlagen 290 Abschreibungen – Zinsvereinbarungen 310 Absicht – Gestaltungsmissbrauch 42

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Aktivierungsverbote/Aktivierungswahlrechte – Handelsbilanz (BilMoG) 230 Allgemeines Rechtsprinzip – Steuerentstrickung 194 Altersversorgungsverpflichtungen – Verrechnungsverpflichtung (BilMoG) 230 Altersvorsorge-Produkte – Abgeltungsteuer 326 Angehörige – Mietverträge untereinander 43 Angemessenheit und Rechtsordnung s. Gestaltungsmissbrauch Angemessenheit/Unangemessenheit s. Missbrauchsregelung Anlagevermögen – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Anrechnungsverfahren – Körperschaftsteueraufkommen beim Systemwechsel 19 Anschaffungskosten – Handelsbilanz (BilMoG)/steuerliche Folgen 233 Anteile s. Beteiligungsbesitz Arbeitsplatzwirkung – Lohnsummenregelung/ Erbschaftsteuerreform 106 Archive – Erbschaftsteuerreform 89 Aufspaltung/Abspaltung – Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften 215 Ausland – Abwicklung von Wertpapiergeschäften 46 Ausländische Betriebsstätte – Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug 215 – Selbsterstellte Wirtschaftsgüter/ Überführung aus dem Stammhaus 205 – Wirtschaftsgüterüberführung aus inländischem Stammhaus 207

Sachregister Ausländische Tochtergesellschaft – Beteiligungsveräußerung an inländische Mutter/verhinderte Vermögensmehrung 154 Ausländische Unternehmen – Erwerbsfälle und Zwischenholding 23 Ausländisches Kompetenzzentrum – Entwicklung im Ausland 31 Ausländisches Recht – Gesellschafterfremdfinanzierung 149 Ausländisches Vermögen – Drittstaatenvermögen/ Drittstaatenbeteiligungen und Erbschaftsteuerreform 119 Auslandsverlagerung – Steuersubstrat 17 Außersteuerliche Gründe – Gestaltungsmissbrauch/ fehlende – 59 Basisgesellschaft – Hinzurechnungsbesteuerung/ Gestaltungsmissbrauch 50 Beihilfe – Beraterstellung 350 Beschränkte Steuerpflicht – Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug 215 – Wegzug/Fortbestand 211, 213 Beteiligungsbesitz – Beteiligungsbündelung aus erbschaftsteuerlichen Gründen 118 – Betriebsstättenzugehörigkeit 185 – Entnahme von Kapitalgesellschaftsanteilen 206 – Erbschaftsteuerreform/begünstigtes Vermögen 84 – Erbschaftsteuerreform/Anteile als Verwaltungsvermögen 89 – Erbschaftsteuerreform/ Beteiligungsbesitz als Verwaltungsvermögen 130 – Erbschaftsteuerreform/Vergleich Personen- und Kapitalgesellschaft 114

– Personengesellschaften/ Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen 183 – Personengesellschaftsanteil/ Handelsbilanz und Steuerbilanz 266 – und Begriff der verdeckten Einlage 151 – Vertragserfüllung und wirtschaftliches Eigentum 248 – Wesentliche Beteiligung s .dort Betriebliches Vermögen – Erbschaftsteuerreform/ Verschonungsregelungen s. dort Betriebsaufgabe – Entstrickungsprinzip 199 – Herbeiführung 392 – Steuerentstrickung/extreme Begriffsauslegung 194 Betriebsaufspaltung – Erbschaftsteuerreform 81 Betriebsstätte – Betriebsvermögenstransfer, grenzüberschreitender 195 – Erbschaftsteuerreform/begünstigtes Vermögen 84 – Leitungsbetriebsstätte 189 – Nurbetriebsstätte/DBA-Recht 188 – Personengesellschaft und Abkommensanwendung 178 – Stammhaus und Betriebsstätte/Zinszahlungen 182 – Umwandlungen mit Auslandsbezug/ Inlandsbezug 216, 218 – Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen/DBA-Recht 187 – Zuordnung von Wirtschaftsgütern 183 Betriebsveräußerung – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 390 Betriebsvermögen – Buchwertverknüpfung 199 – Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderung 204 – Steuerentstrickung s.dort – Transfer, grenzüberschreitender (SEStEG) 195

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Sachregister – Überführung fremdfinanzierter Kapitalanlagen in das – 340 – Übertragung in das Privatvermögen 205 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 384 – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Betriebswirtschaftliche Steuerlehre – Fachinstitut/Mitwirkung an den Aufgaben 2 – Kernbereich zielorientierter Gestaltung 346 Bewegliche Sachen – Vertragserfüllung und wirtschaftliches Eigentum 245 Bewertungseinheiten – Handelsbilanz (BilMoG) 237 Bewertungsgrundsätze – Handelsbilanz (BilMoG) 233 Bewertungsvereinfachungen – Handelsbilanz (BilMoG)/steuerliche Zulässigkeit 236 Bibliotheken – Erbschaftsteuerreform 89 Bilanzberichtigung/Bilanzänderung – Steuerbilanz 277 Bilanzrecht – Handelsbilanz (BilMoG) s. dort Bilanzsteuerrecht s. Steuerbilanz BilMoG/Verabschiedung s. Handelsbilanz (BilMoG) Börsenklausel – Dividenden-Stripping 47 Briefkastengesellschaft – Hinzurechnungsbesteuerung/ Gestaltungsmissbrauch 46 Buchwertverknüpfung – Sicherstellung der Besteuerung/ Fälle 199 Bundesverband der Deutschen Industrie – Rechtstatsachenfeststellung 18 Bundesverfassungsgericht – Erbschaftsteuerreform/ Leitlinien 15

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DAX-Unternehmen – Besteuerung irischer Finanzierungsgesellschaften 12 – Gewerbesteuerzahlungen Münchener Unternehmen 11 Deutsche Industrie – Steuersätze und Wettbewerbsfähigkeit 21 Deutscher Industrie- und Handelskammertag – Rechtstatsachenfeststellung 18 Dividenden-Stripping – Sondergesetzliche Konkretisierung 47 Doppelbesteuerung – Besteuerung der Funktionsverlagerung 32 – Erbschaftsteuerreform/ Doppelbelastung mit ESt 138 – Korrespondenzprinzip vGA, verdeckte Einlagen zur Vermeidung 147 Doppelbesteuerungsabkommen – Steuerentstrickung 196 – Wegzugsfälle 210, 212 Doppelbesteuerungsabkommen/Personengesellschaften – Abkommensauslegung 171 – Betriebsstätte/Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen 187 – Betriebsstätten-Erlass 174 – Betriebsstättenselbständigkeit/ eingeschränkte 182 – Betriebsstättenvorbehalt 174 – Betriebsstättenzugehörigkeit eines Wirtschaftsguts 184 – BMF-Entwurfsschreiben 10. Mai 2007 169 – Doppelbesteuerung aufgrund Qualifikationskonflikts 173 – Dynamische oder statische Abkommensauslegung 172 – Forderungsbegriff DBA-USA 177 – Funktionale Betrachtung/Zuordnung von Wirtschaftsgütern 183 – Geschäftsleitende Holdingfunktion über Auslandsvertriebsgesellschaften 185

Sachregister – Gesellschafterfremdfinanzierung, grenzüberschreitende 175 – Gesetzesänderung § 50d Abs. 9 EStG 172 – Gewerblich geprägte Gesellschaften 171 – Intransparente Gesellschaft im Sitzstaat 171 – Kapitalgesellschaftsbeteiligung in Drittstaaten/Zuordnung auf Ausländische Personengesellschaft 183 – Kapitalimportneutralität 170 – Keinmalbesteuerungsverhinderungsklauseln 171 – Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad 182 – Leitungsbestriebsstätte 189 – Lex-fori-Klausel 177 – Limited Liability Company (BMF-Schreiben) 170 – Niederlande-DBA/ Drittstaateneinkünfte 185 – Nurbetriebsstätte 188 – OECD Update 2008 182 – OECD-MK 2000 170 – OECD-Partnership-Report 170, 174 – Outbound-Fälle, InboundFälle 175, 187 – Personengesellschaft und Gesellschafter bei der Abkommensanwendung 178 – Personengesellschaft und Gesellschafter wie Stammhaus und Betriebsstätte 178 – Rechtstypenvergleich 170 – Rechtszuständigkeit, eigene 191 – Rückgriff auf deutsches Steuerrecht 177 – Sondervergütung/Umqualifizierung und Zinsschranke 176 – Sondervergütungen (BFH 17.10.2007) 171, 172 – Stammhaus und Betriebsstätte/ Zinszahlungen 182 – Transparenzprinzip 179 – Treaty overriding 172, 191 – Veräußerungsgewinne/ Zuordnungsgrundsätze für bewegliche Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte 186 – Vielheitsprinzip 178

– Wirtschaftsgüter/Zuordnung 183 – Zinsbegriff DBA-USA 177 – Zinsen als Sondervergütungen nationalen Rechts, als DBA-Zinsen 174 – Zinsen als Unternehmensgewinne 181 – Zinsen/Erfordernis zweier abkommensberechtigter Personen 180 – Zinsschranke 175 Doppeloptionen – Termingeschäft 250 Dritter – Steuervorteile aufgrund Rechtsmissbrauchs 57 Drohverlustrückstellungen – Abgrenzung Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten 273 Dublin-Docks-Rechtsprechung – Zwischenschaltung und Gestaltungsmissbrauch 46, 48, 50 EBITA – Relation abziehbarer Zinsaufwand/steuerlicher – 23 EBITDA-Volumen – Zinsschranke 13 Eigene Anteile – Handelsbilanz (BilMoG)/steuerliche Folgen 232 Eigenkapital – und Begriff der verdeckten Einlage 151 Einbringungsvorgänge – Erbschaftsteuerreform und Verschonungsabschlag 90 Einkommensteuer – Erbschaftsteuerreform und Doppelbelastungsproblem 138 Einlage – Beteiligungsbesitz aufgrund Erbschaftsteuerreform 117 – und verdeckte Einlage/ Abgrenzung 151 Einzelabschluss s. Handelsbilanz (BilMoG) Eltern-Kinder – Unterhaltspflicht und Mietvertragsabschluss 43

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Sachregister Entnahme – Betriebsfremde Zwecke/finaler Entnahmebegriff 203 – Entstrickungsprinzip 199 Entwicklung/Forschung – Immaterielle Vermögensgegenstände (BilMoG) 231 Erbfall – Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs 379 Erbschaftsteuer – Erinnerung an das SteuerberaterJahrbuch 1949 6 – Steuerentstrickung 196 Erbschaftsteuerreform – Gesamtwürdigung 33 – Katastropheneinschätzung 36 – Unternehmensbewertung s.dort Erbschaftsteuerreform/Verschonungsregelungen – Anteilspooling und Mindestbeteiligungsquote 115 – Begünstigtes Vermögen/Anteilsbesitz Personen- und Kapitalgesellschaft im Vergleich 114 – Begünstigungskonzepte/Wahlrecht 7jähriges/10jähriges 121 – Beteiligungsbesitz und Verwaltungsvermögen 124 – Doppelbelastung Erbschaftsteuer/ Einkommensteuer 138 – Drittstaatenvermögen/ Drittstaatenbeteiligung 119 – Einlage von Beteiligungsbesitz 117 – Forderungsrechte als Verwaltungsvermögen 132 – Konzernfälle 138 – Steuerliches Verlustpotential und Erbfall 140 – Umwandlung Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft 116 – Verwaltungsvermögen und Beteiligungsbesitz 124 – Wahlrecht zur Anwendung neuen Rechts 140 Erbschaftsteuerreform/ Steuergestaltungen – Abzugsbetrag/Wegfall 116

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– Anteilspooling und Mindestbeteiligungsgrenze 115 – Anteilspooling/Verfügungsbeschränkung und einheitliche Stimmrechtsausübung 115 – Anteilspooling/ Vorteilsnutzung 131 – Anwendung des neuen Rechts/Wahlrecht 140 – Begünstigtes Vermögen/Anteilsbesitz Personen- und Kapitalgesellschaft im Vergleich 114 – Begünstigtes Vermögen/Nichterfüllung der Mindestbeteiligungsquote 114 – Beteiligungsbesitz/Einlage in gewerbliche Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft 117 – Beteiligungsbündelung 118 – Doppelbelastung Erbschaftsteuer/ Einkommensteuer 138 – Drittstaatenvermögen/ Drittstaatenbeteiligung 119 – Erbschaftsteuer/Anrechnung auf die ESt 139 – Ertragsteuerbelastung/Realisierung nach Erbfall für die Zeit vor dem Erbfall 139 – Ertragsteuerbelastung/Realisierung vor Erbfall 139 – Ertragsteuern/Berücksichtigung latenter 138 – Forderungsrechte als Verwaltungsvermögen 132 – Grundstücksnutzung durch Dritte als Verwaltungsvermögen 128 – Kapitalgesellschaftsanteile weniger als 25 % als Verwaltungsvermögen 130 – Konzernstrukturen und Lohnsummentest 137 – Lohnsummentest 123, 135 – Mitteilungspflichten bei börsennotierter AG 116 – Personengesellschaftsanteile und Kapitalgesellschaftsanteile mehr als 25 % als Verwaltungsvermögen 131 – Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 141 – Steuerliches Verlustpotential und Erbfall 140

Sachregister – Thesaurierungsbegünstigung § 34a EStG 138 – Umwandlung in Personengesellschaft 116 – Verschonungsabschlag/Wegfall 116 – Verschonungsabschlag/Wegfall im 7jährigen/10jährigen Konzept 121 – Verwaltungsvermögen/ Anteilsermittlung 132 – Verwaltungsvermögen/junges 133 – Verwaltungsvermögen/ Begünstigungskonzepte und Schädlichkeitsquoten 124 – Verwaltungsvermögenstest 127 – Wahlrecht 7jähriges/10jähriges Begünstigungskonzept 121 – Wahlrecht zur Anwendung neuen Rechts 140 – Wertpapiere als Verwaltungsvermögen 132 Erbschaftsteuerreform/Verschonungsregelungen – Alles-oder-nichts-Prinzip 82, 86 – Bandbreite unterschiedlicher Befreiungen 81 – Begünstigtes Vermögen als begünstigungsfähiges Vermögen 83 – Begünstigtes Vermögen/Definitionsanforderungen 80 – Begünstigtes Vermögen/ Eingrenzung 81 – Beherbergungsbetriebe 87 – Beteiligungsbesitz als Verwaltungsvermögen 89 – Betriebliches Vermögen/Befreiungsabsicht 80 – Betriebsaufspaltungen 81 – Betriebsvermögen, inländisches beim Erwerb 84 – Brutto-Netto-Vergleich (Quotenberechnung) 92 – BVerfG/Zulässigkeit von Verschonungsregelungen 80 – Einbringung von Wirtschaftsgütern 90 – EU-Mitgliedstaaten/Bedeutung 84 – Familien-Kapitalgesellschaften 85 – Feststellungserklärung und doppelte Bewertung 95 – Flugzeugvermietung 81

– Forderungsrechte als Verwaltungsvermögen 89 – Gebäudeleerstand 103 – Geldbestand 81, 103 – Gewillkürtes Betriebsvermögen 90 – GmbH & Co KG-Modelle 82 – Holding/Lohnsumme 107 – Hotels, Parkhäuser, Gaststätten 102 – Kapitalgesellschaft/ Anteilsübertragung 85 – Kapitalgesellschaft/ Mindestbeteiligung 84 – Kapitalgesellschaftsanteile als Verwaltungsvermögen 89 – Konzernfälle 81, 99 – Kritik an Vollbefreiung/ 85 %-Befreiung 81 – Kunstgegenstände, Sammlungen, Bibliotheken, Archive usw. als Verwaltungsvermögen 89 – Land- und Forstwirtschaft (inländischer Wirtschaftsteil) 83 – Lohnsummen- und Behaltensregelung 106 – Modelle der Steuervermeidung 80 – NRW-Modell/nicht realisierte Alternative 110 – Nutzungsüberlassung/ Betriebsvermögenszugehörigkeit 88 – Nutzungsüberlassungen als Verwaltungsvermögen 88 – Optionsmodell Vollbefreiung 86 – Poolvereinbarungen 81 – Produktives/nicht produktives Vermögen 82 – Quotenberechnung/Berechnung der 50 %-Quote 90 – Quotenberechnung/Faktoren mit Einfluss auf 50 %-Quote 96 – Schenkerrisiken bei Erwerberinsolvenz 108 – Schiffsvermietung 81 – Schuldenstand, Kapitalquote 82 – Stimmrechtsausübung, einheitliche 85 – Streubesitzbeteiligungen 85 – Testfälle 10 % bzw. 50 % 83 – Tochtergesellschaft/Gründung als Umgehungsmöglichkeit 97

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Sachregister – Typisierende pauschalierte Festlegung (85 % Verschonungsabschlag) 86 – Ungeklärte, unbefriedigende Verschonungsregelungen 81 – Unternehmensbewertung und Quotenbeeinflussung 94 – Unternehmensnachfolge/ Gesetzentwurf zur Erleichterung 82, 87 – Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 80 – Vermeidung von Steuerumgehungen 80 – Verpachtung 88 – Verwaltungsvermögen von mehr als 100 % 94 – Verwaltungsvermögen/ Ausnahmeregelung als Alles-odernichts-Prinzip 86 – Verwaltungsvermögen/ Definition 87 – Verwaltungsvermögen/Definition und Umfang 83 – Verwaltungsvermögen/Verkauf von Wirtschaftsgütern 96 – Verwaltungsvermögen/ Verschonungsabschlag 85 % 86 – Wertpapiere 81, 89 – Wohnungsunternehmen 81, 100 – Zielgenauigkeit, verfassungsrechtlich gebotene 81 Erfüllung – Wirtschaftliches Eigentum aufgrund – 245 Ertragswert – Vereinfachte Ertragsbewertung/Erbschaftsteuerreform Europäische Union – Wegzug natürlicher Personen 213 – Wegzug von Kapitalgesellschaften 209, 211 Europäischer Gerichtshof – Hughes de Lasterie du Saillant 202 – Langhorst-Hohorst 24 Europäisches Recht – Entstrickungsbesteuerung/ Grenzen 201

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Fachinstitut – Gründung, Mitglieder und Ziele 2 Fachkongress – Eröffnung des 60.ten 1 Familiengesellschaft – Kapitalgesellschaft/begünstigtes Vermögen 85 – Personengesellschaften/statistische Größen 25 Finale Entnahme – Steuerentstrickung s. dort Finanzierung – International operierende Unternehmen 18 Finanzierungsleasing – Wirtschaftliches Eigentum 255 Finanzinstrumente – Bewertungseinheiten (BilMoG) 237 – Erwerb zu Handelszwecken/ Bilanzierung 233 Finanzmarktkrise – Besorgnisse deutscher Wirtschaft 13 Forderungsrecht – Abgeltungsteuer beim Einzug privater, vor 2009 unter Nennwert erworbener – 337 – DBA-Recht 177 – Erbschaftsteuerreform 89 Forderungsverzicht – inländische Mutter-GmbH gegenüber inländischer Tochter 162 Forschung und Entwicklung – Besteuerung einer Funktionsverlagerung 30 Funktionsbereichsveräußerung – Auslandsmutter an inländische Tochter zum verminderten Veräußerungspreis 157 Funktionsverlagerung – Doppelbesteuerung 32 – Funktionsverdoppelungen 14 – FunktionsverlagerungsVO/ Herausnahme der Funktionsverdoppelung 20 – Gewinnbesteuerung 31

Sachregister – Internationale Abstimmung, fehlende 29 – Kritik 14 – Steuerinduzierte 28 – Steuersatzsenkung und flankierende Maßnahme der – 18 – Steuersubstratverlagerung 20 – Unternehmensteuerreform 2008/ Gegenfinanzierung 12 Gaststätten – Erbschaftsteuerreform 102 Gebäudeleerstand – Erbschaftsteuerreform 103 Geldbestand – Erbschaftsteuerreform 81, 103 Geldmarktfonds – Regelung für steueroptimierte 325 Gemeiner Wert – BVerfG-Rechtsprechung zur Erbschaftsteuer/maßgebliches Bewertungsziel 65 – Entstrickungsregelung (SEStEG) 195 – Steuerentstrickung 203 – Unternehmensbewertung/ Erbschaftsteuerreform s. dort – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Genossenschaftsrecht – Rückvergütungen als vGA 149 Genussrechte – Vergütungen als vGA 150 Geschäftsleitung/Sitz – Verlegung in das Ausland/ Entstrickungsprinzip 199 Gesellschafterfremdfinanzierung – EuGH-Entscheidung LanghorstHohorst 24 – Regelungen nach ausländischem Recht 149 Gesellschaftsrecht – und Begriff der verdeckten Einlage 151 Gesetzeskonkurrenz – Missbrauchsnormen, spezielle 49 Gesetzgebung – Rechtstatsachenfeststellung 17, 23

Gestaltungsmissbrauch s. Missbrauchsregelung Gewerbesteuer – Münchener DAX-Unternehmen 11 – Steuerentstrickung 196 – Unternehmensteuerreform 2008/neue Hinzurechnungen 12 Gewerblich geprägte Personengesellschaft – Doppelbesteuerungsabkommen 171 Gewerblicher Grundstückshandel – GmbH-Zwischenschaltung zur Vermeidung 47 Gewillkürtes Betriebsvermögen – Erbschaftsteuerreform und Verschonungsabschlag 90 Gewinnabführungsverträge – Handelsbilanz (BilMoG) 239 Gewinnausschüttung – DBA-Dividendenartikel 185 Gewinnbesteuerung – Funktionsverlagerung/Besteuerung künftiger 14 – Funktionsverlagerung/Künftige Erträge 31 – Gewinnexport/Verlustimport 18 Gewinnentstehung – Ausland/Inland 20 Gewinnermittlung – Inanspruchnahme § 6b EStGRücklagen 264 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 393 Gewinnrealisierung – Realisationsprinzip s. dort – Realisationszeitpunkt, zweifelhafter 245 – Steuerentstrickung s. dort – Wirtschaftliches Eigentum/ Bedeutung 244 Gleichheitsgrundsatz – Entstrickungsvorgänge/Betriebs- und Privatvermögen 221 Globalisierung – Besteuerung der Funktionsverlagerung 32 – Steuerrechtsprobleme 14

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Sachregister GmbH & Co KG-Modell – Erbschaftsteuerbefreiung/ ausgeschlossenes – 80, 82 Greenfield-Lösunqen – Funktionsverdoppelungen 15 Großbritannien – Steuerfestsetzung 148 – Transfer Pricing Adjustment 152 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – HGB-Ergebnisermittlung 226 Grundstücke – Entnahme 206 Grundstücksnutzung – Erbschaftsteuerreform und Verwaltungsvermögenszugehörigkeit 128 Grundstücksüberlassung – Erbschaftsteuerreform/ Verwaltungsvermögen 88 Grundstücksübertragung – Vermietungsvorgänge im Zusammenhang 44 – Vertragserfüllung und wirtschaftliches Eigentum 246 Halbeinkünfteverfahren – Körperschaftsteueraufkommen beim Systemwechsel 19 Hamburg – Gesellschafterdarlehen/ Gewinnverlagerungen: Erfahrungen 24 Handelsbilanz (BilMoG) – Abschreibungen 235 – Aktive Rechnungsabgrenzungsposten 233 – Aktivierungsverbote, Aktivierungswahlrechte 230 – Allgemeine Bewertungsgrundsätze 233 – Alternative des HGBAbschlusses 228 – Altersversorgungsverpflichtungen 230 – Anschaffungs- und Herstellungskosten 233

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– Anteile an herrschenden Unternehmen/mit Mehrheit beteiligten Unternehmen 232 – Ausschüttungsbemessungsfunktion/Einzelabschluss 225 – Außerplanmäßige Abschreibungen 235 – Bewertungsvereinfachungen 236 – BilMoG-Inkrafttreten 226 – Eigene Anteile 231 – Entwicklung, Forschung 231 – Finanzinstrumente 233 – Gewinnabführungsverträge 239 – Grundsätze der Ergebnisermittlung (BilMoG) 227 – HGB-Konzernabschlüsse/Abschlüsse nach IFRS 225 – IFRS-Ablehnung durch den Mittelstand 228 – Immaterielle Vermögensgegenstände, selbst geschaffene 231 – Informationsfunktion 225 – Ingangsetzung/Erweiterung des Geschäftsbetriebs 233 – Kleinunternehmen 241 – Maßgeblichkeitsgrundsatz 240 – Maßgeblichkeitsgrundsatz/ Aufhebung des Prinzips umgekehrter Maßgeblichkeit 228 – Realisationsprinzip, Imparitätsprinzip, Vorsichtsprinzip 226 – Rückstellungen 236 – Schwebende Geschäfte 234 – Sicherungsgeschäfte 237 – Steuerliche Gewinnermittlung und BilMoG-Umsetzung 239 – Steuerliche Wahlrechte 229 – Steuern, latente 238 – Teilwertabschreibung 235 – Vermögensausweis, Gebot des zutreffenden 270 – Vermögensgegenstand/ Wirtschaftsgut 229 – Verrechnung Vermögensgegenstände/Schulden 230 – Vollständigkeit 270 – Währungsumrechnung 233 – Wertaufholungsgebot 235 – Zurechnungsfragen 230 – Zuschreibungen 235

Sachregister Haushaltskonsolidierung – Staatsziel trotz Finanzkrise 15 Herstellungskosten – Handelsbilanz (BilMoG) 234 Hinzurechnungsbesteuerung – Fall einer Besteuerung „durch die Hintertür“ 155 – Gestaltungsmissbrauch/ Abgrenzung 46 – Wegfall durch Wegzug 197 Holding – Lohnsummenregelung/ Erbschaftsteuerreform 106 – Zwischenholding zwischen Target und Auslandsgesellschaft 23 Hotels – Erbschaftsteuerreform

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Immaterielle Vermögensgegenstände – Handelsbilanz (BilMoG) 231 Inländische Betriebsstätte – Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug 219 – Grundstücksveräußerung an inländische Tochter der ausländischen Mutter 160 – Personengesellschaft im Abkommensrecht 173 Inländische Tochtergesellschaft – Anteilsveräußerung durch Auslandsmutter zu einem unangemessen niedrigen Preis 156 – Forderungsverzicht gegenüber inländischer Tochter 162 – Grundstücksveräußerung durch inländische Betriebsstätte der ausländischen Mutter 160 – Zinsfreies Darlehen seitens ausländischer Mutter 159 Inländisches Betriebsvermögen – Begünstigtes Vermögen/ Erbschaftsteuerreform 119 Inländisches Stammhaus – Überführung selbsterstellter Wirtschaftsgüter in ausländische Betriebsstätte 205

Insolvenz – Schenkerrisiko bei Erwerberinsolvenz 108 Internationale Finanzmarktkrise – Besorgnisse deutscher Wirtschaft 13 Internationale Rechnungslegungsstandards – IFRS Steuerbilanz/Bedeutung 240 – und HGB-Rechnungslegung 225 Investmentsteuerrecht – Abgeltungsteuer 315 Irland – Steuersubstrat-Verlagerung aus Deutschland 12 Italien – Zinsschranke 13 – Zinsschranke/Einführung 27 Jahresabschluss Handelsbilanz (BilMoG) s. dort Kapitalanlagegesellschaft – Dublin-Docks-Rechtsprechung 46, 48, 50 Kapitalgesellschaft – Besteuerungsreform/Annäherung der Personenunternehmen 26 – Erbschaftsteuerreform/Anteile als Verwaltungsvermögen 89 – Erbschaftsteuerreform/begünstigte Anteile 84 – Erbschaftsteuerreform/Vergleich mit Personengesellschaft 114 – Übertragung von § 6b EStG-Rücklagen 264 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 411 – Zwischenschaltung und Veräußerung von Beteiligungsbesitz 45 Kapitalimportneutralität – Personengesellschaften und Abkommensrecht 170 Kapitalisierungsfaktor – Ertragswertverfahren, vereinfachtes (Erbschaft-Steuerreform) 73

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Sachregister Kapitallebensversicherungen – Abgeltungsteuer 326 Kölner Steuerkonferenz – Fachinstitut-Veranstaltung 2 Komplementär – Gewinnanteile/steuerliche Folgen 150 Konzernrechnungslegung – Bedeutung/Vergleich mit Handelsbilanz (BilMoG) 225 – IFRS-Umstellung 226 Konzernrecht – Erbschaftsteuerreform 81, 99 – Zinsschranke und Kapitalgesellschaftskonzerne 27 Körperschaftsteuer – Rückgang 2001/EK 40 Problematik 19 – Systemwechsel Anrechnungsverfahren/Halbeinkünfteverfahren 19 – Unternehmensteuerreform 2008/ Bedeutung 18 Korrespondenzprinzip – Abschaffungsforderung 167 – Änderung von Steuerbescheiden 147 – Ausländische Mutter/Funktionsveräußerung an inländische Tochter zum verminderten Veräußerungspreis 157 – Ausländische Tochter/Beteiligungsveräußerung an inländische Mutter und verhinderte Vermögensmehrung 154 – Begriffe vGA, verdeckte Einlagen 150 – Besteuerungslücken/ Verhinderung 147 – Doppelbesteuerung/ Verhinderung 147 – Doppelbesteuerungsfälle, Auftreten neuer 166 – Formelle Korrespondenz 148 – Genossenschaftliche Rückvergütungen 149 – Genussrechte als Gewinnausschüttungen 150 – Gesellschafterfremdfinanzierung/ ausländisches Recht 149

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– Gesetzeslage vor Änderung 149 – Grenzüberschreitende Fälle/ begriffliche Probleme 152 – inländische Betriebsstätte/Grundstücksveräußerung an inländische Tochter der Auslandsmutter zu unangemessen niedrigem Preis 160 – Inländische Gmbh/Forderungsverzichte gegenüber 100 %iger 160 – Inländische Tochter/Anteilsveräußerung durch Auslandsmutter zu unangemessen niedrigem Preis 156 – International tätige Unternehmen 153 – Komplementär-Gewinnanteile 150 – Materiell-rechtliche Korrespondenz 149 – Steuersubstratabschöpfung durch Deutschland 166 – Verdeckte GA, Verdeckte Einlagen 147 – Verluste von Betrieben öffentlicher Hand 150 – Vororganschaftliche Mehrabführungen 149 – Zinsfreies Darlehen, Gewährung durch ausländische Mutter 159 – Zinszahlungen, Umqualifizierungen 149 Künftige Gewinne – Besteuerung aufgrund Funktionsverlagerung 14 Kunstgegenstände – Erbschaftsteuerreform 89 Land- und forstwirtschaftliches Vermögen – Erbschaftsteuerreform/begünstigtes Vermögen 83 Leasing – Wirtschaftliches Eigentum s. dort Lenkungs- und Fördernormen – Ausnutzung als gesetzlicher Steuervorteil 58 Lex-fori-Klausel – Abkommensrecht 177 Limited Liability Company – BMF-Schreiben 2004 170

Sachregister Liquidationswert – Ertragswert/Untergrenze des – 69 – Substanzwert als unvollständiger – 68 Lohnsummenregelung – Erbschaftsteuerreform 106 Makroökonomie – Daten zur Steuergesetzgebung 22 Managementgesellschaft – Auslandsabwicklung von Wertpapiergeschäften 46 Mantelkauf – Unternehmensteuerreform 2008/ Gegenfinanzierung 12 Maßgeblichkeitsgrundsatz – Handelsbilanz (BilMoG) 226 Missbrauchsregelung/neue – Abgrenzung zulässige Gestaltung/ Missbrauch 362 – Alte Rechtslage (§ 42 AO 1977) 40 – Änderungen, letzte 39 – Änderungsbedarf, nicht bestehender 61 – Angehörigen-Mietverträge 43 – Anwendbarkeit der Norm, ausdrücklich nicht ausgeschlossene 48 – Außersteuerliche Gründe/Fehlen beachtlicher 59 – Basisgesellschaft 46 – Beratungspraxis 361 – Beratungspraxis/Bewertung der Neufassung 367 – BFH-Entscheidungen/ Korrekturbedürfnis 48 – BFH-Formulierungen der letzten 15 Jahre 41 – BFH-Vereinheitlichung 41 – BMF-Anlaß zur Änderung 39 – Dividenden-Stripping 47, 48 – Drittvorteil 57 – Dublin-Docks-Rechtsprechung 46, 48, 50 – Einzelfallkasuistik/frühere 41 – Ergebnis kontroverser Diskussionen 40 – Fingierter Sachverhalt als Grundlage 43

– Fiskalisch unerwünschtes Ergebnis/ Abgrenzung 43 – Gesamtbild der Verhältnisse 60 – Gesetzeskonkurrenz 49 – Gesetzgeberische Wertungen 55 – Gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil 58 – Gewerblicher Grundstückshandel/ GmbH-Zwischenschaltung 47 – Grundstücksübertragungen und Vermietungen 44 – Halbeinkünfteverfahren 46 – Hinzurechnungsbesteuerung 46, 48 – Kapitalanlagegesellschaft 46 – Konkurrenz zu speziellen Missbrauchsnormen 49 – Legaldefinition des Missbrauchs 53 – Lenkungs- und Fördermaßnahmen/ Nutzung 58 – Lex-specialis-Grundsatz 52 – Mietverträge Eltern/unterhaltsberechtigte Kinder 43 – Missbrauchs- oder Umgehungsabsicht 42 – Mitwirkungspflicht und missbräuchliche Gestaltung 60 – Neuregelung § 42 AO 49 – Nichtanwendungserlasse 43 – Nutzungsüberlassung, entgeltliche und unentgeltliche 45 – Rechtsansichten und steuerliche Gestaltungsberatung 353 – Rechtsfolge und Unangemessenheit 54 – Safe haven/besondere Haltefristen 53 – Spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsnormen 366 – Spezialgesetzlicher Wertungsvorrang 52 – Steueransprüche/geringere 56 – Steuererhöhungsfolge 41 – Steuergesetz und Missbilligung 55 – Steuerliche Gestaltungsberatung/ Grenzen zulässiger 352 – Steuerminderung aufgrund Gestaltungsmöglichkeiten 42 – Steuervergütungen/ Steuererstattungen 56 – Steuervorteil/gesetzlich nicht vorgesehener 55

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Sachregister – Straflose Steuerumgehung/strafbare Hinterziehung 56 – Subjektive Umstände 42 – Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 43 – Tatbestandsvermeidung/ Tatbestandserschleichung 40 – Überblick über die Neufassung 363 – Unangemessenheit rechtlicher Gestaltung 54 – Unangemessenheitsprüfung/ normativer Maßstab 55 – Unternehmensteuerrecht/restriktive Handhabung 40 – Vertragsfreiheit, respektierte 43 – Vorrang spezieller Missbrauchsnormen 50 – Wahlrechtsausübung 58 – Wertpapiergeschäfte/Abwicklung im Ausland 46 – Wesentliche Beteiligung/Veräußerung an beteiligungsidentische GmbH 45 – Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft 45 Mitbestimmung – Rechtsformwechsel-Verhinderer 27 Mittäterschaft/Teilnahme – Beraterstellung 349 Mittelstand – Familiengesellschaften als Personengesellschaften 25 Mitwirkungspflicht – Gestaltungsmissbrauch 60 Monatliche Montagssitzungen – Mitglieder des Fachinstituts 3 Münzen/Edelmetalle – Erbschaftsteuerreform 89 Nachschüsse – und Begriff der verdeckten Einlage 152 Negatives Kapitalkonto – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 390 Nichtanwendungserlasse – Steuerliche Gestaltungsberatung 357

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Niederlande – DBA/Besteuerungsrecht für Dividenden 185 Niederlassungsfreiheit – Wegzugsbesteuerung 202 Nießbrauchsvorbehalt – Schenkung unter – 141 Nikolaussitzung – Fachinstitut/jährliche Veranstaltung 2 Nutzungsüberlassung – Erbschaftsteuerreform/ Verwaltungsvermögen 88 OECD-Partnership-Report – Personengesellschaften und Abkommensrecht 170 Optionsrechte – Wirtschaftliches Eigentum 249 Organschaft – Handelsbilanz (BilMoG) 239 – Vororganschaftliche Mehrabführungen als Gewinnausschüttungen 149 Pachtverhältnisse – Erbschaftsteuerreform/ Verwaltungsvermögen 88 Parkhäuser – Erbschaftsteuerreform 102 Pensionsgeschäfte – Wirtschaftliches Eigentum 257 Pensionsrückstellungen – Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen 279 – Nachholverbot/Aktivierung 279 Pensionszusagen – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 396 Personalverlagerung – Funktionsverlagerung 32 Personengesellschaft – Abkommensrecht s. Doppelbesteuerungsabkommen – Besteuerungsreform/Annäherung an Kapitalgesellschaft 26

Sachregister – Betriebsstätte für jeden Gesellschafter 178 – Erbschaftsteuerreform/Vergleich mit Kapitalgesellschaft 114 – Familiengesellschaften/statistische Größen 25 – Inanspruchnahme § 6b EStGRücklagen 264 – Transparenzprinzip 178 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 401 Poolvereinbarungen – Erbschaftsteuerreform 81, 115 Privatvermögen – Abgeltungsteuer und Privatanleger/ Handlungsmöglichkeiten 289, 333 – Entnahmen/fiktive Entnahmen 206 – Gewinn- und Verlustrealisierung/ transaktionsbezogene 201 – Steuerentstrickung s. dort – Übertragung aus dem Betriebsvermögen 205 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 407 – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Produktionsverlagerungen – Ausweichlösungen 14 Qualifikationskonflikt – Personengesellschaft im Abkommensrecht 173 Ratenkauf – Finanzierungsleasing 255 Realisationsprinzip – Buchwertverknüpfung/Fälle 199 – Finanzinstrumente zu Handelszwecken 233 – HGB-Ergebnisermittlung 226 – Leistungsfähigkeitsprinzip/ Übermaßverbot 200 – Privatvermögen 201 – Rückstellungsbildung 271 – Steuerliche Gewinnrealisierung 198 – Steuerrechtliche Legitimation 199

Rechtsansichten – Steuerliche Gestaltungsberatung/Offenlegung und Vertretbarkeit 353 Rechtsform – Begünstigtes Vermögen nach Erbschaftsteuerreform 116 – Erbschaftsteuerbelastung 26 – Mitbestimmung als FormwechselVerhinderer 27 Rechtsmissbrauch s. Missbrauchsregelung Rechtsordnung – und Angemessenheit 40 Rechtstatsachen – Gesetzgebung und Ermittlung von – 17, 23 Rechtstypenvergleich – Personengesellschaften und Abkommensanwendung 170 Rentenversicherungen – Abgeltungsteuer bei fondsgebundenen – 331 Reproduktionswert – Substanzwert/Abgrenzung 68 Rückkaufverpflichtung – Rückstellungsbildung 275 Rücklagen – Handelsbilanz/Steuerbilanz 229 – Inanspruchnahme von § 6b EStGRücklagen 263 Rückstellungen – Drohverlustrückstellung/ Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten 273 – Handelsbilanz (BilMoG)/steuerliche Folgen 236 – Pensionsrückstellungen/ Nachholverbot 279 – Realisationsprinzip 271 – Rechtliche Entstehung/wirtschaftliche Verursachung 268 – Ungewisse Verbindlichkeiten 269 – Unternehmenskauf/ Berücksichtigung nichtabzugsfähiger – 285 Rücktrittsrecht – Wirtschaftliches Eigentum 258

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Sachregister Safe haven – Missbrauchsnormen, spezielle 53 Sale-and-buy-back-Geschäfte – Wirtschaftliches Eigentum 256 Schenkung – unter Nießbrauchsvorbehalt 141 Schwebende Geschäfte – Handelsbilanz (BilMoG) 234 – Rückstellungen für drohende Verluste 274 Schwebende Verträge – Nichtbilanzierung 271 SEStEG s. Steuerentstrickung Sicherungsgeschäfte – Handelsbilanz (BilMoG)/steuerliche Folgen 237 Sitz/Geschäftsleitung – Verlegung in das Ausland/Entstrickungsprinzip 199 Sondervergütungen – Doppelbesteuerungsabkommen/ Personengesellschaften s. dort Stammhaus – Selbsterstellte Wirtschaftsgüter/ Überführung in ausländische Betriebsstätte 205 – Wirtschaftsgüterüberführung auf ausländische Betriebsstätte 207 Standort Deutschland – Mittelständler/Wegzug aus Deutschland 35 Standortfaktoren – Steuerbelastung/Praxis des Steuervollzugs 15 Standortvorteile – Funktionsverlagerung 28 – Unternehmensveräußerung und Funktionsverlagerung 29 Steuerbefreiung – Wechsel zu ihr/Entstrickungsprinzip 199 Steuerbelastung – Deutsche Industrie 1998/2005 20 Steuerberater – Abgrenzung zulässige Gestaltung/ Missbrauch 362 – Auslegungsabweichungen 353

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– Berater-Checkliste 360 – Beratungspraxis und neue Missbrauchsregelung 367 – Gestaltungsfreiheit 362 – Missbrauchsregelung, neue 363 – Missbrauchsregelungen als Gestaltungsgrenze 361 – Mitteilungspflicht hinsichtlich vertretener Ansicht 359 – Nichtanwendungserlasse 357 – Rechtsansichten/Offenlegung, Vertretbarkeit 353 – Rechtsunsicherheit, verschiedene Auffassungen 360 – Risikolagen für den Berater 354 – Sachverhaltselemente/vollständiger Vortrag 360 – Spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsnormen 366 – Steuerhinterziehung 370 – Steuerliche Gestaltungsberatung/ Grundregeln 352 – Steuerrecht und Steuerstrafrecht 372 – Täterschaft und Teilnahme 347 – Teilnahme an Mandantenstraftaten 346 – Verteidigungsansätze bei verfehlter Gestaltung 368 – Verteidigungsgrundsätze 371 – Vorsatz des Täters 375 Steuerberater-Jahrbuch – Erinnerung an den 1. Band 1949 4 Steuerbescheid – Änderungsmöglichkeit aufgrund des Korrespondenzprinzips 147 Steuerbilanz – Bilanzberichtigung/ Bilanzänderung 276 – Handelsbilanz (BilMoG)/ Verhältnis 226, 228 – IFRS-Bedeutung 240 – Pensionsrückstellungen/ Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen 279 – Pensionsrückstellungen/ Nachholverbot 279 – Personengesellschaftsbeteiligung 266

Sachregister – Rücklagen § 6b EStG/umgekehrte Maßgeblichkeit 263 – Rückstellungen beim Unternehmenskauf/Berücksichtigung nichtabzugsfähiger 285 – Rückstellungsbildung/Abgrenzung Drohverlustrückstellung und Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten 273 – Rückstellungsbildung/rechtliche Entstehung und wirtschaftliche Verursachung 268 – Teilwertabschreibung/ voraussichtlich dauernde Wertminderung 282 Steuerentstrickung – Allgemeines Rechtsprinzip 194 – Ausländische Betriebsstätte/ Überführung 205 – Betriebsaufgabe 199 – Betriebsaufgabebegriff/ extensive Auslegung 194 – betriebsfremde Zwecke/ Entnahme 206 – Betriebsstätte/Überführung aus Stammhaus 206 – Betriebsvermögen/PrivatvermögenUnterscheidung 220 – Betriebsvermögen/Überführung in das Privatvermögen 205 – Betriebsvermögensausscheiden infolge Rechtsänderung 204 – Betriebsvermögensbereich/ Kapitalanteile und allgemeiner Rechtsgedanke 195 – Betriebsvermögensbereich/ SEStEG-Anwendungsbereich 196 – Betriebsvermögenstransfer innerhalb der EU 202 – Buchwertverknüpfungsfälle 199 – Divergenz nationale/internationale Entstrickung 204 – Dogmatische Grundlagen/Reichweite 196 – Duale Struktur 204 – Einheitliche Konzeption/ SEStEG 195 – Entnahme/fiktive Entnahme 199 – Entnahmetatbestand/extensive Auslegung 194

– Entnahmevorgänge/Privater Vermögensbereich 206 – Erbschaftsteuer 196, 198, 220 – Ersatzrealisationstatbestand 193 – EU/EWR-Fälle 195 – EuGH-Entscheidung Hughes de Lasterie du Saillant 202 – Europarechtliche Vorgaben 201 – Europarechtliche Vorgaben und Konzept der Sofortversteuerung 207 – Fiktive Entnahme zum gemeinen Wert 195 – Fiktive Entnahme/Entstrickungsentnahme 203 – Gemeiner Wert statt Teilwert (Entstrickungsentnahme) 203 – Gewerbesteuer 196 – Handlungsbezogenheit der Entstrickung 204 – Immobilienentnahme 206 – Inkrafttreten des SEStEG/Rechtslage zuvor 193 – Kapitalgesellschaftsanteile/ Entnahme 206 – Körperschaften/fiktive Veräußerungsfälle 208 – Normative Grundlagenentscheidung 203 – Privater Vermögensbereich und Entnahmevorgänge 206 – Privatvermögen/transaktionsbezogene Gewinn- und Verlustrealisierung 201 – Privatvermögensbereich/ SEStEG-Ausschluß 196 – Realisationsprinzip/Ausnahme 199 – Realisationsprinzip/steuerrechtliche Legitimation 200 – Steuerbefreiung/Wechsel hierin 199 – Stille Reserven/Besteuerungsaufschub 199 – Strukturwandel 196 – Teilwertansatz 205 – ultima-ratio-Besteuerung 194, 198 – Umlaufvermögen 205 – Umwandlung (internationale) s. dort – Umwandlung ohne Gewinnrealisierung 199

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Sachregister – Veräußerung/fiktive 199 – Verdeckte GA, verdeckte Einlage 194 – Verlegung Geschäftsleitung/Sitz in das Ausland 199 – Wegzug natürlicher Personen 213 – Wegzug Niedrig- in Hochsteuerland 198 – Wegzug von Kapitalgesellschaften s. dort 208 – Wegzugsbedingte Steuerentstrickung/SEStEG-Anwendungsbereich 196 – Wegzugsfälle (Übersicht) 199 – Wegzugsfälle/Europarecht 202 Steuerliche Gestaltungsberatung – Grenzen zulässiger – 352 Steuerliche Gewinnermittlung – Handelsbilanz (BilMoG) 225 Steuerpolitik – Rechtstatsachenverwendung 21 Steuerrecht – Fachinstitut/Mitwirkung an Auslegung und Fortentwicklung 2 – Gesetzgebung und Rechtstatsachenfeststellung 17, 23 – Globalisierungsprobleme 14 – und Steuerstrafrecht/Gegensätze, Verzahnungen 368 Steuersätze – Kapitalgesellschaften/ Entwicklung 18 – Personenunternehmen/ Kapitalgesellschaften 25 – Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrie 21 – Zinsaufwand nach Absenkung 22 Steuerschulden – Handelsbilanz (BilMoG)/latente Steuern 238 Steuersubstrat – Verlagerung in das Ausland 17 Steuerumgehung – Strafbare Steuerhinterziehung/straflose – 56 Steuervorteil – Gesetzlich nicht vorgesehener 55

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Steuerwirkungslehre – Rechtstatsachen/ Planspielbedeutung 24 – Unternehmensreaktionen auf Steuerregelungen 32 Stille Reserven – Ausländische Entstehung/ inländische Besteuerung 155, 158 – Buchwertverknüpfung/Fälle 199 – Steuerentstrickung s. dort – Übertragung von § 6b EStGRücklagen 263 – Wegzugsbesteuerung und Europarecht 202 Stimmrecht – Einheitliche Ausübung 85 Strukturwandel Steuerentstrickung 196 Subjektive Umstände – Gestaltungsmissbrauch 42 Substanzbesteuerung – Irland-Verlagerungen 12 Substanzwert – Betriebswirtschaftslehre/ Reproduktionswert 68 – Gemeiner Wert von Kapitalgesellschaftsanteilen 68 Tatbestandsvermeidung/Tatbestandserschleichung – Gestaltungsmissbrauch 40 Täterschaft und Teilnahme – Beraterstellung 347 Teilwert – Überführung von Betriebsvermögen in das Privatvermögen 205 – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Teilwertabschreibung – Voraussichtlich dauernde Wertminderung 282 Thesaurierungssteuersatz – Personenunternehmen/ Kapitalgesellschaften 26 Tochtergesellschaft – Umgehung schädlichen Verwaltungsvermögens 97

Sachregister Treaty overriding – JStG 2007 § 50d Abs. 9 EStG 172 Umgekehrte Maßgeblichkeit – Handelsbilanz (BilMoG) und Steuerbilanz 229 – Übertragung von § 6b EStG-Rücklagen 263 Umlaufvermögen – Wegzug von Kapitalgesellschaften 213 Umwandlung – Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug 219 – Grenzüberschreitende Umwandlungen 218 – Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug 215 – Internationale Umwandlung (Übersicht) 220 – Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft/erbschaftsteuerliche Gründe 116 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 399 Umwandlungssteuerrecht – Buchwertverknüpfung 199 Unangemessenheit s. Missbrauchsregelung Unentgeltliche Übertragungen – Buchwertverknüpfung 199 Ungewisse Verbindlichkeiten – Rückstellungsbildung 269 Ungewöhnliche Gestaltung – Abgrenzung zur Unangemessenheit 55 Unterhaltspflicht – Mietverträge zwischen Angehörigen 43 Unternehmensteuerreform 2008 – Gewerbesteuer 11 Unternehmensbewertung – Funktionsverlagerung und Besteuerung künftiger Erträge 31 Unternehmensbewertung/Erbschaftsteuerrefom – Börsenkurs, Verkaufspreis 66 – Börsenkurs 68, 72

– BVerfG-Grundlage zur Bewertung 65 – Ertrags- und Liquidationswert 68 – Ertragswert und gemeiner Wert 69 – Ertragswertverfahren, vereinfachtes 70 – Ertragswertverfahren/ Kapitalisierungsfaktor 73 – Ertragswertverfahren/nachhaltig erzielbarer Jahresertrag 70 – Gemeiner Wert als Bewertungsgrundlage 65 – Liquidationswert als Untergrenze 69 – Marktschwankungen (DAX-Beispiel) 67 – Multiplikator-Methoden 69 – Substanzwert als Reproduktionswert 68 – Substanzwert als Untergrenze 68 – Substanzwert als unvollständiger Liquidationswert 68 Unternehmenskauf – Rückstellungen/Berücksichtigung nichtabzugsfähiger 285 Unternehmensnachfolge/Gesetzesentwurf zur Erleichterung – Erbschaftsteuerreformgesetz/ Verhältnis 82 Unternehmensteuerpolitik/ Leitthema-Diskussion – Anrechnungsverfahren und Ort der Gewinnentstehung 20 – Betriebsprüfung/zeitnahe 31 – DAX-Unternehmen und Mittelstand 25 – Doppelbesteuerung und Funktionsverlagerung 32 – Erbschafteuer im internationalen Vergleich 21 – Erbschaftsteuerbelastung/ rechtsformunabhängige 26 – Erbschaftsteuerreform als Katastrophe 36 – Erbschaftsteuerreform/ Diskussionsstand 33 – EuGH-Entscheidung LanghorstHohorst 24 – Forschungs- und Entwicklungskosten 30

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Sachregister – Funktionsverlagerung als flankierende Maßnahme 18 – Funktionsverlagerung/fehlende internationale Abstimmung 29 – Funktionsverlagerung/ Funktionsverdoppelung 20 – Funktionsverlagerung/ steuerinduzierte 28 – Gesellschafterdarlehen und Gewinnverlagerungen 24 – Gesetzgebung und statistische Grundlagen 22 – Gesetzgebungswirklichkeit und Rechtstatsachen 17 – Gewinnbesteuerung und Funktionsverlagerung 31 – Gewinnentstehung im Inland oder Ausland 20 – Gewinnexport/Verlustimport 17 – Kompetenzzentrum im Ausland 31 – Konjunktureinbruch 2001/2002 19 – Körperschaftsteueraufkommen/ Rückgang 19 – Lissabon-Ziel 30 – Lohnsummenklausel 34 – Makroökonomie und Gesetzgebungsdaten 22 – Mitbestimmung als Rechtsformwechsel-Verhinderer 26 – Mittelstandsunternehmen/ Auslandsverlagerungen 35 – Personalverlagerung 32 – Personengesellschaften/ Familiengesellschaften 25 – Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften/Vergleich 26 – Personenunternehmen/ Reformfolgen 26 – Rechtstatsachen vor Gesetzgebung/ Steuerwirkungslehre 24 – Rechtstatsachenfeststellung 17 – Schenkungsteuer und Erbschaftsteuer 34 – Standort Deutschland 35 – Steuerbelastungen deutscher Industrie 1998/2005 20 – Steuerpolitik und Zahlenverwendung 21 – Steuersatzannäherung Personen- und Kapitalgesellschaften 27 – Steuersatzsenkung im Inland 20

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– Steuersatzsenkung im Inland/ Zinsaufwand im Inland 22 – Steuersatzsenkung und Wettbewerbsfähigkeit 21 – Steuersubstratverlagerung 20 – Unternehmensfinanzierung 18 – Unternehmensverkauf und Funktionsverlagerung 29 – Verrechnungspreise und Gewinnverlagerung 28 – Zinsschranke als flankierende Maßnahme 18 – Zinsschranke und Kapitalgesellschaftskonzerne 27 – Zinsschranke und Unternehmenspolitik 19 – Zinsschranke/Planspielerfordernis 22 – Zinsschranke/ Schrankenkonzepte 21 Unternehmensteuerreform 2008 – Gegenfinanzierungsmaßnahmen 12 – Nachbesserungsforderungen 16 Unternehmensverkauf – Funktionsverlagerung/ Abgrenzung 29 Veräußerungsgewinn – DBA-Recht/Zuordnungsgrundsätze für bewegliche Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte 186 – Privatvermögen/transaktionsbezogene Gewinn- und Verlustrealisierung 201 – Übertragung von § 6b EStGRücklagen 263 Verdeckte Einlagen – Begriff 150 – Korrespondenzprinzip s. dort – Steuerentstrickung 194 Verdeckte Gewinnausschüttungen – Begriff 150 – Inländische Besteuerung ausländischer stiller Reserven 155, 158 – Korrespondenzprinzip s. dort – Steuerentstrickung 194

Sachregister Vereinigte Staaten – Limited Liability Company (BMF-Schreiben 2004) 170 Verfassungsrecht – Erbschaftsteuerreform und Vermögensbegünstigungen 81 Verlagerungsvorgänge – Funktionsverlagerung s. dort – Steuersubstrat in das Ausland 17 Verluste/Verlustnutzung – Verlustpotential vor dem Erbfall/ keine Realisation 139 Verluste/Verlustverrechnung – Gewinnexport/Verlustimport 18 – Privatvermögen/transaktionsbezogene Realisierung 201 – Verlustabzug/ Nichtvererblichkeit 379 – Verlustausgleichsrestriktionen 380 – Verluste von Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand 150 Vermögensbegünstigungen s. Erbschaftsteuerreform/ Verschonungsregelungen Vermögensgegenstände – Handelsbilanz (BilMoG) 229 Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 385 Verrechnung – Vermögensgegenstände und Schulden (BilMoG) 230 Verrechnungspreise – Gewinnverlagerung in das Ausland 28 Verschmelzung – Ausländische Kapitalgesellschaften mit Inlandsbezug 219 – Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften 218 – Kapitalgesellschaften im Inland mit Auslandsbezug 216 – Personen- auf Kapitalgesellschaft mit Auslandsbezug 217 – SE/SCE-Gründung durch Verschmelzung 218

Verschonungsregelungen s. Erbschaftsteuerreform/ Verschonungsregelungen Vertragserfüllung – Wirtschaftliches Eigentum s. dort Vertragsfreiheit – Gestaltungsmissbrauch 43 Verwaltungsvermögen s. Erbschaftsteuerreform/ Verschonungsregelungen Wahlrecht – Anwendung neuen Erbschaftsteuerrechts 140 – Ausübung als gesetzlicher Steuervorteil 58 – Erbschaftsteuerreform/7jähriges und 10jähriges Begünstigungskonzept 121 – Handelsbilanz (BilMoG) und steuerliche Gewinnermittlung 226 – Inanspruchnahme von § 6b EStGRücklagen/umgekehrte Maßgeblichkeit 265 – Verlustabzug/Nichtvererblichkeit und Gestaltungserwägungen 394 Währungsumrechnung – Handelsbilanz (BilMoG) 233 Wegzug (Kapitalgesellschaften) – Anlagevermögen/Umlaufvermögen (Überblick) 212 – Anteile im Privatvermögen 210 – Beschränkte Steuerpflicht, fortbestehende 211 – Betriebsvermögen/Privatvermögen (Überblick) 212 – DBA-Recht 210 – Drittstaat 211 – Entstrickungsregelung § 12 Abs. 1,3 KStG 209 – EU/EWR-Staat 209, 211 – Gesellschaftsebene/ Gesellschafterebene/Überblick 212 – SE (SCE) als wegziehende Gesellschaft 210 – Verwaltungssitz/Ort der Geschäftsleitung 209

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Sachregister Wegzug (natürliche Personen) – Anteile an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften 213 – DBA-Recht 214 – Europäisches Recht 215 – Wechsel in die beschränkte Steuerpflicht 214 Werner Flume-Ehrung 3 Wertminderung – Abschreibungen gem. BilMoG 235 – Teilwertabschreibung 282 Wertpapiere – Erbschaftsteuerreform 81, 89 Wertpapiergeschäfte – Vertragserfüllung und wirtschaftliches Eigentum 247 Wesentliche Beteiligung – Erbschaftsteuerreform/begünstigtes Vermögen 84 – Veräußerung an eine beteiligungsidentische GmbH 45 Wettbewerbsfähigkeit – Deutsche Industrie und Steuersätze 21 Wirtschaftliche Verursachung – Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten 269 Wirtschaftliche Zurechnung – Prinzip nach Handelsbilanz (BilMoG) 230 Wirtschaftliches Eigentum – Autoverkäufe mit Rückgabemöglichkeit 259 – Begriff (BFH-Leasingurteil) 243 – Begriff (österr.VwGH) 244 – Bewegliche Sachen/Vertragserfüllung 245 – Doppeloptionen 250 – Gesellschaftsanteile 248 – Gewinnrealisierung/Bedeutung 244 Bedeutung 244 – Grundstücke 246 – Optionsrechte 249 – Pensionsgeschäfte 257 – Realisationszeitpunkt, zweifelhafter 245 – Rechte, nicht verbriefte 248 – Rechtliches und wirtschaftlichen Eigentum/Abweichung 245

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– Rücktrittsrecht wegen fehlgeschlagener Weiter-Veräußerung 258 – Sale-and-buy-back-Geschäfte 256 – Verborgenes Geschäft/Finanzierungsleasing 255 – Wertpapiere 247 – Wirtschaftliche Erfüllung (Umsatzgeschäft) 245 Wirtschaftsgüter – Personengesellschaft/ abkommensrechtliche Zuordnung 183 – Steuerentstrickung s. dort Wissenschaftliche Sammlungen – Erbschaftsteuerreform 89 Wohnungsunternehmen – Erbschaftsteuerreform 81, 100 Zeitbewertung – Finanzinstrumente zu Handelszwecken (BilMoG) 234 Zinsen/Verzinsung – Betriebsstätte und Stammhaus/ Zinszahlungen 182 – DBA-Recht 175, 177 – Ertragswertverfahren, vereinfachtes und Kapitalisierungsfaktor 73 – Finanzmarktkrise und Zinsniveau 13 – Qualifizierung in vGA 149 – Sondervergütungen 175 – Zinsfreies Darlehen ausländischer Mutter an inländische Tochter 159 Zinsschranke – EBITDA-Volumen 13 – Escape-Klausel 13 – Finanzmarktkrise/Folgen 13 – Funktionsverdoppelung 20 – Gesellschafterdarlehen und Gewinnverlagerungen 22 – Inländischer Zinsaufwand nach Steuersatzsenkung 22 – Italien als Nachahmer 13 – Kapitalgesellschaftskonzerne 27 – Planspielerfordernis 22 – Rechtstatsachenfeststellung 17 – Schrankenkonzepte 21 – Sondervergütungen/ Umqualifizierung 176

Sachregister – Steuersatzsenkung und flankierende Maßnahme 18 – Unternehmen in Deutschland, betroffene 13 – Unternehmenspolitik 19 – Unternehmensteuerreform 2008/ Gegenfinanzierung 12

Zivilrechtliche Gestaltung – Gestaltungsmissbrauch 43 Zurechnung – Handelsbilanz (BilMoG) und Prinzip wirtschaftlicher – 230 Zuschreibungen – Handelsbilanz (BilMoG) 235

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